Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 21. Juli 2015 - 12 E 522/15
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
1
Gründe:
2In der hier gegebenen Fallkonstellation einer Beschwerde, die sich gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts richtet, mit dem über eine Erinnerung gegen die auf § 164 VwGO beruhende Festsetzung der dem Verfahrensgegner zu erstattenden Kosten entschieden worden ist, entscheidet der Senat in der Besetzung von drei Richtern (§ 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO, § 109 Abs. 1 JustG NRW). Die Vorschriften, die bei Kosten- und Streitwertbeschwerden eine Beschwerdeentscheidung des Rechtsmittelgerichts durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter vorsehen, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde (vgl. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG, § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 2, § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG), sind im Rahmen einer solchen Beschwerde nicht einschlägig.
3Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Juni 2013
4- 19 E 228/12 -, juris, vom 20. Dezember 2012
5- 6 E 1074/12 -, juris, vom 16. Mai 2011
6- 17 E 1418/10 -, juris, vom 25. Januar 2011
7- 1 E 32/11 -, juris, und vom 18. August 2010
8- 18 E 471/10 -, juris; vgl. ferner nur Sächsisches OVG, Beschluss vom 19. August 2014 - 5 E 57/14 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 6. November 2008 - NC 9 S 2614/08 -, juris, m. w. N.
9Die Annahme des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 19. Mai 2015, dass in dem vorliegenden Verfahren keine Terminsgebühr entstanden ist, erweist sich auch im Lichte des Beschwerdevorbringens als zutreffend. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
10Auch das Beschwerdevorbringen vermag nicht aufzuzeigen, dass die Voraussetzungen der Nr. 3202 Abs. 1 VV RVG i.V.m. Nr. 3014 Abs. 1 Ziff. 1 VV RVG vorliegen, wonach die Terminsgebühr auch entsteht, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder gemäß § 307 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Entgegen der Annahme der Klägerin hat das Verfahren hier nicht durch einen „schriftlichen Vergleich“, sondern durch beiderseitige Erledigungserklärung (Schriftsätze vom 16. Juni 2014 und 9. Juli 2014) seinen Abschluss gefunden. Die Regelung in Nr. 3014 Abs. 1 Ziff. 1 VV RVG meint - wie der Vergleich mit dem Begriff der „Einigung“ in Nr. 1000 VV RVG zeigt - ausschließlich den gerichtlichen Vergleich, im Rahmen des Zivilprozessrechts also den Vergleichsabschluss nach Maßgabe von § 278 Abs. 6 ZPO, für den Bereich der Verwaltungsgerichtsordnung den Prozessvergleich nach § 106 Abs. 2 VwGO. Bei einer durch Einvernehmen bedingten Hauptsachenerledigung kann diese Variante der Terminsgebühr deshalb nicht zum Tragen kommen.
11Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. März 2009 - OVG 1 K 72.08 -, juris; VG Berlin, Beschluss vom 23. Juni 2008 - 14 KE 227.06, 14 V 29.05 -, juris.
12Auch die Festsetzung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG hat das Verwaltungsgericht zu Recht abgelehnt.
13Nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 VV RVG entsteht die Einigungsgebühr, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Abschluss eines Vertrages unter Mitwirkung des Rechtsanwalts beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.
14Für eine Einigung im Sinne von Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass eine Einigung über materielle Ansprüche ("über ein Rechtsverhältnis") erzielt wird, ohne dass es dazu etwa eines Vergleichs bedarf. Es genügt nunmehr jede vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien. Daher kann eine Einigung auch anfallen, wenn der Rechtsstreit durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Parteien beendet wird, sofern über die insofern vorliegenden Prozesshandlungen hinausgehend zugleich eine Einigung über den in Frage stehenden materiell-rechtlichen Anspruch erzielt wird.
15OVG NRW, Beschluss vom 8. Februar 2011
16- 2 E 1410/10 -, juris m.w.N.
17Von einer vertraglichen Vereinbarung über den streitigen Anspruch kann aber nicht ausgegangen werden, wenn eine einseitige Klaglosstellung erfolgt.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. September 2009 - 12 E 1538/08 -, juris.
19Vorliegend ist der Abschluss einer vertraglichen Vereinbarung nicht erkennbar. Die Beklagte hat vielmehr einseitig den Bescheid vom 18. April 2011, soweit er nach dem Berufungsantrag noch streitbefangen war, aufgehoben. Entgegen der Annahme der Klägerin lag hierin kein „Angebot“ der Beklagten, dass sie annehmen konnte, sondern ein einseitiges Handeln der Beklagten, das dazu führte, dass die gerichtliche Weiterverfolgung des Begehrens der Klägerin angesichts des Wegfalls der Beschwer nicht mehr erfolgversprechend gewesen wäre. Angesichts dieser prozessualen Situation stellte die Erledigungserklärung die sachgerechte Prozesshandlung, nicht aber die Annahme eines Angebots dar. Dass zwischen den Beteiligten unabhängig hiervon noch in irgendeiner Form eine Vereinbarung getroffen worden ist, ist nicht erkennbar.
20Dass eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG anzusetzen wäre, wird von der Klägerin selbst nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Entstehung einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG setzt voraus, dass sich ein Rechtsstreit durch anwaltliches Mitwirken, und zwar durch eine besondere, auf Beilegung der Sache ohne Entscheidung des Gerichts gerichtete und zur Erledigung nicht nur unwesentlich beitragende Tätigkeit des Rechtsanwalts erledigt. Hierfür sind besondere Bemühungen mit dem Ziel der Erledigung der Rechtssache erforderlich, die über eine "normale", durch die Tätigkeitsgebühren abgegoltene Prozessführung hinausgehen,
21OVG NRW, Beschluss vom 30. September 2009
22- 12 E 1538/08 -, juris,
23wofür vorliegend hinreichende Anhaltspunkte nicht zu erkennen sind.
24Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.
25Dieser Beschluss ist gemäß 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 21. Juli 2015 - 12 E 522/15
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 21. Juli 2015 - 12 E 522/15
Referenzen - Gesetze
Der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs setzt auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten fest.
(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.
(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.
(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil an, so ist sie dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es insoweit nicht.
Das Gericht kann sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert 600 Euro nicht übersteigt. Auf Antrag muss mündlich verhandelt werden.
(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.
(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.
(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.
(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.
(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.
(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.
Um den Rechtsstreit vollständig oder zum Teil zu erledigen, können die Beteiligten zu Protokoll des Gerichts oder des beauftragten oder ersuchten Richters einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand des Vergleichs verfügen können. Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, daß die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.