Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 02. Februar 2015 geändert.

Der Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs und einer nachfolgenden Klage gegen die Baugenehmigung des Antragsgegners vom 24. Oktober 2014 anzuordnen, wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen in beiden Instanzen als Gesamtschuldner.

2. Der Streitwert wird für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich als Nachbarn gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin, die den Beigeladenen zur Errichtung eines grenzständigen, unterkellerten Wohnhauses erteilt worden ist.

2

Die Beigeladenen planen an das grenzständig errichtete Bestandsgebäude der Antragsteller, das ausweislich der diesbezüglichen Baugenehmigung nur eine Flachgründung mittels Sohlplatte aufweist, anzubauen. Für die Unterkellerung des Neubaus war zunächst die Unterfangung des Bestandsgebäudes vorgesehen. Dieser Vorgehensweise stimmten die Antragsteller nicht zu. Sie sahen die Standsicherheit ihres Gebäudes gefährdet und befürchteten Schäden, insbesondere Setzungsrisse.

3

Die den Beigeladenen im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 63 Landesbauordnung – LBauO M-V – am 24. Oktober 2014 erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin enthielt eine aufschiebende Bedingung zum Baurecht in Ziff. 1, nach der vor Baubeginn die Erklärung des Tragwerksplaners nach § 66 Abs. 2 u. 3 LBauO M-V (Kriterienkatalog) i. V. m. § 14 Abs. 2 Bauvorlagenverordnung M-V nachzureichen sei. Bei Prüferfordernis dürfe mit dem Bau erst begonnen werden, wenn die bautechnischen Nachweise zur Standsicherheit geprüft seien. Zugleich wurde in der Baugenehmigung als eine baurechtliche Auflage (Ziff. 3) bestimmt, dass bei Prüferfordernis hinsichtlich der Baustatik die Forderungen der Prüfingenieure und die Prüfberichte als Auflagen zur Baugenehmigung gelten. Die Bauausführung dürfe nur nach den geprüften Unterlagen erfolgen.

4

Auf den Widerspruch der Antragsteller vom 30. Oktober 2014 hob die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 03. März 2015 die aufschiebende Bedingung unter Ziff. 1 der Baugenehmigung wegen Erledigung auf, ergänzte die Baugenehmigung um eine (neue) aufschiebende Bedingung über die Sicherstellung einer Freiheit von Grund- und Schichtenwasser und wies im Übrigen den Widerspruch der Antragsteller zurück.

5

Am 06. November 2014 haben die Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

6

Das Verwaltungsgericht Schwerin hat dem Antrag durch Beschluss vom 02. Februar 2015 stattgegeben. Dieser Beschluss wurde der Antragsgegnerin am 03. Februar 2015 und den Beigeladenen am 06. Februar 2015 zugestellt.

7

Die Antragsgegnerin hat am 06. Februar 2015 und die Beigeladenen am 17. Februar 2015 Beschwerde eingelegt. Die Antragsgegnerin hat ihre Beschwerde mit einem am 03. März 2015 eingegangenen Schriftsatz begründet, die Beigeladenen mit einem am 05. März 2015 eingegangen Schriftsatz.

8

Die Antragsgegnerin hat ihre Begründung auch auf eine Änderung der Sach- und Rechtslage gestützt. Die Aufhebung der aufschiebenden Bedingung sei im Widerspruchsbescheid erfolgt, da die Standsicherheit einschließlich der des Bestandsgebäudes zumindest zwischenzeitlich geklärt worden sei. Es werde keine Unterfangung sondern eine Abfangungswand parallel zur Grundstücksgrenze auf dem Grundstück der Beigeladenen errichtet. Für die Standsicherheit des Bestandsgebäudes der Antragsteller haben die Beigeladenen am 02. März 2015 eine Baulast gemäß § 83 Abs. 4 Nr. 1 LBauO M-V eingeräumt.

9

Ob in der Hauptsache zwischenzeitlich Klage erhoben worden ist, lässt sich der Akte nicht entnehmen.

II.

10

Die zulässigen Beschwerden sind nach Maßgabe des eingeschränkten Prüfprogramms gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die angefochtene Baugenehmigung angeordnet, weil sich nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass der Rechtsbehelf der Antragsteller keinen Erfolg haben wird. Die Baugenehmigung verletzt sie nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

11

Das Vorhaben beurteilt sich gem. § 87 LBauO M-V der geltenden Fassung vom 15.10.2015 (GVOBl. M-V S. 344) nach der bis zum 30.10.2015 geltenden Fassung durch Gesetz vom 20.05.2011 (GVOBl. M-V S. 323). Denn entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts gehört danach die Frage der Standsicherheit nach § 12 LBauO M-V nicht zum Prüfungsumfang des vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach § 63 LBauO M-V, wie die Beigeladenen zu Recht rügen.

12

§ 63 Abs. 1 Satz 2 LBauO M-V sieht für das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren vor, dass § 66 „unberührt bleibt“. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die nach § 66 Abs. 1 LBauO M-V zu erbringenden technischen Nachweise, hier insbesondere der Standsicherheitsnachweis, im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren selbst vorzulegen sind. Vielmehr ist ausreichend, dass der Nachweis vor Baubeginn vorliegt und – soweit eine bauaufsichtliche Prüfung zu erfolgen hat – diese vor Baubeginn durchgeführt werden kann.

13

Der Senat hat bereits entschieden, dass ein dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 LBauO unterfallendes Vorhaben nicht auf die Übereinstimmung mit den bauordnungsrechtlichen Vorschriften der Landesbauordnung geprüft wird, soweit dies nicht in § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBauO M-V angeordnet ist (vgl. nur OVG M-V, Urt. v. 30.10.2013 – 3 L 183/10 –, NordÖR 2014, 317, juris Rn. 45 zum Abstandsflächenrecht). Die Feststellungswirkung der Baugenehmigung bezieht sich nur auf die Einhaltung der Vorschriften, die zum Prüfprogramm gehören. Dass die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung und die Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens auseinanderfallen können, ist die Konsequenz der Einführung des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 22.10.2008 – 8 A 10942/08 – BRS 73 Nr. 147, juris Rn. 24).

14

Das gilt auch für die Prüfung der Standsicherheit (vgl. auch BayVGH, Beschl. v. 27.10.1999 – 2 Cs 99.2387). Bereits nach dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern in der bis 30. August 2006 geltenden Fassung regelte § 63 Abs. 2 Nr. 2 LBauO M-V a. F. ausdrücklich, dass die Nachweise über die Standsicherheit von Wohngebäuden geringer Höhe mit nicht mehr als zwei Wohnungen und im Übrigen von Tragwerken sehr geringer und geringer Schwierigkeit im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht geprüft werden. Abs. 6 dieser Norm schrieb vor, dass auch soweit eine Prüfung entfällt, die Bauvorlagen einzureichen sind. Nach Satz 1 sind die Nachweise über die Standsicherheit, soweit sie erforderlich sind, spätestens bis Baubeginn einzureichen. Dabei muss nach Abs. 4 der Vorschrift der Standsicherheitsnachweis von einem bauvorlageberechtigten Ingenieur aufgestellt sein, der nach Abs. 8 eine Erklärung abzugeben hat, dass die von ihm gefertigten Bauvorlagen den gesetzlichen Vorschriften entsprechen.

15

An diesem System hat der Gesetzgeber bei der umfassenden Änderung der Landesbauordnung im Jahr 2006 (Gesetz vom 18. April 2006, GVOBl. M-V S. 102), mit der die hier maßgebende Formulierung des § 63 Abs. 1 Satz 2 LBauO M-V eingeführt worden ist, nicht nur festgehalten, vielmehr sollte „eine grundlegende ordnungspolitische Entscheidung für weniger staatliche Kontrolle und für mehr Verantwortung für den Einzelnen“ getroffen werden. „Es (werde) weitergehender als bisher auf materielle Anforderungen sowie auf staatliche Prüfungen und Überwachungen verzichtet. (…) Baurechtliche und bautechnische Prüfung durch die Bauaufsichtsbehörde werden grundsätzlich voneinander abgekoppelt“ (LT-Drs. 4/1810 v. 09.08.2005, S. 2). „Präventive Prüfungen im Rahmen der Baugenehmigungsverfahren können so weit zurückgenommen werden, als die Einhaltung der materiellen Anforderungen bautechnischer Art (Standsicherheit, Brandschutz) durch ein Kompensationssystem in besonderer Weise qualifizierter und ebenso in besonderem Maße verantwortlicher Privater sichergestellt werden kann (LT-Drs. 4/1810 v. 09.08.2005, S. 89). Damit ist die Baugenehmigung im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren „auf eine im Kern (nur noch) planungsrechtliche Genehmigung reduziert“ (LT-Drs. 4/1810 v. 09.08.2005, S. 90 u. schon S. 3). Eine Prüfung der bauordnungsrechtlichen Anforderungen soll nicht stattfinden (LT-Drs. 4/1810 v. 09.08.2005, S. 91 u. 161).

16

Mit der Neuformulierung des § 63 LBauO M-V in der ab 01. September 2006 geltenden Fassung wurde somit das Prüfprogramm des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nicht um die Prüfung der bautechnischen Nachweise im Genehmigungsverfahren gegenüber der Altfassung erweitert. Das lässt sich auch der Systematik der Vorschrift entnehmen, die in Abs. 1 Satz 1 das Prüfprogramm positiv auflistet. Soweit nach Satz 2 nunmehr § 66 „unberührt“ bleiben soll, kommt dieser Formulierung, die sich auch in § 62 Abs. 5 Satz 1 LBauO M-V für die Genehmigungsfreistellung und in § 64 Satz 2 LBauO M-V für das (volle) Baugenehmigungsverfahren findet, nur die Bedeutung zu, dass die in dieser Vorschrift geregelten bautechnischen Nachweise – unabhängig von der Genehmigungsprüfung – vorzulegen und ggf. bauaufsichtlich (neben dem Genehmigungsverfahren) zu prüfen sind. Hierfür spricht auch die Vorschrift des § 72 Abs. 8 Satz 2 LBauO M-V, nach der Baugenehmigungen, Bauvorlagen sowie bautechnische Nachweise, soweit es sich nicht um Bauvorlagen handelt, an der Baustelle vor Baubeginn vorliegen müssen.

17

Soweit in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 63 Abs. 1 Satz 2 ausgeführt wird, dass die Unberührtheitsvorschrift eine zusätzliche Regelung des bauaufsichtlichen Prüfprogramms enthält, und das Prüfprogramm des § 63 Abs. 1 um die jeweils der bauaufsichtlichen Prüfung unterworfenen Gegenstände erweitert wird (LT-Drs. 4/1810 v. 09.08.2005, S. 162), ist damit nicht erklärt, zu welchem Zeitpunkt diese Prüfung erfolgen muss. Zudem wird in dem Entwurf darauf verwiesen, dass die bauaufsichtliche Prüfung der Standsicherheit durch die Bauaufsichtsbehörde selbst aber auch durch einen Prüfingenieur (als beliehenen Unternehmer) möglich sei.

18

Durch die Neufassung der Landesbauordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2015, gültig ab dem 31. Oktober 2015, ist § 63 Abs. 1 Satz 2 LBauO M-V nicht verändert worden.

19

Die vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss offen gelassenen Fragen, insbesondere auch zur Anwendbarkeit der DIN 4123 betreffen sämtlich die Problematik der Standsicherheit des zu errichtenden Gebäudes bzw. des Bestandsgebäude und bedürfen deshalb im hiesigen Verfahren keiner weiteren Ausführungen.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162, Abs. 3 VwGO.

21

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

22

Hinweis:

23

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung des Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 06. August 2010 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Auflage Nr. 1 der von der Beklagten zu Gunsten des Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom 12. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2009 wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht werden wie folgt verteilt: Die Gerichtskosten tragen die Beteiligten zu je 1/3. Die Klägerin trägt je 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten und des Beigeladenen.

Die Beklagte und der Beigeladene tragen je 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im Übrigen werden die außergerichtlichen Kosten nicht erstattet.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten können die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich als Nachbarin gegen eine zu Gunsten des Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für ein Nebengebäude an der Grundstücksgrenze.

2

Ursprünglich hatte die Beklagte dem Beigeladenen 1999 eine Baugenehmigung für ein als "Garage mit Abstellraum" bezeichnetes Vorhaben erteilt, für das die Bauvorlagen eine Grundfläche von 9 m (Länge entlang der Grundstücksgrenze) x 5,50 m und eine Höhe von 2,97 m auswiesen. Mit Urteil vom 18.10.2007 zum Az. 1 A 922/03 hatte das Verwaltungsgericht Greifswald die Baugenehmigung aufgehoben und die Beklagte zum Erlass einer Beseitigungsverfügung verpflichtet. Zur Begründung ist ausgeführt, die Baugenehmigung verstoße gegen die nachbarschützenden Vorschriften des Abstandflächenrechts. Die Baugenehmigung sei hinsichtlich der höhenmäßigen Einordnung des Vorhabens nicht hinreichend bestimmt, weil die zum Gegenstand der Baugenehmigung gemachten Bauvorlagen keine Angaben zu der vor Ausführung des Vorhabens vorhandenen natürlichen Geländeoberfläche enthielten. Soweit Angaben zur Geländeoberfläche vorlägen, halte das auf dieser Grundlage genehmigte Vorhaben nicht die notwendigen Abstandflächen ein, weil das Gebäude mit einer Wandhöhe von 3 m nicht auf der natürlichen Geländeoberfläche, sondern auf einer etwa 20 cm hohen Anschüttung errichtet worden sei. Die Baugenehmigung sei auch hinsichtlich der maßgeblichen Wandhöhe an der Grundstücksgrenze unbestimmt bzw. rechtswidrig, weil die Bauvorlagen lediglich die Höhe der Oberkante der Dachsparren auswiesen, nicht aber den oberen Abschluss der Wand. Mit Schalung und Dachpappen ergebe sich die - im Termin vor Ort auch gemessene - Wandhöhe von etwa 3,05 m. Im übrigen seien die Voraussetzungen einer zulässigen Grenzbebauung auch deshalb nicht erfüllt, weil es sich nicht um ein Gebäude ohne Aufenthaltsräume handele. Insbesondere der als "Abstellraum" bezeichnete größere der beiden geplanten Räume sei als Aufenthaltsraum objektiv geeignet und im übrigen - wie vor Ort festgestellt worden sei - auch tatsächlich entsprechend ausgebaut. Einen zunächst gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil hatte der Beigeladene zurückgenommen.

3

Am 16.04.2008 beantragte der Beigeladene erneut die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Garage mit Abstellraum an der Grenze zum Grundstück der Klägerin mit Abmessungen von 9 m (Länge entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze) x 5,50 m (Breite) x 2,97 m (Höhe an der Grundstücksgrenze). Die Geländehöhe wurde im Bereich der beiden Gebäudeecken an der Grundstücksgrenze unter Bezugnahme auf den Lageplan des ÖbVI Schröder vom 25.07.2002 mit 14,27 m angegeben, im Bereich der der Grenze abgewandten Gebäudeecken mit 14,13 und 14,19 m. Die geplante Nutzung der Räume ist in den Bauvorlagen mit "Garage 17,77 qm", "Lager- u. Abstellraum 4,42 qm" sowie "Abstellraum und Werkraum (unbeheizt) 18,8 qm" angegeben.

4

Mit Bescheid vom 14.07.2008 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Baugenehmigung mit der Begründung ab, das beantragte Gebäude halte zwar die zulässige mittlere Wandhöhe von 3 m und die Gesamtlänge von 9 m ein. Es könne jedoch nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass auch die Errichtung eines Aufenthaltsraumes beabsichtigt sei. Damit könne der Verstoß gegen die nachbarschützende Vorschrift des Abstandflächenrechts (§ 6 Abs. 7 Nr. 1 LBauO M-V) nicht ausgeräumt werden.

5

Nachdem der Beigeladene gegen die Ablehnung Widerspruch eingelegt und bestimmte bauliche Veränderungen - insbesondere eine Verkleinerung der Fenster - angeboten hatte, um sicher zu stellen, dass das Gebäude nicht zu Aufenthaltszwecken genutzt wird, und am 01.12.2008 zu diesen Fragen ein Termin vor Ort mit Vertretern der Beklagten und des Beigeladenen stattgefunden hatte, erteilte die Beklagte mit Bescheid vom 12.12.2008 die beantragte Baugenehmigung und nahm mit gesondertem Bescheid vom 16.12.2008 den Ablehnungsbescheid zurück.

6

In dem Baugenehmigungsbescheid vom 12.12.2008 heißt es:

7

"Auf Ihren Antrag vom 16.04.2008 erteile ich Ihnen, unbeschadet privater Rechte Dritter, die Genehmigung, das vorgenannte Vorhaben, die Errichtung einer Garage mit Abstellraum, entsprechend den beigefügten und als zugehörig gekennzeichneten Bauvorlagen auszuführen.

8

Die Prüfung der Bauvorlagen erfolgte im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 63 Abs. 1 LBauO M-V. Der Prüfumfang beschränkt sich hierbei auf den in der Vorschrift genannten Rahmen.

9

Die nachstehend oder in den Anlagen enthaltenen Bedingungen (B) und Auflagen (A) sowie die grünen Eintragungen sind Bestandteile dieser Genehmigung. Die Hinweise (H) sind bei der Ausführung zu beachten:

10

1. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens und der während der durchgeführten Besichtigung vom 01.12.08 getroffenen Festlegungen sind nachfolgende Maßnahmen bis zum 31.05.09 zu realisieren und der Vollzug der Bauaufsichtsbehörde schriftlich anzuzeigen:

11

- Zumauern des kleineren Fensters in der Garage

12

- Verkleinerung der 3 verbleibenden Fenster (davon 1 Fenster in der Garage und 2 Fenster im Abstell- und Werkraum) auf das Maß von 800 x 1000 mm

13

- Entfernen der Fliesen im Werk-, Abstellraum gemäß Schreiben des Bauherrn vom 05.07.2008

14

- Rückbau der Dachwandanschlußhöhe an der Grundstücksgrenze als Nachweis der Einhaltung der mittleren Wandhöhe von 3 m für grenzständige Nebengebäude gemäß § 6 (7) LBauO. (A) ..."

15

Der Rücknahmebescheid und die Baugenehmigung, die keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält, wurden dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 16.12.2008 übersandt. Darin heißt es:

16

"Durch die Änderung der Bauvorlagen und die Beauflagungen in der Baugenehmigung sind die Räume der Garage mit Abstellraum objektiv nicht mehr als Aufenthaltsräume geeignet. Nach dem Vollzug der Baugenehmigung werden die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten und keine nachbarrechtlichen Belange mehr beeinträchtigt."

17

Die Klägerin legte am 22.01.2009 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2009, zugestellt am 20.03.2009, zurückwies. In der Begründung heißt es, das beantragte Nebengebäude sei im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen. Weiter ist ausgeführt:

18

"... Zum Prüfumfang gehören nicht die Vorschriften des Abstandsflächenrechts. Da durch das vorhergehende Verwaltungsstreitverfahren aber festgestellt wurde, dass das vorhandene Gebäude gegen nachbarschützende Vorschriften des Abstandsflächenrechts nach § 6 LBauO M-V verstößt, ist eine Legitimierung des Gebäudes durch Um/Rückbau nur möglich, wenn dadurch die nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften eingehalten werden."

19

Im Rahmen des Vor-Ort-Termins am 01.12.2008 hätten die Vertreter der Beklagten sich davon überzeugen können, dass das Gebäude als Garage und zu Abstellzwecken genutzt werde. Durch erfolgte bauliche Änderungen sowie die in der Baugenehmigung erteilten Auflagen sei sicher gestellt, dass die Räume objektiv nicht mehr für Aufenthaltszwecke geeignet seien. Das Gebäude verstoße danach nicht mehr gegen die nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts. Ihm stünden keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegen; ein Grund die Beseitigung zu verfügen, sei nicht mehr erkennbar.

20

Die Klägerin hat am 24.03.2009 Klage erhoben und geltend gemacht: Das Gebäude sei nach wie vor unzulässig, weil es grenzständig mit einer Wandhöhe von ca. 3,05 m errichtet worden sei. Daran habe sich nichts geändert. Auch die in dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18.10.2007 zum Az. 1 A 922/03 beanstandeten Mängel bei der Einmessung des Gebäudes lägen weiterhin vor. Das ursprüngliche Gebäude sei ferner als Ferienwohnung ausgebaut worden, wie sich an den verwendeten Materialien, Anzahl und Dimension der Fenster, Elektro- und Sanitärinstallation gezeigt habe. Dies bleibe auch auf der Grundlage der neuen Baugenehmigung unverändert. Die Um- und Rückbaumaßnahmen änderten nicht den Charakter des Gebäudes. Dieses könne nach wie vor ohne großen Aufwand zu Wohnzwecken genutzt werden. Die Absicht, den Nutzungszweck zu ändern, sei nicht glaubhaft. Die Baugenehmigung sei daher rechtswidrig.

21

Die Klägerin hat beantragt,

22

die Baugenehmigung der Beklagten vom 12.12.2008 und ihren Widerspruchsbescheid vom 12.03.2009 aufzuheben.

23

Die Beklagte hat beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Sie hat vorgetragen: Die Beschaffenheit des Gebäudes mache derzeit eine Wohnnutzung nicht mehr in annehmbarer Form möglich, insbesondere nachdem die Fensteröffnungen verkleinert und in der Zahl verringert worden seien.

26

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

27

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 06.08.2010 die Baugenehmigung vom 12.12.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 12.03.2009 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Das Vorhaben sei im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen, in dem das Abstandflächenrecht nicht zum Prüfprogramm gehöre. Davon sei die Beklagte jedoch abgewichen, indem sie die Baugenehmigung mit Nebenbestimmungen versehen habe, die die Einhaltung des Abstandflächenrechts gewährleisten sollten, und indem sie im Widerspruchsbescheid ausdrücklich davon ausgegangen sei, dass die "Legitimierung des Gebäudes", also die Erteilung der Baugenehmigung, nur möglich sei, wenn die Abstandflächen eingehalten würden. Allerdings werde auch durch eine ausdrückliche Prüfung nicht zum gesetzlichen Prüfprogramm gehörender Vorschriften keine Regelung im Hinblick auf die Vereinbarkeit des Vorhabens mit diesen Vorschriften getroffen. Eine entsprechende Baugenehmigung erwecke aber den Anschein, dass die Vereinbarkeit des Vorhabens mit bestimmten Vorschriften über das gesetzliche Prüfprogramm hinaus verbindlich festgestellt werde. Wegen dieses Rechtsscheins könne die Baugenehmigung, so weit es um nachbarschützende Vorschriften wie hier das Abstandflächenrecht gehe, erfolgreich angefochten werden. Das genehmigte Vorhaben verstoße gegen das Abstandflächenrecht. Die Baugenehmigung sei insoweit unbestimmt, weil die maßgeblichen Bauvorlagen, insbesondere der Schnitt, der die Wandhöhe angebe, nicht mit einem Zugehörigkeitsvermerk zur Baugenehmigung versehen sei. Unabhängig davon liege eine Verletzung des materiellen Abstandflächenrechts vor, weil die Bauvorlagen eine durch Aufschüttung um 15 bis 20 cm veränderte Geländeoberfläche zu Grunde legten, die Wandhöhe aber von der natürlichen Geländeoberfläche aus zu bestimmen sei. Die Wandhöhe betrage danach tatsächlich zwischen 3,15 und 3,20 m.

28

Der Beigeladene hat gegen das am 14.08.2010 zugestellte Urteil am 10.09.2010 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese nach Gewährung einer entsprechenden Fristverlängerung am 11.11.2010 begründet.

29

Er trägt vor: Ein Rechtsschein, der über das gesetzliche Prüfprogramm hinausreiche, könne von einer Baugenehmigung nicht ausgehen. Dass die Höhenlage nicht ausreichend bestimmt sei, treffe nicht zu. Die Höhe der Garagenwand sei vor Erteilung der Baugenehmigung durch die Beklagte überprüft worden; dies sei ausreichend. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Wandhöhe könnten nicht zutreffen. In dem Verfahren VG Greifswald Az. 1 A 922/03 sei die Wandhöhe im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor Ort am 18.10.2007 mit 3,05 m gemessen worden. Er - der Beigeladene - habe entsprechend den Auflagen das Dach aufgenommen und die Wand um 10 cm zurück gebaut, so dass die vorgeschriebene Höhe von 3,00 m hergestellt worden sei. Davon habe sich die Beklagte während des Ortstermins zur Überprüfung der Durchführung der erteilten Auflagen überzeugt. Er sei beim Rückbau des Daches und der Abtragung der Wandhöhe von der vorgefundenen Geländeoberfläche an der Grundstücksgrenze ausgegangen. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege nicht vor. Belange der Klägerin würden nicht unzumutbar beeinträchtigt. Ein störender Schattenwurf könne nicht eintreten, weil das Vorhaben nördlich des Hauses der Klägerin liege. Durch eine geringe Höhenüberschreitung von nur 15 oder 20 cm würden weder die Sichtverhältnisse der Klägerin unzumutbar beeinträchtigt noch liege eine erhebliche ästhetische Beeinträchtigung vor. Auch wenn die Garage entfernt werden müsste, würde er – der Beigeladene - auf jeden Fall eine Mauer bis zu 2 m Höhe als Grundstückseingrenzung für erforderlich halten. Im übrigen habe bis 1999 auf der fraglichen Fläche in Höhe des Wohnhauses der Klägerin ein Stallgebäude gestanden. Durch dessen Abriss und die Errichtung der Garage hätten sich die Sicht- und Lichtverhältnisse für die Klägerin erheblich verbessert. Auch das OVG Greifswald habe in einer Entscheidung vom 06.01.2010 zum Az. 3 M 231/09 in einer Überschreitung der in der näheren Umgebung vorhandenen Geschosszahl keine unzumutbare Beeinträchtigung der Nachbarschaft gesehen und die Auffassung vertreten, dass bei einer geringfügigen Abweichung von den erforderlichen Abstandflächen ein vorläufiger Baustopp nicht in Betracht komme.

30

Der Beigeladene beantragt,

31

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 06.08.2010 zu ändern und die Klage abzuweisen.

32

Die Klägerin beantragt,

33

die Berufung zurückzuweisen.

34

Sie trägt vor: Auf eine wertende Betrachtung, ob die mit der Verletzung der Abstandflächen verbundenen Beeinträchtigungen für den Nachbarn zumutbar seien oder nicht, komme es nicht an. Rechtmäßigkeitskriterium sei lediglich die Einhaltung eines bestimmten Maßes. Im übrigen könne auch deshalb nicht von einer nur ganz geringfügigen Überschreitung ausgegangen werden, weil wegen der Unbestimmtheit der Höhenlagen überhaupt nicht festgestellt werden könne, um welches Maß die Wandhöhe überschritten worden sei. Auf früher vorhandene Baulichkeiten komme es nicht an, da mit deren Entfernung der Bestandsschutz entfallen sei.

35

Die Beklagte stellt keinen Antrag.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie der beigezogenen Gerichtsakte VG Greifswald Az. 1 A 922/03 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

37

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht begründet worden, nachdem die Begründungsfrist von zwei Monaten nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils, die am 14.10.2010 abgelaufen wäre, auf den am 06.10.2010 und damit rechtzeitig vor Fristablauf gestellten Antrag des Beigeladenen bis zum 11.11.2010 verlängert worden war, § 124a Abs. 3 Sätze 1 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

38

Die Berufung ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im übrigen ist sie unbegründet.

39

I. Hinsichtlich der Auflage Nr. 1 zur Baugenehmigung und der darin sinngemäß enthaltenen Feststellung der abstandflächenrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht der von der Klägerin erhobenen Nachbarklage stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben.

40

Die Klage ist zulässig. Insbesondere kann die Klägerin geltend machen, durch den angefochtenen Bescheid in eigenen Rechten verletzt zu sein, § 42 Abs. 2 VwGO. Dafür genügt es, dass die behauptete Rechtsverletzung möglich erscheint. Dies ist bereits dann anzunehmen, wenn die Verletzung eigener subjektiver Rechte eines Klägers nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (stRspr des BVerwG, vgl. U. v. 10.07.2001 - 1 C 35.00 - BVerwGE 114, 356 = Juris Rn. 15; U. v. 27.02.1996 - 1 C 41.93 - BVerwGE 100, 287, 299; U. v. 29.06.1995 - 2 C 32.94 - BVerwGE 99, 64, 66 mwN). Dies ist hier der Fall. Im Hinblick auf die in dem Baugenehmigungsbescheid vom 12.12.2008 enthaltene Auflage, mit der offenbar die Einhaltung der abstandflächenrechtlichen Vorschriften, insbesondere der Voraussetzungen des § 6 Abs. 7 LBauO M-V gewährleistet werden soll, kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass der Bescheid eine Regelung über die abstandflächenrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens auch mit Wirkung gegenüber der Klägerin enthält. Da die abstandflächenrechtlichen Vorschriften nachbarschützend sind, kann die Klägerin geltend machen, durch deren Anwendung in eigenen Rechten verletzt zu sein. Die Frage der Auslegung des Bescheides in dieser Hinsicht kann nicht bereits im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit abschließend behandelt werden ohne die prozessualen Anforderungen an eine nur mögliche Rechtsverletzung zu überspannen; sie bleibt deshalb der Begründetheitsprüfung vorbehalten.

41

Die Klage ist hinsichtlich der Auflage Nr. 1 zur Baugenehmigung und der darin sinngemäß enthaltenen Feststellung der abstandflächenrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens auch begründet. Insoweit sind der Bescheid der Beklagten vom 12.12.2008 und deren Widerspruchsbescheid vom 12.03.2009 rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

42

1. Der Baugenehmigungsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist dahin gehend auszulegen, dass die Beklagte neben der Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 63 LBauO M-V sinngemäß die selbständige Feststellung getroffen hat, dass das Vorhaben des Beigeladenen nach § 6 LBauO M-V zulässig ist.

43

Gegenstand dieser Feststellung ist das geplante Vorhaben, das auch Gegenstand der Baugenehmigung ist, nicht ein tatsächlich vorhandener Bestand. Auf den Vortrag des Beigeladenen, er habe entsprechend den Auflagen das Dach aufgenommen und die Wand um 10 cm zurück gebaut, so dass die vorgeschriebene Höhe von 3,00 m hergestellt worden sei, kommt es daher nicht an.

44

a) Die Prüfung des Abstandflächenrechts ist nicht im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens erfolgt.

45

Das Vorhaben unterfällt gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c LBauO M-V dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren, in dem die Übereinstimmung des Vorhabens mit den bauordnungsrechtlichen Vorschriften der Landesbauordnung einschließlich des Abstandflächenrechts nicht geprüft werden. Zur Erweiterung des in § 63 Abs. 1 LBauO M-V gesetzlich vorgegebenen Prüfprogramms und damit der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für die zu erteilende Baugenehmigung (§ 72 Abs. 1 LBauO M-V) ist die Bauaufsichtsbehörde nicht befugt. Die Feststellungswirkung der Baugenehmigung bezieht sich nur auf die Einhaltung der Vorschriften, die zum Prüfprogramm gehören (vgl. OVG Koblenz, U. v. 22.10.2008 - 8 A 10942/08 - BRS 73 Nr. 147 = Juris Rn. 24; Wolf in: Simon/Busse BayBO Art. 59 Rn. 106; Hornmann HessBO 2. Aufl. 2011 § 58 Rn. 17; Sauthoff BauR 2013, 415, 416). Die im vereinfachten Genehmigungsverfahren ergehende Baugenehmigung stellt keine (tendenziell) umfassende, sondern nur eine "beschränkte öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung" dar (Jäde in: Jäde u.a. BayBO Anm. 1 zu Art. 73 BayBO). Dass die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung und die Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens auseinanderfallen können, ist die Konsequenz der Einführung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens (OVG Koblenz aaO). Dabei bleibt es grundsätzlich auch dann bei dem gesetzlich beschränkten Prüfprogramm und der entsprechend beschränkten Feststellungswirkung der Baugenehmigung, wenn sich aus den Verwaltungsvorgängen ergibt, dass die Baubehörde sich mit Vorschriften außerhalb des Prüfungsprogramms befasst hat (VGH München B. v. 08.02.2010 - 2 AS 09.2907 - Juris Rn. 24; B. v. 27.10.1999 - 2 CS 99.2387 - BRS 62 Nr. 166 = Juris Rn. 16).

46

Den beschränkten Prüfungsumfang im vereinfachten Genehmigungsverfahren hat die Beklagte auch nicht verkannt. Dies ergibt sich aus dem Hinweis im Ausgangsbescheid: "Die Prüfung der Bauvorlagen erfolgte im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 63 Abs. 1 LBauO M-V. Der Prüfumfang beschränkt sich hierbei auf den in der Vorschrift genannten Rahmen." Ebenso heißt es im Widerspruchsbescheid ausdrücklich: "Zum Prüfumfang gehören nicht die Vorschriften des Abstandflächenrechts." Insoweit unterscheiden sich die hier streitigen Entscheidungen von dem vorangegangenen Ablehnungsbescheid vom 14.07.2008, in dem der Prüfungsumfang nicht erörtert worden war; dort war lediglich § 72 LBauO M-V als Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Baugenehmigung genannt, ein Verstoß gegen § 6 Abs. 7 Nr. 1 LBauO M-V als nachbarschützende Vorschrift des Abstandflächenrechts festgestellt und anschließend formuliert worden: "Eine Baugenehmigung kann nicht erteilt werden, da das Vorhaben gegen o.g. öffentlich-rechtliche Vorschrift verstößt."

47

b) Die Beklagte hat jedoch im hier vorliegenden konkreten Einzelfall zusätzlich zur Durchführung des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Abstandflächenrecht geprüft und hierzu eine selbständige - positive - Feststellung getroffen.

48

Die Beklagte hat nicht nur in der Begründung des Bescheides Ausführungen zum Abstandflächenrecht gemacht, sondern mit den Auflagen unter Ziff. 1 in dem Bescheid Regelungen hierzu ausdrücklich tenoriert. Dabei handelt es sich zwar zunächst nur um bauordnungsrechtliche Anordnungen, die an den Beigeladenen gerichtet sind und nur diesen belasten. Nach Auffassung des Senats erschöpft sich die Bedeutung der Auflagen darin jedoch nicht. Vor dem Hintergrund des vorangegangenen Verfahrens, in dem die Einhaltung der Abstandsflächen durch das Vorhaben des Beigeladenen den maßgeblichen Streitpunkt bildete, wollte die Beklagte nicht nur einen Teilaspekt der Abstandsflächenproblematik allein mit belastender Wirkung gegenüber dem Beigeladenen regeln. Auf die Frage, ob eine solche Regelung gestützt auf § 58 Abs. 1 S. 2 LBauO M-V rechtmäßig sein könnte, kommt es daher vorliegend nicht an. Der Beklagten ging es vielmehr darum, die Frage der Einhaltung des Abstandflächenrechts durch das geänderte Vorhaben des Beigeladenen mit Wirkung für und gegen den Beigeladenen und für und gegen die Klägerin abschließend zu regeln.

49

Hierfür spricht zunächst die Struktur der Entscheidung. Dass die Beklagte in den Baugenehmigungsbescheid, d.h. unter die Überschrift „Baugenehmigung“ auch Aussagen zu der über das Prüfprogramm des Baugenehmigungsverfahrens hinausgehenden Frage der Abstandflächen aufgenommen hat, legt nahe, dass sie die für die Baugenehmigung typische Feststellungswirkung auch für diese - im Baugenehmigungsverfahren an sich nicht zu prüfenden - Frage erreichen wollte. Für das Vorliegen einer abschließenden Regelung zum Abstandflächenrecht auch mit Wirkung zu Gunsten des Beigeladenen und zu Lasten der Klägerin spricht ferner die Formulierung des Widerspruchsbescheides, der den ursprünglichen Verwaltungsakt abschließend gestaltet (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Nach dessen Begründung war "eine Legitimierung des Gebäudes" gerade im Hinblick auf das nachbarschützende Abstandflächenrecht beabsichtigt. Entsprechendes gilt schließlich im Hinblick auf die Übersendung des Baugenehmigungsbescheides an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, verbunden mit den Aussagen, auf Grund der Änderung der Bauvorlagen und der Beauflagungen in der Baugenehmigung seien die Räume der Garage mit Abstellraum objektiv nicht mehr als Aufenthaltsräume geeignet, und nach dem Vollzug der Baugenehmigung würden die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten und keine nachbarrechtlichen Belange mehr beeinträchtigt,

50

Dem Baugenehmigungsbescheid ist deshalb über die ausdrücklich tenorierten Regelungen hinaus sinngemäß die Feststellung zu entnehmen, dass das Vorhaben des Beigeladenen so wie es zur Genehmigung gestellt ist und bei Einhaltung der verfügten Auflagen dem Abstandflächenrecht entspricht. Die Auflagen sind dann als Nebenbestimmungen zu dieser selbständigen Feststellung zu verstehen, die das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Feststellung sicher stellen sollen (vgl. § 36 Abs. 1, 2. Alt. VwVfG M-V).

51

2. Die Feststellung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Vorschriften des Abstandflächenrechts ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

52

a) Für die getroffene Feststellung fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

53

Allerdings hat das OVG Koblenz (U. v. 22.11.2011 - 8 A 10636/11 - NVwZ-RR 2012, 304 = Juris Rn. 23) angenommen, es bleibe der Bauaufsichtsbehörde neben der Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren unbenommen, zur Klärung der Rechtslage die aus ihrer Sicht gegebene bauordnungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens festzustellen. Für eine solche Verfahrensweise bestehe insbesondere dann Anlass, wenn bereits im vereinfachten Genehmigungsverfahren Einwendungen des Nachbarn hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens vorlägen und die Behörde deshalb ohnehin gehalten sei, sich mit einem Begehren auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten zu befassen.

54

Dieser Auffassung folgt der Senat jedoch für das Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation nicht. Rechtsgrundlage für eine Feststellung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Abstandflächenrecht könnte hier nur § 58 Abs. 1 Satz 2 oder § 80 Abs. 1 LBauO M-V sein. Anlass für eine Entscheidung der Beklagten nach § 80 Abs. 1 LBauO M-V bestand vorliegend im Hinblick auf das rechtskräftige Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 18.10.2007 zum Az. 1 A 922/03. Aus dieser Rechtsgrundlage ergibt sich jedoch nicht auch die Ermächtigung der Bauaufsichtsbehörde, das Nichtvorliegen bestimmter Voraussetzungen für ein Einschreiten gesondert festzustellen. Damit würde dem Nachbarn die Anfechtungslast auferlegt. Er würde die Möglichkeit verlieren, die Verletzung nachbarschützender Vorschriften geltend zu machen, wenn der Verwaltungsakt ihm gegenüber bestandskräftig würde (vgl. Sauthoff BauR 2013, 415, 421 f.). Die behördliche Entscheidung hätte damit insoweit die gleiche Wirkung wie die Erteilung einer Baugenehmigung, der nach dem Willen des Gesetzgebers eine entsprechende Feststellungswirkung auch für das materielle Bauordnungsrecht aber gerade nicht zukommen soll. Diese Entscheidung des Gesetzgebers darf bei der Auslegung der Ermächtigungsgrundlagen für ein bauaufsichtliches Einschreiten nicht überspielt werden.

55

b) Die getroffene Feststellung ist ferner im konkreten Fall rechtswidrig.

56

aa) Allerdings steht ihr nicht die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 18.10.2007 - 1 A 922/03 - entgegen. Diese erfasst nicht auch das hier zur Beurteilung stehende Vorhaben.

57

Die Rechtskraft endet, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich verändert, und diese Änderung entscheidungserheblich ist. Dabei hängt die Erheblichkeit der Änderung nicht davon ab, ob die Behörde oder das Gericht auf der Grundlage des neuen Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis kommt als das rechtskräftige Urteil. Es reicht aus, dass die Änderung so wesentlich ist, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eines Urteils eine erneute Sachentscheidung gerechtfertigt ist. Eine von der Rechtskraftbindung des früheren Urteils befreiende entscheidungserhebliche Änderung der Sachlage liegt danach vor, wenn es für die geltend gemachte Rechtsfolge um die rechtliche Bewertung eines jedenfalls in wesentlichen Punkten neuen Sachverhalts geht, zu dem das rechtskräftige Urteil - auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsfrieden und Rechtssicherheit stiftenden Funktion - keine verbindlichen Aussagen mehr enthält (vgl. BVerwG U. v. 18.09.2001 - 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 = Juris Rn. 10 ff.).

58

Maßgeblich ist danach, ob das Bauvorhaben, das nunmehr verwirklicht werden soll, mit dem früheren im wesentlichen identisch ist, oder ob es in wesentlicher Beziehung hiervon abweicht. Das nunmehrige Vorhaben unterscheidet sich von dem früher zur Genehmigung gestellten - soweit es für die Anwendung der Vorschriften des Abstandflächenrechts möglicherweise von Bedeutung ist – insofern, als von dem früheren "Abstellraum" mit 23,67 qm nunmehr ein 4,42 qm großer (fensterloser) "Lager- und Abstellraum" abgetrennt werden soll und die Nutzung im übrigen mit "Abstellraum und Werkraum" bezeichnet ist; ferner hinsichtlich der Größe der Fenster in dem "Abstell- und Werkraum" (80 x 100 cm statt 91,5 x 126 cm) und hinsichtlich der Stärke der Zwischenwand zur Garage (26 cm statt 11,5 cm). Zusätzlich hat die Beklagte den Beigeladenen beauflagt, in dem Werk- und Abstellraum die (Boden-)Fliesen zu entfernen; ein entsprechender Grünvermerk findet sich auch in den Bauvorlagen. Im nördlichen Garagenteil, der ursprünglich fensterlos geplant war, ist nunmehr ebenfalls ein Fenster mit einer Größe von 80 x 100 cm vorgesehen.

59

Danach unterscheidet sich das nunmehrige Vorhaben immerhin in einem der seinerzeit vom Verwaltungsgericht bei der abstandflächenrechtlichen Bewertung für maßgeblich gehaltenen Punkte von dem ursprünglichen, nämlich insoweit als die Fenster in dem früheren Abstellraum von etwa 10 % auf etwa 8,5 % der Netto-Grundfläche verkleinert worden sind (für Aufenthaltsräume vorgeschrieben sind 12,5 %, § 47 Abs. 2 LBauO M-V). Dies reicht aus, um eine Neubewertung zu rechtfertigen.

60

bb) Die Feststellung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Vorschriften des Abstandflächenrechts ist jedoch rechtswidrig, weil sie materiell-rechtlich falsch ist. Das Vorhaben steht mit § 6 LBauO M-V nicht in Einklang.

61

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Diese müssen auf dem Grundstück selbst liegen, § 6 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V. Die Tiefe der Abstandfläche beträgt 0,4 H, mindestens aber 3 m, wobei das Maß H der Wandhöhe von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand entspricht (§ 6 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 LBauO M-V). Gemäß § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V sind in den Abstandflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandflächen Garagen und Gebäude ohne Aufenthaltsräume und ohne Feuerstätten mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m zulässig. Diese Voraussetzungen werden von dem grenzständigen Vorhaben des Beigeladenen jedoch nicht eingehalten.

62

Das Vorhaben des Beigeladenen überschreitet die gemäß § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V zulässige Wandhöhe von 3 m. Diese wird von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand gemessen, § 6 Abs. 4 Satz 1, 2. Hs. LBauO M-V. Ausgangspunkt der Messung ist dabei die natürliche Geländeoberfläche. Die Bauvorlagen für das hier zu beurteilende Bauvorhaben stellen jedoch mit der Höhenangabe von 14,27 m für die Grenze zum Grundstück der Klägerin eine bereits veränderte Geländeoberfläche dar. Der entsprechende Lageplan datiert vom 25.07.2002; zu diesem Zeitpunkt war das Gebäude bereits errichtet. Der Kläger hat am 10.02.2005 in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Greifswald in dem Verfahren 1 A 922/03 angegeben, nach Abschluss der Bauarbeiten die Geländeoberfläche angeglichen zu haben, die ursprünglich in Richtung auf das Grundstück der Klägerin leicht abschüssig gewesen sei, wobei er die Höhendifferenz zwischen der Eingangsseite des Gebäudes und der Grundstücksgrenze auf etwa 15 bis 20 cm schätze. Die Vermessung sei erst nach der Angleichung des Geländes erfolgt. Die Höhe der nach diesem Vorbringen unverändert gebliebenen Geländeoberfläche auf der der gemeinsamen Grundstücksgrenze abgewandten Seite des Nebengebäudes ist in dem Lageplan mit 14,13 m bzw. 14,19 m angegeben. Liegt die natürliche Geländeoberfläche im Bereich der gemeinsamen Grundstücksgrenze nach den Angaben des Klägers etwa 15 bis 20 cm tiefer, so ist insoweit von einer Höhe von etwa 14,00 m auszugehen. Die maßgebliche Wandhöhe des Vorhabens an der Grundstücksgrenze beträgt dann etwa 3,24 m.

63

Daran ändert auch der Unterpunkt 4 der Auflage Nr. 1 zur Baugenehmigung nichts, mit dem dem Beigeladenen der "Rückbau der Dachwandanschlußhöhe an der Grundstücksgrenze als Nachweis der Einhaltung der mittleren Wandhöhe von 3 m für grenzständige Nebengebäude gemäß § 6 (7) LBauO" aufgegeben wird. Diese Regelung steht in Widerspruch zu den genehmigten Bauvorlagen; zudem ist sie unbestimmt und deshalb nicht vollziehbar. Was die "Dachwandanschlusshöhe" sein soll, ist nicht klar. Die Beklagte hat insoweit den vom Beigeladenen persönlich in seinem Schreiben vom 05.07.2008 laienhaft verwendeten Begriff in die Baugenehmigung übernommen, ohne ihn näher zu definieren. Zudem ist nicht klar, von welcher Geländeoberfläche die Beklagte ausgehen will, d.h. ob die Angaben aus den Bauvorlagen maßgeblich sein sollen oder ob die ursprüngliche – natürliche - Geländeoberfläche zu Grunde gelegt werden soll.

64

Schließlich erfüllt das nunmehr zur Beurteilung stehende Vorhaben des Beigeladenen auch deshalb nicht die Voraussetzungen eines privilegierten Grenzgebäudes gemäß § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V, weil es sich nicht um ein Gebäude ohne Aufenthaltsräume handelt. Aufenthaltsräume sind nach § 2 Abs. 5 LBauO M-V Räume, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind. Anders als bei dem ursprünglich genehmigten Vorhaben liegt hier bereits eine Zweckbestimmung als Aufenthaltsraum vor. Der Beigeladene hat als Nutzungsart für den südlichen Gebäudeteil nunmehr "Abstell- und Werkraum" angegeben. Anders als ein Abstellraum ist ein Werkraum jedoch - jedenfalls bei nicht nur kurzzeitiger Nutzung - als Aufenthaltsraum anzusehen (vgl. Heintz in: Gädtke ua BauO NRW 11. Aufl. 2008 § 2 Rn. 233 f.). Auf die Frage, wie die Geeignetheit der Räume als Aufenthaltsräume nach der Verkleinerung der Fensteröffnungen unter Berücksichtigung der Regelung des § 47 Abs. 2 LBauO M-V zu beurteilen ist, kommt es daher nicht mehr an.

65

3. Da die Vorschriften des Abstandflächenrechts Nachbarschutz vermitteln, verletzt die rechtswidrige Feststellung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Abstandflächenrecht die Klägerin in ihren Rechten.

66

a) Zu Unrecht beruft der Beigeladene sich darauf, der Senat habe in seinem Beschluss vom 06.01.2010 - 3 M 231/09 - einen Abwehranspruch des Nachbarn bei lediglich geringfügiger Überschreitung der Abstandflächen verneint. Die genannte Entscheidung betraf einen anderen Streitgegenstand, nämlich den (Verpflichtungs-)Anspruch des Nachbarn auf bauordnungsrechtliches Einschreiten, nicht aber - wie hier - dessen Abwehranspruch gegen eine die Zulässigkeit des benachbarten Vorhabens feststellende Regelung. Ferner ging es in dem angeführten Beschluss um eine Abstandflächenüberschreitung um lediglich (bis zu) 8 cm und eine betroffene Fläche von (höchstens) 1 qm. Die Entscheidung erging ferner im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, in dem der Senat lediglich einen Anspruch auf Erlass eines vorläufigen Baustopps verneinte, und zwar mit der Begründung dass die Überschreitung der Abstandfläche noch durch bauliche Maßnahmen bei der Vollendung des im Rohbau bereits fertig gestellten Gebäudes vermieden werden könne, und der Bauherr eine entsprechende Änderung bereits angekündigt habe. So liegt der Fall hier aber nicht.

67

bb) Die Klägerin ist auch nicht deshalb gehindert, die Rechtsverletzung geltend zu machen, weil ihr eigenes Bestandsgebäude auf dem Nachbargrundstück die Abstandflächen nicht einhält. Eine unzulässige Rechtsausübung liegt nur vor, wenn der Nachbar seinerseits den erforderlichen Abstand nicht einhält und sich dennoch gegen einen vergleichbaren Rechtsverstoß durch ein Vorhaben auf dem angrenzenden Grundstück zur Wehr setzt (vgl. VGH Mannheim U. v. 18.11.2002 - 3 S 882/02 - BRS 65 Nr. 193; OVG Münster U. v. 24.04.2001 - 10 A 1402/98 - BRS 64 Nr. 188). Für die Vergleichbarkeit wechselseitiger Rechtsverstöße ist neben dem Maß des Grenzabstands die Qualität der Beeinträchtigung von Bedeutung (vgl. OVG Münster aaO).

68

Nach diesen Maßstäben liegt ein vergleichbarer Rechtsverstoß hier nicht vor. Zwar hatte die Klägerin in dem vorangegangenen Verfahren vor dem VG Greifswald erklärt, der Verandenteil ihres Wohngebäudes stehe von der Grundstücksgrenze lediglich 2,63 m entfernt. Auch wenn davon auszugehen sein sollte, dass dies über die gesamte Breite des Gebäudes der Fall ist - die vorliegenden Lagepläne lassen unterschiedliche Verläufe der Grundstücksgrenze erkennen - ergibt sich daraus lediglich eine Abstandflächenverletzung in einem Umfang von etwa 0,37 m x 9 m, d.h. von etwa 3,3 qm, während das Gebäude des Beigeladenen eine Abstandfläche von insgesamt etwa 3,24 m x 9 m, d.h. von etwa 29,16 qm auslöst. Denn sind die Voraussetzungen eines privilegierten Grenzgebäudes nicht erfüllt, so tritt eine Abstandflächenverletzung nicht nur in dem Umfang ein, um den die für ein Privilegierung einzuhaltenden Abmessungen überschritten werden, sondern im vollen Umfang der durch das Gebäude ausgelösten Abstandfläche, die dann nach den allgemeinen Regeln des Abstandflächenrechts auf dem Grundstück des Bauherren liegen müsste (§ 6 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V).

69

Hinzu kommt, dass die Abstandflächenverletzung durch das Gebäude der Klägerin sich lediglich im rückwärtigen Bereich des Grundstücks des Beigeladenen auswirkt und das Wohngebäude nicht tangiert, während das streitgegenständliche Gebäude des Beigeladenen sich auf die Belichtung des Wohngebäudes der Klägerin auswirkt.

70

4. Durch die Aufhebung der Auflagen Nr. 1 zur Baugenehmigung wird gleichzeitig die damit sinngemäß verbundene Feststellung der Abstandflächenrechtskonformität des Vorhabens aufgehoben, weil sie rechtswidrig ist und Rechte der Klägerin verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Bescheid ist insoweit nicht teilbar, weil die Beklagte eine einheitliche Entscheidung treffen wollte. Die isolierte Aufrechterhaltung der Auflagen selbst als derjenigen Nebenbestimmungen, durch die die Voraussetzungen für die Feststellung der Abstandflächenkonformität abgesichert werden sollen, kommt nicht in Betracht.

71

II. Soweit das Verwaltungsgericht auch die im vereinfachten Verfahren erteilte Baugenehmigung aufgehoben hat, hat die Berufung hingegen Erfolg. Insoweit verletzen der angefochtene Baugenehmigungsbescheid und der Widerspruchsbescheid die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen das in dem Gebot des Einfügens gemäß § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme nicht vor. Das Gebot der Rücksichtnahme in seiner subjektiv-rechtlichen Ausprägung ist nur dann verletzt, wenn die Bebauung sich als dem Nachbarn gegenüber unzumutbar erweist. Wann dies der Fall ist, kann nur aufgrund einer Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist, beurteilt werden. BVerwG, U. v. 25.02.1977 - IV C 22/75 - BVerwGE 52, 122). Eine Bebauung ist u.a. dann rücksichtslos, wenn sie eine erdrückende Wirkung hat (vgl. BVerwG, U. v. 23.05.1986 – 4 C 34.85 – NVwZ 1987, 34 = Juris Rn. 15; U. v. 13.03.1981 – 4 C 1.78 – BauR 1981, 155 = Juris Rn. 38). Eine solche Wirkung geht von dem Vorhaben des Beigeladenen jedoch nicht aus. Es wird zwar grenzständig errichtet und überschreitet das Maß des nach dem landesrechtlichen Abstandsflächenrecht Zulässigen. Die Nichteinhaltung des landesrechtlichen Abstandflächenrechts indiziert aber nicht das Vorliegen eines Rücksichtnahmeverstoßes (zur Unabhängigkeit der Frage der Einhaltung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes von der Beachtung der bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften vgl. BVerwG U. v. 23.05.1986 – 4 C 34.85 – aaO Rn. 17). Auch dass mit der Überschreitung des abstandflächenrechtlich Zulässigen eine zusätzliche Beeinträchtigung der Belichtung des Wohngebäudes der Klägerin verbunden ist, reicht nicht aus. Die Höhe eines abstandflächenrechtlich zulässigen Grenzgebäudes wird nur in einem begrenzten Maß überschritten; dem entsprechend begrenzt ist das Maß der zusätzlichen Beeinträchtigung. Ein grobes Missverhältnis zwischen den Kubaturen der einander gegenüber stehenden Baukörper liegt nicht vor. Die beengte Wohnsituation beruht auch auf der Anordnung des Gebäudes der Klägerin im Verhältnis zur Grundstücksgrenze. Auf die Frage, ob sich insoweit auch auswirkt, dass die Klägerin die Bebauung ihres Grundstücks in einer Weise, dass sie auf die Belichtung des Gebäudes aus der Richtung des Nachbargrundstücks angewiesen ist, zu einem Zeitpunkt vorgenommen hat, zu dem sich an der Nachbargrenze ebenfalls eine Grenzbebauung befand, kommt es nicht mehr an.

72

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

73

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.



Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 11. Juni 2008 wird die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 6. Oktober 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2008 verpflichtet, der Klägerin die Baugenehmigung zur Anbringung der beiden inneren Werbeanlagen am Gebäude Bubenpfad ... in L. zu erteilen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge haben die Klägerin 1/4 und die Beklagte 3/4 zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die nach den Regeln des vereinfachten Genehmigungsverfahrens zu erteilende Baugenehmigung für die Errichtung zweier Werbeanlagen, die ihr wegen Verletzung des bauordnungsrechtlichen Verunstaltungsverbots versagt wurde.

2

Mit Antrag vom 14. Juni 2006 begehrte sie die Genehmigung für vier beleuchtete Werbeanlagen im sogenannten Euro-Format (3,80 m x 2,70 m) an der Rückseite des Gebäudes Am Bubenpfad ..., die der Straße Kaiserwörthdamm zugewandt ist. Hierbei handelt es sich um eine Ein- und Ausfahrtstraße in die Stadt L., die in beiden Richtungen zweispurig ausgebaut ist. In der näheren Umgebung befinden sich eine Mercedes-Benz-Niederlassung, zwei Tankstellen und eine ATU-Werkstatt. Der Antragseingang wurde am 19. Juni 2006 unter dem Vorbehalt einer Vollständigkeitsüberprüfung der Bauunterlagen bestätigt. Anlässlich einer Ortsbesichtigung Ende September 2006 wurde festgestellt, dass die Werbetafeln sämtlich bereits angebracht wurden. Mit Bescheid vom 6. Oktober 2006 wurde die Befestigung der beiden äußeren Werbetafeln genehmigt. Für die beiden inneren Werbetafeln wurde die Genehmigung im Wesentlichen aus Gründen der Stadtbildpflege untersagt, weil sie unsensibel in das Fensterband einschnitten und damit die gesamte Gebäudefassade verunstalteten.

3

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Stadtrechtsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2008 zurück: Entgegen der Auffassung der Klägerin sei eine Genehmigungsfiktion nach § 66 Abs. 4 LBauO deshalb nicht eingetreten, weil die Bearbeitungsfrist erst nach Bestätigung der Vollständigkeit der Bauunterlagen in Lauf gesetzt werde und eine solche Bestätigung hier nicht erfolgt sei. In der Sache sei die Baugenehmigung deshalb abzulehnen, weil mit den beiden inneren Werbeanlagen eine störende Häufung solcher Anlagen auftrete. Das Erscheinungsbild der klar gegliederten Fassade werde empfindlich gestört.

4

Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer Ortsbesichtigung mit Urteil vom 11. Juni 2008 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die bauordnungsrechtliche Frage der verunstaltenden Wirkung der beiden Werbeanlagen sei zu Recht ausschließlicher Streit und Prüfungsgegenstand des Verfahrens. Zwar unterlägen Werbeanlagen dem vereinfachten Genehmigungsverfahren, so dass bauordnungsrechtliche Gesichtspunkte grundsätzlich nicht zu berücksichtigen seien. Dennoch dürfte die Bauaufsichtsbehörde auch in einem solchen Verfahren einzelne bauordnungsrechtliche Fragen behandeln, die sich ihr zur Prüfung aufdrängten. Dies leite sich aus ihrer in § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO niedergelegten Verpflichtung ab, auf die Einhaltung bauordnungsrechtlicher Vorschriften hinzuwirken. Aufgrund der Entscheidung der Behörde werde der von Gesetzes wegen beschränkte Umfang des vereinfachten Genehmigungsverfahrens partiell bauordnungsrechtlich angereichert, was sich auch auf den Streitgegenstand der Verpflichtungsklage erstrecke. In der Sache folge die Kammer der Einschätzung der Beklagten, dass die straßenseitige Front der Fassade des Gebäudes Am Bubenpfad ... durch das waagerecht verlaufende Fensterband geprägt und strukturiert werde. Dieses klare Erscheinungsbild werde durch die beiden vor dem Fensterband angebrachten großflächigen Werbeanlagen empfindlich gestört, und zwar derart, dass ein hässlicher, das ästhetische Empfinden des Betrachters verletzender Zustand entstehe.

5

Die Klägerin führt zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung im Wesentlichen aus: Zunächst habe sie einen Anspruch darauf, den Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 66 Abs. 4 LBauO festzustellen. Die dreimonatige Entscheidungsfrist sei auch ohne Vollständigkeitsfeststellung der Behörde in Lauf gesetzt worden, weil diese es pflichtwidrig unterlassen habe, diese Feststellung innerhalb der vorgegebenen 10-Tage-Frist zu erklären. Es sei eine weit verbreitete Praxis der Baubehörden des Landes Rheinland-Pfalz, von dieser Vollständigkeitsfeststellung abzusehen, um den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu verhindern. Um dieses Verhalten effektiv zu sanktionieren, komme die entsprechende Anwendung von § 162 Abs. 1 BGB (Verhinderung des Bedingungseintritts) in Betracht. Jedenfalls sei aber der Hilfsantrag begründet. Sie habe einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung nach § 66 LBauO, da ihr Vorhaben mit bauplanungsrechtlichen Vorschriften vereinbar sei. Bauordnungsrecht sei nicht Gegenstand der Prüfung im vereinfachten Genehmigungsverfahren. Die Einhaltung dieser Bestimmungen obliege der Eigenverantwortung des Bauherrn. Ob bauordnungsrechtliche Vorschriften entgegenstünden, müsse zum Zeitpunkt der Errichtung der Anlage entschieden werden. Insofern könnten sich die Umstände im Laufe der Gültigkeit der Baugenehmigung durchaus auch zugunsten des Bauherrn ändern, weshalb er ein berechtigtes Interesse an der vorherigen Feststellung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens habe. Es stelle einen rechtswidrigen Kunstgriff dar, wenn die Bauaufsichtsbehörde das Prüfungsprogramm um das Bauordnungsrecht erweitern dürfe. Die dahingehende Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz stehe insofern im Kreis der übrigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung allein. Auch das Abstellen auf ein fehlendes Sachbescheidungsinteresse für den Bauantrag bzw. auf ein fehlendes Rechtsschutzinteresse für eine entsprechende Verpflichtungsklage stelle eine unzulässige Umgehung der mit dem vereinfachten Genehmigungsverfahren bezweckten Einschränkung des präventiven Prüfungsprogramms dar.

6

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

7

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 11. Juni 2008

8

1. festzustellen, dass die Baugenehmigung für die beiden inneren Werbeanlagen am Gebäude Bubenpfad ... in L. als erteilt gilt ,

9

hilfsweise,

10

2. die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 6. Oktober 2006 und des Widerspruchsbescheids vom 9. Januar 2008 zu verpflichten, ihr die Baugenehmigung zur Anbringung der beiden inneren Werbeanlagen am Gebäude Bubenpfad ... in L. zu erteilen.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Berufung zurückzuweisen.

13

Zur Begründung führt sie aus, dass die Genehmigungsfiktion aus den im Widerspruchsbescheid dargelegten Gründen nicht eingetreten sei. Hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens sei es unter dem Gesichtspunkt des Sachbescheidungsinteresses zulässig, auch bauordnungsrechtliche Vorschriften zu prüfen. Hier liege ein offensichtlicher Verstoß gegen das Verunstaltungsverbot vor. Die Ausdehnung des Prüfungsprogramms sei gerade bei Werbeanlagen sinnvoll, weil die Verlagerung bauordnungsrechtlicher Fragen in das repressive baubehördliche Verfahren dem Betreiber ungerechtfertigte Vorteile einer zwischenzeitlichen Nutzungsmöglichkeit verleihe.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Behördenakten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

15

Die Berufung hat hinsichtlich des hilfsweise erhobenen Verpflichtungsbegehrens Erfolg.

I.

16

Der Hauptantrag ist zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

17

Bei dem erst im Berufungsverfahren gestellten Antrag auf Feststellung des Eintritts der Genehmigungsfiktion für die beiden inneren Werbeanlagen handelt es sich um eine Klageerweiterung, die jedoch nach § 91 Abs. 1 VwGO wegen der Einwilligung des Beklagten zulässig ist.

18

Der Antrag ist indes nicht begründet. Die Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 66 Abs. 4 Satz 5 LBauO liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift gilt die Baugenehmigung als erteilt, wenn über den Bauantrag nicht innerhalb der nach den Sätzen 2 und 3 maßgeblichen Frist entschieden worden ist. Der Beginn der hiernach maßgeblichen Bearbeitungsfrist ist in § 66 Abs. 4 Satz 2 eindeutig dahin geregelt, dass die Frist erst „nach Feststellung der Vollständigkeit“ in Lauf gesetzt wird, was aufgrund des systematischen Zusammenhangs dahin zu verstehen ist, dass es sich - entsprechend § 66 Abs. 4 Satz 1 LBauO - um eine schriftliche Feststellung der Vollständigkeit handeln muss (vgl. die Urteile des Senats vom 20. Februar 2002, DVBl. 2002, 724 und vom 4. Juli 2007, BauR 2007, 1718; zuletzt: Beschluss des Senats vom 5. September 2008 - 8 A 10701/08.OVG -). Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung reicht es nicht aus, dass die Behörde nach § 65 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBauO verpflichtet gewesen wäre, die Vollständigkeit innerhalb der dort vorgesehenen Prüfpflicht „binnen 10 Werktagen“ festzustellen. Denn der Gesetzgeber hat diese 10-Werktage-Frist ausdrücklich nicht „fiktionsbewehrt“ ausgestaltet (vgl. das Urteil vom 20. Februar 2002, a.a.O.). Hat der Gesetzgeber aber lediglich an das Verstreichen der Entscheidungsfrist nach § 66 Abs. 4 LBauO eine Fiktionswirkung geknüpft, nicht aber an das Verstreichen der Prüffrist für die Vollständigkeit des Bauantrags, kommt ein Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB (Vereitelung des Bedingungseintritts) entgegen der Auffassung des Klägers von vornherein nicht in Betracht. Dies bedeutet nicht, dass das gesetzwidrige Unterlassen der Vollständigkeitsprüfung und -bestätigung sanktionslos bleibt. So kann die pflichtwidrige Unterlassung der Vollständigkeitserklärung Amtshaftungsansprüche wegen verspäteter Erteilung der Baugenehmigung auslösen (vgl. das Urteil des Senats vom 20. Februar 2002, a.a.O.). Im Übrigen ist es Sache des Gesetzgebers, auch die 10-Werktage-Frist nach § 65 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBauO um eine Fiktionswirkung zu ergänzen, sollte er den Eindruck gewinnen, die in § 66 Abs. 4 LBauO angeordnete Entscheidungsfrist werde von den Baubehörden durch pflichtwidriges Unterlassen der Vollständigkeitserklärung in großem Umfang unterlaufen, wie von dem Bevollmächtigten der Klägerin vorgetragen wird, wofür dem Senat indes bislang ausreichende Anhaltspunkte fehlen.

II.

19

Mit dem Hilfsantrag hat die Klage indessen Erfolg.

20

Das Verpflichtungsbegehren ist zulässig, insbesondere kann der Klägerin das Rechtsschutzinteresse an der Erteilung der eingeschränkten Baugenehmigung nach § 66 LBauO nicht abgesprochen werden. Der Verpflichtungsantrag ist auch begründet, weil die eingeschränkten Anspruchsvoraussetzungen für die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren vorliegen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

21

1. Zum Prüfungsprogramm für die Verpflichtungsklage auf Erteilung einer nach den Regeln des vereinfachten Genehmigungsverfahrens zu erlassenden Baugenehmigung führt der Senat zunächst aus:

22

Streitgegenstand der Verpflichtungsklage ist die Rechtsbehauptung des Klägers, dass die beantragte Genehmigung im Hinblick auf die gesetzliche Anspruchsgrundlage zu Unrecht verweigert worden ist, mithin nach den gesetzlichen Voraussetzungen ein Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt besteht (vgl. Eyermann/Rennert, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 121 Rn. 28).

23

Der Beklagte ist zum Erlass der beantragten Baugenehmigung verpflichtet, wenn dem Vorhaben keine baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen (§ 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO). Die danach umfassende Prüfungspflicht der Behörde ist im vereinfachten Genehmigungsverfahren dahingehend eingeschränkt, dass lediglich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens sowie dessen Vereinbarkeit mit sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu kontrollieren ist (§ 66 Abs. 3 Satz 1 LBauO); bauordnungsrechtliche Bestimmungen gehören nicht hierzu (vgl. Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 3. Februar 1999, MinBl. S. 90 zu § 66 Abs. 3). Werbeanlagen unterfallen nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 LBauO dem vereinfachten Genehmigungsverfahren. Die Zurücknahme der präventiven Kontrolle verfolgt den Zweck der Verfahrenserleichterung bei gleichzeitiger Stärkung der Verantwortung des Bauherrn und seiner qualifizierten Beauftragten (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung zur LBauO 1986, LT-Drucks. 10/1344, S. 90; das Urteil des Senats vom 23. Oktober 2002 - 8 A 10994/02.OVG -, S. 7 d.U., ESOVGRP; Jeromin, LBauO, 2. Aufl. 2008, § 66 Rn. 57).

24

Der gesetzlichen Einschränkung der präventiven Kontrolle durch die Bauaufsichtsbehörde korrespondiert ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung bei Vorliegen der entsprechend eingeschränkten Voraussetzungen, d.h. der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit den zum gesetzlichen Prüfungsprogramm gehörenden Vorschriften. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Bauaufsichtsbehörde nicht befugt, das ihr gesetzlich vorgegebene Prüfungsprogramm und damit die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu erteilende Baugenehmigungen zu erweitern. Dies hat zur Folge, dass Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nach § 66 LBauO und Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens auseinanderfallen können. Diese Konsequenz der Einführung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens haben die mit Bausachen befassten Senate des erkennenden Gerichts bereits in den Urteilen vom 17. Juli 1996 (AS 26, 227 - LS 3 -, 8. Senat) und vom 26. September 1996 (AS 26, 267 [274 f.], 1. Senat) näher erläutert.

25

Die vom Verwaltungsgericht angenommene Erweiterung des Regelungsgehalts der - ablehnenden - Behördenentscheidung mit entsprechender Erweiterung des Streitgegenstandes der Verpflichtungsklage im anschließenden Verwaltungsprozess findet im Gesetz keine Stütze. Vielmehr kann der Bauherr die Erteilung der Genehmigung verlangen, sofern die im Gesetz geregelten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen und nicht ausnahmsweise das Sachbescheidungsinteresse zu verneinen ist.

26

Lediglich im umgekehrten Fall der Erteilung der Baugenehmigung nach § 66 LBauO ist es denkbar, dass die Behörde die - entsprechend dem eingeschränkten Prüfungsprogramm - beschränkte Feststellungswirkung des Bescheids um weitere Feststellungen zur Vereinbarkeit des Vorhabens auch mit bauordnungsrechtlichen Vorschriften ergänzt, und zwar mit entsprechenden Auswirkungen auf den Streitgegenstand des anschließenden Verwaltungsprozesses. Denn die in diesem Fall in Betracht kommende Anfechtungsklage eines Nachbarn hat sämtliche Regelungsteile (Feststellungswirkungen) der Baugenehmigung zum Gegenstand. Der Nachbar ist in einem solchen Fall auch gehalten, die Baugenehmigung in vollem Umfang anzugreifen, um zu verhindern, dass hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Feststellungen Bestandskraft eintritt. Auf diese prozessuale Folgewirkung hat der Senat in dem vom Verwaltungsgericht zitierten Urteil vom 23. Oktober 2002 hingewiesen und ergänzend ausgeführt, dass eine solche Verfahrensweise der Behörde aus Gründen der Verfahrensvereinfachung gerechtfertigt sein kann, wenn bereits im vereinfachten Genehmigungsverfahren Einwendungen des Nachbarn hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens vorliegen und die Behörde deshalb ohnehin gehalten ist, sich mit einem Begehren auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten zu befassen (vgl. a.a.O., S. 7 f. d.U.).

27

Erkennt die Behörde im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens hingegen Umstände, die für eine Unvereinbarkeit des Vorhabens mit Bauordnungsrecht sprechen, so ist ihr aus den oben dargelegten Gründen zwar eine Erweiterung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen untersagt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist sie deshalb jedoch nicht verpflichtet, diese bauordnungsrechtlichen Fragen im vereinfachten Genehmigungsverfahren gänzlich auszublenden. So entspricht es ihrer allgemeinen Aufgabe zur Überwachung der Einhaltung der baurechtlichen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften (§ 59 Abs. 1 LBauO), wenn sie die Baugenehmigung nach § 66 LBauO um Hinweise zu möglichen Verletzungen bauordnungsrechtlicher Vorschriften ergänzt (vgl. bereits den Beschluss des Senats vom 18. November 1991, AS 23, 321 [323]; auch: BayVGH, Beschluss vom 6. Juni 2002, BauR 2003, 683 - zusätzliche Anordnungen, die mit der Baugenehmigung verbunden werden können -).

28

Darüber hinaus entspricht es langjähriger Rechtsprechung der beiden Bausenate des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, dass die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren abgelehnt werden kann, wenn das Bauvorhaben offensichtlich gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften verstößt. Grundlage hierfür ist nicht die Erweiterung des gesetzlichen Prüfungsprogramms und der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für die Baugenehmigung, sondern die davon zu trennende verfahrensrechtliche Anforderung des Sachbescheidungsinteresses, dem im gerichtlichen Verfahren das Rechtsschutzinteresse entspricht. Der Bauherr hat nämlich kein schutzwürdiges Interesse an der Genehmigung eines Vorhabens, von dem ausgeschlossen ist, dass er es legal verwirklichen kann (vgl. OVG RP, Urteil vom 17. Juli 1996, a.a.O., LS 1; Urteil vom 26. September 1996, a.a.O., S. 275; Urteil vom 23. Oktober 2002, a.a.O., S. 8 d.U.; auch bereits: Urteil vom 9. Juni 1993 - 8 A 10876/92.OVG -, S. 10 d.U.; ferner: Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 3. Februar 1999, a.a.O.). Die Berücksichtigung von Anforderungen an das Bauvorhaben außerhalb des gesetzlichen Prüfungsprogramms der Bauaufsichtsbehörde im Rahmen der Beurteilung des Sachbescheidungsinteresses ist ein allgemeiner verfahrensrechtlicher Grundsatz, der nicht auf das vereinfachte Genehmigungsverfahren beschränkt ist, sondern ebenso etwa bei der eingeschränkten Prüfungsbefugnis der Bauaufsichtsbehörde wegen paralleler Genehmigungsvorbehalte zugunsten anderer Behörden Anwendung findet (vgl. § 65 Abs. 1 Satz 2 LBauO). Dass die Bauaufsichtsbehörde die Baugenehmigung unter dem Gesichtspunkt fehlenden Sachbescheidungsinteresses versagen kann, wenn das Bauvorhaben in Widerspruch zu Anforderungen steht, die nicht Gegenstand des eingeschränkten Prüfungsprogramms sind, entspricht entgegen der Auffassung der Klägerin der ganz überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur einschließlich der von ihr selbst vorgelegten Urteile (vgl. Jäde, BayVBl. 2005, 301 m.w.N.; Schretter/Schenk, in: Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, 2004, 14. Kapitel, Rn. 24 m.w.N.; BayVGH, Urteil vom 23. März 2006, BayVBl. 2006, 537 und juris Rn. 18; BayVGH, Beschluss vom 3. September 2007 – 1 ZB 07.151 -, juris Rn. 14; VG Gießen, Urteil vom 31. März 2008 - 1 K 99/08.Gi - S. 8 d.U.).

29

Fehlendes Sachbescheidungsinteresse kann freilich nur dann angenommen werden, wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass das nach § 66 LBauO zu genehmigende Vorhaben wegen entgegenstehender sonstiger Vorschriften offensichtlich nicht verwirklicht werden darf (vgl. BayVGH, Urteil vom 23. März 2006, a.a.O., Rn. 18). Weil die Anwendung der sonstigen Vorschriften nicht zum Prüfungsprogramm der Behörde gehört, ist deren Berücksichtigung im Rahmen der Prüfung des Sachbescheidungsinteresses auf eine Evidenzkontrolle beschränkt.

30

2. Nach dem so vorgegebenen Prüfungsrahmen hat die Klägerin mit ihrem Verpflichtungsbegehren Erfolg.

31

a) Zunächst ist der Verpflichtungsantrag zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Klägerin das hierfür erforderliche Rechtsschutzinteresse nicht abgesprochen werden.

32

Das Rechtsschutzinteresse an der Verpflichtung zur Erteilung der eingeschränkten Baugenehmigung nach § 66 LBauO würde fehlen, wenn ausgeschlossen wäre, dass die Klägerin mit dieser Baugenehmigung etwas anfangen könnte. Dies wäre dann der Fall, wenn das Bauvorhaben aus anderen als den zum Prüfungsprogramm des vereinfachten Genehmigungsverfahrens gehörenden Gründen dauerhaft nicht verwirklicht werden dürfte. Dies haben die Beklagte und das Verwaltungsgericht hier mit der Begründung bejaht, dass die beiden inneren Werbeanlagen auf die Straßenfront des Gebäudes Am Bubenpfad ... verunstaltend wirkten und damit bauordnungsrechtlich unzulässig seien. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

33

Werbeanlagen sind nach § 5 Abs. 2 Satz 1/§ 52 Abs. 2 Satz 1 LBauO mit ihrer Umgebung so in Einklang zu bringen, dass sie benachbarte bauliche Anlagen sowie das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild nicht verunstalten. Als Sondertatbestand einer Verunstaltung verbietet § 52 Abs. 2 Satz 2 LBauO die störende Häufung von Werbeanlagen.

34

Verunstaltung bedeutet nicht bereits jede Störung der architektonischen Harmonie, also nicht jede Unschönheit, sondern nur einen hässlichen, das ästhetische Empfinden des Beschauers nicht nur beeinträchtigenden, sondern verletzenden Zustand. Maßgeblich ist dabei, ob der Anblick bei einem nicht unbeträchtlichen, in durchschnittlichem Maße für ästhetische Eindrücke aufgeschlossenen Teil der Betrachter nachhaltigen Protest auslöst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. April 1995, NJW 1995, 2648). Das Verunstaltungsverbot bezweckt, krasse Gegensätzlichkeiten und Widersprüche im Erscheinungsbild bebauter Gebiete durch das Hinzutreten störender baulicher Anlagen abzuwehren (vgl. BVerwG, a.a.O.). Ob eine Werbeanlage in diesem Sinne verunstaltend wirkt und welcher Umgriff dabei mit einzubeziehen ist, ist aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, insbesondere des Standorts der Anlage, der Art und Struktur der in der näheren Umgebung vorhandenen Gebäude, Straßenzüge und Landschaftsteile zu beurteilen (vgl. BayVGH, Urteil vom 15. März 2007 - 26 B 05.3020 -, juris, Rn. 11).

35

Gemessen an diesen Grundsätzen ist hier nach Auffassung des Senats noch nicht von einer verunstaltenden Wirkung der streitgegenständlichen beiden inneren Werbeanlagen auf das Orts- und Straßenbild auszugehen . Hiergegen spricht zunächst die Lage des Gebäudes Am Bubenpfad ... in einem faktischen Gewerbegebiet. In einem solchen Gebiet sind Werbeanlagen grundsätzlich allgemein zulässig und entfalten auch nur ausnahmsweise störende Wirkung. Eine solche Ausnahme mit verunstaltender Wirkung ist hier auch nicht im Hinblick auf den Anbringungsort der Anlagen gegeben. Wie sich aus den zu den Akten gereichten Fotografien ohne weiteres ergibt, ist die nähere Umgebung des Gebäudes Am Bubenpfad ... nicht bereits durch sonstige Werbeanlagen überfrachtet. Auch das Erscheinungsbild der Straßenfront des Gebäudes wird durch die beiden zusätzlichen Werbeanlagen nicht in einem Maße beeinträchtigt, dass von einem hässlichen, das ästhetische Empfinden des Beschauers verletzenden Zustand gesprochen werden könnte. Dabei erkennt auch der Senat wie bereits die Beklagte und das Verwaltungsgericht, dass die mit dem Fensterband bewirkte Strukturierung der Fassade und die damit verfolgte architektonische Harmonie durch die davor angebrachten Werbetafeln gestört wird. Indes genügt dies noch nicht, um eine verunstaltende Wirkung anzunehmen. Gemessen am gesamten Erscheinungsbild der Straßenfront des Gebäudes Am Bubenpfad ... erweist sich die konkrete Platzierung der beiden inneren Werbeanlagen nach Auffassung des Senats noch nicht als in krassem Sinne störend.

36

b) Der Verpflichtungsantrag ist auch begründet.

37

Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung nach §§ 70 Abs. 1 Satz 1 und 66 Abs. 3 Satz 1 LBauO.

38

Die beiden Werbeanlagen sind nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 BauNVO bauplanungsrechtlich zulässig. Wie der Stadtrechtsausschuss bereits zutreffend ausgeführt hat, sind solche gewerblichen Anlagen in einer als Gewerbegebiet zu qualifizierenden Umgebung allgemein zulässig. Von ihnen gehen auch keine unzumutbaren Störungen im Sinne von § 15 Abs. 1 BauNVO aus. Aus den oben dargelegten Gründen führen sie auch nicht zu einer Beeinträchtigung des Ortsbildes im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB, zumal insofern ohnehin auf einen größeren maßstabbildenden Bereich abgestellt werden muss (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 11. Mai 2000, NVwZ 2000, 1169). Die Verletzung sonstiger zum Prüfungsprogramm der Genehmigung nach § 66 LBauO gehörender öffentlich-rechtlicher Vorschriften sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.

39

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

40

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

41

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

42

Beschluss

43

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,-- € festgesetzt, wobei sich die Klageerweiterung wegen des mit dem Verpflichtungsbegehren identischen wirtschaftlichen Interesse nicht streitwerterhöhend ausgewirkt hat (§§ 47, 52 Abs. 1 GKG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.