Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 11. Okt. 2011 - 10 M 154/11

bei uns veröffentlicht am11.10.2011

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin – 10. Kammer – vom 29. Juli 2011 geändert.

Die teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge des Antragstellers wird ausgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

1

Der Antragsteller wendet sich gegen seine vorläufige Dienstenthebung und die Anordnung der Einbehaltung von 35 Prozent seiner monatlichen Dienstbezüge. Seine Anträge auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung der Dienstbezüge hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 29. Juli 2011 abgelehnt.

2

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat teilweise Erfolg.

3

Für das Beschwerdeverfahren gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts über eine Aussetzung nach § 63 LDG M-V gilt § 146 Abs. 4 VwGO entsprechend (vgl. § 67 Abs. 3 LDG M-V). Der Gegenstand der obergerichtlichen Prüfung ist im Beschwerdeverfahren gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts anhand derjenigen Gründe zu überprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Vor diesem Hintergrund verlangt das Darlegungserfordernis von dem Beschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat. Die Beschwerdebegründung muss an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses (vgl. Beschl. des Senats vom 12.08.2009 - 10 L 114/09 -, m.w.N.).

4

Nach diesen Maßstäben führt das Beschwerdevorbringen in Bezug auf die vorläufige Dienstenthebung nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung.

5

Die vorläufige Dienstenthebung ist gemäß § 63 Abs. 2 LDG M-V auszusetzen, wenn an ihrer Rechtmäßigkeit ernstliche Zweifel bestehen. Das Verwaltungsgericht hat solche Zweifel verneint; die Beschwerdebegründung führt nicht zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung.

6

Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 LDG M-V – soweit hier von Bedeutung – kann die zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig oder nach Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Ernstliche Zweifel im Sinne von § 63 Abs. 2 LDG M-V sind nach der Rechtsprechung des Senats, mit der die angefochtene Entscheidung in Einklang steht und von der abzuweichen das Beschwerdevorbringen keinen Anlass bietet, dann anzunehmen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die Voraussetzungen einer vorläufigen Dienstenthebung nicht gegeben sind, mindestens so groß ist wie die Wahrscheinlichkeit, dass die Voraussetzungen einer vorläufigen Dienstenthebung erfüllt sind. Dies bedeutet, dass die ernstlichen Zweifel zu bejahen sind, wenn es nach dem Kenntnisstand zur Zeit der Entscheidung im gerichtlichen Verfahren zumindest ebenso wahrscheinlich ist, dass eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht erfolgen wird (vgl. Beschl. des Senats vom 1.11.2007 - 10 L 213/07 -, m.w.N.). Ist es dagegen überwiegend wahrscheinlich, dass das Disziplinarverfahren mit der Höchstmaßnahme endet, ist die vorläufige Dienstenthebung nicht nach § 63 Abs. 2 LDG M-V auszusetzen. So liegt der Fall hier.

7

Für die Beurteilung der Frage, ob der Antragsteller mit seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechnen muss, ist von § 15 Abs. 2 Satz 1 LDG M-V auszugehen. Danach ist ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Die Straftat der Steuerhinterziehung stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die der Senat teilt, ein Dienstvergehen von erheblichem disziplinarem Gewicht dar, das je nach den Umständen des Einzelfalles auch mit der Höchstmaßnahme geahndet werden kann. Eine Zurückstufung des Beamten kommt regelmäßig dann in Betracht, wenn die Straftat keinen Bezug zu dienstlichen Tätigkeiten des Beamten aufweist (vgl. BVerwG, Urt. vom 9.11.1994 - 1 D 57/93 -, zit. nach juris; BVerwG, Urt. vom 28.07.2011 - 2 C 16/10 -, Rn. 25, zit. nach juris). Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Straftat, obwohl außerdienstlich begangen, einen Bezug zu den dienstlichen Tätigkeiten aufweist und geeignet ist, die für die Amtsführung unabdingbare Autorität des Beamten zu beeinträchtigen.

8

Nach diesen Maßstäben ist es überwiegend wahrscheinlich, dass das gegen den Antragsteller eingeleitete Disziplinarverfahren mit seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis enden wird.

9

Der Antragsteller ist wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung in einem Fall durch seit dem 30.03.2010 rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Neubrandenburg – 9 Ns 36/09 – zu einer Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen zu je 100,00 Euro verurteilt worden. Dem lag zugrunde, dass der Antragsteller für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2006 in den jeweiligen Einkommenssteuererklärungen fälschlich „Zusammenveranlagung“ angegeben und den Umstand des „Dauernd Getrenntlebens“ bewusst nicht mitgeteilt hatte.

10

Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass es an die Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils nach § 57 LDG M-V gebunden sei. Diese Verurteilung rechtfertige die Entfernung aus dem Dienst. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller als Finanzamtsvorsteher eine besondere Stellung innegehabt habe, die insbesondere die Führung der Mitarbeiter beinhalte und damit ein großes Maß an Vorbild verlange.

11

Mit dieser Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung setzt sich die Beschwerdebegründung nicht substantiiert auseinander. Der Antragsteller ist allerdings der Auffassung, dass die Zurückstufung wahrscheinlicher sei als die Entfernung aus dem Dienst (siehe Seite 6 des Schriftsatzes vom 18.08.2011). Die strafgerichtliche Verurteilung kritisiert der Antragsteller insbesondere im Hinblick auf die Höhe des vom Landgericht angenommenen Steuerschadens und macht geltend, es hätten „die in den Zusammenveranlagungsbescheiden festgesetzten Einkommenssteuerbeträge mit der Summe der aus den späteren Veranlagungsbescheiden festgesetzten Einkommenssteuerbeträge verglichen werden müssen.“ Der Antragsteller macht insoweit aber keine nachvollziehbaren Angaben, sondern beschränkt sich im Wesentlichen auf die Behauptung, dass nur eine „geringfügige Steuerschuld von ca. 300,00 Euro eingetreten“ sei (siehe Seite 2 f. des Schriftsatzes vom 18.08.2011). Außerdem berücksichtigt der Antragsteller nicht genügend, dass die Höhe des Steuerschadens für das Verwaltungsgericht gerade nicht ausschlaggebend war, sondern der Umstand, dass der Antragsteller Finanzamtsvorsteher war, als er die Steuerhinterziehungen beging. Die Berücksichtigung des (engen) Bezugs der Straftat zu der dienstlichen Tätigkeit steht aber – wie ausgeführt – im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

12

Soweit der Antragsteller meint, „die durch das Verwaltungsgericht vorgenommene Gesamtwürdigung der be- und entlastenden Umstände“ sei unzulänglich, insbesondere habe es sich mit dem „Persönlichkeitsbild“ des Antragstellers nicht in der gebotenen Weise auseinander gesetzt, beschränkt sich die Beschwerdebegründung im Wesentlichen auf abstrakte Rechtsausführungen, was alles einbezogen gehört, bzw. auf schlagwortartige Andeutungen wie zum Beispiel „psychische Überforderung“ und „familiäre Probleme“ (siehe Seite 5 f. des Schriftsatzes vom 18.08.2011). Damit vermag der Antragsteller aber seine Rechtsposition nicht zu verbessern, zumal das Verwaltungsgericht in den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung ausdrücklich von einer erheblichen psychischen „Belastungssituation durch die Trennung von der Ehefrau“ und von „weiteren emotionalen und gesundheitlichen Belastungen“ ausgegangen ist (siehe Seite 3 Beschlussabdruck) und diese somit ersichtlich in seine Entscheidung einbezogen hat.

13

Ohne Erfolg macht der Antragsteller in der Beschwerdebegründung geltend, das Verwaltungsgericht habe nicht erkannt, dass die vorläufige Dienstenthebung mangels begründeter Ermessensentscheidung keinen Bestand haben könne.

14

Einer gesonderten Begründung für die Ausübung des vom Gesetzgeber in § 40 Abs. 1 LDG M-V für die vorläufige Dienstenthebung vorgesehenen Ermessens bedarf es dann aber nicht, wenn die Begründung für die vorläufige Dienstenthebung offensichtlich identisch ist mit der Begründung für die Annahme, es werde im Disziplinarverfahren zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis kommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind an die Ermessensentscheidung und ihre Darlegung in dem Bescheid, durch den die vorläufige Dienstenthebung verfügt wird, keine übermäßigen Anforderungen zu stellen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Höchstmaßnahme in Betracht kommt (Beschluss vom 21.09.2000 - 1 DB 7/00 -). So liegt der Fall hier. In diesem Punkt kann auf die obigen Ausführungen zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden.

15

Soweit der Antragsteller kritisiert, dass ihm in der Begründung der vorläufigen Dienstenthebung zu Unrecht ein in einem Gespräch am 19.02.2008 angeblich begangener Verstoß gegen die Wahrheitspflicht vorgeworfen worden ist, ist darauf hinzuweisen, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und damit auch die vorläufige Dienstenthebung bereits aufgrund der vom Antragsteller begangenen Straftaten gerechtfertigt ist. Dies wird ersichtlich auch vom Antragsgegner nicht anders gesehen; so bezeichnet er etwa in der Beschwerdeerwiderung die Steuerhinterziehung als den „Hauptvorwurf“.

16

Erfolgreich ist die Beschwerde, soweit der Antragsteller die Aussetzung der Einbehaltung eines Teils seiner Dienstbezüge begehrt.

17

Für die rechtliche Beurteilung der vom Antragsgegner mit Bescheid vom 15.10.2010 getroffenen Einbehaltungsanordnung ist von § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG M-V auszugehen. Nach dieser Vorschrift – soweit hier von Bedeutung – kann die zuständige Behörde gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienstbezüge einbehalten werden.

18

Soweit der Antragsteller das Vorliegen der Voraussetzungen für die Einbehaltung anzweifelt, ist ihm allerdings nicht zu folgen. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

19

Der Antragsteller rügt aber zu Recht, dass die Einbehaltung ihrer Höhe nach ermessensfehlerhaft ist.

20

Im Rahmen des Verfahrens nach § 63 LDG M-V prüft das Gericht auch, ob die Einbehaltung von Dienstbezügen sich als ermessensfehlerhaft erweist. Auch die Einbehaltungsquote unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. Denn der Beamte hat einen Anspruch auf ihre Überprüfung unter Würdigung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Lage (vgl. BVerwG, Beschl. vom 1.07.1991 - 1 DB 14/91 -, Rn. 16, zit. nach juris). Die Ermessensentscheidung ist auszurichten an dem in Artikel 33 Abs. 5 GG verankerten Alimentationsgrundsatz. Zwar wird dem Beamten eine Einschränkung seiner Lebensführung zugemutet. Gleichwohl sind ihm Bezüge in einem Umfang zu belassen, dass er allein mit diesen eine seinem Statusamt angemessene, wenn auch bescheidenere Lebenshaltung unter Berücksichtigung seiner bisherigen, nicht unverhältnismäßigen Wirtschaftsführung fortsetzen kann (vgl. Fürst, GKÖD, Band II M § 38, Rn. 123 f. m.w.N.). Der Dienstherr ist nicht berechtigt, dem Beamten die Möglichkeit der Tilgung seiner Schulden zu nehmen und ihn der Notwendigkeit preiszugeben, seinen ihm gesetzlich obliegenden oder vertraglich eingegangenen Verpflichtungen nicht nachkommen zu können (vgl. BVerwG, Beschl. vom 22.05.2000 - 1 DB 8/00 -, Rn. 12, m.w.N., zit. nach juris). Ein Ermessensfehler liegt auch dann vor, wenn der Dienstherr den von ihm festgestellten Bedarf des Beamten von den bisherigen Dienstbezügen absetzt und nicht von den Dienstbezügen, die dem Beamten aufgrund der Einbehaltungsanordnung verbleiben (vgl. BVerwG, Beschl. vom 1.07.1991 - 1 DB 14/91 -, Rn. 18, zit. nach juris). Die wirtschaftliche Situation des Beamten vor der geplanten Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge kann kein Maßstab für die Frage sein, ob die anerkennungsfähigen Bedürfnisse des Beamten nach der Einbehaltung noch einer angemessenen Alimentation entsprechen.

21

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass anhand des Beschwerdevorbringens ein Ermessensfehler festzustellen ist.

22

Der Antragsteller rügt zu Recht, dass der Antragsgegner bei der Frage, über welchen Betrag der Antragsteller (bzw. dessen Familie) nach der teilweisen Einbehaltung der Dienstbezüge verfügen kann, nicht von dem die – anerkannten – Verbindlichkeiten übersteigenden Teil des gekürzten Einkommens, sondern von dem diese Verbindlichkeiten übersteigenden Teil des bisherigen – ungekürzten – Einkommens ausgegangen ist. In der Anlage (Tabelle 1) zum Bescheid vom 15.10.2010, durch den die Einbehaltung verfügt worden ist, ist von den bisherigen Brutto- bzw. Nettobezügen des Antragstellers ausgegangen worden, so wie es das Landesbesoldungsamt dem Antragsgegner zuvor durch Schreiben vom 30.04.2010 (Bl. 51 BA K) mitgeteilt hatte. Der Antragsgegner hat in der Beschwerdeerwiderung auch nicht in Abrede gestellt, so vorgegangen zu sein, hält diese Methode aber für rechtmäßig. Dieser Auffassung ist jedoch nicht zu folgen, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt.

23

Soweit der Antragsteller darüber hinaus etwa rügt, der Antragsgegner habe zu Unrecht von ihm angegebene Tilgungsleistungen als nicht nachgewiesen angenommen, braucht dies im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht weiter geklärt zu werden. Eine abschließende Prüfung kann insoweit vor dem Erlass einer eventuellen neuen Einbehaltungsanordnung erfolgen. Der Senat ist ohnehin nicht befugt, eine Neuberechnung der Einbehaltungsquote anstelle der zuständigen Behörde vorzunehmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 1.07.1991, a.a.O.).

24

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 4 LDG M-V, 155 Abs. 1 VwGO.

25

Der Beschluss ist unanfechtbar.

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Tenor Der Beklagte wird aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Der Beklagte erhält für die Dauer von 6 Monaten einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 50 Prozent der Dienstbezüge. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtsgeb

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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

Tatbestand

1

Der Beklagte war seit April 1975 zunächst im Beamtenverhältnis auf Probe Leiter des Rechenzentrums der ... Universität (früher Gesamthochschule) W. Im August 1978 berief ihn das klagende Land in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit; im November 1982 wurde der Beklagte zum Regierungsdirektor (Besoldungsgruppe A 16) der Laufbahn "Dienst in der Datenverarbeitung" ernannt. Mit Ablauf des Mai 2003 trat er aus Altersgründen in den Ruhestand.

2

Der Beklagte gab in den Steuererklärungen für die Jahre 1991 bis 2000, die er auch für seine Ehefrau erstellte, bewusst nicht an, dass diese 1990 von ihrem Vater ein unversteuertes Barvermögen in Höhe von etwa 5,4 Millionen DM geerbt hatte. Weiterhin verschwieg er unversteuerte Vermögenswerte in Höhe von etwa 410 000 DM, die er teils geerbt, teils durch eine Tätigkeit im Ausland verdient hatte.

3

Einen auf Initiative des Finanzamts vereinbarten Besprechungstermin am 27. November 2002 nahmen die Eheleute nicht wahr. Mit Schreiben ihres Steuerberaters vom 28. November 2002 zeigten sie die Steuerhinterziehungen dem Finanzamt an. Im September 2003 setzte das Finanzamt Einkommenssteuern, Solidaritätszuschläge und Vermögenssteuern für die Jahre 1991 bis 2000 neu fest, woraus sich ein Steuerhinterziehungsbetrag von insgesamt rund 1 233 320 € ergab. Nachdem die Eheleute die Steuernachforderungen nebst Zinsen und Zuschlägen von rund 500 000 € innerhalb der ihnen gesetzten Frist beglichen hatten, stellte das Finanzamt das nach der Selbstanzeige eingeleitete Ermittlungsverfahren am 27. Oktober 2004 ein.

4

Das klagende Land hat im Februar 2006 wegen der Steuerhinterziehungen ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten eingeleitet und im Januar 2007 Disziplinarklage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat dem Beklagten das Ruhegehalt aberkannt. Das Oberverwaltungsgericht hat die auf das Disziplinarmaß beschränkte Berufung zurückgewiesen. In dem Berufungsurteil heißt es:

5

Aufgrund der Beschränkung der Berufung stehe bindend fest, dass die Steuerhinterziehungen ein Dienstvergehen darstellten. Im Berufungsverfahren gehe es nur noch um die Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme. Das Verwaltungsgericht habe dem Beklagten zu Recht das Ruhegehalt aberkannt, weil dieser als Beamter untragbar geworden sei. Steuerhinterziehungen stellten gravierende außerdienstliche Pflichtenverstöße dar. Im Falle des Beklagten komme der exorbitanten Größenordnung des Hinterziehungsbetrags entscheidendes Gewicht zu. Auch habe der Beklagte sein Fehlverhalten zehn Jahre lang fortgesetzt. Ihn könne weder entlasten, dass die Steuerpflicht größtenteils das Vermögen seiner Ehefrau betroffen habe, noch dass er bei pflichtgemäßem Verhalten die Steuerhinterziehungen seines verstorbenen Schwiegervaters hätte offenlegen müssen.

6

Auch die Selbstanzeige des Beklagten sei trotz der dadurch erwirkten Straffreiheit nicht geeignet, um von der Aberkennung des Ruhegehalts abzusehen. Eine derartige Selbstanzeige stelle einen mildernden Umstand von erheblichem Gewicht dar, wenn sie der Beamte aus freien Stücken und nicht aus Furcht vor Entdeckung abgegeben habe. Selbst dann könne sie jedoch eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht rechtfertigen, wenn die Steuerhinterziehung wie im vorliegenden Fall durch einen extrem hohen Hinterziehungsbetrag geprägt sei. Daher könne dahingestellt bleiben, ob die Selbstanzeige des Beklagten trotz des vereinbarten Besprechungstermins im Finanzamt noch als freiwillig angesehen werden könne.

7

Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er die Verletzung materiellen Disziplinarrechts rügt. Er macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe das Gewicht der strafbefreienden Selbstanzeige verkannt.

8

Der Beklagte beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. September 2009 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 18. Juni 2008 aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

10

Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil. Das Oberverwaltungsgericht habe alle bemessungsrelevanten Gesichtspunkte erkannt und nachvollziehbar gewürdigt.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Beklagten ist mit der Maßgabe begründet, dass das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das Berufungsurteil verletzt revisibles Landesdisziplinarrecht, nämlich § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 des Disziplinargesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 2004 - LDG NRW - (GVBl S. 624). Die Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts reichen nicht aus, um dem Senat eine abschließende Entscheidung über die Disziplinarklage zu ermöglichen.

12

1. Indem der Beklagte das Vermögen seiner Ehefrau in den von ihm erstellten Steuerklärungen für die Jahre 1991 bis 2000 verschwiegen hat, hat er nicht nur den Straftatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO - erfüllt, sondern auch ein vorsätzliches Dienstvergehen begangen.

13

a) Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht angenommen, aufgrund der Beschränkung der Berufung des Beklagten auf das Disziplinarmaß sei es an die Würdigung der Steuerhinterziehungen als Dienstvergehen durch das Verwaltungsgericht gebunden. Eine derartige Bindung besteht nicht, weil die Berufung des Beklagten als uneingeschränkt eingelegt gilt. Demnach ist das erstinstanzliche Urteil nicht in Teilrechtskraft erwachsen, sodass das Oberverwaltungsgericht die Disziplinarklage in der Berufungsinstanz in gleichem Umfang wie das Verwaltungsgericht hätte prüfen müssen (§ 128 Satz 1 VwGO, § 3 LDG NRW).

14

Die Möglichkeit, die Berufung auf das Disziplinarmaß zu beschränken, ist eröffnet, wenn aufgrund der ergänzenden Anwendung der Strafprozessordnung, wie sie die Bundesdisziplinarordnung und Landesdisziplinarordnungen für gerichtliche Disziplinarverfahren angeordnet haben, § 318 Satz 1 StPO anwendbar ist oder eine inhaltsgleiche disziplinargesetzliche Regelung besteht. Nach § 318 Satz 1 StPO kann die Berufung auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Die danach zulässige Beschränkung der Berufung auf das Disziplinarmaß hat zur Folge, dass das erstinstanzliche Disziplinarurteil in Teilrechtskraft erwächst. Das Berufungsgericht ist an die Tat- und Schuldfeststellungen des erstinstanzlichen Gerichts ebenso gebunden wie an dessen disziplinarrechtliche Würdigung der angeschuldigten Handlungen als Dienstvergehen. Es hat nur noch darüber zu befinden, welche Disziplinarmaßnahme zu verhängen ist (stRspr; vgl. nur Urteile vom 23. Februar 2005 - BVerwG 1 D 13.04 - BVerwGE 123, 75 <77> und vom 5. Juli 2006 - BVerwG 1 D 5.05 - Buchholz 235 § 82 BDO Nr. 7 Rn. 34).

15

Das nordrhein-westfälische Disziplinargesetz trifft keine Aussage zur Zulässigkeit der auf das Disziplinarmaß beschränkten Berufung; insbesondere enthält das Kapitel 3 "Disziplinarverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht" keinen Hinweis. Die Anwendung des § 318 Satz 1 StPO ist ausgeschlossen, weil § 3 Abs. 1 LDG NRW (ebenso wie § 3 BDG) nicht die Bestimmungen der Strafprozessordnung, sondern der Verwaltungsgerichtsordnung für ergänzend anwendbar erklärt.

16

Nach der Verwaltungsgerichtsordnung kann die Berufung auf einen von mehreren selbstständigen Streitgegenständen einer Klage (objektive Klagehäufung nach § 44 VwGO) oder auf einen abgrenzbaren Teil des Streitgegenstandes beschränkt werden. Nur insoweit ist der Erlass eines Teilurteils nach § 110 VwGO möglich. Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag und den Klagegrund, d.h. den Sachverhalt bestimmt, aus dem der Kläger die angestrebte Rechtsfolge herleitet (stRspr, vgl. Urteil vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 52.08 - NVwZ 2010, 1507 Rn. 17). Demnach ist es ausgeschlossen, die Berufung auf die Nachprüfung einzelner materiellrechtlicher Voraussetzungen des Klagebegehrens zu beschränken. Daraus folgt, dass die Verwaltungsgerichtsordnung eine auf das Disziplinarmaß beschränkte Berufung in Disziplinarklageverfahren nicht zulässt (vgl. auch OVG Hamburg, Urteil vom 29. August 2008 - 12 Bf 32/08.F - IÖD 2009, 29; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, 1. Auflage 2010, Rn. 471):

17

Streitgegenstand dieses Verfahrens ist der Disziplinaranspruch des Dienstherrn gegen den Beamten, d.h. der Anspruch auf die Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme für die Handlungen, die dem Beamten in der Disziplinarklageschrift zur Last gelegt werden. Der Disziplinaranspruch besteht, wenn ein Dienstvergehen festgestellt wird, d.h. der Beamte die angeschuldigten Handlungen ganz oder teilweise begangen hat und die nachgewiesenen Handlungen als Dienstvergehen zu würdigen sind, und wenn dem Ausspruch der hierfür erforderlichen Disziplinarmaßnahme kein rechtliches Hindernis entgegensteht (§ 59 Abs. 2 Satz 1 und 2; § 57 Abs. 1 Satz 1; §§ 5 ff.; § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 2 LDG NRW). Bei den Prüfungsgegenständen "Feststellung des Dienstvergehens" und "Bestimmung der Disziplinarmaßnahme" handelt es sich um materiellrechtliche Voraussetzungen des einheitlichen Disziplinaranspruchs, die verfahrensrechtlich nicht selbständig geltend gemacht werden können. Die Disziplinarklage kann daher auch nicht auf die Feststellung eines Dienstvergehens beschränkt werden. Vielmehr macht der Dienstherr mit der Klageerhebung stets einen Anspruch auf Festsetzung einer Disziplinarmaßnahme geltend, nämlich gegen einen aktiven Beamten einen Anspruch auf Zurückstufung oder Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, gegen einen Ruhestandsbeamten einen Anspruch auf Aberkennung des Ruhegehalts (§ 35 Abs. 1 LDG NRW; § 34 Abs. 1 BDG).

18

Daran ändert nichts, dass der Dienstherr keinen Antrag auf Festsetzung einer bestimmten Disziplinarmaßnahme stellen muss und ein derartiger Antrag für das Verwaltungsgericht unverbindlich ist. Die Entbehrlichkeit bzw. Unverbindlichkeit eines bestimmten Klageantrags folgt zwangsläufig daraus, dass die Disziplinarbefugnis nach § 59 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDG NRW (§ 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDG) den Verwaltungsgerichten zugewiesen ist. Gelangen diese zu der Überzeugung, dass ein Dienstvergehen vorliegt, bestimmen sie die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer eigenen Bemessungsentscheidung, ohne in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden zu sein (Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <255 f.> = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1 Rn. 16).

19

b) Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils besteht allerdings kein Zweifel, dass die Steuerhinterziehungen des Beklagten ein Dienstvergehen darstellen. Die disziplinarrechtliche Beurteilung richtet sich hier nach § 83 Abs. 1, § 57 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981 - LBG NRW a.F. - (GVBl S. 234), weil diese Regelungen während des Tatzeitraums gegolten haben. Nach § 83 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a.F. begeht der Beamte ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Nach Satz 2 ist ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles im besonderen Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Der gesetzliche Begriff des Dienstvergehens umfasst alle disziplinarrechtlich bedeutsamen Dienstpflichtverletzungen des Beamten. Diese werden durch eine einheitliche Disziplinarmaßnahme geahndet, die aufgrund einer Gesamtwürdigung des Verhaltens und der Persönlichkeit des Beamten zu bestimmen ist (Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens; vgl. Urteil vom 14. Februar 2007 - BVerwG 1 D 12.05 - BVerwGE 128, 125 = Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 26).

20

Die Begriffsbestimmung des außerdienstlichen Dienstvergehens in § 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW a.F. schränkt die disziplinarrechtliche Bedeutung außerdienstlichen Verhaltens ein (vgl. auch § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG; § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG). Der Regelung liegt die Einschätzung des Gesetzgebers zugrunde, dass sich die gesellschaftlichen Anschauungen über die Stellung der Beamten gewandelt haben. Von ihnen wird kein wesentlich anderes Sozialverhalten erwartet als von anderen Bürgern. Daher ist außerdienstliches Fehlverhalten nicht mehr generell geeignet, das Ansehen des Beamtentums in disziplinarrechtlich bedeutsamer Weise zu beeinträchtigen (Urteile vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <23 f.> = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 23 S. 22 f., vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 D 20.00 - BVerwGE 114, 212 <216 f.> = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 29 S. 37 ff. und vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 11).

21

Anforderungen an das außerdienstliche Verhalten des Beamten beschreibt lediglich die Generalklausel des § 57 Satz 3 LBG NRW a.F. Danach muss sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Die beruflichen Erfordernisse, die eine Pflicht des Beamten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten außerhalb des Dienstes begründen, sind inhaltlich in Einklang mit § 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW a.F. zu konkretisieren. Sie ergeben sich vor allem aus dem Amt des Beamten im konkret-funktionellen Sinn, d.h. aus seinem dienstlichen Aufgabenbereich, daneben aus der Notwendigkeit, das Ansehen des Beamtentums zu wahren, wenn dies nach heutigen Vorstellungen erforderlich erscheint.

22

Danach verstößt ein außerdienstliches Verhalten des Beamten gegen die Wohlverhaltenspflicht des § 57 Satz 3 LBG NRW a.F., wenn es bei fallbezogener Würdigung nachteilige Rückschlüsse auf die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zulässt. Dieser dienstliche Bezug ist gegeben, wenn aufgrund des außerdienstlichen Verhaltens Zweifel bestehen, ob der Beamte seine innerdienstlichen Pflichten beachten wird. Die Dienstausübung ist auch betroffen, wenn zu befürchten ist, dass der Beamte wegen der gegen ihn bestehenden Vorbehalte nicht mehr die Autorität genießt, auf die er für die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben zwingend angewiesen ist. Ansonsten verstößt ein außerdienstliches Verhalten gegen berufliche Erfordernisse im Sinne von § 57 Satz 3 LBG NRW a.F., wenn dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beeinträchtigt werden kann (Urteile vom 30. August 2000 a.a.O. <26> bzw. S. 25, vom 8. Mai 2001 a.a.O. <218 f.> bzw. S. 39 f. und vom 25. März 2010 a.a.O. ).

23

Eine Verletzung der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht des § 57 Satz 3 LBG NRW a.F. hat disziplinarrechtliche Bedeutung, wenn die qualifizierten Voraussetzungen des § 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW a.F. erfüllt sind. Die danach erforderliche besondere Eignung des Fehlverhaltens zur Beeinträchtigung des Vertrauens in die Amtsführung des Beamten oder des Ansehens des öffentlichen Dienstes setzt voraus, dass die befürchteten nachteiligen Rückschlüsse oder Auswirkungen auf die Dienstausübung oder die Ansehensschädigung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Die Nachteile des Fehlverhaltens sind bedeutsam im Sinne des § 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW a.F., wenn seine disziplinarrechtliche Relevanz das jeder außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß deutlich überschreitet (Urteil vom 8. Mai 2001 a.a.O. <219 f.> bzw. S. 40).

24

Der Senat hat diese gesetzlichen Vorgaben dahingehend konkretisiert, dass ein außerdienstliches Fehlverhalten, das keinen Bezug zur Dienstausübung aufweist, regelmäßig ein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis auslöst, wenn es sich dabei um eine Straftat handelt, deren gesetzlicher Strafrahmen bis zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren reicht, und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht gering wiegt. Durch die Bewertung eines Fehlverhaltens als strafbar hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er dieses Verhalten als in besonderem Maße verwerflich ansieht. Dies lässt ohne Weiteres darauf schließen, dass das Fehlverhalten das Ansehen des Beamtentums in einer Weise beschädigt, die im Interesse der Akzeptanz des öffentlichen Dienstes in der Bevölkerung und damit seiner Funktionsfähigkeit nicht hingenommen werden kann. An dem objektiven Maßstab des gesetzlichen Strafrahmens hat sich die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe der § 57 Satz 3, § 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW zu orientieren. Eine derartige Straftat eines Beamten ist nur dann nicht disziplinarrechtlich relevant, wenn ihr Unrechtsgehalt nach den konkreten Umständen des Falles erkennbar an der unteren Schwelle liegt (Urteile vom 25. März 2010 a.a.O. und vom 19. August 2010 - BVerwG 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 17).

25

Die Steuerhinterziehungen des Beklagten weisen keinen Bezug zu seiner früheren dienstlichen Tätigkeit auf. Weder ließen sie nachteilige Rückschlüsse auf die Erfüllung der Dienstpflichten zu noch waren sie geeignet, die für die Amtsführung unabdingbare Autorität zu beeinträchtigen. Ihre disziplinarrechtliche Relevanz folgt aus dem erheblichen Ansehensschaden, den der Beklagte durch sein Fehlverhalten herbeigeführt hat. Der Beklagte hat von 1991 bis 2000 jährlich eine Straftat begangen, die nach § 370 Abs. 1 AO mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren belegt ist. Der Unrechtsgehalt seines strafbaren Verhaltens wiegt besonders schwer, weil die Gesamthöhe der hinterzogenen Steuern eine Million Euro übersteigt. Dass er aufgrund der Selbstanzeige nach § 371 AO straffrei geblieben ist, lässt den Unrechtsgehalt seines strafbaren Verhaltens und damit dessen disziplinarrechtliche Relevanz unberührt.

26

2. Die Bemessungsentscheidung des Oberverwaltungsgerichts, wonach die Aberkennung des Ruhegehalts allein wegen der Gesamthöhe der hinterzogenen Steuern geboten ist, verstößt gegen die Bemessungsvorgaben nach § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW. Der Senat kann die angemessene Disziplinarmaßnahme schon deshalb nicht selbst festsetzen, weil das Berufungsurteil nicht alle bemessungsrelevanten Gesichtspunkte enthält (Urteile vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 26 f. und vom 29. Mai 2008 - BVerwG 2 C 59.07 - Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3 Rn. 25 f.).

27

a) Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW ist die Disziplinarmaßnahme insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Nach Satz 2 ist das Persönlichkeitsbild des Beamten angemessen zu berücksichtigen. Nach Satz 3 soll ferner berücksichtigt werden, in welchem Umfang das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt worden ist.

28

Die Regelungen des § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW verlangen ebenso wie die inhaltsgleichen Regelungen des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG, dass die Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte bestimmt wird. Dabei ist fallbezogen dem auch im Disziplinarrecht geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen (stRspr; vgl. Urteile vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258> = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1 Rn. 22 und vom 3. Mai 2007 a.a.O. Rn. 30).

29

Wie Satz 1 des § 13 Abs. 2 LDG NRW durch die Verwendung des Wortes "insbesondere" zum Ausdruck bringt, ist die Schwere des Dienstvergehens richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Das Dienstvergehen ist nach der festgestellten Schwere einer der im Katalog des § 5 LDG NRW (§ 5 BDG) aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O. <258 f.> bzw. Rn. 22 und vom 3. Mai 2007 a.a.O. Rn. 20).

30

Eine vollständige und richtige Gesamtwürdigung setzt voraus, dass die Verwaltungsgerichte die im Einzelfall bemessungsrelevanten, d.h. die für die Schwere und das Persönlichkeitsbild bedeutsamen Tatsachen ermitteln und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Gesamtbewertung einbeziehen. Dabei findet der Grundsatz "in dubio pro reo" Anwendung: Die Verwaltungsgerichte dürfen nur solche belastenden Tatsachen in die Gesamtwürdigung einstellen, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Demgegenüber müssen entlastende (mildernde) Umstände schon dann zugunsten des Beamten berücksichtigt werden, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O. <258 f.> bzw. Rn. 22 f. und vom 3. Mai 2007 a.a.O. Rn. 17).

31

Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW ist ein Beamter aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn er durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Befindet er sich bereits im Ruhestand, so ordnet Satz 2 stattdessen die Aberkennung des Ruhegehalts an. Diese Regelungen enthalten keine zusätzlichen Bemessungskriterien. Ebenso wie die inhaltsgleichen Regelungen des § 13 Abs. 2 Satz 1 und 2 BDG stellen sie klar, dass das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit aufzulösen ist, wenn die Maßnahmebemessung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW zu dem Ergebnis führt, dass der Beamte untragbar geworden ist. Dies ist anzunehmen, wenn der Beamte ein schweres Dienstvergehen begangen hat und die prognostische Gesamtwürdigung ergibt, er werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die von ihm zu verantwortende Ansehensschädigung sei bei einem Verbleib im Beamtenverhältnis nicht wieder gutzumachen. Je schwerer das Dienstvergehen wiegt, desto näher liegt eine derartige Prognose (stRspr; vgl. Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O. <258 f.> bzw. Rn. 21 f. und vom 3. Mai 2007 a.a.O. Rn. 18).

32

Die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts stellt sicher, dass sich der Beamte der Sanktionierung eines schweren Dienstvergehens, das er im aktiven Dienst begangen hat, nicht durch den Eintritt in den Ruhestand entziehen kann. Sie findet ihre Rechtfertigung in der Wahrung der Integrität des Beamtentums und des Ansehens des öffentlichen Dienstes sowie in dem Gebot der Gleichbehandlung (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. November 2001 - 2 BvR 2138/00 - NVwZ 2002, 467; BVerwG, Beschluss vom 13. Oktober 2005 - BVerwG 2 B 19.05 - Buchholz 235.1 § 15 BDG Nr. 2 Rn. 6).

33

Die Entscheidung des Gesetzgebers, die disziplinarrechtliche Relevanz außerdienstlichen Fehlverhaltens einzuschränken, wirkt sich auch auf die Bemessungsentscheidung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW aus. Sie führt dazu, dass ein Dienstvergehen außerhalb des Dienstes jedenfalls dann regelmäßig nicht die Beendigung des Beamtenverhältnisses nach sich zieht, wenn es keine Rückschlüsse auf die Dienstausübung des Betroffenen zulässt, seine disziplinarrechtliche Relevanz sich vielmehr ausschließlich aus dem damit verbundenen Ansehensschaden ergibt. In diesen Fällen kommen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. Aberkennung des Ruhegehalts nur in Betracht, wenn das Dienstvergehen im Einzelfall durch vom Regelfall abweichende, besonders erschwerende Umstände gekennzeichnet ist.

34

Für die Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens kann auf die Maßstäbe zurückgegriffen werden, die der Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts für einzelne Fallgruppen entwickelt hat. Nach dessen Rechtsprechung ist die Disziplinarmaßnahme für außerdienstliche Steuerhinterziehungen ohne dienstlichen Bezug wegen der Variationsbreite der möglichen Verfehlungen, insbesondere wegen der sehr unterschiedlichen Hinterziehungsbeträge, grundsätzlich nach den Umständen des jeweiligen Falles festzulegen. Ist der Umfang der hinterzogenen Steuern besonders hoch oder sind mit der Steuerhinterziehung zusätzliche Straftatbestände oder andere nachteilige Umstände mit erheblichem Eigengewicht verbunden, so soll eine Zurückstufung angemessen sein. Eine außergewöhnliche Höhe des Hinterziehungsbetrags nimmt der Disziplinarsenat bei einem sechsstelligen DM-Betrag an (stRspr; vgl. Urteil vom 8. September 2004 - BVerwG 1 D 18.03 - Buchholz 235.1 § 85 BDG Nr. 7 S. 14). Davon ausgehend kommt die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts in Betracht, wenn der Hinterziehungsbetrag wie im vorliegenden Fall einen siebenstelligen Euro-Betrag erreicht.

35

b) Die Strafaufhebung nach § 371 AO kann nicht unbesehen als Milderungsgrund in die Bemessungsentscheidung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW übernommen werden. Der Verzicht auf den Strafanspruch ist vorrangig dem fiskalischen Interesse an der Erschließung unbekannter Steuerquellen geschuldet (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 - 1 StR 577/09 - NJW 2010, 2146 Rn. 7). Dieses Interesse stellt keinen Gesichtspunkt dar, der dem Bemessungskriterium des Persönlichkeitsbildes des Beamten im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 2 LDG NRW zugeordnet werden kann. Daher ist für die Bestimmung des Gewichts einer Selbstanzeige nach § 371 AO in erster Linie auf die disziplinarrechtlichen Milderungsgründe zurückzugreifen, die Elemente des Persönlichkeitsbildes zum Ausdruck bringen.

36

Danach kommt der Selbstanzeige entscheidendes Gewicht für die Maßnahmebemessung zu, wenn der Beamte dadurch den Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung erfüllt. Der Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts hat diesen Milderungsgrund für die Fallgruppe der Veruntreuung amtlich anvertrauter Gelder entwickelt, jedoch auch auf Steuerhinterziehungen angewandt. Er liegt vor, wenn der Beamte das Dienstvergehen vor seiner Aufdeckung aus eigenem Antrieb ohne Furcht vor konkreter Entdeckung vorbehaltlos und vollständig offenlegt. Der Milderungsgrund greift nicht mehr ein, wenn der Beamte das Dienstvergehen offenbart, weil er damit rechnet, dass deswegen gegen ihn ermittelt wird (Urteile vom 5. Oktober 1994 - BVerwG 1 D 31.94 - BVerwGE 103, 177 <180 f.>, vom 6. Juni 2000 - BVerwG 1 D 66.98 - Buchholz 235 § 17 BDO Nr. 1 S. 4 und vom 23. Februar 2005 - BVerwG 1 D 13.04 - BVerwGE 123, 75 <78 f.>).

37

Durch die freiwillige Offenbarung zeigt der Beamte, dass er sein Fehlverhalten bereut und aus innerer Einsicht entschlossen ist, sich künftig rechtstreu zu verhalten. Sein Persönlichkeitsbild im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 2 LDG NRW erscheint in einem günstigeren Licht, sodass die Erwartung gerechtfertigt ist, die von dem Beamten verursachte Ansehensschädigung könne wettgemacht werden. Mit dem Zweck des Milderungsgrundes der freiwilligen Offenbarung lässt sich nicht vereinbaren, den in die Tat umgesetzten Persönlichkeitswandel generell für unbeachtlich zu erklären. Vielmehr führt die Umkehr des Beamten aus freien Stücken selbst bei schwerwiegenden innerdienstlichen Pflichtenverstößen regelmäßig zur Bestimmung einer Disziplinarmaßnahme, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme. Dies gilt nur dann nicht, wenn dem Milderungsgrund erschwerende Umstände von ganz erheblichem Gewicht entgegenstehen. Dazu gehört eine enorme Schadenshöhe bei Vermögens- und Abgabedelikten nicht, wenn der Beamte seine Bereitschaft zur Wiedergutmachung des Schadens gezeigt hat und dazu in der Lage ist. Die Fähigkeit zur Wiedergutmachung des Schadens ist im Allgemeinen wegen des Einsatzes der Dienst- oder Versorgungsbezüge zu bejahen (Urteile vom 5. Oktober 1994 a.a.O. <181>, vom 6. Juni 2000 a.a.O. S. 4 und vom 23. Februar 2005 a.a.O. <78 f.>).

38

Demgegenüber kommt einer Selbstanzeige nach § 371 AO, die der Beamte aus Furcht vor Entdeckung abgibt, naturgemäß ein geringeres Gewicht zu. Dies gilt unabhängig davon, ob der Beamte dadurch Straffreiheit erlangt. Hier muss davon ausgegangen werden, dass der Beamte weniger aus innerer Einsicht als vielmehr in dem Bestreben tätig wird, die nachteiligen Folgen seines Fehlverhaltens so gering als möglich zu halten. Daher hängt es vom Hinzutreten weiterer, dem Persönlichkeitsbild zuzuordnenden mildernden Umständen ab, welche Disziplinarmaßnahme angemessen ist. Jedenfalls bei einer siebenstelligen Größenordnung der hinterzogenen Steuern kann die höchste Disziplinarmaßnahme angezeigt sein, wenn im Einzelfall Erschwerungsgründe vorliegen, denen keine Milderungsgründe von solchem Gewicht gegenüberstehen, dass eine Gesamtbetrachtung noch den Schluss rechtfertigt, der Beamte sei noch tragbar. Je gravierender die Erschwerungsgründe in ihrer Gesamtheit zu Buche schlagen, desto gewichtiger müssen die Milderungsgründe sein. Den Milderungsgründen darf nicht unabhängig von ihrem Gewicht unter Verweis auf die Größenordnung des Hinterziehungsbetrags jede entscheidungserhebliche Bedeutung abgesprochen werden.

39

Ein beachtlicher Milderungsgrund, der die Dienstentfernung oder die Aberkennung des Ruhegehalts bei Fehlen besonderer Erschwerungsgründe ausschließt, liegt darin, dass der Beamte nach der Selbstanzeige aus Furcht vor Entdeckung den Schaden alsbald ausgeglichen, nämlich die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm gesetzten Frist (§ 371 AO) entrichtet und dadurch Straffreiheit erlangt hat (vgl. Urteil vom 5. Oktober 1994 a.a.O. <181>). Gleiches gilt, wenn der Beamte durch seine Mitwirkung die Aufklärung des Dienstvergehens ermöglicht oder erheblich vereinfacht hat (Urteil vom 6. Juni 2000 a.a.O. S. 4). Auch kann zugunsten des Beamten zu berücksichtigen sein, dass er sich nicht selbst bereichert, sondern Dritten auf deren Drängen ungerechtfertigte Vorteile verschafft hat (Urteil vom 23. Februar 2005 a.a.O. <77>).

40

c) Das Oberverwaltungsgericht ist den Anforderungen an die prognostische Gesamtwürdigung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW nicht gerecht geworden. Es hat zwar verschiedene bemessungsrelevante Gesichtspunkte aufgeführt, die Aberkennung des Ruhegehalts jedoch abweichend von der Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts allein schon wegen der enormen Größenordnung der Steuerhinterziehungen des Beklagten für zwingend geboten gehalten. Nach seiner Auffassung kann bei der hier festgestellten Schadenshöhe dem Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung, d.h. einer Selbstanzeige aus freien Stücken, unter keinen Umständen entscheidungserhebliches Gewicht zukommen. Dementsprechend hat das Oberverwaltungsgericht dahingestellt sein lassen, ob der Beklagte die Selbstanzeige aus freien Stücken oder bereits aus Furcht vor Entdeckung abgegeben hat. Dies wird es aufzuklären haben, wobei dem Beklagten möglicherweise der Grundsatz "in dubio pro reo" zugute kommt. Es wird insbesondere darauf ankommen, ob der Beklagte bei Abgabe der Selbstanzeige damit rechnen musste, dass wegen der hinterzogenen Steuern bereits gegen ihn ermittelt wird. Ist von einer Selbstanzeige aus freien Stücken auszugehen, so kommt die Aberkennung des Ruhegehalts nach Lage der Dinge nicht in Betracht.

41

Gewinnt das Oberverwaltungsgericht nach erschöpfender Sachaufklärung die Überzeugung, dass der Beklagte die Selbstanzeige aus Furcht vor Entdeckung abgegeben hat, so wird es aufzuklären haben, ob dem Beklagten neben der Schadenshöhe weitere Erschwerungsgründe anzulasten sind. Auf der anderen Seite wird es zu berücksichtigen haben, dass der Beklagte den gesamten Hinterziehungsbetrag nebst Zinsen und Zuschlägen fristgerecht entrichtet hat. Gegebenenfalls wird das Oberverwaltungsgericht weiter nachzuprüfen haben, ob einer der dargestellten weiteren Milderungsgründe hinzutritt.