Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 04. März 2004 - 7 U 183/03

published on 04/03/2004 00:00
Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 04. März 2004 - 7 U 183/03
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Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 22. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 26. September 2003 - 22 O 146/03 - wird zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

3. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages zuzüglich eines Aufschlags von 10 % abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich eines Aufschlages von 10 % leistet.

Streitwert in beiden Rechtszügen: 45.827,00 EUR

Gründe

A Der Kläger unterhält bei der Beklagten für das auf dem ... in ... befindliche Gebäude eine „Gebündelte Sach-Versicherung“, durch die Leitungswasser-, Sturm-, Überschwemmungs- sowie weitere Elementarschäden versichert sind.
Der Kläger begehrt Versicherungsleistungen wegen der Schäden am Asphaltbelag des auf dem Anwesen befindlichen Parkdecks (31.827,15 EUR) sowie im Innenbereich der darunter befindlichen Kegelbahnen und Gasträume (14.000,00 EUR), zu denen es infolge einer Überschwemmung des Parkdecks nach lange anhaltenden unwetterartigen Regenfällen in der Zeit vom 13. bis 15. August 2002 gekommen sein soll. Die Schäden seien in der Weise entstanden, dass unter dem Druck der angestauten Wassermassen die bis dahin regenwasserdicht gewesene Abdichtung „unterwassert“ worden sei und sich dadurch Kanäle feinster Art gebildet hätten mit der Folge, dass nunmehr Wasser in das Gebäude gelangen konnte. Zum Rückstau sei es deshalb gekommen, weil das öffentliche Kanalsystem überlastet gewesen sei, weshalb das Wasser aus dem Rohr des Gullys zurückgedrückt wurde und deshalb nicht mehr von dem Parkdeck abfließen konnte.
Die Beklagte hat das Schadensereignis bestritten und weiter geltend gemacht, dass einerseits eine Überschwemmung im Sinne der Versicherungsbedingungen nicht vorliege, zum anderen der Ausschlusstatbestand des Rückstaus vorliege.
§ 3 der Besonderen Bedingungen für die Versicherung weiterer Elementarschäden bei gewerblichen Risiken (BEG 95) lautet:
„§ 3 Überschwemmung des Versicherungsortes
1. Überschwemmung ist eine Überflutung des Grund und Bodens des Versicherungsortes, auf dem das versicherte Gebäude liegt oder in dem sich die versicherten Sachen befinden (Versicherungsgrundstück), durch
a) Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern;
b) Witterungsniederschläge.
2. Nicht versichert sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden durch
10 
a) Sturmflut,
11 
b) Rückstau.“
12 
Auf die weiteren tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
13 
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil bereits der Tatbestand der Überschwemmung im Sinne von § 3 BEG 95 nicht vorliege. Dieser setze eine schadensträchtige Überflutung des Geländes außerhalb des Gebäudes, nicht nur von Gebäudeteilen voraus. Schadensursächlich sollen nach dem Vortrag des Klägers vielmehr die Ansammlung von Wasser auf dem - gleichzeitig das Dach des darunter liegenden Gebäudes bildenden - Parkdeck gewesen sein.
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Dagegen wendet sich die Beklagte unter Vertiefung und Erweiterung ihres Vorbringens mit der Berufung.
15 
Das Landgericht habe den vorgetragenen Sachverhalt hinsichtlich der Überschwemmung des Versicherungsortes nicht hinreichend festgestellt. Durch die Regenfälle in der Zeit vom 13. bis 15. August 2002 seien sowohl das ebenerdige Parkdeck als auch der ..., an dem das Parkdeck liegt, überschwemmt worden. Die Kanalisation der Straße sei deshalb nicht mehr in der Lage gewesen, das Niederschlagswasser vollständig abzuführen. Dies habe nichts mit einem Schaden durch Rückstau zu tun. Das insoweit entstandene Oberflächenwasser auf der Straße habe das Oberflächenwasser auf dem Parkdeck zurückgestaut.
16 
Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26. September 2003 abzuändern und die Beklagte zur Zahlung von 45.827,15 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verurteilen.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Soweit der Vortrag des Klägers dahingehend zu verstehen sein sollte, dass die Straße überschwemmt und von dort Wasser auf das Parkdeck geflossen sei, sei er neu und in der Berufungsinstanz nicht zuzulassen. Jedenfalls liege ein Rückstauschaden vor. Davon sei ursprünglich auch der Kläger unter Bezugnahme auf das von ihm vorgelegte Sachverständigengutachten ... ausgegangen. Erst als die Beklagte darauf hingewiesen habe, dass Rückstauschäden nicht versichert seien, sei der Vortrag umgestellt worden.
21 
B Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
22 
I. Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger nach den hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen keine Entschädigung für die geltend gemachten Schäden zusteht. Dabei kann dahinstehen, ob eine Überschwemmung des Versicherungsortes im Sinne von § 3 Nr. 1 BEG 95 vorliegt. Jedenfalls steht vorliegend der Ausschlusstatbestand des „Rückstaus“ nach § 3 Nr. 2 b BEG 95 einem Entschädigungsanspruch entgegen.
23 
1. Dahinstehen kann, ob von einer Überschwemmung im Sinne von § 3 Nr. 1 BEG 95 nur dann ausgegangen werden kann, wenn eine schadensträchtige Überflutung des Geländes außerhalb des Gebäudes und nicht nur von Gebäudeteilen vorliegt (so das Landgericht unter Bezugnahme auf OLG Karlsruhe, Urteil vom 5. Juli 2001 - 19 U 19/01; vgl. ferner Dietz, Gebäudeversicherung, 2. Aufl. 1999, S. 224) oder ob der Tatbestand der Überschwemmung auch dann vorliegt, wenn sich auf der Straße ansammelndes Niederschlagswasser in erheblichen Mengen in die Kanalisation gelangt und von dort einen Rückstau in der Hauswasserleitung hervorruft, der zum Eintritt eines Gebäudeschadens führt (VGH Baden-Württemberg, VersR 1988, 1258).
24 
Der Senat versteht den Vortrag des Klägers in der Berufungsbegründung nicht dahingehend, dass das Wasser von außen, d.h. von der Straße auf das Parkdeck geflossen ist. Ein derartiger Vortrag wäre im Hinblick auf das erstinstanzliche Vorbringen neu im Sinne von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO, ohne dass sich der Kläger für die Nachlässigkeit des Nichtvorbringens bereits in erster Instanz genügend entschuldigt hätte.
25 
2. Der Gewährung einer bedingungsgemäßen Entschädigung steht entgegen, dass Schäden, die ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen durch Rückstau entstanden sind, nicht versichert sind (§ 3 Nr. 2 b BEG 95).
26 
a) Ein Rückstau im Sinne dieser Bestimmung liegt dann vor, wenn - wie der Kläger in dem von ihm eingeholten Gutachten Nottelmann (Bl. 8 ff d.A.) zitiert wird - ein Rückstau im öffentlichen Kanalisationssystem dazu geführt hat, dass Wasser aus dem Rohr des Entwässerungsgullys zurückgedrückt wurde, sodass das Parkdeck unter Wasser stand.
27 
b) Von einem Rückstau ist aber auch dann auszugehen, wenn, wie der Kläger in der Berufungsbegründung vorgetragen hat, Regenwasser sich auf dem Parkdeck gesammelt hat und von dort nicht abfließen konnte, weil das gemeindliche Kanalisationsnetz die Wassermengen nicht rechtzeitig voll aufnehmen konnte und das insoweit entstandene Oberflächenwasser auf der Straße das Oberflächenwasser auf dem Parkdeck zurückgestaut hat.
28 
c) Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch ein Leistungsausschluss in dem letztgenannten Fall von dem Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 2 b BEG 95 gedeckt. Ein derartiges Verständnis der Klausel führt nicht zu einer Unwirksamkeit aufgrund der Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 1 bzw. 5 AGB-Gesetz.
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Bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist entscheidend, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (BGHZ 123, 83 und ständig). Den Begriff „Rückstau“ versteht ein verständiger Versicherungsnehmer dahingehend, dass sich ansammelndes Niederschlagswasser in erheblichen Mengen in die Kanalisation gelangt und von dort nicht mehr in der vorgesehenen Weise abgeführt werden kann. Weiter aber auch dahin, dass sich auf Gebäuden oder Grundstücken ansammelndes Oberflächenwasser nicht mehr über die Kanalisation oder öffentliche Flächen, wie z.B. Straßen, abgeführt werden kann.
30 
II. Die Revision wird nicht zugelassen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nicht schon deshalb zu, weil die Entscheidung von der Auslegung einer Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen abhängt. Vielmehr muss die Auslegung der Klausel über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre umstritten und in ihren tatsächlichen Auswirkungen nicht nur für die Parteien, sondern für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sein (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2003, IV ZR 319/02 unter II. 2.). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
31 
III. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht
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published on 10/12/2003 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 319/02 vom 10. Dezember 2003 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _____________________ ZPO § 543 Abs. 2 Nr. 1; BauwesenVers. von Unternehmerleistungen (ABU)/Klausel 65 zu den ABU Grundsätzlich
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published on 30/04/2015 00:00

Tenor 1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 10.07.2014, Az. 2 O 15/14 Ver, wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. 3. Das Urteil ist vorläuf
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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

Der Verfolgte hat Anspruch auf Entschädigung nach diesem Gesetz.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)