Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Dez. 2003 - IV ZR 319/02

bei uns veröffentlicht am10.12.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 319/02
vom
10. Dezember 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
ZPO § 543 Abs. 2 Nr. 1; BauwesenVers. von Unternehmerleistungen
(ABU)/Klausel 65 zu den ABU
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nicht schon deshalb
zu, weil die Entscheidung von der Auslegung einer Klausel in Allgemeinen
Versicherungsbedingungen (hier: Klausel 65 zu den ABU) abhängt, aber
nicht dargelegt wird, daß die Auslegung der Klausel über den konkreten
Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder in den beteiligten
Verkehrskreisen umstritten ist.
BGH, Beschluß vom 10. Dezember 2003 - IV ZR 319/02 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
die Richterin Dr. Kessal-Wulf
am 10. Dezember 2003

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. August 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 35.108,25

Gründe:


I. Die Parteien sind Bauleistungsversicherer. Sie streiten darüber, wer von ihnen für einen beim Erweiterungsbau einer Kläranlage entstandenen Schaden Versicherungsschutz zu gewähren hat.
Der S. -Verband M. -T. unterhielt als Auftraggeber des Bauvorhabens bei der Beklagten eine Bauleistungsversicherung auf der Grundlage der Allgemeinen Bedingungen für die Bauwesenversicherung von Unternehmerleistungen (ABU) mit der Klausel 65 zu den ABU

(Text der ABU mit Klausel 65 in VerBAV 1974, 284 ff. und Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. S. 2129 ff.). In der Klausel 65 mit der Überschrift "TiefbauAuftraggeber als Versicherungsnehmer" heißt es u.a. wie folgt: "1. Ist der Auftraggeber Versicherungsnehmer, so wird Entschädigung nach den ABU für alle Schäden geleistet, die zu Lasten des Versicherungsnehmers oder eines der beauftragten Unternehmer gehen, soweit nicht das Interesse einzelner Unternehmer ausdrücklich ausgeschlossen ist. ... 5. Für die Bildung der Versicherungssummen (§ 5 Nr. 1 bis 3 ABU) treten an die Stelle des Bauvertrages und der Bausumme die gesamten Bauleistungen und deren Herstellungskosten. Die Herstellungskosten schließen die Kosten von Stundenlohnarbeiten und den Neuwert der durch die Bauunternehmer gelieferten Baustoffe und Bauteile ein. ..." Der S. -Verband beauftragte die G. M. Ingenieurbau GmbH als Hauptunternehmerin mit den Bauarbeiten. Diese schloß mit der B. und L. ........... GmbH (SBB) einen Nachunternehmervertrag über die Stahlbetonarbeiten für die Rundbecken. Die Hauptunternehmerin hatte keine Bauleistungsversicherung. Die Nachunternehmerin SBB unterhielt bei der Klägerin eine Bauleistungsversicherung nach ABU mit der Zusatzbedingung 62. In § 11 der Zusatzbedingung mit der Überschrift "Versicherung durch den Auftraggeber" ist in Nr. 1 vereinbart, daß kein Versicherungsschutz besteht, soweit das Interesse des Versicherungsnehmers für einzelne Bauleistungen versichert ist "a) nach den "Allgemeinen Bedingungen für die Auftraggeberversicherung von Gebäudeneubauten (ABN)" durch einen Versicherungsvertrag des Auftraggebers,


b) nach den ABU durch den Versicherungsvertrag eines Unternehmers , der den Versicherungsnehmer des vorliegenden Jahresvertrages mit den Bauleistungen beauftragt hat." Am 22. April 1998 kam es bei den Betonierarbeiten für ein Nach- klärbecken durch einen Riß in der Stahlschalung zu einem Schaden, der zu Lasten der SBB ging. Die Klägerin zahlte an die SBB unter Berücksichtigung einer Selbstbeteilung 134.638,75 DM.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte müsse ihr diesen Betrag in voller Höhe erstatten. Durch die im Vertrag des S. -Verbandes mit der Beklagten vereinbarte Klausel 65 sei auch das Interesse der SBB als Nachunternehmerin mitversichert und nicht, wie die Beklagte meine, ausschließlich das Interesse der vom S. -V e rband unmittelbar beauftragten Unternehmer. Deshalb sei sie - die Klägerin - gegenüber der SBB wegen der Subsidiaritätsklausel in § 11 Nr. 1 b der Zusatzbedingung 62 nicht eintrittspflichtig.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht (r + s 2003, 430) hat ihr in Höhe von 35.108,25 DM) stattgegeben und die Revision nicht zugelassen.
Hiergegen hat die Beklagte Beschwerde eingelegt, mit der sie nach Zulassung der Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Beklagte den geltend gemachten Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht dargetan hat.
1. Das Berufungsgericht nimmt an, daß beide Parteien der SBB gegenüber zur Leistung verpflichtet waren und somit eine Doppelversicherung vorlag. Es hat der Klägerin deshalb einen Ausgleichsanspruch nach § 59 Abs. 2 VVG zugebilligt und der Klage etwa zur Hälfte stattgegeben. Durch die Vereinbarung der Klausel 65 im Vertrag zwischen dem S. -Verband und der Beklagten seien die Interessen der Nachunternehmer mitversichert. Die im Vertrag zwischen der Klägerin und der SBB vereinbarte Subsidiaritätsklausel greife nicht ein.
Zur Auslegung der Klausel 65, der die Beschwerde grundsätzliche Bedeutung beimißt, hat das Berufungsgericht ausgeführt: Diese Klausel ermögliche dem Tiefbau-Auftraggeber in Abänderung von § 3 Nr. 1 und 5 der ABU als Versicherungsnehmer die Versicherung seines eigenen Risikos und des Risikos seiner Auftragnehmer nach den ABU in den Bereichen Tief-, Ingenieur-, Wasser- und Straßenbau. Der Bauherr oder sonstige Auftraggeber könnten sich im Bereich des Hochbaus nach den Allgemeinen Bedingungen für die Bauwesenversicherung von Gebäudeneubauten durch Auftraggeber (ABN) versichern und das Interesse der Auftragnehmer und Handwerker einbeziehen. Schäden auf dem Gebiet des Tief-, Ingenieur-, Wasser- und Straßenbaus seien nach den ABN nicht versicherbar. Aus diesem Grund gebe die Vereinbarung der Klausel 65 zu den ABU die Möglichkeit der Versicherung des TiefbauAuftraggebers als Versicherungsnehmer im Hinblick auf sein eigenes Risiko und das seiner Auftragnehmer. Soweit es in Nr. 1 der Klausel um

Schäden gehe, die zu Lasten des Versicherungsnehmers oder eines der beauftragten Unternehmer gingen, seien damit auch die an Nachunternehmer vergebenen Leistungen erfaßt. Der Wortlaut der Klausel schränke die Anwendung nicht auf die Leistungen der unmittelbaren Auftragnehmer ein. Wäre eine solche Beschränkung gewollt, so hätte es nahegelegen , dies in der Weise zum Ausdruck zu bringen, daß nur Schäden betroffen sein sollten, die zu Lasten des Versicherungsnehmers oder eines von ihm beauftragten Unternehmers gingen. Auch Sinn und Zweck der Klausel 65 sprächen dafür, die Nachunternehmer einzubeziehen. Die Klausel habe den Sinn, die Versicherung auszudehnen vom Versicherungsnehmer auf die mit der Baumaßnahme beauftragten Unternehmer. Wie bei den ABN solle das Interesse aller am Bau Beteiligten versichert werden, soweit der Schaden zu ihren Lasten gehe. Es könne keinen Unterschied machen, ob der Unternehmer vom Bauherrn direkt oder als Nachunternehmer beauftragt worden sei. Die Klausel 65 übernehme in Nr. 1 dementsprechend die Formulierung aus § 3 Nr. 1 ABN. In den ABN seien neben den Interessen der Bauherren und sonstigen Auftraggeber die Interessen der Auftragnehmer und Handwerker erfaßt. Daß der Bauherr als Versicherungsnehmer unmittelbar nur Einfluß auf die Auswahl des von ihm beauftragten Unternehmers habe und nicht auf den Nachunternehmer , stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Entscheidend sei, daß das Risiko der Bauleistung bei dem abgesichert werden solle, bei dem es anfalle. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Bauherr die Bauleistungen direkt an einzelne Auftragnehmer oder Handwerker in Auftrag gebe oder einen Generalunternehmer dazwischen schalte. Die Gefahr einer Veränderung der Risikostruktur bestehe nicht.

2. Die Beschwerde hat nicht dargelegt, daß dieser - vom Bundesgerichtshof noch nicht entschiedenen - Auslegungsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommt.

a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschlüsse vom 27. März 2003 - V ZR 291/02 - NJW 2003, 1943 unter II 1 und vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02 - NJW 2003, 65 unter II 2 a und b = BGHZ 152, 182, 190 ff. jeweils m.w.N.) zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche , klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Der Beschwerdeführer muß insbesondere ausführen, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die betreffende Rechtsfrage umstritten ist und daß die tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsstreits nicht nur für die Vermögensinteressen der Parteien, sondern auch für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind (BGH, Beschluß vom 27. März 2003 aaO unter II 1 d a.E. und Wenzel NJW 2002, 3353 unter II

2).



b) Die Beschwerde vermag nicht aufzuzeigen, daß die Auslegung der Klausel 65 zu den ABU über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre umstritten und in ihren tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen nicht nur für die Parteien, sondern auch für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung ist. Auf dem Berufungsurteil entgegenstehende Ansichten in Literatur und Rechtsprechung kann die Beschwerde nicht hinweisen. Sie legt auch nicht dar, daß

andere Versicherer die Klausel ebenso wie sie verstehen und in der Pra- xis der Bauleistungsversicherung Zweifel über die Auslegung der Klausel bestehen und deshalb eine Klärung durch ein Urteil des Revisionsgerichts erforderlich ist.
Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des Berufungsgerichts sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Der vom Berufungsgericht herangezogene Vergleich der Formulierung in § 3 Nr. 1 ABN, wonach Entschädigung geleistet wird für Schäden, die zu Lasten des Versicherungsnehmers oder eines der beauftragten Unternehmer gehen, mit Nr. 1 der Klausel 65 läßt es aus der Sicht der mit Bauleistungsversicherungen befaßten Verkehrskreise (vgl. dazu Platen, Handbuch der Versicherung von Bauleistungen, 3. Aufl. Rdn. 10.6.2) naheliegend erscheinen, den Umfang der durch beide Klauseln versicherten Interessen im selben Sinne zu verstehen. Hierfür spricht auch, daß für die Bildung der Versicherungssumme sowohl nach Nr. 5 der Klausel 65 wie nach § 5 Nr. 1 und 2 ABN die gesamten Bauleistungen und deren Herstellungskosten maßgebend sind. Zu § 3 ABN ist es einhellige, auch von der Beklagten geteilte Auffassung, daß das Interesse der Nachunternehmer mitversichert ist

(Martin VW 1974, 1130 f.; Schirmer ZVersWiss 1981, 734 f., 738; Rehm, Bauwesenversicherung, 2. Aufl. S. 141; Beck’scher VOB-Komm./ Rüßmann, B Anh. § 7 Rdn. 80, 83, 84).
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Dr. Kessal-Wulf

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 59 Begriffsbestimmungen


(1) Versicherungsvermittler im Sinn dieses Gesetzes sind Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Die §§ 1a, 6a, 7a, 7b und 7c gelten für Versicherungsvermittler entsprechend. Versicherungsvermittler ist auch, wer eine Vertriebstätigkeit im Si

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Versicherungsvermittler im Sinn dieses Gesetzes sind Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Die §§ 1a, 6a, 7a, 7b und 7c gelten für Versicherungsvermittler entsprechend. Versicherungsvermittler ist auch, wer eine Vertriebstätigkeit im Sinne von § 1a Absatz 2 ausführt, ohne dass die Voraussetzungen des nachfolgenden Absatzes 2 oder 3 vorliegen.

(2) Versicherungsvertreter im Sinn dieses Gesetzes ist, wer von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen.

(3) Versicherungsmakler im Sinn dieses Gesetzes ist, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Als Versicherungsmakler gilt, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler nach Satz 1.

(4) Versicherungsberater im Sinn dieses Gesetzes ist, wer gewerbsmäßig Dritte bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen oder bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus Versicherungsverträgen im Versicherungsfall berät oder gegenüber dem Versicherer außergerichtlich vertritt, ohne von einem Versicherer einen wirtschaftlichen Vorteil zu erhalten oder in anderer Weise von ihm abhängig zu sein. Die §§ 1a, 6a, 7a, 7b und 7c gelten für Versicherungsberater entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 71/02
vom
1. Oktober 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
_____________________

a) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 Alt. 2 ZPO) ist die Revision nur in Fällen der Divergenz sowie der
Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr zuzulassen. Darüber hinaus
werden Rechtsfehler im Einzelfall von diesem Zulassungsgrund auch
dann nicht erfaßt, wenn sie offensichtlich oder besonders schwerwiegend
sind oder einen Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte enthalten.

b) Grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) kann einer
Sache zukommen, wenn sie Rechtsfragen aufwirft, die in einer unbestimmten
Vielzahl von Fällen auftreten können, oder wenn andere Auswirkungen
des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit deren Interessen in
besonderem Maße berühren. Darüber hinaus begründen Rechtsfehler im
Einzelfall ausnahmsweise dann eine grundsätzliche Bedeutung der Sache
, wenn offenkundig ist, daß die angefochtene Entscheidung sich als
objektiv willkürlich darstellt oder Verfahrensgrundrechte des Beschwerdeführers
verletzt, und wenn jeweils nicht zweifelhaft erscheint, daß das
Bundesverfassungsgericht sie auf eine Verfassungsbeschwerde hin aufheben
würde.

c) Eine ordnungsgemäße Darlegung (§ 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO) setzt vor-
aus, daß der Beschwerdeführer die Zulassungsgründe, auf die er die Beschwerde
stützt, benennt und zu deren Voraussetzungen so substantiiert
vorträgt, daß das Revisionsgericht allein anhand der Lektüre der Beschwerdebegründung
und des Berufungsurteils die Voraussetzungen der
Zulassung prüfen kann.
BGH, Beschluß vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe, die Richter Dr. Bungeroth, Dr. Müller, Dr. Wassermann
und die Richterin Mayen
am 1. Oktober 2002

beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 11. Februar 2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 409.033,50

Gründe:


I.


Die Klägerin nimmt die Beklagten aus einer gepfändeten und ihr zur Einziehung überwiesenen Darlehensforderung in Anspruch.
Mit schriftlichem Vertrag vom 15. November 1992 gewährte die P. GmbH, später unfirmiert in V. für I. GmbH, den Beklagten ein verzinsliches Darlehen in Höhe von 800.000 DM. Der Darlehensvertrag wurde für die Darlehensgeberin von dem Beklagten zu 1) unterzeichnet, der
zum damaligen Zeitpunkt und noch bis Ende Juni 1998 allein vertre- tungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der P. GmbH war. Gemäß Ziffer 4 des Darlehensvertrages sollte die Rückzahlung des Darlehens durch Verrechnung der Guthaben des Beklagten zu 1) auf dem Gesellschafterverrechnungskonto erfolgen. Die Darlehenssumme wurde im November 1992 und Februar 1993 ausgezahlt. Für die V. für I. GmbH wurde im Juli 1998 Konkursantrag gestellt; dieser wurde mangels Masse abgewiesen.
Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 28. September 1999 wurde die Darlehensforderung der V. für I. GmbH gegen die Beklagten gepfändet und der Klägerin zur Einziehung überwiesen.
Die Beklagten berufen sich auf Erfüllung. Sie wenden, gestützt auf vorgelegte Ablichtungen des Buchungsjournals von 1993, auf von dem Beklagten zu 1) für die P. GmbH unterzeichnete Verrechnungsbestätigungen und auf einen in Ablichtung vorgelegten, mit dem Datum 3. März 1997 versehenen und von dem Beklagten zu 1) abgezeichneten "erledigt" -Stempel auf dem Darlehensvertrag, ein, die Darlehensschuld sei durch Verrechnung mit Guthaben des Beklagten zu 1) auf dem Gesellschafterverrechnungskonto erloschen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Beklagten hätten den ihnen obliegenden Beweis der Erfüllung der Darlehensschuld nicht geführt. Es hat die Revision nicht zugelassen.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten , mit der diese geltend machen, eine Entscheidung des Revisionsgerichts sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfor- derlich; der Sache komme darüber hinaus grundsätzliche Bedeutung zu. Die Beklagten begründen ihren Antrag mit einem Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte , insbesondere gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Sie meinen, eine einheitliche Rechtsprechung sei nicht mehr gesichert , wenn einem Darlehensnehmer deswegen, weil er von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen sei, der Beweiswert von Urkunden abgesprochen werde und diese als "schlichte Parteierklärungen" gewürdigt würden. § 181 BGB, von dem im Rechtsverkehr durchweg Gebrauch gemacht werde, werde dadurch unterlaufen. Das Berufungsgericht habe im übrigen Beweisantritte der Beklagten auf Einholung eines betriebswirtschaftlichen Sachverständigengutachtens zum Beweis der Richtigkeit des vorgelegten Buchungsjournals und auf Vernehmung von Zeugen übergangen und dadurch das Recht der Beweisführung für einen Darlehensnehmer für die Rückzahlung des Darlehens in einer weit über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung eingeschränkt.

II.


Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist unzulässig, jedenfalls aber unbegründet, weil es an einer den Anforderungen der § 543 Abs. 2 Satz 1, § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO entsprechenden Beschwerdebegründung fehlt. Es kann daher offenbleiben, ob die Beklagten auch dem aus § 26 Nr. 8 EGZPO sich ergebenden Erfordernis der Darlegung einer mit der beabsichtigten Revision erstrebten Abänderung des Berufungs-
urteils in einem die Wertgrenze von 20.000 (vgl. BGH, Beschluß vom 27. Juni 2002 - V ZR 148/02, NJW 2002, 2720, 2721) mangels ausdrücklicher Angaben zu diesem Punkt nicht nachgekommen sind.
Gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Diese Zulassungsgründe müssen gemäß § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO in der Beschwerdebegründung dargelegt werden. "Darlegen" bedeutet schon nach allgemeinem Sprachgebrauch mehr als nur einen allgemeinen Hinweis; "etwas darlegen" bedeutet vielmehr soviel wie "erläutern", "erklären" oder "näher auf etwas eingehen" (so BVerwG 13, 90, 91; BVerwG, Beschluß vom 23. November 1995 - 9 B 362/95, NJW 1996, 1554 zu § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die bloße Behauptung eines Zulassungsgrunds reicht dazu nicht aus (BFH, Beschlüsse vom 14. August 2001 - XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51, 52 und vom 21. Februar 2002 - XI B 39/01, BFH/NV 2002, 1035 zu § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Der Beschwerdeführer hat die Zulassungsgründe, auf die er die Beschwerde stützt, zu benennen und zu deren Voraussetzungen substantiiert vorzutragen (vgl. Musielak /Ball, 3. Aufl. ZPO § 544 Rdn. 17). Das Revisionsgericht muß dadurch in die Lage versetzt werden, allein anhand der Lektüre der Beschwerdebegründung und des Berufungsurteils die Voraussetzungen für die Zulassung zu prüfen. Es soll davon entlastet werden, die Voraussetzungen der Zulassung anhand der Akten ermitteln zu müssen (so auch BFH, Beschluß vom 17. Oktober 2001 - III B 97/01, BFH/NV 2002, 366, 367 zu § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). In inhaltlicher Hinsicht richten sich die
an den Vortrag zu stellenden Anforderungen nach dem jeweils geltend gemachten Zulassungsgrund.
Die Beklagten haben die Voraussetzungen der von ihnen geltend gemachten Zulassungsgründe in der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde nicht ordnungsgemäß vorgetragen.
1. Das gilt zum einen für den von den Beklagten geltend gemachten Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
Zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich, wenn nur so zu vermeiden ist, daß schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im ganzen hat (BegrRegE ZPO-RG, BT-Drucks. 14/4722, S. 104; BGHSt 24, 15, 22 zu § 80 Abs. 1 Nr 2 OWiG).

a) Das kommt zunächst in Betracht bei Divergenz, d.h. wenn in der angefochtenen Entscheidung ein abstrakter Rechtssatz aufgestellt wird, der von einem in anderen Entscheidungen eines höheren oder eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht (BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 - V ZR 75/02, WM 2002, 1811, 1812; Beschluß vom 25. Juli 2002 - V ZR 118/02, WM 2002, 1899, 1900; zu dem gleichlautenden § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO: BGH, Beschluß vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02, WM 2002, 1567, 1568 m.w.Nachw., zum Ab-
druck in BGHZ vorgesehen; Beschluß vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, WM 2002, 1896, 1898 m.w.Nachw., zum Abdruck in BGHZ vorgesehen). Um eine Divergenz ordnungsgemäß darzulegen, ist es erforderlich, die Vorentscheidung, zu der die Divergenz geltend gemacht wird, konkret zu benennen und zu zitieren, die angeblich divergierenden entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssätze aus dieser Vorentscheidung und aus der angefochtenen Entscheidung herauszustellen sowie vorzutragen, inwiefern diese nicht übereinstimmen (so zu § 116 Abs. 3 Satz 3, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO BFH, Beschluß vom 5. Dezember 2001 - IX B 85/01, BFH/NV 2002, 529 m.w.Nachw.).
Diesem Erfordernis sind die Beklagten nicht gerecht geworden. Sie haben nicht einmal konkrete Entscheidungen anderer Gerichte benannt, von denen das Berufungsurteil abweichen könnte. Erst recht fehlt es an der Herausstellung abstrakter Rechtssätze im Berufungsurteil einerseits und in anderen Entscheidungen andererseits, zwischen denen eine Divergenz bestehen könnte.

b) Eine Revisionszulassung unter dem Gesichtspunkt der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung kommt ferner in Betracht, wenn einem Gericht bei der Anwendung von Rechtsnormen des revisiblen Rechts (§ 545 ZPO) Fehler unterlaufen, die die Wiederholung durch dasselbe Gericht oder die Nachahmung durch andere Gerichte erwarten lassen, und wenn dadurch so schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung zu entstehen oder fortzubestehen drohen, daß eine höchstrichterliche Leitentscheidung notwendig ist. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn das Berufungsgericht - auch ohne daß sich dem angefochtenen Urteil ein divergierender abstrakter Rechtssatz (vgl.
dazu oben unter a) entnehmen ließe - in ständiger Praxis oder in einer Weise, die Wiederholungen oder Nachahmungen besorgen läßt, eine höchstrichterliche Rechtsprechung nicht berücksichtigt (so zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO BGH, Beschluß vom 29. Mai 2002 aaO; zu § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG BGHSt 24, 15, 22). Diese Erfordernisse lassen sich dahin zusammenfassen, daß ein Rechtsfehler des Berufungsgerichts mit "symptomatischer Bedeutung" die Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu rechtfertigen vermag (so zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO BGH, Beschluß vom 29. Mai 2002 aaO).
Um die Voraussetzungen einer Revisionszulassung unter diesem Gesichtspunkt ordnungsgemäß darzulegen, muß der Beschwerdeführer nicht nur einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts benennen, sondern darüber hinaus auch konkrete Angaben zur symptomatischen Bedeutung des Fehlers machen. Dabei ist darzulegen und zu belegen, daß es sich bereits um eine ständige Praxis des Berufungsgerichts handelt, oder darzulegen, daß und warum eine Wiederholung oder Nachahmung konkret zu besorgen ist. Gegebenenfalls muß auch die geltend gemachte Nichtbeachtung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung mit entsprechenden Entscheidungszitaten konkret dargelegt werden.
Auch diese Erfordernisse haben die Beklagten nicht erfüllt. Zur symptomatischen Bedeutung der von ihnen geltend gemachten angeblichen Rechtsfehler des Berufungsgerichts haben sie nichts vorgetragen.

c) Keinen Grund für die Zulassung der Revision zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung bieten dagegen - unabhängig von
Gewicht und Evidenz sowie davon, ob es sich um materielle oder Verfahrensfehler handelt - Rechtsfehler im Einzelfall, die weder eine Divergenz in der Rechtsprechung hervortreten lassen (vgl. dazu oben unter 1. a) noch eine Wiederholungsgefahr oder Nachahmungsgefahr begründen (vgl. dazu oben unter 1. b).
aa) Die Schwere und die Evidenz eines Rechts- oder Verfahrensfehlers , den ein Urteil in einem Einzelfall aufweist, sind nach dem Wortlaut des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO, aus dem sich der maßgebliche objektivierte Wille des Gesetzgebers ergibt (BVerfGE 11, 126, 130), ohne jede Bedeutung.
(1) Eine Differenzierung nach dem Gewicht des Fehlers, den ein in einem Einzelfall ergangenes Urteil aufweist, ist mit dem Wortlaut des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO, der auf die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung abstellt, unvereinbar. Der Wortlaut erfaßt auch einfache Rechtsfehler, wenn zusätzlich die Voraussetzungen der Divergenz oder der Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr gegeben sind. Ein Zusammenhang zwischen dem Gewicht des Rechtsfehlers und seiner Auswirkung auf die Einheitlichkeit der Rechtsprechung besteht nicht. Insbesondere läßt sich nicht feststellen, daß ein schwerwiegender Rechtsfehler eher wiederholt wird oder Nachahmung findet als ein leichter. Nach der Lebenserfahrung kann eher vom Gegenteil ausgegangen werden. Auch der Rang der verletzten Norm ist insoweit ohne jede Bedeutung (so zu § 80 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 OWiG: Steindorf, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG 2. Aufl. § 80 Rdn. 26). Ebensowenig läßt sich dem Wortlaut eine Differenzierung nach materiellen oder Verfahrensfehlern entnehmen.

(2) Auch eine Differenzierung nach der Evidenz eines Rechtsfeh- lers findet im Wortlaut des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO keine Stütze. Daß ein in einem Einzelfall ergangenes evident unrichtiges Urteil die Einheitlichkeit der Rechtsprechung stärker gefährdet als ein nicht offensichtlich unrichtiges, ist nicht ersichtlich. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat dementsprechend zum gleichlautenden Tatbestandsmerkmal der "Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung" in § 80 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 OWiG entschieden, daß eine Fehlentscheidung in einem Einzelfall die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht rechtfertigt, auch wenn der Rechtsfehler offensichtlich ist (BGHSt 24, 15, 22). Nichts spricht dafür, daß die insoweit wörtlich gleichlautende Bestimmung des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO anders auszulegen wäre.
bb) Insbesondere geben die Materialien des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses dazu keinen Anlaß. In der Begründung des Regierungsentwurfs heißt es an einer Stelle zwar, materielle oder formelle Fehler bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts berührten über den Einzelfall hinaus allgemeine Interessen nachhaltig, wenn sie von erheblichem Gewicht und geeignet seien, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Dazu gehörten vor allem die Fälle, in denen Verfahrensgrundrechte, namentlich die Grundrechte auf Gewährung des rechtlichen Gehörs und auf ein objektiv willkürfreies Verfahren, verletzt seien (BT-Drucks. 14/4722, S. 104). Diese Ansicht des Regierungsentwurfs hat aber im Wortlaut des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO ("Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung") keinen Ausdruck gefunden und ist deshalb für dessen Auslegung unbeachtlich (vgl. BVerfGE 11, 126, 129 f.; 54, 277, 298). Insbesondere stellt § 543 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO nicht auf das in der Gesetzesbegründung er- wähnte Vertrauen in die Rechtsprechung ab, sondern auf die davon zu unterscheidende Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung ist vielmehr, wie unten noch darzulegen ist, nur bei der Auslegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung von Belang.
cc) Soweit der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs demgegenüber in zwei Beschlüssen vom 4. Juli 2002 (V ZB 16/02, WM 2002, 1896, 1898 und V ZB 75/02, WM 2002, 1811, 1812) sowie in einem weiteren Beschluß vom 25. Juli 2002 (V ZR 118/02, WM 2002, 1899, 1900) die Ansicht vertreten hat, schwerwiegende offensichtliche Fehler bei der Anwendung revisiblen Rechts, insbesondere eine offensichtliche Verletzung von Verfahrensgrundrechten, machten zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision bzw. einer Rechtsbeschwerde erforderlich, weil dadurch über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berührt würden, vermag der XI. Zivilsenat dem nicht zu folgen. In Fällen einer offensichtlichen Verletzung von Verfahrensgrundrechten oder eines ebensolchen Verstoßes gegen das Willkürverbot kommt vielmehr ohne eine Divergenz oder Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr nur die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung in Betracht.
Anlaß für ein Verfahren nach § 132 Abs. 2 und 3 oder 4 GVG besteht nicht, weil sich die Abweichung in allen entschiedenen Fällen auf die Begründung beschränkt und den von der hier vertretenen Ansicht abweichenden Erwägungen des V. Zivilsenats zur Reichweite des Zulassungsgrundes der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung kei-
ne tragende Bedeutung zukam; in allen drei genannten Entscheidungen hat der V. Zivilsenat jeweils die Nichtzulassungsbeschwerde zurückge- wiesen bzw. die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen.
2. Für den von den Beklagten geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) fehlt ebenfalls der erforderliche substantiierte Vortrag.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit hat (BGH, Beschlüsse vom 4. Juli 2002 - V ZR 75/02, WM 2002, 1811 und V ZB 16/02, WM 2002, 1896, 1897; jeweils m.w.Nachw.). Dies entspricht im Grundsatz dem Wortverständnis, das dem bereits in § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 554 b Abs. 1 ZPO a.F. sowie in zahlreichen Vorschriften über die Zulassung der Revision in anderen Verfahrensordnungen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, § 219 Abs. 2 Nr. 1 BEG, § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, § 100 Abs. 2 Nr. 1 PatentG, § 74 Abs. 2 Nr. 1 GWB) enthaltenen Begriff der grundsätzlichen Bedeutung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung beigemessen worden ist (vgl. BGHZ 2, 396, 397; BAG, Beschluß vom 5. Dezember 1979 - 4 AZN 41/79, NJW 1980, 1812, 1813; BVerwGE 13, 90, 91 f.; BVerwG, Beschluß vom 19. August 1997 - 7 B 261/97, NJW 1997, 3328; BFH, u.a. Beschlüsse vom 11. November 1997 - VII B 265/96, BFH/NV 1998, 753, 754, vom 18. Februar 1998 - VII B 253/97, BFH/NV 1998, 990 und vom 30. Juli 1998 - VII B 73/98, BFH/NV 1999, 204). Die Systematik des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO weicht allerdings darin von derjenigen des § 546 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F., § 72
Abs. 2 ArbGG, § 132 Abs. 2 VwGO, § 160 Abs. 1 SGG ab, daß sie die grundsätzliche Bedeutung als eigenen Zulassungsgrund neben die weiteren Zulassungsgründe der Fortbildung des Rechts und der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung stellt. Daraus ergibt sich, daß als Kriterien für die Beurteilung der allgemeinen Bedeutung einer Rechtssache nicht lediglich die Gesichtspunkte der Rechtsfortbildung und der Erhaltung der Rechtseinheit, sondern auch weitere Gesichtspunkte in Betracht kommen (Musielak/Ball, 3. Aufl. ZPO § 543 Rdn. 4).

a) Grundsätzliche Bedeutung kann einer Rechtssache zum einen dann zukommen, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die nicht nur entscheidungserheblich , klärungsbedürftig und klärungsfähig ist, sondern darüber hinaus auch in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten kann (BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, WM 2002, 1896, 1897). Das kann insbesondere bei Musterprozessen und Verfahren, in denen die Auslegung typischer Vertragsbestimmungen, Tarife, Formularverträge oder allgemeiner Geschäftsbedingungen erforderlich wird, aber auch in sonstigen Fällen, in denen Leitentscheidungen des Revisionsgerichts notwendig erscheinen, der Fall sein (Büttner MDR 2001, 1201, 1203).
Um unter diesem Gesichtspunkt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ordnungsgemäß darzulegen, ist es erforderlich, die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechtsfrage konkret zu benennen sowie ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen im einzelnen aufzuzeigen (BVerwGE 13, 90, 91; BFH, Beschluß vom 30. August 2001 - IV B 79, 80/01, DB 2001, 2429, 2431; Beschluß vom 13. September 2001 - IV B 87/01, BFH/NV 2002, 352,
353). Dabei müssen insbesondere auch Ausführungen darüber gemacht werden, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (BFH, Beschluß vom 30. August 2001 aaO).
Auch diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Beklagten nicht. Die Beklagten haben zwar verschiedene angebliche Rechtsfehler des Berufungsurteils geltend gemacht, aber weder eine durch das Urteil aufgeworfene konkrete Rechtsfrage herausgearbeitet noch Ausführungen zu ihrer Klärungsbedürftigkeit, insbesondere zu einem sie betreffenden Meinungsstreit, gemacht.

b) Grundsätzliche, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung kann eine Rechtssache auch dann haben, wenn es zwar nicht um die Klärung einer für eine Vielzahl von Fällen bedeutsamen Rechtsfrage geht, aber andere Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit deren Interessen in besonderem Maße berühren und ein Tätigwerden des Revisionsgerichts erforderlich machen. Dies kann sich insbesondere aus dem tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gewicht der Sache für den Rechtsverkehr ergeben (BGHZ 2, 396, 397; BAGE 2, 26, 30; BegrRegE ZPO-RG, BT-Drucks. 14/4722 S. 105).
Die ordnungsgemäße Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung unter diesem Gesichtspunkt setzt voraus, daß die tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit konkret dargestellt werden. Darüber hinaus sind Ausführungen darüber erforderlich, warum das Interesse der Allgemeinheit ein korrigierendes Eingreifen des Revisionsgerichts erforderlich macht.

An den danach erforderlichen konkreten Angaben fehlt es im vorliegenden Fall. Die pauschale Behauptung der Beklagten, die berufungsgerichtliche Handhabung der Darlegungs- und Beweislast unterlaufe die Vorschrift des § 181 BGB, von der in der Rechtswirklichkeit viel Gebrauch gemacht werde, genügt nicht. Sie vermag die fehlende konkrete Darstellung der angeblichen tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit nicht zu ersetzen.

c) Grundsätzliche, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung hat eine Rechtssache schließlich auch dann, wenn die angefochtene Entscheidung sich als objektiv willkürlich darstellt oder Verfahrensgrundrechte des Beschwerdeführers verletzt und jeweils nicht zweifelhaft erscheint , daß das Bundesverfassungsgericht sie auf eine Verfassungsbeschwerde hin aufheben würde. Daß eine Entscheidung in sonstiger Weise rechtsfehlerhaft ist, genügt allein nicht, auch wenn es sich um einen schwerwiegenden Rechtsfehler handelt.
Wie oben dargelegt, folgt aus der anders gestalteten Systematik des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Vergleich zu der von § 546 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. sowie des § 72 Abs. 2 ArbGG, § 132 Abs. 2 VwGO, § 160 Abs. 1 SGG, daß der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung eine gewisse Ausweitung erfahren hat und die Gesichtspunkte der Fortbildung des Rechts und der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ihn nicht ausschöpfen. Dieser Begriff erfaßt nunmehr über die herkömmliche, oben unter 2. a) und b) dargelegte Bedeutung hinaus auch andere Fälle, in denen nicht nur die unterlegene Prozeßpartei, sondern auch die All-
gemeinheit ein unabweisbares Interesse an einer Korrektur des Berufungsurteils hat (vgl. Musielak/Ball, ZPO 3. Aufl. § 543 Rdn. 4).
Für eine solche Auslegung sprechen auch die Gesetzesmaterialien. Danach soll mit der Erweiterung der Zulassungsgründe und dem damit verbundenen erweiterten Verständnis der "grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache" künftig auch die Zulassung von Revisionen in Betracht kommen, wenn eine Ergebniskorrektur wegen offensichtlicher Unrichtigkeit oder wegen der Verletzung eines Verfahrensgrundrechts geboten erscheint (BegrRegE ZPO-RG, BT-Drucks. 14/4722 S. 67).
Das danach unverzichtbare Interesse der Allgemeinheit an einem korrigierenden Eingreifen des Revisionsgerichts kann in der Praxis nur in seltenen Ausnahmefällen bejaht werden. In aller Regel hat die Allgemeinheit an der Entscheidung eines gewöhnlichen Zivilrechtsstreits kein Interesse. Belange der Allgemeinheit werden auch dann nicht nachhaltig berührt, wenn dieser Streit unrichtig entschieden wurde. Daran ändert sich grundsätzlich auch dann nichts, wenn dem Gericht bei einer Einzelfallentscheidung schwerwiegende Rechtsfehler unterlaufen sind. Nicht offenkundige Fehler sind von vornherein nicht geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung als Ganzes zu erschüttern. Erst ein Urteil, das zweifelsfrei objektiv gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt oder Verfahrensgrundrechte verletzt und darauf beruht , kann das Vertrauen in die Rechtsprechung insgesamt beschädigen.
Offenkundig ist ein solcher Fehler nur dann, wenn die Grundrechtsverletzung sich geradezu aufdrängt. Das ist nur bei Rechtsfehlern der Fall, die in wenigen Sätzen zweifelsfrei aufgezeigt werden können.
Eine ordnungsgemäße Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache unter diesem Gesichtspunkt setzt dabei voraus, daß der Beschwerdeführer angibt, welches Grundrecht verletzt sein soll, in welchem Verhalten des Berufungsgerichts die Verletzung liegen soll, daß die angefochtene Entscheidung darauf beruht und daß unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zweifelhaft sein kann, daß das angegriffene Urteil einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nicht standhalten würde (so für den in § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ausdrücklich geregelten Rechtsbeschwerdezulassungsgrund der Versagung des rechtlichen Gehörs: BVerfG NJW 1992, 2811, 2812; Göhler/König/Seitz, OWiG 13. Aufl. § 80 Rdn. 16 a; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG 3. Aufl. § 80 Rdn. 8; jeweils m.w.Nachw.).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung hier ersichtlich nicht gerecht. Die Beklagten behaupten zwar, das Berufungsgericht habe Beweisantritte übergangen. Das genügt zur Darlegung einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) aber nicht. Voraussetzung einer solchen Rechtsverletzung wäre vielmehr weiter, daß die Beweisantritte rechtswidrig übergangen worden wären. Art. 103 Abs. 1 GG verwehrt es den Gerichten nämlich nicht, das Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts außer Betracht zu lassen (BVerfGE 60, 96, 100; 60, 305, 310; 63, 80, 85; 70, 288, 294). Das Übergehen von Beweisantritten kann einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG daher nur
dann begründen, wenn die Beweisantritte nach der rechtlichen Lösung des Berufungsgerichts entscheidungserheblich gewesen wären. Dazu haben die Beklagten nichts vorgetragen.
Nobbe Bungeroth Müller
Wassermann Mayen