Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 12. Juli 2006 - 5 U 6/06 - 1
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 30.11.2005 – Az: 12 O 203/05 – wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.800,00 EURO festgesetzt.
Gründe
I.
II.
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(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.
(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.
(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.
(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.
(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.
(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.
(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.
(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.
(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.
(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.
(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.
(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung, daß die Bekla gte ihm wegen eines Fahrzeugdiebstahls bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren hat. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB; Stand März 1997) zugrunde.Die Beklagte erhielt am 2. November 2000 vom Kläge r eine fernmündliche Schadensmeldung, die die Entwendung eines Fiat-Wohnmobils auf dem Parkplatz eines Supermarkts in P. zum Gegenstand hatte. Das Fahrzeug wurde zu einem späteren Zeitpunkt in Frankreich wieder aufgefunden und sichergestellt. Mit Schreiben vom 6. November
2000 übersandte die Beklagte dem Kläger ein Schadensanzeigeformular und einen "Ergänzungs-Fragebogen Fahrzeugdiebstahl", der eine Belehrung über die Rechtsfolgen unwahrer oder unvollständiger Angaben gegenüber dem Versicherer enthielt. Zugleich forderte die Beklagte den Kläger auf, ihr neben den Fahrzeugunterlagen "vorab postwendend" die Kfz-Schlüssel zu übersenden. Der Kläger kam dieser Aufforderung nicht nach, obwohl ihn die Versicherungsmaklerin wiederholt darauf hinwies, daß er zur Übersendung verpflichtet sei. Der Kläger stellte sich auf den Standpunkt, er müsse die Fahrzeugschlüssel nur Zug um Zug gegen eine Leistungszusage der Beklagten herausgeben. Die Beklagte beruft sich unter anderem deshalb auf Leistungsfreiheit, weil der Kläger durch sein Verhalten gegen seine Obliegenheit aus § 7 I (2) Satz 3 und 4 AKB verstoßen habe. Danach ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann; er hat hierbei die etwaigen Weisungen des Versicherers zu befolgen.
Landgericht und Berufungsgericht haben die Festste llungsklage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Weiger ung der Beklagten , den Kläger wegen des behaupteten Diebstahls zu entschädigen, sei
nach § 7 I (2) Satz 3 und 4, V 4 AKB i.V. mit § 6 Abs. 3 VVG rechtens. Der Kläger habe sich der mit Schreiben vom 6. November 2000 durch den Versicherer erteilten Weisung widersetzt und sich trotz mündlicher und schriftlicher Mahnung seitens der Versicherungsmaklerin geweigert, die Fahrzeugschlüssel zur Verfügung zu stellen, solange die Beklagte ihre Eintrittspflicht nicht anerkenne. Der Verlust des Versicherungsschutzes widerspreche nicht § 242 BGB. Denn die Obliegenheitsverletzung des Klägers sei generell geeignet, die Interessen der Beklagten ernsthaft zu gefährden. Die Fahrzeugschlüssel seien für den Versicherer von erheblicher Bedeutung, weil eine sachverständige Untersuchung darüber Aufschluß geben könne, ob Nachschlüssel existierten; das Fehlen eines Schlüssels könne darauf hinweisen, daß das Fahrzeug auf andere Weise als durch Diebstahl verschwunden sei. Das Verschulden des Klägers sei schon deshalb nicht gering, weil er gegen den ausdrücklichen Rat der Versicherungsmaklerin gehandelt und auch sonst keinen Kontakt zur Beklagten gesucht habe. Die Beklagte habe den Kläger schließlich nicht nach Treu und Glauben über die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen die ihm erteilte Weisung belehren müssen. Eine Belehrung durch den Versicherer müsse nicht für alle denkbaren Obliegenheitsverstöße erfolgen, sondern lediglich im Zusammenhang mit der Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten durch unwahre oder unvollständige Angaben im Schadensanzeigeformular. Wegen dieser Frage hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebn is stand. Allerdings kommt es auf die Frage, die dem Berufungsgericht Anlaß zur Zu-
lassung der Revision gegeben hat, nicht an; dennoch war der Senat an die Zulassung gebunden (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO).
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausge gangen, daß der Kläger eine nach dem Versicherungsvertrag bestehende Obliegenheit verletzt hat. Er ist nach § 7 I (2) Satz 3 AKB verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Der Versicherer kann nach Eintritt des Versicherungsfalls verlangen, daß der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfangs der Leistungspflicht erforderlich ist. Der Versicherungsnehmer muß allerdings nicht unaufgefordert ("spontan") durch Auskunftserteilung zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen und den Versicherer von sich aus über alle für Grund und Höhe des Entschädigungsanspruchs wesentlichen Umstände in Kenntnis setzen. Er darf abwarten, bis der Versicherer an ihn herantritt und die Informationen anfordert, die er zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs seiner Leistungspflicht benötigt (vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 1976 - IV ZR 84/75 - VersR 1976, 821 unter III 1 zu § 13 AFB). Eine solche Aufforderung liegt in dem Schreiben der Beklagten vom 6. November 2000. Sie hat dem Kläger u.a. aufgegeben , ihr die Fahrzeugschlüssel zur Verfügung zu stellen. Darin lag eine an den Kläger gerichtete, ihrem Inhalt nach unmißverständliche Weisung im Sinne des § 7 I (2) Satz 4 AKB, durch eine bestimmte Handlung - die Übersendung der Schlüssel - an der Aufklärung des Tatbestandes mitzuwirken.
2. Das Berufungsgericht ist weiter rechtsfehlerfre i von einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung ausgegangen. Dem Kläger waren die
sich aus § 7 I (2) Satz 3 und 4 AKB ergebenen Verhaltensnormen bekannt. Ihr Vorhandensein ist ihm spätestens durch die Hinweise der Versicherungsmaklerin , er sei zur Herausgabe der Schlüssel verpflichtet, klar vor Augen geführt worden; dennoch hat er sich der Aufforderung der Beklagten widersetzt.
Der Kläger, der die nach § 6 Abs. 3 VVG bestehende Vermutung des Vorsatzes zu widerlegen hat (Senatsurteile vom 21. April 1993 - IV ZR 34/92 - VersR 1993, 828 unter 2 c, in BGHZ 122, 250 insoweit nicht abgedruckt; vom 2. Juni 1993 - IV ZR 72/92 - VersR 1993, 960 unter I 2, in BGHZ 122, 388 insoweit nicht abgedruckt; vom 5. Dezember 2001 - IV ZR 225/00 - VersR 2002, 173 unter 2 a), kann sich nicht auf einen diesen ausschließenden Rechtsirrtum berufen. Sein von ihm eingenommener Rechtsstandpunkt - Herausgabe der Schlüssel nur Zug um Zug gegen die Anerkennung der Leistungspflicht durch die Beklagte - mußte sich aus seiner eigenen Sicht als unhaltbar erweisen. Denn er konnte dem zeitnah zur telefonischen Schadensmeldung vom 2. November 2000 verfaßten Schreiben der Beklagten vom 6. November 2000 unzweifelhaft entnehmen, daß die Beklagte die Fahrzeugschlüssel - und zwar "vorab postwendend" - benötigte, um Feststellungen zum Eintritt des von ihm behaupteten Versicherungsfalles zu treffen, und nicht etwa erst zur Abwicklung eines Eigentumsüberganges an dem zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wieder aufgefundenen Fahrzeug gemäß § 13 (7) Satz 2 AKB. Daß aber die Aushändigung von Beweismitteln, die erst der Feststellung des Versicherungsfalles dienen sollen, nicht von einer Leistungszusage durch den Versicherer abhängig gemacht werden kann, muß jedem verständigen Versicherungsnehmer ohne weiteres einleuchten; das gilt um
so mehr angesichts der Hinweise der Versicherungsmaklerin, der Kläger sei zur Übersendung der Schlüssel an die Beklagte verpflichtet.
3. Nach § 7 V (4) AKB i.V. mit § 6 Abs. 3 VVG ist die Beklagte bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung dem Versicherungsnehmer gegenüber leistungsfrei. In diesem Zusammenhang kommt es auf die vom Berufungsgericht herangezogene "Relevanzrechtsprechung" des Senats nicht an. Danach kann sich der Versicherer zwar auf die vereinbarte Leistungsfreiheit dann nicht berufen, wenn der Obliegenheitsverstoß generell ungeeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden , oder den Versicherungsnehmer subjektiv kein schweres Verschulden trifft (Senatsurteil vom 21. April 1993 - IV ZR 33/92 - VersR 1993, 830 unter II 3), wobei diese Grundsätze auch auf die Fahrzeugversicherung Anwendung finden (Senatsurteile vom 20. Dezember 1972 - IV ZR 57/71 - VersR 1973, 174 unter VI 1; vom 28. Mai 1975 - IV ZR 112/73 - bei juris abrufbar, unter III; vom 21. Januar 1998 - IV ZR 10/97 - VersR 1998, 447 unter 2 b). Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, daß die Relevanzrechtsprechung unter der weiteren Voraussetzung steht, daß die Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers folgenlos geblieben ist, dem Versicherer also bei der Feststellung des Versicherungsfalles oder des Schadensumfanges keine Nachteile entstanden sind. Die Folgenlosigkeit ist vom Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen (Senatsurteil vom 21. April 1993 aaO). Dazu hat der Kläger weder vorgetragen noch ist eine Folgenlosigkeit sonst ersichtlich.
Durch seine Weigerung, die Schlüssel für das - spä ter wieder aufgefundene - Fahrzeug zur Verfügung zu stellen, hat der Kläger die Beklagte dauerhaft gehindert, die Voraussetzungen des von ihm angezeig-
ten Versicherungsfalles zu prüfen. Wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, lassen sich durch eine sachverständige Untersuchung der Schlüssel Erkenntnisse darüber gewinnen, ob Kopierspuren vorhanden sind, was auf das Fertigen von Nachschlüsseln deuten würde. Das Fehlen eines Schlüssels kann Hinweise darauf geben, daß dieser einem Dritten zur Verfügung gestellt worden ist, damit dieser das Fahrzeug - zur Vortäuschung eines Diebstahls - von seinem Standort verbringt. Gerade letzteres erklärt die Aufforderung der Beklagten, ihr die (kompletten ) Fahrzeugschlüssel "postwendend" zu übersenden, um dem Kläger keine Gelegenheit zu geben, sich die Schlüssel von einem etwaigen Dritten wiederzubeschaffen und sie anschließend der Beklagten auszuhändigen. Die der Beklagten durch das Vorenthalten der Schlüssel entstandenen Nachteile lassen sich angesichts des Zeitablaufs nicht mehr beheben. Die Parteien streiten nach wie vor über das Vorliegen eines Versicherungsfalles ; Feststellungen, ob ihre Einstandspflicht gegeben ist, kann die Beklagte aufgrund der Obliegenheitsverletzung des Klägers zuverlässig nicht mehr treffen.
Da die Obliegenheitsverletzung mithin nicht folgen los geblieben ist, hätte sich das Berufungsgericht nicht mehr damit zu befassen brauchen , ob die Leistungsfreiheit der Beklagten weiter davon abhängt, den Kläger ausdrücklich und unmißverständlich über die Rechtsfolgen seiner Obliegenheitsverletzung belehrt zu haben. Eine Klärung der Frage, inwieweit sich die Rechtsprechung zur folgenlosen Verletzung von Auskunfts - und Aufklärungsobliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles (vgl. BGHZ 48, 7, 9; Senatsurteil vom 21. Januar 1998 aaO unter 2
c) auf den hier gegebenen Verstoß gegen eine seitens des Versicherers
erteilte Weisung übertragen läßt, ist nicht erforderlich; einer Zulassung der Revision hätte es unter diesem Gesichtspunkt nicht bedurft.
4. Ebenso kann auf sich beruhen, ob dem Recht des Versicherers, sich auf Leistungsfreiheit zu berufen, im allgemeinen oder im Einzelfall entgegenstehen kann, daß er wegen einer unvollständigen Auskunft oder wegen einer nicht befolgten Weisung keine Rückfrage beim Versicherungsnehmer gehalten hat (§ 242 BGB). Denn jedenfalls hier mußte die Beklagte beim Kläger nicht nachfragen, weshalb die Übersendung der "vorab postwendend" angeforderten Schlüssel unterblieb.
Der Kläger ist einer von der Beklagten klar und un mißverständlich formulierten Weisung nicht nachgekommen. Er hat die Weisung nicht etwa versehentlich nicht beachtet, sondern sich ihr bewusst und hartnäckig verweigert. Unstreitig hat die Versicherungsmaklerin bei ihm mehrfach schriftlich und fernmündlich die Herausgabe der Schlüssel angemahnt. Da sie nach seinen Behauptungen von der Beklagten mit der Abwicklung des Schadenfalles beauftragt war, hat sich der Kläger aus seiner Sicht, auf die es an dieser Stelle ankommt, von der für den Versicherer handelnden Vertreterin aufgefordert gesehen, die Schlüssel herauszugeben. Dann aber gilt nichts anderes, als wenn ein Versicherungsnehmer beharrlich an falschen Angaben in seinem Antragsformular festhält, obwohl ihn der Versicherer wiederholt auf die Bedenken gegen seine Angaben aufmerksam gemacht hat (vgl. Senatsurteil vom 12. März 1976 - IV ZR 79/73 - VersR 1976, 383 unter II 2). Denn nur der schutzwürdige Versicherungsnehmer soll vor den Folgen einer Obliegenheitsverletzung und einem unerwarteten Verlust seines Versicherungsanspruchs bewahrt werden. Für ein solches Schutzbedürfnis ist von vornherein kein Raum,
wenn mehrfache Aufforderungen, die erteilte Weisung zu befolgen, ihn nicht dazu veranlassen können, seiner vertraglichen Obliegenheit doch noch nachzukommen.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Felsch
(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.
(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.
(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.
(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.
(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.
Wer im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt, ist für den Schaden nicht verantwortlich. Hat er sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel in einen vorübergehenden Zustand dieser Art versetzt, so ist er für einen Schaden, den er in diesem Zustand widerrechtlich verursacht, in gleicher Weise verantwortlich, wie wenn ihm Fahrlässigkeit zur Last fiele; die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er ohne Verschulden in den Zustand geraten ist.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Am Abend des 6. April 2001 verursachte der Kläger, der am selben Tag aus einer mehrwöchigen stationären psychotherapeutischen Behandlung entlassen worden war, als Führer seines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw zwei Unfälle. Zunächst stieß er gegen 20.30 Uhr in H. und sodann gegen 21.00 Uhr in V. jeweils gegen am Fahrbahnrand abgestellte Fahrzeuge, wobei er die Unfallorte in beiden Fällen umgehend verließ und seine Fahrt fortsetzte. Etwa zwei Stunden nach dem zweiten Unfall wurde der Kläger stark alkoholisiert und schlafend in seinem am Fahrbahnrand abgestellten Fahrzeug aufgefunden. Zu seiner Alkoholisierung gab er an, er habe erst nach Beendigung seiner Fahrt Alkohol zu sich genommen.
- 2
- Beklagte Die hat die vom Kläger verursachten Schäden an den beiden betroffenen Fahrzeugen mit 3.199,78 € und 2.949,47 € reguliert und nimmt den Kläger im vorliegenden Rechtsstreit wegen dieser Beträge (zusammen 6.149,25 €) widerklagend in Regress.
- 3
- Der Kläger hat zunächst die Feststellung begehrt, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, die vorgenannten Beträge von ihm zurückzufordern. Er meint, mit dem jeweils unerlaubten Entfernen vom Unfallort nicht zugleich seine Aufklärungsobliegenheit aus § 7 I Abs. 2 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) verletzt zu haben, vielmehr sei er seiner vertraglichen Aufklärungspflicht unverzüglich durch eine entsprechende Schadensmeldung nachgekommen. Weiter habe er zum Zeitpunkt beider Unfälle in einer akuten persönlichen Belastungssituation gestanden und sei deshalb vermindert schuldfähig im Sinne des § 21 StGB gewesen. Selbst wenn man aber annehme, er habe Obliegenheiten schuldhaft verletzt , sei die Leistungsfreiheit der Beklagten hier auf einen Betrag von insgesamt maximal 5.112,92 € begrenzt. Allenfalls in dieser Höhe könne die Beklagte bei ihm Regress nehmen.
- 4
- Das Landgericht hat die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen und der Widerklage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die nur gegen die letztgenannte Verurteilung gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht den Kläger unter Abweisung der Widerklage im Übrigen zur Zahlung von 5.112,92 € verurteilt. Mit der Revision erstrebt der Kläger weiterhin die vollständige Abweisung der Widerklage.
Entscheidungsgründe:
- 5
- DasRechtsmittel hat keinen Erfolg.
- 6
- I.DasBerufungsgeri cht hat ausgeführt:
- 7
- Die Beklagte sei wegen der wiederholten Verletzung von nach dem Versicherungsfall zu erfüllenden Obliegenheiten leistungsfrei. Nachdem der Kläger unstreitig den objektiven und subjektiven Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 StGB) in der Unfallnacht zweimal erfüllt habe, habe er zugleich jeweils auch die ihm nach § 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB auferlegte Aufklärungsobliegenheit verletzt. Insbesondere in Fällen, in denen - wie hier - eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Fahrers mitursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles geworden sein könne, bestehe auch bei ansonsten klarer Haftungslage ein Interesse des Versicherers daran fort, dass sich der Versicherungsnehmer nicht vorzeitig von der Unfallstelle entferne.
- 8
- Wegen dieser Obliegenheitsverletzungen und der sich daraus ergebenden Leistungsfreiheit könne die Beklagte nach § 3 Nr. 9 Satz 2 PflVG die von ihr infolge ihrer Einstandspflicht gegenüber den Geschädigten (§ 3 Nr. 1 PflVG) erbrachten Leistungen vom Kläger ersetzt verlangen. Ihre Leistungsfreiheit gegenüber dem Kläger sei hier aber nach § 6 Abs. 1 KfzPflVV i.V. mit § 7 V Abs. 2 Satz 1 AKB auf einen Betrag von zweimal 2.556,46 € (5.112,92 €) begrenzt.
- 9
- Die grundsätzlich nach § 6 Abs. 1 KfzPflVV geltende Haftungsbeschränkung auf einen Betrag von (einmal) 2.556,46 € verdoppele sich zwar nicht wegen besonders schwerwiegenden Verschuldens des Klägers nach § 6 Abs. 3 KfzPflVV i.V. mit § 7 V Abs. 2 Satz 2 AKB, denn besonders schwere Schäden, etwa Personenschäden, seien bei den Unfällen nicht entstanden und das Verhalten des Klägers gehe auch nicht über die bei einer Unfallflucht üblichen Pflichtverstöße hinaus. Im Übrigen habe er durch das im Ermittlungsverfahren eingeholte nervenärztliche Gutachten nachgewiesen, dass seine Steuerungsfähigkeit zur Zeit der Unfälle infolge einer krankhaften seelischen Störung erheblich vermindert gewesen sei.
- 10
- Dass die Beklagte dennoch in Höhe von insgesamt 5.112,92 € leistungsfrei sei, beruhe darauf, dass der Kläger sich in zwei Fällen unerlaubt vom Unfallort entfernt und damit seine Aufklärungsobliegenheit zweimal verletzt habe. Das berechtige die Beklagte dazu, den Kläger für jede dieser Obliegenheitsverletzungen mit einem Betrag von 2.556,46 € in Regress zu nehmen. Beide im Abstand von ungefähr einer halben Stunde geschehenen Obliegenheitsverletzungen stünden zwar in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang, seien aber dennoch als rechtlich selbständige Handlungen zu werten, bei denen unterschiedliche Rechtsgüter verschiedener Geschädigter verletzt worden seien. Beide Unfälle seien daher verschiedene, voneinander unabhängige Versicherungsfälle.
- 11
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
- 12
- Zu 1. Recht hat das Berufungsgericht angenommen, der Kläger habe dadurch, dass er nach beiden Unfällen jeweils den objektiven und subjektiven Straftatbestand des § 142 StGB erfüllt hat, zugleich die ihm nach § 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB auferlegte Obliegenheit verletzt, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes (des Versicherungsfalls) dienlich sein kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 1. Dezember 1999 - IV ZR 71/99 - VersR 2000, 222 unter II m.w.N.).
- 13
- 2. Das zieht die Revision auch nicht in Zweifel.
- 14
- a) Sie meint allerdings, die Beklagte könne sich mit Blick auf das zweimalige unerlaubte Entfernen vom Unfallort deshalb nicht auf Leistungsfreiheit berufen, weil eine krankhafte seelische Störung die Steuerungsfähigkeit des Klägers zur Unfallzeit erheblich beeinträchtigt habe, der Kläger also vermindert schuldfähig im Sinne des § 21 StGB gewesen sei. Nach der vom Bundesgerichtshof für folgenlose Obliegenheitsverletzungen entwickelten Relevanzrechtsprechung (vgl. dazu u.a. BGHZ 53, 160, 164; BGH, Urteil vom 24. Juni 1981 - IVa ZR 133/80 - VersR 1982, 182 ff. m.w.N.) habe die Leistungsfreiheit des Versicherers zur Voraussetzung , dass dem Versicherungsnehmer ein erhebliches Verschulden vorzuwerfen sei. Auch wenn die im Jahre 1975 eingeführte Neufassung des § 7 V AKB anstelle eines erheblichen Verschuldens des Versicherungsnehmers Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit für die Leistungsfreiheit des Versicherers genügen lasse, zwinge das Gebot von Treu und Glauben hier dazu, die verminderte Schuldfähigkeit des Versicherungsnehmers mit der Folge zu berücksichtigen, dass sich der Versicherer nicht auf Leistungsfreiheit berufen könne. Das ergebe sich auch aus der Wertung des § 6 Abs. 3 KfzPflVV. Wenn dort als Folge einer besonders schwerwiegenden vorsätzlich begangenen Verletzung der Haftungsfreibetrag des Versicherers gegenüber der Sanktion für normal vorsätzliches Verhalten (§ 6 Abs. 1 KfzPflVV) verdoppelt werde, müsse umgekehrt die Leistungsfreiheit entfallen, wenn das Verschulden des Versicherungs- nehmers infolge verminderter Schuldfähigkeit deutlich hinter dem Normalfall einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung zurückbleibe.
- 15
- b) Dem folgt der Senat nicht.
- 16
- aa) Er hat bereits in der Entscheidung BGHZ 84, 84, 87 anerkannt, dass die Versicherer mit der zum 1. Januar 1975 eingeführten Neufassung des § 7 V AKB der früher zur vorangegangenen Fassung des § 7 V AKB (BGHZ 53, 160, 164) entwickelten Relevanzrechtsprechung ausreichend Rechnung getragen haben. Soweit die Neufassung des § 7 V AKB für die Leistungsfreiheit des Versicherers Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit genügen lässt, verbietet sich ein isolierter ergänzender Rückgriff auf die erhöhten Verschuldensanforderungen der früheren Relevanzrechtsprechung. Diese fußte auf der Erwägung, die völlige Leistungsfreiheit des Versicherers nach dem so genannten "Alles-oder-Nichts-Prinzip" (§ 7 V Satz 1 AKB in der vor 1975 geltenden Fassung) sei eine zu harte "Strafe" für den Versicherungsnehmer, wenn sie ihn ohne Rücksicht darauf treffe, ob dem Versicherer durch eine Obliegenheitsverletzung überhaupt Nachteile entstanden seien (vgl. dazu BGHZ 84, 84, 87). Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen einer Härtekorrektur unter anderem ein erhebliches Verschulden des Versicherungsnehmers als Voraussetzung der völligen Leistungsfreiheit gefordert. Mit Einführung der - an die Regelungen der §§ 5 Abs. 3 und 6 Abs. 1 und 3 KfzPflVV angebundenen - Höchstbeträge für die Leistungsfreiheit in § 7 V Abs. 2 und 3 AKB ist die Drohung vollständiger Leistungsfreiheit des Versicherers für den Versicherungsnehmer gerade in Fällen hoher Schäden weitgehend abgemildert.
- 17
- Für bb) die Frage, ob der Kläger seine Aufklärungsobliegenheit gemäß § 7 V AKB vorsätzlich verletzt hat, hat die Frage einer lediglich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit keine Bedeutung. Vorsatz bedeutet das Wollen einer Tatbestandsverwirklichung bei gleichzeitigem Wissen um die Tatumstände. Solange ein Täter nicht den Zustand einer Zurechnungsunfähigkeit im Sinne von § 827 BGB erreicht, ein Ausschluß der Wahrnehmungsfähigkeit oder der freien Willensbestimmung also noch nicht eingetreten ist, bleibt vorsätzliches Handeln möglich (vgl. dazu BGH, Urteile vom 22. November 1962 - II ZR 79/60 - VersR 1963, 79 unter I 2 und 4; vom 17. November 1966 - II ZR 156/64 - VersR 1967, 125 unter IV 2 m.w.N.; Sprau in Palandt, BGB, 64. Aufl. § 827 Rdn. 2). Das gilt, wie ein Vergleich der §§ 20 und 21 StGB zeigt, im Übrigen auch im Strafrecht, wo eine nur verminderte Schuldfähigkeit die vorsätzliche Begehung einer Straftat nicht ausschließt, sondern lediglich im Rahmen der Sanktionshöhe Berücksichtigung findet. Bei Anwendung des § 7 V AKB kann, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Versicherungsnehmers nur bei Prüfung der Frage einer besonders schwerwiegenden Obliegenheitsverletzung im Sinne des Absatzes 2 der Klausel (bzw. des § 6 Abs. 3 KfzPflVV) berücksichtigt werden.
- 18
- 3. Zu Recht hat das Berufungsgericht schließlich angenommen, die vom Kläger verursachten beiden Unfälle stellten jeweils selbständige Versicherungsfälle dar, für die die Beklagte wegen der vom Kläger in beiden Fällen verletzten Aufklärungsobliegenheit jeweils bis zu den in § 6 Abs. 1 KfzPflVV genannten Höchstbeträgen leistungsfrei und der Kläger Kläger ihr gegenüber dementsprechend gemäß § 3 Nr. 9 PflVG regresspflichtig geworden ist.
- 19
- a) § 7 I Abs. 1 AKB definiert den bedingungsgemäßen Versicherungsfall als das Ereignis, das einen unter die Versicherung fallenden Schaden verursacht oder - bei der Haftpflichtversicherung - Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte. In § 7 V Abs. 1 und 2 AKB wird daran anknüpfend die Regelung des § 6 KfzPflVV übernommen, der in seinem Absatz 1 bestimmt, dass die Leistungsfreiheit des Versicherers wegen einer nach Eintritt "des Versicherungsfalls" vorsätzlich oder grob fahrlässig begangenen Obliegenheitsverletzung im Regelfall beschränkt ist. Damit wird deutlich ausgedrückt, dass die mit dem Höchstbetrag bewirkte Sperrwirkung für die Leistungsfreiheit jeweils nur für die Abwicklung eines Versicherungsfalls im Sinne der vorangestellten Definition des § 7 I Abs. 1 AKB gelten soll. Das gilt insbesondere auch mit Blick auf die Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers. Denn jeder Versicherungsfall hat zur Folge, dass den Versicherungsnehmer die Obliegenheit trifft, umfassend an der Aufklärung des Geschehens mitzuwirken (§ 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB). Leistet der Versicherungsnehmer diese gebotene Aufklärung nicht, so wird der Versicherer leistungsfrei, gleichviel, ob der Versicherungsnehmer seine Aufklärungsobliegenheit durch eine oder mehrere Handlungen verletzt. Für jeden Versicherungsfall treten Leistungsfreiheit und die Leistungsbegrenzung des § 7 V Abs. 2 AKB/§ 6 Abs. 1 KfzPflVV nur einmal ein. Verursacht er hingegen weitere selbständige Versicherungsfälle und verletzt er auch nach diesen vorsätzlich oder grob fahrlässig Obliegenheiten, so wird der Versicherer hinsichtlich dieser weiteren Versicherungsfälle gegenüber dem Versicherungsnehmer erneut leistungsfrei und ist seine Leistungs- freiheit erneut auf die in § 6 KfzPflVV genannten Höchstbeträge begrenzt.
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- b) Es geht im vorliegenden Fall deshalb nicht um die in der Rechtsprechung bereits umfangreich erörterte Frage, ob die Höchstbeträge für die Leistungsfreiheit des Versicherers aus § 5 Abs. 3 und § 6 KfzPflVV zu Lasten des Versicherungsnehmers zu addieren sind, wenn der Versicherungsnehmer sowohl vor als auch nach einem Versicherungsfall Obliegenheiten verletzt hat, etwa durch eine zu einem Unfall führende Trunkenheitsfahrt mit anschließender Unfallflucht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. September 2005 - IV ZR 216/04; OLG Düsseldorf VersR 2004, 1129; OLG Saarbrücken ZfS 2003, 501; Schleswig-Holsteinisches OLG VersR 2003, 637 f.; OLG Köln NJW-RR 2003, 249 f.; OLG Hamm VersR 2000, 843 f.). Hier ist vielmehr zu entscheiden, nach welchen Maßstäben sich ein einzelner Versicherungsfall von mehreren Versicherungsfällen unterscheidet, denn danach bestimmt sich nicht nur der Umfang der Leistungspflicht des Versicherers nach § 10 Abs. 6 AKB, sondern zugleich auch die Leistungsfreiheit nach § 7 V AKB.
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- Grundsätzlich c) ist davon auszugehen, dass mehrere Versicherungsfälle vorliegen, wenn zu unterschiedlichen Zeitpunkten Rechtsgüter unterschiedlicher Personen geschädigt werden. Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn sich die einzelnen Schadensereignisse als Teil eines einheitlichen Vorgangs oder eines einheitlichen Geschehensablaufs darstellen (vgl. dazu Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung 17. Aufl. § 7 AKB Rdn. 7, § 10 AKB Rdn. 111). Ob ein solcher angenommen werden kann, ist nach der Verkehrsauffassung bei natürlicher Betrachtungsweise zu entscheiden.
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- d) Anders als die Revision meint, erweisen sich die beiden vom Kläger verursachten Unfälle bei Anlegung dieser Maßstäbe als selbständige Versicherungsfälle. Beide sind im Abstand von etwa einer halben Stunde in verschiedenen Ortschaften geschehen und stehen damit weder in einem engen zeitlichen, noch in einem engen räumlichen Zusammenhang.
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Neuruppin, Entscheidung vom 06.11.2003 - 2 O 59/03 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 27.05.2004 - 12 U 2/04 -
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.