Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 12. Juli 2006 - 5 U 6/06 - 1

bei uns veröffentlicht am12.07.2006

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 30.11.2005 – Az: 12 O 203/05 – wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.800,00 EURO festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Leistungen aus einer Unfallversicherung zurück.

Der Beklagte unterhielt seit September 2003 eine Unfallversicherung bei der Klägerin, der die American Express Vital Express Unfallversicherungs-Bedingungen (Bl. 11ff d.A.) zugrunde lagen. Diese sehen unter Ziffer 5.1.1. einen Leistungsausschluss für Unfälle durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen, vor. Ziffer 6.2. verlangt ein wahrheitsgemäßes Ausfüllen und unverzügliches Zurücksenden der von der Klägerin übersandten Unfallanzeigen. Ziffer 7 beschreibt die Folgen von Obliegenheitsverletzungen, die nach Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen sind.

Am 04.12.2004 gegen 1:35 Uhr wurde der Beklagte beim Überqueren der Richard-Wagner-Straße in S. von einem Pkw erfasst. Die Straße ist dort vierspurig. Die erste, vom Beklagten betretene Spur wurde zum Parken verwendet, die beiden nächsten Spuren benutzte der aus Sicht des Beklagten von links kommende Verkehr, die vierte Spur diente dem Verkehr von rechts. Der Beklagte wurde von einem von rechts kommenden Pkw in der Mitte der vierten Fahrspur, rund 2 Meter vor Erreichen des Bürgersteiges angefahren. Der Fahrer dieses Pkws war zum Unfallzeitpunkt erheblich alkoholisiert (mindestens 1,86‰ BAK). Der Beklagte, der ebenfalls vor dem Unfall Alkohol getrunken hatte, wurde erheblich verletzt und musste sich in stationäre Krankenhausbehandlung begeben. In der vom Beklagten unterschriebenen Unfallanzeige vom 30.12.2004 (Bl. 20ff d.A.) war die Frage nach Alkoholkonsum in den letzten 12 Sunden vor dem Unfall mit „Nein“ angekreuzt. In der Unfallanzeige war über der Unterschrift in hervorgehobenem Druck darauf hingewiesen, dass vorsätzlich oder grob fahrlässige unwahre bzw. lückenhafte Angaben auch dann zum Verlust des Versicherungsanspruchs führen können, wenn dem Versicherer kein Nachteil entsteht, und dass der Versicherungsnehmer auch dann für den Inhalt dieser Unfallanzeige verantwortlich ist, wenn er sie nicht selbst ausgefüllt hat.

Die Klägerin erbrachte daraufhin unter ausdrücklichem Rückforderungsvorbehalt mit dem Hinweis, sie habe die Ermittlungsakte noch nicht eingesehen (Bl. 28ff d.A.), Versicherungsleistungen (Krankenhaustagegeld) in Höhe von 11.800,00 EUR an den Beklagten. Nachdem die Klägerin durch Einsicht in die amtliche Ermittlungsakte festgestellt hatte, dass dort eine BAK des Beklagten von 2,79‰ festgehalten war (Bl. 34 d.A.), lehnte sie weitere Versicherungsleistungen ab und forderte die erbrachten Leistungen zurück.

Die Klägerin behauptete, der Beklagte habe eine BAK von 2,79‰ gehabt. Der Unfall beruhe auf seiner trunkenheitsbedingten Bewusstseinsstörung. Der Beklagte behauptete, seine Ehefrau habe ihm beim Ausfüllen der Unfallanzeige geholfen und die Frage nach einem Alkoholkonsum mit „Nein“ angekreuzt. Das Landgericht verurteilte den Beklagten antragsgemäß zur Rückzahlung der Versicherungsleistung in Höhe von 11.800,00 EUR nebst Zinsen. Der Beklagte hat dagegen Berufung eingelegt und beantragt,

unter Aufhebung des am 30.11.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken, Aktenzeichen 12 O 203/05, die Klage abzuweisen.

Erstmals in der Berufungsschrift behauptet der Beklagte, er habe wegen seines Gesundheitszustandes nicht erkannt, welche Rechtsfolgen seine Unterschrift habe.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Verletzung des Rechts noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Die Klägerin hat einen Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB gegen den Beklagten auf Rückzahlung der Versicherungsleistung. Die Klägerin ist gemäß Ziffer 6.2 und 7 der Versicherungsbedingungen in Verbindung mit §§ 6 Abs. 3, 34 VVG leistungsfrei, so dass der Beklagte Zahlungen ohne Rechtsgrund erhalten hat. Der Beklagte hat die Klägerin vorsätzlich nicht über seinen erheblichen Alkoholkonsum aufgeklärt.

(1.) Nach Ziffer 6.2 und 7 der Versicherungsbedingungen in Verbindung mit §§ 6 Abs. 3, 34 VVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn eine nach Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllende Obliegenheit verletzt wird, es sei denn, dass die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht.

Die vom Beklagten zu erfüllenden Obliegenheiten bestimmen sich nach Ziffer 6.2 der Versicherungsbedingungen. Danach hat der Versicherungsnehmer u.a. die Unfallanzeigen wahrheitsgemäß auszufüllen und unverzüglich zurückzusenden. Diese Obliegenheit hat der Beklagte verletzt, weil in seiner Schadensanzeige vom 30.12.2004 die Frage nach einem Alkoholkonsum in den letzten 12 Stunden vor dem Unfall wahrheitswidrig mit „Nein“ beantwortet war. Der Beklagte hatte – nach seinem eigenen Vortrag - vier bis fünf Flaschen Bier in den letzten 12 Stunden vor dem Unfall getrunken.

Die Schadensanzeige vom 30.12.2004 stammt vom Beklagten selbst. Mit seiner Unterschrift macht sich der Versicherungsnehmer Angaben im Schadenformular zu Eigen. Damit gibt er eine eigene Erklärung ab. Ein Dritter bereitet mit dem Ausfüllen des Formulars lediglich eine Erklärung des Versicherungsnehmers vor, wenn der Versicherungsnehmer dieses unterschreibt. Der Dritte gibt die Erklärung nicht selber anstelle des Versicherungsnehmers ab. Aus der Sicht des Erklärungsempfängers erscheint das vom Versicherungsnehmer unterschriebene Formular als dessen Erklärung und nicht als die eines mit der Erfüllung von Obliegenheiten betrauten Dritten. Für eine entsprechende Anwendung des § 166 BGB ist deshalb kein Raum (BGH, Urt. v. 14.12.1994 – IV ZR 304/93 – VersR 1995, 281). Es kommt daher auf das Verschulden des Beklagten selbst an, nicht das Verschulden seiner Ehefrau, die nach seinem Vortrag die Frage nach dem Alkoholkonsum angekreuzt haben soll.

(2.) Der Beklagte hat die Obliegenheit vorsätzlich verletzt. Vorsatz im Sinne von § 6 Abs. 3 VVG erfordert das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein der Verhaltensnorm, wobei bedingter Vorsatz genügt (Senat, Urt. v. 22.08.1990 – 5 U 21/90 – VersR 1991, 872; Prölss in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27.Aufl., § 6 Rn. 116; Römer in Römer/Langheid, VVG, 2.Aufl., § 6 Rn. 80). Ein solcher ist anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheitsverletzung zwar nicht direkt gewollt, sie sich aber immerhin als möglich vorgestellt und für den Fall ihres Vorliegens gebilligt hat. Entscheidend – in Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit – ist demnach das Inkaufnehmen der als möglich erkannten Obliegenheitsverletzung. Ein solches Inkaufnehmen/Billigen ist anzunehmen, wenn sich der Handelnde die reale Möglichkeit des Erfolgseintritts vor Augen hält und trotzdem handelt. Der Vorsatz wird nur verneint, wenn der Handelnde ernsthaft darauf vertraute, der Erfolg werde nicht eintreten oder er werde ihn abwenden können. Hat der Handelnde freilich die als nahe liegend erkannte Möglichkeit vorausgesehen, dass der Erfolg eintreten werde, kann er nicht darauf vertraut haben, dass es nicht dazu kommen werde, mag er das auch gehofft und gewünscht haben. Entscheidend für die Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit ist also, wie begründet die Hoffnung war (MünchKommBGB/Grundmann, 4.Aufl., § 276 Rn. 161). Schließlich ist Vorsatz gegeben, wenn der Handelnde die Augen vor der Schädigungsmöglichkeit verschließt oder „ins Blaue handelt“, ohne das Risiko des Erfolgseintritts nachzuprüfen (OLG Hamm, OLGR Hamm 1996, 259; MünchKommBGB/Grundmann, a.a.O.).

Es kommt folglich nicht darauf an, ob dem Beklagten die weit reichende Bedeutung seiner verschwiegenen erheblichen Alkoholisierung – nach den (allerdings der Überprüfung bedürftigen) Feststellungen in der Ermittlungsakte 2,79‰ BAK – für seinen Leistungsanspruch erkennbar war und er diese bewusst verheimlichte, um seine Ansprüche nicht zu gefährden. Es genügt, dass den Beklagten jedenfalls der Vorwurf des bedingt vorsätzlichen Handelns trifft, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Der Beklagte hat nach eigenen Angaben das von Dritten, seiner Ehefrau und einem Arzt, teilweise ausgefüllte Formular nicht zur Kenntnis genommen und sich dadurch mit seiner Unterschrift Angaben „ins Blaue hinein“ zu Eigen gemacht, ohne das Risiko nachzuprüfen, ob die Eintragungen der Dritten falsch sind. Dadurch lag eine Obliegenheitsverletzung durch falsche Angaben so nahe, dass der Beklagte deren Eintritt gebilligt hat, zumal seine Frau nach seiner Erklärung im Termin vom 09.11.2005 nicht gewusst habe, dass er etwas getrunken habe, und ihn danach auch nicht gefragt habe.

(3.) Diese vorsätzliche Obliegenheitsverletzung des Beklagten führt zur Leistungsfreiheit der Klägerin, weil sie jedenfalls generell geeignet war, die Interessen der Klägerin ernsthaft zu gefährden, den Beklagten ein schweres Verschulden traf – sie also subjektiv von einigem Gewicht war – und der Beklagte über die Folgen seines Handelns ausreichend belehrt worden war.

Grundsätzlich kann sich ein Versicherer nach der "Relevanzrechtsprechung" dann nicht auf die vereinbarte Leistungsfreiheit berufen, wenn der Obliegenheitsverstoß generell ungeeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, oder den Versicherungsnehmer subjektiv kein schweres Verschulden trifft. Die Relevanzrechtsprechung schränkt die Leistungsfreiheit des Versicherers aber nur ein, wenn die Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers folgenlos geblieben ist, dem Versicherer also bei der Feststellung des Versicherungsfalles oder des Schadensumfanges keine Nachteile entstanden sind (BGH, Urt. v. 07.07.2004 – IV ZR 265/03 – VersR 2004, 1117).

Konkreter Anhaltspunkt für einen Nachteil des Versicherers – und damit fehlende Folgenlosigkeit – ist die erhebliche Vorschussleistung in Höhe von 11.800,00 EUR. Eine solche wird in der Rechtsprechung (OLG Köln, RuS 2003, 462 und RuS 1997, 140) und zum Teil in der Literatur (Marlow in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 13 Rn. 102) ohne Begründung als Fall angesehen, in dem die Obliegenheitsverletzung nicht folgenlos ist. Andere stellen zur Bestimmung der Folgenlosigkeit ausdrücklich auf § 6 Abs. 3 S.2 VVG ab und halten einen bloßen Nachteil für das Feststellungsverfahren als solchen, etwa Mehraufwendungen, für nicht ausreichend (OLG Karlsruhe, RuS 1999, 447). Der Bundesgerichtshof hat einen vorübergehenden Aufklärungsnachteil, verbunden mit einer Zahlung, ausreichen lassen (BGH, Urt. v. 19.03.1981 – IVa ZR 75/80 – VersR 1981, 625).

Vorliegend kommt es aber nicht auf die Definition der Folgenlosigkeit im Sinne der Relevanzrechtsprechung an. Die Klägerin hat in Ziffer 7 Abs. 3 ihrer AVB mit den Worten „in diesen Fällen“ auf die Formulierung in Abs.2, die entsprechend der Kausalitätsregelung in § 6 Abs. 3 S. 2 VVG entspricht, verwiesen, so dass dessen Kausalitätsmaßstab gilt. Es genügt deshalb hier jedenfalls nicht irgendein Nachteil, der darin liegt, dass das Feststellungsverfahren ohne die Obliegenheitsverletzung anders verlaufen wäre, sondern es müssen durch sie die Feststellungen selbst im Ergebnis zum Nachteil des Versicherers beeinflusst worden sein (BGH, Urt. v. 04.05.1964 – II ZR 153/61 – BGHZ 41, 327 zu § 6 Abs. 3 S. 2 VVG). Die unter Vorbehalt erfolgte Zahlung der Versicherungssumme ist deshalb kein ausreichender Nachteil im Sinne von Ziffer 7 der Versicherungsbedingungen, denn sie betrifft nicht das Ergebnis der Feststellung selbst (allgemein: Prölss in Prölss/Martin, a.a.O., § 6 Rn. 104 – der Hinweis auf die Entscheidung des OLG Köln ist nicht zutreffend, weil es dort um die Folgenlosigkeit im Rahmen der Relevanzrechtsprechung geht).

Andere Beeinträchtigungen der Feststellung des Versicherungsfalles bzw. des Leistungsumfangs durch die Obliegenheitsverletzung des Beklagten sind nicht ersichtlich. Selbst wenn wegen ausreichenden Vorbehalts der Klägerin bei Vorschusszahlung der Beklagte als Versicherungsnehmer für den Kausalitätsgegenbeweis beweisbelastet wäre, geht es um einen negativen Beweis, der so zu führen ist, dass die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Möglichkeiten widerlegt werden müssen und der Versicherungsnehmer abwarten kann, welche dann ebenfalls von ihm zu widerlegenden Behauptungen der Versicherer über Art und Maß der Kausalität aufstellt (BGH, Urt. v. 04.05.1964 – II ZR 153/61 – BGHZ 41, 327). Anhaltspunkte dafür, dass die Feststellungen selbst im Ergebnis zum Nachteil der Klägerin dadurch beeinflusst worden sind, dass der Beklagte seinen Alkoholkonsum nicht angab, sondern die Klägerin diesen erst durch Einsicht in die Ermittlungsakten erfahren hat, ergeben sich weder aus dem Sachverhalt noch aus dem Vortrag der Klägerin. Eine Veränderung der Beweislage, ein Verlust eines Beweismittels, ist nicht ersichtlich. Der Kausalitätsgegenbeweis, der hier wegen des Wortlautes von Ziffer 7 der Versicherungsbedingungen auch für die vorsätzliche Obliegenheitsverletzung maßgeblich ist, ist deshalb vom Beklagten geführt.

Es kommt folglich auf die in Ziffer 7 Abs. 3 der Versicherungsbedingungen bestimmten weiteren Voraussetzungen für den Erhalt eines Leistungsanspruchs bzw. – umgekehrt – für einen Leistungsausschluss an. Diese entsprechen inhaltlich der Relevanzrechtsprechung zu folgenlosen vorsätzlichen Obliegenheitsverletzungen, so dass gegen ihre Wirksamkeit keine Bedenken bestehen.

Die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit war relevant. Eine tatsächliche Beeinträchtigung der Interessen des Versicherers ist nicht erforderlich, sondern es genügt, dass sie generell zur Interessenbeeinträchtigung geeignet ist (BGH, Urt. v. 21.04.1993 – Az: IV ZR 33/92 – VersR 1993, 830). Die fehlende Mitteilung einer Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt birgt für den Versicherer die Gefahr, dass er einen vorhandenen Leistungsausschluss gemäß Ziffer 5.1.1. nicht erkennt. Er ist auf die wahrheitsgemäße Angabe seines Versicherungsnehmers angewiesen, weil es nicht sicher ist, dass die Alkoholisierung dem Versicherer anderweitig zur Kenntnis gebracht wird. Unvollständige Angaben über einen Alkoholkonsum stellen deshalb eine ernsthafte Gefährdung der Interessen des Versicherers dar (OLG Hamm, VersR 1984, 931). Dass die Klägerin von der Alkoholisierung des Beklagten durch den Vermerk in der Ermittlungsakte erfuhr, ändert nichts an der generellen Gefährdung ihrer Interessen. Dieser Vermerk in der Ermittlungsakte hätte fehlen können, so dass die Klägerin auf die Aufklärung durch den Versicherungsnehmer selbst dann angewiesen ist, wenn sie routinemäßig die Ermittlungsakten einsieht.

Den Beklagten trifft auch ein erhebliches Verschulden. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn es sich um ein Fehlverhalten handelt, das auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für das deshalb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermag (BGH, Urt. v. 07.12.1983 – IVa ZR 231/81 – VersR 1984, 228), beispielsweise wenn der Schaden gering ist und der Versicherungsnehmer zwar verspätet, aber doch noch aus eigenem Antrieb seiner Obliegenheit nachkommt (Römer in Römer/Langheid, a.a.O., § 6 Rn. 82). Im Falle falscher Angaben müssen ausnahmsweise besondere Umstände vorliegen, die das Verhalten des Versicherungsnehmers in einem milderen Licht erscheinen lassen (Marlow in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, a.a.O., § 13 Rn. 104).

Solche Umstände sind hier nicht erkennbar. Der Beklagte hat einen für die Klägerin wesentlichen Umstand vorsätzlich verschwiegen, von dem er auch als Laie wusste, dass er zu einem Leistungsausschluss führen konnte. Außerdem konnte er damit rechnen, dass die Klägerin von seiner Alkoholisierung von Dritter Seite keine Kenntnis erhalten würde, so dass sie ohne Verpflichtung Zahlungen an ihn erbringen würde. Diese Obliegenheitsverletzung hat großes Gewicht und stellt einen erheblichen Verstoß gegen die Loyalitätspflicht des Versicherungsnehmers dar. Der Beklagte hat auch nichts getan, um seiner Obliegenheitsverpflichtung wenigstens im nachhinein gerecht zu werden. Er hat auch keine Erinnerungslücken bezüglich seines Alkoholkonsums behauptet, sondern diesen sofort eingeräumt, nachdem er von der Klägerin mit ihren Erkenntnissen aus der Ermittlungsakte konfrontiert worden war. Es gibt auch sonst keine von ihm konkret behaupteten Umstände, die seine unterlassene Aufklärung in ein milderes Licht rücken könnten. Zwar ist es nachvollziehbar, dass der Beklagte angesichts seiner erheblichen Verletzungen durch den Unfall zunächst insgesamt beeinträchtigt war. Die Unfallanzeige hat er aber erst fast vier Wochen nach dem Unfall unterschrieben, so dass eine Verminderung seiner Zurechnungsfähigkeit nicht erkennbar ist. Diese hat er auch in erster Instanz nicht behauptet. Erst in der Berufungsschrift hat der Beklagte einen Sachverhalt behauptet, der eine Zurechnungsunfähigkeit begründen könnte. Eine Zurechnungsunfähigkeit im Sinne von § 827 BGB schließt eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung aus (BGH, Urt. v. 27.01.1966 – II ZR 5/64 – VersR 1966, 458), eine verminderte Zurechnungsfähigkeit muss bei der Frage des Gewichts der Obliegenheitsverletzung berücksichtigt werden (BGH, Urt. v. 09.11.2005 – IV ZR 146/04 – MDR 2006, 634). Hier kann aber offen bleiben, ob der Vortrag des Beklagten ausreichend substantiiert ist, obwohl er nur in einem Satz behauptet, aufgrund seines Gesundheitszustandes habe er nicht erfassen können, welche Rechtsfolgen seine Unterschrift habe. Jedenfalls ist sein Vortrag in der Berufungsbegründung und sein neues Beweisangebot nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Das späte Vorbringen der neuen Behauptungen und die späte Benennung der Beweismittel beruht auf einer Nachlässigkeit des Beklagten (§ 531 Abs.2 Nr. 3 ZPO). Einen Grund dafür, dass der Beklagte diese Behauptung nicht bereits in erster Instanz vorbringen konnte, hat er nicht dargelegt. Mit diesem neuen Vorbringen ist er deshalb nicht zuzulassen.

(4.) Der Beklagte ist über die Folgen der Verletzung der ihn gemäß Ziffer 6.2 der Versicherungsbedingungen zu erfüllenden Obliegenheiten, nämlich den Versicherer umfassend aufzuklären und zu informieren, ordnungsgemäß durch den drucktechnisch hervorgehobenen und als „Wichtigen Hinweis“ bezeichneten Text unmittelbar über der Unterschriftszeile belehrt worden, wie es bei vorsätzlicher folgenloser Obliegenheitsverletzung nötig ist (BGH, Urt. v. 08.05.1967 – II ZR 17/65 – BGHZ 48, 7).

Die Klägerin ist damit leistungsfrei.

(5.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 und 713 ZPO.

Die Revision wird mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.

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(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

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(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.

(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.

(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 265/03 Verkündet am:
7. Juli 2004
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
VVG § 6 Abs. 3; AKB § 7
Die Grundsätze der Relevanzrechtsprechung finden nur dann Anwendung, wenn die
vorsätzliche Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers folgenlos geblieben
ist, d.h. dem Versicherer bei der Feststellung des Versicherungsfalles oder des
Schadenumfanges keine Nachteile entstanden sind. Das ist nicht notwendig schon
dann der Fall, wenn der Versicherer nicht geleistet hat.
BGH, Urteil vom 7. Juli 2004 - IV ZR 265/03 - HansOLG Hamburg
LG Hamburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Juli 2004

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 29. Oktober 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß die Bekla gte ihm wegen eines Fahrzeugdiebstahls bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren hat. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB; Stand März 1997) zugrunde.
Die Beklagte erhielt am 2. November 2000 vom Kläge r eine fernmündliche Schadensmeldung, die die Entwendung eines Fiat-Wohnmobils auf dem Parkplatz eines Supermarkts in P. zum Gegenstand hatte. Das Fahrzeug wurde zu einem späteren Zeitpunkt in Frankreich wieder aufgefunden und sichergestellt. Mit Schreiben vom 6. November

2000 übersandte die Beklagte dem Kläger ein Schadensanzeigeformular und einen "Ergänzungs-Fragebogen Fahrzeugdiebstahl", der eine Belehrung über die Rechtsfolgen unwahrer oder unvollständiger Angaben gegenüber dem Versicherer enthielt. Zugleich forderte die Beklagte den Kläger auf, ihr neben den Fahrzeugunterlagen "vorab postwendend" die Kfz-Schlüssel zu übersenden. Der Kläger kam dieser Aufforderung nicht nach, obwohl ihn die Versicherungsmaklerin wiederholt darauf hinwies, daß er zur Übersendung verpflichtet sei. Der Kläger stellte sich auf den Standpunkt, er müsse die Fahrzeugschlüssel nur Zug um Zug gegen eine Leistungszusage der Beklagten herausgeben. Die Beklagte beruft sich unter anderem deshalb auf Leistungsfreiheit, weil der Kläger durch sein Verhalten gegen seine Obliegenheit aus § 7 I (2) Satz 3 und 4 AKB verstoßen habe. Danach ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann; er hat hierbei die etwaigen Weisungen des Versicherers zu befolgen.
Landgericht und Berufungsgericht haben die Festste llungsklage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Weiger ung der Beklagten , den Kläger wegen des behaupteten Diebstahls zu entschädigen, sei

nach § 7 I (2) Satz 3 und 4, V 4 AKB i.V. mit § 6 Abs. 3 VVG rechtens. Der Kläger habe sich der mit Schreiben vom 6. November 2000 durch den Versicherer erteilten Weisung widersetzt und sich trotz mündlicher und schriftlicher Mahnung seitens der Versicherungsmaklerin geweigert, die Fahrzeugschlüssel zur Verfügung zu stellen, solange die Beklagte ihre Eintrittspflicht nicht anerkenne. Der Verlust des Versicherungsschutzes widerspreche nicht § 242 BGB. Denn die Obliegenheitsverletzung des Klägers sei generell geeignet, die Interessen der Beklagten ernsthaft zu gefährden. Die Fahrzeugschlüssel seien für den Versicherer von erheblicher Bedeutung, weil eine sachverständige Untersuchung darüber Aufschluß geben könne, ob Nachschlüssel existierten; das Fehlen eines Schlüssels könne darauf hinweisen, daß das Fahrzeug auf andere Weise als durch Diebstahl verschwunden sei. Das Verschulden des Klägers sei schon deshalb nicht gering, weil er gegen den ausdrücklichen Rat der Versicherungsmaklerin gehandelt und auch sonst keinen Kontakt zur Beklagten gesucht habe. Die Beklagte habe den Kläger schließlich nicht nach Treu und Glauben über die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen die ihm erteilte Weisung belehren müssen. Eine Belehrung durch den Versicherer müsse nicht für alle denkbaren Obliegenheitsverstöße erfolgen, sondern lediglich im Zusammenhang mit der Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten durch unwahre oder unvollständige Angaben im Schadensanzeigeformular. Wegen dieser Frage hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebn is stand. Allerdings kommt es auf die Frage, die dem Berufungsgericht Anlaß zur Zu-

lassung der Revision gegeben hat, nicht an; dennoch war der Senat an die Zulassung gebunden (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO).
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausge gangen, daß der Kläger eine nach dem Versicherungsvertrag bestehende Obliegenheit verletzt hat. Er ist nach § 7 I (2) Satz 3 AKB verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Der Versicherer kann nach Eintritt des Versicherungsfalls verlangen, daß der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfangs der Leistungspflicht erforderlich ist. Der Versicherungsnehmer muß allerdings nicht unaufgefordert ("spontan") durch Auskunftserteilung zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen und den Versicherer von sich aus über alle für Grund und Höhe des Entschädigungsanspruchs wesentlichen Umstände in Kenntnis setzen. Er darf abwarten, bis der Versicherer an ihn herantritt und die Informationen anfordert, die er zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs seiner Leistungspflicht benötigt (vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 1976 - IV ZR 84/75 - VersR 1976, 821 unter III 1 zu § 13 AFB). Eine solche Aufforderung liegt in dem Schreiben der Beklagten vom 6. November 2000. Sie hat dem Kläger u.a. aufgegeben , ihr die Fahrzeugschlüssel zur Verfügung zu stellen. Darin lag eine an den Kläger gerichtete, ihrem Inhalt nach unmißverständliche Weisung im Sinne des § 7 I (2) Satz 4 AKB, durch eine bestimmte Handlung - die Übersendung der Schlüssel - an der Aufklärung des Tatbestandes mitzuwirken.
2. Das Berufungsgericht ist weiter rechtsfehlerfre i von einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung ausgegangen. Dem Kläger waren die

sich aus § 7 I (2) Satz 3 und 4 AKB ergebenen Verhaltensnormen bekannt. Ihr Vorhandensein ist ihm spätestens durch die Hinweise der Versicherungsmaklerin , er sei zur Herausgabe der Schlüssel verpflichtet, klar vor Augen geführt worden; dennoch hat er sich der Aufforderung der Beklagten widersetzt.
Der Kläger, der die nach § 6 Abs. 3 VVG bestehende Vermutung des Vorsatzes zu widerlegen hat (Senatsurteile vom 21. April 1993 - IV ZR 34/92 - VersR 1993, 828 unter 2 c, in BGHZ 122, 250 insoweit nicht abgedruckt; vom 2. Juni 1993 - IV ZR 72/92 - VersR 1993, 960 unter I 2, in BGHZ 122, 388 insoweit nicht abgedruckt; vom 5. Dezember 2001 - IV ZR 225/00 - VersR 2002, 173 unter 2 a), kann sich nicht auf einen diesen ausschließenden Rechtsirrtum berufen. Sein von ihm eingenommener Rechtsstandpunkt - Herausgabe der Schlüssel nur Zug um Zug gegen die Anerkennung der Leistungspflicht durch die Beklagte - mußte sich aus seiner eigenen Sicht als unhaltbar erweisen. Denn er konnte dem zeitnah zur telefonischen Schadensmeldung vom 2. November 2000 verfaßten Schreiben der Beklagten vom 6. November 2000 unzweifelhaft entnehmen, daß die Beklagte die Fahrzeugschlüssel - und zwar "vorab postwendend" - benötigte, um Feststellungen zum Eintritt des von ihm behaupteten Versicherungsfalles zu treffen, und nicht etwa erst zur Abwicklung eines Eigentumsüberganges an dem zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wieder aufgefundenen Fahrzeug gemäß § 13 (7) Satz 2 AKB. Daß aber die Aushändigung von Beweismitteln, die erst der Feststellung des Versicherungsfalles dienen sollen, nicht von einer Leistungszusage durch den Versicherer abhängig gemacht werden kann, muß jedem verständigen Versicherungsnehmer ohne weiteres einleuchten; das gilt um

so mehr angesichts der Hinweise der Versicherungsmaklerin, der Kläger sei zur Übersendung der Schlüssel an die Beklagte verpflichtet.
3. Nach § 7 V (4) AKB i.V. mit § 6 Abs. 3 VVG ist die Beklagte bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung dem Versicherungsnehmer gegenüber leistungsfrei. In diesem Zusammenhang kommt es auf die vom Berufungsgericht herangezogene "Relevanzrechtsprechung" des Senats nicht an. Danach kann sich der Versicherer zwar auf die vereinbarte Leistungsfreiheit dann nicht berufen, wenn der Obliegenheitsverstoß generell ungeeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden , oder den Versicherungsnehmer subjektiv kein schweres Verschulden trifft (Senatsurteil vom 21. April 1993 - IV ZR 33/92 - VersR 1993, 830 unter II 3), wobei diese Grundsätze auch auf die Fahrzeugversicherung Anwendung finden (Senatsurteile vom 20. Dezember 1972 - IV ZR 57/71 - VersR 1973, 174 unter VI 1; vom 28. Mai 1975 - IV ZR 112/73 - bei juris abrufbar, unter III; vom 21. Januar 1998 - IV ZR 10/97 - VersR 1998, 447 unter 2 b). Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, daß die Relevanzrechtsprechung unter der weiteren Voraussetzung steht, daß die Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers folgenlos geblieben ist, dem Versicherer also bei der Feststellung des Versicherungsfalles oder des Schadensumfanges keine Nachteile entstanden sind. Die Folgenlosigkeit ist vom Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen (Senatsurteil vom 21. April 1993 aaO). Dazu hat der Kläger weder vorgetragen noch ist eine Folgenlosigkeit sonst ersichtlich.
Durch seine Weigerung, die Schlüssel für das - spä ter wieder aufgefundene - Fahrzeug zur Verfügung zu stellen, hat der Kläger die Beklagte dauerhaft gehindert, die Voraussetzungen des von ihm angezeig-

ten Versicherungsfalles zu prüfen. Wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, lassen sich durch eine sachverständige Untersuchung der Schlüssel Erkenntnisse darüber gewinnen, ob Kopierspuren vorhanden sind, was auf das Fertigen von Nachschlüsseln deuten würde. Das Fehlen eines Schlüssels kann Hinweise darauf geben, daß dieser einem Dritten zur Verfügung gestellt worden ist, damit dieser das Fahrzeug - zur Vortäuschung eines Diebstahls - von seinem Standort verbringt. Gerade letzteres erklärt die Aufforderung der Beklagten, ihr die (kompletten ) Fahrzeugschlüssel "postwendend" zu übersenden, um dem Kläger keine Gelegenheit zu geben, sich die Schlüssel von einem etwaigen Dritten wiederzubeschaffen und sie anschließend der Beklagten auszuhändigen. Die der Beklagten durch das Vorenthalten der Schlüssel entstandenen Nachteile lassen sich angesichts des Zeitablaufs nicht mehr beheben. Die Parteien streiten nach wie vor über das Vorliegen eines Versicherungsfalles ; Feststellungen, ob ihre Einstandspflicht gegeben ist, kann die Beklagte aufgrund der Obliegenheitsverletzung des Klägers zuverlässig nicht mehr treffen.
Da die Obliegenheitsverletzung mithin nicht folgen los geblieben ist, hätte sich das Berufungsgericht nicht mehr damit zu befassen brauchen , ob die Leistungsfreiheit der Beklagten weiter davon abhängt, den Kläger ausdrücklich und unmißverständlich über die Rechtsfolgen seiner Obliegenheitsverletzung belehrt zu haben. Eine Klärung der Frage, inwieweit sich die Rechtsprechung zur folgenlosen Verletzung von Auskunfts - und Aufklärungsobliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles (vgl. BGHZ 48, 7, 9; Senatsurteil vom 21. Januar 1998 aaO unter 2
c) auf den hier gegebenen Verstoß gegen eine seitens des Versicherers

erteilte Weisung übertragen läßt, ist nicht erforderlich; einer Zulassung der Revision hätte es unter diesem Gesichtspunkt nicht bedurft.
4. Ebenso kann auf sich beruhen, ob dem Recht des Versicherers, sich auf Leistungsfreiheit zu berufen, im allgemeinen oder im Einzelfall entgegenstehen kann, daß er wegen einer unvollständigen Auskunft oder wegen einer nicht befolgten Weisung keine Rückfrage beim Versicherungsnehmer gehalten hat (§ 242 BGB). Denn jedenfalls hier mußte die Beklagte beim Kläger nicht nachfragen, weshalb die Übersendung der "vorab postwendend" angeforderten Schlüssel unterblieb.
Der Kläger ist einer von der Beklagten klar und un mißverständlich formulierten Weisung nicht nachgekommen. Er hat die Weisung nicht etwa versehentlich nicht beachtet, sondern sich ihr bewusst und hartnäckig verweigert. Unstreitig hat die Versicherungsmaklerin bei ihm mehrfach schriftlich und fernmündlich die Herausgabe der Schlüssel angemahnt. Da sie nach seinen Behauptungen von der Beklagten mit der Abwicklung des Schadenfalles beauftragt war, hat sich der Kläger aus seiner Sicht, auf die es an dieser Stelle ankommt, von der für den Versicherer handelnden Vertreterin aufgefordert gesehen, die Schlüssel herauszugeben. Dann aber gilt nichts anderes, als wenn ein Versicherungsnehmer beharrlich an falschen Angaben in seinem Antragsformular festhält, obwohl ihn der Versicherer wiederholt auf die Bedenken gegen seine Angaben aufmerksam gemacht hat (vgl. Senatsurteil vom 12. März 1976 - IV ZR 79/73 - VersR 1976, 383 unter II 2). Denn nur der schutzwürdige Versicherungsnehmer soll vor den Folgen einer Obliegenheitsverletzung und einem unerwarteten Verlust seines Versicherungsanspruchs bewahrt werden. Für ein solches Schutzbedürfnis ist von vornherein kein Raum,

wenn mehrfache Aufforderungen, die erteilte Weisung zu befolgen, ihn nicht dazu veranlassen können, seiner vertraglichen Obliegenheit doch noch nachzukommen.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Felsch

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.

Wer im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt, ist für den Schaden nicht verantwortlich. Hat er sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel in einen vorübergehenden Zustand dieser Art versetzt, so ist er für einen Schaden, den er in diesem Zustand widerrechtlich verursacht, in gleicher Weise verantwortlich, wie wenn ihm Fahrlässigkeit zur Last fiele; die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er ohne Verschulden in den Zustand geraten ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 146/04 Verkündetam:
9.November2005
Fritz
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtin
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
AKB §§ 7 I Abs. 2 Satz 3 und 7 V; KfzPflVV § 6 Abs. 1
1. Für die Frage, ob der Versicherungsnehmer in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung
seine Aufklärungsobliegenheit gemäß § 7 AKB vorsätzlich
verletzt hat, hat die Frage einer lediglich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit
keine Bedeutung. Solange er nicht den Zustand einer Zurechnungsunfähigkeit
im Sinne von § 827 BGB erreicht, ein Ausschluss der Wahrnehmungsfähigkeit
oder der freien Willensbestimmung also noch nicht eingetreten
ist, bleibt vorsätzliches Handeln möglich.
2. Werden vom Versicherungsnehmer zu unterschiedlichen Zeitpunkten
Rechtsgüter unterschiedlicher Personen geschädigt, so liegen grundsätzlich
mehrere Versicherungsfälle vor, für die den Versicherer jeweils neu die
Obliegenheit aus § 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB trifft, umfassend an der Aufklärung
des Geschehens mitzuwirken.
3. Verursacht der Versicherungsnehmer nacheinander mehrere Versicherungsfälle
und verletzt er dabei jeweils seine Aufklärungsobliegenheit, so
wird der Versicherer für jeden Versicherungsfall leistungsfrei, wobei seine
Leistungsfreiheit jeweils auf die in § 6 Abs. 1 und 3 KfzPflVV genannten
Höchstbeträge begrenzt ist.
BGH, Urteil vom 9. November 2005 - IV ZR 146/04 - Brandenburgisches OLG
LG Neuruppin
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter
Seiffert, Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und Dr. Franke auf die mündliche
Verhandlung vom 9. November 2005

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 27. Mai 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Am Abend des 6. April 2001 verursachte der Kläger, der am selben Tag aus einer mehrwöchigen stationären psychotherapeutischen Behandlung entlassen worden war, als Führer seines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw zwei Unfälle. Zunächst stieß er gegen 20.30 Uhr in H. und sodann gegen 21.00 Uhr in V. jeweils gegen am Fahrbahnrand abgestellte Fahrzeuge, wobei er die Unfallorte in beiden Fällen umgehend verließ und seine Fahrt fortsetzte. Etwa zwei Stunden nach dem zweiten Unfall wurde der Kläger stark alkoholisiert und schlafend in seinem am Fahrbahnrand abgestellten Fahrzeug aufgefunden. Zu seiner Alkoholisierung gab er an, er habe erst nach Beendigung seiner Fahrt Alkohol zu sich genommen.

2
Beklagte Die hat die vom Kläger verursachten Schäden an den beiden betroffenen Fahrzeugen mit 3.199,78 € und 2.949,47 € reguliert und nimmt den Kläger im vorliegenden Rechtsstreit wegen dieser Beträge (zusammen 6.149,25 €) widerklagend in Regress.
3
Der Kläger hat zunächst die Feststellung begehrt, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, die vorgenannten Beträge von ihm zurückzufordern. Er meint, mit dem jeweils unerlaubten Entfernen vom Unfallort nicht zugleich seine Aufklärungsobliegenheit aus § 7 I Abs. 2 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) verletzt zu haben, vielmehr sei er seiner vertraglichen Aufklärungspflicht unverzüglich durch eine entsprechende Schadensmeldung nachgekommen. Weiter habe er zum Zeitpunkt beider Unfälle in einer akuten persönlichen Belastungssituation gestanden und sei deshalb vermindert schuldfähig im Sinne des § 21 StGB gewesen. Selbst wenn man aber annehme, er habe Obliegenheiten schuldhaft verletzt , sei die Leistungsfreiheit der Beklagten hier auf einen Betrag von insgesamt maximal 5.112,92 € begrenzt. Allenfalls in dieser Höhe könne die Beklagte bei ihm Regress nehmen.
4
Das Landgericht hat die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen und der Widerklage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die nur gegen die letztgenannte Verurteilung gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht den Kläger unter Abweisung der Widerklage im Übrigen zur Zahlung von 5.112,92 € verurteilt. Mit der Revision erstrebt der Kläger weiterhin die vollständige Abweisung der Widerklage.

Entscheidungsgründe:


5
DasRechtsmittel hat keinen Erfolg.
6
I.DasBerufungsgeri cht hat ausgeführt:
7
Die Beklagte sei wegen der wiederholten Verletzung von nach dem Versicherungsfall zu erfüllenden Obliegenheiten leistungsfrei. Nachdem der Kläger unstreitig den objektiven und subjektiven Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 StGB) in der Unfallnacht zweimal erfüllt habe, habe er zugleich jeweils auch die ihm nach § 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB auferlegte Aufklärungsobliegenheit verletzt. Insbesondere in Fällen, in denen - wie hier - eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Fahrers mitursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles geworden sein könne, bestehe auch bei ansonsten klarer Haftungslage ein Interesse des Versicherers daran fort, dass sich der Versicherungsnehmer nicht vorzeitig von der Unfallstelle entferne.
8
Wegen dieser Obliegenheitsverletzungen und der sich daraus ergebenden Leistungsfreiheit könne die Beklagte nach § 3 Nr. 9 Satz 2 PflVG die von ihr infolge ihrer Einstandspflicht gegenüber den Geschädigten (§ 3 Nr. 1 PflVG) erbrachten Leistungen vom Kläger ersetzt verlangen. Ihre Leistungsfreiheit gegenüber dem Kläger sei hier aber nach § 6 Abs. 1 KfzPflVV i.V. mit § 7 V Abs. 2 Satz 1 AKB auf einen Betrag von zweimal 2.556,46 € (5.112,92 €) begrenzt.
9
Die grundsätzlich nach § 6 Abs. 1 KfzPflVV geltende Haftungsbeschränkung auf einen Betrag von (einmal) 2.556,46 € verdoppele sich zwar nicht wegen besonders schwerwiegenden Verschuldens des Klägers nach § 6 Abs. 3 KfzPflVV i.V. mit § 7 V Abs. 2 Satz 2 AKB, denn besonders schwere Schäden, etwa Personenschäden, seien bei den Unfällen nicht entstanden und das Verhalten des Klägers gehe auch nicht über die bei einer Unfallflucht üblichen Pflichtverstöße hinaus. Im Übrigen habe er durch das im Ermittlungsverfahren eingeholte nervenärztliche Gutachten nachgewiesen, dass seine Steuerungsfähigkeit zur Zeit der Unfälle infolge einer krankhaften seelischen Störung erheblich vermindert gewesen sei.
10
Dass die Beklagte dennoch in Höhe von insgesamt 5.112,92 € leistungsfrei sei, beruhe darauf, dass der Kläger sich in zwei Fällen unerlaubt vom Unfallort entfernt und damit seine Aufklärungsobliegenheit zweimal verletzt habe. Das berechtige die Beklagte dazu, den Kläger für jede dieser Obliegenheitsverletzungen mit einem Betrag von 2.556,46 € in Regress zu nehmen. Beide im Abstand von ungefähr einer halben Stunde geschehenen Obliegenheitsverletzungen stünden zwar in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang, seien aber dennoch als rechtlich selbständige Handlungen zu werten, bei denen unterschiedliche Rechtsgüter verschiedener Geschädigter verletzt worden seien. Beide Unfälle seien daher verschiedene, voneinander unabhängige Versicherungsfälle.
11
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
12
Zu 1. Recht hat das Berufungsgericht angenommen, der Kläger habe dadurch, dass er nach beiden Unfällen jeweils den objektiven und subjektiven Straftatbestand des § 142 StGB erfüllt hat, zugleich die ihm nach § 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB auferlegte Obliegenheit verletzt, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes (des Versicherungsfalls) dienlich sein kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 1. Dezember 1999 - IV ZR 71/99 - VersR 2000, 222 unter II m.w.N.).
13
2. Das zieht die Revision auch nicht in Zweifel.
14
a) Sie meint allerdings, die Beklagte könne sich mit Blick auf das zweimalige unerlaubte Entfernen vom Unfallort deshalb nicht auf Leistungsfreiheit berufen, weil eine krankhafte seelische Störung die Steuerungsfähigkeit des Klägers zur Unfallzeit erheblich beeinträchtigt habe, der Kläger also vermindert schuldfähig im Sinne des § 21 StGB gewesen sei. Nach der vom Bundesgerichtshof für folgenlose Obliegenheitsverletzungen entwickelten Relevanzrechtsprechung (vgl. dazu u.a. BGHZ 53, 160, 164; BGH, Urteil vom 24. Juni 1981 - IVa ZR 133/80 - VersR 1982, 182 ff. m.w.N.) habe die Leistungsfreiheit des Versicherers zur Voraussetzung , dass dem Versicherungsnehmer ein erhebliches Verschulden vorzuwerfen sei. Auch wenn die im Jahre 1975 eingeführte Neufassung des § 7 V AKB anstelle eines erheblichen Verschuldens des Versicherungsnehmers Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit für die Leistungsfreiheit des Versicherers genügen lasse, zwinge das Gebot von Treu und Glauben hier dazu, die verminderte Schuldfähigkeit des Versicherungsnehmers mit der Folge zu berücksichtigen, dass sich der Versicherer nicht auf Leistungsfreiheit berufen könne. Das ergebe sich auch aus der Wertung des § 6 Abs. 3 KfzPflVV. Wenn dort als Folge einer besonders schwerwiegenden vorsätzlich begangenen Verletzung der Haftungsfreibetrag des Versicherers gegenüber der Sanktion für normal vorsätzliches Verhalten (§ 6 Abs. 1 KfzPflVV) verdoppelt werde, müsse umgekehrt die Leistungsfreiheit entfallen, wenn das Verschulden des Versicherungs- nehmers infolge verminderter Schuldfähigkeit deutlich hinter dem Normalfall einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung zurückbleibe.
15
b) Dem folgt der Senat nicht.
16
aa) Er hat bereits in der Entscheidung BGHZ 84, 84, 87 anerkannt, dass die Versicherer mit der zum 1. Januar 1975 eingeführten Neufassung des § 7 V AKB der früher zur vorangegangenen Fassung des § 7 V AKB (BGHZ 53, 160, 164) entwickelten Relevanzrechtsprechung ausreichend Rechnung getragen haben. Soweit die Neufassung des § 7 V AKB für die Leistungsfreiheit des Versicherers Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit genügen lässt, verbietet sich ein isolierter ergänzender Rückgriff auf die erhöhten Verschuldensanforderungen der früheren Relevanzrechtsprechung. Diese fußte auf der Erwägung, die völlige Leistungsfreiheit des Versicherers nach dem so genannten "Alles-oder-Nichts-Prinzip" (§ 7 V Satz 1 AKB in der vor 1975 geltenden Fassung) sei eine zu harte "Strafe" für den Versicherungsnehmer, wenn sie ihn ohne Rücksicht darauf treffe, ob dem Versicherer durch eine Obliegenheitsverletzung überhaupt Nachteile entstanden seien (vgl. dazu BGHZ 84, 84, 87). Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen einer Härtekorrektur unter anderem ein erhebliches Verschulden des Versicherungsnehmers als Voraussetzung der völligen Leistungsfreiheit gefordert. Mit Einführung der - an die Regelungen der §§ 5 Abs. 3 und 6 Abs. 1 und 3 KfzPflVV angebundenen - Höchstbeträge für die Leistungsfreiheit in § 7 V Abs. 2 und 3 AKB ist die Drohung vollständiger Leistungsfreiheit des Versicherers für den Versicherungsnehmer gerade in Fällen hoher Schäden weitgehend abgemildert.

17
Für bb) die Frage, ob der Kläger seine Aufklärungsobliegenheit gemäß § 7 V AKB vorsätzlich verletzt hat, hat die Frage einer lediglich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit keine Bedeutung. Vorsatz bedeutet das Wollen einer Tatbestandsverwirklichung bei gleichzeitigem Wissen um die Tatumstände. Solange ein Täter nicht den Zustand einer Zurechnungsunfähigkeit im Sinne von § 827 BGB erreicht, ein Ausschluß der Wahrnehmungsfähigkeit oder der freien Willensbestimmung also noch nicht eingetreten ist, bleibt vorsätzliches Handeln möglich (vgl. dazu BGH, Urteile vom 22. November 1962 - II ZR 79/60 - VersR 1963, 79 unter I 2 und 4; vom 17. November 1966 - II ZR 156/64 - VersR 1967, 125 unter IV 2 m.w.N.; Sprau in Palandt, BGB, 64. Aufl. § 827 Rdn. 2). Das gilt, wie ein Vergleich der §§ 20 und 21 StGB zeigt, im Übrigen auch im Strafrecht, wo eine nur verminderte Schuldfähigkeit die vorsätzliche Begehung einer Straftat nicht ausschließt, sondern lediglich im Rahmen der Sanktionshöhe Berücksichtigung findet. Bei Anwendung des § 7 V AKB kann, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Versicherungsnehmers nur bei Prüfung der Frage einer besonders schwerwiegenden Obliegenheitsverletzung im Sinne des Absatzes 2 der Klausel (bzw. des § 6 Abs. 3 KfzPflVV) berücksichtigt werden.
18
3. Zu Recht hat das Berufungsgericht schließlich angenommen, die vom Kläger verursachten beiden Unfälle stellten jeweils selbständige Versicherungsfälle dar, für die die Beklagte wegen der vom Kläger in beiden Fällen verletzten Aufklärungsobliegenheit jeweils bis zu den in § 6 Abs. 1 KfzPflVV genannten Höchstbeträgen leistungsfrei und der Kläger Kläger ihr gegenüber dementsprechend gemäß § 3 Nr. 9 PflVG regresspflichtig geworden ist.
19
a) § 7 I Abs. 1 AKB definiert den bedingungsgemäßen Versicherungsfall als das Ereignis, das einen unter die Versicherung fallenden Schaden verursacht oder - bei der Haftpflichtversicherung - Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte. In § 7 V Abs. 1 und 2 AKB wird daran anknüpfend die Regelung des § 6 KfzPflVV übernommen, der in seinem Absatz 1 bestimmt, dass die Leistungsfreiheit des Versicherers wegen einer nach Eintritt "des Versicherungsfalls" vorsätzlich oder grob fahrlässig begangenen Obliegenheitsverletzung im Regelfall beschränkt ist. Damit wird deutlich ausgedrückt, dass die mit dem Höchstbetrag bewirkte Sperrwirkung für die Leistungsfreiheit jeweils nur für die Abwicklung eines Versicherungsfalls im Sinne der vorangestellten Definition des § 7 I Abs. 1 AKB gelten soll. Das gilt insbesondere auch mit Blick auf die Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers. Denn jeder Versicherungsfall hat zur Folge, dass den Versicherungsnehmer die Obliegenheit trifft, umfassend an der Aufklärung des Geschehens mitzuwirken (§ 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB). Leistet der Versicherungsnehmer diese gebotene Aufklärung nicht, so wird der Versicherer leistungsfrei, gleichviel, ob der Versicherungsnehmer seine Aufklärungsobliegenheit durch eine oder mehrere Handlungen verletzt. Für jeden Versicherungsfall treten Leistungsfreiheit und die Leistungsbegrenzung des § 7 V Abs. 2 AKB/§ 6 Abs. 1 KfzPflVV nur einmal ein. Verursacht er hingegen weitere selbständige Versicherungsfälle und verletzt er auch nach diesen vorsätzlich oder grob fahrlässig Obliegenheiten, so wird der Versicherer hinsichtlich dieser weiteren Versicherungsfälle gegenüber dem Versicherungsnehmer erneut leistungsfrei und ist seine Leistungs- freiheit erneut auf die in § 6 KfzPflVV genannten Höchstbeträge begrenzt.
20
b) Es geht im vorliegenden Fall deshalb nicht um die in der Rechtsprechung bereits umfangreich erörterte Frage, ob die Höchstbeträge für die Leistungsfreiheit des Versicherers aus § 5 Abs. 3 und § 6 KfzPflVV zu Lasten des Versicherungsnehmers zu addieren sind, wenn der Versicherungsnehmer sowohl vor als auch nach einem Versicherungsfall Obliegenheiten verletzt hat, etwa durch eine zu einem Unfall führende Trunkenheitsfahrt mit anschließender Unfallflucht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. September 2005 - IV ZR 216/04; OLG Düsseldorf VersR 2004, 1129; OLG Saarbrücken ZfS 2003, 501; Schleswig-Holsteinisches OLG VersR 2003, 637 f.; OLG Köln NJW-RR 2003, 249 f.; OLG Hamm VersR 2000, 843 f.). Hier ist vielmehr zu entscheiden, nach welchen Maßstäben sich ein einzelner Versicherungsfall von mehreren Versicherungsfällen unterscheidet, denn danach bestimmt sich nicht nur der Umfang der Leistungspflicht des Versicherers nach § 10 Abs. 6 AKB, sondern zugleich auch die Leistungsfreiheit nach § 7 V AKB.
21
Grundsätzlich c) ist davon auszugehen, dass mehrere Versicherungsfälle vorliegen, wenn zu unterschiedlichen Zeitpunkten Rechtsgüter unterschiedlicher Personen geschädigt werden. Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn sich die einzelnen Schadensereignisse als Teil eines einheitlichen Vorgangs oder eines einheitlichen Geschehensablaufs darstellen (vgl. dazu Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung 17. Aufl. § 7 AKB Rdn. 7, § 10 AKB Rdn. 111). Ob ein solcher angenommen werden kann, ist nach der Verkehrsauffassung bei natürlicher Betrachtungsweise zu entscheiden.

22
d) Anders als die Revision meint, erweisen sich die beiden vom Kläger verursachten Unfälle bei Anlegung dieser Maßstäbe als selbständige Versicherungsfälle. Beide sind im Abstand von etwa einer halben Stunde in verschiedenen Ortschaften geschehen und stehen damit weder in einem engen zeitlichen, noch in einem engen räumlichen Zusammenhang.
Seiffert Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Neuruppin, Entscheidung vom 06.11.2003 - 2 O 59/03 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 27.05.2004 - 12 U 2/04 -

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.