Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 27. März 2012 - I Ws 90/12

bei uns veröffentlicht am27.03.2012

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer ist mit Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 10.05.2007 wegen Raubes in zwei Fällen sowie wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt worden. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde angeordnet.

2

Nach den Feststellungen des Urteils verkaufte der Beschwerdeführer Anfang 2006 an fünf Wochenenden Haschisch und Marihuana und finanzierte dadurch teilweise auch seinen eigenen Drogenkonsum. Im Juni 2006 fasste er den Plan, älteren Damen die Handtasche zu entreißen, um sich von dem erhofften geldwerten Inhalt Drogen zu verschaffen. In zwei Fällen gelang ihm die Umsetzung des Planes, wobei er bei der ersten Tat unter Alkoholeinfluss stand. Die Unterbringung wurde auf das Gutachten des Sachverständigen ... gestützt. Danach wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer an einer Persönlichkeitsstörung litt (infantil-dissoziale Persönlichkeitsstörung, Abhängigkeitssyndrom von legalen und illegalen Drogen) und deshalb zu den Tatzeiten vermindert schuldfähig war. Der Sachverständige ging von einer hohen Wiederholungsgefahr aus, soweit die Persönlichkeitsstörung und das Abhängigkeitssyndrom nicht behandelt werden würde.

3

Der Beschwerdeführer war vor den o.g. Anlasstaten bereits mehrfach wegen Straßenverkehrsdelikten und Vermögensstraftaten - teilweise begangen unter Alkoholeinfluss - verurteilt worden. Deswegen hatte er bereits mehrere Jahre Jugendstrafe verbüßt und war in einer Entziehungsanstalt untergebracht worden.

4

Der Beschwerdeführer war vom 06.08.2007 bis zum 30.07.2009 in der Klinik für Forensische Psychiatrie der Universität Rostock untergebracht. Dort wurde eine Abhängigkeit von multiplen psychotropen Substanzen (ICD-10: F19.2) und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und narzisstischen Anteilen (ICD-10: F61.0) diagnostiziert. Im Laufe der Unterbringung kam es zu einigen Regelverstößen und der Verurteilte zeigte sich zuletzt als therapieresistent. Die Unterbringung wurde daher zunächst zum Zwecke der Zwischenvollstreckung unterbrochen. Nachdem der Verurteilte in der mündlichen Anhörung vom 01.02.2010 erklärt hatte, dass er während der Strafvollstreckung Haschisch mitkonsumiert habe und für den Maßregelvollzug nicht motiviert sei, wurde die Unterbringung mit Beschluss des Landgerichts Rostock vom 10.03.2010 für erledigt erklärt und die weitere Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt.

5

Nach Vollverbüßung wurde der Verurteilte am 22.07.2011 aus der Haft entlassen. Mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 03.08.2011 wurde das Nichtentfallen der Führungsaufsicht angeordnet. Mit Datum vom 19.12.2011 regte die Aufsichtsstelle an, eine Abstinenzweisung zu erteilen, da der Verurteilte im Rahmen einer Anhörung am 21.11.2011 mitgeteilt habe, dass er in persönlichen Krisensituationen gelegentlich Haschisch konsumiere, aber weiterhin das Ziel habe, abstinent zu leben. Nachdem der Verurteilte einen ersten Anhörungstermin versäumt hatte, ordnete die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 06.02.2012 eine Abstinenzweisung an, gegen welche der Verurteilte Beschwerde einlegte. Von der Strafvollstreckungskammer hierzu angehört erklärte er, dass er nur etwas einnehme, wenn er großen Kummer habe. Er sei bereit, zu den Urinkontrollen zu gehen.

6

Mit Beschluss vom 23.02.2012 änderte die Strafvollstreckungskammer den Beschluss vom 06.02.2012 dahingehend ab:

7

dass der Verurteilte angewiesen wird,

8

keinen Alkohol und andere berauschende Mittel („Drogen“) zu konsumieren und zum Nachweis seiner Abstinenz mindestens alle zwei Wochen, wobei die genauen Termine von der Führungsaufsichtsstelle festzusetzen sind, eine labormedizinische Untersuchung durch eine Urinprobenkontrolle auf Amphetamine und Methamphetamine, Barbiturate, Benzodiazepin, Kokain-Metaboliten, LSD, Methadon, Opiate, Tetrahydrocannabinol und Alkohol bei Dr. med. H. K., (…) auf Kosten der Staatskasse durchführen zu lassen.

9

Hiergegen legte der Verurteilte über seinen Verteidiger Beschwerde ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei dem Verurteilten um einen langjährigen Suchtabhängigen handeln würde, welcher nicht erfolgreich habe behandelt werden können. Es liege auf der Hand, dass die ein oder andere Kontrolle positive Ergebnisse im Hinblick auf Alkohol oder andere Drogen liefern werde. Über den Umweg des § 145a StGB werde dann das Verhalten des Verurteilten in unzumutbarer Weise pönalisiert. Die Strafvollstreckungskammer half der Beschwerde nicht ab.

10

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte mit Zuschrift vom 13.03.2012, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Mit Gegenerklärung vom 20.03.2012 wiederholte der Verteidiger seine bisherige Argumentation.

II.

11

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, da die angefochtenen Weisungen ohne Ermessensfehler getroffen wurden.

12

Nach § 463 Abs. 2, § 453 Abs. 2 S. 2 StPO kann die Beschwerde nur darauf gestützt werden, dass die getroffenen Anordnungen gesetzeswidrig seien. Dies ist der Fall, wenn sie im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar ist, die Grenzen des dem erstinstanzlichen Gericht eingeräumten Ermessens überschreiten oder gemessen am Rechtsstaatsprinzip dem Bestimmtheitsgebot nicht entsprechen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 11.03.2010 - 2 Ws 39/10, BeckRS 2010, 06146, m.w.Nachw.).

13

Solches ist hier nicht festzustellen. Die angeordneten Weisungen sind nach § 68b Abs. 1 Nr. 10 StGB gesetzlich vorgesehen und wurden hinreichend bestimmt gefasst. Es liegen auch konkrete Anhaltspunkte vor, welche im Sinne des § 68b Abs. 1 Nr. 10 StGB besorgen lassen, dass der Konsum von Alkohol und anderen Drogen dazu beitragen wird, dass der Verurteilte neue Straftaten begehen wird. Der Drogenmissbrauch war in ganz erheblicher Weise mitursächlich für die Begehung der letzten Taten. Der Verurteilte wurde nicht erfolgreich therapiert, so dass eine hohe Rückfallgefahr besteht. Die Weisungen sind somit geeignet, den Zweck der Maßregel zu erreichen, d.h. den Verurteilten von der Begehung neuer Straftaten abzuhalten und dessen Resozialisierung zu fördern.

14

Die Weisungen sind zudem erforderlich, da mildere Maßnahmen mit gleicher Effizienz nicht ersichtlich sind. Therapieweisungen stellen keine milderen Maßnahmen dar und sind zudem angesichts der Therapieresistenz des Verurteilten zumindest derzeit ungeeignet.

15

Die Weisungen sind auch verhältnismäßig im engeren Sinn, es werden insbesondere keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten im Sinne des § 68b Abs. 3 StGB gestellt.

16

Es mag sein, dass der Beschwerdeführer als ein bisher nicht erfolgreich behandelter langjähriger Suchtkranker aufgrund eines hohen Suchtdrucks und der ständigen Angst vor Bestrafung im Fall des Scheiterns einer gewissen psychischen Belastung ausgesetzt sein wird. Diese Belastung ist im konkreten Fall dem Interesse der Allgemeinheit an der Verhinderung suchtbedingter Straftaten gegenüberzustellen. Allein der Umstand, dass es sich bei dem Verurteilten um einen langjährigen nicht erfolgreich behandelten Suchtkranken handelt, macht die Abstinenzweisung keinesfalls grundsätzlich unzulässig (so aber wohl OLG Celle, Beschl. v. 16.10.2009, - 2 Ws 228/09, NStZ-RR 2010, 91 f.). Abstinenzweisungen sind vielmehr gerade für diese Gruppe von Straftätern anzuwenden, um sie angesichts der nicht therapierten Suchterkrankung von dem weiteren Missbrauch von Suchtmitteln abzuhalten.

17

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nicht jeder Verstoß gegen die Weisung zu einer Strafverfolgung führen wird (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 13.09.2010 - 2 Ws 568/10, NStZ-RR 2011, 62). Strafbewehrte Weisungsverstöße nach § 145a Satz 2 StGB werden nur auf Antrag der Aufsichtsstelle verfolgt, so dass nicht bei jedem Verstoß per se mit der Einleitung von Ermittlungsmaßnahmen zu rechnen ist. Das Antragserfordernis soll bewirken, dass die Strafverfolgung nur als letztes Mittel eingesetzt wird, um auf den unter Führungsaufsicht stehenden Verurteilten, der sich den Resozialisierungsbemühungen entgegenstellt, einzuwirken. Die Aufsichtsstelle hat daher sorgfältig abzuwägen, ob eine Bestrafung erforderlich und somit ein Strafantrag geboten ist. Besteht Aussicht, mit weniger einschneidenden Mitteln erfolgreich auf den Täter einwirken zu können, z.B. durch verschärfte Kontrollen, so sind diese Mittel dem Strafantrag vorzuziehen (vgl. Sternberg-Lieben in: Schönke/Schröder, 28. Aufl. § 145a Rn 11).

18

Ferner ist zu beachten, dass eine Bestrafung nach § 145a StGB voraussetzt, dass durch den Weisungsverstoß der Zweck der Maßregel konkret gefährdet wird, also dass die Gefahr neuer Straftaten vergrößert wird. Kleinere Verstöße reichen daher im Regelfall nicht aus, soweit sie sich nicht häufen (vgl. Fischer, StGB 59. Aufl. § 145a Rn. 8).

19

Wenn also der Verurteilte alles unternimmt, was in seiner Macht steht, um trotz seiner Suchterkrankung abstinent zu leben und wenn er bei Rückfällen sofort die Hilfe der Aufsichtsstelle sucht, ist die Wahrscheinlichkeit einer Strafverfolgung nach § 145a StGB eher gering und führt nicht von vornherein zu einer Unzumutbarkeit der Weisung.

20

Der Verurteilte hat auch gezeigt, dass er bei entsprechendem Druck durchaus in der Lage ist, weitgehend abstinent zu leben. Er hat selbst bekundet, dass er abstinent leben will, zumal er mit seiner Lebenspartnerin für die Betreuung des gemeinsamen Kleinkindes verantwortlich ist. Schwerwiegende Rückfälle gab es in letzter Zeit nicht. Soweit er erklärt hat, dass er in persönlichen Krisensituationen gelegentlich Haschisch konsumiere, zeigt das seine fortbestehende charakterliche Labilität, nicht jedoch eine akute schwere Drogensucht mit körperlicher Abhängigkeit. Gerade bei solchen Fällen ist eine Abstinenzweisung nicht unzumutbar (vgl. OLG München, Beschl. v. 09.07.2010, -2 Ws 571/10, Abs. Nr. 8, zitiert nach Juris).

III.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 310 Abs. 2 StPO).

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(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß

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Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf Antrag der Aufsichtsstelle (§ 68a) verfolgt.

(1) Die Vorschriften über die Strafvollstreckung gelten für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) § 453 gilt auch für die nach den §§ 68a bis 68d des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen.

(3) § 454 Abs. 1, 3 und 4 gilt auch für die nach § 67c Abs. 1, § 67d Abs. 2 und 3, § 67e Abs. 3, den §§ 68e, 68f Abs. 2 und § 72 Abs. 3 des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 68e des Strafgesetzbuches bedarf es einer mündlichen Anhörung des Verurteilten nicht. § 454 Abs. 2 findet in den Fällen des § 67d Absatz 2 und 3 und des § 72 Absatz 3 des Strafgesetzbuches unabhängig von den dort genannten Straftaten sowie bei Prüfung der Voraussetzungen des § 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches auch unabhängig davon, ob das Gericht eine Aussetzung erwägt, entsprechende Anwendung, soweit das Gericht über die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden hat; im Übrigen findet § 454 Abs. 2 bei den dort genannten Straftaten Anwendung. Zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 67d Abs. 3 des Strafgesetzbuches sowie der nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 des Strafgesetzbuches hat das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen namentlich zu der Frage einzuholen, ob von dem Verurteilten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, rechtzeitig vor einer Entscheidung nach § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches einen Verteidiger.

(4) Im Rahmen der Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 des Strafgesetzbuches) nach § 67e des Strafgesetzbuches ist eine gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung einzuholen, in der der Verurteilte untergebracht ist. Das Gericht soll nach jeweils drei Jahren, ab einer Dauer der Unterbringung von sechs Jahren nach jeweils zwei Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus das Gutachten eines Sachverständigen einholen. Der Sachverständige darf weder im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung mit der Behandlung der untergebrachten Person befasst gewesen sein noch in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeiten, in dem sich die untergebrachte Person befindet, noch soll er das letzte Gutachten bei einer vorangegangenen Überprüfung erstellt haben. Der Sachverständige, der für das erste Gutachten im Rahmen einer Überprüfung der Unterbringung herangezogen wird, soll auch nicht das Gutachten in dem Verfahren erstellt haben, in dem die Unterbringung oder deren späterer Vollzug angeordnet worden ist. Mit der Begutachtung sollen nur ärztliche oder psychologische Sachverständige beauftragt werden, die über forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung verfügen. Dem Sachverständigen ist Einsicht in die Patientendaten des Krankenhauses über die untergebrachte Person zu gewähren. § 454 Abs. 2 gilt entsprechend. Der untergebrachten Person, die keinen Verteidiger hat, bestellt das Gericht für die Überprüfung der Unterbringung, bei der nach Satz 2 das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden soll, einen Verteidiger.

(5) § 455 Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet ist. Ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden und verfällt der Verurteilte in Geisteskrankheit, so kann die Vollstreckung der Maßregel aufgeschoben werden. § 456 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet ist.

(6) § 462 gilt auch für die nach § 67 Absatz 3, 5 Satz 2 und Absatz 6, den §§ 67a und 67c Abs. 2, § 67d Abs. 5 und 6, den §§ 67g, 67h und 69a Abs. 7 sowie den §§ 70a und 70b des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches ist der Verurteilte mündlich zu hören. Das Gericht erklärt die Anordnung von Maßnahmen nach § 67h Abs. 1 Satz 1 und 2 des Strafgesetzbuchs für sofort vollziehbar, wenn erhebliche rechtswidrige Taten des Verurteilten drohen.

(7) Für die Anwendung des § 462a Abs. 1 steht die Führungsaufsicht in den Fällen des § 67c Abs. 1, des § 67d Abs. 2 bis 6 und des § 68f des Strafgesetzbuches der Aussetzung eines Strafrestes gleich.

(8) Wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, für die Verfahren über die auf dem Gebiet der Vollstreckung zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen einen Verteidiger. Die Bestellung hat rechtzeitig vor der ersten gerichtlichen Entscheidung zu erfolgen und gilt auch für jedes weitere Verfahren, solange die Bestellung nicht aufgehoben wird.

(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind zu hören. § 246a Absatz 2 und § 454 Absatz 2 Satz 4 gelten entsprechend. Hat das Gericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden, so soll es dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. Ist ein Bewährungshelfer bestellt, so unterrichtet ihn das Gericht, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder den Straferlaß in Betracht kommt; über Erkenntnisse, die dem Gericht aus anderen Strafverfahren bekannt geworden sind, soll es ihn unterrichten, wenn der Zweck der Bewährungsaufsicht dies angezeigt erscheinen läßt.

(2) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt werden, daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist. Der Widerruf der Aussetzung, der Erlaß der Strafe, der Widerruf des Erlasses, die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe und die Feststellung, daß es bei der Verwarnung sein Bewenden hat (§§ 56f, 56g, 59b des Strafgesetzbuches), können mit sofortiger Beschwerde angefochten werden.

(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen,

1.
den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,
2.
sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
5.
bestimmte Gegenstände, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen,
6.
Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu führen, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
7.
sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden,
8.
jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden,
9.
sich im Fall der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden,
10.
keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind,
11.
sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder
12.
die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.
Das Gericht hat in seiner Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. Eine Weisung nach Satz 1 Nummer 12 ist, unbeschadet des Satzes 5, nur zulässig, wenn
1.
die Führungsaufsicht auf Grund der vollständigen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder auf Grund einer erledigten Maßregel eingetreten ist,
2.
die Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe oder die Unterbringung wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art verhängt oder angeordnet wurde,
3.
die Gefahr besteht, dass die verurteilte Person weitere Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art begehen wird, und
4.
die Weisung erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nummer 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art abzuhalten.
Die Voraussetzungen von Satz 3 Nummer 1 in Verbindung mit Nummer 2 liegen unabhängig davon vor, ob die dort genannte Führungsaufsicht nach § 68e Absatz 1 Satz 1 beendet ist. Abweichend von Satz 3 Nummer 1 genügt eine Freiheits- oder Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, wenn diese wegen einer oder mehrerer Straftaten verhängt worden ist, die unter den Ersten oder Siebenten Abschnitt des Besonderen Teils fallen; zu den in Satz 3 Nummer 2 bis 4 genannten Straftaten gehört auch eine Straftat nach § 129a Absatz 5 Satz 2, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1.

(2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Unterhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die verurteilte Person insbesondere anweisen, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung). Die Betreuung und Behandlung kann durch eine forensische Ambulanz erfolgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch für die Weisung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind.

(3) Bei den Weisungen dürfen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(4) Wenn mit Eintritt der Führungsaufsicht eine bereits bestehende Führungsaufsicht nach § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 endet, muss das Gericht auch die Weisungen in seine Entscheidung einbeziehen, die im Rahmen der früheren Führungsaufsicht erteilt worden sind.

(5) Soweit die Betreuung der verurteilten Person in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 11 oder ihre Behandlung in den Fällen des Absatzes 2 nicht durch eine forensische Ambulanz erfolgt, gilt § 68a Abs. 8 entsprechend.

Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf Antrag der Aufsichtsstelle (§ 68a) verfolgt.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Beschlüsse, die von dem Landgericht oder von dem nach § 120 Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständigen Oberlandesgericht auf die Beschwerde hin erlassen worden sind, können durch weitere Beschwerde angefochten werden, wenn sie

1.
eine Verhaftung,
2.
eine einstweilige Unterbringung oder
3.
einen Vermögensarrest nach § 111e über einen Betrag von mehr als 20 000 Euro
betreffen.

(2) Im übrigen findet eine weitere Anfechtung der auf eine Beschwerde ergangenen Entscheidungen nicht statt.