Oberlandesgericht Rostock Urteil, 18. Jan. 2008 - 5 U 12/08

18.01.2008

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 12.09.2006 - Az.: 4 O 381/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf bis 540.000,-- € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld, Schadensersatz, einer monatlichen Geldrente sowie die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung des Beklagten wegen einer ärztlichen Fehlbehandlung.

2

Die Klägerin stürzte am 27.11.2000 auf einem Treppenabgang auf den Rücken und das Gesäß. Sie wurde von einem Notarztwagen in das Klinikum Neubrandenburg verbracht. Der Beklagte - Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie - übernahm die Behandlung der Klägerin. Im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung gab die Klägerin Schmerzen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule bzw. im Bereich des thorakolumbalen Überganges der Wirbelsäule an. Ihr wurden Bettruhe und Schmerzmittel verordnet. Am 01.12.2000 wurde die Klägerin aus der stationären Behandlung entlassen. Wegen starker Schmerzen im Bereich der Becken- und Steißbeinregion stellte sich die Klägerin am 06.12.200 erneut bei dem Beklagten im Klinikum Neubrandenburg vor. Bei einer Röntgenkontrolle wurde festgestellt, dass eine Fraktur und Dislokation im kartilaginären Anteil vorliegen dürfte. Am 07.12.2000 wurde die Klägerin stationär aufgenommen. Am 08.12.2000 erfolgte eine Operation, bei der die abstehenden Teile des Steißbeines entfernt wurden.

3

Die Klägerin leidet seitdem unter chronischen Schmerzen in der Steißbeinregion. Sie hat behauptet, diese seien auf einen Behandlungsfehler des Beklagten zurückzuführen. Auch sei die Aufklärung nicht in ausreichendem Ausmaß geschehen.

4

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

5

1. den Beklagten im Falle der Verurteilung der IKG Geschäftshaus Neubrandenburg "Am F..." GmbH & Co.KG als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

6

2. den Beklagten im Falle der Verurteilung der ... Geschäftshaus Neubrandenburg "Am F..." GmbH & Co.KG als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 173.382,28 € sowie darüber hinaus alleine weitere 2.328,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

7

3. den Beklagten im Falle der Verurteilung der ... Geschäftshaus Neubrandenburg "Am F..." GmbH & Co.KG als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin eine monatliche Geldrente in Höhe von 692,30 €, beginnend ab dem 01.11.2003 jeweils vierteljährlich im Voraus zum 01.02., 01.05., 01.08. und 01.11. eines jeden Jahres nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit im Verzugsfall zu zahlen;

8

4. festzustellen, dass der Beklagte im Falle der Verurteilung der ... Geschäftshaus Neubrandenburg "Am F..." GmbH & Co.KG gesamtschuldnerisch verpflichtet ist, alle zukünftig der Klägerin noch entstehenden immateriellen Schäden, soweit diese vom Klageantrag zu I. nicht erfasst und noch nicht vorhersehbar sind, sowie alle zukünftig noch entstehenden materiellen Schäden aus dem Treppensturz vom 27.11.2000 mit Spaltung des Steißbeines und nachfolgender chirurgischer Behandlung durch den Beklagten zu ersetzen, soweit die materiellen Ansprüche nicht auf Träger der Sozialversicherung oder Sozialhilfe übergegangen sind oder übergehen werden.

9

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils.

12

Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Ein Anspruch der Klägerin auf Schmerzensgeld und Schadensersatz aus §§ 823, 847 BGB a.F. bestehe nicht, da dem Beklagten Behandlungsfehler nicht unterlaufen seien bzw. die Klägerin solche Fehler nicht habe nachweisen können. Auch ein haftungsbegründender Aufklärungsfehler liege nicht vor. Hinsichtlich der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils.

13

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, die form- und fristgerecht eingereicht und begründet worden ist.

14

Sie meint, die Entscheidung des Landgerichts finde in den Feststellungen des Gutachtens des Sachverständigen Dr. M... keine tragfähige Grundlage. Der Sachverständige habe sich nicht ausreichend mit den von der Klägerin eingereichten Privatgutachten auseinandergesetzt (Bd. V, Bl. 49 d.A.). Deshalb hätte dem Antrag auf Einholung eines Obergutachtens stattgegeben werden müssen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung.

15

Auch habe es an einer Indikation für den operativen Eingriff gefehlt, da die Gefahr einer Darmperforation nicht bestanden habe (Bd. V, Bl. 52/54 d.A.). Der Beklagte hätte intraoperativ erneut eine Befunderhebung durchführen müssen; hiernach hätte erneut eine offene Reposition versucht werden und stabilisierende Maßnahmen durchgeführt werden müssen (Bd. V, Bl. 53 d.A.). Auch hätten konservative Behandlungsmethoden eingesetzt werden müssen, die der Klägerin als echte Behandlungsalternativen hätten unterbreitet werden müssen (Bd. V, Bl. 54/ 56 ff. d.A.). Schließlich hätte postoperativ eine Versorgung mit Sitzkissen u.ä. durchgeführt werden müssen (Bd. V, Bl. 57 f. d.A.).

16

Das Landgericht habe zudem verkannt, dass der Beklagte die Klägerin nicht darüber aufgeklärt hatte, dass es zur Entwicklung eines chronischen Schmerzzustandes - einer eingriffsspezifischen typischen Folge einer Steißbeinresektion - kommen könne (Bd. V, Bl. 56 ff. d.A.). Die Klägerin meint, sie habe bereits erstinstanzlich einen Entscheidungskonflikt in ausreichendem Maße dargelegt; das Landgericht hätte zumindest Veranlassung gehabt, sie hierzu persönlich anzuhören (Bd. V, Bl. 57 d.A.).

17

Mit Schriftsatz vom 04.09.2007 trägt sie vor, der Beklagte habe die Klägerin auch postoperativ fehlerhaft behandelt, indem er weder Schmerzmittel, Mittel gegen Obstipation noch die Nutzung eines Sitzringes verordnete (Bd. VI., Bl. 25 d.A.).

18

Die Klägerin beantragt,

19

das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 12.09.2006 - Az.: 4 O 381/03 - aufzuheben und nach den in erster Instanz zuletzt gestellten Anträgen der Klägerin zu erkennen.

20

Der Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Er verteidigt im wesentlichen das landgerichtliche Urteil. Er weist insbesondere wiederholend darauf hin, dass aufgrund der irreparablen Luxation alternative Behandlungsmethoden nicht vorlagen (Bd. V, Bl. 111 d.A.). Die besondere Stellung des unteren Teils des Steißbeines (mit einer - unstreitigen - ventralen Luxation um ca. 90 Grad) und die damit bestehende Gefahr der Darmperforation habe die Operation erfordert (Bd. V, Bl. 118 d.A.). Die Klägerin vernachlässige bei ihren Ausführungen diese konkrete Behandlungssituation; gleiches gelte für die Ausführungen in den von der Klägerin eingereichten Privatgutachten. Die Klägerin lege fehlerhaft zugrunde, dass bereits bei Durchführung der Behandlung eine Kokzygodynie vorgelegen habe (Bd. V, Bl. 114 ff. d.A.). Aufgrund der starken Abwinklung seien konservative Behandlungsmethoden nicht in Betracht gekommen; hierüber hatte dementsprechend auch eine Aufklärung nicht zu erfolgen (Bd. V, Bl. 123 d.A.).

23

Der Beklagte meint, über ein durch Narbenbildung entstehendes chronisches Schmerzsyndrom habe nicht aufgeklärt werden müssen, weil es sich hierbei um ein allgemeines Operationsrisiko handele; dieses Risiko könne regelmäßig in das Wissen des Patienten gestellt werden (Bd. V, Bl. 126 d.A.).

24

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten, bei der Akte befindlichen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

25

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Dr. L..., Dr. B... und Prof. Dr. E... sowie die mündliche Anhörung des Sachverständigen Herrn Dr. M... . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 21.09.2007 und 14.12.2007 (Bd. VI, Bl. 35 ff. und Bl. 131 ff. d.A.).

II.

26

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Gemäß § 513 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dies kann nicht festgestellt werden. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

1.

27

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht einen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch der Klägerin aus §§ 823, 847 BGB a.F. verneint, soweit es die Behauptung der Klägerin betrifft, der Beklagte habe einen Behandlungsfehler begangen. Einen solchen hat die Klägerin nicht beweisen können. Zum einen teilt der Senat die Einschätzung des Landgerichts, dass ein Behandlungsfehler nicht vorgelegen hat (a.)), desweiteren rechtfertigen die zugrunde zu legenden Tatsachen keine andere Entscheidung (b.)).

a.)

28

Zutreffend ist das Landgericht nach Einholung des Sachverständigengutachtens davon ausgegangen, dass dem Beklagten ein Behandlungsfehler nicht vorgeworfen werden kann.

aa)

29

Ein zum Schadensersatz verpflichtender Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt gegen Regeln der ärztlichen Kunst verstoßen hat, wobei auf den im Zeitpunkt der Behandlung geltenden medizinischen Standard seines Fachgebietes abzustellen ist. Standard ist, was auf dem betreffenden Fachgebiet dem gesicherten Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht und in der medizinischen Praxis zur Behandlung der jeweiligen gesundheitlichen Störung anerkannt ist. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers liegt grundsätzlich beim Geschädigten, erst bei der Annahme eines groben Behandlungsfehlers kommt es zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. Grob fehlerhaft ist eine Behandlung, wenn das Vorgehen des Arztes aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt des entsprechenden Fachs schlechterdings nicht unterlaufen darf.

bb)

30

Nach den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. M..., denen sich der Senat vollumfänglich anschließt, kann nicht festgestellt werden, dass der Entschluss zur Teilresektion des Steißbeines medizinischen Standards widersprach. Der medizinischen Literatur kann ein sogenannter "Golden Standard", wie Steißbeinluxationen zu behandeln sind, nicht entnommen werden (Bl. 6 d. GA vom 18.05.2005, Bd. III, Bl. 484 d.A.). Die Ausführungen in der Berufungsbegründung vermögen an der Richtigkeit dieser Feststellung keine Zweifel zu wecken. Wenngleich die dort zitierten Privatgutachter die Auffassung vertreten, eine solche Resektion sei ungeeignet, fehlt es an dem Nachweis einer entsprechenden gesicherten medizinischen Erkenntnis.

31

Dabei kann dahinstehen, ob im Zeitpunkt der Behandlung der Klägerin das Krankheitsbild der Kokzygodynie vorlag - diesbezüglich bestehen erhebliche Zweifel, weil ein chronifizierter Schmerzzustand zu dieser Zeit nicht dargelegt worden ist -, denn auch den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie kann nicht entnommen werden, dass eine Resektion kontraindiziert wäre. Vielmehr wird im Abschnitt "Therapie" dargelegt, dass chirurgische Maßnahmen zwar aufgrund eher dürftiger Ergebnisse kritisch bewertet werden sollten, es jedoch auch Mitteilungen gebe, die bei strenger Indikation und erfolgloser konservativer Therapie ein operatives Vorgehen befürworten und mit guten Ergebnissen belegen. Unabhängig davon, dass die Leitlinien rechtlich nicht bindend sind, kann hieraus jedenfalls nicht die Fehlerhaftigkeit der Behandlung hergeleitet werden.

32

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M... war die (Teil-) Resektion des Steißbeins vielmehr indiziert, weil die Gefahr einer Darmperforation bestand und eine Reposition des nach innen ragenden Steißbeinteils nicht möglich erschien. Dass konservative Maßnahmen zur einer Änderung der Steilstellung des Steißbeines hätten führen können, ist nicht ersichtlich; soweit die Klägerin darauf abstellt, dass konservative Behandlungsmethoden nahezu immer die Folgen einer Steißbeinverletzung kurieren können (S. 8 der Berufungsbegründung, Bd. V., Bl. 54 d.A.), kann nicht erkannt werden, dass dies auch für den vorliegenden Luxationswinkel gilt; die Ausführungen sind diesbezüglich nicht fallbezogen und viel zu allgemein gehalten.

33

Auch bestand nach den Ausführungen des Sachverständigen bei einer Reposition die Gefahr, dass das Steißbein bei einer Muskelanspannung wieder in den Luxationszustand zurückkehre; damit wäre der Gefahr der Darmperforation nicht dauerhaft begegnet worden.

34

Weshalb diese Feststellung unzutreffend sein sollte, führt die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung nicht aus; vielmehr setzt sie ihre Auffassung, es hätte während der Operation die Reposition versucht werden müssen, dieser Einschätzung schlicht entgegen; auch lässt sie offen, welche "stabilisierenden Maßnahmen" in Betracht gekommen wären (S. 7 der Berufungsbegründung, Bd. V, Bl. 53 d.A.).

35

Soweit die Klägerin bestreitet, dass eine solche Gefahr bestanden habe, vermag dies keine Zweifel an den entgegenstehenden Feststellungen des Sachverständigen zu begründen.

36

Das Privatgutachten des Herrn Dr. R... vom 02.11.2006 enthält insoweit keine Feststellungen (S. 5, Bd. V, Bl. 75 d.A.).

37

Die Ausführungen des Herrn Dr. H... in seinem Privatgutachten vom 28.11.2006 (Bd. V, Bl. 67 d.A.) lassen nicht erkennen, dass ihm eine höhere Sachkunde zukäme als dem gerichtlich bestellten Sachverständigen. Der Privatgutachter ist offenbar ein als Orthopäde niedergelassener Facharzt. Dass er über besondere Fachkunde im chirurgisch-traumatologischen Bereich verfügt, vermag der Senat nicht zu erkennen. Auch kann nicht erkannt werden, ob er der besonderen Stellung des Steißbeins (Winkel von 90 Grad nach innen) konkrete Bedeutung zugemessen hat.

38

Gleiches gilt für das Privatgutachten des Herrn Prof. von T..., der die Gefahr für "nicht realistisch" hält (Bd. VI, Bl. 93 d.A.). Bereits aus der laienhaften Sicht des Senats erscheint es ohne weiteres denkbar, dass bei einem solchen Winkel der Darm aufgrund des ständigen Kontakts dauerhaft geschädigt werden kann. Insoweit hat der Sachverständige auch überzeugend ausgeführt, dass es eines scharfkantigen Auftreffens auf den Darm nicht bedarf (S. 5/6 des Ergänzungsgutachtens vom 25.09.2005, Bd. III, Bl. 594 ff. d.A.); gerade dies wird aber von Herrn Dr. H... zugrundegelegt, als er auf die Form der Steißbeinspitze eingeht (Bl. 3 des GA, Bd. V, Bl. 67 d.A.).

39

Dass in der Literatur die Gefahr der Darmperforation nicht diskutiert wird, vermag angesichts der - auch von der Klägerin dargelegten - geringen Anzahl vorhandener Literatur zu Erkrankungen der Steißbeinregion keine andere Würdigung zu rechtfertigen; insoweit ist wiederum zu berücksichtigen, dass der bei der Klägerin vorgefundene Grad der Abknickung außergewöhnlich hoch war.

cc)

40

Auch in der fehlenden Verordnung eines Sitzkissens kann kein Behandlungsfehler gesehen werden. Die von der Klägerin zitierte Fachliteratur behandelt die Verordnung eines Sitzkissens jeweils im Rahmen der konservativen Therapie, nicht aber als Maßnahme nach erfolgter Steißbeinresektion. Dementsprechend schließt sich der Senat auch insofern der Einschätzung des Sachverständigen Dr. M... an, dass eine spezifische Nachbehandlung nicht erforderlich war.

b.)

41

Auch ist die Entscheidung des Landgerichts nicht deshalb unzutreffend, weil der Entscheidung die Begutachtung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. M... nach §§ 513, 529 ZPO nicht hätte zugrundegelegt werden dürfen, weil konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.

aa)

42

Derartige Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen des Ersturteils liegen dann vor, wenn aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit besteht, dass im Fall der erneuten Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 529 Rn. 3 m.w.N.). Dies ist im Hinblick auf die Begutachtung durch Sachverständige dann der Fall, wenn das Gutachten in sich widersprüchlich oder unvollständig ist, der Sachverständige erkennbar nicht sachkundig war, sich die Tatsachengrundlage durch zulässige Noven geändert hat oder es neue wissenschaftliche Erkenntnismöglichkeiten gibt. Die Einholung eines neuen Gutachtens nach § 412 ZPO kommt nur unter diesen Bedingungen in Betracht (Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 529 Rn. 9 m.w.N.).

bb)

43

Alle diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

44

Die Sachkunde des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. Madert wurde in der Berufungsinstanz nicht mehr in Zweifel gezogen; zur Vermeidung von Wiederholungen wird diesbezüglich ausdrücklich auf die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Soweit die Klägerin in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz das Vorliegen einer überragenden Fachkompetenz des Privatgutachters behauptet, kann eine solche aus dem Sachvortrag der Klägerin nicht nachvollzogen werden; es kann insoweit dahinstehen, ob dieser Vortrag wegen Verspätung noch zu berücksichtigen ist.

45

Soweit die Klägerin meint, der Sachverständige habe ihre Einwendungen in einer Art und Weise behandelt, die Zweifel an der Unbefangenheit und Unvoreingenommenheit begründeten (S. 4 der Berufungsbegründung, Bd. V, Bl. 50 d.A.), kann sie hiermit in der Berufungsinstanz nicht gehört werden. Ein entsprechendes Ablehnungsgesuch nach §§ 406 Abs. 1, 41 ff. ZPO gegen den Sachverständigen ist binnen der Frist des § 406 Abs. 2 ZPO nicht eingereicht worden. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Ausführungen des Sachverständigen - insbesondere die Beibehaltung seiner fachlichen Einschätzung - auch keinen Anlass zur Besorgnis einer Befangenheit begründeten.

46

Unvollständigkeiten oder Widersprüchlichkeiten des Gutachtens vermag der Senat nicht zu erkennen. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es einer weiteren Auseinandersetzung des Sachverständigen mit dem Privatgutachten des Herrn Dr. M... nicht bedurfte. Dieser stellte bei Auswertung des Röntgenbildes vom 06.12.2000 die Diagnose, es läge keine Fraktur des Steißbeines - insoweit übereinstimmend mit der Diagnose des Sachverständigen Dr. M..., es läge keine Fraktur, sondern eine Luxation vor -, sondern eine Luxationsfraktur des Steißbeines mit einer Sprengung der Synchondrose os sacrum/ os coccygeum, also in dem Bereich des Übergangs vom Steißbein zum Kreuzbein, vor (Gutachten vom 25.11.2002, Bl. 63 d.A.). Dr. M... hat insofern ausgeführt, dass sich dies nicht verifizieren lasse, da sich keine Zeichen einer Verletzung dieses Bereiches fänden (S. 6 des GA vom 18.05.2005, Bd. III, Nl. 484), auch seien auf den Röntgenbildern keine Knochensplitter erkennbar gewesen (S. 14 d. Urteils, Bd. IV, Bl. 799 d.A.), ein später angefertigtes MRT habe keine Anomalie gezeigt (Seite 5/6 des GA vom 25.09.2005, Bd. III, Bl. 590 d.A.). Inwieweit eine weitergehende Auseinandersetzung hätte erfolgen sollen und müssen, trägt auch die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung nicht vor.

47

Schließlich hat sich weder die der gutachterlichen Bewertung zuzuführende Tatsachengrundlage geändert noch sind neue wissenschaftliche Erkenntnisse dargelegt worden, die eine Neubegutachtung erforderlich werden ließen.

2.

48

Auch kann ein solcher Schadensersatzanspruch bzw. Schmerzensgeldanspruch nicht aus der Verletzung einer Aufklärungspflicht hergeleitet werden. Nach Durchführung der Beweisaufnahme hat der Senat nicht feststellen können, dass den Beklagten der Vorwurf einer Aufklärungspflichtverletzung trifft.

a)

49

Zwar ist insoweit das Landgericht unzutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin hätte vortragen müssen, dass und weshalb sie einer Operation nach erfolgter Aufklärung widersprochen hätte; dies war insoweit fehlerhaft, als der Beklagte das Vorliegen einer hypothetischen Einwilligung nicht behauptet, sondern sich auf eine ausreichende Aufklärung berufen hat, so dass die Klägerin einen Entscheidungskonflikt auch nicht darlegen musste (BGH, NJW 1994, 799). Dies ändert am Ergebnis gleichwohl nichts, weil eine Aufklärungspflichtverletzung nicht gegeben ist.

b)

50

Soweit die Klägerin einen Aufklärungsfehler im Hinblick auf die fehlende Unterrichtung über Behandlungsalternativen für gegeben hält, kann dem nicht gefolgt werden. Aus den oben genannten Gründen kamen alternative Behandlungsmethoden nicht in Betracht. Dementsprechend war auch keine gesonderte Aufklärung über derartige Maßnahmen geschuldet. Dies ist nur dann der Fall, wenn gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden mit wesentlich unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten begründen (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl., C II 2. Rn. 21 m.w.N.).

c)

51

Die Klägerin hat sich erstinstanzlich rechtzeitig auf einen Aufklärungsfehler des Beklagten im Hinblick auf ein chronisches Schmerzsyndrom berufen. Dies erfolgte erstmalig nach Erhalt des Gutachtens des Herrn Dr. M... mit Schriftsatz vom 26.08.2005 (Bd. III, Bl. 513ff. d.A.) und erneut mit Schriftsatz vom 20.02.2006 (Bd. IV, Bl. 638 d.A.).

52

Der Senat sieht es - nachdem er sich durch den Sachverständigen über die Risiken der Steißbeinresektionen hat fachkundig beraten lassen -, nicht für erforderlich an, dass der Beklagte die Klägerin über den möglichen Eintritt eines chronischen Schmerzsyndroms hätte beraten müssen. Dementsprechend kann dahinstehen, ob das chronische Schmerzsyndrom der Klägerin tatsächlich auf die Operation zurückzuführen ist.

53

Der Arzt ist gehalten, den Patienten über die dem Eingriff typischerweise anhaftenden Risiken der Behandlung aufzuklären, als er auf die Risiken als solche, auf die Schwere der Schadensfolgen für die Lebensführung des Patienten im Fall einer Risikoverwirklichung sowie auf die Häufigkeit der erfahrungsgemäß auftretenden Schadensfolgen hinzuweisen hat (Geiß/Greiner, a.a.O., C II. 3 Rn. 42 ff. m.w.N.). Nicht aufklärungspflichtig sind hingegen eingriffsspezifische Risiken, die so außergewöhnlich und nicht vorhersehbar sind, dass sie für den Entschluss des Patienten, ob er in die Operation einwilligt, keine Bedeutung haben (Geiß/Greiner, a.a.O., C II. 2 Rn. 45 ff. m.w.N.) sowie über allgemeine Operationsrisiken, über die eine gesonderte Aufklärung nicht geschuldet ist, weil sie mit jedem operativen Eingriff der konkret in Betracht stehenden Schwere regelmäßig verbunden sind (Wundinfektionen, Verletzungen von Nerven und Gefäßen, Narbenbruch, Nachblutungsgefahr, Thrombosen, Embolien); letztere dürfen im Regelfall als bekannt vorausgesetzt werden, solange der Patient den Eingriff nicht ersichtlich für ganz ungefährlich hält.

54

Voraussetzung ist jedoch, dass auch dem Arzt das konkrete Risiko bekannt gewesen sein musste. Dies ist zum einen nicht der Fall, wenn das Risiko als solches nicht bekannt, insbesondere in der Fachliteratur nicht erörtert wurde. Den Arzt trifft zumindest kein Verschuldensvorwurf, wenn ihm das Risiko nicht bekannt sein musste, etwa weil es nur in anderen Spezialgebieten der medizinischen Wissenschaft diskutiert wurde (Geiß/Greinert, a.a.O., C II 2. Rn. 46 m.w.N.).

55

Vorliegend kann nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden, dass dem Beklagten bekannt sein musste, dass bei der vorliegenden Operation mit der Entstehung eines chronischen Schmerzsyndroms zu rechnen sei. Dass ein solches Risiko in der Literatur beschrieben ist, ist nicht ersichtlich. Auch die Recherchen des Sachverständigen waren insoweit erfolglos. Nach der Erklärung des Sachverständigen Dr. M... ist selbst aus der operativen Behandlung von Kokzygodyniefällen nicht bekannt, dass es anschließend zu entsprechenden Schmerzzuständen gekommen ist.

56

Soweit die Klägerin in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 02.01.2008 behauptet, der Senat habe es nicht zugelassen, dem gerichtlichen Sachverständigen Widersprüche vorzuhalten, trifft dies nicht zu. Der Senat hat lediglich darauf verwiesen, dass Fragen an den Sachverständigen über die Parteienvertreter zu stellen seien.

57

Auch im übrigen erfordert es der nicht nachgelassene Schriftsatz nicht, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.

III.

58

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

59

Die Streitwertfestsetzung beruht auf folgenden Erwägungen:

60

1. von der Klägerin begehrtes Schmerzensgeld (mindestens):    

50.000,00 €

2. bezifferter Zahlungsanspruch:

175.711,24 €

3. fünffacher Jahresbetrag der Geldrente:

41.538,00 €

4. Feststellungsantrag für zukünftige Schäden:

268.000,00 €

        

535.249,24 €

61

Im Hinblick auf den Feststellungsantrag war zu berücksichtigen, dass ein weiteres Schmerzensgeld nur für unvorhersehbare Schäden zu leisten wäre. Auch wäre bei einer entsprechenden Verurteilung ein Haushaltsführungsschaden durch die begehrte Geldrente nicht weiter zu berücksichtigen. Der Streitwert des Feststellungsantrags wird dementsprechend im wesentlichen durch den zu erwartenden Verdienstausfall bestimmt. Dabei schätzt der Senat nach den Angaben der Klägerin, ihr seien Verdienste von ca. 67.000,-- € jährlich entgangen, einen Betrag von ca. 335.000,-- € (begrenzt auf einen Zeitraum von 5 Jahren, § 17 Abs. 2 GKG a.F.) und berücksichtigt einen Abzug von 20 %, da nur ein Feststellungsantrag gestellt wurde.

IV.

62

Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht. Weder kommt der Sache grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

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(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.

(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.

(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.

(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.

(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Wird die Vornahme einer Handlung, mit der Auslagen verbunden sind, beantragt, hat derjenige, der die Handlung beantragt hat, einen zur Deckung der Auslagen hinreichenden Vorschuss zu zahlen. Das Gericht soll die Vornahme der Handlung von der vorherigen Zahlung abhängig machen.

(2) Die Herstellung und Überlassung von Dokumenten auf Antrag sowie die Versendung von Akten können von der vorherigen Zahlung eines die Auslagen deckenden Vorschusses abhängig gemacht werden.

(3) Bei Handlungen, die von Amts wegen vorgenommen werden, kann ein Vorschuss zur Deckung der Auslagen erhoben werden.

(4) Absatz 1 gilt nicht in Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, für die Anordnung einer Haft und in Strafsachen nur für den Privatkläger, den Widerkläger sowie für den Nebenkläger, der Berufung oder Revision eingelegt hat. Absatz 2 gilt nicht in Strafsachen und in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, wenn der Beschuldigte oder sein Beistand Antragsteller ist. Absatz 3 gilt nicht in Strafsachen, in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten sowie in Verfahren über einen Schuldenbereinigungsplan (§ 306 der Insolvenzordnung).