Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 18. Juli 2012 - 3 UF 202/11

bei uns veröffentlicht am18.07.2012

Tenor

Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts –Familiengerichts - Wittenberg vom 29. August 2011, erlassen am 30. August 2012, abgeändert:

Der Antrag des Antragstellers, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz trägt der Antragsteller.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Das Kind R. wurde am 18.08.2005 in B. geboren. Die Kindesmutter ist Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina. Der Antragsgegner zu 3. hat die Vaterschaft zu dem betroffenen Kind am 30.08.2005 mit Zustimmung der Kindesmutter vor dem Standesamt F. zu Urkundsnummer 2101/05 anerkannt. Am 29.01.2008 haben die Kindesmutter und der Antragsgegner zu 3. vor dem Bezirksamt N. zu B. – Jugendamt – zur Urkundsnummer 115/2008 eine gemeinsame Sorgeerklärung für das beteiligte Kind abgegeben.

2

Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Abstammungsgutachtens nach der Methode des genetischen Fingerabdrucks und Anhörung der Kindesmutter und des rechtlichen Vaters durch die angefochtene Entscheidung dem Antrag des Antragstellers (für die behördliche Anfechtung der Vaterschaft zuständige Landesbehörde) entsprochen und festgestellt, dass der Antragsgegner zu 3. (im angefochtenen Beschluss Antragsgegner zu 2.) nicht der Vater des Kindes (im angefochtenen Beschluss Antragsgegner zu 1.) ist.

3

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Kindesmutter.

4

Sie meint, die angefochtene Entscheidung beruhe auf einem nicht ausreichend aufgeklärten Sachverhalt. Das Amtsgericht habe das Jugendamt nicht angehört, was nach § 176 FamFG nicht nur geboten, sondern zur Klärung der Problematik der sozial-familiären Beziehung und zur Aufklärung der Bindung des Kindesvaters erforderlich gewesen wäre. Bereits nach dem erstinstanzlichen Vorbringen hätte das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung zwischen R. (und auch der Schwester M. ) angenommen werden müssen; eine solche habe von Geburt an bestanden und bestehe nach wie vor. Der Antragsgegner zu 3. habe eine starke und innige Beziehung zu den beiden Kindern, er sei bei den Kindern in Bosnien gewesen, als sie noch dort aufhältig gewesen seien, sehe sie mindestens zweimal im Monat, telefoniere mit der Kindesmutter und den Kindern und werde an allen wichtigen Entscheidungen beteiligt. Er habe für beide Kinder bei der B. eine Familienversicherung.

5

Überdies bestünden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB.

6

Die Beschwerdeführerin beantragt,

7

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung, den Antrag des Antragstellers abzuweisen.

8

Der Antragsteller beantragt,

9

die Beschwerde zurückzuweisen.

10

Er vertieft seinen Vortrag aus der ersten Instanz.

II.

11

Die Beschwerde der Kindesmutter ist nach §§ 58, 59, 60, 63, 64, 65 FamFG zulässig; sie hat in der Sache auch Erfolg. Denn entgegen der Auffassung des Antragstellers und des Amtsgerichts ist hier davon auszugehen, dass zwischen dem Antragsgegner zu 1. (R. ) und dem Antragsgegner zu 3. eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne von § 1600 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 und 4 BGB bestanden hat und nach wie vor besteht.

12

Dass das Ergebnis des eingeholten Abstammungsgutachtens gegen die Vaterschaft des Antragsgegners zu 3. streitet, ist deshalb unerheblich, noch dazu es erst nach Klärung dieser „Vorfrage“ – vgl. Senatsbeschluss vom 25.08.2010 - 3 UF 106/10 - hätte eingeholt werden dürfen.

13

Dabei bestehen zunächst keinerlei Bedenken, dass die Anfechtungsfristen des § 1600 b 1 a BGB gewahrt sind; ebenso wenig bedenklich ist, dass die maßgeblichen Normen erst zum 01.06.2008 in Kraft getreten sind, das Kind jedoch schon weit vor diesem Zeitpunkt geboren wurde. Der Senat hat zur Problematik der rückwirkenden Anwendung der Normen bereits in seiner Entscheidung vom 25.08.2010 ausführlich Stellung genommen und die rückwirkende Anwendung für rechtens befunden, sodass darauf Bezug genommen werden kann (vgl. Beschluss 3 UF 106/10).

14

Bedenken bestehen allerdings, und darauf weist die Beschwerde zu Recht hin, dass das Amtsgericht entgegen § 176 FamFG das Jugendamt nicht beteiligt hat. Denn gerade für die Klärung der hier mit entscheidenden Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer sozial-familiären Beziehung ist die Mitwirkung des Jugendamtes von Bedeutung.

15

Zur Aufklärung des Sachverhalts in diese Richtung geboten war auch die Anhörung der Kinder durch das Gericht selbst, die kraft gesetzlicher Regelung von Amts wegen ohnehin am Verfahren zu beteiligen sind (vgl. §§ 171, 175 Abs.1 FamFG).

16

Der Senat hat dies nachgeholt und alle Beteiligten und das Jugendamt persönlich angehört. Mit Blick auf die grundsätzliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 21.03.2012 - XII ZB 510/10) hat auf Anregung des Senats das Amtsgericht die Ergänzungspflegschaft für den minderjährigen R. angeordnet und das Jugendamt W. zum Ergänzungspfleger bestellt. Der Ergänzungspfleger hat von der Möglichkeit, Stellung zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht.

17

Nach dem Anhörungsergebnis erweist sich das Begehren des Antragstellers als unbegründet, weil eine sozial-familiäre Beziehung zwischen rechtlichem Vater und dem Kind (Kindern) vorliegt.

18

Das ergibt sich besonders aus dem Ergebnis der Anhörung der Kinder vor dem Senat und dem -rein zufälligen- eigenen Erleben des Zusammentreffens von R. (und seiner Schwester M. ) mit dem Antragsgegner zu 3. auf dem Gerichtsflur vor Beginn der mündlichen Anhörung. Dieses Zusammentreffen des (rechtlichen) Kindesvaters mit den Kindern zeigte sich den Senatsmitgliedern als von großer Innigkeit, Freude und Wärme getragen. In der Anhörung der Kinder hat sich dieses herzliche Verhältnis der Kinder zum Antragsgegner zu 3. bestätigt, den sie beiläufig als Papa/ Papo bezeichneten.

19

Der Antragsgegner zu 3. hat in seiner Anhörung unwiderlegt auf jahrelange enge Beziehungen zur Kindesmutter hingewiesen, die bereits vorgeburtlich gelegentlich seines Einsatzes als Soldat in Bosnien entstanden waren, danach weiter bestanden hätten und seit der Geburt der Kinder nach wie vor zu ihr und den Kindern bestehen. Dabei erklärte er dem Senat gegenüber trotz des vorliegenden Gutachtens, dass für ihn selbst keine Wertigkeit habe, dass er der Vater der Kinder – auch von M. – sei und immer sein werde. Er habe sich trotz seiner ihn immer stärker beeinträchtigenden Krankheit - der Grad der gesundheitlichen Beeinträchtigung betrage 100 % - immer um die Kinder gekümmert, wenn er auch zur Unterhaltszahlung nicht in der Lage sei, den Kindern gegeben, was er konnte, und die Kinder bei der Mutter regelmäßig, zweimal im Monat, besucht. Dabei habe er sich mit ihnen beschäftigt und Probleme der Kinder mit der Kindesmutter besprochen. Dies reicht auch mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH XII ZR 164/04) und des Senats (vgl. Beschluss 3 UF 106/10) aus, um im Sinne der genannten Normen vom Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung zwischen (rechtlichem) Vater und dem Kind auszugehen, die einem erfolgreichen Anfechtungsbegehren der Landesbehörde entgegensteht.

20

Angesichts dessen kann dahingestellt bleiben, ob gegen die gesetzlichen Anfechtungsregelungen deshalb verfassungsrechtliche Bedenken bestehen können, weil sie unehelich und scheinehelich geborene Kinder ungleich behandeln, wie mit der Beschwerde geltend gemacht.

21

Die weiteren Entscheidungen folgen aus §§ 40, 47 Abs. 1 FamGKG, 84, 81, 70 Abs. 1 FamFG.


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(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist,

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(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll. (

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(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:1.der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,2.der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,3.die Mutter und4

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Ein Kind, für das die elterliche Sorge besteht, oder ein unter Vormundschaft stehender Mündel kann in allen seine Person betreffenden Angelegenheiten ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters das Beschwerderecht ausüben. Das Gleiche gilt in sons

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(1) Das Gericht soll im Fall einer Anfechtung nach § 1600 Absatz 1 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie im Fall einer Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn die Anfechtung durch den gesetzlichen Vertreter erfolg

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(1) Das Gericht soll im Fall einer Anfechtung nach § 1600 Absatz 1 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie im Fall einer Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn die Anfechtung durch den gesetzlichen Vertreter erfolgt, das Jugendamt anhören. Im Übrigen kann das Gericht das Jugendamt anhören, wenn ein Beteiligter minderjährig ist.

(2) Das Gericht hat dem Jugendamt in den Fällen einer Anfechtung nach Absatz 1 Satz 1 sowie einer Anhörung nach Absatz 1 Satz 2 die Entscheidung mitzuteilen. Gegen den Beschluss steht dem Jugendamt die Beschwerde zu.

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

1.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,
2.
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,
3.
die Mutter und
4.
das Kind.

(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind.

(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

(2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.

(3) Die Beschwerdeberechtigung von Behörden bestimmt sich nach den besonderen Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes.

Ein Kind, für das die elterliche Sorge besteht, oder ein unter Vormundschaft stehender Mündel kann in allen seine Person betreffenden Angelegenheiten ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters das Beschwerderecht ausüben. Das Gleiche gilt in sonstigen Angelegenheiten, in denen das Kind oder der Mündel vor einer Entscheidung des Gerichts gehört werden soll. Dies gilt nicht für Personen, die geschäftsunfähig sind oder bei Erlass der Entscheidung das 14. Lebensjahr nicht vollendet haben.

(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen.

(2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet:

1.
Endentscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung oder
2.
Entscheidungen über Anträge auf Genehmigung eines Rechtsgeschäfts.

(3) Die Frist beginnt jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.

(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll.

(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt. Die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ist in Ehesachen und in Familienstreitsachen ausgeschlossen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen.

(3) Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist.

(1) Die Beschwerde soll begründet werden.

(2) Das Beschwerdegericht oder der Vorsitzende kann dem Beschwerdeführer eine Frist zur Begründung der Beschwerde einräumen.

(3) Die Beschwerde kann auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden.

(4) Die Beschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

1.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,
2.
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,
3.
die Mutter und
4.
das Kind.

(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

(1) Das Gericht soll im Fall einer Anfechtung nach § 1600 Absatz 1 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie im Fall einer Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn die Anfechtung durch den gesetzlichen Vertreter erfolgt, das Jugendamt anhören. Im Übrigen kann das Gericht das Jugendamt anhören, wenn ein Beteiligter minderjährig ist.

(2) Das Gericht hat dem Jugendamt in den Fällen einer Anfechtung nach Absatz 1 Satz 1 sowie einer Anhörung nach Absatz 1 Satz 2 die Entscheidung mitzuteilen. Gegen den Beschluss steht dem Jugendamt die Beschwerde zu.

(1) Das Verfahren wird durch einen Antrag eingeleitet.

(2) In dem Antrag sollen das Verfahrensziel und die betroffenen Personen bezeichnet werden. In einem Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sollen die Umstände angegeben werden, die gegen die Vaterschaft sprechen, sowie der Zeitpunkt, in dem diese Umstände bekannt wurden.

(1) Das Gericht soll vor einer Beweisaufnahme über die Abstammung die Angelegenheit in einem Termin erörtern. Es soll das persönliche Erscheinen der verfahrensfähigen Beteiligten anordnen.

(2) Das Gericht soll vor einer Entscheidung über die Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und die Anordnung der Duldung der Probeentnahme (§ 1598a Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) die Eltern und ein Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, persönlich anhören. Ein jüngeres Kind kann das Gericht persönlich anhören.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 510/10
vom
21. März 2012
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Im Verfahren der Anfechtung der Vaterschaft ist der anfechtende (rechtliche) Vater
von der gesetzlichen Vertretung des minderjährigen Kindes kraft Gesetzes ausgeschlossen.
Die Umgestaltung des Verfahrens von einem Klageverfahren in ein Verfahren
der freiwilligen Gerichtsbarkeit und die Einführung des Verfahrensbeistands
zum 1. September 2009 haben daran nichts geändert (Abgrenzung zu Senatsbeschluss
vom 7. September 2011 - XII ZB 12/11 - FamRZ 2011, 1788).

b) Da der Vertretungsausschluss an das zu beseitigende Statusverhältnis geknüpft ist,
ist der Vater jedenfalls aufgrund der Rechtslage seit 1. September 2009 auch bei der
Anfechtung durch andere Berechtigte, insbesondere in den Fällen des § 1600 Abs. 1
Nr. 2 und 5 BGB, einheitlich von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen (Abgrenzung
zu Senatsurteilen BGHZ 170, 161 = FamRZ 2007, 538 und vom 27. März
2002 - XII ZR 203/99 - FamRZ 2002, 880).

c) Die Mutter des Kindes ist in diesen Fällen von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen
, wenn sie mit dem (rechtlichen) Vater verheiratet ist. Aus ihrer notwendigen
Beteiligung am Abstammungsverfahren folgt noch kein Ausschluss von der Vertretung
des Kindes.
BGH, Beschluss vom 21. März 2012 - XII ZB 510/10 - OLG Düsseldorf
AG Erkelenz
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. März 2012 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Dose, Dr. Klinkhammer,
Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24. September 2010 wird auf Kosten der Beteiligten zu 1 und 2 zurückgewiesen. Wert: 2.000 €

Gründe:

I.

1
Die Beteiligte zu 1 ist die Mutter des betroffenen Kindes, das im Juni 2005 geboren wurde. Der Beteiligte zu 3 hatte bereits im Juli 2005 die Vaterschaft zu dem Kind anerkannt. Diese Anerkennung ist nicht wirksam geworden, weil die Mutter ihr nicht zugestimmt hat. Sie und der Beteiligte zu 2 sind seit dem 16. April 2010 miteinander verheiratet. Unter dem 19. April 2010 erkannte der Beteiligte zu 2 die Vaterschaft zu dem betroffenen Kind mit Zustimmung der Mutter an. Der Beteiligte zu 3 ficht in einem weiteren Verfahren als möglicher leiblicher Vater die Vaterschaft des Beteiligten zu 2 an.
2
Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht zur Vertretung des betroffenen Kindes im Anfechtungsverfahren eine Ergänzungspflegschaft eingerichtet und das Jugendamt zum Pfleger bestellt. Die dagegen von den Beteilig- ten zu 1 und 2 eingelegte Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Beteiligten zu 1 und 2 mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit welcher sie die Aufhebung der Ergänzungspflegschaft erreichen wollen.

II.

3
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
4
1. Das Oberlandesgericht hat in seinem in JAmt 2010, 505 veröffentlichten Beschluss die Auffassung vertreten, dass die Anordnung der Ergänzungspflegschaft geboten sei, weil die Eltern nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 1 iVm § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB von der Vertretung kraft Gesetzes ausgeschlossen seien. Zwar gelte die Regelung nur für Rechtsstreitigkeiten. Ob damit auch echte Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erfasst seien, könne offenbleiben. Denn aus der Reform des Familienverfahrensrechts sei jedenfalls nicht zu ersehen, dass die bisher unstreitig der Regelung des § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB unterfallenden Rechtsstreitigkeiten dessen Geltungsbereich entzogen werden sollten. Das Abstammungsverfahren sei allein durch die Qualifizierung im neuen Verfahrensrecht nicht mehr Familienstreitsache. Materiell bleibe es aber ein Streitverfahren, das sich durch einen Interessengegensatz der Beteiligten auszeichne. Der Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 1629 Abs. 2 a BGB auf Verfahren nach § 1598 a BGB lasse sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Die Vorschrift belege vielmehr, dass der Gesetzgeber den Vertretungsausschluss der Sorgeberechtigten für angemessen halte. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers sei auch im Hinblick auf eine etwaig vorrangige Bestellung eines Verfahrensbeistands nicht entbehrlich. Dieser könne zwar den Interessengegensatz abmildern und den Tatbestand der Vertretungsentziehung nach § 1796 BGB beeinflussen. Jedoch sei der Verfahrensbeistand nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes, so dass seine Bestellung auch nicht von der vorrangigen Prüfung der gesetzlichen Vertretung nach §§ 1629 Abs. 2, 1795 BGB entbinde.
5
2. Das hält einer rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.
6
Der Beteiligte zu 2 ist als - rechtlicher - Vater und die Beteiligte zu 1 als dessen Ehefrau von der gesetzlichen Vertretung des Kindes im Anfechtungsverfahren ausgeschlossen, so dass zu Recht nach § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Ergänzungspflegschaft angeordnet worden ist.
7
a) Ob § 1795 BGB auf Abstammungsverfahren nach dem zum 1. September 2009 in Kraft getretenen FGG-Reformgesetz vom 17. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2586, im Folgenden: FGG-Reformgesetz) und der Umgestaltung des Abstammungsverfahrens von einem Klageverfahren (Verfahren in Kindschaftssachen nach §§ 640 ff. ZPO) in ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach §§ 169 ff. FamFG weiter anwendbar ist, ist umstritten.
8
Zum Teil wird davon ausgegangen, dass Abstammungssachen keinen Rechtsstreit im Sinne von § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB mehr darstellen und dass die am Verfahren beteiligten Eltern aufgrund ihrer Stellung im Verfahren an der gesetzlichen Vertretung des Kindes nicht gehindert sind (Helms in Helms/ Kieninger/Rittner Abstammungsrecht in der Praxis Rn. 74 ff.; Helms/Balzer ZKJ 2009, 348, 349 f.; Gutzeit in Kaiser/Schnitzler/Friederici BGB Familienrecht 2. Aufl. § 1600 a Rn. 8 f.).
9
Demgegenüber wird die Auffassung vertreten, dass § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB erweiternd auszulegen sei und die Eltern sowohl im Feststellungsverfahren als auch im Anfechtungsverfahren als Verfahrensbeteiligte analog § 1795 Abs. 2 BGB iVm § 181 BGB stets ausgeschlossen seien (Kieninger in Helms/Kieninger/Rittner Abstammungsrecht in der Praxis Rn. 225 ff.; MünchKommZPO/Coester-Waltjen/Hilbig 3. Aufl. § 172 Rn. 33 ff.; Dressler Rpfleger 2010, 297; Vogel FPR 2011, 353, 354; Stößer in Prütting/Helms FamFG 2. Aufl. § 172 Rn. 4 ff.; anders noch Stößer FamRZ 2009, 923, 926).
10
Schließlich wird im Ausgangspunkt übereinstimmend mit dem Oberlandesgericht eine Orientierung an der herkömmlichen Anwendung des § 1795 BGB auf Abstammungsverfahren vertreten, weil sich durch die Umgestaltung des Verfahrensrechts an der Vertretungsberechtigung der Eltern nichts geändert habe (OLG Hamburg FamRZ 2010, 1825; KG Rpfleger 2011, 157; Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1600 a Rn. 25 ff.; Erman/Hammermann BGB 13. Aufl. § 1600 a Rn. 14a; MünchKommBGB/Wellenhofer BGB 6. Aufl. § 1600 a Rn. 9 ff.; MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1795 Rn. 34; Löhnig FamRZ 2009, 1798, 1799; Klinkhammer in Schnitzler Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht 3. Aufl. § 29 Rn. 62, 23; differenzierend nach der Verfahrensrolle des Kindes Grün Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung 2. Aufl. Rn. 211 ff.; ähnlich Schwonberg in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 3. Aufl. § 172 Rn. 14 f.).
11
b) Die Streitfrage bedarf im vorliegenden Fall zwar nur insoweit der Entscheidung , als die Anfechtung der Vaterschaft durch den (angeblichen) leiblichen Vater nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB berührt ist. Ihre Beantwortung hängt aber von der allgemeinen Beurteilung ab, inwiefern sich die Reform des Verfahrensrechts zum 1. September 2009 auf die gesetzliche Vertretung des Kindes im Abstammungsverfahren ausgewirkt hat. Die Frage ist dahin zu beantworten, dass der Gesetzgeber die gesetzliche Vertretung in Abstammungssachen nicht geändert hat und sich aus der Neuregelung des Verfahrensrechts nur in solchen Fällen Änderungen ergeben, in denen die gesetzliche Vertretung durch die sorgeberechtigten Eltern und deren Ausschluss nach der Rechtslage vor dem 1. September 2009 maßgeblich von den Besonderheiten des früheren Verfahrensrechts abhingen.
12
aa) Der in § 1795 Abs. 2 BGB iVm § 181 BGB zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke ist auf den Ausschluss des rechtlichen Vaters von der gesetzlichen Vertretung des Kindes weiter anzuwenden. Der Vater kann nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes sein, wenn das Verfahren auf die Beseitigung des zwischen ihm und dem Kind bestehenden Statusverhältnisses gerichtet ist (zur vorgelagerten Entscheidung über das "Ob" der Anfechtung s. Senatsurteil BGHZ 180, 51 = FamRZ 2009, 861; zum Verhältnis dieser Entscheidung zur Vertretung im Anfechtungsverfahren OLG Brandenburg FamRZ 2010, 472). Die Anfechtung der Vaterschaft ist insoweit unverändert durch den abstrakten Interessengegensatz von Kind und rechtlichem Vater gekennzeichnet, zumal die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft dazu führt, dass dem Kind die Grundlage für elementare subjektive Rechte wie Unterhalt und Erbrecht entzogen wird. Dass Vater und Kind im Einzelfall gleichgerichtete Interessen an der Beseitigung der Vaterschaft haben mögen, verhielt sich nach der bis zum 31. August 2009 geltenden Rechtslage nicht anders und hat den Gesetzgeber nicht dazu veranlasst, in Verfahren auf Antrag des Vaters oder des Kindes dem Vater die gesetzliche Vertretung des Kindes zu gestatten.
13
(1) Durch das neue Verfahrensrecht ist allerdings die formale Gegnerschaft von Vater und Kind in diesen Fällen entfallen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung sollte dadurch das Verfahren flexibler gestaltet werden und dies wiederum mit dem Vorteil verbunden sein, dass "die Beteiligten nicht ohne Not in die Position von Gegnern gebracht werden", was "insbesondere für das Kind im Verhältnis zum anfechtenden Vater" gelte (BT-Drucks. 16/6308 S. 243 f.). Daraus lässt sich indessen nicht schließen, dass der Gesetzgeber zugleich dem anfechtenden Vater abweichend von der vorherigen Rechtslage nunmehr die gesetzliche Vertretung des Kindes einräumen wollte. Vielmehr ist zu beachten, dass es sich bei der gesetzlichen Vertretung um eine materiellrechtliche Frage handelt und der hierfür zu berücksichtigende Interessenkonflikt der am Statusverhältnis Beteiligten allein durch eine Änderung der diesen zugedachten verfahrensrechtlichen Stellung nicht beseitigt worden ist, worauf das Oberlandesgericht zutreffend hingewiesen hat. Dass der Gesetzgeber den Änderungen im Verfahrensrecht keine Ausstrahlung auf die gesetzliche Vertretung zugedacht hat, zeigt sich etwa an den speziellen Regelungen in § 1629 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz, Abs. 2 a BGB, die durch das FGG-Reformgesetz nicht angetastet worden sind. Dementsprechend ist im Vorfeld der FGG-Reform darauf verwiesen worden, dass für die gesetzliche Vertretung sowie den Ausschluss der Vertretung die allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts gelten (Heiter FPR 2006, 417, 420), ohne dass dabei Auswirkungen der Verfahrensneuordnung auf die gesetzliche Vertretung in Betracht gezogen worden sind.
14
Der Ausschluss des anfechtenden Vaters von der Vertretungsbefugnis als Prozessgegner des Kindes war überdies schon nach früherem Recht gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, sondern nur aus dem Rechtsgedanken des § 181 BGB herzuleiten. Denn es wurde vom Gesetzgeber offenbar als selbstverständlich angesehen, dass der Vormund bzw. Elternteil nicht zugleich für sich und das Kind handeln kann (vgl. Staudinger/Engler [2004] § 1795 Rn. 29; MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1795 Rn. 35). Allein aus der Beseitigung der Gegnerstellung von Vater und Kind nach § 1600 e Abs. 1 Nr. 1, 3 BGB lässt sich indessen wie ausgeführt nicht der Schluss ziehen, dass dadurch dem Vater die gesetzliche Vertretung zugewiesen werden sollte. Vielmehr ist davon auszugehen , dass der Gesetzgeber etwaige Konsequenzen des FGG-Reformgesetzes für die gesetzliche Vertretung des minderjährigen Kindes nicht beab- sichtigt hat (Schwonberg in Schulte/Bunert/Weinreich FamFG 3. Aufl. § 172 Rn. 12; Stößer in Prütting/Helms FamFG 2. Aufl. § 172 Rn. 4) und somit der in §§ 1795 Abs. 2, 181 BGB zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke auf Vater und Kind als Beteiligte des zu beseitigenden Statusverhältnisses weiterhin anzuwenden ist.
15
(2) Der Senat hat allerdings zur früheren Rechtslage - was das Oberlandesgericht übersehen hat - im Fall der Vaterschaftsanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB einen Vertretungsausschluss des rechtlichen Vaters verneint (Senatsurteil BGHZ 170, 161 = FamRZ 2007, 538 Rn. 14). Die Anfechtung durch den (angeblichen) leiblichen Vater zeichnete sich indessen nach der bis 31. August 2009 bestehenden Rechtslage durch die Besonderheit aus, dass die Klage nach § 1600 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB gegen das Kind und den rechtlichen Vater zu richten war. Der Senat ist dementsprechend von der - formalen - Betrachtung ausgegangen, dass Vater und Kind in diesem Fall nicht Prozessgegner , sondern Streitgenossen waren. Demgegenüber hat der Senat bei der Anfechtung durch die Mutter entschieden, dass diese das Kind schon für die Zustellung der Beiladung nach § 640 e ZPO nicht vertreten könne (Senatsurteil vom 27. März 2002 - XII ZR 203/99 - FamRZ 2002, 880, 882).
16
Ob an dieser auf formalen Gründen beruhenden Unterscheidung festzuhalten ist (vgl. OLG Hamburg FamRZ 2010, 745), bedarf indessen keiner Entscheidung , weil jedenfalls in Folge der FGG-Reform die Grundlage für die unterschiedliche Behandlung der genannten Fälle entfallen ist. Durch die gesetzliche Neuregelung sind die genannten Besonderheiten, die sich insoweit aus dem Verfahrensrecht ergeben haben, gleichzeitig mit der beseitigten Passivlegitimation entfallen. Der Gesetzgeber hat nur in Bezug auf die Aktivlegitimation und die Antragsberechtigung an der bisherigen Bestimmung in § 1600 BGB festgehalten. Dagegen ist die Regelung zur Passivlegitimation (§ 1600 e BGB) ersatzlos aufgehoben worden, weil das Verfahren nunmehr als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ohne einen förmlichen Antragsgegner zu führen ist und die übrigen von der Anfechtung betroffenen Personen nach § 172 FamFG vom Familiengericht nur noch als Beteiligte hinzuzuziehen sind. Damit unterscheidet sich das Anfechtungsverfahren auf Antrag des Vaters oder des Kindes (§ 1600 Abs. 1 Nr. 1 und 4 BGB) nicht mehr von denjenigen auf Antrag der Mutter (Nr. 3), des (angeblichen) leiblichen Vaters (Nr. 2) und der anfechtungsberechtigten Behörde (Nr. 5), so dass der Vertretungsausschluss des Vaters einheitlich nach materiellen Kriterien zu beurteilen ist.
17
Die vereinzelt vorgeschlagene Differenzierung danach, ob das Kind Antragsteller oder sonstiger Beteiligter ist (so Grün Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung 2. Aufl. Rn. 211 f.), vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Denn der mit der Beseitigung des Statusverhältnisses verbundene Interessenkonflikt und die Wahrnehmung der Rechte des Kindes hängen nicht davon ab, ob das Kind Antragsteller oder sonstiger Beteiligter des Verfahrens ist. Das zeigt sich etwa daran, dass das Kind - vorbehaltlich der Entscheidung über das "Ob" der Anfechtung (vgl. Senatsurteil BGHZ 180, 51 = FamRZ 2009, 861 und zur Vertretung im Verfahren OLG Brandenburg FamRZ 2010, 472) - im Verlauf des Abstammungsverfahrens als sonstiger Beteiligter nach § 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB einen eigenen Anfechtungsantrag ("Gegenantrag") stellen kann. Der Ausschluss von der Vertretungsbefugnis ist demnach, weil andere geeignete Kriterien fehlen, einheitlich an die Beteiligung am zu beseitigenden Statusverhältnis der rechtlichen Vaterschaft zu knüpfen und gilt für den rechtlichen Vater somit in allen Fällen der Vaterschaftsanfechtung.
18
(3) Die Notwendigkeit der Ergänzungspflegschaft entfällt schließlich nicht durch die nunmehr in § 174 FamFG vorgesehene Bestellung eines Verfahrensbeistands in Abstammungssachen. Zwar hat der Senat zur Entziehung der el- terlichen Vertretungsbefugnis nach § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB iVm § 1796 BGB in Kindschaftssachen entschieden, dass den Eltern auch im Fall eines erheblichen Interessengegensatzes die Vertretungsbefugnis nicht entzogen werden darf, wenn bereits durch die Bestellung eines Verfahrensbeistands für eine wirksame Interessenvertretung des Kindes Sorge getragen werden kann (Senatsbeschluss vom 7. September 2011 - XII ZB 12/11 - FamRZ 2011, 1788 Rn. 18 ff.). Insoweit unterscheiden sich aber Abstammungssachen von Kindschaftssachen bereits dadurch, dass das Kind zur Stellung eines Antrags nach § 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB eines gesetzlichen Vertreters bedarf (§ 1600 a Abs. 3 BGB) und die vom Gesetzgeber in Kindschaftssachen angestellte Erwägung, in die gesetzliche Vertretung des Kindes entsprechend der vorausgegangenen Rechtslage nicht eingreifen zu wollen, für Abstammungssachen schon in Anbetracht der anderen Ausgangslage nicht greifen kann. Der Senat hat dementsprechend in jener Entscheidung die Kindschaftssachen von anderen Verfahren abgegrenzt, in denen eine wirksame Interessenvertretung des Kindes auch dessen gesetzliche Vertretung erfordert (Senatsbeschluss vom 7. September 2011 - XII ZB 12/11 - FamRZ 2011, 1788 Rn. 15), was in Abstammungssachen der Fall ist.
19
bb) Auch die Beteiligte zu 1 ist von der Vertretung des betroffenen Kindes im Anfechtungsverfahren ausgeschlossen.
20
(1) Allerdings kann diese Folge nicht schon aus der nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 FamFG vorgeschriebenen Beteiligung der Mutter am Verfahren hergeleitet werden. Auch insoweit ist vielmehr davon auszugehen, dass der Gesetzgeber im Zuge der FGG-Reform jedenfalls keine grundsätzlichen Änderungen an der gesetzlichen Vertretung in Abstammungsverfahren vornehmen wollte. Ein allein aus der Verfahrensbeteiligung hergeleiteter Vertretungsausschluss, der in allen Abstammungsverfahren gelten müsste (so - konsequent - Kieninger in Helms/ Kieninger/Rittner Abstammungsrecht in der Praxis Rn. 229), widerspräche besonderen gesetzlichen Regelungen. So enthält § 1629 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz BGB die ausdrückliche Bestimmung, dass der Mutter für die Feststellung der Vaterschaft die Vertretung nicht nach § 1796 BGB entzogen werden kann. Diese Regelung wäre gegenstandslos, wenn die Mutter von der gesetzlichen Vertretung schon kraft Gesetzes ausgeschlossen wäre. Ein Ausschluss der Mutter von der Vertretung widerspräche aber vor allem auch der bewussten gesetzlichen Wertung, dass die Mutter grundsätzlich in der Lage ist, das Kind seinen Interessen entsprechend im Verfahren zu vertreten (zum Normzweck vgl. Palandt/Diederichsen BGB 71. Aufl. § 1629 Rn. 28 sowie MünchKommBGB/Huber 6. Aufl. § 1629 Rn. 62 jeweils mwN). Dass das Gesetz die Mutter nicht generell als von der Vertretung im Abstammungsverfahren ausgeschlossen ansieht, verdeutlicht ferner § 173 FamFG. Danach ist der sorgeberechtigte Elternteil von der Vertretung des Kindes (im Vaterschaftsfeststellungsverfahren ) - erst - ausgeschlossen, wenn das Kind durch das Jugendamt als Beistand vertreten wird, was wiederum einen entsprechenden Antrag des - sorgeberechtigten - Elternteils nach §§ 1712, 1713 BGB voraussetzt. Dass bei der Vertretung durch die Mutter schließlich nicht zwischen Feststellungs- und Anfechtungsverfahren unterschieden werden kann, zeigt sich am vorliegenden Fall der Anfechtung durch den leiblichen Vater, welche nach § 182 FamFG im Erfolgsfall nicht nur dazu führt, dass das Nichtbestehen der Vaterschaft des rechtlichen Vaters festgestellt wird, sondern (kraft Gesetzes) zugleich auch zur Feststellung der Vaterschaft des Anfechtenden.
21
(2) Die Mutter ist allerdings von der gesetzlichen Vertretung entsprechend § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB dann ausgeschlossen, wenn sie mit dem Vater verheiratet ist. Hier ist ähnlich wie in Bezug auf den Vertretungsausschluss des rechtlichen Vaters der in § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB enthaltene Rechtsgedanke heranzuziehen und - im Hinblick auf die Anfechtung durch den leiblichen Vater abweichend von der früheren Rechtslage - von einer Verhinderung der Mutter auszugehen (Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1600 a Rn. 28; Kaiser in Kaiser/Schnitzler/Friederici BGB Familienrecht 2. Aufl. § 1629 Rn. 85; MünchKommBGB/Wellenhofer 6. Aufl. § 1600 a Rn. 10).
22
cc) Im Ergebnis ist den Vorinstanzen somit darin zu folgen, dass die Beteiligten zu 1 und 2 an der gesetzlichen Vertretung des betroffenen Kindes gehindert sind und die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft für das Vaterschaftsanfechtungsverfahren erforderlich ist. Die Erfolgsaussicht der Anfechtung in der Hauptsache ist im Verfahren zur Anordnung einer Ergänzungspflegschaft schließlich nicht zu prüfen.
Hahne Dose Klinkhammer Günter Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Erkelenz, Entscheidung vom 17.06.2010 - 22 F 161/10 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 24.09.2010 - II-7 UF 112/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 164/04 Verkündet am:
6. Dezember 2006
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GG Artt. 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1; BGB § 1600 Abs. 2 und 3

a) Zur Verfassungsmäßigkeit des § 1600 Abs. 2 BGB, der es dem (angeblichen
) leiblichen Vater verwehrt, die Vaterschaft eines rechtlichen Vaters anzufechten
, wenn zwischen diesem und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung
besteht.

b) Zum Verhältnis zwischen der Definition einer sozial-familiären Beziehung in
§ 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB und den Regelannahmen des § 1600 Abs. 3
Satz 2 BGB.

c) Zur Unzulässigkeit einer isolierten Abstammungsfeststellungsklage, mit der
keine statusrechtlichen Folgen begehrt werden.
BGH, Urteil vom 6. Dezember 2006 - XII ZR 164/04 - OLG Dresden
AG Hohenstein-Ernstthal
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Dezember 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. August 2004 wird auf Kosten des Klägers mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es bei der vom Amtsgericht ausgesprochenen Abweisung des Hilfsantrages als unzulässig verbleibt.
Von Rechts wegen Tenor berichtigt durch anliegenden Beschluss.

Tatbestand:

1
Der Kläger hatte mit der Ehefrau des Beklagten zu 1, die am 3. Januar 2003 die Beklagte zu 2 gebar, innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt und zu Urkunde des Jugendamts vom 4. September 2002 anerkannt, Vater des damals noch ungeborenen Kindes zu sein. Er behauptet dies nach wie vor.
2
Er hatte die Ehefrau des Beklagten zu 1 nach eigener Darstellung Anfang Februar 2002, nach Darstellung des Beklagten zu 1 Anfang April 2002 kennen gelernt. Die Beziehung endete nach übereinstimmender Darstellung der Parteien Anfang Juni 2002. Etwa zeitgleich nahmen der Beklagte zu 1 und seine Ehefrau, die seit 1998 verheiratet sind, ihr eheliches Zusammenleben wieder auf und wohnen seit der Geburt des Kindes mit diesem zusammen. Zuvor hatten sie nach Darstellung des Klägers von Anfang April bis Mitte Juni 2002 getrennt gelebt.
3
Das Familiengericht wies die vom Kläger gegen den Beklagten zu 1 erhobene Klage auf Feststellung, dass dieser nicht der Vater des Kindes sei, unter Hinweis auf § 1600 BGB in der seinerzeit geltenden Fassung mangels Anfechtungsbefugnis als unzulässig ab.
4
Auf die Berufung des Klägers setzte das Berufungsgericht das Verfahren aus, weil das Bundesverfassungsgericht diese Vorschrift einen Tag vor Verkündung des angefochtenen Urteils (mit Beschlüssen vom 9. April 2003 FamRZ 2003, 816 ff.) für teilweise verfassungswidrig erklärt und angeordnet hatte, dass bis zur gesetzlichen Neuregelung anhängige Verfahren, deren Entscheidung hiervon abhängt, auszusetzen sind.
5
Nach der ab 30. April 2004 geltenden Neufassung des § 1600 BGB und der Wiederaufnahme des Verfahrens versicherte der Kläger an Eides Statt, der Mutter des Kindes innerhalb der Empfängniszeit, nämlich im Zeitraum März bis Mai 2002, beigewohnt zu haben, und erweiterte seine Klage gegen die Beklagte zu 2. Ferner beantragte er hilfsweise festzustellen, dass diese von ihm abstamme.
6
Das Berufungsgericht wies die Berufung zurück. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

8
Das Berufungsgericht hat die Klage für insgesamt zulässig, aber sowohl den Haupt- als auch den Hilfsantrag für unbegründet gehalten. Der Kläger habe seine Anfechtungsklage zwar, wie in §§ 1600 e Abs. 1, 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorgeschrieben, sowohl gegen das Kind als auch gegen dessen Vater im Sinne des § 1592 Nr. 1 BGB erhoben. Er sei aber nach § 1600 Abs. 2 BGB zur Anfechtung nicht berechtigt, weil zwischen den beiden Beklagten eine sozialfamiliäre Beziehung bestehe. Das sei nach § 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB der Fall, wenn der Vater im Rechtssinne für das Kind tatsächliche Verantwortung trage. Davon sei nach § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB in der Regel auszugehen, wenn der rechtliche Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet sei oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt habe. Beide Voraussetzungen seien hier erfüllt, da der Beklagte zu 1 mit der Mutter der Beklagten zu 2 seit 1998 verheiratet sei und die Beklagte zu 2 seit ihrer Geburt im Januar 2003 mit diesen in der gemeinsamen Wohnung lebe, was auch der Kläger nicht in Abrede stelle.
9
Diese gesetzlichen Regelungen seien, soweit sie den vorliegenden Fall beträfen, verfassungsrechtlich unbedenklich. Mit ihnen habe der Gesetzgeber die ihm vom Bundesverfassungsgericht (Beschlüsse vom 9. April 2003 aaO) gemachten Vorgaben zutreffend umgesetzt. Insbesondere habe er damit das hier vom Kläger beanspruchte Recht auf Klärung der biologischen Abstammung gegen den durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützten unbeeinträchtigten Fortbestand der aus dem Vater im Rechtsinne, dem Kind und dessen Mutter bestehenden sozial-familiären Verantwortungsgemeinschaft abgewogen und in nicht zu beanstandender Weise diesem Schutz den Vorrang vor der Möglichkeit der Vaterschaftsanfechtung eingeräumt, indem er diese nur in Fällen zulasse, in denen keine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind bestehe.
10
Diese Wertung gebiete zugleich die Abweisung des Hilfsantrages, da auch die begehrte Feststellung, dass die Beklagte zu 2 vom Kläger abstamme, diese sozial-familiäre Beziehung gefährde. Auch insoweit müsse ein möglicherweise aus dem Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) des angeblichen biologischen Vaters herzuleitendes Recht, die Abstammung des Kindes von ihm gerichtlich klären zu lassen, hinter dem durch Art. 6 Abs. 2 GG gebotenen Schutz der Familie der Beklagten und dem auch dem Kind zustehenden Persönlichkeitsrecht zurücktreten, das es auch einschließe, ungestört in der durch seine Familie gewährleisteten Geborgenheit aufwachsen zu können.

II.

11
Das hält der rechtlichen Prüfung und den Angriffen der Revision im Ergebnis - bis auf die Beurteilung des Hilfsantrages als zulässig - stand.
12
1. Die angefochtene Entscheidung ist nicht schon deshalb (insgesamt) aufzuheben, weil sie der minderjährigen Beklagten zu 2 noch nicht wirksam zugestellt wäre, wie dies die Revisionserwiderung zur Amtsprüfung durch den Senat stellt. Würde es - etwa mangels Vertretungsbefugnis ihrer (rechtlichen) Eltern - an einer wirksamen Zustellung an die Beklagte zu 2 fehlen, hätte aller- dings auch noch keine Entscheidung über die gegen den Beklagten zu 1 erhobene Klage getroffen werden dürfen. Dies ergibt sich aus der Notwendigkeit einheitlicher Prozessführung und Entscheidung, § 1600 e Abs. 1 Satz 1 BGB und § 640 h Abs. 2 ZPO.
13
Bedenken gegen die wirksame Vertretung der Beklagten zu 2 durch den Beklagten zu 1 und dessen Ehefrau und damit auch gegen die Wirksamkeit der von ihnen namens des Kindes erteilten Prozessvollmacht bestehen hier aber nicht. Die dem Beklagten zu 1 und seiner Ehefrau gemeinsam zustehende elterliche Sorge für das Kind umfasst auch dessen Vertretung, § 1629 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB.
14
Ein Fall, in dem dies nach § 1629 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1795 BGB ausnahmsweise gesetzlich ausgeschlossen ist, liegt hier nicht vor. Die Vorinstanzen haben dem Beklagten zu 1 und seiner Ehefrau die Vertretung des Kindes auch nicht nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB entzogen. Auf die Frage, ob dies wegen eines erheblichen Interessengegensatzes zwischen ihnen und dem Kind geboten gewesen wäre, kommt es nicht an, da die Vertretungsbefugnis erst mit der Entziehung und nicht bereits mit dem Auftreten des Interessengegensatzes entfällt (vgl. OLG Celle FamRZ 1976, 97; Palandt/Diederichsen BGB 66. Aufl. § 1796 Rdn. 6; Staudinger/Engler BGB [1999] § 1796 Rdn. 18 m.w.N.). Im Übrigen ist ein solcher erheblicher Interessengegensatz, für den im konkreten Einzelfall Anhaltspunkte vorliegen müssten (vgl. MünchKomm/Huber BGB § 1629 Rdn. 68 m.N.), hier nicht ersichtlich. Ein Interesse des jetzt knapp vierjährigen Kindes, seine Abstammung zu klären und gegebenenfalls statusrechtlich dem Kläger zugeordnet zu werden, kann noch nicht ohne weiteres unterstellt werden; sollte es mit zunehmender Verstandesreife ein solches Interesse entwickeln, ist dieses durch die Möglichkeit, sein eigenes Anfechtungsrecht nach Erreichen der Volljährigkeit selbst wahrzunehmen, hinreichend gewahrt (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 737, 739). Ein dem Interesse des Kindes möglicherweise zuwiderlaufendes Interesse der Mutter, einen bislang verschwiegenen Ehebruch nicht durch ein Abstammungsgutachten offenbar werden zu lassen , scheidet hier aus, da sie den Ehebruch hier auch gegenüber ihrem Ehemann nicht in Abrede gestellt hat. Eine Entziehung der Vertretung ist auch nicht angebracht, wenn die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern trotz eines möglichen Interessenwiderstreits in der Lage sind, eine dem Wohl des Kindes entsprechende Entscheidung zu treffen (vgl. MünchKomm/Huber aaO § 1629 Rdn. 68; OLG Stuttgart FamRZ 1983, 831); davon ist hier mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auszugehen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass auch der das Kindschaftsverfahren beherrschende Amtsermittlungsgrundsatz geeignet ist, die Interessen des Kindes zu wahren (vgl. OLG Celle aaO).
15
2. Der Senat schließt sich der Auffassung des Berufungsgerichts an, dass das ein Anfechtungsrecht des Klägers ausschließende Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen den beiden Beklagten eine Frage der Begründetheit und nicht schon der Zulässigkeit ist (ebenso Staudinger/Rauscher BGB [2004] § 1600 Rdn. 40; Höfelmann FamRZ 2004, 745, 748 f.; Seidel FPR 2005, 181, 184 und Palandt/Diederichsen aaO § 1600 Rdn. 7: "negative Tatbestandsvoraussetzung" ; Weinreich/Klein/Pieper Kompaktkommentar Familienrecht 2. Aufl. § 1600 BGB Rdn. 3; ders. in FA-FamR 5. Aufl. Kap. 3 Rdn. 131 c; a.A. Wieser FamRZ 2004, 1773, 1774).
16
Hierfür spricht die Begründung der Neufassung des § 1600 BGB durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft etc. vom 23. April 2004 (BGBl. 2004 I 598), derzufolge die positive Feststellung des Bestehens einer solchen Beziehung eine Anfechtung durch den leiblichen Vater auch für die Zukunft ausschließen soll (BT-Drucks. 15/2253 S. 11; Palandt/Diederichsen aaO § 1600 Rdn. 7). Diese Folge ist aber nur zu erreichen, wenn eine Entscheidung in der Sache ergeht. Nach der Intention des Gesetzes ist deshalb davon auszugehen, dass das Nichtbestehen einer solchen Beziehung nicht schon Voraussetzung der Prozessführungsbefugnis des Klägers und damit der Zulässigkeit seiner Anfechtungsklage nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist, sondern erst ihrer Begründetheit.
17
3. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen ist auch der (vom Berufungsgericht unausgesprochen zugrunde gelegte) Ausgangspunkt, dass es für die Frage, ob die negative Voraussetzung des Anfechtungsrechts (§ 1600 Abs. 2 BGB) gegeben ist, entsprechend den allgemeinen Regeln (vgl. auch Senatsurteil vom 25. Oktober 2006 - XII ZR 5/04 -, zur Veröffentlichung bestimmt) auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt und nicht etwa auf den Zeitpunkt, in dem sie rechtshängig wird (vgl. Staudinger/Rauscher aaO § 1600 Rdn. 41).
18
Denn die Anfechtung der Vaterschaft ist keine rechtsgestaltende Willenserklärung , bei der es allein auf die Sachbefugnis im Zeitpunkt ihrer Abgabe ankäme. Die bestehende rechtliche Zugehörigkeit eines Kindes zu einem bestimmten Mann als dessen Vater kann nur durch eine gerichtliche Entscheidung im Statusverfahren aufgehoben werden, nicht aber schon durch die Erhebung der Anfechtungsklage selbst.
19
Wäre es anders, könnte beispielsweise einer unmittelbar nach Geburt des Kindes erhobenen Anfechtungsklage die Regelannahme des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB, dass der rechtliche Vater die tatsächliche Verantwortung für das Kind zumindest schon übernommen hat, nur in den Fällen des § 1592 Nr. 1 BGB entgegengehalten werden, wenn also der rechtliche Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Beruht dessen rechtliche Vaterschaft hingegen auf einem Anerkenntnis (§ 1592 Nr. 2 BGB), kommt die Regelannahme des § 1600 Abs. 3 Satz 2 2. Alt. BGB noch nicht in Betracht, weil der rechtliche Vater zu dem Zeitpunkt, in dem die Anfechtungsklage rechtshängig wird, naturgemäß noch nicht längere Zeit mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben kann. Dies könnte zur Folge haben, dass auf die zunächst schlüssige Klage ein gerichtliches Gutachten eingeholt wird, das die Vaterschaft des Klägers und zugleich die Nichtvaterschaft des beklagten Mannes ergibt, die Klage aber gleichwohl abgewiesen werden muss, weil der rechtliche Vater inzwischen längere Zeit mit dem Kind zusammengelebt hat und daraus eine sozial-familiäre Beziehung entstanden ist.
20
Diese Gefahr, die dem Zweck der gesetzlichen Regelung evident zuwiderläuft , ist deutlich geringer, wenn die Voraussetzung, dass keine derartige Beziehung besteht, im Laufe des Verfahrens erfüllt bleiben muss. Denn ein längeres Zusammenleben mit dem Kind ist zwar ein Indiz, nicht aber eine notwendige Voraussetzung für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung. Diese kann bereits auch bei kürzerem Zusammenleben bejaht werden, wenn dieses noch andauert und der Tatrichter überzeugt ist, dass der rechtliche Vater die tatsächliche Verantwortung für das Kind übernommen hat und in einer Weise trägt, die auf Dauer angelegt erscheint.
21
4. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Neuregelung des § 1600 BGB werde der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung der gegenläufigen Interessen in mehrfacher Weise nicht gerecht:
22
Zum einen werde durch die gesetzlichen Vermutungen und Regelannahmen des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB eine nicht widerlegbare Priorität des Schutzes eines nur vermuteten Familienverbandes begründet, wobei diese Vermutung in der ersten Alternative der Regelung nicht etwa auf die Belange des Kindes abstelle, sondern lediglich auf das formale Bestehen einer Ehe zwischen seiner Mutter und deren Ehemann.
23
Zum anderen führe dies angesichts der Anfechtungsfrist von zwei Jahren dazu, dass einem biologischen Vater, dem die gegen die Vaterschaft des Ehemannes sprechenden Umstände von Anfang an bekannt gewesen seien, eine Anfechtung bereits dann für immer verwehrt bleibe, wenn die Ehe der Kindesmutter über das zweite Lebensjahr des Kindes hinaus zumindest formal Bestand habe. Auch wenn die Ehe und/oder die sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater nach Ablauf der Anfechtungsfrist zerbreche, lebe das Anfechtungsrecht nämlich nicht wieder auf, so dass der biologische Vater selbst einer Freigabe des Kindes zur Adoption durch Dritte tatenlos zusehen müsste.
24
a) Nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht beide die gesetzliche Regelannahme des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB begründenden Alternativen geprüft und bejaht hat, obwohl für die Vermutung, dass der Beklagte zu 1 tatsächliche Verantwortung für das Kind übernommen habe, bereits die Tatsache ausgereicht hätte, dass er mit dessen Mutter verheiratet ist. Die zweite Alternative (ein längeres, nicht notwendigerweise aber noch fortbestehendes Zusammenleben mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft) bedarf insoweit nur dann der Prüfung, wenn nicht schon die erste Alternative diese Vermutung rechtfertigt , etwa weil die Ehe inzwischen geschieden ist oder eine Ehe - im Fall der rechtlichen Vaterschaft durch Anerkenntnis, § 1592 Nr. 2 BGB - nicht bestanden hat.
25
b) Soweit die Revision in der gesetzlichen Regelung eine "nicht widerlegbare Priorität eines (nur vermuteten) Familienverbandes" sieht, differenziert sie nicht hinreichend zwischen zwei Fragen, nämlich einerseits der Wertung des Gesetzes, das in der Tat einem bestehenden Familienverband den Vorrang vor den Interessen des Anfechtenden einräumt, und andererseits der Frage der Widerlegbarkeit der gesetzlichen Regelannahme in § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB. Diese Regelannahme betrifft nur die Übernahme der tatsächlichen Verantwortung , begründet ihrerseits aber noch keine weitere Annahme dafür, dass die übernommene Verantwortung weiterhin getragen wird. Werden allerdings vom Anfechtungskläger keine Umstände dargelegt und sind auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen eine fortdauernd wahrgenommene tatsächliche Verantwortung sprechen, wird der Tatrichter auch ohne weitere Amtsermittlung davon ausgehen dürfen, dass der rechtliche Vater die übernommene Verantwortung weiterhin trägt. Im Einzelnen:
26
aa) Die der bestehenden sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind in § 1600 Abs. 2 BGB eingeräumte Priorität begegnet aus der Sicht des Senats keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil sie sich im Rahmen des vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten Gestaltungsspielraums hält, den der Gesetzgeber bei der Abwägung gegenläufiger, verfassungsrechtlich geschützter Interessen und Rechte nach seinem Ermessen ausfüllen darf. Die getroffene Regelung ist auch sachgerecht.
27
Zwar mögen die im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützten gegenläufigen und gegeneinander abzuwägenden Interessen des Kindes und des Anfechtenden einander gleichwertig sein. Das im Regelfall zu vermutende Interesse des Kindes am Erhalt seines Status (auch im weiteren Sinne einer "possession d'état", vgl. Art. 311-1 frz. Code Civil ) und der Abwehr von Störungen seiner fortbestehenden oder zumindest für längere Zeit vorhanden gewesenen sozial-familiären Beziehung steht aber unter dem zusätzlichen Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG. Die Bereitschaft des (mutmaßlichen ) leiblichen Vaters, Verantwortung tragen zu wollen, und sein Wunsch, eine sozial-familiäre Beziehung zwischen ihm und dem Kind erst entstehen zu lassen, verdienen diesen Schutz hingegen nicht (BVerfG FamRZ 2006, 1661, 1662) oder zumindest nicht in gleichem Maße.
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Soweit der leibliche Vater sich grundsätzlich auch auf seine durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternschaft berufen kann, umfasst dieser Schutz zwar auch sein Interesse, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einzunehmen, und damit den Zugang zu einem Verfahren, das dies ermöglicht. Dem steht aber das mindestens gleichwertige Interesse des rechtlichen Vaters gegenüber, der diese Rechtsstellung bereits einnimmt und die sich daraus ergebende Verantwortung auch wahrnimmt (vgl. BVerfG FamRZ 2003 aaO 818 f. unter C I 1 b). Träger des Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG kann aber nur einer von beiden sein (vgl. BVerfG FamRZ 2003 aaO 819 unter C I 2 a), und zwar derjenige, der zugleich die Elternverantwortung bereits wahrnimmt, unabhängig davon, ob sich die Elternverantwortung auf Abstammung oder auf Rechtszuweisung gründet. Trägt der rechtliche Vater diese Verantwortung, verliert er sein Elternrecht nicht allein dadurch, dass sich ein anderer Mann als leiblicher Vater herausstellt (vgl. BVerfG FamRZ 2006 aaO 1661 und FamRZ 2003 aaO 819 unter C I 2 b).
29
Das Bundesverfassungsgericht hat § 1600 BGB a.F. daher nur insoweit als mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar erklärt, als diese Vorschrift dem leiblichen Vater das Recht auf Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft auch dann vorenthielt, wenn die rechtlichen Eltern oder auch nur der rechtliche Vater mit dem Kind keine soziale Familie bilden, die es nach Art. 6 Abs. 1 GG - vorrangig - zu schützen gilt (BVerfG FamRZ 2003 aaO 820 f. unter C I 5, 6 und 6 a).
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Dieser Vorgabe entspricht die Neuregelung in § 1600 Abs. 2 BGB. Dem steht auch nicht entgegen, dass bereits das Bestehen einer sozialen Familie aus rechtlichem Vater und Kind ein Anfechtungsrecht des biologischen Vaters ausnahmslos ausschließt, so dass eine Einzelabwägung zwischen dem dieser Familie gebührenden Schutz und dem damit in Konflikt stehenden Elternrecht des leiblichen Vaters gerade nicht mehr stattzufinden hat. Dem Gesetzgeber ist es von Verfassungs wegen nicht verwehrt, eine solche Abwägung generalisierend vorwegzunehmen, auch um die bestehende Familie davor zu schützen, deren Interna im Einzelnen aufdecken zu müssen (a.A. Staudinger/Rauscher aaO § 1600 Rdn. 40).
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Verfassungsrechtlich bedenklich könnte insoweit allenfalls sein, dass die Neufassung des § 1600 Abs. 2 BGB das Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind als negative Tatbestandsvoraussetzung ausgestaltet hat mit der Folge, dass eine non-liquet-Situation sich zu Lasten des anfechtenden leiblichen Vaters auswirkt (vgl. Palandt/Diederichsen aaO § 1600 Rdn. 7; Hoppenz/Müller Familiensachen 8. Aufl. § 1600 BGB Rdn. 9; Höfelmann aaO 745, 749). In einem solchen Fall steht gerade nicht fest, ob dem Begehren des leiblichen Vaters eine familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater entgegensteht, die vorrangig zu schützen ist. Allerdings ist auch insoweit zu beachten, dass das Bundesverfassungsgericht § 1600 BGB a.F. nur in der Hinsicht für mit Art. 6 Abs. 2 GG unvereinbar erklärt hat, als er dem leiblichen Vater das Recht auf Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft auch dann vorenthält, wenn die rechtlichen Eltern mit dem Kind keine soziale Familie bilden, die es nach Art. 6 Abs. 1 GG zu schützen gilt (FamRZ 2003 aaO 821 unter C I 6). Für die - voraussichtlich sehr seltenen - Einzelfälle, in denen dies auch bei Ausschöpfung des Amtsermittlungsgrundsatzes ebenso wenig festgestellt werden kann wie das Gegenteil, ist der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts daher kein Gebot zu entnehmen, dieses Verfahrensrisiko zu Lasten des rechtlichen Vaters gehen zu lassen.
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bb) Unbedenklich ist insoweit auch, dass das Bestehen einer sozialfamiliären Beziehung aufgrund ihrer gesetzlichen Definition in § 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB - unwiderleglich - stets zu bejahen ist, wenn der rechtliche Vater für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder im Falle seines Todes bis dahin getragen hat. Dies schließt es im übrigen nicht aus, das (Fort-)Bestehen einer sozial-familiären Beziehung auch dann zu bejahen, wenn - etwa in den von der Revisionserwiderung angesprochenen Fällen sehr später Vaterschaftsanfechtung - vom rechtlichen Vater eine tatsächliche Verantwortung für das inzwischen volljährige und voll im Berufsleben stehende Kind in der Vergangenheit getragen wurde und inzwischen weitgehend gegenstandslos geworden ist.
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cc) Verfehlt wäre es jedoch, die gesetzliche Regelannahme des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB und ihr Zusammenspiel mit Abs. 3 Satz 1 dieser Vorschrift unter Außerachtlassung des unterschiedlichen Wortlauts dieser beiden Sätze dahin zu verstehen, dass bei fortbestehender Ehe der Kindesmutter mit dem rechtlichen Vater oder dessen längerem Zusammenleben mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft bereits zu vermuten sei, dass der rechtliche Vater tatsächliche Verantwortung im Sinne des § 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB trage und deshalb eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne des Absatzes 2 dieser Vorschrift bestehe. § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB enthält lediglich eine Regelannahme dafür, dass der rechtliche Vater die tatsächliche Verantwortung für das Kind übernommen hat. Dies allein reicht indes für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung nicht aus, weil diese nach § 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB voraussetzt, dass der rechtliche Vater diese tatsächliche Verantwortung für das Kind (noch) trägt oder bis zu seinem Tod getragen hat. Dies kann nach Auffassung des Senats nur bedeuten, dass die übernommene Verantwortung auch über den Zeitpunkt ihrer erstmaligen Übernahme hinaus weiterhin wahrgenommen wird (vgl. Staudinger/Rauscher aaO § 1600 Rdn. 42, 44).
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Mit anderen Worten: Zwar besteht unter den Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB eine der Lebenserfahrung entsprechende gesetzliche Regelannahme der (ursprünglichen) Übernahme der tatsächlichen Verantwortung. Diese ist jedoch widerleglich. Das ermöglicht eine sachgerechte, auf den Einzelfall bezogene Lösung auch jener Fälle, in denen die Ehe zwischen den rechtlichen Eltern des Kindes nur formal besteht (z.B. Scheinehe) und deshalb einen Ausschluss des Anfechtungsrechts allein aufgrund dieses Kriteriums schwerlich rechtfertigen könnte, wie die Revision zu Recht ausführt.
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Insoweit ist auch nicht ersichtlich, dass es dem Anfechtenden regelmäßig faktisch unmöglich wäre, die Regelannahme zu entkräften. Denn hierfür können auch nach außen in Erscheinung tretende und damit für den Anfechtenden erkennbare Umstände wie z.B. getrennte Wohnungen der Eheleute hinreichende Anhaltspunkte bieten, denen das Gericht dann wegen des im Vaterschaftsanfechtungsverfahren geltenden Grundsatzes der Amtsermittlung (§§ 640 Abs. 1, 616 Abs. 1, 640 d ZPO) von sich aus nachzugehen hat.
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Die Übernahme der tatsächlichen Verantwortung begründet aber ihrerseits noch keine Regelannahme dahin, dass diese Verantwortung auch weiterhin wahrgenommen wird und somit eine sozial-familiäre Beziehung im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung noch besteht.
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Der Anfechtende braucht daher insoweit entgegen der Auffassung der Revision keine gesetzliche Vermutung zu widerlegen, kann sich andererseits aber nicht darauf beschränken, das Bestehen einer solchen Beziehung mit Nichtwissen zu bestreiten. Dass er die (negativen) Voraussetzungen seines Anfechtungsrechts (§ 1600 Abs. 2 BGB) zumindest schlüssig darlegen muss und es nicht etwa den Anfechtungsbeklagten obliegt, ihre sozial-familiäre Beziehung im einzelnen darzulegen und notfalls zu beweisen, beeinträchtigt seine Möglichkeit, die rechtliche Vaterstellung zu erlangen, nicht in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise. Wie bereits ausgeführt, kann er objektive Umstände vortragen wie etwa, dass das Kind nicht bei seinem Vater lebe, sondern bei seiner Mutter und deren neuem Partner; dem wird das Gericht aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht nachzugehen haben.
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Damit ist auch der Kritik an der gesetzlichen Neuregelung, die eine Abwägung zwischen dem Elternrecht des biologischen Vaters und einer wirklich existierenden sozialen Familie von Kind und rechtlichem Vater fordert (vgl. Staudinger/Rauscher BGB [2004] § 1600 Rdn. 16 m.w.N.), der Boden entzogen. Denn ob eine solche Familie wirklich existiert, ist bei richtigem Verständnis des § 1600 Abs. 2 und 3 BGB im Wege der Amtsermittlung zu prüfen, sobald Anhaltspunkte ersichtlich sind, die Anlass geben, daran zu zweifeln. Dass eine Anhörung des Jugendamtes, die noch im Regierungsentwurf als § 640 d Abs. 2 ZPO vorgesehen war (BT-Drucks. 15/2253 S. 6), nach Kritik des Bundesrates (BT-Drucks. aaO S. 16 f.) nicht in das Gesetz übernommen wurde, bedeutet nicht, dass sie zu unterbleiben hat. Vielmehr hat das Gericht, soweit dies zweckmäßig erscheint, auch das Jugendamt zu befragen (vgl. BT-Drucks aaO S. 21; Friederici jurisPR-FamR 7/2004 Anm. 6). Die von der Kritik erhobene Forderung erweist sich damit als hinreichend erfüllt.
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c) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Verfassungswidrigkeit des § 1600 Abs. 2 BGB n.F. ergebe sich auch aus der Konsequenz, dass ein leiblicher Vater, dem diese Vorschrift die Anfechtung der Vaterschaft des rechtlichen Vaters verwehre, gegebenenfalls eine spätere Freigabe des Kindes zur Adoption durch Dritte nicht verhindern könne. Dies mag in der Tat verfassungsrechtlich bedenklich sein (vgl. Staudinger/Rauscher § 1600 Rdn. 14 a.E.; Hoppenz /Müller aaO § 1600 Rdn. 11), stellt aber nicht die Verfassungsmäßigkeit des § 1600 Abs. 2 BGB, sondern allenfalls die des § 1747 Abs. 1 Satz 2 BGB in Frage.
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Entgegen der Auffassung der Revision ist es auch verfassungsrechtlich unbedenklich, dass die zweijährige Anfechtungsfrist des § 1600 b BGB durch das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 2 BGB nicht gehemmt wird. Mit der Intention, bei positiver Feststellung des Bestehens einer solchen Beziehung durch das Gericht eine Anfechtung durch den leiblichen Vater auch für die Zukunft auszuschließen (vgl. BT-Drucks. aaO S. 11), geht das Gesetz zwar im Falle der Vaterschaftsanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB noch über die allgemeine Beschränkung der Anfechtung durch die Frist des § 1600 b BGB hinaus; auch dies erscheint jedoch im Interesse der Rechtssicherheit und des Schutzes der bestehenden sozialen Familie , das auch der Fristenregelung zugrunde liegt (vgl. Staudinger/Rauscher aaO § 1600 b Rdn. 4), sachgerecht und zumutbar (vgl. auch EGMR FamRZ 2006, 181 Rdn. 39, 44).
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5. Auch die Angriffe der Revision gegen die Abweisung des Hilfsantrages , die Abstammung des Kindes vom Kläger festzustellen, bleiben im Ergebnis ohne Erfolg. Diese hilfsweise erhobene Abstammungsfeststellungsklage ist allerdings bereits unzulässig, weil mit ihr keine statusrechtlichen Folgen begehrt werden. Eine solche isolierte (folgenlose) Abstammungsfeststellungsklage sieht das deutsche Recht - zumindest de lege lata - nicht vor (vgl. OLG Hamm FamRZ 1999, 1365), auch nicht als "normale" Feststellungsklage nach § 256 ZPO (vgl. Gaul FamRZ 2000, 1461, 1474; OLG Düsseldorf FamRZ 2003, 1578, 1579).
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§ 1600 d Abs. 1 BGB stellt eine abschließende Sonderregelung für die Abstammungsfeststellung dar (vgl. OLG Düsseldorf aaO; OLG Köln NJW-RR 2002, 4, 5; OLG Hamm FamRZ 1999 aaO 1366). Danach ist die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft nur zulässig, soweit keine andere Vaterschaft nach §§ 1592 Nr. 1 und 2, 1593 BGB besteht. Hier besteht jedoch die Vaterschaft des Beklagten zu 1, weil er zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet war, § 1592 Nr. 1 BGB. Diese ist auch vorrangig gegenüber dem vorgeburtlichen Anerkenntnis des Klägers, § 1594 Abs. 1 BGB. Nur in Verbindung mit einer erfolgreichen Anfechtung dieser Vaterschaft nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der leibliche Vater die Feststellung seiner Vaterschaft erreichen , § 640 h Abs. 2 ZPO. Der darauf gerichtete Hauptantrag des Klägers hat aber keinen Erfolg.
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Auch dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Ist dem Kläger in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise der Zugang zum Verfahren der Vaterschaftsanfechtung verwehrt, mit dessen Hilfe allein er auch rechtlich die Vaterstellung einnehmen könnte, ist das mit dem Hilfsantrag verfolgte Begehren , allein Kenntnis und Gewissheit über die Abstammung des Kindes zu erlangen und diese feststellen zu lassen, jedenfalls nicht durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützt (BVerfG FamRZ 2003 aaO 820 unter C I 3 b).
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Soweit das Bundesverfassungsgericht es hat dahinstehen lassen (aaO), ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG einen Anspruch gewähren kann, die Abstammung des Kindes klären zu lassen, bedarf diese Frage auch hier keiner Entscheidung. Selbst wenn ein solcher Anspruch zu bejahen wäre, müsste er hier nämlich hinter den aufgezeigten und durch Art. 6 GG geschützten Belangen der Beklagten zurückstehen. Denn auch die bloße gerichtliche Feststellung, dass das Kind nicht von seinem rechtlichen Vater, sondern von einem anderen Mann abstammt, gefährdet den Zusammenhalt des bisherigen Familienverbandes und erschwert dem Kind die für seine Entwicklung bedeutsame Orientierung, zu wem es letztlich gehört (vgl. BVerfG FamRZ 2003 aaO 821 unter C I 5 b).
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Vorinstanzen:
AG Hohenstein-Ernstthal, Entscheidung vom 10.04.2003 - 1 F 134/03 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 10.08.2004 - 20 UF 255/03 -

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Wert ist durch den Wert des Verfahrensgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Dies gilt nicht, soweit der Gegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde ist Verfahrenswert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Abstammungssachen nach § 169 Nr. 1 und 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beträgt der Verfahrenswert 2 000 Euro, in den übrigen Abstammungssachen 1 000 Euro.

(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.