Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 18. Sept. 2013 - 2 W 5/12 (KfB), 2 W 5/12

bei uns veröffentlicht am18.09.2013

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Magdeburg vom 19. Dezember 2011 aufgehoben.

Der Kostenausgleichsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 228,49 € festgesetzt.

Gründe

A.

1

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung einer vermeintlich in anfechtbarer Weise erlangten Befriedigung durch die Insolvenzschuldnerin geltend gemacht. Der Rechtsstreit wurde durch einen am 08.09.2011 gerichtlich protokollierten Vergleich beendet. In Ziffer 2) des Vergleichs wurde vereinbart, dass die Kosten des Rechtsstreits zu 60 % vom Kläger und zu 40 % von der Beklagten zu tragen seien und die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden würden. Das Landgericht hat den Kostenwert des Rechtsstreits und den Gegenstandswert des Vergleichs jeweils auf 10.231,00 € festgesetzt.

2

Nachdem die Prozessparteien ihre in den Kostenausgleich einzustellenden Auslagen beziffert und belegt hatten, hat die die Rechtspflegerin des Landgerichts Magdeburg mit ihrem Beschluss vom 19.12.2011 die vom Kläger an die Beklagte auszugleichenden Kosten auf 228,49 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.11.2011 festgesetzt.

3

Gegen diesen, ihm am 09.01.2012 zugestellten Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner am 20.01.2012 vorab per Fax beim Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Er vertritt die Ansicht, dass die Beklagte kein Rechtsschutzbedürfnis mehr am Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses habe, nachdem er mit Schreiben vom 21.12.2011 gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit nach § 208 InsO angezeigt und das Insolvenzgericht eine entsprechende Veröffentlichung bis zum 27.12.2011 veranlasst habe. Die Beklagte ist dem Rechtsmittel entgegen getreten und meint, dass es für das Rechtsschutzbedürfnis auf den Zeitpunkt des Erlasses des Kostenfestsetzungsbeschlusses - d.h. hier auf den 19.12.2011 - ankomme.

4

Die Rechtspflegerin hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.

5

Die Beklagte hat zur sofortigen Beschwerde Stellung genommen.

B.

6

Die sofortige Beschwerde ist nach § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und die erforderliche Mindestbeschwer ist überschritten. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

7

Der Kläger hat zu Recht geltend gemacht, dass die Beklagte kein Rechtsschutzinteresse (mehr) an der Titulierung ihres Kostenausgleichsanspruchs nach § 106 ZPO hat.

8

1. Für die Entscheidung im Erinnerungs- bzw. im Beschwerdeverfahren ist neues Vorbringen der Prozessparteien, wie hier die Darlegung und Glaubhaftmachung der am 21.12.2011 eingetretenen Masseunzulänglichkeit durch den Kläger, zu beachten (vgl. nur Heßler in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 571 Rdn. 2). Hiervon gehen beide Prozessparteien aus.

9

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, hat eine Prozesspartei mit einem prozessualen Kostenerstattungsanspruch als Altmassegläubigerin, wie hier die Beklagte, gegen den zur Kostentragung verpflichteten Insolvenzverwalter, hier den Kläger, kein Rechtsschutzbedürfnis dafür, einen Vollstreckungstitel in Form eines Kostenfestsetzungsbeschlusses nach § 104 ZPO bzw. § 106 ZPO zu erlangen, den er wegen des in § 210 InsO angeordneten Vollstreckungsverbots dennoch nicht durchsetzen kann (vgl. BGH, Beschluss v. 17.03.2005, IX ZB 247/03, RPfleger 2005, 382; Beschluss v. 09.10.2008, IX ZB 129/07, RPfleger 2009, 107).

10

3. Tritt das gesetzliche Vollstreckungsverbot, wie hier, nach dem Erlass, aber vor dem Eintritt der Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses ein und wird dieser Umstand, wie hier, im Beschwerdeverfahren geltend und glaubhaft gemacht, so kann nichts Anderes gelten (vgl. Senat, Beschluss v. 29.06.2011, 2 W 42/11 - zitiert nach juris). Denn im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels würde der Kostenfestsetzungsbeschluss nach dem Wirksamwerden des gesetzlichen Vollstreckungsverbotes vollstreckbar werden, obwohl die Vollstreckbarkeit dann vom Kostengläubiger, hier der Beklagten, nicht mehr genutzt werden kann.

C.

11

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Vorschrift des § 97 Abs. 2 ZPO ist nicht einschlägig, weil der Kläger die Anzeige der Masseunzulänglichkeit vom 21.12.2011 nicht vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses vom 19.12.2011 vortragen konnte.

12

Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens folgt aus §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i.V. mit § 3 ZPO und entspricht dem festgesetzten Kostenausgleichsbetrag.


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Rechtspflegergesetz - RPflG 1969 | § 11 Rechtsbehelfe


(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist. (2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Recht

Zivilprozessordnung - ZPO | § 104 Kostenfestsetzungsverfahren


(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Proz

Insolvenzordnung - InsO | § 208 Anzeige der Masseunzulänglichkeit


(1) Sind die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt, reicht die Insolvenzmasse jedoch nicht aus, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, so hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht anzuzeigen, daß Masseunzulänglichkeit vo

Insolvenzordnung - InsO | § 210 Vollstreckungsverbot


Sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, ist die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 unzulässig.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 106 Verteilung nach Quoten


(1) Sind die Prozesskosten ganz oder teilweise nach Quoten verteilt, so hat nach Eingang des Festsetzungsantrags das Gericht den Gegner aufzufordern, die Berechnung seiner Kosten binnen einer Woche bei Gericht einzureichen. Die Vorschriften des § 105

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Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2008 - IX ZB 129/07

bei uns veröffentlicht am 09.10.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 129/07 vom 9. Oktober 2008 in dem Verfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO §§ 209, 210; ZPO § 104 Abs. 2 Macht der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit glaubhaft, das

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(1) Sind die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt, reicht die Insolvenzmasse jedoch nicht aus, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, so hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht anzuzeigen, daß Masseunzulänglichkeit vorliegt. Gleiches gilt, wenn die Masse voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die bestehenden sonstigen Masseverbindlichkeiten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.

(2) Das Gericht hat die Anzeige der Masseunzulänglichkeit öffentlich bekanntzumachen. Den Massegläubigern ist sie besonders zuzustellen.

(3) Die Pflicht des Verwalters zur Verwaltung und zur Verwertung der Masse besteht auch nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit fort.

(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.

(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.

(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.

(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.

(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.

(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.

(1) Sind die Prozesskosten ganz oder teilweise nach Quoten verteilt, so hat nach Eingang des Festsetzungsantrags das Gericht den Gegner aufzufordern, die Berechnung seiner Kosten binnen einer Woche bei Gericht einzureichen. Die Vorschriften des § 105 sind nicht anzuwenden.

(2) Nach fruchtlosem Ablauf der einwöchigen Frist ergeht die Entscheidung ohne Rücksicht auf die Kosten des Gegners, unbeschadet des Rechts des letzteren, den Anspruch auf Erstattung nachträglich geltend zu machen. Der Gegner haftet für die Mehrkosten, die durch das nachträgliche Verfahren entstehen.

(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.

(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.

(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.

(1) Sind die Prozesskosten ganz oder teilweise nach Quoten verteilt, so hat nach Eingang des Festsetzungsantrags das Gericht den Gegner aufzufordern, die Berechnung seiner Kosten binnen einer Woche bei Gericht einzureichen. Die Vorschriften des § 105 sind nicht anzuwenden.

(2) Nach fruchtlosem Ablauf der einwöchigen Frist ergeht die Entscheidung ohne Rücksicht auf die Kosten des Gegners, unbeschadet des Rechts des letzteren, den Anspruch auf Erstattung nachträglich geltend zu machen. Der Gegner haftet für die Mehrkosten, die durch das nachträgliche Verfahren entstehen.

Sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, ist die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 129/07
vom
9. Oktober 2008
in dem Verfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Macht der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit
glaubhaft, dass eine danach entstandene, als Neumasseverbindlichkeit einzustufende
Kostenerstattungsforderung aus der Masse nicht befriedigt werden
kann, darf gegen ihn ein Kostenfestsetzungsbeschluss nicht ergehen.
BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2008 - IX ZB 129/07 - KG Berlin
LG Berlin
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer und
Grupp
am 9. Oktober 2008

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers werden der Beschluss des 1. Zivilsenats des Kammergerichts vom 15. Mai 2007 und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 15. August 2006 aufgehoben. Die Kostenfestsetzungsanträge der Beklagten werden abgelehnt.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren haben die Beklagten zu tragen.
Der Gegenstandswert wird auf 15.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Einer von S. W. (fortan: Schuldnerin) gegen die Beklagten erhobenen Zahlungsklage über 1.048.873,21 DM gab das Landgericht mit Urteil vom 18. Juni 2001 in Höhe von 21.543,47 DM statt. Im Anschluss an die von ihr eingelegte Berufung wurde am 11. März 2002 über das Vermögen der Schuld- nerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Verwalter bestellt. Das durch die Insolvenzeröffnung unterbrochene Verfahren nahm der Kläger, der am 14. April 2003 gegenüber dem Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte, durch Schriftsatz vom 27. August 2003 auf. Durch Verzichtsurteil vom 1. Juni 2006 wurde die Klage insgesamt abgewiesen; zugleich wurden dem Kläger "die Kosten des Rechtsstreits - beider Instanzen -" auferlegt.
2
Das Landgericht hat die von dem Kläger an die Beklagten zu erstattenden Kosten auf insgesamt 20.497,96 € festgesetzt. Nach Einlegung der sofortigen Beschwerde hat der Kläger am 3. Januar 2007 bei dem Insolvenzgericht erneut Masseunzulänglichkeit angezeigt. Die Beklagten haben hilfsweise die Feststellung der Kostenerstattungspflicht des Klägers beantragt. Das Kammergericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit seinem Rechtsmittel verfolgt der Kläger sein Begehren, den Kostenfestsetzungsantrag zurückzuweisen, weiter.

II.


3
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
4
1. Das Kammergericht hat gemeint, nach dem Inhalt der in dem Verzichtsurteil getroffenen Kostengrundentscheidung sei eine Differenzierung zwischen den vor Insolvenzeröffnung und den nach der Aufnahme des Verfahrens entstandenen Kosten nicht vorzunehmen. Demgemäß habe der Kläger nach Aufnahme des Verfahrens die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Kostenerstattungsforderung sei insgesamt als Neumasseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Nr. 2 InsO anzusehen. Zeige der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit an, so sei, wenn er die Unzulänglichkeit darlege und erforderlichenfalls beweise, wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses bei fortbestehendem Feststellungsinteresse nur noch die Feststellung einer Zahlungsverpflichtung möglich. Eine vorrangige Befriedigung der Beklagten im Vergleich zu anderen Neumassegläubigern sei hier jedoch unabhängig von der Frage, ob der Kläger die Masseunzulänglichkeit glaubhaft gemacht habe, nicht zu befürchten , weil die Beklagten die einzigen Neumassegläubiger seien. Soweit durch eine Titulierung die Gefahr bestehe, dass die Beklagten in die zur vorrangigen Deckung der Verfahrenskosten benötigte Masse vollstreckten, handele es sich um einen materiell-rechtlichen Einwand, der jedenfalls dann, wenn seine Voraussetzungen und Auswirkungen streitig seien, nicht berücksichtigt werde.
5
2. Diese Ausführungen halten bereits, soweit das Beschwerdegericht von einem Rechtsschutzinteresse der Beklagten für den Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses ausgegangen ist, rechtlicher Prüfung nicht stand. Infolge der von dem Kläger glaubhaft gemachten Masseunzulänglichkeit kommt es auf die von dem Kammergericht aufgeworfene Frage, ob trotz einheitlicher Kostenentscheidung die vor der Insolvenzeröffnung angefallenen Prozesskosten gegen den Insolvenzverwalter festgesetzt werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 28. September 2006 - IX ZB 312/04, ZIP 2006, 2132, 2133 f Rn. 10 ff), nicht an.
6
a) Eine obsiegende Partei hat als Altmassegläubiger (§ 55 Abs. 1 Nr. 1, § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO) wegen des in § 210 InsO angeordneten Vollstreckungsverbots kein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses (§ 104 ZPO) gegen den im Rechtsstreit unterlegenen Insolvenzverwalter. Altmassegläubiger ist eine Partei, deren Erstattungsanspruch durch Klageerhebung vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet wurde (BGH, Beschl. v. 17. März 2005 - IX ZB 247/03, ZIP 2005, 817, 818). Wird eine Klage hingegen erst nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit rechtshängig, handelt es sich bei dem Kostenerstattungsanspruch der gegen den Insolvenzverwalter obsiegenden Partei um eine Neumasseverbindlichkeit (§ 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO), weil der Anspruch erst nach der Anzeige entstanden ist. Auch einem Neumassegläubiger, für den das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO nicht unmittelbar gilt (vgl. BGHZ 167, 178, 186 ff Rn. 20 ff), fehlt das Rechtsschutzinteresse für den Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses, sofern der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit glaubhaft macht. Da der Einwand nicht die verbindliche Wirkung einer Anzeige hat (§ 208 InsO), obliegen dem Insolvenzverwalter in einem Urteilsverfahren die Darlegung und der volle Nachweis der Masseunzulänglichkeit. Handelt es sich - wie hier - um ein Kostenfestsetzungsverfahren , hat der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit gemäß § 104 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen (BGH, Beschl. v. 22. September 2005 - IX ZB 91/05, ZIP 2005, 1983, 1984; v. 27. September 2007 - IX ZB 172/05, ZIP 2007, 2140, 2141 Rn. 6 f). Die Kosten des Insolvenzverfahrens genießen - was das Beschwerdegericht verkannt hat - gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO absoluten Vorrang auch gegenüber Neumasseverbindlichkeiten (BGHZ 167, 178, 187 Rn. 22).
7
b) Der Kläger hat im Streitfall bereits am 14. April 2003 gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt. Die erneute Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 3. Januar 2007 begründet kein Vollstreckungsverbot aus § 210 InsO, weil Neumasseverbindlichkeiten nicht allein durch eine spätere Anzeige zu Altmasseverbindlichkeiten zurückgestuft werden dürfen (BGHZ 154, 358, 368; 167, 178, 184 Rn. 15 f; MünchKomm-InsO/Hefermehl, 2. Aufl. § 208 Rn. 60).
8
c) Da die sonach maßgebliche Anzeige der Masseunzulänglichkeit vom 14. April 2003 erfolgte, bevor der Kläger den Rechtsstreit durch den Schriftsatz vom 27. August 2003 aufgenommen hat, bildet die Kostenforderung der Beklagten eine Neumasseverbindlichkeit (§ 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Denn der Grund für den Kostenerstattungsanspruch wurde nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit gelegt. In diesem Fall fehlt gleichwohl ein Rechtsschutzinteresse für den Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses, wenn die Masseunzulänglichkeit glaubhaft gemacht worden ist. Dies ist dem Kläger gelungen.
9
aa) Der Kläger hat im Einzelnen dargelegt, dass sich die auf einem Girokonto und auf einem Festgeldkonto angelegten Geldmittel der Masse auf insgesamt 11.181,59 € belaufen und sich dieser Bestand nach Abzug der Verfahrenskosten über 8.471,63 €, die entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts absoluten Vorrang auch vor Neumasseverbindlichkeiten genießen (BGHZ 167, aaO S. 186 Rn. 18), auf 2.709,96 € vermindern wird. Mit Rücksicht auf die Neumasseverbindlichkeit aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss über 20.497,96 € ergibt sich folglich eine Unterdeckung von 17.788 €. Das Vorbringen zum Massebestand hat der Kläger durch Vorlage von aktuellen Kontoauszügen und die Verfahrenskosten durch Vorlage einer Verwalterrechnung sowie die Berechnung der Gerichtskosten belegt.
10
bb) Der Sachvortrag des Klägers ist schlüssig und findet in den zwecks Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) vorgelegten Unterlagen volle Bestätigung. Demgemäß ist von einer - durch das pauschale Bestreiten des Beklagten nicht in Frage gestellten - hinreichenden Glaubhaftmachung auszugehen. Dies hat das Kammergericht verkannt, das - in sich widersprüchlich - einerseits die Frage einer Glaubhaftmachung offen gelassen hat, andererseits aber ohne jede Begründung von einer fehlenden Glaubhaftmachung ausgegangen ist. Infolge der Glaubhaftmachung der Masseunzulänglichkeit kann der Kläger nicht auf den Rechtsbehelf einer Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) verwiesen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 27. September 2007 aaO Rn. 9).
11
d) Ein Feststellungsausspruch scheidet zugunsten der Beklagten mangels eines Feststellungsinteresses aus. Denn der Kläger hat entgegen der Auf- fassung des Beschwerdegerichts abgesehen vom Einwand der Masseunzulänglichkeit gegen den Kostenfestsetzungsantrag weder sachliche noch rechnerische Einwände erhoben.
Ganter Kayser Gehrlein Fischer Grupp
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 15.08.2006 - 11 O 316/98 -
KG Berlin, Entscheidung vom 15.05.2007 - 1 W 361/06 -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.