Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 22. Nov. 2017 - 12 Wx 62/17

ECLI:ECLI:DE:OLGNAUM:2017:1122.12WX62.17.00
22.11.2017

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird das Grundbuchamt angewiesen, den am 21. Februar 2003 unter lfd. Nr. 1 in Abteilung II des Grundbuchs von Sch. Blatt 520 eingetragenen Amtswiderspruch zu löschen.

Der Beschwerdewert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Das Flurstück 94 (1894 m² Gartenland) der Flur 3 in der Gemarkung Sch. war ursprünglich im Grundbuch von Sch. Blatt 90, Bestandsblatt 211, mit einem Eigentümer R. Fn. eingetragen. Es wurde 1962 auf das Bestandsblatt 241 in die Rechtsträgerschaft der LPG „V. “ Sch. für das Eigentum des Volkes laut Rechtsträgernachweis vom 14. Oktober 1961 übertragen. Später wurde das Flurstück aufgrund des Ersuchens des Rates des Kreises B. vom 19. Dezember 1980 auf das Grundbuch von Sch. Blatt 476 abgeschrieben. Dort wurden am 5. November 1982 J. F. und A. F. je zur Hälfte als Eigentümer eingetragen.

2

Im Zusammenhang mit der Übertragung der ursprünglich ebenfalls in das Grundbuch von Sch. Blatt 90, Bestandsblatt 211, eingetragenen Flurstücke 240 und 244 (aufgrund Ersuchens des Rates des Kreises B. vom 16. Oktober 1961) wurde das Flurstück 94 in 1962 mit auf das Grundbuch von Sch. Blatt 228 übertragen. Hier war O. L. als Eigentümer eingetragen. Dessen Erbin veräußerte die Flurstücke 240, 244 und 94 im Jahre 1994 an den Beteiligten zu 1). Im Anschluss wurden die drei Flurstücke am 1. März 1995 auf das Grundbuch von Sch. Blatt 520 übertragen, der Beteiligte zu 1) wurde zugleich als Eigentümer eingetragen.

3

Das Grundbuchamt teilte dem Beteiligten zu 1) mit Verfügung vom 11. November 1996 mit, dass es beabsichtige, im Grundbuch von Sch. Blatt 520 von Amts wegen einen Widerspruch wegen der Doppelbuchung des Flurstücks 94 einzutragen. Der Beteiligte zu 1) trat dem entgegen. Gleichwohl trug das Grundbuchamt am 21. Februar 2003 zu Gunsten der Eheleute F. einen Widerspruch bezüglich der Eigentümereintragung des Beteiligten zu 1) in Abteilung II unter lfd. Nr. 1 des Grundbuchs von Sch. Blatt 520 ein.

4

Mit Schriftsatz vom 20. September 2017 hat der Beteiligte zu 1) gegen die Eintragung eines Widerspruches bezüglich seiner Eigentümereintragung Beschwerde eingelegt und dies damit begründet, dass der Widerspruch entgegen § 899 Abs. 2 BGB weder aufgrund einer einstweiligen Verfügung noch aufgrund einer Bewilligung des eingetragenen Eigentümers eingetragen worden sei. Er sei auch nicht von Amts wegen eingetragen worden. Die Urkunden beinhalteten ebenfalls kein Ersuchen auf Eintragung eines Widerspruches.

5

Das Grundbuchamt hat den Antrag des Beteiligten zu 1) auf Löschung des Amtswiderspruches mit Beschluss vom 16. Oktober 2017 zurückgewiesen und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Amtswiderspruch aufgrund der Doppelbuchung eingetragen worden sei. Insofern lägen die Voraussetzungen für eine Löschung des Amtswiderspruches nicht vor.

II.

6

Die Beschwerde ist nach §§ 71, 53 GBO als unbeschränkte Beschwerde mit dem Ziel der Löschung des Amtswiderspruchs zulässig und in der Sache auch begründet.

7

Die Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs im Grundbuch von Sch. Blatt 570 liegen nicht vor. Denn hierzu hätte das Grundbuch durch eine Eintragung unrichtig sein müssen, die das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen hat (z. B. Schöner/Stöber, Rdn. 395; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. März 2010, 20 W 360/09). Ferner muss sich dadurch die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs eröffnen.

8

Im vorliegenden Fall ist es zwar zu einer Doppelbuchung gekommen, weil das Flurstück 94 sowohl im Grundbuch von Sch. Blatt 476 (Eigentümer Eheleute F. ) als auch im Grundbuch von Sch. Blatt 520 (Eigentümer der Beteiligte zu 1)) mit unterschiedlichen Eigentümern gebucht ist. Bei einer solchen widersprüchlichen Doppelbuchung ist ein gutgläubigen Erwerb aber faktisch ausgeschlossen (z. B. BGHZ 174, 61; Streck, in: Meikel, GBO, Rdn. 12 zu § 53 GBO). Denn wenn auf mehreren Grundbuchblättern - wie vorliegend - verschiedene Eigentümer desselben Grundstücks eingetragen sind, kann sich ein vermeintlich gutgläubiger Erwerber nicht auf den Inhalt des Grundbuchs berufen, da für die sich widersprechenden Eintragungen die Vermutung des § 891 BGB in gleichem Umfang gilt. Dies hat zur Folge, dass sich die Vermutungen gegenseitig aufheben (z. B. OLG Naumburg, ZfSch 2002, 275; Demharter, Rdn. 25 zu § 3 GBO).

9

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die bislang versäumte Beseitigung der fortbestehenden Doppelbuchung von Amts wegen in dem von § 38 GBV vorgeschriebenen Verfahren erfolgen muss. Auch wenn die wirkliche Rechtslage durch die Beseitigung der Doppelbuchung unberührt bleibt, wird das Grundbuchamt dabei doch eine möglichst der wirklichen Rechtslage entsprechende Buchung anstreben, also die schon jetzt vorgebrachten Argumente der Beteiligten für ihre jeweilige Rechtsposition würdigen. Ein Amtswiderspruch wird erst mit der anstehenden Beseitigung der Doppelbuchung voraussichtlich zu Gunsten desjenigen Eigentümers einzutragen sein, der im Grundbuch gelöscht werden wird.

10

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil der Beteiligte zu 1) mit seiner Beschwerde obsiegt hat und Gebühren und Auslagen insoweit nicht erhoben werden (§ 25 Abs. 1 GNotKG).

11

Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 79 Abs. 1, 61 Abs. 1, Abs. 2, 36 Abs. 1, Abs. 3 GNotKG.

12

Trojan               Krogull              Dr. Fichtner


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Referenzen - Gesetze

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Grundbuchordnung - GBO | § 71


(1) Gegen die Entscheidungen des Grundbuchamts findet das Rechtsmittel der Beschwerde statt. (2) Die Beschwerde gegen eine Eintragung ist unzulässig. Im Wege der Beschwerde kann jedoch verlangt werden, daß das Grundbuchamt angewiesen wird, nach § 53

Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG | § 79 Festsetzung des Geschäftswerts


(1) Soweit eine Entscheidung nach § 78 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Gericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Verfahrensgegenstand ergeht oder sich das Verfahren ande

Grundbuchordnung - GBO | § 53


(1) Ergibt sich, daß das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist, so ist von Amts wegen ein Widerspruch einzutragen. Erweist sich eine Eintragung nach ihr

Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG | § 25 Kostenschuldner im Rechtsmittelverfahren, Gehörsrüge


(1) Die nach § 22 Absatz 1 begründete Haftung für die Kosten eines Rechtsmittelverfahrens erlischt, wenn das Rechtsmittel ganz oder teilweise mit Erfolg eingelegt worden ist und das Gericht nicht über die Kosten entschieden hat oder die Kosten nicht

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 891 Gesetzliche Vermutung


(1) Ist im Grundbuch für jemand ein Recht eingetragen, so wird vermutet, dass ihm das Recht zustehe. (2) Ist im Grundbuch ein eingetragenes Recht gelöscht, so wird vermutet, dass das Recht nicht bestehe.

Grundbuchordnung - GBO | § 3


(1) Jedes Grundstück erhält im Grundbuch eine besondere Stelle (Grundbuchblatt). Das Grundbuchblatt ist für das Grundstück als das Grundbuch im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzusehen. (2) Die Grundstücke des Bundes, der Länder, der Gemeinden u

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 899 Eintragung eines Widerspruchs


(1) In den Fällen des § 894 kann ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen werden. (2) Die Eintragung erfolgt auf Grund einer einstweiligen Verfügung oder auf Grund einer Bewilligung desjenigen, dessen Recht durch die Beric

Referenzen

(1) In den Fällen des § 894 kann ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen werden.

(2) Die Eintragung erfolgt auf Grund einer einstweiligen Verfügung oder auf Grund einer Bewilligung desjenigen, dessen Recht durch die Berichtigung des Grundbuchs betroffen wird. Zur Erlassung der einstweiligen Verfügung ist nicht erforderlich, dass eine Gefährdung des Rechts des Widersprechenden glaubhaft gemacht wird.

(1) Gegen die Entscheidungen des Grundbuchamts findet das Rechtsmittel der Beschwerde statt.

(2) Die Beschwerde gegen eine Eintragung ist unzulässig. Im Wege der Beschwerde kann jedoch verlangt werden, daß das Grundbuchamt angewiesen wird, nach § 53 einen Widerspruch einzutragen oder eine Löschung vorzunehmen.

(1) Ergibt sich, daß das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist, so ist von Amts wegen ein Widerspruch einzutragen. Erweist sich eine Eintragung nach ihrem Inhalt als unzulässig, so ist sie von Amts wegen zu löschen.

(2) Bei einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld bedarf es zur Eintragung eines Widerspruchs der Vorlegung des Briefes nicht, wenn der Widerspruch den im § 41 Abs. 1 Satz 2 bezeichneten Inhalt hat. Diese Vorschrift ist nicht anzuwenden, wenn der Grundschuld- oder Rentenschuldbrief auf den Inhaber ausgestellt ist.

(1) Ist im Grundbuch für jemand ein Recht eingetragen, so wird vermutet, dass ihm das Recht zustehe.

(2) Ist im Grundbuch ein eingetragenes Recht gelöscht, so wird vermutet, dass das Recht nicht bestehe.

(1) Jedes Grundstück erhält im Grundbuch eine besondere Stelle (Grundbuchblatt). Das Grundbuchblatt ist für das Grundstück als das Grundbuch im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzusehen.

(2) Die Grundstücke des Bundes, der Länder, der Gemeinden und anderer Kommunalverbände, der Kirchen, Klöster und Schulen, die Wasserläufe, die öffentlichen Wege, sowie die Grundstücke, welche einem dem öffentlichen Verkehr dienenden Bahnunternehmen gewidmet sind, erhalten ein Grundbuchblatt nur auf Antrag des Eigentümers oder eines Berechtigten.

(3) Ein Grundstück ist auf Antrag des Eigentümers aus dem Grundbuch auszuscheiden, wenn der Eigentümer nach Absatz 2 von der Verpflichtung zur Eintragung befreit und eine Eintragung, von der das Recht des Eigentümers betroffen wird, nicht vorhanden ist.

(4) Das Grundbuchamt kann, sofern hiervon nicht Verwirrung oder eine wesentliche Erschwerung des Rechtsverkehrs oder der Grundbuchführung zu besorgen ist, von der Führung eines Grundbuchblatts für ein Grundstück absehen, wenn das Grundstück den wirtschaftlichen Zwecken mehrerer anderer Grundstücke zu dienen bestimmt ist, zu diesen in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis und im Miteigentum der Eigentümer dieser Grundstücke steht (dienendes Grundstück).

(5) In diesem Fall müssen an Stelle des ganzen Grundstücks die den Eigentümern zustehenden einzelnen Miteigentumsanteile an dem dienenden Grundstück auf dem Grundbuchblatt des dem einzelnen Eigentümer gehörenden Grundstücks eingetragen werden. Diese Eintragung gilt als Grundbuch für den einzelnen Miteigentumsanteil.

(6) Die Buchung nach den Absätzen 4 und 5 ist auch dann zulässig, wenn die beteiligten Grundstücke noch einem Eigentümer gehören, dieser aber die Teilung des Eigentums am dienenden Grundstück in Miteigentumsanteile und deren Zuordnung zu den herrschenden Grundstücken gegenüber dem Grundbuchamt erklärt hat; die Teilung wird mit der Buchung nach Absatz 5 wirksam.

(7) Werden die Miteigentumsanteile an dem dienenden Grundstück neu gebildet, so soll, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 4 vorliegen, das Grundbuchamt in der Regel nach den vorstehenden Vorschriften verfahren.

(8) Stehen die Anteile an dem dienenden Grundstück nicht mehr den Eigentümern der herrschenden Grundstücke zu, so ist ein Grundbuchblatt anzulegen.

(9) Wird das dienende Grundstück als Ganzes belastet, so ist, sofern nicht ein besonderes Grundbuchblatt angelegt wird oder § 48 anwendbar ist, in allen beteiligten Grundbuchblättern kenntlich zu machen, daß das dienende Grundstück als Ganzes belastet ist; hierbei ist jeweils auf die übrigen Eintragungen zu verweisen.

(1) Die nach § 22 Absatz 1 begründete Haftung für die Kosten eines Rechtsmittelverfahrens erlischt, wenn das Rechtsmittel ganz oder teilweise mit Erfolg eingelegt worden ist und das Gericht nicht über die Kosten entschieden hat oder die Kosten nicht von einem anderen Beteiligten übernommen worden sind.

(2) Richtet sich eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des Betreuungsgerichts und ist sie von dem Betreuten oder dem Pflegling oder im Interesse dieser Personen eingelegt, so schuldet die Kosten nur derjenige, dem das Gericht die Kosten auferlegt hat. Entsprechendes gilt für ein sich anschließendes Rechtsbeschwerdeverfahren und für das Verfahren über die Rüge wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

(3) Die §§ 23 und 24 gelten nicht im Rechtsmittelverfahren.

(1) Soweit eine Entscheidung nach § 78 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Gericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Verfahrensgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
Gegenstand des Verfahrens eine bestimmte Geldsumme in Euro ist,
2.
zumindest für den Regelfall ein fester Wert bestimmt ist oder
3.
sich der Wert nach den Vorschriften dieses Gesetzes unmittelbar aus einer öffentlichen Urkunde oder aus einer Mitteilung des Notars (§ 39) ergibt.
In den Fällen des Satzes 2 setzt das Gericht den Wert nur fest, wenn ein Zahlungspflichtiger oder die Staatskasse dies beantragt, oder wenn es eine Festsetzung für angemessen hält.

(2) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen des Hauptgegenstands oder wegen der Entscheidung über den Geschäftswert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung wegen des Hauptgegenstands Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.