Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 18. Apr. 2016 - 1 Ws (RB) 19/16
Gericht
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal vom 26. Februar 2016 aufgehoben und der Antrag des Antragstellers vom 10. Dezember 2015 als unzulässig verworfen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens sowie seine notwendigen Auslagen.
3. Der Gegenstandswert wird auf 500,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Mit Antrag vom 10. Dezember 2015 beantragte der Antragsteller, "die Festlegung des Anstaltsleiters vom 01.12.2015 zum Verbot von selbstklebenden Briefmarken als Briefeinlage aufzuheben".
- 2
Zuvor hatte der Leiter der Antragsgegnerin am 1. Dezember 2015 einen alle Gefangenen gleichermaßen betreffenden Info-Zettel ausgehängt, wonach unter Änderung der Stationsordnung selbstklebende Briefmarken als Briefbeilage nicht mehr gestattet seien.
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Mit Beschluss vom 26. Februar 2016 (509 StVK 580/15), der Antragsgegnerin zugestellt am 2. März 2016, hat die Strafvollstreckungskammer die "Entscheidung der Antragsgegnerin, ab dem 01.12 2015 dem Antragsteller selbstklebende Briefmarken als Briefeinlagen nicht mehr zu gestatten", aufgehoben.
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Mit ihrer Rechtsbeschwerde vom 10. März 2016, beim Landgericht Stendal eingegangen am 11. März 2016, rügt die Antragsgegnerin im Wesentlichen, dass der allgemeine Aushang keine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten i.S.d. § 109 StVollzG darstelle, Briefeinlagen nach der Rechtsprechung des 2. Strafsenats des OLG Naumburg nicht in den Schutzbereich der §§ 28 ff StVollzG fielen und die Änderung der Zulassungspraxis aus rein sachlichen Gründen, insbesondere im Hinblick auf die Eignung zugesandter Briefmarken als Träger für Rauschmittel, erfolgt sei, nachdem in der JVA verstärkt Fälle des Konsums sog. "legal highs" aufgetreten seien.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§§ 166 Nr. 3 JVollzG LSA, 116 Abs. 1 StVollzG). Die angefochtene Entscheidung steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Naumburg (vgl. Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 116, Rn. 3), wonach die Annahme und Aushändigung von selbstklebenden Briefmarken aufgrund der Möglichkeit, den Klebefilm mit Betäubungsmitteln zu tränken, wegen Gefährdung der Sicherheit und Ordnung verboten werden dürfen (Beschl. v. 2. November 2011, 2 Ws 159/11).
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Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg (§§ 166 Nr. 3 JVollzG LSA, 119 Abs. 4 S. 1 und 2 StVollzG).
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Der Antrag vom 3. Februar 2016 war bereits unzulässig. Haus- oder Rundverfügungen des Anstaltsleiters stellen keine Regelungen einzelner Angelegenheiten i.S.d. § 109 Abs. 1 S. 1 StVollzG dar, es sei denn, sie entfalten bereits unmittelbare Wirkung im Einzelfall (vgl. Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 109, Rn. 10). Dass letzteres bereits im Zeitpunkt des Aushangs des Info-Zettels (1. Dezember 2015) der Fall war, ist nicht ersichtlich.
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Im Übrigen wäre der Antrag unbegründet.
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Wie der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg in seinem Beschluss vom 2. November 2011 (2 Ws 159/11) bereits überzeugend ausgeführt hat, unterfallen Annahme und Aushändigung von Briefeinlagen nicht dem § 28 StVollzG, sondern dem § 33 StVollzG, und dürfen aufgrund der Möglichkeit, den Klebefilm mit Betäubungsmitteln zu tränken, gem. §§ 33 Abs. 1 S. 4, 22 Abs. 2 S. 1 StVollzG wegen Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt verboten werden. Daran hat sich seit dem Inkrafttreten des JVollzG LSA (1. Januar 2016) nichts geändert, weil die §§ 44 Abs. 1 S. 4, 54 Abs. 1 S. 2 JVollzG LSA eine gleichlautende Regelung enthalten. Da der am 1. Dezember 2015 vom Anstaltsleiter ausgehängte Info-Zettel alle Gefangenen gleichermaßen betraf, stellt sich im vorliegenden Fall auch das vom 2. Strafsenat seinerzeit aufgeworfene Problem eines auf einer Ungleichbehandlung beruhenden Ermessensfehlers nicht.
- 10
Entgegen der Auffassung des Antragstellers kommt es auch nicht darauf an, ob in seiner Person konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung vorliegen. Zwar ist - vornehmlich anhand von § 70 Abs. 3 StVollzG - in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass für den Betroffenen nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes Bestandschutz besteht, wenn nicht neuerdings wichtige Gründe eingetreten sind, die einen Widerruf einer zuvor bestehenden Erlaubnis rechtfertigen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 14. Mai 2013, III-1 Vollz (Ws) 139/13, Rn. 2, m.w.N., zitiert nach juris). Stellt sich allerdings heraus, dass einem Gegenstand eine gewisse Gefährlichkeit innewohnt, schließt bereits dies ein Recht auf dessen Besitz im Strafvollzug aus (vgl. OLG Hamm, a.a.O., Rn. 3). In einem solchen Fall wiegen die Widerrufsgründe schwerer als der Bestandschutz (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 17. März 2014, 1 Ws (Vollz) 192/13, Rn. 31, zitiert nach juris). Davon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen, als er ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 54 Abs. 2 JVollzG LSA in den §§ 44 Abs. 1 S. 2, 54 Abs. 2, 61 Abs. 4 s. 2 JVollzG das Einbringen von Nahrungs- und Genussmitteln wegen deren Eignung zum Verstecken von Gegenständen generell untersagt hat. In diesen Regelungen kommt der klare Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, die Möglichkeiten zum Einschleusen von Gegenständen, welche die Sicherheit und Ordnung in der JVA gefährden, so weit wie möglich einzuschränken. Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, dass die Antragsgegnerin, nachdem verstärkt sog. "legal highs" in die JVA eingebracht worden sind, Briefmarken wegen deren Verwendbarkeit als Rauschmittelträger als Beilagen zu Briefen gem. § 54 Abs. 1 S. 2 JVollzG LSA nicht mehr zulässt, zumal den Interessen der Strafgefangenen durch den Erwerb von Briefmarken und Schreibwaren über den Anstaltskaufmann in der Regel genügt werden kann (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 2. November 2011, 2 Ws 159/11). Wie sich aus der Gesetzesbegründung zu § 61 Abs. 2 JVollzG LSA ergibt, ist das dortige Angebot nicht auf die in § 61 Abs. 2 S. 1 Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemittel beschränkt, sondern kann beispielsweise auch Briefpapier, Lernmittel und technische Geräte und damit auch Briefmarken umfassen.
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(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum Erlaß einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden.
(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(3) Dient die vom Antragsteller begehrte oder angefochtene Maßnahme der Umsetzung des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches im Vollzug der Sicherungsverwahrung oder der ihr vorausgehenden Freiheitsstrafe, so ist dem Antragsteller für ein gerichtliches Verfahren von Amts wegen ein Rechtsanwalt beizuordnen, es sei denn, dass wegen der Einfachheit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht geboten erscheint oder es ersichtlich ist, dass der Antragsteller seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen kann. Über die Bestellung und einen Widerruf entscheidet der Vorsitzende des nach § 110 zuständigen Gerichts.
(1) Der Gefangene darf dreimal jährlich in angemessenen Abständen ein Paket mit Nahrungs- und Genußmitteln empfangen. Die Vollzugsbehörde kann Zeitpunkt und Höchstmengen für die Sendung und für einzelne Gegenstände festsetzen. Der Empfang weiterer Pakete oder solcher mit anderem Inhalt bedarf ihrer Erlaubnis. Für den Ausschluß von Gegenständen gilt § 22 Abs. 2 entsprechend.
(2) Pakete sind in Gegenwart des Gefangenen zu öffnen. Ausgeschlossene Gegenstände können zu seiner Habe genommen oder dem Absender zurückgesandt werden. Nicht ausgehändigte Gegenstände, durch die bei der Versendung oder Aufbewahrung Personen verletzt oder Sachschäden verursacht werden können, dürfen vernichtet werden. Die hiernach getroffenen Maßnahmen werden dem Gefangenen eröffnet.
(3) Der Empfang von Paketen kann vorübergehend versagt werden, wenn dies wegen Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerläßlich ist.
(4) Dem Gefangenen kann gestattet werden, Pakete zu versenden. Die Vollzugsbehörde kann ihren Inhalt aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überprüfen.
(1) Der Gefangene darf in angemessenem Umfang Bücher und andere Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung besitzen.
(2) Dies gilt nicht, wenn der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung des Gegenstands
- 1.
mit Strafe oder Geldbuße bedroht wäre oder - 2.
das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden würde.
(3) Die Erlaubnis kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 widerrufen werden.
In gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, ist der Wert von Amts wegen festzusetzen. § 63 Absatz 3 gilt entsprechend.
Für die Bestimmung des Werts in gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, ist § 52 Absatz 1 bis 3 entsprechend anzuwenden; im Verfahren über den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs einer Maßnahme der Vollzugsbehörde oder auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gilt § 52 Absatz 1 und 2 entsprechend.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.