Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 14. Okt. 2013 - 1 Ws 526/13
Gericht
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Stendal vom 17. Juli 2013 (509 StVK 517/13) wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten der Rechtsbeschwerde sowie ihre notwendigen Auslagen hat die Beschwerdeführerin zu tragen.
3. Der Gegenstandswert wird auf 300,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
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Mit Beschluss vom 17. Juli 2013 (509 StVK 517/13) verpflichtete die 9. Strafkammer des Landgerichts Stendal - Strafvollstreckungskammer - die Antragsgegnerin, dem Antragsteller den aktuellen Text des Strafvollzugsgesetzes auszuhändigen.
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Dieser Beschluss wurde der Antragsgegnerin am 26. Juli 2013 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 14. August 2013, eingegangen bei dem Landgericht Stendal am selben Tag, legte die Antragsgegnerin Rechtsbeschwerde ein. Zur Begründung wird seitens der Aufsichtbehörde ausgeführt, dass sich ein Anspruch auf kostenfreie Zurverfügungstellung des Strafvollzugsgesetzes aus § 5 Abs. 2 StVollzG nicht ergebe. Vielmehr eröffne die Norm einen Ermessensspielraum, den die Anstalt dadurch ausübe, dass sie den Text des StVollzG in der Anstaltsbibliothek zur kostenlosen Ausleihe mit Verlängerungsmöglichkeit zur Verfügung stelle. Ferner habe der Antragsteller die Möglichkeit, einen Gesetzestext auf eigene Kosten über den Einkauf zu erwerben bzw. durch Einbringen mittels Paket zu beziehen. Auch könne sich der Antragsteller - kostenpflichtig - in der Anstalt Kopien des benötigten Textes fertigen lassen.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen.
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Es ist über die Frage zu entscheiden, ob das Recht des Strafgefangenen nach § 5 Abs. 2 StVollzG im Aufnahmeverfahren über seine Rechts und Pflichten unterrichtet zu werden, die Aushändigung eines Abdrucks des Strafvollzugsgesetzes auf Antrag einschließt.
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Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg.
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Die Entscheidung der 9. Strafkammer des Landgerichts Stendal - Strafvollstreckungskammer - ist zu Recht ergangen. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, dem Antragsteller auf seinen Antrag den Text des Strafvollzugsgesetzes auszuhändigen.
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Zwar wurde ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 7/3998) von einer ausdrücklichen gesetzlichen Konkretisierung des Umfangs der Belehrungspflicht nach § 5 Abs. 2 StVollzG abgesehen. Das Zugänglichmachen z.B. des Strafvollzugsgesetzes und der Anstaltsordnung wird dort jedoch für unabdingbar gehalten, weil der Gefangene im stärkeren Maße als der freie Bürger auf eine eingehende Unterrichtung angewiesen sei, der eine einmalige, nur mündliche Belehrung bei der Aufnahme insbesondere im Hinblick auf den Pflichtenkatalog nicht gerecht werde.
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Sowohl aus dem Wortlaut des „Zugänglichmachens“ als auch aus der Aufzählung des Strafvollzugsgesetzes gefolgt von der - kostenfrei zur Verfügung gestellten - Hausordnung und dem Sinn und Zweck der Regelung, nämlich der umfassenden Information des Gefangenen über dessen Rechte und Pflichten in diesem besonderen Gewaltverhältnis, ergibt sich der Anspruch auf kostenfreie und jederzeitige Verfügbarkeit des Textes des Strafvollzugsgesetzes jedenfalls auf Antrag des Gefangenen.
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Die Pflicht zur Unterrichtung des Gefangenen aus § 5 Abs. 2 StVollzG umfasst den Anspruch des Gefangenen auf Antrag den Text des Strafvollzugsgesetzes so zur Verfügung gestellt zu bekommen, dass er jederzeit darauf zurückgreifen kann, weil der effektive Rechtsschutz, den die §§ 119 StVollzG gewährleisten sollen, die Unterrichtung über den Wortlaut des Gesetzes voraussetzt (OLG Celle, Beschluss vom 08. Juli 1986 - 3 Ws 300/86 -; Feest/Lesting, StVollzG, 6. Aufl., § 5 Rn 11; Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 5. Aufl., § 5 Rn 6 jew. m.w.N.).
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Diese Verpflichtung kann die Anstalt nicht auf den Gefangenen abwälzen, indem sie ihn auf den möglichen Erwerb des Gesetzestextes, ein Einbringen des Textes mittels Paket oder die kostenpflichtige Erstellung von entsprechenden Kopie durch die Anstalt verweist. Auch der Verweis auf die Ausleihe mit Verlängerungsmöglichkeit aus der Bibliothek der Justizvollzugs-anstalt erfüllt das Kriterium der ständigen Verfügbarkeit z.B. dann nicht, wenn alle Exemplare ausgeliehen sind.
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Bei der Auslegung des § 5 Abs. 2 StVollzG ist auch das Vollzugsziel des § 2 StVollzG als Leitlinie des gesamten Vollzuges zu berücksichtigen. Tatbestandliche Voraussetzungen sind im Lichte des Vollzugszieles auszulegen (Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 2 Rn 4). Daraus folgt, dass es dem Gefangenen möglich sein muss, selbständig und jederzeit von seinen gesetzlich geregelten Rechten und Pflichten Kenntnis zu nehmen und diese unabhängig von der Sichtweise der Anstalt zu interpretieren (so auch OLG Celle, a.a.O.).
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 1 und Abs. 4 StVollzG i.V.m. § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Die Festsetzung es Gegenstandswertes beruht auf §§ 65, 60, 52 Abs. 1 GKG.
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Annotations
(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.
(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.
(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
(1) Der Strafsenat entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß.
(2) Seiner Prüfung unterliegen nur die Beschwerdeanträge und, soweit die Rechtsbeschwerde auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die in der Begründung der Rechtsbeschwerde bezeichnet worden sind.
(3) Der Beschluß, durch den die Beschwerde verworfen wird, bedarf keiner Begründung, wenn der Strafsenat die Beschwerde einstimmig für unzulässig oder für offensichtlich unbegründet erachtet.
(4) Soweit die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet wird, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Der Strafsenat kann an Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheiden, wenn die Sache spruchreif ist. Sonst ist die Sache zur neuen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.
(5) Die Entscheidung des Strafsenats ist endgültig.
Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel). Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.
(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind.
(2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen. Hat sich die Maßnahme vor einer Entscheidung nach Absatz 1 in anderer Weise als durch Zurücknahme des Antrags erledigt, so entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen nach billigem Ermessen.
(3) Bei erstinstanzlichen Entscheidungen des Gerichts nach § 119a fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last. Absatz 2 Satz 2 gilt nicht im Falle des § 115 Abs. 3.
(4) Im übrigen gelten die §§ 464 bis 473 der Strafprozeßordnung entsprechend.
(5) Für die Kosten des Verfahrens nach den §§ 109ff. kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 43 Abs. 2 übersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
In gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, ist der Wert von Amts wegen festzusetzen. § 63 Absatz 3 gilt entsprechend.
Für die Bestimmung des Werts in gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, ist § 52 Absatz 1 bis 3 entsprechend anzuwenden; im Verfahren über den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs einer Maßnahme der Vollzugsbehörde oder auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gilt § 52 Absatz 1 und 2 entsprechend.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.