Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 25. Apr. 2017 - 1 AR 2/17 (Zust)
Gericht
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Halle/Saale bestimmt.
Gründe
I.
- 1
Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. GmbH, M. Straße 73 in H. . Er beabsichtigt, gegen die Antragsgegner zu 1. und 2. als damalige Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin Ansprüche auf Ersatz von Zahlungen gemäß § 64 Satz 1 GmbHG geltend zu machen. Der Antragsgegner zu 1. hat seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts Halle/Saale, der Antragsgegner zu 2. im Bezirk des Landgerichts Hildesheim.
- 2
Der Antragsteller hat am 14.02.2017, Eingang beim Oberlandesgericht am 20.02.2017, Antrag auf Bestimmung des gemeinsamen Gerichtsstandes gestellt und angeregt, das Landgericht Halle/Saale als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen. Der Antragsgegner zu 2. hat - anwaltlich vertreten - mitgeteilt, zu dem Antrag auf Gerichtsstandbestimmung nicht Stellung nehmen zu wollen. Der Antragsgegner zu 2. hat sich zu dem Antrag nicht geäußert.
II.
- 3
Der zulässige Antrag des Antragstellers führt gemäß §§ 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 37 Abs. 1 ZPO zur Bestimmung der Zuständigkeit des Landgerichts Halle/Saale.
- 4
Nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hat bei Klagen gegen Streitgenossen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, eine Bestimmung des zuständigen Gerichts zu erfolgen, wenn für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist.
- 5
Nach dem Vorbringen des Antragstellers würden die Antragsgegner zu 1. und 2. für die etwaigen Ersatzansprüche nach § 64 Satz 1 GmbHG als damalige Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin gemeinschaftlich haften. Sie sind Streitgenossen im Sinne des § 60 ZPO (vgl. Schmidt in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2010, § 64, Rn. 43).
- 6
Die Antragsgegner haben ihren Gerichtsstand in unterschiedlichen Landgerichtsbezirken. Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand lässt sich zumindest nicht zweifelsfrei feststellen.
- 7
Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand wird nicht durch § 19a ZPO begründet. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs findet diese Vorschrift allein auf Passivprozesse des Insolvenzverwalters Anwendung (BGH, Urteil vom 27. Mai 2003, IX ZR 203/02, Rn. 10, zitiert nach juris).
- 8
Es bestehen auch erhebliche Zweifel, ob Ersatzansprüche nach dieser Vorschrift in den Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 ZPO fallen. Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Ersatzpflicht des § 64 GmbHG um ein Fortwirken der Geschäftsführerpflichten handele, die grundsätzlich am Sitz der Gesellschaft zu erfüllen seien, so dass ein besonderer Gerichtsstand nach § 29 ZPO eröffnet sei (so bspw. Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 5 Aufl. 2015, § 92, Rn. 192). Demgegenüber geht der BGH davon aus, dass es sich bei einem Anspruch aus § 64 GmbHG um eine Ersatzforderung eigener Art handele, die nicht unmittelbar an die Geschäftsführerpflichten gegenüber der Gesellschaft anknüpfe (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2008, II ZR 291/06, zitiert nach juris).
- 9
Ob für die Antragsgegner ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet ist, muss der Senat letztlich nicht abschließend klären. Denn die Zuständigkeit ist bereits dann gerichtlich zu bestimmen, wenn ein gemeinsamer Gerichtsstand der potentiellen Beklagten nicht einfach und zuverlässig festzustellen ist (Zöller-Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 36, Rn. 18). Entscheidend ist, dass derartige Zweifel bereits jetzt gegeben sind und durch die Bestimmung des zuständigen Gerichts Zuständigkeitsstreitigkeiten vermieden werden (Senatsbeschluss vom 06. Februar 2014, 1 AR 28/13, Rn. 4, zitiert nach juris). Nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten ist als örtlich zuständiges Gericht das Landgericht Halle/Saale zu bestimmen. Insbesondere befindet sich im dortigen Bezirk der Sitz der Insolvenzschuldnerin, so dass sich dort auch die relevanten Zahlungsvorgänge ereignet haben. Zudem hat auch der Antragsgegner zu 1. in diesem Gerichtsbezirk seinen Wohnsitz. Letztlich wäre das Landgericht Halle/Saale auch bei der Annahme eines gemeinsamen besonderen Gerichtstandes nach § 29 ZPO zuständig.
- 10
Gründe, die eine Verhandlung vor dem Landgericht Hildesheim zweckdienlicher erscheinen lassen, sind demgegenüber nicht erkennbar.
- 11
gez. Dr. Holthaus gez. Haberland gez. Lanza-Blasig
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Annotations
(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
Mehrere Personen können auch dann als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden.
Der allgemeine Gerichtsstand eines Insolvenzverwalters für Klagen, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen, wird durch den Sitz des Insolvenzgerichts bestimmt.
(1) Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.
(2) Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort begründet die Zuständigkeit nur, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.
(1) Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.
(2) Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort begründet die Zuständigkeit nur, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.
(1) Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.
(2) Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort begründet die Zuständigkeit nur, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.