Oberlandesgericht München Endurteil, 22. Dez. 2017 - 10 U 2850/16

bei uns veröffentlicht am22.12.2017

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten vom 04.07.2016 gegen das Endurteil des LG München II vom 09.06.2016 (Az. 3 O 4791/14) wird zurückgewiesen.

II. Das Urteil des Landgerichts München II ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Klägerin machte gegen die Beklagte, eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft, Heilbehandlungs- und Fahrtkosten für den Zeitraum vom 10.01.2013 bis 29.04.2014 geltend, wobei ursprünglich 16.841,56 € gefordert worden waren.

I.

Zugrunde liegt ein Verkehrsunfall vom 22.06.2004 gegen 14.10 Uhr in der L.Straße in G., die Klägerin wurde auf einem Wegeunfall durch einen Frontalzusammenstoß mit einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw Ford Fiesta schwer verletzt. Die alleinige und vollständige Haftung der Beklagten für die Unfallschäden ist dem Grunde nach unstreitig.

Die Klägerin hat die gesundheitlichen Folgen des Unfalls zunächst ausschließlich durch Einrichtungen und Ärzte der Berufsgenossenschaft behandeln lassen. Insoweit wird auf den Schriftsatz vom 23.10.2017 (S. 1/8 = Bl. 176/183 d. A.) verwiesen.

Von Mai 2007 bis Mai 2008 fand eine psychotherapeutische Behandlung wegen posttraumatischer Belastungsstörung und depressiven Episoden bei Frau Dr. M. statt, einer Ärztin der Berufsgenossenschaft, die diese Kosten übernommen hatte. Da die Klägerin deren bloße Gesprächstherapie für unergiebig hielt, wechselte sie ab 16.07.2008 zu Dr. M.-R., deren Kosten die Beklagte, nach einer Rückfrage einer Sachbearbeiterin der Beklagten, worum es bei der Behandlung gehe, bis zum Schreiben vom 22.01.2013 ohne Einschränkungen und ohne Vorbehalt übernommen hatte. Insoweit wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 23.10.2017 (S. 12/23 = Bl. 187/198 d. A.) und das Protokoll d. mdl. Verhandlung (v. 22.12.2017, S. 5 = Bl. 219 d. A.).

Ab April 2007 begann die Klägerin zusätzlich eine osteopathische Behandlung bei Y.B. Praxis für ganzheitliche Medizin, nachdem nach Beendigung der Behandlung im Traumazentrum bei Dr. M. ein Durchgangsarzt der Berufsgenossenschaft im Krankenhaus P. mitgeteilt hatte, dass eine solche Behandlung zwar sinnvoll sei, die Berufsgenossenschaft die Kosten jedoch nicht übernehme. Im Jahr 2016 hat die Berufsgenossenschaft diese Kosten aus Kulanzgründen doch und sogar rückwirkend übernommen. Die Klägerin hat deshalb hinsichtlich eines Teilbetrags von 7.256,50 € beantragt, die Erledigung der Hauptsache festzustellen.

In der Zwischenzeit hat wiederum die Beklagte vorbehaltlos und ohne Einschränkungen geleistet. Insoweit wird auf die Schriftsätze vom 12.10.2017 (Bl. 176/198 d. A.) und 06.11.2017 (Bl. 200/201 d. A.), sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung (v. 22.12.2017, S. 5 = Bl. 219 d. A.) verwiesen.

Die Massagetherapie bei der Physiotherapeutin W.-S. wurde ab März 2008 begonnen, wiederum hat die Beklagte jahrelang sämtliche Kosten ohne Einschränkung oder Vorbehalt übernommen.

II.

Ergänzend wird hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz auf das Endurteil des Landgerichts München II vom 09.06.2016 (Bl. 102/120 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO). Die Klägerin hatte zuletzt hinsichtlich eines Teilbetrags von 7.256,50 € beantragt, die Erledigung der Hauptsache festzustellen, weil die Berufsgenossenschaft kulanzhalber diese Behandlungs- und Fahrtkosten übernommen hatte.

III.

Das Erstgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage im Wesentlichen stattgegeben (EU 1/2 = Bl. 102/103 d. A.).

Von den Behandlungskosten bei der Ärztin für physikalische und rehabilitative Medizin M.-R. wurden 4.719,38 € für privatärztliche Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen, Akupunktur, Chirotherapie, Massagen und symptomatische Schmerztherapie anerkannt, dagegen ein Betrag von insgesamt 1.632,69 € für EMDR- und homöopathische Behandlung verweigert. Die hierauf entfallenden Taxikosten von 2.103,- € wurden ohne Einschränkung bewilligt.

Ebenso wurden die Kosten einer Therapie für ausgleichende Punkt- und Meridianmassage der Physiotherapeutin W.-S. in Höhe von 700,- € samt den zugehörigen Taxikosten von 410,- € antragsgemäß zuerkannt.

Die Kosten einer osteopathischen Behandlung in der Praxis Y.B. wurden in der geltend gemachten Höhe von 5.222,- € samt der hierauf entfallenden Taxikosten von 2.050,- € für gerechtfertigt gehalten, und die Kostenübernahme durch die Berufsgenossenschaft als erledigendes Ereignis angesehen.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnung wird auf das Ersturteil verwiesen (EU 3/4, 14/18 = Bl. 104/105, 115/119 d. A.).

IV.

Gegen dieses ihr am 14.06.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 04.07.2016 eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 136/137 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 12.09.2016, eingegangen am 14.09.2016, – nach Fristverlängerung durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 16.08.2016 (Bl. 143 d. A.) fristgerecht – begründet (Bl. 144/154 d. A.).

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen (BB 1 = Bl. 114 d. A.).

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen (Bl. 141 d. A.).

Von einer weiteren Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

V.

Der Senat hat eine mündliche Verhandlung durchgeführt, die Klägerin persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Sachverständigen Dr. B. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22.12.2017 (Bl. 215/223 d. A.) verwiesen. Im Übrigen wird ergänzend auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Von einer weiteren Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B.

Die statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet, somit insgesamt zulässig. Sie ist jedoch unbegründet, sodass der Beklagten ein Erfolg in der Sache versagt bleiben muss.

I.

Das Landgericht hat zu Recht die Ansprüche der Klägerin – im jetzt noch streitgegenständlichen Umfang – gegen die Beklagte zuerkannt. Die Klägerin hatte ihre Aktivlegitimation nicht wegen eines gesetzlichen Forderungsübergangs verloren, sodass die gleichwohl erfolgte spätere Erstattung der Berufsgenossenschaft ein erledigendes Ereignis darstellen musste. Aufgrund der Besonderheiten des Streitfalles könnte sich die Beklagte unter Treuwidrigkeitsgesichtspunkten auf einen Wegfall der Aktivlegitimation nicht berufen, selbst wenn dieser eingetreten wäre. Im Übrigen waren die von der Klägerin wahrgenommenen medizinischen Leistungen wie auch die hierfür abgerechneten Taxifahrten medizinisch notwendig, und die unbeschränkte Einstandspflicht der Beklagten unstreitig.

Die vom Senat wiederholte und ergänzte Beweisaufnahme liefert eine uneingeschränkte Bestätigung der erstinstanzlichen Feststellungen und rechtlichen Bewertungen.

1. Die Beklagte meint, der gesetzliche Forderungsübergang nach § 116 I SGB gelte auch dann, wenn der Sozialversicherungsträger, der jegliche medizinisch notwendige Leistungen erbringen müsse, solche Leistungen verweigere. Notfalls müsste der Geschädigte den Sozialrechtsweg ausschöpfen, und das oberste Sozialgericht entscheiden, ob die Berufsgenossenschaft zur Übernahme der Behandlungskosten verpflichtet sei. Wenn dann feststehe, dass dies nicht der Fall sei, seien die Behandlungskosten medizinisch nicht notwendig gewesen – und folglich auch vom Schädiger nicht zu tragen – was die Zivilgerichte vorrangig und verbindlich zugrunde zu legen hätten.

Diese Auffassung ist abzulehnen und findet auch in den von der Beklagten genannten Entscheidungen (BGH NJW 2003, 3193; 2012, 3639) keinen Stütze. Das erstgenannte Urteil behandelt einen Streit zwischen Krankenversicherung und Sozialversicherungsträger wegen ungerechtfertigter Bereicherung, jedoch spielte ein möglicher Unterschied des Leistungsumfangs keine Rolle. Deswegen kann aus der Textfassung des ersten Leitsatzes („soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat“) nicht gefolgert werden, dass die eigenständige Überprüfung und Bewertung des sozialrechtlichen Leistungsumfangs (Hervorhebung des Senats) dem Sozialversicherungsträger entzogen und eine gerichtliche Überprüfung zur Entlastung des Schädigers dem Geschädigten aufzubürden sei. Ebenso wenig kann aus dem Umstand, dass eine Leistungspflicht der Krankenversicherung nicht bestehe, weil der Anspruch bereits mit dem schadensstiftenden Ereignis dem Grunde in die Zuständigkeit des Unfallversicherungsträger falle, und unerheblich sei ob der Verletzte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung auch tatsächlich erhält, entscheidendes für den Streitfall abgeleitet werden: Letzterer betrifft Ansprüche der Höhe nach, die von der Berufsgenossenschaft nicht wie im Fall des BGH noch nicht erbracht wurden, sondern sozialrechtlich bestandskräftig verweigert wurden. Das zweitgenannte Urteil betrifft einen Fall, in welchem das Sozialversicherungsverhältnis erst zu einem späteren Zeitpunkt als der haftpflichtauslösende Schadensfall entstanden war, und deswegen schon kein Anspruchsübergang dem Grunde nach (Hervorhebung des Senats) im Zeitpunkt des schadensstiftenden Ereignisses angenommen wurde.

a) Für den Streitfall maßgeblich ist zunächst die Äußerung des BGH, die SGB-Vorschriften bezweckten „zu vermeiden, dass der Schädiger durch die dem Geschädigten zufließenden Sozialleistungen haftungsfrei gestellt oder aber der Geschädigte doppelt entschädigt (bereichert)“ werde. Die Rechtsauffassung der Beklagten hätte eine ähnliche Folge, der Schädiger würde zu Lasten des Geschädigten freigestellt, weil letzterer eine Leistungsverweigerung des Unfallversicherers bekämpfen und ein Scheitern hinnehmen müsste. Der in § 116 I SGB X normierte Anspruchsübergang findet in aller Regel bereits im Zeitpunkt des schadensstiftenden Ereignisses statt, da aufgrund des zwischen dem Geschädigten und dem Sozialversicherungsträger bestehenden Sozialversicherungsverhältnisses von vornherein eine Leistungspflicht in Betracht kommt. Es handelt sich danach um einen Anspruchsübergang dem Grunde nach, der den Sozialversicherungsträger vor Verfügung des Geschädigten schützen soll. Allerdings erfolgt ein Anspruchsübergang auf den Sozialversicherungsträger dann nicht im Zeitpunkt des Schadenseintritts, wenn die Entstehung einer Leistungspflicht völlig unwahrscheinlich, also geradezu ausgeschlossen ist bzw. ist der Forderungsübergang auflösend bedingt, die Bedingung tritt aber nur ein, wenn der Sozialversicherungsträger nicht geleistet hat und feststeht, dass ihn keine Leistungspflicht mehr trifft Eine solche Situation liegt etwa vor, wenn davon auszugehen ist, dass der sozialversicherungsträger sich nicht an den Kosten der Schadensbehebung beteiligen werde (BGH NJW 2004, 3324).

Es ist nicht Sinn und Zweck des § 116 ISGB X, den Geschädigten zu verpflichten, seine Versicherung in Anspruch zu nehmen (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 05.11.2013, Az. 3 U 421/13 [Juris]). Es soll vielmehr vermieden werden, dass der Geschädigte die Inanspruchnahme des Schädigers etwa durch Abtretung seiner Ansprüche nach Vorleistung durch den Sozialversicherungsträger verhindert und der Schädiger soll durch die fehlende Inanspruchnahme der Krankenversicherung nicht besser gestellt werden als im Fall der Inanspruchnahme.

Nach der Rspr. des BGH (NJW 2004, 3324 = MDR 2004, 1413) kann die Haftpflicht des Schädigers die Übernahme einer privatärztlichen Behandlung über einen geschädigten Kassenpatienten umfassen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls feststeht, dass das Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung nur unzureichende Möglichkeiten zur Schadensbeseitigung bietet oder die Inanspruchnahme der vertragsärztlichen Leistung aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise dem Geschädigten nicht zumutbar ist.

b) Soweit die Beklagte meint, die Berufsgenossenschaft müsse (anders als die gesetzliche Krankenversicherung) jegliche medizinisch notwendige Leistungen erbringen und notfalls Wahlleistungen anbieten und bezahlen, während der Geschädigte kein Wahlrecht habe, ist dies nicht uneingeschränkt zutreffend. Wenn – wie im Streitfall – die Berufsgenossenschaft Leistungen verweigert (Widerspruchsbescheid v. 22.11.2016, Anlage K 90) ist – auch zivilrechtlich – bindend festgestellt, dass die beantragten Leistungen nicht zu erbringen sind; dies gilt jedoch nicht für die medizinische Notwendigkeit der Krankenbehandlung, da der Unfallversicherungsträger durchaus aus anderen Gründen eine Leistung verweigern kann. Die Beklagte übersieht, dass der genannte Bescheid genau aus Gründen des Leistungskatalogs (§§ 26, 28, 34 SGB VII) eine Kostenerstattung ablehnt, also durchaus eine Deckungslücke entstehen kann und im Streitfall entstanden ist. Zwar besteht ein allgemeines Wahlrecht des Geschädigten tatsächlich nicht, dies schließt jedoch nach der vorgenannten Rechtsprechung nicht aus, dass besondere Umstände des Einzelfalls die Verweisung auf Vertragsärzte als unzumutbar erscheinen lassen.

(1) So liegt der Fall vorliegend. Die Klägerin wurde bis Februar 2013 von Dr. M.-R. erfolgreich auf ihre unfallbedingten Beeinträchtigungen behandelt, sodass sich in dieser Zeit zwischen der behandelnden Ärztin und der Klägerin ein Vertrauensverhältnis entwickelt hat. Ein erzwungener Wechsel nach einer mehrjährigen Schmerztherapie hätte nach den glaubhaften Angaben der Klägerin anlässlich ihrer persönlichen Anhörung und insbesondere den Ausführungen des Sachverständigen in mündlicher Verhandlung, von denen der Senat überzeugt ist, eine Gefährdung des Behandlungserfolgs zur Folge.

Gleiches gilt nach Auffassung des Senats für die Therapiekosten bei der Physiotherapeutin und die Kosten der osteopathischen Behandlung. Auch insoweit hat die Klägerin während der diesbezüglich erfolgten jahrelangen Zahlungen der Beklagten ein Vertrauensverhältnis zu den Behandlern aufgebaut, die einen Wechsel nicht zumutbar erscheinen lassen, weswegen die lediglich aus Kulanzgründen erfolgte Erstattung der Kosten durch die Berufsgenossenschaft nach zunächst jahrelanger vorbehaltloser Zahlung seitens der Beklagten sich als erledigendes Ereignis darstellt.

Grundsätzlich hatte die Berufsgenossenschaft nach den Bekundungen des Sachverständigen nicht nur medizinisch notwendige, sondern auch alle geeigneten Mittel zur Behandlung leisten oder erstatten müssen. Insoweit wird jedenfalls seit dem Behandlungsbeginn der Klägerin eine sogenannte multimodale Schmerztherapie, etwa Physiotherapie, manuelle Therapie und begleitend Psychotherapie, von den Berufsgenossenschaften angeboten, sodass die von der Klägerin in Anspruch genommenen Leistungen auch durch Vertragsärzte der Berufsgenossenschaft übernommen worden wären. Jedoch hat jede Berufsgenossenschaft einen weiten Ermessensspielraum, welche Behandler in das Heilverfahren und welche Leistungen in den Leistungskatalog eingebunden werden. Die Verwendung eines Taxis statt öffentlicher Verkehrsmittel war im Falle der Klägerin aufgrund der Häufung und engen Abfolge zahlreicher Termine aus medizinischer Sicht erforderlich. Ergänzend wird auf die Angaben des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung (Protokoll v. 22.12.2017, S. 4/6 = Bl. 218/220 d. A.) Bezug genommen. Die Klägerin hat nach zunächst ausschließlicher Behandlung durch die berufsgenossenschaftlichen Einrichtungen oder Vertragsärzte Ergänzungen vorgenommen, nachdem der Fortsetzung aller bisheriger Maßnahmen Schwierigkeiten entgegenstanden. Dagegen hat die Berufsgenossenschaft keinerlei Angebote und Hinweise auf eigene Vertragsärzte gegeben, die die Klägerin hätte in Anspruch nehmen können. Ebenso hat die Beklagte, nach Überprüfung, die Entscheidung der Klägerin gebilligt, ohne die jetzt geltend gemachten Einwände auch nur im Ansatz anzudeuten und so der Klägerin Gelegenheit zur geben, ihre Wahl zu überdenken. Vielmehr hat die Beklagte über mehrere Jahre durch anstandslose Zahlung aller Rechnungen in der Klägerin ein Vertrauen erweckt, dass die Zuständigkeit für derartige Erstattungen nicht in Frage stehe. Deswegen ist über mehrere Jahre ein Vertrauensverhältnis zu den behandelnden Ärzten und Therapeuten entstanden, das bei einer rechtzeitigen Warnung oder Ablehnung der Beklagten nicht aufgebaut oder nicht schutzwürdig gewesen wäre. Ein Wechsel des behandelnden Arztes würde angesichts der schwierigen gesundheitlichen Lage, der schwerwiegenden Unfallfolgen und der zahlreichen notwendigen Maßnahmen eine erhebliche Gefährdung des Behandlungserfolges bedeuten. Ergänzend wird auf die Hinweise des Senats in der Beweisverhandlung (Protokoll v. 22.12.2017, S. 6/7 = Bl. 220/221 d. A.) Bezug genommen. Deswegen mag zwar sein, dass die Berufsgenossenschaft die von der Klägerin in Anspruch genommenen medizinischen Leistungen ebenfalls in gleicher Art und Güte geleistet hätte. Jedoch ist der Klägerin angesichts des Verhaltens der Beklagten nicht vorzuwerfen, keine entsprechenden Bemühungen entfaltet zu haben. Folglich kann der Auffassung der Beklagten (Schriftsatz v. 18.12.2017, S. 2/3 = Bl. 203/204 d. A.), es sei unerheblich, ob und dass der Verletzte bisher privatärztliche Leistungen in Anspruch genommen habe und zu diesen Behandlern ein persönliches Vertrauensverhältnis aufgebaut habe, nicht gefolgt werden.

(2) Aus den vorstehend dargestellten Erwägungen kann sich die Beklagte darüber hinaus nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf eine vorrangige Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers und eine deshalb entfallene Aktivlegitimation berufen. Es wäre Aufgabe der Beklagten gewesen, frühzeitig darauf hinzuweisen, dass sie trotz vorbehaltloser Zahlung derartige medizinisch gewichtige Umstände künftig nicht mehr gelten lassen wolle. Die Meinung, zwischen den Parteien bestehe wegen des gesetzlichen Forderungsübergangs kein Rechtsverhältnis mehr, auf das § 242 BGB zur Anwendung kommen könne (Protokoll v. 22.12.2017, S. 8 = Bl. 222 d. A.), missachtet die Tatsache, dass die Beklagte nach wie als der vorrangig vor dem Schädiger eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer für jegliche Unfallfolgen der Klägerin zu haften hat, also ein deliktisches Schuldverhältnis nicht geleugnet werden kann.

Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 18.12.2017, S. 6 = Bl. 207 d.A. ausführt, die Klägerin sei bereits 2012 oder 2013 in einem anderen Verfahren vor dem Landgericht auf die geänderte Abrechnungspraxis hingewiesen worden und ihr Vertrauen auf die weitere Erbringung der Leistungen daher nicht schutzwürdig, ist anzumerken, dass zu diesem Zeitpunkt das Vertrauensverhältnis zu den Ärzten und Behandlern, das einem Wechsel vorliegend entgegensteht, bereits längst aufgebaut war. Daher kommt es nicht mehr darauf an, dass die Beklagte auf die Fristsetzung des Senats vom 08.08.2017 (Bl. 172/173 d. A.) und auf den Schriftsatz der Klägerin vom 28.02.2017 (Bl. 162/171 d. A.) trotz Fristverlängerung bis 29.09.2017 (Bl. 175 d. A.) nicht erwidert und auf den Schriftsatz der Klägerin vom 23.10.2017 (Bl. 176/198 d. A.) erst mit Schriftsatz vom 18.12.2017 (Bl. 202/207) Stellung genommen, diesen jedoch der Klagepartei nicht bzw. an die falsche, nicht mehr gültige Kanzleianschrift zugestellt hat.

2. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten (Schriftsatz v. 18.12.2017, S. 2/3 = Bl. 203/204 d. A.) bestand und besteht keine Verpflichtung der Klägerin, den Widerspruchsbescheid des Unfallversicherungsträgers anzufechten und sozialgerichtlich zu Überprüfen. Dies gilt sowohl für die Streitfrage des Anspruchsübergangs (§ 116 I SGB X „soweit … zu erbringen hat“), als auch für einen im Rahmen Treu und Glaubens zu gewichtenden Umstand im Bereich der Klägerin. Es ist nicht Sinn und Zweck des § 116 I SGB X, den Geschädigten zu verpflichten, seine Versicherung in Anspruch zu nehmen (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 05.11.2013, Az. 3 U 421/13 [Juris]). Auch ein in den Ruhestand versetzter Beamter ist im Regelfall nicht verpflichtet, im Rahmen der Schadensminderungspflicht die Entscheidung des Dienstherrn verwaltungsgerichtlich zu überprüfen (BGH NJW 1984, 354; Senat, Urt. v. 29.04.2011 – 10 U 4208/10 [juris, dort Rz. 17]; OLG Frankfurt NZV 1993, 471; OLG München NZV 1997, 518; OLG Celle, Urt. v. 07.12.2006 – 14 U 99/06 [juris, dort Rz. 22]; KG NVwZ-RR 2002, 450). Deswegen kann ein Verstoß gegen § 254 II 1, 3. Var. BGB nicht damit begründet werden, dass der Beamte seine Pensionierung nicht mit Rechtsbehelfen angegriffen habe (BGH NJW 2010, 927 [929]; OLG Frankfurt NZV 1993, 471 [472]; OLG Bamberg, Urt. v.16.02.1998 – 4 U 72/97 [juris]; OLG Celle, Urt. v. 07.12.2006 – 14 U 99/06 [juris, dort Rz. 23]). Ein Ausnahmefall, etwa der Willkür oder „reinen“ Willkür (BGH NJW 1984, 354; OLG Frankfurt NZV 1993, 471; OLG München NZV 1997, 518; KG NVwZ-RR 2002, 450; OLG Celle, Urt. v. 07.12.2006 – 14 U 99/06 [juris, dort Rz. 22, 23]; v. 30.05.2007 – 14 U 277/01 [juris, dort Rz. 74, 75]) ist im Streitfall weder vorgetragen noch ersichtlich.

Das Vorgehen der Beklagten, die im Fall einer vorrangigen Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers als primär Ersatzpflichtige nicht leistungsfrei, sondern wegen des unter 1. dargestellten Anspruchsüberganges in Regress genommen wird, wäre nur vor dem Hintergrund der Gefahr der doppelten Inanspruchnahme oder eines Teilungsabkommens verständlich, welches einen Regress nur in Höhe eines Teils der erbrachten Sozialversicherungsleistungen vorsieht. Letzteres ist nicht vorgetragen und weitere Leistungen der Berufsgenossenschaft hinsichtlich der hier verfahrensgegenständlichen Kosten angesichts des Zeitablaufs und des Widerspruchsbescheids nicht anzunehmen.

3. Die Beklagten scheinen davon auszugehen, dass der sozialrechtliche Widerspruchsbescheid für die Zivilgerichte bindend sei, was auch die medizinische Notwendigkeit der abgelehnten Maßnahmen umfasse (Schriftsatz v. 18.12.2017, S. 4 = Bl. 205 d. A.). Dies trifft jedoch nicht zu, weil sich die Bindungswirkung lediglich auf die Entscheidungsformel und die Fragen der grundsätzlichen Eintrittspflicht bezieht. Folglich können die Beklagten keine höchst- oder obergerichtliche Rechtsprechung benennen, die ihre Auffassung stützen könnte. Vielmehr ist die vorbeschriebene „Deckungslücke“ angesichts geeigneter Leistungen, die über medizinische Notwendigkeit hinausgehen, tatsächlich möglich und im Streitfall eingetreten. Insoweit wird verwiesen auf die Aussage des Sachverständigen B. (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 22.12.2017, S. 4 = Bl. 218 d. A.: „… Behandlungen mit allen geeigneten Mitteln und nicht nur die medizinisch notwendigen zu ersetzen … durch den Begriff des geeigneten Mittels wird das Behandlungsspektrum der gesetzlichen Unfallversicherung wesentlich größer als bei den Krankenkassen … Jede BG hat einen sehr großen Ermessensspielraum dafür, welcher Behandler in das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren eingebunden wird …“) und den Widerspruchsbescheid (Anlage K 90), den die Beklagten lediglich abweichend verstehen will: Die Behandlungskostenerstattung wurde gerade nicht mangels medizinischer Notwendigkeit abgelehnt.

4. Die noch im Streit stehenden Behandlungs- und Taxikosten der Klägerin waren medizinisch notwendig. Soweit die Beklagten dies hinsichtlich der Taxikosten bezweifeln, übersehen sie, dass der Sachverständige insoweit seine erstinstanzlich protokollierte Aussage geändert und dies in der Beweisaufnahme nochmals ausdrücklich bestätigt hat (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 22.12.2017, S. 6 = Bl. 220 d. A.). Mangels Auseinandersetzung mit dem Beweisergebnis vermag der Senat an der erstinstanzlichen Tatsachen- und Beweiswürdigung keine „konkrete Anhaltspunkte” für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen zu erkennen (BGH NJW 2004, 2751). Solche Zweifel können sich zwar (auch) aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben (BVerfG NJW 2003, 2524), etwa wenn das Berufungsgericht Beweisergebnisse anders würdigt als die Vorinstanz, jedoch setzt dies zwingend voraus, dass entweder solche Mängel von der Berufung aufgedeckt, oder bei der Überprüfung von Amts wegen entdeckt werden. Ungeeignet und im Berufungsverfahren nicht zielführend sind Versuche, ohne nähere Begründung eine eigene Bewertung des Sachvortrags und des erwünschten Ergebnisses als vorzugswürdig oder die Beurteilung des Tatrichters (BGH NJW 1988, 266; BayObLG NZM 2002, 449; s. a. BGH NJW 1988, 566) als verfehlt zu bezeichnen.

Ähnliches gilt für die bestrittene medizinische Notwendigkeit der Heilpraktikerleistungen. Die Beklagten bieten eine abweichende Erklärung und Auslegung der Aussagen der erstinstanzlichen Gutachter, ohne dass auf die Unterschiede zwischen psychiatrischer oder psychologischer und orthopädischer Behandlung eingegangen würde. Folglich werden auch keine i.S.d. § 529 I Nr. 1 ZPO erhebliche Mängel des Ersturteils aufgezeigt, sodass diese erstinstanzlichen Feststellungen für den Senat bindend sind.

5. Soweit sich die Beklagten schließlich auf eine in einem früheren landgerichtlichen Verfahren bestimmte Auslauffrist berufen (Schriftsatz v. 18.12.2017, S. 7 = Bl. 207 d. A.), ist dieses Vorbringen wegen eines Verstoßes gegen Präklusionsvorschriften (§§ 530, 296 ZPO) nicht zuzulassen. Die zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände waren der Beklagten von Anfang an bekannt und hätten deswegen spätestens innerhalb der letzten vom Senat gesetzten Frist geltend gemacht werden können und müssen. Die Beklagte hat auf die Fristsetzung des Senats vom 08.08.2017 (Bl. 172/173 d. A.) auf den Schriftsatz der Klägerin vom 28.02.2017 (Bl. 162/171 d. A.) trotz Fristverlängerung bis 29.09.2017 (Bl. 175 d. A.) nicht erwidert. Auf den Schriftsatz der Klägerin vom 23.10.2017 (Bl. 176/198 d. A.) hat die Beklagte erst mit Schriftsatz vom 18.12.2017 (Bl. 202/207) Stellung genommen, diesen jedoch der Klägerin nicht zugestellt. Die Klägerin hat deswegen den Verspätungseinwand erhoben. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (v. 22.12.2017, S. 3 = Bl. 217 d. A.) verwiesen

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO, weil die Beklagte mit ihrer Berufung vollständig erfolglos geblieben ist.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben, denn weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a.a.O.) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a.a.O.; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft, und weicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht ab.

Zwar hat die Beklagte (erstmals in mündlicher Verhandlung) die Zulassung der Revision beantragt, jedoch eine den Vorgaben der ständigen Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 2014, 505) genügende Begründung nicht geliefert. Eine grundsätzliche Bedeutung hätte eine Darlegung erfordert, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite aufgeworfene Fragen umstritten seien, wobei naturgemäß die Auffassung des Rechtsmittelführers für sich allein nicht ausreichend sein kann. Eine grundsätzliche Bedeutung wäre nur dann ausreichend dargelegt, wenn die Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, die allgemein von Bedeutung ist. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist, weil sie vom BGH noch nicht entschieden ist und in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt wird oder wenn sie im Schrifttum in gewissem Umfang umstritten ist. Nach den vorstehenden Erörterungen des Senats kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Auswirkungen eines langjährigen und lange zurückliegenden, Vertrauen schaffenden Verhaltens in einer Vielzahl von Fällen zur Beurteilung stehen werden. Eine die einheitliche Rechtsprechung bedrohende Divergenz im Sinne von § 543 ZPO setzt voraus, dass die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auch diese Entscheidung auf der Abweichung beruht (BGH, Beschluss vom 12.09.2017 – IX ZR 316/16 [BeckRS 2017, 132073]). Im Streitfall kann jedoch schon nicht angenommen werden, dass der Senat dieselbe Rechtsfrage anders beantworte als die genannten Vergleichsentscheidungen, mithin einen Rechtssatz aufstelle, der sich mit einem in Vergleichsentscheidungen aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht decke. Im Übrigen wäre selbst dies nicht entscheidungserheblich, worauf der Senat bereits hingewiesen hat (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 22.12.2017, S. 7 = Bl. 221 d. A.)

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 296 Zurückweisung verspäteten Vorbringens


(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebrac

Zivilprozessordnung - ZPO | § 530 Verspätet vorgebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel


Werden Angriffs- oder Verteidigungsmittel entgegen den §§ 520 und 521 Abs. 2 nicht rechtzeitig vorgebracht, so gilt § 296 Abs. 1 und 4 entsprechend.

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 26 Grundsatz


(1) Versicherte haben nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sozialen

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 34 Durchführung der Heilbehandlung


(1) Die Unfallversicherungsträger haben alle Maßnahmen zu treffen, durch die eine möglichst frühzeitig nach dem Versicherungsfall einsetzende und sachgemäße Heilbehandlung und, soweit erforderlich, besondere unfallmedizinische oder Berufskrankheiten-

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 28 Ärztliche und zahnärztliche Behandlung


(1) Die ärztliche und zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt oder Zahnarzt angeordnet und von ihm verantwortet werden.

Referenzen - Urteile

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Oberlandesgericht München Endurteil, 22. Dez. 2017 - 10 U 2850/16 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Oberlandesgericht München Endurteil, 22. Dez. 2017 - 10 U 2850/16 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Landgericht München II Endurteil, 09. Juni 2016 - 3 O 4791/14

bei uns veröffentlicht am 09.06.2016

Tenor I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.932,38 € zu bezahlen. II. Es wird festgestellt, dass die Hauptsache in Höhe von weiteren 7.272,00 € erledigt ist. III. Die Beklagte wird verurteilt, Zins

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Sept. 2017 - IX ZR 316/16

bei uns veröffentlicht am 12.09.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 316/16 vom 12. September 2017 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2017:120917BIXZR316.16.0 Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, di

Referenzen

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.932,38 € zu bezahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Hauptsache in Höhe von weiteren 7.272,00 € erledigt ist.

III. Die Beklagte wird verurteilt, Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz aus 15.204,38 € vom 29.08.14 bis 09.06.15 sowie aus 7.932,38 € seit 10.06.15 zu bezahlen.

IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

V. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 90% und die Klägerin 10%.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 250,00 € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt weiteren materiellen Schadensersatz (privatärztliche Behandlungskosten und Taxifahrten zu Behandlungen) aufgrund Verkehrsunfalls.

Die Klägerin wurde bei einem Verkehrsunfall am 22.02.04 in Germering schwer verletzt. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig. Es handelte sich für die Klägerin um einen Arbeitswegunfall. Mit Endurteil des Landgerichts München I vom 12.07.13, Gz.: 17 O 23601/08 wurde unter Ziffer II. die volle Haftung der Beklagten für sämtliche künftigen Schäden materieller und immaterieller Art festgestellt (näher siehe Anlage K1, insoweit teilrechtskräftig). Hinsichtlich des Unfallhergangs, der Vielzahl der Verletzungen, der sieben Krankenhausaufenthalte und der verbliebenen Unfallfolgen auf unfallchirurgischem sowie nervenärztlichem Fachgebiet wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Tatbestand des genannten Urteils verwiesen. Bei der Klägerin verblieb eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70%. Die Rentenversicherung gewährte ab 01.04.04 Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit. Das Landgericht München I erkannte damals auch über Schmerzensgeld. Der Rechtsstreit über das Schmerzensgeld wurde jedoch im Wege der Berufung fortgesetzt und ist derzeit anhängig beim Oberlandesgericht München unter dem Gz.: 10 U 3313/13. In der Folgezeit regulierte die Beklagte zu Gunsten der Klägerin von dieser geltend gemachte Heilbehandlungskosten und Fahrtkosten bis einschließlich September 2012 (Anlagen K2 bis K16), stellte diese Praxis aber dann ab 22.01.13 ein (Anlage K 17.1 sowie 17.2). Die Beklagte stellte sich auf den Rechtsstandpunkt, dass Abrechnungen für Heilbehandlungen und Taxiabrechnungen bei der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik, Körperschaft des öffentlichen Rechts (nachfolgend BGHW) einzureichen seien. Die Klägerin verklagte daraufhin die Beklagte erneut vor dem Landgericht München I unter dem Gz.: 19 O 15216/13 auf Schadensersatz beziehungsweise Erstattung dieser Kosten für den Zeitraum September 2012 bis Dezember 2012 und erwirkte ein zusprechendes und ebenfalls rechtkräftiges Endurteil (Anlage K18), auf das ebenfalls verwiesen wird. Das Landgericht München I stützte in den Entscheidungsgründen die Verurteilung allein auf die Tatsache, dass die Beklagte die in Anspruch genommenen Leistungen jahrelang anstandslos bezahlt hatte. Seit diesem Urteil rechnet die Klägerin ihre (Fahrt-)Kosten weitgehend mit der BGHW ab, insbesondere bei Leistungen von BG-Ärzten und BG-Einrichtungen, worauf die BGHW wiederum bei der Beklagten regressiert.

Mit der hiesigen Klage geltend gemacht sind jedoch von der Klägerin in Anspruch genommene Leistungen, die sie mit der Summe von 16.841,56 € beziffert, wie folgt:

„privatärztliche Behandlungen der Klägerin bei Frau Dr. M.R.:

Rechnung Dr. M.R. vom 15.04.13, Anlage K35, zu 1.448,65 €,

hierzu Taxikosten, Anlage K36, zu 463,00 €,

Rechnung Dr. M.R. vom 03.07.13, Anlage K37, zu 995,51 €,

hierzu Fahrtkosten, Anlage K38, zu 319,00 €,

Rechnung Dr. M.R. vom 29.10.13, Anlage K 39 zu 1.400,22 €,

hierzu Taxikosten, Anlage K40, zu 418,00 €,

Rechnung Dr. M.R. vom 10.02.14, Anlage K 41 zu 1.167,48 €,

hierzu Taxikosten, Anlage K42, zu 415,00 €,

Rechnung Dr. M.R. vom 03.04.14, Anlage K 43, zu 1.340,20 €,

hierzu Fahrtkosten, Anlage K44 zu 488,00 €,

(siehe Schriftsatz der Klägervertreterin vom 30.03.15 auf Seiten 6 bis 9, Bl. 39/42 d.A, osteopatische Behandlungen der Klägerin bei Hanna K. in Höhe von insgesamt bezifferten 5.222,00 € und diesbezüglichen Fahrtkosten in Höhe von insgesamt bezifferten 2.054,50 € (siehe näher Schriftsatz Klägervertreterin vom 30.03.15, Seiten 3 bis 6, 9 und 10, Bl. 36/39 und 42/43 d.A. Anlagen K45, K47, K49, K51, K53, K55, K57, K59, K61, K63, K65, K67, K69, K71, K73),

therapeutische Behandlungen für ausgleichende Punkt- und Meridianmassage (APM-Massage) bei der Physiotherapeutin W.-S., Rechnung vom 11.02.14, Anlage K75, zu 700,00 €,

hierzu Taxikosten, Anlage K76, zu 410,00 €,

(siehe Schriftsatz der Klägervertreterin vom 30.03.15 auf Seite 10, Bl. 43 d.A.).“

Alle diese Leistungen nahm die Klägerin aufgrund (privat) abgeschlossener Diestleistungsverträge mit den Behandlern in Anspruch.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe durch ihr früheres langjähriges Regulierungsverhalten ein deklaratorisches Anerkenntnis abgegeben, dass sie binde, zumal die medizinische Notwendigkeit der Kosten im Rechtsstreit vor dem Landgericht München I, 17 O 23601/08, durch zwei gerichtlich bestellte Sachverständige nachgewiesen worden sei. Sie behauptet, die privatärztliche Behandlung bei Frau Dr. M.R., einer Fachärztin für physikalische und rehabilitative Medizin, sei vorliegend erforderlich gewesen. Dort sei sie zum einen auf der orthopädischen Seite im Sinne des Erhalts des Erreichten behandelt worden, zum anderen psychotherapeutisch wegen der posttraumatischen Belastungsstörung. Die Klägerin argumentiert, sie sei 4 Jahre lang in Einrichtungen der BG und von BG-Ärzten austherapiert worden. Die konservative Therapie biete keine weiteren Möglichkeiten zur Schadensbeseitigung und Linderung der unfallbedingten Beeinträchtigungen, aber die Behandlung bei Frau Dr. M.R.. Dies sei daher ersatzfähig. Sie behauptet weiter, sie sei für die Fahrten zu den Behandlungen auf die Benutzung eines Taxis angewiesen (Bestätigung Anlage K30, Schreiben der Klägerin Anlage K31).

Mit Schriftsatz vom „16.06.2015“ (Bl. 49/51 d.A.), richtigerweise vom 09.07.15 (siehe Protokoll vom 09.07.15, Seite 2, Bl. 53 d.A.), erklärte die Klägerin die gesamten Behandlungs- und Fahrtkosten für die oben beschriebenen osteopatischen Behandlungen bei Hanna K. für erledigt (Bl. 49/51) vor dem Hintergrund, dass die BGHW die hier begehrten Kosten für Osteopathie nebst Fahrtkosten am 09.06.15 ohne Verordnung, rückwirkend und kulanzhalber übernahm. Die Klägerin beziffert diese Teilerledigung in der Hauptsacheforderung Höhe von 7.256,50 €. Die Beklagte schloss sich der Teilerledigterklärung nicht an.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

  • 1.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 9.585,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 16.841,56 € seit 29.08.14 zu bezahlen.

  • 2.Es wird festgestellt, dass die Klage in Höhe eines Betrages von 7.256,50 € erledigt ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert:

Wenn es sich um unfallbedingt medizinisch notwendige Behandlungskosten handele, sei die BGHW nach §§ 26 Abs. 1, 27 Abs. 1 SGB VII eintrittspflichtig, dann seien die Ansprüche beim Entstehen (nicht erst bei Leistung) auf die BGHW übergegangen (§ 116 Abs. 1 SGB X) und der Klägerin fehle die Aktivlegitimation. Nach § 28 Abs. 1 SGB VII sei jede Tätigkeit der Ärzte zu erstatten, die erforderlich und zweckmäßig sei. Eine Kontingentierung wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung gebe es nicht. Es spiele keine Rolle, ob die BG die Leistungen auch tatsächlich erbringe. Die gesetzliche Verpflichtung genüge. Es bleibe keine Lücke wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung. Notfalls müsse die Klägerin den Sozialrechtsweg gegen die BGHW beschreiten.

Wenn jedoch die Behandlungskosten medizinisch nicht notwendig gewesen seien oder nicht unfallbedingt und die BGHW nicht eintrittspflichtig sei, müsse auch die Beklagte nicht haften.

Die Klägerin argumentiert, dass Berufsgenossenschaften die freie Arztwahl eingeschränkt hätten. Es gelte das sogenannte Sachleistungsprinzip (§§ 26 Abs. 5, 28 Abs. 4 SGB VII), anders als bei der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Berufsgenossenschaften seien daher nicht verpflichtet, privatärztliche Behandlungen (wie vorliegend geltend gemacht) zu erstatten. Soweit ein Sozialversicherter solche Kosten selbst zu tragen habe, komme damit auch ein Übergang auf den Träger der Heilbehandlung nach § 116 SGB X nicht in Betracht. Es sei falsch, dass keine Lücke verbleibe.

Der Einzelrichter hat Beweis erhoben durch Einholung im Rahmen einer Anhörung protokollierter Sachverständigengutachten der Sachverständigen Dr. N. und Dr. B. in der Sitzung vom 10.11.15 (Bl. 62/72 d.A.), worauf hinsichtlich der Feststellungen und Schlussfolgerung der Sachverständigen verwiesen wird.

Mit Beschluss vom 18.03.16 wurde mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet und als Schlusstermin für Schriftsätze der 08.04.16 bestimmt (Bl. 89/91 d.A.). Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteivertreter nebst Anlagen verwiesen, zuletzt den Schriftsatz der Klägervertreterin vom 08.04.16 (Bl. 94/95 d.A.), sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 26.02.15 (Bl. 26/29 d.A.), 09.07.15 (Bl. 52/56 d.A.) und 10.11.15 (Bl. 62/72 d.A.).

Gründe

Die zulässige Klage ist in Höhe von 7.932,38 € begründet und in Höhe von weiteren 7.272,00 € erledigt. Dieser Konsequenz folgen die Zinsen. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

I.

Die zulässige Klage ist in Höhe von 7.932,38 € begründet. Die Haftung dem Grunde nach (§§ 7 Absatz 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG) ist unstreitig.

1. Die Klageforderung ist nicht allein wegen der Existenz (Bindungswirkung) des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts München I unter dem Gz.: 19 O 15216/13 (Anlage K18) zuzusprechen. Die tatsächlichen (Erforderlichkeit) und rechtlichen (gesetzlicher Forderungsübergang) Fragestellungen mögen zwar paralleler Art gewesen sein, sind jedoch Tatsachen, die von der Rechtskraftwirkung eines Urteils nicht erfasst sind und daher hier keine Bindungswirkung haben (siehe Zöller, ZPO, 31. Auflage, Vor § 322, Rd. 31 und 32). Zudem hat sich das Urteil zu den Fragestellungen auch nicht ausdrücklich eingelassen. Die dortige Argumentation, dass die Beklagte die in Anspruch genommenen Leistungen jahrelang anstandslos bezahlt hatte, ist im hiesigen Rechtsstreit nicht fruchtbar zu machen, weil die Klägerin hier Leistungen begehrt, die zumindest weit überwiegend in einem Zeitraum nach dem 22.01.13 anfielen, dem Zeitpunkt, als sich die Beklagte von ihrer alten Praxishandhabung losgesagt hatte. Soweit die Klägerin anführt, die Beklagte habe durch ihr früheres langjähriges Regulierungsverhalten ein deklaratorisches Anerkenntnis abgegeben, dass sie binde, kann dem das Gericht für die Zukunft zumindest dahingehend nicht folgen, wenn und weil wie vorliegend diese Lossagung von der alten Praxis deutlich mitgeteilt wurde. Einen Rechtsanspruch auf Fortzahlung früher rein kulanzhalber regulierter Leistungen gibt es schlichtweg nicht.

2. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, und zwar schon deswegen, weil die Klägerin nach den Sozialgesetzen die Kosten der selbstbeschafften privatärztlichen Heilbehandlung von der BG nicht verlangen kann, darauf jedenfalls keinen Rechtsanspruch hat. Ein gesetzlicher Forderungsübergang derartiger Erstattungsansprüche nach § 116 Abs. 1 SGB X kann daher nicht stattgefunden haben.

a) § 26 Abs. 4 Satz 2 SGB VII bestimmt, dass die Leistungen zur Heilbehandlung und Teilhabe als Dienst- und Sachleistungen zur Verfügung gestellt werden, soweit das SGB VII oder das 9. Buch keine Abweichungen vorsehen. Richtig ist damit die Ansicht der Klägerin, dass schon wegen des Sachleistungsprinzips grundsätzlich privatärztliche Behandlungen durch die BG nicht zu erstatten sind (siehe hierzu Kassler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht SGB VII, § 26 Rd. 5 SGB V, § 13, Rd. 5 - 7). Demnach kommen für Leistungen der Heilbehandlung und Teilhabe grundsätzlich nur Dienst- und Sachleistungen in Frage, weshalb kein Kostenerstattungsprinzip mit Rechtsanspruch auf Selbstbeschaffung von Leistungen mit Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Behandlungserbringer als Privatpatient und anschließender Kostenerstattung besteht. Selbst wenn die selbst beschaffte Maßnahme offensichtlich erforderlich und geeignet ist, also nach Art und Umfang in gleicher Weise vom Unfallversicherungsträger zu leisten gewesen wäre, ändert sich daran nichts, da anderenfalls dieser im Gesetz verankerte Naturalleistungsgrundsatz ins Leere liefe (Kassler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht SGB VII, § 26 Rd. 5). Zwar kann der Unfallversicherungsträger aufgrund seiner Ermessensbefugnisse nach § 26 Abs. 5 SGB VII in Verbindung mit dem „alle geeigneten Mittel“-Gebot ausnahmsweise bei besonderen Umständen abweichend verfahren. Dies gilt aber nur, wenn er vor den beabsichtigten Behandlungen vorher darüber in Kenntnis gesetzt wird und er überhaupt die Möglichkeit erhält, sein Ermessen auszuüben. Einen Rechtsanspruch auf die nachträgliche Bezahlung selbst beschaffter Leistungen hat die Klägerin ohnehin nicht.

b) § 26 Abs. 4 Satz 2 SGB VII sieht zwar vom Sachleistungsprinzip Ausnahmen vor durch das 9. Buch. Solche Ausnahmen sind vorgesehen in §§ 9 Abs. 2, 15 Abs. 1 und 53 Abs. 1 - 3 SGB IX (Kassler Kommentar, SGB V, § 13, Rd. 10). Diese Ausnahmen sind jedoch vorliegend nicht einschlägig, auch nicht § 53 Abs. 1 - 3 SGB IX hinsichtlich der Fahrtkosten. Denn durch die Verweisung des § 26 Abs. 4 Satz 2 SGB VII als Ausnahme zum Sachleistungsgrundsatz des § 26 Abs. 4 Satz 1 SGB VII liegt auf der Hand, dass nur solche Fahrtkosten gemeint sein können, die aufgrund von Fahrten zu Ärzten entstehen, die wiederum von der BG in Ausübung des Sachleistungsprinzips zur Verfügung gestellt werden, oder Fahrkosten für die anderen Ausnahmefälle, nicht aber generell Fahrtkosten infolge Fahrten des Versicherten zu ohne weiteres von diesem selbst beschafften Maßnahmen.

c) Dieses generelle Sachleistungsprinzip mit nur sehr wenigen Ausnahmen unter den engen Tatbestandsvoraussetzungen findet zudem auch Stütze in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung. In einem Fall des Sozialgerichts Aachen, Urteil vom 17.03.2010, Az. S 8 U 71/09, wurden mit dieser Begründung der Ersatz selbst beschaffter privatärztlicher Leistungen abschlägig verbeschieden. Zugelassen hat das Bayerische Landessozialgericht den Ausnahmefall des § 13 Abs. 3 SGB V mit der Begründung, dass die BG die Deckung der Kosten einer dringlichen Operation vor Behandlungsbeginn zu Unrecht verweigert habe(Urteil vom 22.01.2008, Az. L 17 U 238/05, zitiert nach juris).

d) Im Zuge dessen ist die Ansicht der Beklagten, es könne keine Deckungslücke geben, falsch. Dies zeigt nicht nur der vorliegende Fall. Im Urteil des Bundessozialgerichtes vom 03.04.2014 (Az. B 2 U 21/12 R, zitiert nach juris) hat das Bundessozialgericht unter Rn. 28 andeutet, dass es durchaus Leistungen geben kann, die beispielsweise von einem Krankenvollversicherungsvertrag erfasst werden, aber „nicht vom Leistungskatalog des SGB VII erfasst werden“ und daher der berufsgenossenschaftliche Unfallträger nicht eintrittspflichtig ist. Sinn und Zweck des § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist es, zu vermeiden, dass der Schädiger durch die dem Geschädigten zufließenden Sozialleistungen haftungsfrei gestellt oder aber der Geschädigte doppelt entschädigt (bereichert) wird (BGH NJW 2003, 3193, 3194, dort unter e) m.w.N.). Es ist daher vorliegend bei den von der Klägerin selbst beschafften Leistungen nur dann von einem gesetzlichen Forderungsübergang auf die BGHW nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X auszugehen,wenn diese der Klägerin die selbst beschafften Leistungen tatsächlich erstattet, sei es auch in nachträglich ausgeübter Kulanz, wie es vorliegend bei den ursprünglich begehrten Behandlungs- und Fahrtkosten für die osteopatischen Behandlungen bei Hanna K. der Fall war, um eine Doppelentschädigung beziehungsweise Bereicherung der Klägerin zu vermeiden (siehe auch BGH NJW 2004, 3324, 3325 unter a)).

3. Die Klägerin kann die privatärztlichen Behandlungskosten bei Frau Dr. M.R. nebst Taxikosten nur zum Teil als medizinisch notwendig zur Erhaltung und Verbesserung des derzeitigen Gesundheitszustandes der Klägerin verlangen (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB). Zuzusprechen sind nur 6.822,38 €.

a) Als notwendige Heilbehandlung ist nach ständiger Rechtsprechung jegliche ärztliche Tätigkeit anzusehen, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung oder auch auf Linderung der Krankheit abzielt. Grundsätzlich sind nur solche Behandlungen anzuerkennen, die nach Auffassung der Schulmedizin wissenschaftlich allgemein als erfolgversprechend anerkannt sind. Von diesem Grundsatz sind jedoch dann Ausnahmen zu machen, etwa wenn bei unheilbaren Krankheiten Behandlungsmethoden zur Linderung fehlen, wenn die Schulmedizin für ein bestimmtes Leiden zwar Behandlungsmethoden entwickelt hat, diese jedoch im konkreten Fall ungeeignet sind. Voraussetzung für angewandte „Außenseitermethoden“ ist, dass sie auf einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbaren Ansatz beruhen und bei einer ex ante Betrachtung zumindest eine gewisse Aussicht auf Erfolg (Heilung, Linderung, Verhinderung von weiterer Verschlechterung) versprechen. Die Anforderungen an den möglichen Behandlungserfolg hängen vom Grad der Schwere der Verletzung/Erkrankung und den damit verbundenen Leiden des Geschädigten ab (ständige Rechtsprechung).

b) Die sachverständige Begutachtung durch die medizinischen Sachverständigen Dr. B. auf dem unfallchirurgischem Fachgebiet sowie Dr. N. auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet ergab nur eine teilweise medizinische Notwendigkeit. Hierzu wird verwiesen auf die Anhörung der beiden Sachverständigen in der Sitzung vom 10.11.15 (Bl. 63 ff. d.A.).

aa) Der Sachverständige Dr. B. konnte für sein Fachgebiet bestätigen, dass die Kosten für die symptomatische Schmerztherapie, die Akupunktur-Behandlung, die Chirotherapie, die Übungsbehandlung, die Osteopathie, sowie die Punkt- und Meridianmassage allesamt Maßnahmen zur Schmerzlinderung sind und von einer Ärztin für physikalische und rehabilitative Medizin (Frau Dr. M.R.) erbracht werden können. Es sind etablierte therapeutische Behandlungsmethoden und keine Außenseitermethoden. Sie können allein oder in kombinierter Anwendung zu einer Schmerzlinderung führen, dies ist erwiesen. Der Sachverständige Dr. B. konnte abschließend bestätigen, dass diese von Frau Dr. M.R. bei der Klägerin durchgeführten Maßnahmen in ein multimodales Konzept namens multimodale Schmerztherapie passen. Dass in diesem Verfahren auf eine Rückmeldung des Patienten abzustellen ist, welche der einzelnen Behandlungen verbessernde Wirkung zeigen oder nicht, liegt in der Natur der Sache. Insoweit glaubt das Gericht auch den Angaben der Klägerin in der Sitzung, dass die angewendeten Maßnahmen ihr Linderung verhalfen. Sie waren daher erforderlich.

bb) Nicht medizinisch erforderlich ist jedoch die von Frau Dr. M.R. angewendete EMDR-Methode. Sie wurde nach den überzeugenden Angaben des Sachverständigen Dr. N. im aktuellen Fall nicht in sinnvoller Weise angewendet. Der Sachverständige hatte den Eindruck, dass insoweit eine verselbständigte und automatisierte Behandlung ablief. Der Sache nach konnte der Sachverständige aus psychiatrischer Sicht keine PTBS bei der Klägerin bestätigen, aber eine Anpassungsstörung (mit von der Symptomatik her zumindest auftretenden Elementen einer PTBS). Unabhängig davon ist eine psychotherapeutische Behandlung in Form von EMDR grundsätzlich denkbar, aber nur im Rahmen aufgestellten Gesamtbehandlungsplanes, weil jedes psychotherapeutische Verfahren allgemein die Erstellung eines Gesamtbehandlungsplanes voraussetzt. So muss immer wieder ein psychopathologischer Befund erhoben werden und Behandlungsziele formuliert werden. Nach diesen Leitlinien bedarf EMDR regelhaft einer Einbettung in ein anderes psychotherapeutisches Verfahren, nämlich Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Des Weiteren sollte der die Methode anwendende Psychotherapeut über eine im Rahmen seiner Ausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten bzw. seiner Aus- oder Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder zum Facharzt für Psychotherapie erworbene Fachkunde in Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie verfügen. Darüber hinaus sollte eine umfassende psychotraumatologische Kompetenz vorliegen, damit nämlich die Methode sinnvoll eingesetzt werden kann oder beispielsweise auch Kontraindikationen erkannt werden. Es kann also durchaus mal während der Behandlung zu einer Dekompensation kommen und da wäre die EMDR kontraindiziert. Im vorliegenden Fall konnte der Sachverständige Dr. N. einen solchen Gesamtbehandlungsplan mit der Formulierung konkreter Ziele nicht feststellen. Weder liegen aussagekräftige Behandlungsberichte mit psychopathologischen Befunden vor, noch ist hier die EMDR in ein anderes psychotherapeutisches Verfahren eingebettet (also verhaltenstherapeutisch oder tiefenpsychologisch). Schließlich verfügt Frau Dr. M.R. weder über eine Ausbildung oder Zusatzbezeichnung als Psychotherapeutin, noch hat sie einen erkennbaren Nachweis einer Ausbildung in Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie, noch ist sie Fachärztin psychosomatischer Medizin und Psychotherapie, noch ist sie Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und ihre Qualifikation in Psychotraumatologie ist unklar. Sie befasst sich ausweislich ihrer eigenen Angaben im Internet mit Psychotraumatologie und gibt auch Kurse für Behandlung, hat aber keinen Nachweis, dass sie eine entsprechende Ausbildung abgeschlossen hat.

Hinsichtlich der ansonsten von Frau Dr. M.R. angesetzten Verfahren, wie Homöopathie, TCM und Ähnliches konnte der Sachverständige Dr. N. eine gewisse Evidenz für die Wirksamkeit in diversen Studien bestätigen, so von Akupunktur bei diversen Schmerzzuständen, z. B. Fibromyalgie-Syndrom, Spannungskopfschmerz, Rückenschmerzen, wie auch den letztlichen Konsens unter den mit der Behandlung psychischer Erkrankungen befassten Fachgesellschaften, dass zumindest bei Patienten mit funktionellen oder somatoformen Körperbeschwerden erwogen werden kann, komplementäre Heilverfahren, wie Homöopathie, TCM oder Ähnliches zeitlich begrenzt einzusetzen, sofern diese Behandlungen sich in das Krankheitsmodell des Patienten schlüssig integrieren lassen. Auch hier tendierte der Sachverständige Dr. N. zwar dazu, dass dies dem Krankheitsmodell der Klägerin auch tatsächlich entspricht. Aber auch hier gilt, dass die komplementären Verfahren Bestandteil eines Gesamtbehandlungsplanes sein sollten. Die Wirksamkeit sollte regelmäßig überprüft werden. Denn in der Regel betrifft dies eine andere Patientengruppe, nämlich Patienten mit somatoformen Körperbeschwerden, also Patienten mit körperlichen Beschwerden auf Grund psychischer Ursache. Dies kann bei der Klägerin übertragen werden, also durchaus diese Behandlungen einsetzen, allerdings nicht unkontrolliert und unbefristet, im Rahmen eines zwingenden Behandlungsplans, einer Befunderhebung und Überprüfung eines Arztes, der die Grunderkrankung diagnostizieren kann. Dies ist bei Frau Dr. M.R. mangels Zusatzbezeichnung Psychotherapie oder eine der oben genannten Zusatzbezeichnungen nicht der Fall.

Die therapeutischen Behandlungen für ausgleichende Punkt- und Meridianmassage, wie auch osteopathische Behandlungen (Frau K.) bestätigte der Sachverständige Dr. N. aus seiner Fachsicht ebenfalls als komplementäre Heilverfahren, die bei der Patientengruppe mit somatoformen Körperbeschwerden und auch bei der Klägerin grundsätzlich zum Einsatz kommen können, aber ebenfalls unter den genannten Bedingungen eines Behandlungsplans und der entsprechenden Fachkompetenz des verordnenden Arztes. Da diese Maßnahmen jedoch bereits aus unfallchirurgischer Sicht erforderlich sind (siehe oben Sachverständiger Dr. B.) hat die Klägerin deren medizinische Erforderlichkeit vorliegend nachgewiesen.

Dem Sachverständigen Dr. N. fiel abschließend die Unstimmigkeit auf, dass von Frau Dr. M.R. die GOÄ-Ziffern 804 und 806 abgerechnet wurden, psychiatrische Untersuchungen durch einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, wobei Frau Dr. M.R. diese Ausbildung nicht hat. Die EMDR-Behandlung wird abgerechnet unter Ziffer 30a GOÄ, eine Ziffer 30a in der GOÄ es nicht gibt, das „a“ wohl „analog“ bedeuten solle, dies eigentlich dann einzuführen wäre als „analog Ziffer 30“, dies jedoch ein homöopathisches Erstgespräch ist und nur einmal im Jahr abgerechnet werden darf, die EMDR aber auch kein Erstgespräch ist. EMDR müsste vielmehr abgerechnet werden wie Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologische Therapie, dies allerdings weniger Geld bringt. Vor diesem Hintergrund sind daher vorliegend Positionen mit den GOÄ-Ziffern 804, 806 oder 30a nicht medizinisch erforderlich und daher nicht ansatzfähig.

cc) Das Gericht folgt diesen beiden fachlichen Stellungnahmen der Sachverständigen Dr. B. und Dr. N. vollumfassend. Zweifel an der fachlichen Richtigkeit der Ergebnisse und Bewertungen der Sachverständigen bestehen nicht. Die beiden Gutachter kennen die Klägerin schon aus ihren Begutachtungsaufträgen für die BGHW, haben die gesamten medizinischen Unterlagen in ihre Begutachtung einbezogen und ausgewertet. Die fachlich-medizinischen Zusammenhänge haben sie im Rahmen der Anhörung verständlich und nachvollziehbar erläutert, Nachfragen der Parteien klar und überzeugend beantwortet.

dd) Dass die Sachverständigen im Übrigen auf Frage des Beklagtenvertreters bestätigt haben, dass die Berufsgenossenschaften auch ihrerseits sehr gute Behandlungsmöglichkeiten wie die angesprochenen Therapien im Rahmen ihres Sachleistungsprinzips anbieten, ändert in rechtlicher Hinsicht nichts an der Tatsache der medizinischen Erforderlichkeit dieser Maßnahmen (außer EMDR und Homöopathie), damit an der Ersatzfähigkeit nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gegenüber dem Schädiger beziehungsweise dessen Pflichtversicherung.

c) Unter Berücksichtigung dieser Umstände sind damit folgende Kosten (in Summe 6.822,38 €) zu ersetzen.

aa) Aus der Rechnung von Frau Dr. M.R. vom 15.04.13, Anlage K 35, kann die Klägerin nur 836,09 € ersetzt verlangen. Vom Rechnungsbetrag über 1.448,65 € waren als nicht medizinisch erforderlich abzuziehen: 120,65 € vom Behandlungstag 22.01.13, 33,51 € vom Behandlungstag 29.01.13, 20,10 € vom Behandlungstag 05.02.13, 33,51 € vom Behandlungstag 19.02.13, 33,51 € vom Behandlungstag 26.02.13, 33,51 € vom Behandlungstag 05.03.13, 183,61 € vom Behandlungstag 12.03.13, 120,65 € vom Behandlungstag 19.03.13, sowie 33,51 € vom Behandlungstag 26.03.13.

bb) Aus der Rechnung von Frau Dr. M.R. vom 03.07.13, Anlage K 37, kann die Klägerin nur 830,00 € ersetzt verlangen. Vom Rechnungsbetrag über 995,51 € waren als nicht medizinisch erforderlich abzuziehen: 20,10 € vom Behandlungstag 23.04.13, 33,51 € vom Behandlungstag 30.04.13, 20,10 € vom Behandlungstag 28.05.13, sowie 91,80 € vom Behandlungstag 04.06.13.

cc) Aus der Rechnung von Frau Dr. M.R. vom 29.10.13, Anlage K 39, kann die Klägerin nur 1.106,61 € ersetzt verlangen. Vom Rechnungsbetrag über 1.400,22 € waren als nicht medizinisch erforderlich abzuziehen: 30,84 € vom Behandlungstag 09.07.13, 30,84 € vom Behandlungstag 23.07.13, 120,65 € vom Behandlungstag 13.08.13, 33,51 € vom Behandlungstag 03.09.13, 46,93 € vom Behandlungstag 10.09.13, sowie 30,84 € vom Behandlungstag 01.10.13.

dd) Aus der Rechnung von Frau Dr. M.R. vom 05.02.14, Anlage K 41, kann die Klägerin nur 1.116,49 € ersetzt verlangen. Vom Rechnungsbetrag über 1.167,49 € waren als nicht medizinisch erforderlich abzuziehen: 50,99 € vom Behandlungstag 03.12.13.

ee) Aus der Rechnung von Frau Dr. M.R. vom 03.0414, Anlage K 43, kann die Klägerin nur 830,19 € ersetzt verlangen. Vom Rechnungsbetrag über 1.340,20 € waren als nicht medizinisch erforderlich abzuziehen: 183,61 € vom Behandlungstag 21.01.14, 91,80 € vom Behandlungstag 11.03.14, 50,99 € vom Behandlungstag 18.03.14, sowie 183,61 € vom Behandlungstag 25.03.14.

ff) Die Klägerin kann die Taxifahrten für die Behandlungen zu Frau Dr. M.R. wie beantragt verlangen (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Klägerin hat mit den entsprechenden Zusammenstellungen nebst einzelnen Taxibelegen die Entstehung der Kosten urkundlich nachgewiesen. Wie aus den Anlagen hervorgeht, handelte es sich um Behandlungen / Fahrten in München, so dass der Klägerin nicht vorgeworfen werden kann, überhöhte Fahrtkosten durch Fahrtkosten nach Kreuth abrechnen zu wollen. Nachgewiesen sind:

Anlage K 36 zu 463,00 €, Anlage K 38 zu 319,00 €, Anlage K 40 zu 418,00 €, Anlage K 42 zu 415,00 € sowie Anlage K 44 zu 488,00 €.

Zwar hat der Sachverständige Dr. B. in der Anhörung vom 10.11.15 noch seine fachliche Stellungnahme so abgegeben, dass er die Klägerin grundsätzlich für gehbehindert hält, aber nicht für so schwer, dass es ihr nicht zuzumuten wäre, gerade in München öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen (Protokoll Seiten 9/10, Bl. 70/71 d.A.). Der Sachverständige Dr. B. hat jedoch in einer späteren gutachterlichen Stellungnahme für die BGHW (Anlage K87) die Verwendung eines Taxis aufgrund der eng getakteten Behandlungstermine der Klägerin an verschiedenen Orten in München dauerhaft für erforderlich gehalten, einem Umstand, dem in der Sitzung vom 11.10.15 noch keine ausreichende Beachtung geschenkt wurde. Dem schließt sich das Gericht auch vorliegend an, weil bei der wertenden Betrachtung der Erforderlichkeit der Benutzung eines Taxis und der Zumutbarkeit von Alternativen für die Klägerin auch für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht außer Acht zu lassen ist, dass die Klägerin dauerhaft ein vielschichtiges Programm von Arztbehandlungen und Physiotherapie (im weitesten Sinne) nur zum Erhalt ihres Gesundheitszustandes absolvieren musste, auch in dem parallelen Empfang der oben beschriebenen Sachleistungen durch die BGHW (siehe zu den BGHW-Sachleistungen Schriftsatz Klägervertreterin vom 17.03.16, Seite 1, 4. Absatz, 1. Satz „Ergänzend…“, insoweit unstreitig). Es ist der Klägerin schon angesichts dieses Programms vorliegend nicht zuzumuten, auch nicht psychisch (Stichwort Anpassungsstörung, Sachverständigengutachten Dr. N.), zusätzliche Zeit ihres ohnehin seit dem Unfall sehr beschwerlichen Lebens mit Fußwegen und Wartezeiten zu/in öffentlichen Verkehrsmitteln zu vergeuden, selbst wenn sie dort einen Schwerbehindertensitz Platz beanspruchen kann. Hier ist auch zu sehen, dass allein die Einforderung eines Schwerbehindertensitzplatzes in den öffentlichen Verkehrsmitteln mittels Ausweis und erforderlichenfalls mündlichen Erläuterungen für den Betroffen nicht gerade als vergnüglich zu bezeichnen ist. Ob die Klägerin im Jahre 2010 aufgrund ihrer Gehbehinderung auch noch gestürzt ist (dies ist streitig), ist daher nicht mehr von Bedeutung und kann dahinstehen.

Dass im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung einzelne Positionen der Rechnung von Frau Dr. M.R. nicht ersatzfähig sind (EMDR und Homöopathie), ändert nichts an der Erforderlichkeit der ansonsten an diesen Tagen getätigten Behandlungen und kann daher die Ersatzfähigkeit der Taxikosten nicht zu Fall bringen.

4. Die Klägerin kann die Kosten der selbst beschafften Therapie für ausgleichende Punkt- und Meridian-Massage (APM-Massage) in Höhe von 700,00 € (Rechnung vom 11.02.14, Anlage K 75) nebst Taxikosten in Höhe von 410,00 € (Anlage K 76), in Summe also weitere 1.100,00 €, von der Beklagten verlangen. Die Behandlung war medizinisch erforderlich, wie der Sachverständige Dr. B. aus unfallchirurgischer Fachsicht in seiner Anhörung vom 10.11.15 überzeugend bestätigte (Protokoll Seite 3, Bl. 64 d.A. sowie oben unter I. 3. b) aa)). Hinsichtlich der vorliegenden Erforderlichkeit der Taxikosten wird verwiesen auf I. 3. c) ff).

5. Die Summe der unter 3. und 4. zugesprochenen Beträge ergibt 7.932,38 €. Dies ist der tenorierte Hauptsachebetrag unter I.

II.

Die Hauptsache ist in Höhe von weiteren 7.272,00 € erledigt. Dies war infolge der nur einseitigen Teilerledigungserklärung der Klägerin festzustellen. Es handelt sich um die von der Klägerin verauslagten Kosten der Osteopathie, nebst Fahrtkosten in Form von Taxikosten, urkundlich nachgewiesen mit den Anlagen K 45 bis K 74, bestehend aus den Einzelpositionen 322,00 €, 106,50 €, 350,00 €, 139,50 €, 350,00 €, 122,50 €, 350,00 €, 137,50 €, 350,00 €, 145,00 €, 350,00 €, 145,00 €, 350,00 €, 133,50 €, 350,00 €, 135,50 €, 350,00 €, 137,50 €, 350,00 €, 145,50 €, 350,00 €, 110,00 €, 350,00 €, 152,00 €, 350,00 €, 131,00 €, 350,00 €, 153,50 €, 350,00 € sowie 155,50 €. Die ursprüngliche Klage war insoweit zulässig und begründet, insbesondere medizinisch erforderlich, wie der Sachverständige Dr. B. aus unfallchirurgischer Fachsicht in seiner Anhörung vom 10.11.15 überzeugend bestätigte (Protokoll Seite 3, Bl. 64 d.A. sowie oben unter I. 3. b) aa)). Die tatsächliche Zahlung dieser Kosten durch die BGHW am 09.06.15 ohne Verordnung, rückwirkend und kulanzhalber war das erledigende Ereignis nach Rechtshängigkeit (Zustellung der Klage am 02.01.15) und führte, wie oben unter I. 2. d) am Ende beschrieben, zum gesetzlichen Forderungsübergang auf die BGHW nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

III.

Die Entscheidung zu den Zinsen fußt auf §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB. Die Voraussetzungen des Verzuges waren unstreitig, insbesondere die eine Regulierung ablehenenden Schreiben der Beklagten vom 14.08.14 sowie 28.08.14 (Anlagen K 27 und K 28). Da die Klägerin die Hauptsache in Höhe von 7.272,00 € für erledigt erledigt hat, nicht aber die dazugehörigen Zinsen, waren die Zinsen bis zum Erledigungsereignis am 09.06.15 aus 15.204,38 € (6.822,38 € + 1.110,00 € + 7.272,00 €) zuzusprechen, nachdem die ursprüngliche Klage auch hinsichtlich des Teilerledigungsbetrages von 7.272,00 € zulässig und begründet war (siehe II.), danach aus 7.932,38 € (6.822,38 € + 1.110,00 €).

IV.

Soweit nicht zugesprochen, war die Klage im Übrigen abzuweisen. Dies betrifft hauptsächlich die hier vorgenommenen Kürzungen der Rechnungen Dr. M.R., aber auch eine geringfügige Zuvielforderung, die rechnerisch unschlüssig blieb (siehe schon Protokoll vom 09.07.15, Seite 2, Bl. 53 d.A.).

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

VI.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf §§ 709 Satz 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) Versicherte haben nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sozialen Teilhabe, auf ergänzende Leistungen, auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sowie auf Geldleistungen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget nach § 29 des Neunten Buches erbracht; dies gilt im Rahmen des Anspruchs auf Heilbehandlung nur für die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.

(2) Der Unfallversicherungsträger hat mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig

1.
den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern,
2.
den Versicherten einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern,
3.
Hilfen zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie zur Führung eines möglichst selbständigen Lebens unter Berücksichtigung von Art und Schwere des Gesundheitsschadens bereitzustellen,
4.
ergänzende Leistungen zur Heilbehandlung und zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sozialen Teilhabe zu erbringen,
5.
Leistungen bei Pflegebedürftigkeit zu erbringen.

(3) Die Leistungen zur Heilbehandlung und zur Rehabilitation haben Vorrang vor Rentenleistungen.

(4) Qualität und Wirksamkeit der Leistungen zur Heilbehandlung und Teilhabe haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Sie werden als Dienst- und Sachleistungen zur Verfügung gestellt, soweit dieses oder das Neunte Buch keine Abweichungen vorsehen.

(5) Die Unfallversicherungsträger bestimmen im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung und der Leistungen zur Teilhabe sowie die Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen, nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei prüfen sie auch, welche Leistungen geeignet und zumutbar sind, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten.

(1) Die ärztliche und zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt oder Zahnarzt angeordnet und von ihm verantwortet werden.

(2) Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit der Ärzte, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst erforderlich und zweckmäßig ist.

(3) Die zahnärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit der Zahnärzte, die nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst erforderlich und zweckmäßig ist.

(4) Bei Versicherungsfällen, für die wegen ihrer Art oder Schwere besondere unfallmedizinische Behandlung angezeigt ist, wird diese erbracht. Die freie Arztwahl kann insoweit eingeschränkt werden.

(1) Die Unfallversicherungsträger haben alle Maßnahmen zu treffen, durch die eine möglichst frühzeitig nach dem Versicherungsfall einsetzende und sachgemäße Heilbehandlung und, soweit erforderlich, besondere unfallmedizinische oder Berufskrankheiten-Behandlung gewährleistet wird. Sie können zu diesem Zweck die von den Ärzten und Krankenhäusern zu erfüllenden Voraussetzungen im Hinblick auf die fachliche Befähigung, die sächliche und personelle Ausstattung sowie die zu übernehmenden Pflichten festlegen. Sie können daneben nach Art und Schwere des Gesundheitsschadens besondere Verfahren für die Heilbehandlung vorsehen.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben an der Durchführung der besonderen unfallmedizinischen Behandlung die Ärzte und Krankenhäuser zu beteiligen, die den nach Absatz 1 Satz 2 festgelegten Anforderungen entsprechen.

(3) Die Verbände der Unfallversicherungsträger sowie die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (Kassenärztliche Bundesvereinigungen) schließen unter Berücksichtigung der von den Unfallversicherungsträgern gemäß Absatz 1 Satz 2 und 3 getroffenen Festlegungen mit Wirkung für ihre Mitglieder Verträge über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte und Zahnärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung. Dem oder der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ist rechtzeitig vor Abschluß Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, sofern in den Verträgen die Verarbeitung von personenbezogenen Daten geregelt werden sollen.

(4) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben gegenüber den Unfallversicherungsträgern und deren Verbänden die Gewähr dafür zu übernehmen, daß die Durchführung der Heilbehandlung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht.

(5) Kommt ein Vertrag nach Absatz 3 ganz oder teilweise nicht zustande, setzt ein Schiedsamt mit der Mehrheit seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten den Vertragsinhalt fest. Wird ein Vertrag gekündigt, ist dies dem zuständigen Schiedsamt mitzuteilen. Kommt bis zum Ablauf eines Vertrags ein neuer Vertrag nicht zustande, setzt ein Schiedsamt mit der Mehrheit seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten nach Vertragsablauf den neuen Inhalt fest. In diesem Fall gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrags bis zur Entscheidung des Schiedsamts vorläufig weiter.

(6) Die Verbände der Unfallversicherungsträger und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen bilden je ein Schiedsamt für die medizinische und zahnmedizinische Versorgung. Das Schiedsamt besteht aus drei Vertretern der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und drei Vertretern der Verbände der Unfallversicherungsträger sowie einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. § 89 Absatz 6 des Fünften Buches sowie die aufgrund des § 89 Absatz 11 des Fünften Buches erlassenen Rechtsverordnungen gelten entsprechend.

(7) Die Aufsicht über die Geschäftsführung der Schiedsämter nach Absatz 6 führt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

(8) Die Beziehungen zwischen den Unfallversicherungsträgern und anderen als den in Absatz 3 genannten Stellen, die Heilbehandlung durchführen oder an ihrer Durchführung beteiligt sind, werden durch Verträge geregelt. Soweit die Stellen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ausführen oder an ihrer Ausführung beteiligt sind, werden die Beziehungen durch Verträge nach § 38 des Neunten Buches geregelt.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Werden Angriffs- oder Verteidigungsmittel entgegen den §§ 520 und 521 Abs. 2 nicht rechtzeitig vorgebracht, so gilt § 296 Abs. 1 und 4 entsprechend.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.

(2) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, können zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.

(3) Verspätete Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen und auf die der Beklagte verzichten kann, sind nur zuzulassen, wenn der Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 3 ist der Entschuldigungsgrund auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 316/16
vom
12. September 2017
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2017:120917BIXZR316.16.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, die Richter Prof. Dr. Pape, Dr. Schoppmeyer und Meyberg
am 12. September 2017 einstimmig beschlossen:
Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 17. November 2016 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Gründe:


I.


1
Der Kläger ist Verwalter in dem am 14. Oktober 2010 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des M. (fortan: Schuldner). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte dem Schuldner aufgrund eines Darlehensvertrages vom 19./22. Mai 2007 ein Darlehen in Höhe von 70.000 € netto zuzüglich eines Bearbeitungsentgeltes von 700 € ausge- reicht. Die Rückzahlung sollte in monatlichen Raten zu je 800 € erfolgen. Der Schuldner zahlte die vereinbarte Rate letztmals am 28. Februar 2010 und stellte dann seine Zahlungen ein. Am 12. Oktober 2010 kündigte die Beklagte das Darlehen und stellte es zur sofortigen Rückzahlung fällig. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldete die Beklagte den Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens zur Tabelle an. Nachdem der Kläger die Rückzahlung der Bear- beitungsgebühr verlangt hatte, erklärte die Beklagte die Aufrechnung mit ihrem Darlehensanspruch, hilfsweise mit ihrem Anspruch auf Zahlung der Rate für März 2010, und nahm ihre Anmeldung in Höhe von 700 € nebst anteiliger Zinsen zurück.
2
Der Kläger hält die Aufrechnung für unzulässig. Er verlangt Zahlung von 700 € nebst Zinsen. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten ist das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen worden. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

II.


3
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor und die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
4
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 1 InsO wegen Fehlens einer unentgeltlichen Leistung nicht erfüllt. Der Schuldner habe angenommen, sich im Darlehensvertrag vom 19./22. Mai 2007 wirksam zur Zahlung der Bearbeitungsgebühr verpflichtet zu haben. In einem solchen Fall liege keine unentgeltliche Leistung vor. Der aus § 812 BGB folgende Rückzahlungsanspruch sei gemäß § 389 BGB durch Aufrechnung erloschen.
5
2. Das Berufungsurteil ist richtig. Wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung entschieden hat, nimmt der Schuldner, der im ZweiPersonen -Verhältnis auf eine nicht bestehende Schuld leistet, keine unentgeltli- che Leistung vor, wenn er irrtümlich annimmt, zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet zu sein. Die aufgrund von wechselseitigen Ansprüchen im Zusammenhang mit einem Vertragsverhältnis erlangte Möglichkeit einer Aufrechnung oder Verrechnung ist auch dann nicht als unentgeltliche Leistung anfechtbar, wenn die dem Schuldner zustehende Gegenforderung ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch ist (BGH, Urteil vom 20. April 2017 - IX ZR 252/16, WM 2017, 1215; zVb in BGHZ). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 18. August 2017 fest. Es ist schon nicht verständlich, aus welchem Grund der Kläger den Wert des Anspruchs aus § 812 BGB mit "Geld in der Kasse oder auf der Bank" des Schuldners vergleichen will, obwohl die Bearbeitungsgebühr kreditiert wurde. Der Schuldner konnte mit dem Rückforderungsanspruch gegen den Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung des Darlehens aufrechnen (§§ 387, 389 BGB). Einer Klage bedurfte es nicht; auch ein Bonitätsrisiko bestand nicht. Im Übrigen kann es bei der Bewertung der beiderseitigen Leistungen im Rahmen von § 134 InsO nicht darauf ankommen, wie diese Leistungen nach dem Leistungsaustausch gehandelt werden würden.
6
3. Das Berufungsgericht hat die Revision wegen divergierender Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts zugelassen. Eine Divergenz im Sinne von § 543 ZPO setzt jedoch voraus, dass die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die anzufechtende Entscheidung muss ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantworten als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellen, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 292 f). Das vom Berufungsgericht zitierte Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Dezember 2015 (6 AZR 186/14, BAGE 154, 28 = NJW 2016, 970, Rn. 23) betrifft die Anfechtung von Zahlungen aufgrund eines wirksam geschlossenen und in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnisses an eine grundlos freigestellte Arbeitnehmerin. Die Gleichsetzung von "rechtsgrundlos" und "unentgeltlich" (BAG, aaO Rn. 23) steht im Widerspruch zum Senatsurteil vom 20. April 2017, trägt das in Bezug genommene Urteil des Bundesarbeitsgerichts jedoch nicht.
Kayser Lohmann Pape
Schoppmeyer Meyberg
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 16.10.2015 - 264 C 2145/15 -
LG München I, Entscheidung vom 17.11.2016 - 6 S 21301/15 -