Oberlandesgericht München Beschluss, 10. Aug. 2017 - Verg 03/17

bei uns veröffentlicht am10.08.2017
vorgehend
Vergabekammer Südbayern, Z-3319411-03/17, 27.04.2017

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 27.04.2017, Az. 23319411-03/17 wird zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens nach § 173 GWB und den jeweiligen notwendigen Aufwendungen der Gegenseite tragen der Antragsteller 80% und der Antragsgegner 20%. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für das Verfahren vor der Vergabekammer wird für beide Beteiligte für notwendig erklärt.

Gründe

A. Der Antragsgegner beabsichtigt die Errichtung eines neuen Konzerthauses in München. Für die Entwurfsplanung führt er einen nicht offenen Realisierungswettbewerb (Planungswettbewerb gem. VgV nach RPW 2013) für Architekten durch. Die europaweite Wettbewerbsbekanntmachung erfolgte am 12.08.2016.

Der Beschaffungsgegenstand ist in Nr. II.2.4 der Bekanntmachung als freistehender Neubau im Werksviertel mit einer Fläche von ca. 5.300 qm beschrieben. Ziel ist ein städtebaulich, architektonisch, wirtschaftlich und funktional schlüssiges und überzeugendes Konzept. Die Mindestzahl der aufzufordernden Teilnehmer war auf 25, die Höchstzahl auf 35 festgelegt worden. Sechs in der Bekanntmachung namentlich benannte Architekturbüros waren bereits vorausgewählt worden. Außerdem behielt sich die Vergabestelle vor, bis zu 5 Bewerbungen von Berufsanfängern und kleineren Büros zu berücksichtigen.

Die Kriterien für die Auswahl der Teilnehmer sind in Nr. III.1.10 der Bekanntmachung festgelegt. Auf im Internet abrufbare Angaben (Anlagen 1 und 2 zur Wettbewerbsbekanntmachung) wurde verwiesen. Abgesehen von formalen Teilnahmebedingungen war eine Auswahl anhand einer Bewertung von Referenzen vorgesehen. Die Bewerber sollten hierfür bis zu drei Projektreferenzen mit näher aufgeschlüsselten Angaben einreichen. Zusätzlich war je Projektreferenz eine Bilddatei zu übermitteln, die ein oder mehrere Motive (Fotos, Renderings, Grundrisse, Ansichten, Schnitte etc.) des Projektes beinhalten konnte. Vorgegeben war eine Bewertung der Referenzen unter zwei Gesichtspunkten, nämlich einerseits die technische, andererseits die planerisch-gestalterische Leistungsfähigkeit. In beiden Kategorien konnten die Bewerber maximal je 150 Punkte (d.h. maximal 300 Gesamtpunkte) erlangen.

Zur - vorliegend nicht streitigen - Bewertung der technischen Leistungsfähigkeit heißt es in der Anlage 1 zur Bekanntmachung:

„Bei der Bewertung der technischen Leistungsfähigkeit kann jede einzelne Referenz bis zu 50 Punkte erreichen.

Die technische Leistungsfähigkeit wird anhand der Angaben im Online-Bewerbungsformular nach folgenden Einzelkriterien bewertet. Die Angaben zu den Referenzprojekten erfahren eine gestufte Bewertung nach Punkten, die unterschiedlich gewichtet werden:

– Projekttyp d.h. Komplexität der Planungsanforderung durch Nennung der Honorarzone (4-fach),

– Baumaßnahme, d.h. Umbau, Sanierung oder Neubau (1-fach), Leistungsbild, ausgedrückt durch Nennung der bearbeiteten Leistungsphasen (1-fach),

– Projektgröße durch Nennung der NF, BGF oder Baukosten KG 300+400 (1-fach),

– Wettbewerbsergebnis (1-fach),

– Status Realisierung (1-fach),

– Aktualität des Projekts durch Nennung des Jahres des Abschlusses der vom Bewerber eigenverantwortlich erbrachten Leistungen (1-fach)."

Die Vorgaben zur Bewertung der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit lauteten:

„Bei der Bewertung der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit wird nur eine der eingereichten Referenzen gewertet, die vom Auswahlgremium als die beste bestimmt wird. Diese ausgewählte Referenz kann mit bis zu 150 Punkten bewertet werden.

Bei der Bewertung der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit wird der Auftraggeber durch ein Gremium beraten, dem u.a. zwei vom Preisgericht und vom Auftraggeber unabhängige Architekten angehören. Bewertet werden die Aspekte Originalität, Innovation und gestalterische Qualität und die Übertragbarkeit der vorgenannten drei Aspekte auf das anstehende Projekt.“

Ausweislich der in der Anlage 2 der Bekanntmachung abgedruckten Matrix waren für die technische Leistungsfähigkeit sieben Einzelkriterien nebst Basisbewertung und Gewichtung festgelegt. Für die planerisch-gestalterische Leistungsfähigkeit gab es die Bewertungsstufen „weniger gut geeignet“ (0 Punkte), „gut geeignet“ (60 Punkte), „sehr gut geeignet“ (120 Punkte) und „besonders geeignet“ (150 Punkte).

Neben dem Antragsteller reichten rund 200 weitere Architekturbüros fristgerecht Teilnahmeanträge ein. Als Referenzprojekte benannte der Antragsteller die „P … der M.“ M“, das „P.-L.-H. B. und das „M.-E.-L.-H.-H.-B.“.

Das Auswahlgremium bewertete die Referenzprojekte aller Bewerber unter dem Gesichtspunkt „planerisch-gestalterische Leistungsfähigkeit in einer Sitzung vom 21.10.2016. Für den Ablauf der Bewertung wird auf Abschnitt 3.2. des Vergabevermerks vom 24.10.2016 Bezug genommen.

Das Gremium wählte für den Antragsteller die Referenz „M. E. L. H. als beste Referenz aus. Entsprechend dem Vorschlag des Auswahlgremiums erhielt der Antragsteller von der Vergabestelle für diese Referenz 120 von 150 möglichen Punkten. In der Begründung heißt es unter dem Punkt der „Übertragbarkeit“:

„nur eingeschränkt gegeben (abweichende Programmatik, großzügigere städtebauliche Rahmenbedingungen, geringe Publikumsströme)“.

Im Bereich „technische Leistungsfähigkeit“ erzielte der Antragstellers 140 von 150 Punkten. Diese Bewertung war und ist unbestritten.

Abgesehen von den bereits in der Bekanntmachung genannten Büros wählte der Antragsgegner nach Bewertung der eingereichten Referenzen 29 weitere Teilnehmer (darunter vier aus der Kategorie Berufsanfänger und kleine Büros) aus.

Mit Schreiben vom 02.11.2016 teilte die Vergabestelle dem Antragsteller mit, dass sein Büro nicht zu den ausgewählten Teilnehmern gehöre. Er habe nur insgesamt 260 Punkte von 300 möglichen Punkten erreicht und somit den 21. Rang belegt, wobei die letzte Bewerbung, welche sich noch habe qualifizieren können, auf Rang 13 (die Ränge wurden teilweise mehrfach belegt) mit 268 Punkten liege.

Der Antragsteller rügte mit anwaltlichem Schreiben vom 10.11.2016 diese Entscheidung und beanstandete die Bewertung der Leistungsnachweise als nicht transparent, ungenügend begründet und nicht überprüfbar. Die Vergabestelle nahm hierzu mit Schreiben vom 11.11.2016 Stellung. Eine weitere Rüge erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 23.11.2016 stellte der Antragsteller einen ersten Nachprüfungsantrag (Az. der VK: Z3319448-11/16), mit dem er eine Aufhebung des Verfahrens und Zurückversetzung in den Stand der Bekanntmachung anstrebte. Hilfsweise beantragte er eine Neubewertung seines Teilnahmeantrags. Der Antragsgegner verteidigte seine Auswahlentscheidung u.a. damit, dass der Antragsteller schwerwiegende Täuschungen im Zuge seiner Bewerbung gemacht habe.

Im Hinblick auf rechtliche Hinweise der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung vom 20.12.2016 führte die Vergabestelle am 30.12.2016 unter Beteiligung des ursprünglichen Auswahlgremiums eine Nachbewertung der Referenzen des Antragstellers durch. Das Ergebnis wurde in einem Protokoll vom 30.12.2016 dokumentiert. Es wurde u.a. festgehalten, dass die Bewertung der Referenzen anhand der vom Antragsteller eingereichten Dateien vorgenommen wurde. Zudem wurde berücksichtigt, dass es sich bei den Referenzprojekten um in Fachkreisen und der allgemeinen Öffentlichkeit bekannte Bauwerke handelt. Soweit daher allgemein bekannte Merkmale im Hinblick auf die planerisch gestalterische Beurteilung betroffen waren, „könnten diese bei der Bewertung nicht vollständig außer Acht gelassen“ werden. Die Vergabestelle bewertete diesmal alle drei Referenzen des Antragstellers und zwar mit jeweils 120 Punkten, wobei wiederum das M.-E.-L.-Haus als die beste Referenz angesehen wurde.

Mit Beschluss vom 27.01.2017 gab die Vergabekammer Südbayern dem ersten Nachprüfungsantrag des Antragstellers im Hilfsantrag statt, wies aber den Hauptantrag auf Aufhebung des Verfahrens und Zurückversetzung ab.

Die Vergabekammer beurteilte den Nachprüfungsantrag teils als unzulässig, da der Antragsteller seinen Rügeobliegenheiten nur in beschränktem Umfang genügt habe. Weder habe er die Auswahlkriterien für die Bewertung der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit gerügt noch die Tatsache, dass hierfür nur eine Referenz gewertet werden soll, die vom Auswahlgremium als die Beste bestimmt werde. Die Vorgaben seien vorab bekannt gegeben worden. Sie hätten wohl auch schon vor Abgabe des Teilnahmeantrags gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB gerügt werden müssen. Es spreche auch vieles dafür, dass die Verstöße nicht nur tatsächlich, sondern in rechtlicher Hinsicht erkennbar gewesen seien, da die VgV die Festlegung eindeutiger und nichtdiskriminierender Auswahlkriterien verlange.

Im Rahmen der Begründetheit verneinte die Vergabekammer einerseits einen Ausschlussgrund in Bezug auf den Antragsteller, andererseits aber auch - unter Hinweis auf fehlende Rügen - einen Anspruch auf Aufhebung des Verfahrens und Zurückversetzung. Dagegen sah die Vergabekammer den Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt, dass die Auswahl der besten Referenz nach sachfremden Kriterien („mangelhaftes Foto“) erfolgt sei und Kriterien zur Bewertung herangezogen worden seien, auf die sich die Vergabestelle nicht habe stützen dürfen („Publikumsströme, abweichende Programmatik“). Auch die Nachbewertung vom 30.12.2016 ändere hieran nichts, weil das Wertungsergebnis nicht hinreichend begründet worden sei. Ergänzend wird auf den Beschluss der Vergabekammer vom 27.01.2017, Az. Z3319448-11/16, vorgelegt als Anlage AS7, Bezug genommen. Weder der Antragsteller noch der Antragsgegner legten gegen die Entscheidung der Vergabekammer Rechtsmittel ein.

Am 22.02.2017 nahm die Vergabestelle beraten durch das - personenidentisch besetzte - Gremium eine weitere Neubewertung der Projektreferenzen des Antragstellers in Bezug auf die planerisch-gestalterische Leistungsfähigkeit vor. Wiederum erhielten alle drei vom Antragsteller eingereichten Projektreferenzen 120 Punkten (sehr gut geeignet).

Gegen die mit Schreiben vom 14.03.2017 mitgeteilte Neubewertung wendet sich der Antragsteller (nach erfolglosem Rügeschreiben vom 16.03.2017) mit seinem nunmehrigen Nachprüfungsantrag vom 17.03.2017.

Er beantragt,

  • 1.Dem Antragsgegner wird aufgegeben, das Ergebnis des nicht offenen Realisierungswettbewerbs zur Errichtung eines Konzerthauses aufzuheben und die vorgesehenen Preise nicht zu vergeben.

  • 2.Dem Antragsgegner wird aufgeben, das Verfahren auf den Stand der Bekanntmachung zurückzuversetzen.

  • 3.Es wird festgestellt, dass der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist.

hilfsweise

zu den Hauptanträgen 1 und 2:

Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die Referenzen des Antragstellers einer neuen Bewertung zu unterziehen. Dabei wird dem Antragsgegner aufgegeben nachzuweisen, dass die zur Bewertung der Referenzen des Antragstellers herangezogenen Kriterien mit den Kriterien identisch sind, die zur Bewertung der weiteren Wettbewerbsteilnehmer herangezogen wurden.

Im Verfahren vor der Vergabekammer hat der Antragsteller im Wesentlichen beanstandet, dass der Antragsgegner völlig intransparente, teils auch neue bzw. abweichende Kriterien für die Neubewertung herangezogen habe. Die Neubewertung sei nicht ergebnisoffen durchgeführt worden. Auch habe der Antragsgegner sein Ermessen teils gar nicht, teils fehlerhaft ausgeübt. Objektiv nachprüfbare Kriterien, die für die Bewertung maßgeblich gewesen seien, seien nicht erkennbar, vielmehr stütze sich der Antragsgegner auf Allgemeinplätze.

Es erschließe sich auch nicht, weswegen alle drei Referenzen dieselbe Punktzahl erhalten hätten. Man könne zum Wettbewerb nur zugelassen werden, wenn man für die planerisch-gestalterische Qualität die maximale Punktzahl erhalte. Dieses Ungleichgewicht, das auf einer Matrix beruhe, lasse sich im derzeitigen Stadium zwar nicht mehr rügen, führe aber dazu, dass die Beurteilung besonders kritisch hinterfragt werden müsse.

Abgesehen davon müssten die zahlreichen Fehler des Vergabeverfahrens dazu führen, dass das Verfahren insgesamt aufgehoben werden müsse. Auch eine Neubewertung könne den Transparenzmangel nicht heilen.

Darüber hinaus legt der Antragsteller dar, weswegen seiner Ansicht nach jedes einzelne Referenzprojekt mit 150 Punkten bewertet werden müsse.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Er meint, der Nachprüfungsantrag sei weit überwiegend unzulässig und im Übrigen unbegründet.

Die Neubewertung sei korrekt, in objektiver und neutraler Art und Weise sowie unter ausschließlicher Zugrundelegung des Kriteriums der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit (wie dargestellt gemäß Anlage 1 und Anlage 2 der Bekanntmachung) entschieden worden. Das Gremium und der Antragsgegner hätten sich an alle Vorgaben gehalten, welche aufgestellt und den Bewerbern mitgeteilt worden seien. Der Antragsgegner habe damit den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Auch habe sich der Antragsgegner dabei gerade vor dem Hintergrund, dass die Kriterien wenig objektivierbar seien und subjektive Gesichtspunkte eine gewichtige Rolle spielen, an die - von der Vergabekammer Südbayern hervorgehobenen - rechtlichen Vorgaben gehalten, insbesondere dass die Bewertung und die Punktevergabe so zu begründen sei, dass sie nachvollzogen werden könne. Der Vorwurf sachfremder oder willkürlicher Wertung sei haltlos.

Soweit der Antragsteller beanstandet, dass spezielle Details seiner Referenzen nicht hinreichend berücksichtigt worden seien, lasse er außer Acht, dass er an maßgeblicher Stelle, nämlich im Teilnahmeantrag, gerade keine besonderen Details seiner Projekte aufgezeigt habe. Das beauftragte Gremium sei nicht gehalten gewesen, selbständig weitergehende Nachforschungen anzustellen.

Die Vergabekammer wies nach Anhörung der Mitglieder des Bewertungsgremiums mit Beschluss vom 27.04.2017 den Nachprüfungsantrag des Antragstellers zurück und begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen:

Der Antragsteller habe seiner Rügeobliegenheit genügt, soweit es um die Neubewertung seiner Referenzen gehe. Präkludiert sei er jedoch, wie er selbst einräume, soweit es um die Intransparenz der Auswahlkriterien gehe und die Tatsache, dass bei der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit nur eine Referenz gewertet werde, die vom Auswahlgremium als „die Beste“ bestimmt wird.

In der Sache bestünden zwar Zweifel, dass die Bewertung in jedem Aspekt auf einer vollständigen Sachverhaltsermittlung erfolgt sei und es bestünden weiterhin nicht aufklärbare Widersprüche zur ursprünglichen Bewertung vom 21.10.2016. Dennoch erscheine die Bewertung sämtlicher Referenzen mit 120 Punkten im Ergebnis vertretbar.

Der Hauptantrag der Antragstellers könne wegen der Rügepräklusion gem. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB keinen Erfolg haben. Die Vergabekammer habe im bestandskräftigen Beschluss vom 27.01.2017 (Az. Z3319448-11/16) festgestellt, dass der Antragsteller die Auswahlkriterien in Anlage 1 zur Bekanntmachung nicht gerügt habe, so dass er insoweit keine Aufhebung oder Rückversetzung des Verfahrens erreichen könne. Auch wenn die Bestandskraftwirkung des Beschlusses vom 27.01.2017 einem Aufgreifen der intransparenten Auswahlkriterien von Amts wegen nicht generell entgegenstehen würde, sei ein Aufgreifen eines präkludierten Vergaberechtsverstoßes von Amts wegen nur im absoluten Ausnahmefall möglich und geboten. Die Voraussetzungen seien nicht erfüllt, auch wenn die Auswahlkriterien „Originalität, Innovation und gestalterische Qualität und die Übertragbarkeit der vorgenannten drei Aspekte auf das anstehende Projekt“ den Anforderungen des § 71 Abs. 3 Satz 1 VgV bzw. Art. 80 Abs. 1 und 3 i.V.m. Art. 18 der Richtlinie 2014/24/EU nicht genügten.

Aber auch der Hilfsantrag auf (erneute) Neubewertung des Teilnahmeantrags sei zurückzuweisen. Der Antragsteller habe sich rügelos auf einen Teilnahmewettbewerb mit nicht ausreichend eindeutigen und transparenten Auswahlkriterien eingelassen und müsse diese nun gegen sich gelten lassen. Die verwendeten Auswahlkriterien führten dazu, dass die Bewertung weniger objektivierbar und nachvollziehbar sei. Der Antragsteller habe (nur) Anspruch auf eine nachvollziehbare Bewertung seines Teilnahmeantrags, soweit dies mit den gegebenen Kriterien möglich sei. Dabei komme dem öffentlichen Auftraggeber ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu. Dieser könne nur eingeschränkt von den Nachprüfungsinstanzen überprüft werden, nämlich dahingehend, ob der Auftraggeber das vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten habe, von einem unzutreffenden bzw. nicht hinreichend überprüften Sachverhalt ausgegangen worden sei, sachwidrige Erwägungen für die Entscheidung verantwortlich gewesen seien oder der Beurteilungsmaßstab nicht zutreffend angewandt worden sei. Eine Wertung von Kriterien wie den hier vorliegenden habe dabei immer eine subjektive Note, da sie auf dem Hintergrund und auf der Erfahrung des Beurteilenden beruhe.

Der Antragsteller werde nicht dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, dass sein Teilnahmeantrag in einer anderen Prüfungstiefe und viel strenger anhand der bekanntgemachten Auswahlkriterien bewertet worden sei, denn dies sei Folge des ersten Nachprüfungsverfahrens. Ebenso wenig liege eine Rechtsverletzung darin, dass der Antragsgegner abweichend von der Bekanntmachung alle Referenzprojekte des Antragstellers bewertet habe.

Die Bewertung des Referenzobjekts P. der M. mit „Sehr gut geeignet“ erscheine im Ergebnis vertretbar. Die Begründung, dass einige verwendete Entwurfselemente eine offensichtliche Verwandtschaft zum im Entstehungszeitpunkt bereits bekannten Konzept des Kunstmuseums Bonn zeigten, könne von der Vergabekammer nachvollzogen werden. Den Mitgliedern des Bewertungsgremiums sei die Erschließungsdiagonale der P0HHB bekannt gewesen, die diese vom Kunstmuseum Bonn konzeptionell unterscheide, so dass die Entscheidung auch nicht auf der Basis unzureichender Sachverhaltsermittlung getroffen worden sei. Kritischer sei allerdings die Bewertung beim Kriterium „Innovation“ zu sehen. Unter Innovation habe das Gremium auch die konstruktive Umsetzung, die Materialauswahl und inhaltlich konzeptionelle Fragen im Kontext der Entstehungszeit des Referenzobjekts bewertet. Allerdings habe sich herausgestellt, dass dabei der Aspekt der Gebäudetechnik nicht betrachtet worden sei. Auch lasse die Dokumentation nicht erkennen, dass sich das Gremium mit der Tageslichtführung der PHM; auseinandergesetzt habe, auch wenn die Tageslichtdecke den Mitgliedern des Gremiums nach deren Aussage bekannt gewesen sei. Weitere vom Antragsteller als innovativ bezeichnete Details wie die Vormauerschalen zur Befestigung der Bilder, die Quelllüftung, das Brandschutzkonzept und der besondere Boden seien den Mitgliedern des Bewertungsgremiums nicht bekannt gewesen, so dass damit keine Auseinandersetzung erfolgen habe können. Im Zuge der Neubewertung eines Teilnahmeantrags könne in gewissem Maße eine Befassung mit Details eines Referenzobjekts erwartet werden, auch wenn sie nicht im Teilnahmeantrag genannt seien. Daher spreche vieles dafür, dass die Bewertung des Aspekts der Innovation beim Referenzobjekt „P. der M.“ nicht aufgrund eines ausreichend ermittelten Sachverhalts erfolgt sei.

Das Kriterium der Übertragbarkeit, auf das sich der Antragsteiler ebenfalls rügelos eingelassen habe, entziehe sich weitgehend einer Objektivierung. Zwar sei in Bezug auf die Originalität die Bewertung bzw. Prognose des Antragsgegners nicht zu beanstanden. Der Schluss aus dem Befund des Referenzobjekts auf das zu verwirklichende Vorhaben erscheine nicht sachfremd. Beim Aspekt der Innovation sei allerdings die nicht fehlerfreie Bewertung des Referenzobjekts kein tauglicher Ausgangspunkt für die Prognose.

Insgesamt erscheine (dennoch) wegen der nachvollziehbaren Ausführungen zum Aspekt der Originalität des Referenzobjekts und der daraus entwickelten Prognose zur Übertragbarkeit die Bewertung mit 120 Punkten für das Referenzobjekt vertretbar.

Ähnliches gelte für das Referenzobjekt „P.L. Haus“. Während die Bewertung des Kriteriums der Originalität nachvollziehbar erscheine, bestünden auch hier Zweifel, ob das Kriterium „Innovation“ aufgrund eines vollständig ermittelten Sachverhalts bewertet worden sei. Denn die Bewertung beschränkte sich wiederum auf innovative Aspekte in der Gestaltung und stütze sich darauf, dass außergewöhnliche räumliche, technische oder konstruktive Ansätze, die das Projekt aus seiner Zeit heraus in Teilbereichen oder als Ganzes als herausragende Innovation erscheinen lasse, nicht zu erkennen seien. Diese Aussage sei angesichts der großflächigen transluzenten Solaranlage, der zur Erbauungszeit möglicherweise innovativen Kraft-Wärme-Kopplung, der damals innovativen weitgehend fugenlosen Bewehrungs- und Betoniertechnik und Besonderheiten im Brandschutz durchaus in Zweifel zu ziehen. Bei der Neubewertung erscheine es nicht unverhältnismäßig, Aspekte, die mittels einer einfachen Internet-Recherche in Erfahrung zu bringen seien, mit einzubeziehen. Insgesamt erscheine aber wegen der nachvollziehbaren Ausführungen zum Aspekt der Originalität des Referenzobjekts und der daraus entwickelten Prognose zur Übertragbarkeit die Bewertung mit 120 Punkten vertretbar.

Ebenso sei die Bewertung des Referenzobjektes „M.-E.-L. Haus“ zu beurteilen. Es sei bei der Originalität die architektonische Gesamtkomposition und auch der sog. „Spreesprung“ berücksichtigt worden, auch wenn dies nicht gesondert dokumentiert worden sei. Bei der Bewertung des Kriteriums der Innovation habe aber der Widerspruch zur Begründung der vorangegangenen Bewertungen nicht aufgeklärt werden können. Dennoch erscheine wegen der nachvollziehbaren Ausführungen zum Aspekt der Originalität und gestalterischen Qualität des Referenzobjekts und der daraus entwickelten Prognose zur Übertragbarkeit die Bewertung mit 120 Punkten ebenfalls vertretbar.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer, auf die ergänzend Bezug genommen wird, wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

Er meint, die Vergabekammer habe den Nachprüfungsantrag gerade im Lichte der selbst festgestellten Mängel zu Unrecht als unbegründet zurückgewiesen. Die Vergabekammer übe fundamentale Kritik, die dem Antragsgegner letztlich reine Willkür vorwerfe. Das Verfahren leide an so schwerwiegenden Mängeln, dass eine Aufhebung zwingend geboten sei. Eine vergaberechtskonforme Wertung der Bewerbungen sei nicht möglich. Nur durch eine vollständige Überarbeitung der Wettbewerbsbedingungen und der Bewertungskriterien seien die gravierenden Fehler zu beseitigen. Auf die rechtzeitige Rüge komme es nicht an, vielmehr seien die Verstöße von Amts wegen aufzugreifen. So habe die Vergabekammer selbst ohne weitere Ermittlungen beanstandet, dass die Auswahlkriterien den gesetzlichen Anforderungen nicht genügten. Dies müsse der Antragsgegner gegen sich gelten lassen. Es sei weder klar, worauf sich die Kriterien Originalität, Innovation und gestalterische Qualität beziehen würden, noch seien nachvollziehbare Anhaltspunkte erkennbar, wie diese Kriterien objektiv gemessen werden könnten. In der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer sei deutlich geworden, dass die Gremiumsmitglieder andere ästhetisch-architektonische Präferenzen hätten als der Antragsteller. Nach welchen Kriterien die Gremiumsmitglieder zwischen Originalität und gestalterischer Qualität unterscheiden würden, sei unklar geblieben. Das Kriterien „Innovation“ und „Übertragbarkeit“ seien gänzlich undurchsichtig. Der Willkür sei Tür und Tor geöffnet. Dies sehe man schon daran, dass zunächst die Referenz „P. der M., ein weltweit bekanntes und selbst vom Ministerpräsidenten hochgelobtes Gebäude, mit haltlosen Erwägungen als ungeeignet bewertet worden sei.

Dass die Referenzen des Antragstellers vertieft bzw. strenger geprüft worden seien, wolle man gar nicht beanstanden. Wenn der Antragsgegner dies jedoch so handhabe, müsse er auch für den Antragsteller günstige Aspekte, die ihm ohnehin als Bauherr und Betreiber der P. der M. bestens bekannt seien, in die Beurteilung einbeziehen.

Zur Referenz „P. der M.“ macht der Antragsteller geltend:

Wegen der Bewertungsvorgaben des Antragsgegners seien für den Antragsteller 120 Punkte in Bezug auf das gestalterisch-planerische Kriterium genauso viel bzw. wenig wert wie eine Bewertung mit 0 Punkten. Hätte der Antragsgegner diesen Bereich ähnlich differenziert wie das Kriterium der technischen Leistungsfähigkeit, wäre dies anders. Dies habe die Vergabekammer nicht berücksichtigt, was den Antragsteller in seinen Rechten verletze. Eine realistische Chance habe der Antragsteller nur mit der Höchstpunktzahl. Auch habe sich die Vergabekammer nicht ausreichend mit dem Kriterium der Originalität auseinandergesetzt. Bereits die Frage, worauf sich die Originalität beziehen sollte, sei nicht gestellt worden. Die Erschließungsdiagonale hätte in Zusammenhang mit dem geplanten, aber bis heute nicht umgesetzten zweiten Bauabschnitt des Museumsquartiers betrachtet werden müssen. Gleiches gelte für städtebauliche Aspekte. Es sei bereits auf die städtebauliche Funktion und Originalität der P. der M. hingewiesen worden. Trotz der Kritik an der Bewertung des Kriteriums „Innovation“ 1 komme die Vergabekammer zum Ergebnis, der Antragsteller sei nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt, was nicht nachvollziehbar sei. Die Bewertung müsse sich dabei auch an den Kriterien für den endgültigen Wettbewerb messen lassen. Zumindest müsse die Bewertung nochmals wiederholt werden.

Bezüglich der Referenz „P.-L. - Haus“ sei weder der Antragsgegner noch die Vergabekammer auf deren hohe gestalterische Qualität eingegangen. Der Kritik der Vergabekammer an der Beurteilung der Innovation sei nichts hinzuzufügen. Bei dem Kriterium Übertragbarkeit hätte der Antragsteller mindestens die städtebauliche Besonderheit des Bandes des Bundes mit seinen Restriktionen für eine freie Gestaltung mit dem äußerst schwierigen Areal, das für das Konzerthaus vorgesehen sei, und das ebenfalls eine besondere räumliche Sensibilität erfordere, in Beziehung setzen müssen. Hierzu fehle jeder Hinweis. Auch insoweit hätte zumindest eine erneute Bewertung angeordnet werden müssen.

Bezüglich der Referenz „M. E. L. Haus“ würden zwei Aspekte auffallen. Es sei nicht dokumentiert, dass sich der Antragsgegner mit dem so genannten Spreesprung befasst habe. Die Vergabekammer hätte dies nicht zugunsten des Antragsgegners annehmen dürfen. Zudem stelle die Vergabekammer zu Recht fest, dass eine Begründung, weshalb eine anfänglich äußerst positive Bewertung der Referenz nunmehr geradezu in ihr Gegenteil verkehrt worden sei, fehle.

Mindestens eine Referenz hätte mit der Höchstpunktzahl bewertet werden müssen. Das gesamte Vorgehen zeige, dass man die Referenzen des Antragstellers nicht ergebnisoffen beurteilt habe. Der Antragsgegner habe sich einen möglichst großen Entscheidungsspielraum verschafft und diesen genutzt, um den unliebsamen Antragsteller von einer Teilnahme fernzuhalten.

Mit Schriftsatz vom 10.07.2017 hat der Antragsteller ergänzend die Gewichtung der Kriterien in der Matrix beanstandet. Die Matrix sei völlig intransparent. Es seien bei der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit Unterkriterien berücksichtigt worden, die nicht bekannt gegeben worden seien. Teils seien die Unterkriterien auch ausgetauscht worden.

Der Antragsteller beantragt,

  • 1.Die Entscheidung der Vergabekammer Südbayern vom 27.04.2017. Az Z3319411-03/17, wird aufgehoben.

  • 2.Dem Antragsgegner und Beschwerdegegner wird aufgegeben, das Verfahren auf den Stand der Bekanntmachung zurückzuversetzen.

  • 3.Es wird festgestellt, dass der Antragsteller und Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt ist.

hilfsweise zu Antrag Ziff. 1 wird beantragt,

Dem Antragsgegner und Beschwerdegegner wird aufgegeben, die Referenzen des Antragstellers und Antragstellers einer neuen Bewertung zu unterziehen.

Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.

Er steht auf dem Standpunkt, eine Aufhebung und Zurückversetzung des Vergabeverfahrens (Hauptantrag) in den Stand vor Bekanntmachung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil einer solchen Zurückversetzung sowohl die Präklusion als auch die materiell bestandskräftige Entscheidung der Vergabekammer Südbayern vom 27.01.2017 entgegen stehe. Weder die Rügepräklusion noch die Bestandskraft der Entscheidung könne über die Vorschrift zur Amtsermittlung (§ 163 GWB) umgangen werden. Selbst wenn man es für zulässig erachten würde, einen nicht gerügten schwerwiegenden Vergaberechtsverstoß von Amts wegen aufzugreifen, lägen vorliegend die Voraussetzung für einen solchen Ausnahmefall nicht vor.

Abgesehen davon seien die vom Antragsgegner festgelegten Auswahlkriterien materiell nicht zu beanstanden.

Die Vergabekammer habe auch den Hilfsantrag zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.

Die Neubewertung des Teilnahmeantrags des Antragstellers sei rechtmäßig durchgeführt worden. Eine Rechtsverletzung aufgrund der gleich hohen Bewertung aller drei Projektreferenzen könne nicht nachvollzogen werden, da es bei dieser Punktzahl einer Auswahl der besten Referenz nicht bedurft habe.

Die Neubewertung halte sich auch ansonsten im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Bewertungsgremiums und des Antragsgegners. In der Bekanntmachung seien Bewertungsgrundlagen benannt worden und es wäre Sache des Antragstellers gewesen, die vom ihm insoweit als bedeutsam herausgehobene Details der Projektreferenzen durch Bilddateien herauszustellen. Der Antragsteller habe mit seinem Teilnahmeantrag nur wenige Informationen hinsichtlich seiner Projektreferenzen eingereicht. Die Nichterfüllung dieser Obliegenheit habe der Antragsteller gegen sich gelten zu lassen.

Zu Unrecht habe die Vergabekammer nicht aufklärbare Widersprüchlichkeiten zu den vorangegangenen Bewertungen gesehen. Auch sei die Prüfungstiefe nicht zum Nachteil des Antragstellers gesteigert worden, vielmehr habe man lediglich - den Vorgaben der Vergabekammer folgend - ausführlicher begründet. Als unhaltbar sei der Vorwurf des Antragstellers zurückzuweisen, bei der Bewertung hätten Ressentiments ihm gegenüber eine Rolle gespielt.

Die Beurteilung der Referenz „P. der M. sei unter Berücksichtigung der Informationen im Teilnahmeantrag und der allgemein in Fachkreisen bekannten Informationen erfolgt. Die Erschließungsdiagonale und die Belichtung seien bei der gestalterischen Qualität angemessen berücksichtigt worden. Aspekte der technischen Gebäudeausrüstung seien kein Maßstab gewesen, da es sich hier um einen Architekturwettbewerb handle. Zudem könne der Antragsteller nicht erwarten, dass jedes technische Detail seiner Referenz bekannt sei und berücksichtigt werde.

Auch die Bewertung der Referenz „P.-L.-Haus“ weise keine Fehler auf. Eine Reihe von Aspekten, auf die sich der Antragsteller stütze, seien weder dem Gremium noch dem Antragsgegner bekannt gewesen und hätten auch nicht ermittelt werden müssen (oder dürfen). Auch mit Blick auf die Betonfassade könne nicht von einer besonderen Originalität oder Innovation gesprochen werden.

Ebenso sei die Beurteilung der Referenz „M. E.-L. Haus“ vergaberechtskonform erfolgt. Die Bewertung stehe, anders als die Vergabekammer meine, im Einklang mit vorangegangen Bewertungen. Die Beurteilung, wonach die seinerzeit angeführten positiven gestalterischen Elemente keine eigenständige Formensprache und stilbildende Elemente beinhalteten, die unter dem Aspekt der Originalität positiv zu bewerten seien oder als architektonische Innovation angesehen werden könnten, sei nicht zu beanstanden. Auch mit dem Spreesprung habe man sich auseinander gesetzt, in der Dokumentation werde die Brücke genannt und eine gewisse hierdurch vermittelte Wiedererkennbarkeit des Gebäudes konstatiert. Die Art der Überquerung der Spree mit einer Brücke sei jedoch nachvollziehbar nicht als besonders originell, sondern eher als konventionell beurteilt worden.

Der Senat hat mit Beschluss vom 29.05.2017 die aufschiebende Wirkung der Beschwerde bis zur Entscheidung in der Hauptsache verlängert. In der mündlichen Verhandlung wurden die Antragsgegnervertreter ergänzend zum Prozedere der Neubewertung angehört. Ergänzend wird auf das Sitzungsprotokoll sowie die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

B. Die zulässige Beschwerde erwies sich im Ergebnis als unbegründet.

A. Die Vergabekammer hat den Hauptantrag des Antragstellers auf Aufhebung des Verfahrens und Zurückversetzung in den Stand der Bekanntmachung zu Recht zurückgewiesen.

Soweit der Antragsteller im streitgegenständlichen Verfahren die Unbestimmtheit bzw. Intransparenz der Auswahlkriterien beanstandet, ist er mit diesem Einwand gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 2 GWB präkludiert. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bereits einen Nachprüfungsantrag gestellt hat und dass die Vergabekammer mit bestandskräftigem Beschluss vom 27.01.2017 den inhaltsgleichen Antrag auf Aufhebung und Zurückversetzung des Verfahrens zurückgewiesen hat. Diesen Beschluss hätte der Antragsteller anfechten können und müssen, um die bereits damals thematisierten, mithin auch bekannten struktureilen Vergabefehler, insbesondere die mangelnde Nachvollziehbarkeit und Intransparenz der Auswahlkriterien, zu beseitigen. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Verfahrens und Zurückversetzung von Amts wegen liegen nicht vor.

I. In Übereinstimmung mit der Vergabekammer beurteilt der Senat die Rüge des Antragstellers in Bezug auf die Auswahlkriterien „Originalität, Innovation, gestalterische Qualität und die Übertragbarkeit der vorgenannten drei Aspekte auf das anstehende Projekt“ als präkludiert. Gleiches gilt für die Tatsache, dass bei der Bewertung der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit nur eine der eingereichten Referenzen gewertet wurde und dass es dem Auswahlgremium überlassen ist, die beste Referenz zu bestimmen, ohne dass hierzu genauere Vorgaben bekannt gemacht wurden. Die als vergaberechtswidrig gerügten Vorgaben lassen sich unmittelbar aus der Bekanntmachung bzw. den veröffentlichten Anlagen entnehmen, auf die in der Bekanntmachung Bezug genommen wurde. Auch ohne rechtliche Beratung ist erkennbar, dass die genannten Auswahlkriterien sehr allgemein gehalten sind. Sie werden weder inhaltlich näher konkretisiert noch gegeneinander abgegrenzt noch wird aufgeschlüsselt, welche Einzelfaktoren oder speziellen Anknüpfungspunkte für die Einstufung in die vier festgelegten Bewertungsstufen („weniger gut geeignet“, „gut geeignet“, „sehr gut geeignet“ und „besonders geeignet“) eine Rolle spielen. Ersichtlich erfolgt die Punktvergabe zudem auf der Grundlage einer wertenden Beurteilung der Entscheidungsträger, mithin des Antragsgegners und der Mitglieder des beratenden Auswahlgremiums. Dass bei dieser Vorgabe, wie bei jeder Wertung, subjektive Komponenten (im Sinne von Einschätzungen, nicht im Sinne von willkürlichen persönlichen Präferenzen) eine wesentliche Rolle spielen, ist offensichtlich, ebenso, dass sich der Antragsgegner in diesem Bereich einen ganz erheblichen Freiraum verschafft. Betrachtet man zudem vergleichend die Kriterien zur technischen Leistungsfähigkeit und der gestalterisch-planerischen Leistungsfähigkeit in der veröffentlichten Matrix, sind die Unterschiede nicht zu übersehen. Es fällt sofort auf, dass bei der technischen Leistungsfähigkeit alle, bei der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit dagegen nur eine der drei Referenzen herangezogen wird, ebenso dass das Gremium - ohne nähere Erläuterung - bestimmt, welche Referenz die Beste ist und bewertet wird. Die Punkteskala für die technische Leistungsfähigkeit ist weitaus differenzierter und präziser (mithin auch transparenter und besser überprüfbar) als die Vorgaben für die planerisch-gestalterische Leistungsfähigkeit, zudem sind dafür nur vier Bewertungsstufen mit starken Sprüngen vorgesehen, nämlich 0, 60, 120 und 150 Punkte. Während jeder Bewerber selbst anhand der veröffentlichten Matrix errechnen kann, wie gut er bei der Kategorie „technische Leistungsfähigkeit“ abschneiden wird, kann er kaum prognostizieren, wie viele Punkte er bei der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit erhält.

Sämtliche aufgezeigten Aspekte waren damit - auch aus dem Blickwinkel eines nicht anwaltlich beratenen Bewerbers - als mögliche Unzulänglichkeiten erkennbar im Sinne von § 160 Abs. 3 Ziff. 2 GWB und hätten vom Antragsteller vor Abgabe eines Teilnahmeantrags gerügt werden müssen. Dies gilt auch für die Kritik an der - mit der Bekanntmachung veröffentlichten - Matrix, insbesondere das „Ungleichgewicht“ zwischen der Bewertung der technischen und der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit, auf die sich der Antragsteller im Schriftsatz vom 10.07.2017 stützt.

Darüber hinaus sieht der Senat auch die Bestandskraft der Entscheidung der Vergabekammer vom 27.01.2017 als Hindernis für eine erneute Geltendmachung von Vergabeverstößen, die bereits Gegenstand des damaligen Verfahrens waren. Der Antragsteller hat im ersten Nachprüfungsantrag -anwaltlich beraten - primär die Aufhebung und Zurückversetzung des Vergabeverfahrens begehrt. Er hat sein Begehren u.a. darauf gestützt, dass keine Kriterien für die Auswahl der Referenzen bekannt gegeben wurden, zum anderen hat er vorgebracht, dass die Entscheidungskriterien intransparent seien. Bereits im vorangegangenen Verfahren trat die Problematik, den Bewertungsvorgang anhand der wenig griffigen Kriterien nachprüfen zu können, offen zutage. Dies ergibt sich unmittelbar aus den Ausführungen der Vergabekammer im Beschluss vom 27.01.2017. Die Vergabekammer hat dennoch dem Hauptantrag des Antragstellers nicht stattgegeben, sondern lediglich eine Vergabe ohne eine Neubewertung des Teilnahmeantrags des Antragstellers untersagt. Es ist mit den Grundsätzen des Vergabeverfahrens, das auf Beschleunigung und eine möglichst rasche, rechtssichere Klärung bekannter - von den Beteiligten kontrovers beurteilter - Vergabeverstöße ausgerichtet ist, nicht vereinbar, dass sich ein Beteiligter zunächst mit dem teilweisen Unterliegen vor der Vergabekammer abfindet, um dann, wenn die partielle Wiederholung eines Verfahrensteils nicht zum gewünschten Ergebnis führt, sein ursprüngliches Petitum mit denselben Erwägungen wieder aufzugreifen. Verfolgt er nicht zeitnah im Instanzenzug sein primäres Hauptanliegen weiter, steht die bestandskräftige Abweisung seines Antrags durch die Vergabekammer einer erneuten Geltendmachung des Anspruchs mit derselben Begründung entgegen.

III. Ein Aufgreifen der als intransparent beanstandeten Auswahlkriterien von Amts wegen kommt nicht in Betracht. Zu Recht hat die Vergabekammer die Voraussetzungen für ein Aufgreifen der präkludierten Verstöße von Amts wegen verneint.

1. Der Senat hat die Pflicht, für die Rechtmäßigkeit des Ausschreibungsverfahrens zu sorgen. Er erforscht ebenso wie die Vergabekammer den Sachverhalt von Amts wegen, § 163 Abs. 1 GWB, wobei die Nachprüfungsinstanzen zu einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle nicht verpflichtet sind.

Es ist umstritten, wie weitgehend der Amtsermittlungsgrundsatz des § 163 Abs. 1 GWB110 Abs. 1 GWB a.F.) durch die Rügeobliegenheit begrenzt wird. In der Rechtsprechung und Literatur wird im Allgemeinen die Auffassung vertreten, dass Vergaberechtsfehler dann nicht von Amts wegen berücksichtigt werden dürfen, wenn eine entsprechende Rüge nach § 160 Abs. 3 GWB präkludiert wäre oder ist, da eine Rügepräklusion ihren Sinn verlöre, wenn der Mangel dennoch von Amts wegen eingeführt werden könnte (u.a. OLG Düsseldorf Beschluss v. 23.6.2010 - Verg 18/10; OLG Schleswig Beschluss vom 15.4.2011 - Verg 10/10; vgl. Diemon-Wies in PK Kartellvergaberecht § 110 GWB Rn.30).

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz, dass nicht gerügte, präkludierte Verstöße nicht von Amts wegen aufgegriffen werden dürfen, hält der Senat allerdings in ganz besonders gelagerten Fällen für gerechtfertigt (vgl. auch Dicks in Ziekow/Völlink Vergaberecht zu § 110 GWB a.F. Rn.7; Kadenbach in Willenbruch/Wieddekind § 163 GWB Rn.4; 5), nämlich dann, wenn ein so schwerwiegender Fehler vorliegt, dass eine tragfähige Zuschlagsentscheidung bei einer Fortsetzung des Verfahrens praktisch nicht möglich ist, etwa weil nur willkürliche oder sachfremde Zuschlagskriterien verbleiben oder das vorgegebene Wertungssystem so unbrauchbar ist, dass es jede beliebige Zuschlagsentscheidung ermöglicht. In diesem Sinne ist auch der Senatsbeschluss vom 22.01.2016, Verg 13/15 zu verstehen. Es genügt somit nicht, dass überhaupt Vergaberechtsverstöße vorhanden sind, da ansonsten die gesetzlich vorgegebene Rügeobliegenheit in der Tat leerlaufen würde. Ergänzend ist zu bemerken, dass das OLG Celle in dem vom Antragsteller herangezogenen Beschluss vom 17.11.2011, Az. 13 Verg 6/11, zwar die Möglichkeit des Aufgreifens von schwerwiegenden Mängeln von Amts wegen erörtert, im konkreten Fall jedoch keinen Anlass für eine Korrektur sieht.

Die Vergabekammer hat zu Recht festgestellt, dass die oben genannten Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben sind.

Zwar sieht auch der Senat wie die Vergabekammer, dass die strittigen Kriterien wenig präzise gefasst sind, was unter Transparenzgesichtspunkten bedenklich ist <§ 71 Abs. 3 S.1 VgV).

Es ist allerdings zu beachten, dass bei den für das Kriterium der „planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit“ vorgegebenen Aspekten eine subjektive Komponente bei der Bewertung unvermeidbar ist und auch eine weitere verbale Präzisierung diese subjektive Komponente weder ausschließen kann noch muss. Die Verwendung von Kriterien, die einer Wertung bedürfen, ist vergaberechtlich grundsätzlich zulässig. Die Vergabestelle verschafft sich damit einen Beurteilungsspielraum, der (nur) auf Einhaltung der von der Vergabekammer zutreffend aufgezeigten Grenzen überprüft werden kann.

Richtig ist zwar, dass bei allen vier Kriterien nicht bekannt gemacht wurde, ob dabei auf das Gebäude alleine, die Funktion des Gebäudes oder mehr auf seine städtebauliche Einordnung abgestellt wird, auch erfolgte keine ausdrückliche Regelung zur Gewichtung der Kriterien. Darüber hinaus wurde nicht dargestellt, nach welchen Kriterien die Vorauswahl der besten Referenz erfolgt. All diese - aus oben genannten Gründen präkludierten - Kritikpunkte führen jedoch nicht dazu, dass eine rechtskonforme, überprüfbare Auswahlentscheidung nicht mehr möglich ist. Hinsichtlich der Auswahl der Referenzen wurden ohnehin alle drei Projekte beurteilt. Ein Vergabeverstoß zu Lasten des Antragstellers vermag der Senat in diesem Zusammenhang nicht zu erkennen. Bezüglich der Gewichtung der Kriterien folgt der Senat dem Wortlaut der Bekanntmachung. Demnach besteht zwischen den Kriterien „Originalität“, „Innovation“ und Qualität' kein Unterschied im Gewicht. Es handelt sich vielmehr um gleichwertige Aspekte, unter denen das Referenzprojekt in einer wertenden Gesamtschau betrachtet wird. In einem weiteren Schritt wird die Übertragbarkeit auf das geplante Vorhaben beurteilt und eine Prognose vorgenommen.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der BGH in seiner kürzlich veröffentlichen Entscheidung zur „Schulnotenproblematik“ vom 04.04.2017, Az. X ZB 3/17 den Standpunkt eingenommen hat, dass es einer transparenten und wettbewerbskonformen Auftragsvergabe regelmäßig nicht entgegen steht, wenn der öffentliche Auftraggeber für Wertungskriterien Noten mit zugeordneten Punktwerten vergibt, ohne dass die Vergabeunterlagen weitere konkretisierende Angaben dazu enthalten, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl konkret abhängen soll. Die Nachprüfungsinstanzen untersuchen auf Rüge die Benotung des Angebots des Antragstellers als solche und in Relation zu den übrigen Angeboten, insbesondere zu demjenigen des Zuschlagsprätendenten, und darauf hin, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden (BGH NZBau 2017, 366, beck-online). Diese Erwägungen lassen sich auch auf den streitgegenständlichen Realisierungswettbewerb übertragen, mit der Folge, dass es jedenfalls nicht als schwerwiegender, schlechterdings untragbarer Fehler angesehen werden kann, wenn keine ausdifferenzierten „Unterkriterien“ zu relativ allgemein gehaltenen Auswahlkriterien bekannt gegeben werden, solange und soweit die Auswahlentscheidung hinreichend überprüfbar bleibt.

Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass die Kriterien dem Auswahlgremium bzw. dem Antragsgegner trotz der erörterten möglichen Vergabeverstöße noch einen ausreichenden Rahmen für die Auswahlentscheidung an die Hand geben. Es ist mithin noch möglich, die Auswahlentscheidung des Antragsgegners dahingehend zu überprüfen, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt und der Beurteilungsspielraum eingehalten wurde. Eine Aufhebung des Verfahrens und Zurückversetzung von Amts wegen scheidet damit aus. Ob der Senat ohne die Problematik der Präklusion bzw. der Bestandskraft des ersten Beschlusses der Vergabekammer in das Verfahren korrigierend eingegriffen hätte, kann dahinstehen.

Die Vergabekammer hat auch den Hilfsantrag im Ergebnis zutreffend abgewiesen.

Der Senat vermag weder einen Verstoß des Antragsgegners gegen das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot (§ 97 Abs. 1 und 2 GWB) festzustellen noch, dass der Antragsgegner bei der Bewertung der drei Referenzen seinen ihm einzuräumenden Beurteilungsspielraum überschritten hat.

Dem Antragsgegner steht - wie dargelegt - ein Beurteilungsspielraum zu, da es sich bei der Beurteilung, welcher Bieter die ausgeschriebene Leistung wohl am besten erbringen wird, um eine Prognose handelt Dieser kann nur eingeschränkt von den Nachprüfungsinstanzen überprüft werden, nämlich dahingehend, ob der Auftraggeber das vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten hat, von einem unzutreffenden bzw. nicht hinreichend überprüften Sachverhalt ausgegangen worden ist, sachwidrige Erwägungen für die Entscheidung verantwortlich waren oder der (ggf. nur intern festgelegte) Beurteilungsmaßstab nicht zutreffend angewandt wurde (vgl. beispielhaft OLG München vom 5.10.2012 - Verg 15/12). Der Beurteilungsspielraum ist vorliegend aufgrund der festgelegten Vorgaben des Antragsgegners relativ weit gefasst, dies ändert jedoch nichts daran, dass der Antragsgegner sich an das Verfahren und die Vorgaben halten muss, die er gewählt hat. Auch scheidet die Berücksichtigung von Aspekten aus, die sich objektiv nicht mehr unter die festgelegten Auswahlkriterien subsumieren lassen, wie etwa die zunächst herangezogenen „Publikumsströme“.

Zudem hat sich der Senat an der dargelegten Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 04.04.2017, X ZB 3/17) orientiert. Entsprechend den dort aufgezeigten Grundsätzen war die Auswahlentscheidung des Antragsgegners dahingehend zu überprüfen, ob die Bewertung der Referenzen des Antragstellers als solche und in Relation zu den Referenzen der ausgewählten Bewerber nachvollzogen werden kann, und ob die jeweilige Bewertung im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Teilnehmers plausibel erfolgt ist.

II. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist zunächst festzustellen, dass hinreichende Anhaltspunkte, dass sachfremde Erwägungen bei der Bewertung der Referenzen des Antragstellers eine Rolle gespielt hätten, nicht vorliegen. Dem Senat ist bekannt, dass es rechtliche Auseinandersetzungen zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner im Zusammenhang mit dem Bau der Pinakothek der Moderne gibt. Einen Beleg dafür, dass dies die (erstmalige oder wiederholte) Bewertung der Referenzen des Antragstellers beeinflusst hat, ergibt sich weder aus dem Vorbringen des Antragstellers noch aus der Dokumentation.

III. Zu der Prüfung der Bewertung der Referenzen im Einzelnen sind - auch im Hinblick auf die Ausführungen der Vergabekammer - folgende Punkte von Bedeutung:

Wie bereits mehrfach dargelegt, gebietet es der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass bei allen Bewerbern der gleiche Beurteilungsmaßstab herangezogen wird und sich auch die Prüfungstiefe nicht unterscheidet. Zu berücksichtigen sind hierbei auch die von den Mitgliedern des Gremiums bei der Vergabekammer dargelegten Grundlagen für ihre Beurteilung, etwa die Erläuterungen, woran sie das „Innovative“ des Referenzprojekts festgemacht haben. Solange und soweit sich dieses Vorverständnis als vertretbare Umsetzung der vorgegebenen allgemeinen Auswahlkriterien darstellt und durchgängig von Anfang an bei der Bewertung aller Referenzen zugrunde gelegt wurde, kann weder eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes noch eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums festgestellt werden.

Zwar kann man bei einer angeordneten Neubewertung der Referenzen eines Teilnehmers die Entscheidungssituation wie bei der Erstbewertung (Bewertung von 600 Referenzen an einem Tag) nicht vollständig wiederherstellen. Dies bedeutet aber nicht, dass nunmehr die Grundlagen der Prüfung verändert bzw. verschärft werden dürften. Aus der Vorgabe, die Entscheidung vertieft zu begründen, folgt nicht, dass ein anderer Prüfungsmaßstab bzw. eine vertiefte Prüfung im Sinne von Heranziehung anderer Anforderungen an die Ermittlung des Sachverhalts zulässig wäre.

Der Senat ist weiter der Auffassung, dass völlig unabhängig von der Bewertung stets in gleicher Weise von den Nachprüfungsinstanzen zu hinterfragen ist, ob der gleiche Prüfungsmaßstab gilt. Es kann keine Rolle spielen, ob für den Antragsteller in der konkreten Situation 120 Punkte „genauso viel wert sind“ wie 0 Punkte. Ebenso wenig kann es darauf ankommen, ob die Referenzen sowieso schon - wie der Antragsgegner meint - sehr positiv, nämlich mit der zweithöchsten Punktzahl, bedacht wurden.

Aus dem Gebot der Gleichbehandlung folgt außerdem, dass die Vergabestelle bei der Bewertung der Referenzobjekte des Antragstellers keine anderen Erkenntnisse und Gesichtspunkte heranziehen durfte als bei den anderen Bewerbern.

a) Auch ohne nähere Festlegung in der Bekanntmachung konnte und musste ein kundiger Bewerber davon ausgehen, dass für die Bewertung der Referenzen zum einen die von ihm selbst eingereichten Unterlagen und Dateien (insbesondere die Bilddateien) Berücksichtigung finden. Zum anderen konnte er auch erwarten, dass die in den Fachkreisen allgemein bekannten Besonderheiten der Referenzobjekte Berücksichtigung finden, zumal die Beratung des Antragsgegners durch ein fachlich qualifiziertes Gremium vorgesehen war. Nicht zulässig wäre gewesen, wenn der Antragsgegner bei der streitgegenständlichen Bewertung der Referenzen auftragsbezogene Gesichtspunkte aus früheren Vertragsbeziehungen mit dem Antragssteller verwertet hätte, wofür es jedoch keinen Anhalt gibt (s.o.). Umgekehrt kann damit der Antragsteller aber auch nicht verlangen, dass nicht gemeinhin bekannte, auftragsbezogene Detailkenntnisse des Auftraggebers aus der Referenz „PHHR der MMH' zu seinen Gunsten verwertet werden.

b) Für vertiefte Recherchen gab und gibt es keine Veranlassung. Soweit die Vergabekammer meint, dass bei der angeordneten Neubewertung eine Internetrecherche zu fordern gewesen wäre, vermag sich der Senat dieser Forderung nicht anzuschließen, da anderenfalls der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht beachtet werden würde.

Weiter war zu beachten, dass hinsichtlich jedes einzelnen Kriteriums zu überprüfen war, ob der Beurteilungsspielraum eingehalten wurde. Sofern dies hinsichtlich nur eines Kriteriums nicht festgestellt werden kann, muss die Vergabestelle eine Neubewertung vornehmen. Der Weg der Vergabekammer, die bei allen Referenzen Details der Bewertung beanstandet hat, und dennoch eine „im Ergebnis vertretbare“ Vergabe von 120 Punkten angenommen hat, hält der Senat nicht für gangbar. Denn damit würde die Beurteilung der Vergabestelle unzulässig durch die Beurteilung der Nachprüfungsinstanzen ersetzt. Es ist vielmehr allein Sache der Vergabestelle, zu prüfen, ob und wie sich die Gesamtbewertung ändert, wenn sich ein Einzelkriterium als nicht tragfähig erweist.

4. Die Bewertung sämtlicher Referenzen des Antragstellers in zwei bzw. drei Prüfungsterminen mit jeweils 120 Punkten vermag für sich genommen keinen Vergaberechtsverstoß zu begründen. Es ist zutreffend, dass aufgrund der nicht angegriffenen Bewertung der technischen Leistungsfähigkeit eine Bewertung mit 120 Punkten für den Antragsteller nicht ausreichte, um für den Wettbewerb zugelassen zu werden. Dies stellt aber keinen Fehler oder eine Unzulänglichkeit des Bewertungssystems dar. Allerdings bieten die Bewertungen mit stets 120 Punkten durchaus Anlass, die Begründungen für die Bepunktungen genau auf Vertretbarkeit und Plausibilität zu überprüfen.

5. Eine korrekte Neubewertung der Referenzen erfordert, dass die Referenzen nicht isoliert, sondern die Bepunktung im Vergleich mit weiteren Referenzen anderer Bewerber diskutiert und bewertet wird, wie dies auch im ersten Durchgang praktiziert wurde. Schließlich war zu hinterfragen, ob die Bepunktung im Vergleich zu den anderen höher bewerteten Referenzen plausibel erscheint.

IV. Der Senat konnte bei keiner der drei Referenzen letztlich eine vergaberechtswidrige Bewertung feststellen.

Es ergaben sich insbesondere keine Hinweise dafür, dass der Antragsgegner bzw. die Gremiumsmitglieder im Verlauf des Verfahrens neue bzw. abweichende Kriterien zugrunde gelegt hätten, insbesondere, dass nunmehr höhere Anforderungen an die Vergabe der höchsten Punktzahl gestellt wurden oder ein anderer Maßstab oder andere Bezugsgrößen herangezogen wurden. Die ausführlichere Begründung der Neubewertung ist den Vorgaben an die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung geschuldet. Sie besagt nicht, dass der Antragsgegner rechtswidrig den Beurteilungsmaßstab einseitig zu Lasten des Antragstellers modifiziert hätte.

1. Zur P. der M.

a) Die Einwände des Antragstellers gegen die Begründung des Kriteriums „Originalität“ erweisen sich als nicht stichhaltig. Die Diagonale ist ausweislich der Dokumentation bei der Neubewertung vom Gremium beachtet worden, allerdings im Hinblick auf das bekannte Konzept des Kunstmuseums Bonn nicht als die große Besonderheit des Gebäudes eingestuft worden, wie auch das Mitglied des Gremiums Prof. Z. in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer bestätigt hat. Der Senat hält dies wie die Vergabekammer für nachvollziehbar. Auch der Antragsteller räumt ein, dass sich das bedeutende städtebauliche Potenzial und die Originalität der Diagonale nur dann erschließen, wenn man den geplanten, aber bis heute nicht umgesetzten zweiten Bauabschnitt des Museumsquartiers betrachtet. Den geplanten (aber nicht realisierten) Bauabschnitt musste weder das Gremium noch die Vergabestelle in die Bewertung einbeziehen, da der Antragsteller auf diesen Gesichtspunkt weder hingewiesen hat, noch eine Einbeziehung von nicht verwirklichen Planungen in die Bewertung vom Bewerber erwartet werden kann.

b) Zur Bewertung des Kriteriums „Innovation“ vermag der Senat der Vergabekammer nicht darin zu folgen, dass der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt worden wäre. Insbesondere war der Antragsgegner nicht gehalten, spezifisches Detailwissen aus seiner Eigenschaft als Bauherr der P. der M. in die Bewertung einfließen zu lassen (vgl. oben). Die Bewertung des Kriteriums anhand des von den Gremiumsmitgliedern erläuterten Verständnisses ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie ist sachbezogen und ist von dem vorgegebenen Rahmen gedeckt.

Zwar wurde die Tageslichtdecke in der Begründung bei dem Kriterium Innovation nicht abgehandelt. Die Lichtführung wurde jedoch bei dem Kriterium gestalterische Qualität berücksichtigt, was der Senat für ausreichend hält. Auch wenn das Gremiumsmitglied Prof. J. vor der Vergabekammer angegeben hat, dass ihm die Tageslichtdecke bekannt war, bedeutet dies weder, dass ihm alle Details der Konstruktion gegenwärtig waren, noch dass dieser Gesichtspunkt völlig übersehen wurde. Fehler oder Versäumnisse sind insoweit nicht ersichtlich.

Auch soweit in der Begründung zur Neubewertung allgemein angeführt ist, dass das Gremium auch in technischer Hinsicht keine innovativen Aspekte sehe, die das Bauwerk aus seiner Zeit heraus als außergewöhnlich innovativ erscheinen lassen, kann nicht festgestellt werden, dass Aufklärungs- oder Nachforschungspflichten verletzt wurden. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass die von ihm genannten technischen Innovationen aus der von ihm vorgelegten Bilddatei erkennbar waren, ebenso wenig, dass diese Aspekte in Fachkreisen allgemein bekannt sind oder als charakteristisch und augenfällig angesehen werden, mithin zum allgemeinen Wissen mit der Materie vertrauter Architekten gehören. Eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums ist damit nicht feststellbar.

c) Die Begründung zu dem Kriterium „gestalterische Qualität“ lässt ebenfalls keine Mängel erkennen. Dem Gebäude wird eine sehr hohe gestalterische Qualität bescheinigt, wobei auch die Raumbildung und die Lichtführung berücksichtigt wurden.

d) Die Vergabekammer hat zu Recht ausgeführt, dass es sich bei dem Kriterium „Übertragbarkeit“ um eine Prognoseentscheidung handelt und dem Antragsgegner ein erheblicher Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist. Die Bewertung der Übertragbarkeit folgt den Begründungen zu den drei vorgenannten Kriterien und ist in sich schlüssig. Auch die abschließende Zusammenfassung unter dem Stichwort „Ergebnis“ und die Bepunktung beruht auf einer Gesamtschau der Bewertung der Kriterien und ist nachvollziehbar.

e) Der Antragsgegner hat des weiteren beachtet, dass keine isolierte Bewertung der Referenz erfolgen durfte, sondern die Bewertung im Vergleich zu den weiteren Referenzen anderer Bewerber vorgenommen werden musste.

Diesen Gesichtspunkt hatte der Antragsteller bei der ersten Prüfung der Referenzen wie sich aus dem Protokoll der Auswahlsitzung vom 21. Oktober 2016 ergibt, auch beachtet. Allerdings konnte dem vorgelegten Protokoll der Neubewertung nicht entnommen werden, dass dem Erfordernis einer vergleichenden Betrachtung nachgekommen worden ist. In der mündlichen Verhandlung hat der Senat dies kritisch hinterfragt und die anwesenden Vertreter des Antragsgegners, insbesondere deren beiden Anwälte angehört. Diese waren, wie sich herausgestellt hat, bei der fraglichen Besprechung anwesend und schilderten das Vorgehen übereinstimmend. Demnach wurden die Referenzobjekte der bereits ausgewählten Bewerber in die Prüfung einbezogen und mit den Referenzen des Antragstellers verglichen. Exemplarisch wurden Bilder der Referenzobjekte an die Wand projiziert und von den Gremiumsmitgliedern erläutert, weswegen diese Referenz gegenüber den Referenzen des Antragstellers mit einer höheren Punktzahl bewertet wurde. Der Senat hat keinen Anlass, die Richtigkeit der Schilderungen der Anwälte in Zweifel zu ziehen. Man mag beanstanden, dass dieser Vorgang nicht schriftlich dokumentiert wurde. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Dokumentation die Nachprüfbarkeit des Verfahrens sicherstellen soll und dass eine Dokumentationslücke nicht ohne weiteres dazu führt, dass ein Verfahren wiederholt wird. Zwar ist bei nachträglichen Erläuterungen im Verfahren zu bedenken, dass diese von prozesstaktischen Gründen (nachträgliche Rechtfertigung eines Ergebnisses) beeinflusst sein können. Wenn jedoch, wie vorliegend, der Senat aufgrund glaubhafter Angaben von Beteiligten die Überzeugung gewinnen kann, dass ein Prüfungsvorgang ordnungsgemäß stattgefunden hat, besteht kein Anlass, eine Wiederholung des Verfahrens anzuordnen. Da zur Überzeugung des Senats bei der Neubewertung dem Erfordernis der vergleichenden Bewertung Rechnung getragen wurde, ist auch insoweit kein Raum für eine Wiederholung der Bewertung.

f) Gewisse Schwierigkeiten bereitete der Vergleich der Plausibilität der Begründungen, da nur die Bewertung der drei Referenzobjekte des Antragstellers vertieft und ausführlich begründet wurde, während die Beurteilung der übrigen Referenzen nur in sehr kurzen, stichpunktartigen Schlagworten zusammengefasst sind. Der Senat hat - auch im Hinblick auf den Einwand des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung, er kenne ja die Objekte der anderen Bewerber nicht - dennoch, soweit möglich, eine summarische Prüfung der (insbesondere mit 150 Punkten bewerteten) Referenzobjekte der in die engere Auswahl gelangten Teilnehmer vorgenommen und dabei keine durchgreifende Anhaltspunkte für eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, eine Abweichung vom Beurteilungsmaßstab oder eine mangelnde Plausibilität der Bewertungen gefunden. Ergänzend ist zu bemerken, dass 16 der 21 vor dem Antragsteller liegenden Bewerber selbst bei einer Herabstufung ihrer Referenz von 150 auf 120 Punkte noch vor dem Antragsteller liegen würden, da sie bei der technischen Leistungsfähigkeit mehr Punkte erzielt haben. Auch musste man nicht zwingend 150 Punkte erhalten, um zum Kreis der ausgewählten Teilnehmer zu gehören. Es fand sich auch kein Anhalt dafür, dass die Referenzen der anderen Teilnehmer „zu gut“ im Verhältnis zu Referenzen des Antragstellers beurteilt wurden, oder umgekehrt die Referenzen des Antragstellers in Relation zu den anderen „zu schlecht“ abgeschnitten hätten.

2. Zum P.-L.-Haus:

a) Der Senat konnte auch hier letztlich keine Verletzung des Beurteilungsspielraumes bei der Bewertung der Originalität feststellen. Die städtebauliche Einordnung des Objektes wurde unter diesem Kriterium geprüft und nachvollziehbar ausgeführt, dass sich die Komposition aus den städtebaulichen Vorgaben entwickelt hat. Auch die geometrischen Grundformen (Kammstruktur) und die raumbildenden Architekturelemente wurden in die Beurteilung einbezogen. Allein der Umstand, dass diese nicht so gewichtet wurden, wie es der Antragsteller für richtig hält, rechtfertigt nicht die Annahme eines Rechtsverstoßes. Insoweit ist nochmals anzumerken, dass dem Antragsgegner bei der Beurteilung der Originalität, ebenso wie bei der Einstufung von bekannten gestalterischen Elementen ein erheblicher Beurteilungsspielraum zukommt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Antragsgegner nicht an den vorgegebenen Rahmen gehalten hat.

b) Die Bewertung und die Ausführungen zur Begründung des Kriteriums Innovation sind ebenfalls in sich schlüssig und nachvollziehbar. Der Vorwurf des Antragstellers, dass die Anknüpfungselemente für die Bewertung nicht hinreichend ermittelt worden sind, vermag der Senat nicht zu teilen. Auch die Vergabekammer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es in erster Linie Sache des Antragstellers gewesen wäre, auf spezifische (nicht allgemein bekannte) technische Besonderheiten wie die Kraft-Wärmekopplung, fugenlose Bewehrungsmethoden, Betoniertechnik und Details beim Brandschutz aufmerksam zu machen. Wie oben ausgeführt bestand keine erweiterte Recherche- und Ermittlungspflicht des Antragsgegners aufgrund der angeordneten Neubewertung.

c) Auch hinsichtlich der Begründung des Kriteriums „gestalterischen Qualität“ sind Mängel nicht erkennbar, zumal die gestalterische Qualität als sehr positiv bewertet wurde.

d) Die Bewertung des Kriteriums „Übertragbarkeit“ und schließlich auch das Gesamtergebnis folgen der in sich schlüssigen Argumentation zu den Kriterien Originalität, Innovation und gestalterische Qualität. Soweit der Antragsteller bemängelt, dass bestimmten Aspekten ein anderer Stellenwert hätte eingeräumt werden müssen, verkennt er, dass weder er noch der Senat die eigene Bewertung anstelle der (vertretbaren) Bewertung des Gremiums bzw. des Antragsgegners setzen kann. Im Übrigen kann hinsichtlich der vergleichenden Betrachtung und der Plausibilitätskontrolle auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

3. Zum …-E.-L. Haus

a) Auch hier sieht der Senat keine Verstöße, die die Annahme einer Überschreitung des Beurteilungsspielraums rechtfertigen. In der Begründung wird hinreichend auf die städtebaulichen und architektonischen Rahmenbedingungen eingegangen und entgegen der Auffassung des Antragstellers auch die Brücke (Spreesprung) mitbehandelt. Auch hier wiederum ist festzustellen, dass der Antragsteller dem sogenannten Spreesprung eine besondere Originalität beimisst, die der Antragsgegner so nicht sieht, aber auch nicht unbedingt sehen muss. Für den Senat ist nachvollziehbar, dass die Verbindung zweier durch einen Fluss getrennter, eine Funktionseinheit bildender Gebäude mittels einer Brücke nicht als eine außergewöhnliche Originalität gewürdigt wird.

b) Die Begründungen zu den weiteren Kriterien Innovation, gestalterische Qualität und Übertragbarkeit sowie die auf Grundlage dieser Einzelbewertung vergebenen Punkte sind ebenfalls in sich schlüssig und nachvollziehbar.

c) Die Begründung hinsichtlich des Kriteriums Innovation war wiederum auf Plausibilität zu überprüfen, da bei insgesamt drei Bewertungen mit nicht deckungsgleichen Begründungen jeweils die gleiche Punktzahl vergeben wurde. Die Vergabekammer hat darauf hingewiesen, dass bei der ersten Prüfung unter dem Kriterium Innovation der Referenz eine „differenzierte und innovative Umsetzung durch verschiedene Gebäudeteile, die in der Fassadengestaltung harmonisieren“ bescheinigt wurde. In der Begründung vom 22.02.2017 heißt es, dass Konstruktionsweise und Materialauswahl keine besonders innovativen Ansätze erkennen lassen und keine herausragende Innovation festgestellt werden kann. Den Vorwurf, dass die erste Bewertung ins Gegenteil verkehrt worden sei, teilt der Senat nicht. Die Kurzbegründung von 20.10.2016 enthält hinsichtlich der Innovation keine Einstufung, sondern es wird insoweit eine differenzierte innovative Umsetzung verschiedener Gebäudeteile bescheinigt. In der vertieften Begründung 22.02.2017 wird dies lediglich ergänzt und erweitert. Soweit ausgeführt ist, dass die bescheinigten Innovationen zumindest nicht als außergewöhnliche und herausragende Innovation zu bewerten sind, kann darin keine unzulässige Abkehr von der ursprünglichen Bewertung erkannt werden, zumal zu berücksichtigen ist, dass am 22.02.2017 eine Neubewertung mit vertiefter Begründung zu erfolgen hatte und daher auch gewisse Abweichungen in der Begründung erklär- und nachvollziehbar sind. Entscheidend ist für den Senat, dass die Abweichungen bei den Begründungen nicht darauf schließen lassen, dass bei der Bewertung am 22.02.2017 nicht sorgfältig und nicht ergebnisoffen vorgegangen wurde.

d) Im Übrigen kann hinsichtlich der vergleichenden Betrachtung und der Plau-sibilitätskontrolle auf die obigen Ausführungen verwiesen werden

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 175 Abs. 2 GWB i.V.m. § 78 GWB. Zwar ist der Antragsteller letztlich im Verfahren unterlegen, weswegen es naheliegend wäre, ihm die vollständigen Kosten des Verfahrens (einschließlich der notwendigen Aufwendungen der Gegenseite) aufzuerlegen. Der Senat hat im Rahmen der Kostenentscheidung jedoch berücksichtigt, dass die Frage der vergleichenden Beurteilung der Referenzen bei der Nachbewertung erst durch die Erläuterungen der Antragsgegnervertreter in der mündlichen Verhandlung hinreichend klar geworden ist. Unter Billigkeitsgesichtspunkten, die im Rahmen der Kostenentscheidung nach §§ 175 Abs. 2, 78, 182 GWB zu berücksichtigen sind, hat dies den Senat zu der tenorierten Kostenquotelung veranlasst. Dies gilt in gleicher Weise für die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer.

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Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 175 Verfahrensvorschriften


(1) Vor dem Beschwerdegericht müssen sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt vertreten l

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 163 Untersuchungsgrundsatz


(1) Die Vergabekammer erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Sie kann sich dabei auf das beschränken, was von den Beteiligten vorgebracht wird oder ihr sonst bekannt sein muss. Zu einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle ist die Vergabekammer ni

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 71 Ausrichtung


(1) Die an einem Planungswettbewerb Interessierten sind vor Wettbewerbsbeginn über die geltenden Durchführungsregeln zu informieren. (2) Die Zulassung von Teilnehmern an einem Planungswettbewerb darf nicht beschränkt werden1.unter Bezugnahme auf

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Oberlandesgericht München Beschluss, 10. Aug. 2017 - Verg 03/17 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Oberlandesgericht München Beschluss, 10. Aug. 2017 - Verg 03/17 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberlandesgericht München Beschluss, 22. Jan. 2016 - Verg 13/15

bei uns veröffentlicht am 22.01.2016

Tenor I. Der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 30. 9.2015, AZ: Z3-3-3194-1-40-06/15 wird aufgehoben. II. Das Ausschreibungsverfahren wird aufgehoben. III. Der Antragsgegnerin wird untersagt, im vorliegenden Vergabeve

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2017 - X ZB 3/17

bei uns veröffentlicht am 04.04.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 3/17 Verkündet am: 4. April 2017 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Vergabenachprüfungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

(1) Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.

(2) Das Gericht lehnt den Antrag nach Absatz 1 Satz 3 ab, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Bei der Abwägung ist das Interesse der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Erfüllung der Aufgaben des Auftraggebers zu berücksichtigen; bei verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen Aufträgen im Sinne des § 104 sind zusätzlich besondere Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen zu berücksichtigen. Die besonderen Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen überwiegen in der Regel, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession im unmittelbaren Zusammenhang steht mit

1.
einer Krise,
2.
einem mandatierten Einsatz der Bundeswehr,
3.
einer einsatzgleichen Verpflichtung der Bundeswehr oder
4.
einer Bündnisverpflichtung.
Das Gericht berücksichtigt bei seiner Entscheidung auch die Erfolgsaussichten der Beschwerde, die allgemeinen Aussichten des Antragstellers im Vergabeverfahren, den öffentlichen Auftrag oder die Konzession zu erhalten, und das Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens.

(3) Hat die Vergabekammer dem Antrag auf Nachprüfung durch Untersagung des Zuschlags stattgegeben, so unterbleibt dieser, solange nicht das Beschwerdegericht die Entscheidung der Vergabekammer nach § 176 oder § 178 aufhebt.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die an einem Planungswettbewerb Interessierten sind vor Wettbewerbsbeginn über die geltenden Durchführungsregeln zu informieren.

(2) Die Zulassung von Teilnehmern an einem Planungswettbewerb darf nicht beschränkt werden

1.
unter Bezugnahme auf das Gebiet eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder einen Teil davon oder
2.
auf nur natürliche oder nur juristische Personen.

(3) Bei einem Planungswettbewerb mit beschränkter Teilnehmerzahl hat der öffentliche Auftraggeber eindeutige und nichtdiskriminierende Auswahlkriterien festzulegen. Die Zahl der Bewerber, die zur Teilnahme aufgefordert werden, muss ausreichen, um den Wettbewerb zu gewährleisten.

(1) Die Vergabekammer erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Sie kann sich dabei auf das beschränken, was von den Beteiligten vorgebracht wird oder ihr sonst bekannt sein muss. Zu einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle ist die Vergabekammer nicht verpflichtet. Sie achtet bei ihrer gesamten Tätigkeit darauf, dass der Ablauf des Vergabeverfahrens nicht unangemessen beeinträchtigt wird.

(2) Die Vergabekammer prüft den Antrag darauf, ob er offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist. Dabei berücksichtigt die Vergabekammer auch einen vorsorglich hinterlegten Schriftsatz (Schutzschrift) des Auftraggebers. Sofern der Antrag nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, übermittelt die Vergabekammer dem Auftraggeber eine Kopie des Antrags und fordert bei ihm die Akten an, die das Vergabeverfahren dokumentieren (Vergabeakten). Der Auftraggeber hat die Vergabeakten der Kammer sofort zur Verfügung zu stellen. Die §§ 57 bis 59 Absatz 1 bis 4, § 59a Absatz 1 bis 3 und § 59b sowie § 61 gelten entsprechend.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Vergabekammer erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Sie kann sich dabei auf das beschränken, was von den Beteiligten vorgebracht wird oder ihr sonst bekannt sein muss. Zu einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle ist die Vergabekammer nicht verpflichtet. Sie achtet bei ihrer gesamten Tätigkeit darauf, dass der Ablauf des Vergabeverfahrens nicht unangemessen beeinträchtigt wird.

(2) Die Vergabekammer prüft den Antrag darauf, ob er offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist. Dabei berücksichtigt die Vergabekammer auch einen vorsorglich hinterlegten Schriftsatz (Schutzschrift) des Auftraggebers. Sofern der Antrag nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, übermittelt die Vergabekammer dem Auftraggeber eine Kopie des Antrags und fordert bei ihm die Akten an, die das Vergabeverfahren dokumentieren (Vergabeakten). Der Auftraggeber hat die Vergabeakten der Kammer sofort zur Verfügung zu stellen. Die §§ 57 bis 59 Absatz 1 bis 4, § 59a Absatz 1 bis 3 und § 59b sowie § 61 gelten entsprechend.

(1) Öffentliche Aufträge, die verschiedene Leistungen wie Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, werden nach den Vorschriften vergeben, denen der Hauptgegenstand des Auftrags zuzuordnen ist. Dasselbe gilt für die Vergabe von Konzessionen, die sowohl Bau- als auch Dienstleistungen zum Gegenstand haben.

(2) Der Hauptgegenstand öffentlicher Aufträge und Konzessionen, die

1.
teilweise aus Dienstleistungen, die den Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des § 130 oder Konzessionen über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des § 153 unterfallen, und teilweise aus anderen Dienstleistungen bestehen oder
2.
teilweise aus Lieferleistungen und teilweise aus Dienstleistungen bestehen,
wird danach bestimmt, welcher geschätzte Wert der jeweiligen Liefer- oder Dienstleistungen am höchsten ist.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Öffentliche Aufträge, die verschiedene Leistungen wie Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, werden nach den Vorschriften vergeben, denen der Hauptgegenstand des Auftrags zuzuordnen ist. Dasselbe gilt für die Vergabe von Konzessionen, die sowohl Bau- als auch Dienstleistungen zum Gegenstand haben.

(2) Der Hauptgegenstand öffentlicher Aufträge und Konzessionen, die

1.
teilweise aus Dienstleistungen, die den Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des § 130 oder Konzessionen über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des § 153 unterfallen, und teilweise aus anderen Dienstleistungen bestehen oder
2.
teilweise aus Lieferleistungen und teilweise aus Dienstleistungen bestehen,
wird danach bestimmt, welcher geschätzte Wert der jeweiligen Liefer- oder Dienstleistungen am höchsten ist.

(1) Die Vergabekammer erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Sie kann sich dabei auf das beschränken, was von den Beteiligten vorgebracht wird oder ihr sonst bekannt sein muss. Zu einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle ist die Vergabekammer nicht verpflichtet. Sie achtet bei ihrer gesamten Tätigkeit darauf, dass der Ablauf des Vergabeverfahrens nicht unangemessen beeinträchtigt wird.

(2) Die Vergabekammer prüft den Antrag darauf, ob er offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist. Dabei berücksichtigt die Vergabekammer auch einen vorsorglich hinterlegten Schriftsatz (Schutzschrift) des Auftraggebers. Sofern der Antrag nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, übermittelt die Vergabekammer dem Auftraggeber eine Kopie des Antrags und fordert bei ihm die Akten an, die das Vergabeverfahren dokumentieren (Vergabeakten). Der Auftraggeber hat die Vergabeakten der Kammer sofort zur Verfügung zu stellen. Die §§ 57 bis 59 Absatz 1 bis 4, § 59a Absatz 1 bis 3 und § 59b sowie § 61 gelten entsprechend.

Tenor

I. Der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 30. 9.2015, AZ: Z3-3-3194-1-40-06/15 wird aufgehoben.

II. Das Ausschreibungsverfahren wird aufgehoben.

III. Der Antragsgegnerin wird untersagt, im vorliegenden Vergabeverfahren einen Zuschlag auf das Los 1 und 2 zu erteilen.

IV. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist.

V. Von den Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 118 GWB trägt die Antragstellerin 1/3 einschließlich der notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen von den Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 118 GWB gesamtschuldnerisch 2/3. Von den notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene je 1/3; im Übrigen tragen die Verfahrensbeteiligten ihre Aufwendungen selbst. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin, die Antragsgegnerin und die Beigeladene war notwendig.

Gründe

A.

Die Gemeinden B. F. F.M. S. und die Stadt B. G. R. (Antragsgegnerin, im folgenden die Antragsgegnerinnen) schlossen am 05.11.2013/11.11.2013/18.11.2013 eine Zweckvereinbarung über die gemeinsame Ausschreibung je einer Drehleiter DLA (K) 23/12.

Die Antragsgegnerinnen teilten in der Folge mit, im Rahmen einer Sammelbeschaffung drei Drehleitern DLA (K) 23/12 für ihre Freiwilligen Feuerwehren beschaffen zu wollen. Die Beschaffung sollte hierbei in drei Losen (Los 1: 3 Fahrgestelle, Los 2: 3 Drehleiteraufbauten, Los 3: feuerwehrtechnische Beladungen) erfolgen und die Aufträge im Wege eines offenen Verfahrens nach den Vorgaben der VOL/A vergeben werden. Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgte im Rahmen einer EU-weiten Bekanntmachung unter der Nummer 2014/S. 139-249182 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften am 23.07.2014. Nebenangebote wurden nicht zugelassen. Als Schlusstermin für die Abgabe der Angebote wurde der 16.09.2014, 14.00 Uhr festgelegt.

Gemäß Punkt IV.2.1) der Bekanntmachung soll der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Kriterien, die in den Ausschreibungsunterlagen bzw. der Aufforderung zur Angebotsabgabe aufgeführt sind, erteilt werden. In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes wird unter Punkt 16 ausgeführt, dass das wirtschaftlich günstigste Angebot aufgrund der Kriterien (Preis 50%, Einsatzfunktionalität 20%, Erfüllung technischer Spezifikationen 15%, Qualität 10%, Service 5%) bestimmt wird.

In den Vergabeunterlagen befand sich eine entsprechende Bewertungsmatrix mit Erläuterungen. Darin war unter Anderem geregelt:

Bewertung Erfüllung technischer Spezifikationen:

Erfüllungsgrad techn. Spezifikationen: prozentualer Anteil der in der Leistungsbeschreibung geforderten techn. Spezifikationen (Wertungskriterien) x 9 Punkte (Angabe mit zwei Stellen nach dem Komma; jedes Wertungskriterium wird einfach gewertet)

Energieeffizienz: Der Anbieter mit dem niedrigsten Treibstoffverbrauch erhält die Maximalpunktzahl von 1 Punkt; für je 10 g Treibstoffmehrverbrauch erfolgt ein Abzug von 0,1 Punkten Bewertung Service Nähe des Kundendienstzentrums: der Anbieter mit der (gemeint war offenbar geringsten) Entfernung erhält die Maximalpunktzahl von 10 Punkten, für je 5 km größerer Entfernung erfolgt ein Abzug von 1 Punkt. Reaktionszeiten: der Anbieter mit der durchschnittlich kürzesten Reaktionszeit erhält die Maximalpunktzahl von 10 Punkten, für je 4 h längerer Reaktionszeit erfolgt ein Abzug von 1 Punkt.

Mobiler Kundendienst: ein vorhandener mobiler Kundendienst führt zu einer Maximalpunktzahl von 10 Punkten, kein vorhandener mobiler Kundendienst wird mit 0 Punkte bewertet.

Die Leistungsbeschreibung enthielt zahlreiche technische Anforderungen mit Ja/Nein-Abfragen und folgende Überschrift:

Alle vorhandenen Felder müssen ausgefüllt sein. Bei der Spalte „erfüllt“ ist „Ja“ oder „Nein“ anzukreuzen. Ein leeres Preisfeld, ein Strich, ein fehlender Verweis, eine fehlende geforderte Eintragung oder fehlendes Leistungsmerkmal führen zwingend zum Ausschluss des abgegebenen Angebots. Alternativ angebotene Positionen sind in der vorgesehenen Spalte einzutragen, bzw. mit einem Vermerk zu versehen. Der Betrag fließt nicht in die Gesamtrechnung ein. Beiden Spalten „Einzelpreis„bzw. „Gesamtpreis“ muss ein Preis in € oder die Angabe „Serie“ eingefügt werden.

Unter Ziffer 11.25 der Leistungsbeschreibung zu Los 1 fand sich folgende Anforderung:

Mittelsitz mit 3-Punkt-Sicherheitsgurt

Unter Ziffer 11.25 der Leistungsbeschreibung zu Los 1 fand sich folgende Anforderung:

Fahrerairbag Unter Ziffer 6.26 der Leistungsbeschreibung zu Los 2 fand sich folgende Anforderung:

Kranöse am 4. Leiterteil für kleinen Kranbetrieb (ca. 1.400 kg)

Unter Ziffer 17 der Ergänzenden Vertragsbedingungen (EVB) für Lieferungen und Dienstleistungen der Gemeinden B. F. B. G und E. am S. ist Folgendes geregelt:

Aus den vorgelegten Angebotsunterlagen muss eindeutig erkennbar sein, dass die in dem Angebot dargestellten Anforderungen erfüllt werden. Es müssen Angaben über die Konstruktion und die dafür vorgesehenen Werkstoffe sowie über die Fertigungsmethoden ausführlich dargestellt werden. Alternative Werkstoffe, Konstruktionen, Fertigungsmethoden oder Beladungen können selbstverständlich angeboten werden, aber hierbei sind deren Gleichwertigkeit oder Vorteile gegenüber den genannten Forderungen des Angebotes ausführlich zu begründen. Den notwendigen Nachweis der Gleichwertigkeit hat der Bieter zu führen.

Werden dadurch Minder- oder Mehrkosten verursacht, sind diese separat auszuweisen. Unvollständige Angebotsunterlagen können nicht berücksichtigt werden.

Neun Bieter forderten die Ausschreibungsunterlagen an, von denen drei ein Angebot für das Los 1 und zwei Bieter ein Angebot für das Los 2 abgaben. Die Antragstellerin und die Beigeladene gaben Angebote für die Lose 1 und 2 ab. Mit Schreiben vom 28.11.2014 teilten die Antragsgegnerinnen der Antragstellerin gem. § 101 a GWB mit, dass ihr Angebot für das Los 1 und 2 nicht berücksichtigt werden könne, da ein wirtschaftlicheres Angebot vorliege. Unter Berücksichtigung der zuvor bekannt gemachten Bewertungsmatrix seien insbesondere die Kriterien Einsatzfunktionalität, Erfüllung technischer Spezifikationen und Qualität maßgebend gewesen. Darüber hinaus wurde mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Auftrag frühestens in 10 Tagen an die Beigeladene zu erteilen.

Nachdem durch die Antragsgegnerinnen keine Reaktion auf die von der Antragstellerin mit Schreiben vom 02.12.2014 und 4.12.2014 vorgebrachten Rügen erfolgt war, beantragte die Antragstellerin am 05.12.2014 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens, das bei der Vergabekammer Südbayern unter den Aktenzeichen Z3-3-3194-1-52-12/14, Z3-3-31941-53-12/14 sowie Z3-3-3194-1-54-12/14 geführt wurde.

In der mündlichen Verhandlung der Vergabekammer Südbayern vom 27.01.2015 wies der Vorsitzende die Beteiligten darauf hin, dass die Angebotswertung schon deshalb zwingend zu wiederholen sei, da die Antragsgegnerinnen von den zuvor bekannt gemachten Bewertungskriterien abgewichen seien, nicht bekanntgemachte Unterkriterien verwendet hätten und darüber hinaus die Wertung in Teilen nicht nachvollziehbar sei.

Den Antragsgegnerinnen wurde aufgegeben, bis zum 10.02.2015 mitzuteilen, ob sie durch Abhilfe - etwa durch Neuwertung oder Rückversetzung vor Versand der Vergabeunterlagen - eine Erledigung des Nachprüfungsverfahrens herbeiführen könnten. Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene erklärten, dass ihrem rechtlichen Begehr mit einer Neuwertung auf Basis der bekanntgegebenen Wertungskriterien Genüge getan sei.

Nachdem sich die Beteiligten mit der Vorgehensweise einverstanden erklärt hatten, stellte die Vergabekammer Südbayern jeweils mit Beschluss vom 24.02.2015 die Nachprüfungsverfahren ein.

Die Antragsgegnerinnen führten in der Folge eine Neuwertung der Angebote durch und teilten der Antragstellerin betreffend des Loses 1 und 2 in einer Mitteilung nach § 101 a GWB vom 09.06.2015 mit, dass am 05.05.2015 eine gemeinsame Sitzung der Bewertungskommission stattgefunden habe und die zuständigen Beschlussgremien beschlossen hätten, dem Ergebnis der Bewertungskommission zuzustimmen und sich dieses im Ergebnis zu eigen zu machen. Als Anlage wurde das Ergebnis der Bewertungskommission für das Los 1 und 2 beigelegt, aus dem ersichtlich war, dass weiterhin die Beigeladene den Zuschlag für beide Lose erhalten solle.

Die Antragstellerin rügte per Mail vom 12.06.2015 die durchgeführte Wertung.

Die Antragsgegnerinnen halfen mit Schreiben vom 15.06.2015 der Rüge nicht ab.

Die Antragstellerin erhob daraufhin mit Schriftsatz vom 16.6.2015 erneut einen Nachprüfungsantrag, mit dem sie eine Wiederholung der Wertung der Angebote und hilfsweise eine weitere Zurückversetzung des Vergabeverfahrens begehrte.

Zur Begründung trug die Antragstellerin vor: Die Beigeladene hätte hinsichtlich des Loses 1 zwingend ausgeschlossen werden müssen, da sie hinsichtlich der Reaktionszeit keine Angaben in Stunden gemacht habe. Die Beigeladene hätte die Reaktionszeit in Stunden angeben müssen. Dies ergebe sich aus den Bewertungsunterlagen, wonach der Anbieter mit der durchschnittlich kürzesten Reaktionszeit die Maximalpunktzahl von 10 Punkten erhalte und für je 4 h längerer Reaktionszeit ein Abzug von einem Punkt erfolge.

Die Bewertung der Antragsgegnerinnen betreffend die Lose 1 und 2 sei nicht nachvollziehbar und es seien erkennbar ergebnisorientiert zu Gunsten der Beigeladenen höhere Punktzahlen vergeben worden.

Im Einzelnen rügt die Antragstellerin hinsichtlich Los 1 folgende Bewertungen:

– Fahrverhalten: die Bewertung (Antragstellern 6 Punkte; Beigeladene 10 Punkte.) sei nicht gerechtfertigt, da das angebotene Fahrzeug der Antragstellerin sowohl mit ASR und ESP und das von der Beigeladene angebotene Fahrzeug nur mit ESP ausgestattet sein. Das ESP sei gerade Garant für Fahrstabilität und eine sichere Kurvendynamik.

– Anordnung Fahrbedienelemente: die Bewertung (Antragstellerin 5 Punkte; Beigeladene 9 Punkte) sei nicht gerechtfertigt, da auch bei dem Fahrzeug der Antragstellerin alle Schalter ergonomisch und übersichtlich im Armaturenbrett untergebracht seien.

– Ergonometrie Fahrerhaus: die Bewertung (Antragstellerin 4 Punkte; Beigeladene 9 Punkte) sei nicht nachvollziehbar, da bei dem von der Antragstellerin angebotenen Fahrzeug der Abstand von der Sitzflache bis zur Fahrerhausdecke größer als bei dem von der Beigeladenen angebotenen Fahrzeug sei. Da die Unterbringung von persönlicher Schutzausrüstung im Fahrerhaus in der Ausschreibung nicht explizit gefordert worden sei, dürfe sie auch nicht gewertet werden.

– Wartungsfreundlichkeit: es sei nicht gerechtfertigt, dass die Beigeladene die gleiche Punktzahl wie die Antragsgegnerin erhalten habe.

– Materialauswahl: aus dem Leistungsverzeichnis gehe nicht hervor, welche Stoffe verwendet werden sollen, um die Qualität der Innenraumgestaltung zu steigern. Die Antragstellerin verwende ebenfalls hochwertige Stoffe, so dass die Bewertungsunterschiede (Antragstellerin 5 Punkte; Beigeladene 10 Punkte) zwischen den beiden Fahrzeugen nicht nachvollziehbar seien. In Bezug auf die Materialauswahl gebe es bei der Beigeladenen und der Antragstellerin keine Unterschiede. Wenn doch, dann seien diese durch die Antragsgegnerinnen zu benennen. Ein persönliches Empfinden sei irrelevant. Entscheidend sei allein die Beurteilung im Hinblick auf die Einsatz- und Funktionstauglichkeit.

– Hinsichtlich der weiteren Kriterien - mit Ausnahme nächstgelegene Servicestelle und mobiler Kundendienst - habe die Antragstellerin zu Unrecht deutlich weniger Punkte bekommen, obwohl ihr Fahrzeug die Anforderungen ebenso wie das von der Beigeladenen angebotene Fahrzeug erfülle.

Obgleich das von der Antragstellerin angebotene Fahrzeug ebenso wie das von der Beigeladenen angebotene Fahrzeug alle Anforderungen erfüllt habe, habe mit Ausnahmen der Leistungsdaten, Steuerung, Podium, Funktionssicherheit das Fahrzeug der Antragstellerin hinsichtlich Los 2 zu Unrecht deutlich weniger Punkte bekommen. Insbesondere werde gerügt:

– Abstützung (Antragstellerin 6 Punkte; Beigeladene 10 Punkte): das von der Antragstellerin angebotene Fahrzeuge könne Hindernisse umfahren, was mit der Abstützung des Konkurrenz-Fahrzeuges nicht möglich sei. Die Abstützung liege flach am Boden und könne somit problemlos vom Feuerwehrmann überstiegen werden, was zur Zeitersparnis im Einsatz führe. Da bei der Abstützung alle Räder des von der Antragstellerin angebotenen Fahrzeuges auf dem Boden verblieben, werde für eine zusätzliche Standsicherheit der Drehleiter gesorgt.

– Leiterpark (Antragstellerin 5 Punkte; Beigeladene 10 Punkte): die Bewertung könne nicht nachvollzogen werden, da der Leiterpark mit -17° Unterflur und das von der Beigeladenen angebotene Fahrzeug nur bis zu einem Bereich von -15° arbeite. Die 5-teilige Leiter der Beigeladenen sei nicht kürzer als die 4-teilige Leiter der Antragstellerin. Eine Kranöse befinde sich bei der Antragstellerin im 3. Leiterteil und es könne auch der Rettungskorb für eine Leiterbrücke an der Leiter eingehängt bleiben.

– Rettungskorb (Antragstellerin 7 Punkte. Beigeladene 10 Punkte): die Antragstellerin habe wie im Leistungsverzeichnis gefordert einen 400 kg Rettungskorb angeboten, es sei nicht ersichtlich, wieso das Fahrzeug der Konkurrenz mehr Punkte erhalten habe. Beim Rettungskorb habe die Antragstellerin eine Nutzlast von 400 kg bestätigt, obwohl dieser tatsächlich eine höhere Last von 460 kg habe.

– Hauptbedienstand (Antragstellerin 5 Punkte; Beigeladene 10 Punkte): die Antragstellerin habe die neueste Technik angeboten. Bezüglich des Hauptbedienstandes werde gefordert, dass dieser absturzsicher und wetterbeständig sei. Dies sei zu 100% erfüllt. Eine notwendige Überdachung habe nichts mit der Wetterbeständigkeit zu tun und es werde auch im LV nicht gefordert, dass der Maschinist einen Wetterschutz haben müsse. Auch sei der Sitz der Antragstellerin der größte bzw. breiteste Sitz auf dem Markt, der serienmäßig mitschwenkbar sei und sich auch mitneige.

– Nähe des Kundendienstzentrums (Antragstellerin 0 Punkte; Beigeladene 10 Punkte): der Antragstellerin sei es nicht bekannt, dass die Beigeladene eine Werkstatt für Aufbau und Drehleiterpark im Umkreis von 23 km von den drei betroffenen Gemeinden habe. Gefragt worden sei nach dem Kundendienstzentrum, dass sich bei der Beigeladenen in Karlsruhe und bei der Antragstellerin in Ulm befinde. Die Auftraggeberinnen vermischten hier Service- und Kundendienst. Nur im Los 1 werde auf die nächstgelegene Servicestelle abgestellt. Beim Los 2 sei die Nähe des Kundendienstzentrums maßgeblich.

– Es sei zu beanstanden, dass nicht mitgeteilt worden sei, dass die Bewertung auf Grundlage der vorangegangenen Besichtigungen aller drei Fahrgestelle und von 15 Maschinisten der drei Feuerwehren durchgeführten ausgiebigen Probefahrten erfolgt seien. Von einer Vorbewertung durch 15 Maschinisten der drei Feuerwehren, die dann Grundlage für die eigentliche Bewertung der Bewertungskommission seien, sei im Leistungsverzeichnis nicht die Rede. Weiter mangle es auch an der notwendigen Begründung.

Die Antragsgegnerinnen und die Beigeladene haben beantragt, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerinnen haben zur Begründung vorgetragen:

Ein Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen sei weder geboten, noch wäre ein Ausschluss gerechtfertigt, da diese die Reaktionszeit nicht mit Stunden, sondern mit „sofort“ angegeben habe. Das Angebot sei insoweit nicht unvollständig, da die Reaktionszeit „sofort“ eine unmittelbare unverzügliche Reaktion auf eingegangene Störungsmeldungen bedeute. Eine Reaktionszeit sei die Zeit, innerhalb derer auf eine Meldung/Anforderung des Kunden reagiert werde. Sofort bedeute, dass unmittelbar, nicht erst nach einer oder mehreren Stunden eine Reaktion erfolge.

Die Vergabe der Punkte bei Los 1 sei gerechtfertigt:

– Fahrverhalten: Beim Fahrverhalten seien Fahrverhalten, kurvendynamisches Verhalten, Bremsverhalten und Geländetauglichkeit bewertet worden. ESP sei ein System gegen Untersteuern und Übersteuern. Es korrigiere Fahrfehler, die zum Schleudern in Kurven fahren. Dies sei im Hinblick auf Fahrstabilität und kurvendynamisches Verhalten für die Antragsgegner nicht relevant gewesen. Den Ausschlag habe gegeben, dass das Fahrgestell der Beigeladenen eine straffe Federung aufweise und dadurch beim Geradeauslauf wankstabil sei. Das von der Antragstellerin angebotene Fahrgestell vermittelte demgegenüber ein eher schwammiges kurvendynamisches Verhalten. Dass das Fahrzeug der Antragstellerin noch über ESP verfüge, habe auf das Empfinden der Mitglieder der Bewertungskommission keinen Einfluss gehabt.

– Fahrerbedienelemente: Die Mitglieder der Bewertungskommission hätten die Schalteranordnung bei der Beigeladenen übersichtlicher empfunden. Als sehr positiv sei es jedoch von den Mitgliedern der Bewertungskommission empfunden worden, dass bei der Beigeladenen die Symbolik selbsterklärend sei. Beim Fahrzeug der Antragstellerin sei festgestellt worden, dass die Symbolik weniger selbsterklärend sei und es hinsichtlich Schalteranordnung und Symbolik deshalb geringe Defizite gegenüber dem der Konkurrenz aufweise. Negativ sei bewertet worden, dass bei dem Fahrzeug der Antragstellerin die wenigste Bein-und Fußfreiheit vorliege.

– Bedienung Getriebe und des Verteilergetriebe: Es bleibe festzustellen, dass die Bedienung beim Fahrzeug der Beigeladenen für ungeübte Fahrer logischer als beim Fahrzeug der Antragstellerin sei. Da immer wieder ungeübte Fahrer zum Einsatz kämen, sei dies für die Bewertungskommission von ausschlaggebender Bedeutung gewesen.

– Ergonometrie Fahrerhaus: Der Abstand der Sitzfläche bis zur Fahrerhausdecke sei nicht als positiv erachtet worden. Wichtig sei vielmehr gewesen, dass das Mercedes-Fahrzeug eine um einiges geräumigere Kabine aufweise als das Fahrzeug der Antragstellerin, was vor allem wegen der mitzuführenden Schutzausrüstungsgegenstände wichtig sei. Nicht unwesentlich sei auch gewesen, dass der Einstieg, der bei der Antragstellerin durch das Lenkrad beengt sei, beim Daimler-Fahrzeug komfortabler für korpulente Fahrer sei. Auch sei bei der Antragstellerin der Einstieg deutlich höher und damit unkomfortabler und die Kabine des Mercedes übersichtlicher.

– Wartungsfreundlichkeit: Bezüglich der Wartungsfreundlichkeit seien bei allen drei getesteten Fahrgestellen kaum Unterschiede festgestellt worden. Da kleinere Defizite vorgelegen hätten, sei jeweils nicht die volle Punktzahl vergeben worden.

– Materialauswahl: Das angebotene Fahrzeug der Beigeladenen habe die bessere Bepunktung erhalten, da bei diesem hochwertigere Materialien verwendet werden würden.

Die vorgenommene Wertung beim Los 2 sei ebenfalls nicht vergaberechtswidrig erfolgt:

– Abstützung: Die Waagrecht-Senkrecht-Abstützung der von der Beigeladenen angebotenen Leiter sei gegenüber der des Fahrzeugs der Antragstellerin in zweierlei Hinsicht als vorteilhaft empfunden worden: So könnten Hindernisse „überfahren“ werden. Des Weiteren könne durch einseitiges Anheben des Fahrgestells der Unterflurbereich erweitert werden.

– Leiterpark: Zwar sei es richtig, dass der Leiterpark der Antragstellerin mit -17 0 unter Flur ohne Anheben bzw. Schrägstellen des Fahrzeugs arbeite und der Leiterpark der Beigeladenen nur - 15° ermögliche. Dies sei für die Mitglieder des Bewertungsgremiums nicht so relevant gewesen als dass dadurch die Punktevergabe positiv beeinflusst worden wäre. Positiv gesehen worden sei hingegen, dass die 5-teilige Leiter der Konkurrenz insgesamt kürzer sei und dadurch beim Schwenken in horizontaler Lage wesentlich weniger Platz brauche als die Leiter der Antragstellerin. Auch könne die Antragstellerin keine Kranöse am 4. Leiterteil liefern, wodurch ein „Kleiner Kranbetrieb“ nicht möglich sei. Auch die Durchstiegsbreite des letzten Leiterteils sei bei der Beigeladenen etwas breiter und somit leichter mit Schutzkleidung zu durchsteigen. Beim Einsatz der Leiterbrücke müsse bei der Antragstellerin im Gegensatz zur Beigeladenen der Korb am Leiterpark abgenommen werden.

– Rettungskorb: Der Rettungskorb der Beigeladenen weise eine um 50 kg höhere Nutzlast im Korb auf, was im Hinblick auf die Personenrettung einen deutlichen Vorteil biete.

– Hauptbedienstand: Als wesentlicher Nachteil bei der Antragstellerin sei gewertet worden, dass am Hauptbedienstand für den Maschinisten kein ausreichender Wetterschutz dargestellt werden könne. Hier stehe nur eine Abdeckhaube zur Verfügung. Die Beizuladende biete einen großen Wetterschutz und der Sitz des Hauptbedienstandes sei breiter und neige sich zudem mit, was einen größeren Komfort darstelle. Die Technik allein könne keine Vorteile gegenüber der Beigeladenen bieten, da diese auch von der Beigeladenen angeboten werde.

– Nähe des Kundendienstzentrums.' Auch sei das Kundendienstzentrum korrekt bepunktet worden. Bei der Antragstellerin liege die nächste Servicestelle im Durchschnitt 308 km entfernt. Bei der Beigeladenen betrage die Entfernung 23 km.

Die Beigeladene hat zur Begründung vorgetragen:

Die Antragstellerin sei bezogen auf das Los 2 nicht antragsbefugt, da ihr Angebot diesbezüglich gem. § 19 EG Abs. 3 d VOL/A zwingend auszuschließen sei. Der Leiterparkt der Antragstellerin erfülle die Anforderungen der LV-Position 6.26 „Kranöse am 4. Leiterteil für kleinen Kranbetrieb (ca. 1.400 kg)“ nicht. Da die Antragstellerin diese Forderung vor Angebotsabgabe nicht gerügt habe, könne sie nicht damit gehört werden, dass ihr Leiterpark der aus einem vierteiligen Leitersatz bestehe, durch den Verbau einer „Lastöse“ im 3. Leiterteil einen gleichwertigen Kranbetrieb gewährleiste. Ein Angebot, das die zwingenden Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht erfülle, stelle eine Änderung an den Vertragsunterlagen im Sinne des § 19 EG Abs. 3 VOL/A dar. Die Antragsgegnerinnen seien verpflichtet, das Angebot der Antragstellerin für das Los 2 auszuschließen.

Die Besetzung der Wertungskommission habe die Antragstellerin trotz Kenntnis vor Einleitung des Vergabeverfahrens ebenso wenig gerügt, wie die Art und Weise der Kenntnisverschaffung von den Fahrzeugeigenschaften durch Vorführungen und Probefahrten. Beides sei der Antragstellerin aufgrund des Protokolls vom 05.05.2015 bekannt gewesen. Sie sei daher mit diesen Beanstandungen im Nachprüfungsverfahren präkludiert.

Gleiches gelte für die Rüge, dass bei der Wertung der Ergonomie des Fahrerhauses die Unterbringung der persönlichen Schutzausrüstung nicht hätte gewertet werden dürfen, weil das Leistungsverzeichnis hierzu nichts aussage und auch der Wetterschutz des Hauptsteuerplatzes keine Vorgabe des Leistungsverzeichnisses sei.

Präkludiert sei die Antragstellerin auch mit der Rüge, dass die Wertung nicht hinreichend dokumentiert sei. Der Umfang der Dokumentation ergebe sich aus dem Protokoll vom 05.05.2015. Neue Erkenntnisse habe die Antragstellerin aus dem Vergabenachprüfungsverfahren nicht hinzugewinnen können. Beanstandungen hinsichtlich der Transparenz des Unterkriteriums „Materialauswahl“ beim Los 1 seien verspätet und hätten bis zum Ablauf der Angebotsfrist gerügt werden müssen.

Der Nachprüfungsantrag sei aber auch unbegründet. Die Wertung der Angebote sei zwar nicht frei von Rechtsfehlern. Diese wirkten sich jedoch nicht zu Gunsten der Antragstellerin aus.

Ein Ausschluss des eigenen Angebotes komme nicht in Frage, da in der Ausschreibung nur die Angabe von Reaktionszeiten gefordert werde. Wie diese Angabe zu tätigen sei, werde nicht vorgegeben. Ebenso wenig sei der Begriff Reaktionszeit definiert. Ein Ausschluss aufgrund unklarer und unpräziser Angaben sei aber mit dem Transparenzgrundsatz nicht vereinbar. Liege ein Ausschlussgrund nicht vor, habe eine Wertung des Angebotes auch bezogen auf das Wertungskriterium stattzufinden. Die Beigeladene habe mithin einen Anspruch, dass ihr Angebot bei beiden Losen ausgelegt werde. Die Auslegung ergebe, dass mit dem Adverb „sofort“ eine Reaktionszeit von weniger als einer Stunde gemeint sei. Demnach sei die Wertung mit null Punkten unzutreffend. Da man dies gegenüber den Antragsgegnerinnen gerügt habe, gehe man davon aus, dass eine Korrektur vorgenommen werde.

Da die Antragsgegnerinnen die bekannt gemachten Wertungskriterien und Unterkriterien angewandt und keine weiteren Unterkriterien eingeführt hätten, beschränke sich die Überprüfung der Wertungsentscheidung darauf, ob ein unzutreffender Sachverhalt bewertet worden sei und ob keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen seien.

Hinsichtlich des Loses 1 werde im einzelnen angemerkt:

– Fahrverhalten: Die Fahrstabilität ESP wirke sich nur in Grenzbereichen auf die Fahrsicherheit positiv aus und lasse sich bei Probefahrten nicht simulieren. Die Antragsgegner hätten bei der Einsatzfunktionalität nicht auf die Fahrsicherheit im Grenzbereich abgestellt, sondern auf die Fahrstabilität und das kurvendynamische Verhalten im täglichen Einsatz. Die Beurteilung der Federung und der Wagenstabilität beruhe auf den durchgeführten Fahrten mit den jeweiligen Fahrzeugen.

– Anordnung Fahrbedienelemente: Die Einschätzung des Gremiums, dass bei dem Fahrgestell der Beigeladenen Symbolik und Schalteranordnung am besten sei, sei nicht zu beanstanden. Es gehe bei der Beurteilung nicht um Maß und Zahl, sondern um das intuitive Zurechtfinden. Die Wertung der Bedienung der Pedale mit Einsatzstiefeln sei nicht zu beanstanden. Unterschiede bezogen auf die Schwergängigkeit und die Abstände zwischen den Pedalen, die wichtig für die Vermeidung von Fehlbedienungen seien, müssten auch bewertet werden.

– Bedienung des Getriebes und Verteilergetriebe: Dass bei der Bedienung des Getriebes auch berücksichtigt werde, dass das Fahrzeug von ungeübten Fahrern bedient werde, hätte nach Zugang des Protokolls vom 05.05.2015 gerügt werden müssen. Das Kriterium sei aber auch nicht fehlerhaft, da es auf der Hand liege, dass positiv bewertet werde, wenn sich ungeübte Fahrer gut zu Recht fänden.

– Ergonomie Fahrerhaus: Auch die Bewertung dieses Unterkriteriums sei nicht fehlerhaft. Dass persönliche Schutzausrüstungen mit ins Fahrerhaus genommen würden und griffbereit untergebracht werden müssten, sei selbstverständlich und nicht sachfremd. Auch werde darauf hingewiesen, dass sich die Leichtigkeit des Ein-und Ausstiegs des Fahrers nicht nach dem Abstand vom Lenkrad zur Rücklehne beurteile. Es gehe darum, wie der Fahrer ins Fahrerhaus gelange, bevor er sitze. Hier sei der vorhandene Platz bei der Antragstellerin ungünstiger gestaltet.

– Materialwahl: Die Rüge der Intransparenz des Unterkriteriums sei verspätet und es sei festzustellen, dass bei der Antragstellerin im Innenraum noch immer viel Hartplastik verarbeitet sei. Auch seien Knister- und Klappergeräusche beim Befahren von schlechten Verkehrswegen zu hören.

Die Vergabekammer wies mit Beschluss vom 16.9.2015 den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurück.

Die Vergabekammer führte zur Begründung aus: der Antrag sei nicht begründet, da die Angebote der Antragstellerin in beiden Losen zwingend von der Wertung auszuschließen seien, während die Angebote der Beigeladenen in der Bewertung verbleiben könnten.

Das Angebot der Antragstellerin in Los 1 sei gemäß § 19 EG Abs. 3 d VOL/A zwingend von der Wertung auszuschließen, weil es zumindest in der Position 11.25 Fahrerairbag ein gefordertes Leistungsmerkmal nicht erfülle und auch keinen Nachweis der Gleichwertigkeit erbringen könne. Zudem habe die Antragstellerin im Los 1 weitere Anforderungen der Leistungsbeschreibung mit „Nein“ angekreuzt und dem Angebot keinen Nachweis der Gleichwertigkeit beigefügt. Dies führe - falls der Nachweis der Gleichwertigkeit insoweit überhaupt zu erbringen wäre - jedenfalls zu einem Ausschluss wegen fehlender Erklärungen gem. § 19 EG Abs. 3 a) VOL/A. Gleiches gelte für Los 2, wo das Angebot der Antragstellerin keine Lastöse am 4. Leiterteil biete, wie in der Position 6.26 gefordert. Da sie zu keinem Zeitpunkt im Verfahren einen Nachweis der Gleichwertigkeit erbracht habe, sei ihr Angebot jedenfalls nach § 19 EG Abs. 3 a) VOL/A wegen einer fehlenden Erklärung zwingend auszuschließen, ohne dass es darauf ankomme, ob sie den Nachweis der Gleichwertigkeit erbringen hätte können.

Das Angebot der Antragstellerin könne auch nicht deshalb in der Wertung verbleiben, weil das Wertungssystem der Antragsgegnerinnen in Bezug auf Abweichungen von der Leistungsbeschreibung in sich widersprüchlich sei. Nach der Vorbemerkung zur Leistungsbeschreibung sollten fehlende Leistungsmerkmale zwingend zum Ausschluss des abgegebenen Angebots führen. Daran ändere weder das Verhalten der Antragsgegnerinnen noch die Existenz des Zuschlagskriteriums „Erfüllungsgrad technischer Spezifikationen“ etwas. Die Antragsgegnerinnen hätten allerdings unter Nichtbeachtung ihrer eigenen EVB von der Leistungsbeschreibung abweichende Angebote unabhängig vom Nachweis der Gleichwertigkeit in der Wertung belassen und sie lediglich im Zuschlagskriterium „Erfüllungsgrad technischer Spezifikationen“ abgewertet. Nur bei diesem Verständnis der Vergabeunterlagen sei auch das Zuschlagskriterium „Erfüllungsgrad technischer Spezifikationen“ sinnvoll. Dieses gelebte Verständnis der Vergabeunterlagen sei aber mit dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung und der EVB nicht vereinbar.

Dass in der Position 6.26 wohl die vergaberechtswidrige verdeckte produktspezifische Ausschreibung eines Alleinstellungsmerkmals der Leiter der Beigeladenen liege, ändere daran nichts, weil die insoweit sachkundige Antragstellerin dies nicht vor Angebotsabgabe gerügt habe. Auch dies stelle die Antragstellerin nicht davon frei, den Antragsgegnerinnen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, mit denen sie die Gleichwertigkeit ihres Angebots überprüfen können.

Die Angebote der Beigeladenen in beiden Losen könnten nicht wegen einer inhaltlich unzureichenden Erklärung gem. § 19 EG Abs. 3 a) VOL/A ausgeschlossen werden, weil die Beigeladene beim Zuschlagskriterium Reaktionszeit „sofort' eingetragen habe und keine Angabe in einer bestimmten Zeiteinheit (Stunden, Minuten, Tage) gemacht habe. Die unbestimmte Zeitangabe „sofort“ sei im vorliegenden Fall einer Auslegung zugänglich, so dass eine Wertung der Reaktionszeiten durch die Antragsgegnerinnen möglich gewesen sei. Mit dem Adverb „sofort“ sei nach dem üblichen Sprachgebrauch eine Reaktionszeit von weniger als einer Stunde gemeint. Dass die Beigeladene die nicht näher spezifizierte Angabe der Reaktionszeit als Zeit bis ihre telefonische Hotline reagiere interpretiert habe und nicht wie die Antragstellerin als den Zeitraum, bis der Servicetechniker bei den Antragsgegnerinnen eintreffe, könne nicht zu ihren Lasten gehen, weil ihre Interpretation der Vorgabe vertretbar gewesen sei. Dass damit auch die von den Antragsgegnerinnen vorgenommene Wertung mit null Punkten unzutreffend sei, spiele keine Rolle mehr, da das Angebot der Beigeladenen zumindest in Los 2 als einziges Angebot im Verfahren verbleibe.

Die Beigeladene habe in ihrem Angebot zu Los 2 auch keine inhaltlich unzutreffenden Angaben in Bezug auf das dort geforderte Kundendienstzentrum gemacht. Die dort gemachten Kilometerangaben bezögen sich auf eine Firma, die als Servicepartner der Beigeladenen regelmäßig wiederkehrende Servicebzw. Kundendienstleistungen bezogen auf das Los 2 erbringe. Dazu sei nach Angaben der Beigeladenen kein Verbringen des Fahrzeugs in das Werk Karlsruhe oder ins österreichische Leonding erforderlich.

Aus diesem Grund spiele es auch keine Rolle mehr, dass das Vergabeverfahren nach wie vor in erheblichem Maße fehlerhaft durchgeführt wurde. Neben der widersprüchlichen Wertungssystematik bei Abweichungen von den Vorgaben der Leistungsbeschreibung und den an mehreren Stellen der Leistungsbeschreibung verdeckt geforderten vorhandenen Alleinstellungsmerkmalen der Produkte der Beigeladenen, sei auch das Wertungssystem bereits per se intransparent. Die insbesondere in Los 2 sehr allgemein gehaltenen Wertungskriterien (z.B. Einsatzfunktionalität in Bezug auf Abstütztechnik, Leiterpark, Funktionssicherheit oder Ausführung Hauptbedienstand) verhinderten es zusammen mit fehlenden Angaben, nach welchen Kriterien die Bepunktung zwischen 1 und 10 vorgenommen werde, die konkrete Punktevergabe auch nur ansatzweise nachzuvollziehen. Der Bewertungskommission sei so ein nahezu unbegrenzter Spielraum verblieben anhand von oft subjektiven, nicht objektivierbaren Kriterien Punktabzüge in beliebiger Höhe beim - von ihr wohl von Anfang an abgelehnten - Angebot der Antragstellerin vorzunehmen. Dass dabei auch wieder nicht bekanntgegebene Aspekte eine Rolle gespielt haben, die hätten bekanntgegeben werden müssen (wie die Kriterien bei der Materialauswahl, die Be-dienbarkeit für ungeübte Fahrer und der Wetterschutz am Hauptbedienstand), sei bei einer so vorgenommenen Wertung von vorneherein kaum zu verhindern. Auch die Dokumentation sei unzureichend, weil das konkrete Prozedere der Testungen und die in die Wertung eingeflossenen Bewertungen aller testenden Feuerwehrleute sowie deren Identität hätten festgehalten werden müssen.

Die Antragstellerin legte gegen den Beschluss der Vergabekammer mit Schriftsatz vom 16.10.2015 sofortige Beschwerde ein und führte zur Begründung aus:

Die Angebote der Antragstellerin dürften nicht ausgeschlossen werden. Es sei zwar zutreffend, dass die Antragstellerin hinsichtlich der Lose und 1 und 2 die genannten Punkte nicht mit Ja angekreuzt habe. Aufgrund der Unwirksamkeit der intransparenten Klausel Ziff. 18 EVB nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB seien Nebenangebote auch ohne Hauptangebot und auch ohne Gleichwertigkeitsnachweis zulässig gewesen. Ebenso handle es sich bei Ziff. 17 EVB um eine überraschende und daher unwirksame Klausel. Auch bezögen sich die EVB nicht auf Regelungen in Bezug auf die Vergabe oder der Teilnahme daran. Dies werde auch daraus deutlich, dass nach Satz 2 im Vorwort zum Leistungsverzeichnis vom Bieter mit Ja oder Nein anzukreuzen sei, ob bei dem angebotenen Fahrgestell bzw. Leiter die einzelnen Leistungsmerkmale vorhanden seien. Ein Ankreuzen mit „Nein“ führe nach dem Verständnishorizont eines objektiven Dritten auch nicht zu einem möglichen Ausschluss nach S. 3, da dort nicht auf das Ausfüllen eines Feldes mit „Nein“ sondern ein tatsächliches fehlendes Leistungsmerkmal als Ausschlussgrund abgestellt werde. Die diesbezüglichen Leistungsmerkmale würden jedoch gerade von der Antragstellerin tatsächlich und nachweislich erfüllt, eben nur mit gleichwertigen Merkmalen. Im Übrigen hätten die Antragsgegnerinnen die Nebenangebote der Antragstellerin, die gleichwertige Gegenstände im Sinne des §§ 9 Nr. 10 S. 2 VOB/A betroffen hätten, nicht ausschließen dürfen.

Entgegen den Ausführungen der Vergabekammer seien die Angebote der Beigeladene in beiden Losen zwingend auszuschließen. Das Angebot der Beigeladenen sei auszuschließen, da hinsichtlich des Zuschlagskriteriums Reaktionszeit keine Angaben in Stunden erfolgt seien. Der Begriff „sofort“ könne nicht dahingehend ausgelegt werden, dass nach dem üblichen Sprachgebrauch eine Reaktionszeit von weniger als einer Stunde gemeint sei. Vielmehr sei der Begriff dahingehend zu verstehen, dass eine augenblickliche Reaktion, die tatsächlich gar nicht möglich sei, erfolge. Die Angaben der Beigeladenen seien als vorsätzlich falsch anzusehen und müssten zum Ausschluss der Beigeladenen wegen Unzuverlässigkeit führen.

Die Angaben der Beigeladenen zu der Entfernung eines Kundendienstzentrums seien unzutreffend. In Los 1 werde von einer Servicestelle und in Los 2 von einem Kundendienstzentrum gesprochen. Daraus folge, dass es zwischen den beiden Stellen einen Unterschied geben müsse. Das Kundendienstzentrum der Antragstellerin sei in Ulm und das der Beigeladenen in Karlsruhe.

Im Übrigen würden weiter sämtliche Vergaberechtsverstöße, die Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens gewesen seien, angegriffen. Insoweit werde auf die Ausführung der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren verwiesen.

Die Antragstellerin beantragt,

  • 1.Der Beschluss der Vergabekammer Südbayern bei der Regierung von Oberbayern vom 30.9.2015 wird aufgehoben.

  • 2.Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist.

  • 3.Die Prüfung und Wertung der Angebote ist unter Beachtung der Rechtsauffassung des OLG München zu wiederholen.

Hilfsweise: Das Verfahren ist in den früheren Zustand zurückzuversetzen und eine Fortführung unter Beachtung der Rechtsauffassung des OLG München anzuordnen.

Weiter hilfsweise: Das Verfahren ist aufzuheben und bei fortbestehender Beschaffungsabsicht eine Neudurchführung unter Beachtung der Rechtsauffassung des OLG München anzuordnen.

Weiter hilfsweise: Es werden geeignete Maßnahmen getroffen, um die festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen.

Die Antragsgegnerinnen beantragen die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde und tragen zur Begründung vor:

Die Vergabekammer habe den Nachprüfungsantrag zu Recht zurückgewiesen. Die Angebote der Antragstellerin seien, wie von der Vergabekammer zutreffend ausgeführt, in beiden Losen zwingend auszuschließen gewesen. Bei den Regelungen in Ziff. 17 und Ziff. 18 der EVB handele es sich nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen, da diese Bedingungen seitens der Antragsgegnerinnen nur zur einmaligen Verwendung vorgesehen seien.

Den Ausführungen der Vergabekammer, dass die Angebote der Beigeladenen in beiden Losen zu Recht gewertet worden seien, werde beigepflichtet.

Auch wenn es aufgrund des zwingenden Ausschlusses der Angebote der Antragstellerin nicht mehr auf die von der Antragstellerin gerügte Wertung ankäme, seien die Antragsgegnerinnen gleichwohl der Auffassung, dass die Wertung rechtskonform und zutreffend und mit einem großen Aufwand an Sorgfalt durchgeführt worden sei.

Die Beigeladene stellte in der mündlichen Verhandlung vor dem Vergabesenat keinen Antrag, schriftsätzlich trug sie vor:

Die Vergabekammer sei zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Angebote der Antragstellerin zwingend wegen Nichterfüllung geforderter Leistungsmerkmale auszuschließen seien. Ein fachkundiger Bieter habe nicht davon ausgehen dürfen, dass statt dem im Leistungsverzeichnis in Fettdruck angekündigten zwingenden Ausschluss seines Angebotes bei der Nichterfüllung der Leistungsmerkmale lediglich eine negative Bewertung wegen Nichterfüllung von technischen Spezifikationen erfolge.

Die Angebote der Antragstellerin könnten auch nicht als Nebenangebote oder alternative Angebote gewertet werden, da keine Nachweise der Gleichwertigkeit vorgelegt worden seien. Sofern die maßgeblichen Bestimmungen der EVB unwirksam seien, seien Nebenangebote ohnehin unzulässig.

Einen Ausschluss der Beigeladenen habe die Vergabekammer zu Recht abgelehnt. Die Auffassung der Antragstellerin, bei der Reaktionszeit hätte eine Zeiteinheit angegeben werden müssen, sei durch die Vorgaben der Ausschreibung nicht gedeckt. Die Entfernungsangaben zum nächsten Kundendienstzentrum für das Los 2 seien nicht zu beanstanden, da die Antragsgegnerinnen inhaltlich nicht zwischen Servicestellen und Kundendienstzentren unterscheiden würden.

Die unterschiedlichen Wertungen der Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen seien bezogen auf die einzelnen Unterkriterien sachlich gerechtfertigt. Die Wertung sei nur dahingehend zu korrigieren, dass die Beigeladene auf das Unterkriterium Reaktionszeit 10 Punkte erhalten müsse.

Mit Beschluss vom 29.10.2015 hat der Senat die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über diese Beschwerde verlängert und am 3.12.2015 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift von diesem Tage wird ebenso Bezug genommen wie auf den gesamten Akteninhalt.

B.

Die zulässige Beschwerde erwies sich als begründet.

Der Beschwerde der Antragstellerin war im Hilfsantrag stattzugeben, da das Angebot der Antragstellerin nicht von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden durfte. Da auch ein Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen nicht in Betracht kam, die Bewertung nicht nachvollzogen werden kann und das Vergabeverfahren an schwerwiegenden Mängeln leidet, war das Vergabeverfahren aufzuheben.

I. Das Angebot der Antragstellerin durfte in beiden Losen nicht wegen Abweichungen von dem Leistungsverzeichnis ausgeschlossen werden.

Die Voraussetzungen für einen Ausschluss liegen nicht vor, da die Vergabebedingungen widersprüchlich waren und das Verständnis der Antragstellerin, dass die Nichterfüllung eines in der Leistungsbeschreibung enthaltenen Merkmals, nicht zwingend zu einem Ausschluss führt, nicht fernliegend ist.

1. Grundvoraussetzung eines jeden ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens ist das Vorliegen eindeutiger und widerspruchsfreier Vergabeunterlagen (§ 7 EG Abs. 1 VOL/A). Welcher Erklärungswert Angebotsunterlagen zukommt, ist anhand der für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze {§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln. In Anbetracht der Ausschlusssanktion müssen die Bieter diesen Unterlagen klar entnehmen können, welche Erklärungen und Leistungsangebote im Zusammenhang mit der Angebotsabgabe verlangt werden. Bedürfen die Vergabeunterlagen der Auslegung, ist dafür der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter, also eines abstrakt bestimmten Adressatenkreises, maßgeblich.

2. Die Vergabebedingungen der Antragsgegnerinnen waren widersprüchlich. Einerseits wurde in der Vorbemerkung der Leistungsbeschreibung darauf hingewiesen, dass ein fehlendes Leistungsmerkmal zwingend zum Ausschluss des abgegebenen Angebots führt. Andererseits hatte der Bieter unter der Rubrik „erfüllt“ Ja oder Nein anzukreuzen, wobei hinsichtlich Los 1 für die allgemeinen Anforderungen (Fahrgestell) diese Rubrik nicht vorgesehen war. Allerdings wird auch in Los 2 zwischen den allgemeinen und sonstigen Anforderungen unterschieden. Weiter war als Zuschlagskriterium die „Erfüllung technischer Spezifikationen“ benannt und die Punktbewertung sollte anhand des prozentualen Erfüllungsgrades der in der Leistungsbeschreibung geforderten technischen Spezifikationen erfolgen. Es kommt hinzu, dass die Leistungsbeschreibung zwischen allgemeinen Anforderungen und weiteren Anforderungen unterscheidet. Die allgemeinen Anforderungen betrafen hinsichtlich Los 1 das näher beschriebene Fahrgestell und hinsichtlich Los 2 den näher beschriebenen Drehleiterpark. Die folgenden Anforderungen betrafen detailliertere Beschreibungen zu der technischen Ausstattung, der Bedienbarkeit und Innenausstattung des Fahrzeuges bzw. Ausstattung des Drehleiterparks, wobei die Anforderungen teilweise sehr unterschiedliche Merkmale, wie z.B. ABS oder Ablagefläche, betreffen.

3. Nach Auffassung des Senates war angesichts der Gestaltung der Leistungsbeschreibung und der benannten Zuschlagskriterien auch für einen durchschnittlichen Bieter nicht hinreichend klar, ob das Ankreuzen einer Leistungsbeschreibung mit „Nein“ zwingend zum Ausschluss oder lediglich zu einer Abwertung im Rahmen des Zuschlagskriteriums „Erfüllung technischer Spezifikation“ führt. Es ist nicht unvertretbar und nicht fernliegend, dass ein durchschnittlicher Bieter im Gesamtkontext die Vergabeunterlagen dahingehend versteht, dass die Nichterfüllung einer der genannten Leistungsanforderungen - ausgenommen die allgemeinen Leistungsanforderungen - nicht zu einem Ausschluss, sondern lediglich zu einer Abwertung im Rahmen des maßgeblichen Zuschlagskriteriums führt. Für dieses Verständnis spricht auch, dass es sich teilweise um im Gesamtkontext wenig bedeutsame technische Spezifikationen und Ausstattungsmerkmale gehandelt hat, wie z.B. Radiovorbereitung, Ablagen, Fußmatten etc.. Weiter war zu beachten, dass die Vergabestelle dieses Verständnis ihrer Wertung zugrunde gelegt hat und dass in dem ersten Nachprüfungsverfahren offensichtlich ein zwingender Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin nicht problematisiert wurde und auf Anregung der Vergabekammer lediglich die Wertung wiederholt wurde.

Entscheidend ist jedoch, dass das Verständnis der Antragstellerin in Übereinstimmung mit dem Verständnis der Vergabestelle steht und das Wertungskriterium „Erfüllung technischer Spezifikationen“ sinnwidrig ist, wenn bei Nichterfüllung einer dieser Leistungsanforderungen das Angebot eines Bieters gar nicht mehr in die Wertung gelangen kann.

II. Der Senat folgt der Auffassung der Vergabekammer, dass die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Angebote der Beigeladenen in Los 1 und 2 nicht vorliegen. Auch hier gilt zugunsten des Bieters, dass die Vorgaben in der Leistungsbeschreibung nicht hinreichend bestimmt waren und das Verständnis der Beigeladenen von den betreffenden Beschreibungen nicht fernliegend war.

Die Beigeladene hat in die Rubriken „Reaktionszeiten innerhalb und außerhalb der Arbeitszeiten“ jeweils „sofort“ eingetragen. Auch wenn es näher gelegen hätte, für die Reaktionszeit eine konkrete Zeiteinheit einzutragen, da bei einer Differenz von mehr als vier Stunden zu der Reaktionszeit des Anbieters der kürzesten Reaktionszeit ein Abzug von einem Punkt erfolgen sollte. Allerdings ist mit der Angabe „sofort“ verbunden, dass eine schnellstmögliche und zeitnahe Reaktion versprochen wird. Es kommt hinzu, dass einiges dafür spricht, dass die Beigeladene die Reaktionszeit als telefonische Reaktion auf einen Telefonanruf oder sonstige Meldung der Antragsgegnerin verstanden hat und die Leistungsbeschreibung keine genauen Angabe enthält, welche Reaktion innerhalb der anzugebenden Zeit genau erwartet wird.

2. Ein Ausschluss der Beigeladenen in Los 2 wegen unzutreffender Angaben der Entfernung zu dem geforderten Kundendienstzentrum scheidet aus, da in den Vergabeunterlagen nicht näher spezifiziert war, welche Leistungen die Antragsgegnerin von einem Servicebzw. Kundendienstleistungszentrum erwartet und wie die Vergabekammer zutreffend dargelegt hat, das Begriffsverständnis der Beigeladenen insoweit zumindest vertretbar und nicht fernliegend war.

III. Die Vergabeentscheidung kann jedoch keinen Bestand haben, da weder bei Los 1 noch Los 2 die Bewertungen nachvollzogen werden können.

1. Der Vergabekammer ist beizupflichten, dass die Antragstellerin mit Schreiben vom 12.6.2015 und 16.6.2015 in ausreichendem Maße und rechtzeitig betreffend der Lose 1 und 2 gerügt habe, dass nicht nachvollziehbar und erkennbar ergebnisorientiert zu Gunsten der Beigeladenen höhere Punktzahlen vergeben worden seien, sowie im Rügeschreiben vom 16.6.2015 ausreichend gerügt worden sei, dass aus dem Protokoll zur Sitzung der Bewertungskommission nicht hervorgehe, welche Punktzahlen konkret in welcher Abstufung zur Beigeladenen in Bezug auf welches Mehr- oder Weniger-Erfülltsein mit welcher Begründung vergeben worden seien.

2. Bei der Erstellung der Verdingungsunterlagen der Zuschlagskriterien sind folgende Grundsätze zu beachten: Der öffentliche Auftraggeber hat in den Verdingungsunterlagen oder in der Vergabebekanntmachung alle Zuschlagskriterien anzugeben, deren Verwendung er vorsieht, möglichst in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung. Umgekehrt darf der Auftraggeber keine Unterkriterien oder Gewichtungsregeln anwenden, die er den am Auftrag interessierten Unternehmen nicht vorher zur Kenntnis gebracht hat. Unter Unterkriterien werden Kriterien verstanden, die die eigentlichen Zuschlagskriterien genauer ausformen und präziser darstellen, worauf es dem Auftraggeber im Einzelnen ankommt. Gewichtungsregeln bestimmen, wie die (zu erwartenden) Angaben der Bieter zu den einzelnen Kriterien und Unterkriterien zu bewerten sind und wie beispielsweise eine Umrechnung in Wertungspunkte erfolgt, wobei sich die Frage, in welcher Differenziertheit und Tiefe ein öffentlicher Auftraggeber ein Bewertungssystem mit Unter-Unterkriterien und Gewichtungsregeln im Vorhinein aufzustellen hat, sich nur einzelfallbezogen beantworten lässt.

Es ist zu beachten, dass der Auftraggeber auf der letzten Ebene der Angebotswertung einen Wertungsspielraum hat. Dieser darf nicht dadurch eingeschränkt werden, dass er vergaberechtlich in jedem Fall daran gebunden wird, im Voraus in mehrstufige Unterkriterien und entsprechende Gewichtungen aufgegliederte Bewertungsregeln aufzustellen. Die Grenze, ab der das Offenlassen konkreter Bewertungsmaßstäbe vergaberechtlich unzulässig ist, ist allerdings erreicht, wenn die aufgestellten Wertungsmaßstäbe so unbestimmt sind, dass Bieter nicht mehr angemessen über die Kriterien und Modalitäten informiert werden, und sie infolgedessen auch vor einer willkürlichen und/oder diskriminierenden, d.h. einer die Gebote der Gleichbehandlung und der Transparenz verletzenden Angebotswertung nicht mehr effektiv zu schützen sind. Weiter ist zu verlangen, um die erforderliche Transparenz des Vergabeverfahrens zu wahren, dass die Wertungsentscheidungen so dokumentieren werden, dass die Entschlussfassung bzw. Bewertung inhaltlich nachvollziehbar sind (vgl. OLG Düsseldorf Verg 10/09 vom 30.07.2009).

3. Diesen Anforderungen genügt die Bewertung der Antragsgegnerin weder hinsichtlich Los 1 noch 2. Der Senat folgt der Auffassung der Vergabekammer, dass das Wertungssystem der Antragsgegnerinnen intransparent ist und insbesondere die Abstufung der Bepunktung nicht nachvollzogen werden kann, da keine Gesichtspunkte vorgegeben sind, wie die Bepunktung zwischen 1 und 10 abgestuft wird. Auch wenn - wie oben ausgeführt - auf dieser Wertungsstufe der Vergabestelle ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist, können gerade bei Kriterien, die wenig objektivierbar sind und bei denen subjektive Gesichtspunkte eine gewichtige Rolle spielen, nicht auf ein nachvollziehbares Schema der Abstufung und Begründung verzichtet werden, wie die Abstufungen zwischen 1 und 10 vorgenommen worden sind. Andernfalls würde der Bewertungskommission ein nahezu unbegrenzter Spielraum verbleiben. Je weniger ein Unterkriterium und Unter-Unterkriterium spezifiziert wird, desto schwieriger ist die Bewertung nachzuvollziehen und es ist daher mindestens zu verlangen, dass die Bewertung und die Punktevergabe so begründet werden, dass die Unterschiede nachvollzogen werden können. Dies ist im vorliegenden Fall nicht möglich.

4. Im Einzelnen ist zu den Bewertungen hinsichtlich Los 1 auszuführen (wobei hinsichtlich Los 1 noch ein drittes Fahrgestell bewertet wurde):

a) Im Unterkriterium Fahrverhalten erreichte die Antragstellerin 6 Punkte und die Beigeladene 10 Punkte. Aus der Dokumentation ergibt sich nicht, wie die Punktewertung zustande gekommen ist, insbesondere nicht, ob die weiter genannten Unter-Unterkriterien jeweils einzeln bepunktet wurden oder ob die Punkte in einer Gesamtschau vergeben worden sind. Es ist auch nicht ohne weiteres nachvollziehbar, dass ein ESP System sich bei der Bewertung nicht positiv auswirkt. Schließlich kann der Punkteabstand zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen nicht nachvollzogen werden.

b) Auch hinsichtlich der Anordnung der Fahrbedienelemente kann zunächst auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Im Übrigen erscheint die Bepunktung sehr subjektiv, insbesondere wird nicht ohne weiteres klar, welche Anforderungen an die Schalteranordnung im Einzelnen gestellt werden.

c) Auffällig ist auch bei der Bewertung der Ergometrie des Fahrerhauses, dass das Fahrzeug der Antragstellerin deutlich schlechter als die beiden anderen bewertet wird und es ist auch nicht ohne weiteres nachvollziehbar, aus welchen Gesichtspunkten der Abstand der Sitzfläche zur Fahrerhausdecke im Gegensatz zum übrigen Platzangebot keine Rolle spielt.

d) Bei der Bepunktung der weiteren Unterkriterien Qualität Fahrgestell und Materialauswahl ist insgesamt zu bemängeln, dass keine leitenden Gesichtspunkte angegeben sind, wie der erhebliche Punkteabstand des Fahrgestells zu den beiden anderen Fahrzeugen im einzelnen seine Rechtfertigung findet. Bei der Materialauswahl erhält die Antragstellerin nur 5 Punkte, obgleich hinsichtlich der Verwendung hochwertiger Bauteile für Achsen etc. keine wesentlichen Unterschiede festgestellt wurden. Auch bei dem Unterkriterium konstruktiver Konstruktionsschutz kann die Bewertung nicht ohne weiteres nachvollzogen werden, da hinsichtlich der Verwendung nicht rostender Materialen und Verbindungselemente keine Unterschiede zwischen den Herstellern festgestellt wurden.

5. Im Einzelnen ist hinsichtlich Los 2 noch ergänzend auszuführen:

a) Auch hinsichtlich der Bewertung der Abstütztechnik kann der Punkteabstand nicht nachvollzogen werden und es ist auch nicht ersichtlich, dass auch die Vorteile des Systems der Beigeladenen hinreichend gewichtet worden sind.

b) Hinsichtlich des Leiterparks ist festzustellen, dass seitens der Antragstellerin eingewandt wird, dass ihre vierteilige Leiter nicht kürzer als die fünfteilige Leiter der Antragstellerin sei. Weiter wird nicht erwähnt und gewürdigt, dass der Leiterpark der Antragstellerin am 3. Leiterteil über eine Kranöse verfügt. Auch fällt auf, dass der Umstand, dass die Drehleiter der Antragstellerin ein Arbeiten von -17° Unterflur ermöglicht, nicht als ein Vorteil der Leiter der Antragstellerin gewürdigt wurde.

c) Der Einwand der Antragstellerin, ihr Rettungskorb weise eine maximale Traglast von 460 kg auf, steht nicht in Einklang mit den Angaben der Antragstelterin in ihrem Angebot in welchem eine maximale Tragkraft von 400 kg angegeben ist. Allerdings ist nicht hinreichend klar, ob die Einsatzfunktionalität nur unter dem Gesichtspunkt der Traglast geprüft wurde und nicht auch weitere Gesichtspunkte einbezogen wurden.

d) Auch hinsichtlich des Unterkriteriums „Hauptbedienstand“ kann aus der dokumentierten Begründung nicht nachvollzogen werden, dass ein Unterschied aufgrund des unterschiedlichen Wetterschutzes und der Breite des Sitzes einen Abstand von 5 Punkten rechtfertigt.

e) Zusammenfassend ist festzustellen, dass aufgrund der teilweise sehr unbestimmten Kriterien und der fehlenden Vorgaben, wie die Punkte zu verteilen sind und der daraus folgenden unzureichenden Begründung, die Wertungen nicht nachvollzogen werden können.

6. Die Zuschlagskriterien leiden - wie unter IV näher ausgeführt - weiter an dem Mangel, dass Leistungsanforderungen und Zuschlagskriterien vermischt werden.

IV. Gemäß § 123 Satz 1 und 2 GWB ist anzuordnen, dass das Vergabeverfahren aufgehoben wird. Der Senat ist der Auffassung, dass das Vergabeverfahren unter dem schwerwiegenden Mangel leidet, dass in den Angebotsunterlagen nicht hinreichend klargestellt wird, welche Leistungen zu erbringen sind und das Zuschlagskriterium „technische Spezifikationen“ unzulässig ist.

1. Das Zuschlagskriterium „technische Spezifikationen“ ist unzulässig, da die Frage, ob der Bieter die angebotene Leistung erbringt, auf der ersten Stufe der Wertung zu prüfen ist. Es kommt weiter hinzu, dass der Wegfall dieses Kriteriums die Gewichtung der Einzelkriterien ändert und auch ein Bieter, der nicht sämtliche Leistungsanforderungen erfüllt, abgewertet wird, wobei er dann ggf. Vorteile bei dem Angebotspreis erlangen kann. Des Weiteren ist auch nicht völlig eindeutig, welche Leistungsanforderungen die Antragsgegnerin zwingend voraussetzt. Sofern, wofür einiges spricht, sämtliche aufgeführten Anforderungen von den Bietern zu erfüllen sind, ist das Zuschlagskriterium „technische Spezifikationen“ überflüssig und vergaberechtswidrig. Sofern die Vergabestelle nicht alle in den Anforderungen genannten Merkmale als zwingend zu erbringende Grundpositionen einstufen will, wofür spricht, dass sie sich vorbehält, nicht alle ausgeschriebenen Positionen zur Auftragsvergabe bis zu einer Grenze von 10% der Angebotssumme kommen zu lassen, hat sie ggf. zu prüfen, inwieweit dies in vergaberechtlich zulässiger Weise erfolgen kann. Das Zuschlagskriterium „technische Spezifikationen“ bleibt jedenfalls auch dann unzulässig.

2. Selbst wenn dieser Gesichtspunkt, der erst durch die Entscheidung der Vergabekammer in den Blickpunkt geraten ist, der Rügepflicht unterliegt und von der Antragstellerin nicht hinreichend gerügt worden sein sollte, darf der Senat ausnahmsweise diesen Mangel, der von dem Senat wegen der Unklarheit der Leistungsanforderungen und der Vermischung zwischen Leistungsanforderungen und Zuschlagskriterien als schwerwiegend gewertet wird, berücksichtigen. Der Vergabesenat hat die Pflicht, für die Rechtmäßigkeit des Ausschreibungsverfahrens zu sorgen. Er erforscht ebenso wie die Vergabekammer den Sachverhalt von Amts wegen, § 110 GWB. Dies heißt aber nicht, dass der Vergabesenat nun von Amts wegen alle Vergabeunterlagen nach Mängeln durchsuchen muss. Vielmehr formuliert § 110 Abs. 1 S. 2 GWB, dass sich Vergabekammer und Vergabesenat bei ihren Ermittlungen auf das beschränken können, was von den Beteiligten vorgebracht wird oder ihnen sonst bekannt sein muss. Das sind konkrete und offensichtliche Anhaltspunkte für Vergabeverstöße, auf die die Mitglieder von Vergabesenat oder Vergabekammer bei Durchsicht der Akten stoßen, wenn sie diese im Hinblick auf die gerügten Mängel durchschauen, oder sonstige allgemein bekannte Verdachtsmomente. Es wird daher für zulässig erachtet, dass bei besonders schwerwiegen Vergaberechtsverstößen auch ohne eine ausdrückliche Rüge der Fehler beachtet werden darf (vgl. Dicks in Ziekow/ Völlink Vergaberecht § 110 GWB Rn.7; Diemon-Wies in PK Kartellvergaberecht § 110 GWB Rn.30). Die festgestellten Widersprüchlichkeiten ergaben sich insbesondere aus der Begründung der Entscheidung der Vergabekammer, die die Widersprüchlichkeit der Angebotsunterlagen herausgearbeitet hat. Die Beteiligten wurden in der mündlichen Verhandlung auf diesen Mangel hingewiesen. Dieser schwerwiegende Fehler des Vergabeverfahrens darf daher beachtet und bei der Entscheidung verwertet werden.

3. Auch wenn die Aufhebung und Wiederholung des gesamten Vergabeverfahrens nur als „ultima ratio“ in Betracht kommt, ist der Senat der Auffassung, dass die Unklarheiten der zwingend zu erbringenden Leistungen und des Zuschlagskriteriums „technische Spezifikationen“ derart gewichtig und schwerwiegend sind, dass im Rahmen des laufenden Vergabeverfahrens dieser Mangel nicht mehr behoben werden kann. Zur Beseitigung dieses Mangels ist eine vollständige Überarbeitung der Vergabeunterlagen erforderlich und auch eine Änderung der Zuschlagskriterien.

Bei einer etwaigen Neuausschreibung werden die Antragsgegnerinnen zu beachten haben, dass eine Vermischung zwischen zwingenden Leistungsanforderungen {zu prüfen Wertungsstufe 1) und Zuschlagskriterien vergaberechtlich unzulässig ist. Hinsichtlich der einzelnen Zuschlagskriterien empfiehlt sich, diese möglichst genau darzustellen und ein nachvollziehbares Bewertungssystem hinsichtlich der einzelnen Bepunktungen bekanntzugeben. Des weiteren ist auf den Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung zu verweisen.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 120 Abs. 2, 78 GWB, §§ 92,100 Abs. 1, 4 ZPO, § 128 Abs. 3, 4 GWB. Sie umfasst auch die Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB. Da die Antragstellerin lediglich mit dem Hilfsantrag auf Aufhebung des Vergabeverfahrens durchgedrungen ist, liegt ein Teilunterliegen vor, das der Senat mit 1/3 bewertet. Die Beigeladene war auch an den Kostenregelung des Beschwerdeverfahrens zu beteiligen, da sie sich durch Einreichung von Schriftsätzen und Teilnahme an der mündlichen Verhandlung aktiv an dem Verfahren beteiligt hat. Eine aktive Beteiligung am Nachprüfungsverfahren liegt bereits dann vor, wenn sich die Beigeladene schriftsätzlich zu den streitigen Rechtsfragen geäußert und die Zulässigkeit und Begründetheit der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin verneint hat {vgl. OLG Düsseldorf, vom 10.05.2012 Verg 5/12). Es ist entspricht daher der Billigkeit, dass die Beigeladene wie auch in dem vorverhandelten völlig gleichgelagertem Verfahren (Verg 11/15) an den Kosten beteiligt wird.

(1) Die an einem Planungswettbewerb Interessierten sind vor Wettbewerbsbeginn über die geltenden Durchführungsregeln zu informieren.

(2) Die Zulassung von Teilnehmern an einem Planungswettbewerb darf nicht beschränkt werden

1.
unter Bezugnahme auf das Gebiet eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder einen Teil davon oder
2.
auf nur natürliche oder nur juristische Personen.

(3) Bei einem Planungswettbewerb mit beschränkter Teilnehmerzahl hat der öffentliche Auftraggeber eindeutige und nichtdiskriminierende Auswahlkriterien festzulegen. Die Zahl der Bewerber, die zur Teilnahme aufgefordert werden, muss ausreichen, um den Wettbewerb zu gewährleisten.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 3/17 Verkündet am:
4. April 2017
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Vergabenachprüfungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Postdienstleistungen
a) Es steht einer transparenten und wettbewerbskonformen Auftragsvergabe regelmäßig nicht
entgegen, wenn der öffentliche Auftraggeber für die Erfüllung qualitativer Wertungskriterien
Noten mit zugeordneten Punktwerten vergibt, ohne dass die Vergabeunterlagen weitere
konkretisierende Angaben dazu enthalten, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl konkret
abhängen soll.
b) Ein Wertungsschema, bei dem die Qualität der Leistungserbringung und der nach der einfachen
linearen Methode in Punkte umzurechnende Preis mit jeweils 50% bewertet werden, ist
ohne Weiteres auch dann nicht vergaberechtswidrig, wenn nur eine Ausschöpfung der Punkteskala
in einem kleinen Segment (hier: 45 bis 50 von 50 möglichen Punkten) zu erwarten
ist. Die Wahl einer bestimmten Preisumrechnungsmethode kann vergaberechtlich nur beanstandet
werden, wenn sich gerade ihre Heranziehung im Einzelfall aufgrund besonderer
Umstände als mit dem gesetzlichen Leitbild des Vergabewettbewerbs unvereinbar erweist.
c) Der Gefahr einer Überbewertung qualitativer Wertungskriterien zum Nachteil einzelner Bieter
ist durch eingehende Dokumentation des Wertungsprozesses zu begegnen. Die Nachprüfungsinstanzen
untersuchen auf Rüge die Benotung des Angebots des Antragstellers als
solche und in Relation zu den übrigen Angeboten, insbesondere zu demjenigen des Zuschlagsprätendenten
, und darauf hin, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung
des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden.
a) Der Beschwerdegegner kann sich im Vergabenachprüfungsverfahren bis zum Ablauf der
ihm gesetzten Frist zur Beschwerdeerwiderung der Beschwerde gegen die Entscheidung der
Vergabekammer anschließen.
b) Im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof nach § 179 Abs. 2 GWB kann die Beschwerde
nach Beginn der mündlichen Verhandlung nur mit Einwilligung des Gegners zurückgenommen
werden.
BGH, Beschluss vom 4. April 2017 - X ZB 3/17 - OLG Dresden
Vergabekammer Sachsen
ECLI:DE:BGH:2017:040417BXZB3.17.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Bacher und Hoffmann und die Richterin Schuster

beschlossen:
Der Beschluss des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 2. Februar 2017 wird im Ausspruch zu 1 aufgehoben. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen vom 23. November 2016 wird zurückgewiesen. Auf die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wird dieser Beschluss aufgehoben, soweit darin zu ihrem Nachteil entschieden worden ist; der Nachprüfungsantrag wird auch insoweit zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat die Kosten des Nachprüfungsverfahrens beider Instanzen zu tragen. Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin deren zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Aufwendungen zu ersetzen. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin auch vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt. Der Beschwerdewert wird auf 360.000 Euro festgesetzt.

Gründe:


I.


1. Das vorliegende Nachprüfungsverfahren bezieht sich auf den von
1
der Antragsgegnerin im offenen Verfahren ausgeschriebenen Abschluss von Rahmenverträgen über Postdienstleistungen in zwei Losen (Brief- und Paketpost ) für die Dauer von sechs Jahren. Der Auftragnehmer soll das komplette Leistungsspektrum von der Abholung der Sendungen bei der Antragsgegnerin über alle erforderlichen Zwischenschritte bis zur Zustellung an die Empfänger erbringen und dabei in der Organisation der Zwischenschritte und des Erfolgs - etwa durch Eigenleistung oder über Nachunternehmer/Dienstleister - in gewisser Weise frei sein; von der Antragsgegnerin vorgegeben sind der Zustand der Sendungen bei Abholung und die Ablieferung innerhalb einer bestimmten Zeit an die Empfänger in einer bestimmten Sendungsform sowie bestimmte Berichtspflichten (Sendungsverfolgung, Meldungen des Sendeaufkommens etc.).
Den Zuschlag soll das wirtschaftlichste Angebot erhalten. Als Zuschlags2 kriterien sind mit jeweils 50% der Preis und die Qualität der Leistungserbringung angegeben. Für Letztere als zweites Zuschlagskriterium sind in den Vergabeunterlagen drei Unterkriterien mit jeweils zugeordneten Prozentwerten gebildet, und zwar:
1. Schwankungen im Sendungsaufkommen/Auftragsspitzen (15%) 2. Sicherstellung einer effektiven Leistungserbringung (25%) und 3. Zustellzeiten (10%).
3
Die Bieter sollen mit ihrem Angebot auf zwei bzw. vier Seiten darstellen, wie sie die Schwankungen im Sendungsaufkommen zu bewältigen und die effektive Leistungserbringung sicherzustellen gedenken. Dafür können beim ersten Unterkriterium maximal 15 Punkte und beim zweiten - das in den Vergabeunterlagen nochmals in vier Unterpunkte aufgegliedert ist (unten Rn. 45) - bis zu 25 Punkte errungen werden, außerdem bis zu 10 Punkte für die Zustellzeiten. Die Vergabestelle benotet die schriftlichen Darstellungen auf einer Skala von ungenügend (0 Punkte) über mangelhaft (1 Punkt), ausreichend (2 Punkte), befriedigend (3 Punkte) und gut (4 Punkte) bis zu sehr gut (5 Punkte). Die so erlangte Punktzahl wird dann mit dem Faktor 3 beim ersten und dem Faktor 5 beim zweiten Unterkriterium multipliziert. Bei der Laufzeit erhalten die Bieter zwischen 0 und 10 Punkten je nach
4
dem Anteil der am auf den Einlieferungstag folgenden Tag ("E+1") zugestellten Briefsendungen, was nach näheren Vorgaben nachzuweisen ist. Die Punktewerte aller Unterkriterien werden anschließend für die Wertung mit den beim Preiskriterium erzielten Punktwert (unten Rn. 29) addiert. Der Auftrag wurde am 20. August 2016 im Supplement zum Amtsblatt
5
der EU veröffentlicht; am 30. August 2016 rügte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin, soweit für das Beschwerdeverfahren von Interesse, der Angebotspreis sei im Verhältnis zur Qualitätsbewertung untergewichtet und die Bewertungsmatrix intransparent.
6
2. Die Vergabekammer hat die Berechnungsformel für die Bestimmung der bezüglich des Preiskriteriums erzielten Anzahl von Punkten für vergaberechtskonform erachtet, eine Verletzung der Antragstellerin in ihren Rechten (§ 168 Abs. 1 Satz 1 GWB) aber in der Verwendung des Systems zur Bewertung der Qualität in Bezug auf die ersten beiden Unterkriterien gesehen. Die Vergabekammer hält dieses für intransparent und hat insoweit bemängelt, aus den Vergabeunterlagen gehe nicht hinreichend deutlich hervor, in welcher Hinsicht die Antragsgegnerin Angaben zur Bewältigung der Schwankungen im Sendungsaufkommen bzw. bei den Auftragsspitzen erwarte, und, das Bewertungssystem lasse im Zusammenspiel mit diesem unzulänglich dargestellten Erwartungshorizont nicht erkennen, welcher Zielerfüllungsgrad nötig sei, um für ein Konzept einen bestimmten Punktwert zu erreichen. Entsprechendes gelte für das zweite Kriterium der Sicherstellung einer effektiven und reibungslosen Leistungserbringung; auch insoweit sei nicht ersichtlich, wovon die zu erzielende Punktzahl im vorzulegenden Konzept abhänge.
7
3. Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdeschrift ist der Antragsgegnerin am 12. Dezember 2016 mit der Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 5. Januar 2017 zugestellt worden.
8
Mit ihrer am 28. Dezember 2016 beim Oberlandesgericht eingegangenen Beschwerdeerwiderung hat die Antragsgegnerin die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt und sich dem Rechtsmittel der Antragsgegnerin zugleich mit dem Antrag angeschlossen, den Beschluss der Vergabekammer aufzuheben , soweit hinsichtlich der Verwendung der Unterkriterien "Schwankungen im Sendungsaufkommen/Auftragsspitzen" und "Sicherstellung einer effektiven und reibungslosen Auftragserbringung" zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
9
4. Der Vergabesenat hat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen und die Sache im Übrigen dem Bundesgerichtshof vorgelegt. Er erachtet die Anschlussbeschwerde für begründet und möchte den Nachprüfungsantrag auch insoweit zurückweisen. Daran sieht er sich durch die Recht- sprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf gehindert, das im Zusammenhang mit der Erfüllung von Wirtschaftlichkeitskriterien eine Bewertung mit Punkten oder Noten ("Schulnoten") auch bei Verwendung von Unterkriterien ohne diesbezügliche ergänzende Erläuterungen nicht für zulässig erachte, weil dies nicht im Voraus erkennen lasse, welchen Erfüllungsgrad ("Zielerreichungsgrad") die Angebote aufweisen müssten, um mit den jeweils festgelegten Punkten bewertet zu werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Dezember 2015 - Verg 25/15, VergabeR 2016, 487, 489 f.; Beschluss vom 15. Juni 2016 - Verg 49/15, VergabeR 2016, 762, 767 f.).

II.


10
Der Bundesgerichtshof hat aufgrund der zulässigen Divergenzvorlage ungeachtet der nur teilweisen Vorlage der Sache und ungeachtet der von der Antragstellerin erklärten Rücknahme der Beschwerde über die Beschwerde und über die Anschlussbeschwerde zu entscheiden.
11
1. Die Sache ist dem Bundesgerichtshof mit dem Vorlagebeschluss insgesamt angefallen und nicht nur im Umfang der Anschlussbeschwerde. Im Interesse der Rechtssicherheit und Klarheit ist der Beschluss des Vergabesenats deshalb aufzuheben, soweit er die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin betrifft (Ausspruch zu 1).
12
a) Die Beschränkung der Divergenzvorlage auf einen Teil des Streitstoffs des Beschwerdeverfahrens ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in dem Maße zulässig, in dem im Zivilprozess ein Teilurteil ergehen oder - was hier nicht einschlägig ist, weil es um Rechtsmittel unterschiedlicher Beteiligter geht - die Revision wirksam beschränkt werden könnte (BGH, Beschluss vom 20. März 2014 - X ZB 18/13, VergabeR 2014, 538 Rn. 13 - Fahrbahnerneuerung I). Der Vergabesenat hat dies zwar im Ausgangspunkt nicht verkannt. Seine Annahme, ein Teilbeschluss sei zulässig, berücksichtigt aber nicht hinreichend, dass der Bundesgerichtshof grundsätzlich nicht lediglich die Vorlagefragen abstrakt beantwortet, sondern anstelle des Oberlandesgerichts in der Sache entscheidet, wenn kein Fall von § 179 Abs. 2 Satz 3 GWB vorliegt, und in diesem Rahmen die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilbeschlusses nicht vorliegen.
13
b) Ein Teilurteil (§ 301 ZPO) darf nach ständiger Rechtsprechung auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstandes nicht ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - besteht (BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rn. 13; Urteil vom 9. Februar 2017 - I ZR 91/15, juris Rn. 23 - Flughafen Lübeck). Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ist bereits dann anzunehmen, wenn Urteilselemente , die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden können, unterschiedlich bewertet werden könnten (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2016 - XI ZR 305/14, BGHZ 210, 23 Rn. 29). Solche Gefahren bestehen im Streitfall bei Erlass eines Teilbeschlusses durch den Vergabesenat; dass der Bundesgerichtshof in derselben Instanz entscheidet und nicht als Rechtsmittelgericht, beruht auf der gesetzlichen Regelung und ist insoweit unerheblich.
14
Die vergaberechtliche Überprüfung der beiden paritätischen Wertungskriterien des Preises und der Qualität der Leistungserbringung kann zur Vermeidung von widersprüchlichen Beurteilungen nicht zwischen dem Bundesgerichtshof einerseits und dem Vergabesenat andererseits aufgeteilt werden. Die Antragstellerin macht unter anderem geltend, die Antragsgegnerin habe eine rechtswidrige Gewichtung zwischen den beiden Bewertungskriterien "Preis" und "Qualität" vorgenommen. Über diesen Angriff kann nur aufgrund einer umfassenden Abwägung dieser beiden Kriterien und ihres Verhältnisses zueinander entschieden werden. Dies schließt eine Teilentscheidung über die Zulässigkeit eines der beiden Kriterien aus. Erachtete der Vergabesenat beispielsweise, wie geschehen, das Preiskriterium als vergaberechtskonform und käme der Bundesgerichtshof in Bezug auf das Qualitätskriterium zum gegenteiligen Ergebnis, würde durch diese beiden Entscheidungen nicht komplementär und einheitlich insgesamt über die Wertungskriterien entschieden. Entsprechend verhielte es sich im umgekehrt gedachten Fall (Vergaberechtswidrigkeit des Preiskriteriums und -konformität der Qualitätsbewertung). Bei Gefahr solcher Widersprüche ist ein Teilbeschluss durch den Vergabesenat unzulässig.
15
2. Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin ist statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
16
a) Im Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist das Institut der Anschlussbeschwerde allerdings nicht positiv geregelt. Ihre Statthaftigkeit im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren ist in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und in der Fachliteratur gleichwohl von Anfang an bejaht worden (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 10. Januar 2000 - WVerg 1/99, BauR 2000, 1582, 1588; Thüringer OLG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 - 6 Verg 4/01, VergabeR 2002, 256; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Mai 2002 - Verg 8-15/01 - juris Rn. 38; BayObLG, Beschluss vom 5. November 2002 - Verg 22/02, NZBau 2003, 342, 346; OLG Naumburg, Beschluss vom 26. Februar 2004 - 1 Verg 17/03, VergabeR 2004, 387, 390; Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 1. Aufl. Rn. 830; Beck'scher VOBKommentar /Gröning, 2001, § 116 GWB Rn. 17). Diese Auffassung ist zutreffend.
17
b) Die Anschlussbeschwerde ist auch sonst zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
18
Der Senat hält mit dem vorlegenden Vergabesenat dafür, dass die Anschlussbeschwerde in Anlehnung an § 524 Abs. 2 Satz 2, § 521 Abs. 2 Satz 1 ZPO bis zum Ablauf der dem Beschwerdegegner - üblicherweise - für die Erwiderung auf die Beschwerde gesetzten Frist eingelegt und begründet werden kann (ebenso OLG Naumburg, VergabeR 2004, 387, 390). Zwar könnte die Einlegung der Anschlussbeschwerde zeitlich auch an starre Fristen geknüpft werden, etwa - in Anlehnung an die Frist für die Einlegung und Begründung der sofortigen Beschwerde gemäß § 172 Abs. 1 GWB - an eine solche von zwei Wochen ab Zustellung der Beschwerdeschrift (BayObLG, NZBau 2003, 342, 346) oder an eine solche von einem Monat ab Zustellung der Beschwerdebegründungsschrift (vgl. § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Für eine solche stärkere Beschränkung des Rechts zur Anschlussbeschwerde fehlt es aber angesichts des Schweigens des Gesetzes an einer hinreichenden Rechtfertigung; es erschiene zudem unter prozessökonomischen Gesichtspunkten wenig sinnvoll, für die Anschließung an das Rechtsmittel der Gegenseite eine andere Frist zu postulieren als die dem Beschwerdegegner für die Beschwerdeerwiderung gesetzte.
19
3. Die von der Antragstellerin am Schluss der mündlichen Verhandlung erklärte Rücknahme der Beschwerde ist wirkungslos, da die Antragsgegnerin der Rücknahme nicht zugestimmt hat. Entscheidet der Bundesgerichtshof nach § 179 Abs. 2 Satz 2 GWB anstelle des Oberlandesgerichts, kann die sofortige Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 565 Satz 2 ZPO ohne Einwilligung des Beschwerdegegners nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache zurückgenommen werden.
20
a) Mit der Vorschrift des § 565 Satz 2 ZPO will der Gesetzgeber sicherstellen , dass der Rechtsmittelführer in einem Rechtsstreit, in dem die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder deshalb zugelassen worden ist, weil die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO), nach Beginn der mündlichen Verhandlung die höchstrichterliche Klärung der Rechtsfrage nicht mehr einseitig verhindern kann. Stimmt der Revisionsbeklagte einer Rücknahme des Rechtsmittels nicht zu, räumt das Gesetz ab diesem Zeitpunkt der höchstrichterlichen Entscheidung der Grundsatzfrage oder der Auflösung einer Divergenz Vorrang vor der Dispositionsbefugnis des Rechtsmittelklägers ein. Eine entsprechende Vorschrift für das Revisionsverfahren enthält etwa auch die Verwaltungsgerichtsordnung (§ 140 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
21
b) Dem Sinn und Zweck dieser Regelung entspricht eine entsprechende Anwendung, wenn der Bundesgerichtshof nach § 179 Abs. 2 Satz 2 GWB anstelle des Oberlandesgerichts im Vergabenachprüfungsverfahren entscheidet. Soweit das Gesetz dieses Verfahren nicht näher regelt, ist grundsätzlich auf die sachnächsten Vorschriften der Zivilprozessordnung zurückzugreifen, wie es, wie ausgeführt, beispielsweise bei der auf die Anschlussbeschwerde anzuwendenden Frist geboten ist. Der Bundesgerichtshof entscheidet nach § 179 Abs. 2 GWB, wenn das an sich zur Entscheidung berufene Oberlandesgericht von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Das Gesetz sieht mithin aus § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechenden Gründen eine höchstrichterliche Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung vor. Dass diese nicht in einem Revisionsoder Rechtsbeschwerdeverfahren erfolgt, ist lediglich dem Umstand geschuldet, dass das Gesetz das Vergabenachprüfungsverfahren besonders beschleunigen will. Gerade unter Berücksichtigung dieser Besonderheit des Vergabenachprüfungsverfahrens entspricht es aber dem Sinn und Zweck der Befassung des Bundesgerichtshofs mit der Sache, dass der Rechtsmittelführer die Entscheidung der Divergenzfrage nach Beginn der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof ohne Zustimmung des Rechtsmittelgegners nicht mehr verhindern kann.
22
4. Die Voraussetzungen des § 179 Abs. 2 Satz 1 GWB liegen vor.
23
a) Dies ist nach ständiger Rechtsprechung der Fall, wenn das vorlegende Oberlandesgericht seiner Entscheidung als tragende Begründung einen Rechtssatz zugrunde legen will, der mit einem die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs tragenden Rechtssatz unvereinbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 - X ZB 10/16, NZBau 2017, 23 Rn. 6 - Notärztliche Dienstleistungen). So verhält es sich hier. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in seinen beiden vom vorlegenden Vergabesenat in Bezug genommenen Entscheidungen (OLG Düsseldorf, VergabeR 2016, 487 ff.; 762 ff.) in vergleichbaren Sachverhaltskonstellationen beanstandet , dass in den Vergabeunterlagen nicht näher aufgeschlüsselt und erläutert war, wodurch bzw. wofür die den einzelnen Unterkriterien zugeordneten Punktbewertungen oder Benotungen errungen werden konnten. Dazu würde sich das vorlegende Oberlandesgericht in Widerspruch begeben, wenn es in der von ihm befürworteten Weise entschiede.
24
b) Die Voraussetzungen für die Entscheidung durch den Bundesgerichtshof nach § 179 Abs. 2 GWB sind nicht nachträglich dadurch entfallen, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf in einer neueren Entscheidung von seiner zur Divergenzvorlage führenden Rechtsprechung Abstand genommen hat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. März 2017 - Verg 39/16). Für eine "Rück- gabe" des Verfahrens an den vorlegenden Vergabesenat wegen Wegfalls der Vorlagevoraussetzungen ist nach der gesetzlichen Regelung kein Raum, weil der Bundesgerichtshof danach anstelle des Oberlandesgerichts entscheidet (§ 179 Abs. 2 Satz 2 GWB).

III.


25
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin hat hingegen Erfolg und führt auch insoweit zur Zurückweisung des Nachprüfungsantrags. Die von der Antragsgegnerin vorgesehenen Zuschlagskriterien stehen mit dem Gesetz in Einklang.
26
1. Die von der Antragsgegnerin für die Preisbewertung vorgesehene Methode hält - auch unter Berücksichtigung des sich durch die gewählten Zuschlagskriterien insgesamt eröffnenden Wertungsspielraums - der vergaberechtlichen Nachprüfung stand.
27
a) Die Antragstellerin meint, der Preis werde infolge der gewählten Berechnungsmethode entgegen den Vergabeunterlagen faktisch nicht mit 50 % berücksichtigt, sondern wettbewerbsverzerrend völlig entwertet. Diese Rüge geht an dem Erklärungsgehalt der Angaben in den Vergabeunterlagen zur Gleichbewertung von Preis und Qualität vorbei und greift deshalb nicht durch. aa) Wie die in den Vergabeunterlagen angekündigte paritätische Bewer28 tung von Preis und Qualitätskriterien zu verstehen ist, ergibt sich aus der Sicht der angesprochenen Bieter nicht durch isolierte Interpretation dieser Angaben, sondern unter Berücksichtigung der gesamten Erläuterungen der beabsichtigten Wertung in den Vergabeunterlagen. Danach ist erkennbar, wie die angekündigte jeweils hälftige Bewertung von Preis und Qualität gehandhabt werden soll, nämlich in der Weise, dass auf den günstigsten Preis einerseits und die bei der Qualität der Leistung maximal mögliche Bewertung andererseits jeweils die Hälfte der höchstens zu erreichenden Punktzahl entfällt. Die Bewertung des Preises mit 50% erfolgt danach durch Umrechnung
29
des Preises in einem Punktesystem mit maximal 50 Punkten. Der niedrigste Angebotspreis (Gesamtsumme sechs Jahre brutto) je Los erhält 50 Punkte. Zur Berechnung des Abstands der teureren Angebote wird der niedrigste Angebotspreis der in die letzte Wertungsstufe gelangten Angebote mit der maximal zu vergebenden Punktzahl (50 Punkte) multipliziert und das Ergebnis durch die jeweiligen höheren Angebotspreise der übrigen Bieter dividiert. Die Ankündigung der hälftigen Berücksichtigung des Preises ist deshalb für sich genommen nicht irreführend. bb) Der Rückgriff auf diese Bewertungsmethode kann der Antragsgegne30 rin vergaberechtlich auch nicht wegen seiner vermeintlichen wettbewerbsverzerrenden Wirkung verwehrt werden.
31
(1) Der Antragstellerin ist allerdings zuzugeben, dass unter der von ihr angenommenen Prämisse, der Wettbewerb lasse eine Spreizung der Angebotspreise von allenfalls 10 % erwarten, die gesamte Punkteskala nicht annähernd ausgeschöpft, sondern nur der Bereich zwischen 50 und etwa 45 Punkten belegt werden dürfte. Das vergaberechtlich erfahrene Oberlandesgericht teilt diese Einschätzung. Sie erscheint auch in Anbetracht des beiderseitigen Vorbringens zu den Rabattspannen der Deutschen Post AG gegenüber sogenannten Konsolidierungsunternehmen für vorsortiert angelieferte Massensendungen durchaus plausibel. Den eingereichten Unterlagen zufolge hat die Deutsche Post 2016 insoweit etwa bei Einlieferungen ab 250 Briefen im regionalen Versand zwar einen Rabatt von 45 % auf das reguläre Porto gewährt.
Dieser Rabattierung bei Konsolidierungsleistungen müssen aber die Preisgestaltungsmöglichkeiten von Konkurrenten der Deutschen Post im Wettbewerb um den vorliegend ausgeschriebenen Auftrag schon deshalb nicht entsprechen, weil sie auch Beiträge zu den eigenen Fixkosten erwirtschaften und, wenn sie, wie die Antragstellerin, nur im regionalen Bereich eigene Zusteller einsetzen können, im überregionalen Versand Subunternehmer einschalten und bezahlen müssen.
32
(2) Auch wenn bei der Preisbewertung nach der hier eingesetzten "einfachen linearen Methode" eine volle Ausschöpfung der Punkteskala nicht annähernd zu erwarten ist, rechtfertigt das nicht, der Antragsgegnerin ihre Anwendung zu untersagen. Diese durchaus gängige Methode (vgl. dazu Krohn in: von Wietersheim (Hrsg.) "Vergabe von Postdienstleistungen", Schriftenreihe des forum vergabe e.V., S. 164) kann nicht per se als vergaberechtswidrig bewertet werden. Das gilt umso mehr, als in der Fachliteratur nachvollziehbar aufgezeigt wird, dass auch andere Bewertungsmethoden unter Umständen zu als unbillig oder widersprüchlich empfundenen Ergebnissen führen können (vgl. etwa Kiiver /Kodym, NZBau 2015, 59; Bartsch/von Gehlen/Hirsch, NZBau 2012, 393; Roth, NZBau 2011, 75; Schneider, NZBau 2002, 555 und dazu OLG Düsseldorf , NZBau 2002, 578 ff.) und dem Auftraggeber insoweit nicht ohne Weiteres angesonnen werden kann, sich für oder gegen eine alternative Berechnungsmethode zu entscheiden. Mit einer Diskrepanz zwischen der Spreizung der zu erwartenden Angebotspreise und der Spreizung der zu erwartenden Qualitätsbewertungen bringt der Auftraggeber zum Ausdruck, dass er der Qualität der Leistung erhebliches Gewicht beimessen und einen etwas niedrigeren Preis gegebenenfalls geringer gewichten will als ein qualitativ etwas besseres Angebot ; dies ist für sich genommen nicht rechtswidrig. In welchem Umfang eine solche Diskrepanz auftritt, hängt überdies vom Einzelfall und von dem Spielraum ab, den insoweit die Kriterien bieten, nach denen die Qualität der angebo- tenen Leistungen zu bewerten ist. Das Argument der Antragstellerin, selbst ein den niedrigsten um das Fünfzigfache übersteigender Preis erhalte immer noch einen Punkt, ist deshalb für das Verhältnis zwischen Preis- und Qualitätsbewertung ohne Aussagekraft.
33
b) Unter diesen Umständen kann die Wahl einer bestimmten Preisumrechnungsmethode vergaberechtlich vielmehr nur beanstandet werden, wenn sich gerade ihre Heranziehung im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände als mit dem gesetzlichen Leitbild des Vergabewettbewerbs unvereinbar erwiese. Das lässt sich im Streitfall indes nicht feststellen. Die Preisbewertungsmethode begegnet auch in der Gesamtschau unter Einschluss der Qualitätskriterien nicht solchen vergaberechtlichen Bedenken, dass die Verwendung des vorgesehenen Wertungsschemas zur Vermeidung von Rechtsverletzungen einzelner Bieter und Schädigung ihrer geschützten Interessen (vgl. § 168 Abs. 1 Satz 1 GWB) untersagt werden müsste.
34
aa) Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Dieses bestimmt sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis (§ 127 Abs. 1 Satz 1, 3 GWB). Grundlage dafür ist eine Bewertung des öffentlichen Auftraggebers , ob und inwieweit die Angebote die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllen (§ 127 Abs. 1 Satz 2 GWB). Die Zuschlagskriterien spiegeln dementsprechend wider, wie der Auftraggeber im jeweiligen Vergabeverfahren das Preis-Leistungs-Verhältnis bewerten möchte, wenn sich bei den Angebotspreisen einerseits und der Qualität des Angebots andererseits unterschiedliche Rangfolgen ergeben. Hierfür ist ihm ein weiter Beurteilungs- und Handlungsspielraum eröffnet; der Auftraggeber muss seinen Beschaffungsbedarf in den Schranken wirtschaftlicher und fiskalischer Vernunft und der aus § 97 GWB abzuleitenden Regeln für den Vergabewettbewerb frei definieren können; zu die- ser Definition gehört auch, welche Qualität die Leistung vorzugsweise haben soll.
35
Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes vom 17. Februar 2017 (BGBl. I S. 203) sind ihm dabei insoweit Grenzen gesetzt, als der Preis bzw. die Kosten in der Angebotswertung zwingend berücksichtigt werden müssen (vgl. BT-Drucks. 18/6281 S. 111 zu § 127 Abs. 1 RegE VergRModG). Diese Sichtweise stimmt mit der Richtlinie 2014/24 EU über die öffentliche Auftragsvergabe überein (vgl. dort Erwägungsgrund 90 Abs. 1, 92 Abs. 3). Sind zwei Angebote qualitativ in jeder Hinsicht gleichwertig, ist der Zuschlag zwingend auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis zu erteilen. Neben dem Preis bzw. den Kosten kann der öffentliche Auftraggeber eine Vielzahl qualitativer Zuschlagskriterien festlegen (§ 127 Abs. 1 Satz 4 GWB), die grundsätzlich umso größeres Gewicht haben sollen, desto weniger es sich bei dem nachgefragten Wirtschaftsgut um eine marktübliche, standardisierte Leistung handelt. Eine allzu einseitige Ausrichtung am Preis birgt, worauf auch der Bundesgerichtshof hingewiesen hat, die Gefahr, dass Vergabeentscheidungen getroffen werden, die sich letztlich als unwirtschaftlich erweisen, weil sie qualitativen Unterschieden der Leistung nicht Rechnung tragen (BGH, NZBau 2017, 230 Rn. 21 - Notärztliche Dienstleistungen).
36
bb) Im Streitfall geht es zwar mit Postdienstleistungen um die Beschaffung vergleichsweise weitgehend standardisierter Leistungen (unten Rn. 40). Aber auch bei einer in dieser Weise geprägten Nachfrage ist der öffentliche Auftraggeber nicht gehindert, Qualitätskriterien in die Wertung einfließen zu lassen (BT-Drucks. 18/6281 aaO) und die Bewertung der Angebote, wie im Streitfall, in erheblichem Maße davon abhängig zu machen, inwieweit kontinuierlich eine zügige und reibungslose Erbringung der Dienstleistung mit möglichst geringem Reklamationsaufkommen gewährleistet ist.
37
Dabei kann ein hoher Einfluss von Qualitätskriterien auf die Zuschlagsentscheidung , wie er im Streitfall zu verzeichnen ist, unter Umständen einzelnen Anbietern, namentlich dem ressourcenstarken früheren Inhaber eines Monopols , mehr als anderen Bewerbern entgegenkommen. Dieser Umstand lässt die Verwendung des von der Antragsgegnerin konzipierten Wertungsschemas für sich genommen aber noch nicht als vergaberechtswidrig erscheinen. Öffentliche Auftraggeber sind zwar generell verpflichtet, ihren Bedarf in transparentem Wettbewerb unter Gleichbehandlung der Bieter zu decken (§ 97 Abs. 1, 2 GWB). Es stellt für sich ohne Weiteres aber noch keine vergaberechtlich zu beanstandende Ungleichbehandlung dar, wenn ein Wertungsschema, das ein öffentlicher Auftraggeber in der Position der Antragsgegnerin anwendet, der selbst nur Nachfrager ohne eigene Regulierungsverantwortung ist und grundsätzlich die für ihn bestmögliche Bedarfsdeckung anstreben darf, qualitative Gesichtspunkte der Leistungserbringung wie geschehen hervorhebt.
38
cc) Die Grenze zur Vergaberechtswidrigkeit der Verwendung eines solchen Wertungsschemas wäre überschritten, wenn qualitativen Wertungskriterien einzeln oder in ihrer Gesamtheit ein Gewicht zugemessen würde, das sachlich nicht zu rechtfertigen ist und deshalb die Annahme nahelegt, dass die Kriterien so ausgestaltet wurden, dass nur ein oder einzelne Unternehmen realistische Aussichten auf den Zuschlag haben, während andere Anbieter trotz Vergabe im offenen Verfahren (§ 119 Abs. 3 GWB) und objektiv gegebener Eignung (§ 122 GWB) von vornherein chancenlos wären. In einer solchen Fallgestaltung würden die Wertungskriterien bei der gebotenen wertenden Betrachtung der Sache nach Eignungskriterien bilden und bestimmte Bieter entgegen den für das offene Verfahren geltenden Grundsätzen ausschließen. Dafür, dass dies im Streitfall der Fall wäre, hat die Antragstellerin jedoch nichts geltend gemacht , und hierfür ist auch nichts erkennbar.
39
2. Auch die vorgesehene Methode der Qualitätsbewertung ist entgegen der Auffassung der Vergabekammer nicht zu beanstanden. Im Streitfall steht es einer transparenten und wettbewerbskonformen Auftragsvergabe (§ 97 Abs. 1 Satz 1 GWB) nicht entgegen, dass die von den Bietern vorgelegten Konzepte für die Kompensation von Schwankungen im Sendungsaufkommen/Auftragsspitzen und zur Sicherstellung einer effektiven Leistungserbringung im Rahmen der Angebotswertung benotet werden und einen der jeweiligen Note zugeordneten Punktwert erhalten, ohne dass die Vergabeunterlagen weitere konkretisierende Angaben dazu enthalten, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl für das Konzept konkret abhängen soll. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen.
40
a) Gegenstand des Vergabeverfahrens sind im Streitfall mit der Abholung , Weiterleitung und Zustellung postalischer Sendungen weitgehend standardisierte Dienstleistungen (oben Rn. 36), die im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses in mehr oder minder massenhafter Wiederkehr zu erbringen sind. Die bis zur Aushändigung jeder einzelnen Sendung an den jeweiligen Empfänger zu erbringenden Einzelleistungen von der Abholung und Beförderung von Brief- oder Paketsendungen bis hin zu deren Ablieferung beim Empfänger sind für sich und in ihrer Abfolge in den Vergabeunterlagen konkret und erschöpfend beschrieben.
41
b) Soweit die Bieter ihre Konzepte für die Erfüllung der QualitätsUnterkriterien schriftlich darstellen sollen, hat der Wettbewerb partiell das Gepräge eines Vergabeverfahrens mit funktionaler Leistungsbeschreibung (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 VgV, vgl. dazu Prieß/Simonis in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 31 Rn. 14). Gegenstand der Wertung sind insoweit die vom einzelnen Bieter zur Bewältigung eines deutlich überdurchschnittlichen Anfalls von Sendungen vorgesehenen Vorkehrungen zur Gewährleistung einer insgesamt gleichwohl zeitnahen Zustellung. Sinngemäß das Gleiche gilt für die von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen gemäß den Anforderungen der Vergabeunterlagen zum Unterkriterium der Sicherstellung einer effektiven Leistungserbringung.
42
Gegenstand der Angebotswertung ist insoweit in einem ersten Schritt die prognostische Beurteilung, ob bzw. inwieweit die aus den Konzepten ersichtlichen Maßnahmen zur Bewältigung von Auftragsspitzen bzw. Sicherstellung einer effektiven Leistungserbringung beitragen können. Je nachdem, in welchem Maße die Lösungsvorschläge aus Sicht der Antragsgegnerin insoweit Erfolg versprechen, erhält das jeweilige Konzept in einem zweiten Schritt eine entsprechende Benotung und die nach dem Schlüssel in den Vergabeunterlagen zu errechnende Punktzahl.
43
c) Die von der Vergabekammer geforderten weiteren Erläuterungen der Auftraggeberin zu ihren Erwartungen an die Inhalte des einzureichenden Konzepts sind rechtlich nicht geboten.
44
aa) Dass das Unterkriterium "Schwankungen im Sendungsaufkommen/ Auftragsspitzen" auf die Sicherstellung einer möglichst rückstaufreien Bewältigung der angefallenen Post auch in Spitzenlastzeiten zielt, versteht sich für die Bieter von selbst. Infolge der ergänzenden Informationen in den Vergabeunterlagen , dass bei Los 1 im Tagesdurchschnitt ein Aufkommen von ca. 8.000 Sendungen zu erwarten sei, es jedoch zu Abweichungen von bis zu 40% kommen könne, etwa wenn zu einem vom Auftraggeber vorgegebenen Stichtag teilweise bis zu mehrere tausend Sendungen mit Gebühren- oder Grundsteuerbescheiden gleichzeitig versendet und mit dem Datum dieses Tages frei gemacht werden müssten, und dass Los 2 durchschnittlich 30 Paketsendungen täglich betreffe, die tatsächliche Anzahl aber zwischen 5 und 100 Paketen schwanken könne, können die Bieter sich ein Bild davon machen, wofür ihr Konzept eine taugliche Lösung anbieten muss.
45
bb) Entsprechendes gilt für das zweite Unterkriterium der Sicherstellung einer effektiven Leistungserbringung mit Blick darauf, dass in der Leistungsbeschreibung folgende Unterpunkte gebildet sind: - Sicherstellung der Zustellung in Häusern, bei denen aufgeschlossen bzw. geklingelt werden muss; - Reaktionsweise bei Notfällen wie Personal- oder Fahrzeugausfällen oder extremen Wetterbedingungen; - Reklamationsmanagement und Reklamations- und Erreichbarkeitszeiten ; - internes Qualitätsmanagement zur Gewährleistung der anforderungsgerechten Leistungserbringung (unter anderem Darstellung des Umgangs von [gemeint: mit] betriebsinternen Änderungen bezüglich Software oder eingesetzter Technik sowie sonstige Weiterbildungsmaßnahmen).
46
Damit werden den Bietern die Anforderungen der Antragsgegnerin unter Transparenzgesichtspunkten hinreichend verdeutlicht. Die Forderung der Vergabekammer nach Unterlegung der erzielbaren Noten bzw. Punkte mit konkretisierenden Informationen zu den von der Antragsgegnerin mit der Erfüllung der Unterkriterien verbundenen Erwartungen läuft darauf hinaus, ihr die Durchführung eines partiell anderen Vergabeverfahrens aufzuerlegen, als es ihren eigentlichen Intentionen entspricht, und den Bietern direkt oder mittelbar Lösungskomponenten vorzugeben, die diese zwangsläufig aufgreifen würden, um in der Angebotswertung bestehen zu können. Damit würde die Antragsgegnerin gezwungen, Aufgaben zu übernehmen, deren Lösung sie im Rahmen der funktionalen Ausschreibung in vergaberechtlich unbedenklicher Weise auf die Bieter delegieren wollte.
47
Diese Bewertung steht im Übrigen in Einklang mit der neuesten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 14. Juli 2016 - C-6/15, VergabeR 2016, 721 - Dimarso), die auch das Oberlandesgericht Düsseldorf zum Anlass für die Korrektur seiner Rechtsprechung genommen hat.
48
d) Ob es unter außergewöhnlichen Umständen, etwa wenn die Komplexität des Auftragsgegenstands besonders vielschichtige Wertungskriterien erforderlich macht, bei Verwendung eines Benotungs- oder Punktbewertungssystems durch die Vergabestelle zur Vermeidung einer intransparenten Wertung erforderlich sein könnte, dass der Auftraggeber seine Vorstellungen oder Präferenzen zum denkbaren Zielerreichungsgrad erläutert und damit Anhaltspunkte für eine günstige oder ungünstige Benotung vorgibt, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

IV.


49
Für den Fall, dass die Antragsgegnerin den Auftrag im ausgeschriebenen Vergabeverfahren, in dem die ursprüngliche Frist zur Abgabe der Angebote bis zum 3. November 2016 bemessen war, oder in einem neuen Verfahren mit gleichen Wertungskriterien vergeben möchte, weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin.
50
1. Von der Frage der generellen Zulässigkeit des zugrunde gelegten Wertungsschemas zu trennen ist die Frage der Vergaberechtskonformität der auf seiner Grundlage durchgeführten Wertung.
51
Mit dem hohen Stellenwert der Qualität der Leistungserbringung für die Zuschlagserteilung in diesem Wertungssystem geht die Verpflichtung der Vergabestelle zu einer besonders sorgfältigen Benotung der vorgelegten Konzepte einher. Auf das Unterkriterium der Sicherstellung einer effektiven Leistungserbringung entfällt ein Viertel aller überhaupt erreichbaren Wertungspunkte. Es wird in den Vergabeunterlagen mit dem großen Interesse an einer effektiven Leistungserbringung begründet, die die amtlichen Betriebsabläufe möglichst nicht stört. An diesem das Qualitätskriterium begründenden und damit für die Wirtschaftlichkeit der Beschaffung ausschlaggebenden Interesse der Antragsgegnerin wird sich die Benotung auszurichten haben. Beispielsweise können Unterschiede im internen Qualitätsmanagement unterschiedliches Gewicht haben oder gar ohne Bedeutung sein, wenn es fernliegt, dass sie das Qualitätsinteresse der Antragsgegnerin berühren könnten.
52
2. Der Gefahr, dass die Offenheit des im Streitfall vorgesehenen Wertungsschemas zu einer nicht hinreichend transparenten Vergabe führt, ist durch eingehende Dokumentation des Wertungsprozesses zu begegnen.
53
Der Auftraggeber ist verpflichtet, die Gründe für die Auswahlentscheidung und den Zuschlag zu dokumentieren (§ 8 Abs. 1 Satz 2 VgV). Insbesondere dann, wenn er sich dafür, wie im Streitfall, eines aus Preis und qualitativen Aspekten zusammengesetzten Kriterienkatalogs bedient, bei dem die Angebote hinsichtlich der Qualitätskriterien mittels eines Benotungssystems bewertet werden und die Bewertungsmethode des Preises nur enge Kompensationsmöglichkeiten für qualitative Abzüge erwarten lässt (oben Rn. 31), muss der Auftraggeber seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind. Wird die Auswahlentscheidung zur Vergabenachprüfung gestellt, untersuchen die Nachprüfungsinstanzen auf Rüge gerade auch die Benotung des Angebots des Antragstellers als solche und in Relation zu den übrigen Angeboten, insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten. Auch wenn dem öffentlichen Auftraggeber bei der Bewertung und Benotung ein Beurteilungsspielraum zustehen muss, sind seine diesbezüglichen Bewertungsentscheidungen in diesem Rahmen insbesondere auch darauf hin überprüfbar, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden.

V.


54
Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und 2 analog, § 78 GWB. Die von den Beteiligten nicht angefochtene Gebührenfestsetzung durch die Vergabekammer bleibt unberührt.
Meier-Beck Gröning Bacher
Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
OLG Dresden, Entscheidung vom 02.02.2017 - Verg 7/16 -

(1) Vor dem Beschwerdegericht müssen sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen.

(2) Die §§ 65, 69 bis 72 mit Ausnahme der Verweisung auf § 227 Absatz 3 der Zivilprozessordnung, § 75 Absatz 1 bis 3, § 76 Absatz 1 und 6, die §§ 165 und 167 Absatz 2 Satz 1 sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann von den am Beschwerdeverfahren Beteiligten durch Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden.

(2) Über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof durch Beschluss, der zu begründen ist. Der Beschluss kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.

(4) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts zu begründen. Die Frist kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden verlängert werden. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde müssen die Zulassungsgründe des § 77 Absatz 2 dargelegt werden.

(5) Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; dies gilt nicht für Nichtzulassungsbeschwerden der Kartellbehörden.

(6) Wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, so wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts mit der Zustellung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs rechtskräftig. Wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, so wird das Verfahren als Rechtsbeschwerdeverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Rechtsbeschwerde. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde.

(1) Vor dem Beschwerdegericht müssen sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen.

(2) Die §§ 65, 69 bis 72 mit Ausnahme der Verweisung auf § 227 Absatz 3 der Zivilprozessordnung, § 75 Absatz 1 bis 3, § 76 Absatz 1 und 6, die §§ 165 und 167 Absatz 2 Satz 1 sind entsprechend anzuwenden.