Oberlandesgericht München Beschluss, 20. Dez. 2018 - 25 W 962/18
vorgehend
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 27.02.2012, Az. 24 O 21706/11, aufgehoben.
2. Das vom Landgericht (Arrondissementsrechtsbank) Amsterdam erlassene Urteil vom 26.03.1997, Rollennummer H 96.2387, wird zur Zwangsvollstreckung in Deutschland nicht zugelassen.
3. Soweit die Beschwerdeführerin die Beschwerde zurückgenommen hat, ist sie des eingelegten Rechtsmittels verlustig.
4. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beschwerdegegnerin.
Gründe
I.
II.
III.
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(1) Ist die Zwangsvollstreckung aus dem Titel zuzulassen, so beschließt das Gericht, dass der Titel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist. In dem Beschluss ist die zu vollstreckende Verpflichtung in deutscher Sprache wiederzugeben. Zur Begründung des Beschlusses genügt in der Regel die Bezugnahme auf das durchzuführende Abkommen der Europäischen Union oder den auszuführenden Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag sowie auf von dem Antragsteller vorgelegte Urkunden. Auf die Kosten des Verfahrens ist § 788 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.
(2) Ist der Antrag nicht zulässig oder nicht begründet, so lehnt ihn das Gericht durch mit Gründen versehenen Beschluss ab. Die Kosten sind dem Antragsteller aufzuerlegen.
(1) Auf Grund des Beschlusses nach § 8 Absatz 1 erteilt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vollstreckungsklausel in folgender Form:
„Vollstreckungsklausel nach § 4 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes. Gemäß dem Beschluss des .......... (Bezeichnung des Gerichts und des Beschlusses) ist die Zwangsvollstreckung aus .......... (Bezeichnung des Titels) zugunsten .......... (Bezeichnung des Berechtigten) gegen .......... (Bezeichnung des Verpflichteten) zulässig.
Die zu vollstreckende Verpflichtung lautet:
.......... (Angabe der dem Verpflichteten aus dem ausländischen Titel obliegenden Verpflichtung in deutscher Sprache; aus dem Beschluss nach § 8 Absatz 1 zu übernehmen).
Die Zwangsvollstreckung darf über Maßregeln zur Sicherung nicht hinausgehen, bis der Gläubiger eine gerichtliche Anordnung oder ein Zeugnis vorlegt, dass die Zwangsvollstreckung unbeschränkt stattfinden darf.”
Lautet der Titel auf Leistung von Geld, so ist der Vollstreckungsklausel folgender Zusatz anzufügen:
„Solange die Zwangsvollstreckung über Maßregeln zur Sicherung nicht hinausgehen darf, kann der Schuldner die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von ……… (Angabe des Betrages, wegen dessen der Berechtigte vollstrecken darf) abwenden.”
(2) Wird die Zwangsvollstreckung nur für einen oder mehrere der durch die ausländische Entscheidung zuerkannten oder in einem anderen ausländischen Titel niedergelegten Ansprüche oder nur für einen Teil des Gegenstands der Verpflichtung zugelassen, so ist die Vollstreckungsklausel als „Teil-Vollstreckungsklausel nach § 4 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes“ zu bezeichnen.
(3) Die Vollstreckungsklausel ist von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen. Sie ist entweder auf die Ausfertigung des Titels oder auf ein damit zu verbindendes Blatt zu setzen. Falls eine Übersetzung des Titels vorliegt, ist sie mit der Ausfertigung zu verbinden.
(1) Die Zwangsvollstreckung aus dem Titel, den der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges mit der Vollstreckungsklausel versehen hat, ist auf Antrag des Berechtigten über Maßregeln zur Sicherung hinaus fortzusetzen, wenn das Zeugnis des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts vorgelegt wird, dass die Zwangsvollstreckung unbeschränkt stattfinden darf.
(2) Das Zeugnis ist dem Berechtigten auf seinen Antrag zu erteilen,
- 1.
wenn der Verpflichtete bis zum Ablauf der Beschwerdefrist keine Beschwerdeschrift eingereicht hat, - 2.
wenn das Beschwerdegericht die Beschwerde des Verpflichteten zurückgewiesen und keine Anordnung nach § 22 Absatz 2 erlassen hat, - 3.
wenn der Bundesgerichtshof die Anordnung des Beschwerdegerichts nach § 22 Absatz 2 aufgehoben hat (§ 22 Absatz 3 Satz 2) oder - 4.
wenn der Bundesgerichtshof den Titel zur Zwangsvollstreckung zugelassen hat.
(3) Aus dem Titel darf die Zwangsvollstreckung, selbst wenn sie auf Maßregeln der Sicherung beschränkt ist, nicht mehr stattfinden, sobald ein Beschluss des Beschwerdegerichts, dass der Titel zur Zwangsvollstreckung nicht zugelassen werde, verkündet oder zugestellt ist.
(1) Ist die Zwangsvollstreckung aus dem Titel zuzulassen, so beschließt das Gericht, dass der Titel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist. In dem Beschluss ist die zu vollstreckende Verpflichtung in deutscher Sprache wiederzugeben. Zur Begründung des Beschlusses genügt in der Regel die Bezugnahme auf das durchzuführende Abkommen der Europäischen Union oder den auszuführenden Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag sowie auf von dem Antragsteller vorgelegte Urkunden. Auf die Kosten des Verfahrens ist § 788 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.
(2) Ist der Antrag nicht zulässig oder nicht begründet, so lehnt ihn das Gericht durch mit Gründen versehenen Beschluss ab. Die Kosten sind dem Antragsteller aufzuerlegen.
BUNDESGERICHTSHOF
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, Dr. Schoppmeyer und Meyberg
am 21. September 2017
beschlossen:
Der Gegenstandswert wird auf 3.500.000 € festgesetzt.
Gründe:
A.
- 1
- Die Antragstellerin erwirkte gegen die Antragsgegner ein Urteil des Gerichtshofs Den Haag, Niederlande, vom 31. Oktober 2000, durch welches die Antragsgegner verurteilt wurden, als Gesamtschuldner 6.808.248 NLG nebst Zinsen und Kosten an die Antragstellerin zu zahlen. Die Antragsgegner hatten sich in dem Verfahren vor dem niederländischen Gericht nicht eingelassen.
- 2
- Mit Beschluss vom 2. August 2011 hat der Vorsitzende einer Zivilkammer des Landgerichts angeordnet, das Urteil gemäß Art. 31 ff EuGVÜ mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Nach Aufhebung und Zurückverweisung durch den Beschluss des Senats vom 24. September 2015 (IX ZB 91/13) hat das Oberlandesgericht die Vollstreckbarerklärung bezüglich der Antragsgegnerin zu 2 aufgehoben und den Antrag der Antragstellerin insoweit zurückwiesen. Die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1 hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt die Antragsgegnerin zu 1 die Aufhebung und Versagung der Vollstreckbarerklärung.
B.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG, Art. 41 des Brüsseler EWG-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: EuGVÜ) statthaft und zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
I.
- 4
- Das Beschwerdegericht hat - soweit noch von Interesse - ausgeführt, die Vollstreckbarerklärung hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1 sei zu Recht erfolgt. Ein Anerkennungsversagungsgrund gemäß Art. 27 EuGVÜ sei nicht gegeben.
- 5
- Ein Verstoß gegen den ordre public liege nicht vor. Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ sei nicht deshalb verletzt, weil der Vertrag eine Schiedsklausel enthalten habe. Ebensowenig verletze es den ordre public, dass die Abtretung der Ansprüche für wirksam gehalten worden sei, obwohl dies erst aus der fingierten Zustellung der Klageschrift folge. Schließlich sei die Einbeziehung der Antragsgegnerin zu 1 in den Rechtsstreit nicht unter Verstoß gegen den ordre public erfolgt.
- 6
- Es liege kein Anerkennungshindernis nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ vor. Die Klageschrift sei der Antragsgegnerin ordnungsgemäß zugestellt worden. Da im Verhältnis zum Irak kein vorrangiges Abkommen Anwendung finde, richte sich die ordnungsgemäße Zustellung nach niederländischem Recht. Dessen Voraussetzungen seien erfüllt. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Klageschrift der Antragsgegnerin zu 1 nicht so rechtzeitig zugestellt worden sei, dass sie sich nicht verteidigen konnte. Die Antragsgegnerin zu 1 habe hierzu nicht substantiiert vorgetragen. Die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Rechtzeitigkeit trage der Schuldner. Es genüge insoweit nicht, dass die Antragsgegnerin sich darauf berufe, dass in den Jahren 1998 und 1999 angesichts der gegen den Irak bestehenden Sanktionen eine Zustellung nicht oder allenfalls mit erheblicher Verzögerung erfolgt sei. Es stehe fest, dass auch in diesen Jahren der Postverkehr in den Irak über Jordanien per Bus oder Lastwagen erfolgt sei. Vor diesem Hintergrund habe die Antragsgegnerin zu 1 ihr Vorbringen zu den Gründen für einen verspäteten Zugang der Klage präzisieren müssen und sich nicht darauf zurückziehen dürfen, sie könne trotz aufwändiger Nachforschungen nicht feststellen, ob, wann und in welcher Form ihr die Klage zugestellt worden sei.
II.
- 7
- Das hält in einem Punkt rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 8
- 1. Nachdem die Entscheidung des Gerichtshofs Den Haag in einem vor dem 1. März 2002 eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ergangen ist und vor diesem Zeitpunkt erlassen worden ist, ist auf das Vollstreckbarerklärungsverfahren gemäß § 66 Abs. 2 EuGVVO aF noch das EuGVÜ anwendbar.
- 9
- 2. Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht angenommen, dass der Versagungsgrund nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ nicht erfüllt ist. Ein Verstoß gegen den ordre public liegt nicht vor.
- 10
- a) Der Versagungsgrund nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ ist im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 36 ff EuGVÜ von Amts wegen auch ohne entsprechende Rüge des Antragsgegners zu prüfen (BGH, Beschluss vom 10. September 2015 - IX ZB 39/13, ZIP 2015, 212 Rn. 9 mwN zu Art. 34 Nr. 1 EuGVVO). Die hierfür entscheidungserheblichen Tatsachen sind nicht von Amts wegen zu ermitteln , sondern nach dem insoweit anwendbaren autonomen Verfahrensrecht des Vollstreckungsstaates aufgrund des in Deutschland geltenden Beibringungsgrundsatzes von dem Antragsgegner darzulegen (BGH, aaO Rn. 10 mwN). Das Beschwerdegericht hat die von der Antragsgegnerin zu 1 erhobenen Einwendungen geprüft und einen Verstoß gegen den ordre public verneint. Dies hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
- 11
- b) Die Rechtsbeschwerde zeigt keinen Sachvortrag auf, auf dessen Grundlage die Anerkennung des niederländischen Urteils gegen den deutschen ordre public verstoßen könnte. Soweit sie geltend macht, der Fall werfe die Frage auf, ob der deutsche ordre public verletzt sei, wenn sich das ausländische Gericht über eine wirksame Schiedsklausel hinwegsetze, kommt es hierauf nicht an. Die Antragsgegnerin zu 1 zeigt schon nicht auf, dass diese Frage Gegenstand des Verfahrens vor dem niederländischen Gericht gewesen ist. Eine Schiedsvereinbarung ist nach deutschem Recht nur auf Einrede zu berücksichtigen (§ 1032 Abs. 1 ZPO). Daher steht eine wirksame Schiedsklausel einer Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils nicht entgegen, wenn der Schuldner es unterlassen hat, sie im Ausgangsverfahren geltend zu machen.
- 12
- Ebenso wenig kommt es auf die Frage an, ob Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 2465/96 des Rates vom 17. Dezember 1996 über die Unterbrechung der wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Irak (ABl. 1996, Nr. L 337/1) die Antragsgegnerin zu 1 in ihren Möglichkeiten, sich gegen die Klage in den Niederlanden zu verteidigen , eingeschränkt haben. Es obliegt der Antragsgegnerin zu 1, die tatsächlichen Voraussetzungen darzulegen, unter denen eine Entscheidung des niederländischen Gerichts trotz dieser Einschränkung einen Verstoß gegen den deutschen ordre public begründen könnte. Die Würdigung des Beschwerdegerichts, die entsprechenden Darlegungen seien ohne Substanz und auch in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend, sind rechtsfehlerfrei. Der von der Rechtsbeschwerde gerügte Gehörsverstoß liegt nicht vor.
- 13
- Selbst wenn die Antragsgegnerin zu 1 aufgrund dieser Bestimmungen praktisch nicht in der Lage gewesen sein sollte, anwaltliche Honorarforderungen zu begleichen, verstößt die Anerkennung des niederländischen Urteils nicht gegen den ordre public. Die Antragsgegnerin zu 1 zeigt nicht auf, dass es ihr nicht möglich gewesen wäre, diesen Gesichtspunkt im Verfahren vor dem nie- derländischen Gericht geltend zu machen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es der Antragsgegnerin zu 1 unmöglich gewesen ist, einen Rechtsbeistand zu finden. Unterlässt der Beklagte es, sich im Ausgangsverfahren zu verteidigen und ihm mögliche Einwände geltend zu machen, folgt allein daraus, dass das Gericht des Ausgangsverfahrens solche Einwände nicht von Amts wegen berücksichtigt hat, kein Verstoß gegen den ordre public. Dass der Einwand, sie könne sich aufgrund der genannten Beschränkungen nicht wirksam verteidigen, in dem Verfahren vor dem niederländischen Gericht von vornherein keinen Erfolg gehabt hätte, zeigt die Antragsgegnerin zu 1 nicht auf.
- 14
- 3. Hingegen hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Versagungsgrund des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht erfüllt sei. Gemäß Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten , der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte.
- 15
- a) Der Versagungsgrund nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ist im Rechtsbehelfsverfahren von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, FamRZ 2008, 586 Rn. 25 zu Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF). Hingegen richtet sich die Art und Weise der Tatsachenermittlung und Wahrheitsfindung nach dem nationalen Verfahrensrecht des Vollstreckungsstaates (BGH, Beschluss vom 28. November 2007 - XII ZB 217/05, NJW 2008, 1531 Rn. 20, zu Art. 27 Nr. 2 Lugano Übereinkommen; vom 12. Dezember 2007, aaO Rn. 26).
- 16
- Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist das verfahrenseinleitende Schriftstück der Antragsgegnerin zu 1 gemäß Art. 55 der niederländischen Zivilprozessordnung durch Zusendung an die Staatsanwaltschaft Dordrecht (sog. remise au parquet) am 9. Oktober 1998 zugestellt worden. Der zuständige Gerichtsvollzieher habe zudem die Versendung weiterer Ausfertigungen der Klageschrift nebst englischer Übersetzung per Einschreiben unmittelbar an die Antragsgegnerin veranlasst. Der Postverkehr in den Irak sei möglich gewesen , jedoch seit dem 2. Juli 1991 über Jordanien und von dort per Autobus oder Lastwagen in den Irak erfolgt. Das Beschwerdegericht hat weder festgestellt , dass die Antragsgegnerin zu 1 das Schriftstück tatsächlich erhalten hat, noch ob und zu welchem Zeitpunkt sie die Möglichkeit hatte, von dem Schriftstück Kenntnis zu nehmen. Vor diesem Hintergrund hält seine Folgerung, dass gleichwohl kein Versagungsgrund gegeben sei, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 17
- b) Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Beschwerdegericht an, dass der Antragsgegnerin zu 1 die Klageschrift ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Insoweit ist auf das Zustellungsrecht im Urteilsstaat abzustellen. Soll die Zustellung an einen in einem anderen Staat ansässigen Schuldner erfolgen, sind die Zustellungsregeln maßgeblich, die der Urteilsstaat im Verhältnis zum Wohnsitzstaat des Schuldners zu beachten hat (EuGH, Urteil vom 3.Juli 1990 - L-305/88, Lancray, IPrax 1991, 177, 178 f; vgl. auch EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2005 - C-522/03, Scania, NJW 2005, 3627 Rn. 24 ff; Geimer /Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 34 Rn. 72; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 34-36 EuGVVO Rn. 11). Nach den unangegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts bestanden keine vertraglichen Beziehungen zwischen den Niederlanden und dem Irak. Daher konnte die Zustellung entsprechend dem niederländischen Zustellungsrecht erfolgen. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts zum niederländischen Recht greift die Rechtsbeschwerde nicht an. Auf Art. 15 des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15. November 1965 (fortan: HZÜ) kommt es entgegen der Rechtsbeschwerde nicht an. Der Irak ist kein Vertragsstaat des HZÜ.
- 18
- c) Rechtlicher Überprüfung hält jedoch nicht stand, soweit das Beschwerdegericht angenommen hat, dass die Antragsgegnerin zur Nichtwahrung des Rechtzeitigkeitserfordernisses nicht hinreichend substantiiert vorgetragen habe und daher nicht festgestellt werden könne, dass die Klageschrift erst so spät zugegangen sei, dass die Antragsgegnerin zu 1 sich nicht verteidigen konnte. Vielmehr trifft den Antragsteller nach Sinn und Zweck und Bedeutung des Versagungsgrundes nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht nur die Beweislast für eine ordnungsgemäße Zustellung, sondern auch für die tatsächliche Möglichkeit einer Kenntnisnahme.
- 19
- aa) Die Bestimmungen des Übereinkommens bringen insgesamt das Bestreben zum Ausdruck sicherzustellen, dass im Rahmen der Ziele des Übereinkommens die Verfahren, die zum Erlass gerichtlicher Entscheidungen führen , unter Wahrung des rechtlichen Gehörs durchgeführt werden (EuGH, Urteil vom 21. Mai 1980 - 125/79, Denilauler, RIW 1980, 510, 512; vom 2. April 2009 - C-394/07, Gambazzi, IPRax 2010, 164 Rn. 23). Dabei darf der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985 - 49/84, Debaecker, RIW 1985, 967 Rn. 10; vom 3. Juli 1990 - C-305/88, Lancray, IPRax 1991, 177, 178; vom 28. März 2000 - C-7/98, Krombach, IPRax 2000, 406 Rn. 43; vom 7. Juli 2016 - C-70/15, Lebek, RIW 2016, 593 Rn. 34).
- 20
- Das Übereinkommen soll dem Beklagten einen wirksamen Schutz seiner Rechte gewährleisten, ohne die unterschiedlichen für die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke im Ausland geltenden Systeme zu harmonisieren (EuGH, Urteil vom 15. Juli 1982 - 228/81, Pendy Plastic, Slg. 1982, 2723 Rn. 13; vom 3. Juli 1990 - C-305/88, Lancray, IPRax 1991, 177, 178). Die zweite in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ genannte Voraussetzung soll gewährleisten, dass dem Beklagten ein ausreichender Zeitraum zur Verfügung steht, um seine Verteidigung vorzubereiten oder die zur Vermeidung einer Säumnisentscheidung erforderlichen Schritte einzuleiten (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981 - 166/80, Klomps, RIW 1981, 781 Rn. 18). Dabei hat neben dem Gericht des Urteilsstaats auch das Gericht des Vollstreckungsstaats zu prüfen, ob diese Rechte gewährleistet sind (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Juli 1990, aaO; vom 13. Oktober 2005 - C-522/03, Scania, NJW 2005, 3627 Rn. 23, 26; vom 6. September 2012 - C-619/10, Trade Agency, IPRax 2013, 427 Rn. 44 für die EuGVVO aF). Es ist daher befugt, eine eigenständige Beurteilung sämtlicher Beweise vorzunehmen und gegebenenfalls nachzuprüfen, ob diese Beweise ausreichen, um zu beurteilen, ob dem Beklagten das verfahrenseinleitende Schriftstück zugestellt worden ist und ob diese Zustellung so rechtzeitig und in einer Weise erfolgt ist, dass er sich verteidigen konnte (EuGH, Urteil vom 6. September 2012, aaO Rn. 38 zu Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF; Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR, 4. Aufl., Art. 45 EuGVVO nF Rn. 60).
- 21
- bb) Hat der Beklagte sich nicht auf das Verfahren eingelassen, muss das Gericht des Vollstreckungsstaats gemäß Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ feststellen, ob das Schriftstück so rechtzeitig zugegangen ist, dass sich der Beklagte verteidigen konnte (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2004 - C-39/02, Maersk, IPRax 2006, 262 Rn. 61). Dies wird im Regelfall erfüllt sein, soweit eine ordnungsge- mäße Zustellung erfolgt ist (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981, aaO Rn. 19; vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, FamRZ 2008, 586 Rn. 30 zu Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF). Dies setzt jedoch voraus, dass diese Zustellung - auch wenn sie ordnungsgemäß war - eine tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme eröffnet. Eine Zustellung, die keine solche Möglichkeit der Kenntnisnahme eröffnet, kann jedenfalls gegenüber einem Beklagten, dessen ladungsfähige Anschrift bekannt ist, nicht als rechtzeitig im Sinne des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ angesehen werden. Denn damit würde dem Beklagten das rechtliche Gehör abgeschnitten. Der Versagungsgrund ist daher erfüllt, wenn der Beklagte sich entweder infolge des Zeitpunkts oder infolge der Art und Weise der Zustellung nicht verteidigen konnte (Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht , 9. Aufl., Art. 34 EuGVO Rn. 33).
- 22
- (1) Zwar verlangt Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht den Nachweis, dass der Beklagte tatsächlich von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück Kenntnis genommen hat (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981 - 166/80, Klomps, RIW 1981, 781 Rn. 19). Die Prüfung, ob die Zustellung rechtzeitig erfolgt ist, verlangt eine Wertung tatsächlicher Art (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985 - 49/84, Debaecker, RIW 1985, 967 Rn. 27). Das Gericht hat im Einzelfall zu prüfen, ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, welche die Annahme nahelegen, dass die Zustellung, obgleich ordnungsgemäß erfolgt, dennoch nicht genügte, den Beklagten in die Lage zu versetzen, Schritte zu seiner Verteidigung einzuleiten (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981, aaO Rn. 19). Denn die Bestimmung trägt der Tatsache Rechnung, dass es in den verschiedenen Vertragsstaaten Systeme fiktiver Zustellungen gibt, die in unterschiedlichem Maße fiktive Rechtsfolgen vorsehen (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985, aaO Rn. 11). Die Wahrscheinlichkeit, dass der Beklagte von der Zustellung tatsächlich Kenntnis erhalten und somit über den erforderlichen Zeitraum verfügt hat, um seine Verteidigung vorzubereiten, kann je nach dem in jeder Rechtsordnung vorgesehenen System fiktiver Zustellungen erheblich variieren (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985, aaO; vgl. auch Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 34 EuGVVO Rn. 71). Hierbei hat das Gericht des Vollstreckungsstaates alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, einschließlich der Art und Weise der Zustellung, der Beziehung zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner und der Art der Maßnahmen, die zur Vermeidung einer Versäumnisentscheidung einzuleiten waren (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981, aaO Rn. 20; Kropholler/von Hein, aaO Art. 34 EuGVO Rn. 36).
- 23
- In der Regel kann das Gericht des Vollstreckungsstaats davon ausgehen , dass der Beklagte nach einer ordnungsgemäßen Zustellung Maßnahmen zur Verteidigung seiner Interessen schon von dem Zeitpunkt an einleiten kann, zu dem das Schriftstück zugestellt wird (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981, aaO Rn. 19). Dies beruht darauf, dass mit einer ordnungsgemäßen Zustellung regelmäßig auch die tatsächliche Möglichkeit einer Kenntnisnahme verbunden ist. Eine Vermutung der Rechtzeitigkeit der Zustellung besteht aber nicht, wenn der Kläger im Falle einer fiktiven Zustellung wusste, wo der Beklagte tatsächlich erreicht werden konnte (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985, aaO Rn. 31). Vor diesem Hintergrund ist es nicht gerechtfertigt, allein auf der Grundlage der fiktiven Zustellung anzunehmen, dass diese auch rechtzeitig erfolgt sei. Vielmehr muss der Kläger, der schon im Rahmen der fiktiven Zustellung hätte dafür Sorge tragen können, dass der Beklagte tatsächlich von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren erfuhr (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985, aaO Rn. 27 f), im Rahmen der Vollstreckbarerklärung bei einer fiktiven Zustellung auch die Umstände darlegen und beweisen, aufgrund derer das Gericht des Vollstreckungsstaats sich davon überzeugen kann, dass der Beklagte die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte.
- 24
- (2) Bereits das EuGVÜ stellt - zusätzlich zur ordnungsgemäßen Zustellung - entscheidend darauf ab, ob der Beklagte tatsächlich von dem eingeleiteten Verfahren Kenntnis nehmen konnte und daher in der Lage war, sich zu verteidigen. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF zeigt diese Zielsetzung nunmehr noch deutlicher (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - C-283/05, ASML, IPRax 2008, 519 Rn. 20; vom 7. Juli 2016 - C-70/15, Lebek, RIW 2016, 593 Rn. 38). Gemäß Art. 33 Abs. 3 EuGVÜ muss der Antragsteller die in den Art. 46, 47 EuGVÜ genannten Urkunden vorlegen (ebenso Art. 53, 54 EuGVVO aF). Daraus folgt, dass er den Beweis für eine ordnungsgemäße Zustellung zu führen hat (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, FamRZ 2008, 586 Rn. 27 mwN zu Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF; OLG Karlsruhe, EWS 1996 109, 110; OLG Hamburg, OLGR 2009, 188, 190; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Januar 2005 - IX ZB 154/01, WuM 2005, 203 unter II.2.b.aa.). Diese den Antragsteller treffende Beweislast soll den Beklagten schützen und dem Gericht des Vollstreckungsstaats eine verlässliche Grundlage für die Feststellung bieten , dass der Beklagte tatsächlich in der Lage war, sich zu verteidigen. Da dies letztlich davon abhängt, ob eine tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, hat der Antragsteller auch dies zu beweisen (Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR, 4. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rn. 60; vgl. auch Schlosser/Hess, EUZivilprozessrecht , 4. Aufl., Art. 45 EuGVVO, Rn. 28; aA Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., vor Art. 33 EuGVO Rn. 7).
- 25
- Im Allgemeinen genügt der Antragsteller seiner Beweislast für die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch die ordnungsgemäße Zustellung. Aus einer ordnungsgemäßen Zustellung folgt regelmäßig, dass der Beklagte die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn weder die Art der Zustellung noch die sie veranlassenden Umstände eine solche Vermutung rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund ist bei fiktiven Zustellungen zu prüfen, ob sie tatsächlich die Möglichkeit einer Verteidigung eröffnen und in diesem Sinne rechtzeitig sind (BGH, Beschluss vom 28. November 2007 - XII ZB 217/05, NJW 2008, 1531 Rn. 31 zu Art. 27 Nr. 2 Lugano Übereinkommen; Roth, IPRax 2008, 501, 502; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 34 EuGVVO Rn. 71). Hierzu ist unter wertender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Abwägung zwischen den schützenswerten Interessen des Gläubigers und des Schuldners zu treffen (BGH, aaO).
- 26
- Ist eine ladungsfähige Anschrift des Beklagten bekannt, genügt entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts für die Rechtzeitigkeit der Zustellung bei fiktiven Zustellungen nicht die abstrakte Möglichkeit, dass der Beklagte das Schriftstück erhalten haben könnte. Es ist in diesen Fällen angesichts der Zielsetzung des EuGVÜ, das rechtliche Gehör des Beklagten zu wahren, Aufgabe des Antragstellers, die Umstände darzulegen und zu beweisen, aufgrund derer das Gericht die Überzeugung gewinnen kann, dass der Antragsgegner die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte. Dies ergibt sich mittelbar auch aus der Formulierung des Versagungsgrundes in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. Dieser zeigt, dass das Fehlen von Versagungsgründen eine negative Tatbestandsvoraussetzung darstellt (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, FamRZ 2008, 586 Rn. 25). Daher muss das Beschwerdegericht in Fällen der fiktiven Zustellung durch remise au parquet die Überzeugung gewinnen, dass für den Schuldner die tatsächliche Möglichkeit einer Kenntnisnahme bestand. Hierbei genügt es, wenn aus den einzelnen Indizien die tatrichterliche Überzeugung gewonnen wird, dass dem Beklagten die Möglichkeit der Verteidigung offen stand (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2006 - IX ZB 23/06, NJW-RR 2007, 638 Rn. 5). Erst wenn feststeht, zu welchem Zeitpunkt die tatsächliche Möglichkeit einer Kenntnisnahme bestand, muss der Antragsgegner beweisen, dass das Schriftstück erst so spät zugestellt worden ist, dass er sich nicht mehr verteidigen konnte.
- 27
- 4. Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union ist im Streitfall nicht erforderlich. Es liegt ein sogenannter acte éclairé vor, der eine Vorlagepflicht ausschließt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Cilfit, NJW 1983, 1257 Rn. 13 ff), weil die Anforderungen an die Feststellung des Versagungsgrundes nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofs abschließend und zweifelsfrei geklärt werden können.
III.
- 28
- Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Das Beschwerdegericht hat sich - von seiner Rechtsauffassung konsequent - nicht mit der Frage auseinandergesetzt , ob die von der Staatsanwaltschaft Dordrecht vorgenommene Zustellung auf diplomatischem Weg und die vom Gerichtsvollzieher abgesandten Schreiben der Antragsgegnerin zu 1 die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme eröffnet haben. Insoweit wird das Beschwerdegericht den Parteien Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme zu geben haben. Es wird sodann zu entscheiden haben, ob die Gesamtumstände den Schluss zulassen, dass die Antragsgegnerin zu 1 die tatsächliche Möglichkeit hatte, von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück Kenntnis zu nehmen.
Schoppmeyer Meyberg
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 02.08.2011 - 1 O 291/11 -
OLG Köln, Entscheidung vom 20.09.2016 - 8 W 9/15 -
(1) Die Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangene Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel wird bei dem Beschwerdegericht durch Einreichen einer Beschwerdeschrift oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt. Beschwerdegericht ist das Oberlandesgericht. Der Beschwerdeschrift soll die für ihre Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften beigefügt werden.
(2) Die Zulässigkeit der Beschwerde wird nicht dadurch berührt, dass sie statt bei dem Beschwerdegericht bei dem Gericht des ersten Rechtszuges eingelegt wird; die Beschwerde ist unverzüglich von Amts wegen an das Beschwerdegericht abzugeben.
(3) Die Beschwerde des Verpflichteten gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung ist innerhalb eines Monats, im Falle des § 10 Absatz 2 Satz 1 innerhalb der nach dieser Vorschrift bestimmten längeren Frist einzulegen. Die Beschwerdefrist beginnt mit der Zustellung nach § 10 Absatz 1. Sie ist eine Notfrist.
(4) Die Beschwerde ist dem Beschwerdegegner von Amts wegen zuzustellen.
Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn
- 1.
der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist, - 2.
bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist, - 3.
eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht oder - 4.
die Zustellung nicht erfolgen kann, weil der Ort der Zustellung die Wohnung einer Person ist, die nach den §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterliegt.
(1) Im Falle des § 8 Absatz 1 sind dem Verpflichteten eine beglaubigte Abschrift des Beschlusses, eine beglaubigte Abschrift des mit der Vollstreckungsklausel versehenen Titels und gegebenenfalls seiner Übersetzung sowie der gemäß § 8 Absatz 1 Satz 3 in Bezug genommenen Urkunden von Amts wegen zuzustellen.
(2) Muss die Zustellung an den Verpflichteten im Ausland oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen und hält das Gericht die Beschwerdefrist nach § 11 Absatz 3 Satz 1 nicht für ausreichend, so bestimmt es in dem Beschluss nach § 8 Absatz 1 oder nachträglich durch besonderen Beschluss, der ohne mündliche Verhandlung ergeht, eine längere Beschwerdefrist. Die Bestimmungen über den Beginn der Beschwerdefrist bleiben auch im Falle der nachträglichen Festsetzung unberührt.
(3) Dem Antragsteller sind eine beglaubigte Abschrift des Beschlusses nach § 8, im Falle des § 8 Absatz 1 ferner die mit der Vollstreckungsklausel versehene Ausfertigung des Titels und eine Bescheinigung über die bewirkte Zustellung, zu übersenden. In den Fällen des Absatzes 2 ist die festgesetzte Frist für die Einlegung der Beschwerde auf der Bescheinigung über die bewirkte Zustellung zu vermerken.
Die Frist für die Beschwerde des Verpflichteten gegen die Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung beträgt zwei Monate und beginnt von dem Tage an zu laufen, an dem die Entscheidung dem Verpflichteten entweder in Person oder in seiner Wohnung zugestellt worden ist, wenn der Verpflichtete seinen Wohnsitz oder seinen Sitz in einem anderen Vertragsstaat dieser Übereinkommen hat. Eine Verlängerung dieser Frist wegen weiter Entfernung ist ausgeschlossen. § 10 Absatz 2 und 3 Satz 2 sowie § 11 Absatz 3 Satz 1 und 2 finden in diesen Fällen keine Anwendung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin beansprucht von den beiden in der Volksrepublik China ansässigen Beklagten aus einem Kooperationsvertrag vom 15. Juli 2005, mit dem die Produkte der Beklagten zu 1 auf dem deutschen Markt vertrieben werden sollten, Ersatz des entgangenen Gewinns wegen Nichtbelieferung nach erfolg- ter Bestellung in Höhe von 423.634,36 €, Mängelbeseitigungskosten von 190.940 € sowie Erstattung von Aufwendungen für die Beseitigung von Mängeln bei Endkunden in Höhe von 37.078,53 €.
- 2
- Die Klageschrift vom 30. Dezember 2008 nimmt zum Beweis des Klagevortrags auf 29 Anlagen (K 1 bis K 29) Bezug. Der Kooperationsvertrag vom 15. Juli 2005 bildet die Anlage K 1. Die Anlagen K 2 bis K 20 betreffen Maschi- nenbestellungen und Verkaufsbestätigungen. Als Anlage K 21 ist (exemplarisch ) ein von der Klägerin eingeholtes Sachverständigengutachten zu einer von der Beklagten zu 1 gelieferten Maschine beigefügt, in dem der Sachverständige Mängel bestätigt. Die Anlagen K 22 bis K 27 bestehen aus Rechnungen, mit denen die Klägerin gegenüber der Beklagten Mängelbeseitigungskosten in Hö- he von 190.940 € abrechnet. Die Anlage K 29 betrifft eine Rechnung der Kläge- rin vom 31. Mai 2006 über entgangenen Gewinn.
- 3
- Nachdem das Landgericht von der Klägerin für die Übersetzung von insgesamt 108 Seiten in die chinesische Sprache einen Betrag von 8.640 € angefordert hatte, hat die Klägerin mit Schreiben vom 3. März 2009 auf die Zustellung der Anlagen zur Klageschrift verzichtet. Daraufhin sind nur die Klageschrift, die am 3. Februar 2009 erfolgte Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens sowie die Aufforderung, binnen vier Wochen einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen oder einen Prozessbevollmächtigten zu bestellen, anderenfalls spätere Zustellungen durch Aufgabe zur Post bewirkt werden könnten, ins Chinesische übersetzt worden. Ausweislich der Zustellungszeugnisse der für internationale Rechtshilfe zuständigen Zentralstelle in Peking vom 1. September 2009 ist die Zustellung der genannten Unterlagen an beide Beklagte am 17. Juni 2009 durch einfache Übergabe an den "personal service" der Beklagten erfolgt.
- 4
- Nach Reduzierung des Klageantrags von 684.277,88 € auf 651.652,88 € hat das Landgericht am 9. November 2009 antragsgemäß ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren erlassen, das laut zwei dem Urteil nachgehefteten Aktenvermerken der Urkundsbeamtin jeweils am 10. November 2009 unter der korrekten Anschrift der Beklagten zur Post gegeben worden ist.
- 5
- Nachdem die Klägerin Ende 2009 mit einer Vollstreckung des Urteils in das Vermögen der Beklagten in Deutschland begonnen hatte, sind die Beklagten am 31. Dezember 2009 unter Erwähnung des "default judgement" (Versäumnisurteil ) sowie unter kurzer Schilderung der bisherigen Prozessgeschichte an ihre damaligen Prozessbevollmächtigten herangetreten. Am 21. Januar 2010 haben die Beklagten, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist beantragt. Sie haben vorgetragen, die Beklagte zu 2 habe das Versäumnisurteil nicht erhalten. Die Beklagte zu 1 habe das Versäumnisurteil zwar erhalten; das Datum der Zustellung lasse sich aber nicht mehr nachvollziehen. Die Beklagte zu 1 sei weder in dem Versäumnisurteil noch in dem begleitenden Schreiben des Gerichts auf die Möglichkeit, Einspruch einzulegen, sowie die hierfür geltenden Form- und Fristvorschriften hingewiesen worden. Dies sei erstmals erfolgt, als die Beklagte zu 1 am 7. Januar 2010 das Versäumnisurteil per E-Mail an ihre Prozessbevollmächtigten übersandt habe.
- 6
- Das Landgericht hat die Wiedereinsetzungsanträge der Beklagten ebenso wie die Einsprüche gegen das Versäumnisurteil als unzulässig verworfen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist vom Berufungsgericht zurückgewiesen worden. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht (OLG Stuttgart, Urteil vom 26. September 2011 - 5 U 166/10, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 9
- Das Landgericht habe den Einspruch der Beklagten zu Recht nach § 341 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen. Das Versäumnisurteil sei den Beklagten am 24. November 2009 wirksam nach § 184 ZPO zugestellt worden mit der Folge, dass die zweiwöchige Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 ZPO am 8. Dezember 2009 abgelaufen sei, weshalb die Einsprüche der Beklagten vom 21. Januar 2010 verspätet seien.
- 10
- Die Verfahrensvoraussetzungen für eine vereinfachte Zustellung nach § 184 Abs. 1 ZPO seien gewahrt. Eine Zustellung nach § 184 ZPO setze voraus , dass die im Ausland wohnende Partei keinen Zustellungsbevollmächtigten bestellt habe, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen sei. Eine solche Prozessförderungspflicht bestehe allerdings erst nach der wirksamen Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses.
- 11
- Sowohl die Klage (ohne Anlagen) als auch die Aufforderung zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten seien beiden Beklagten zugestellt worden. Dies sei für die Beklagte zu 2 unstreitig und für die Beklagte zu 1 aufgrund des Zustellungszeugnisses der nach Art. 2 Abs. 1 des Haager Zustellungsübereinkommens zuständigen Zentralstelle in Peking gemäß § 418 Abs. 1 ZPO nachgewiesen. Dem stehe nicht entgegen, dass in dem Zustellungszeugnis als Empfangsperson nur "personal service" eingetragen sei. Die Beklagten seien unter derselben Geschäftsadresse ansässig und hätten eingeräumt, dass in derselben Posteingangsstelle für beide Beklagte ein bestimmter Mitarbeiter für die ein- und ausgehende Post zuständig sei. Den Beklagten sei daher klar gewesen , welche konkrete Person die Schriftstücke entgegengenommen habe.
- 12
- Die Zustellung der Klage ohne Anlagen habe auch - unabhängig von der Frage, ob die Klagezustellung ordnungsgemäß und wirksam gewesen sei - ein für die Anwendung von § 184 ZPO ausreichendes Prozessrechtsverhältnis zwischen der Klägerin und den beiden Beklagten begründet.
- 13
- Zwar sei nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21. Dezember 2006 (VII ZR 164/05) eine Klagezustellung grundsätzlich unwirksam, wenn die Klageschrift ohne die in Bezug genommenen Anlagen zugestellt werde, da die Zustellung auch der Wahrung des rechtlichen Gehörs des Beklagten diene. Dieser Grundsatz gelte jedoch auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht uneingeschränkt. Die Nichtzustellung von Anlagen zusammen mit der Klageschrift sei jedenfalls dann unschädlich und berühre die Wirksamkeit der Zustellung nicht, wenn das Informationsbedürfnis des Beklagten hierdurch nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt werde. Dies sei beispielsweise angenommen worden, wenn die Anlagen der Klageschrift zwar nicht beigefügt gewesen, der beklagten Partei aber nahezu zeitgleich mit der Klageerhebung übersandt worden oder dieser ohnehin bekannt seien.
- 14
- Ob die Beklagten vorliegend - was teilweise bestritten werde - die konkret mit der Klageschrift vorgelegten Anlagen K 1 bis K 29 gekannt hätten, könne dahinstehen. Jedenfalls sei auch ohne Zustellung der Anlagen von der wirksamen Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses auszugehen. Hierfür reiche es aus, dass die Verteidigungsrechte der Beklagten gewahrt seien, weil die streitigen Punkte bereits vorprozessual zwischen den Parteien ausführlich erör- tert und die Beklagten nicht aus "heiterem Himmel" mit einer Klage überzogen worden seien. Sei die beklagte Partei durch die vorprozessuale Erörterung gewarnt und müsse sie mit einer entsprechenden Klage rechnen, sei es Förmelei, für die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses auf der Übersendung einzelner Unterlagen zu bestehen, wenn diese den schon vorprozessual diskutierten Anspruch lediglich erneut belegten und keine weitergehenden Informationen enthielten. Vorliegend sei die Beklagtenseite über die von der Klägerin erhobenen Ansprüche schon vorprozessual ausreichend unterrichtet gewesen. Dies gelte unabhängig davon, ob die nunmehr mit der Klageschrift vorgelegten Anlagen den Beklagten bereits konkret bekannt gewesen seien. Die vorprozessual von der Klägerin vorgelegten Rechnungen seien von der gleichen Art und genauso pauschal gewesen wie die eingereichten Anlagen zur Klageschrift, auch wenn sie im Einzelnen nicht identisch seien. Die Beklagten hätten davon ausgehen können, dass die nicht übersandten, aber in der Klageschrift in Bezug genommenen Anlagen nicht aussagekräftiger sein würden. Angesichts dessen sei der Einwand der Beklagten, einzelne Anlagen nicht zu kennen und deshalb untätig bleiben zu dürfen, rechtsmissbräuchlich. Wer einen Prozess nicht betreibe , obwohl er wisse, worum es gehe, müsse die hieraus resultierenden Nachteile tragen.
- 15
- Die Beklagten seien daher nach § 184 ZPO verpflichtet gewesen, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Da sie dies nicht getan hätten, habe das Versäumnisurteil durch Aufgabe zur Post zugestellt werden dürfen.
- 16
- Die Aktenvermerke der Urkundsbeamtin über die Aufgabe zur Post seien geeignet, den notwendigen Nachweis der Zustellung des Versäumnisurteils an beide Beklagte zu führen. Die Aktenvermerke müssten nicht auf der Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks angebracht werden. Die beiden Vermerke befänden sich in den Akten unmittelbar hinter dem Versäumnisurteil und könnten diesem daher eindeutig zugeordnet werden. Die Urkundsbeamtin habe in den Vermerken auch den Tag und die richtig geschriebene Anschrift vermerkt, unter der sie das Versäumnisurteil zur Post gegeben habe.
- 17
- Da die Zustellung nach § 184 ZPO als Inlandszustellung angesehen werde, habe es keiner Fristbestimmung nach § 339 Abs. 2 ZPO und keiner Übersetzung des Versäumnisurteils bedurft. Eine Belehrung über die Rechtsbehelfsmöglichkeiten sei ausweislich des Aktenvermerks der Urkundsbeamtin beigefügt gewesen.
- 18
- Den Beklagten sei auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da sie - unabhängig von einem Wiedereinsetzungsgrund - bereits die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist nach § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO versäumt hätten. Die Frist beginne, sobald die Partei oder deren Prozessbevollmächtigter erkannt habe, dass die fristgebundene Prozesshandlung versäumt sei, oder dies bei gehöriger Sorgfalt hätte erkennen müssen. Vorliegend hätten die Beklagten in ihrer E-Mail an ihre Prozessbevollmächtigten vom 31. Dezember 2009 unstreitig von einem "default judgement" des Landgerichts berichtet. Dies zeige, dass die Beklagten zu dieser Zeit das Versäumnisurteil tatsächlich erhalten hätten. Auf den Zeitpunkt der vollständigen Unterrichtung der Anwälte durch Übersendung des Versäumnisurteils am 7. Januar 2010 komme es daher nicht an.
II.
- 19
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand; die Revision ist daher zurückzuweisen.
- 20
- Zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, dass der Einspruch der Beklagten vom 21. Januar 2010 gegen das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 9. November 2009 verfristet war und den Beklagten auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
- 21
- 1. Die zweiwöchige Einspruchsfrist begann nach § 339 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO mit der wirksamen Zustellung des Versäumnisurteils an beide Beklagte gemäß § 184 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 ZPO am 24. November 2009 zu laufen und endete mit Ablauf des 8. Dezember 2009.
- 22
- a) Die Zustellung des Versäumnisurteils durfte gemäß § 184 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Aufgabe zur Post erfolgen. Das Versäumnisurteil wurde auch hinsichtlich beider Beklagter am 10. November 2009 ordnungsgemäß zur Post gegeben.
- 23
- aa) Die Zustellung durch Aufgabe zur Post ist nach § 184 Abs. 1 Satz 2 ZPO nur zulässig, wenn die betroffene Partei keinen Zustellungsbevollmächtigten benannt hat, obgleich sie dazu gemäß § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO verpflichtet war. Eine solche Verpflichtung besteht für die im Ausland wohnende Partei erst nach Rechtshängigkeit, also nach rechtswirksamer Zustellung der Klageschrift (§ 261 Abs. 1, § 253 Abs. 1 ZPO). Erst dann besteht ein Prozessrechtsverhältnis , das eine Prozessförderungspflicht, wie sie in § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO bestimmt ist, begründen kann (vgl. BGH, Urteile vom 24. Februar 1972 - II ZR 7/71, BGHZ 58, 177, 179; vom 10. November 1998 - VI ZR 243/97, NJW 1999, 1187 unter II 1 a aa; Beschluss vom 13. November 2001 - VI ZB 9/01, NJW 2002, 521 unter II 1). Soweit das Berufungsgericht gemeint hat, ein Prozessrechtsverhältnis könne auch unabhängig von einer wirksamen Klagezustellung entstehen, ist dem nicht zu folgen (vgl. BGH, Urteile vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 289/99, NJW 2001, 445 unter II 1; vom 22. Mai 1992 - V ZR 108/91, NJW 1992, 2575 unter II 1; Musielak/Musielak, ZPO, 9. Aufl., Einl. Rn. 55). Allerdings ist nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen von ei- ner wirksamen Zustellung der Klage nebst Aufforderung nach § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO und Belehrung nach § 184 Abs. 2 Satz 3 ZPO an beide Beklagte auszugehen.
- 24
- (1) Sowohl die Klageschrift als auch die gerichtlichen Begleitverfügungen sind beiden Beklagten gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit Art. 5 des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen (vgl. BGBl. II 1977 S. 1453; Haager Zustellungsübereinkommen, im Folgenden: HZÜ) zugestellt worden. Dabei kann dahinstehen, ob die Feststellung des Berufungsgerichts, die Zustellung sei hinsichtlich der Beklagten zu 2 unstreitig, den Senat nach § 314 ZPO bindet oder ob eine solche Bindungswirkung wegen einer Widersprüchlichkeit der Feststellung mit der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Schriftsatzstelle ausscheidet (vgl. hierzu Senatsurteil vom 22. September 2010 - VIII ZR 285/09, WuM 2010, 688 Rn. 58 mwN). Jedenfalls ist die Zustellung an beide Beklagte durch die Zustellungszeugnisse der nach Art. 2 HZÜ zuständigen Zentralstelle in Peking gemäß § 418 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit Art. 6 HZÜ bewiesen.
- 25
- (a) Dem von einer ausländischen Zentralen Behörde (Art. 2 HZÜ) nach Art. 6 HZÜ ausgestellten Zustellungszeugnis kommt die Beweiskraft des § 418 Abs. 1 ZPO zu (BGH, Beschluss vom 13. November 2001 - VI ZB 9/01, aaO; vgl. auch Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 183 Rn. 72; Musielak/Wittschier, aaO § 183 Rn. 4). Die Anwendung des § 418 Abs. 1 ZPO scheitert entgegen der Ansicht der Revision im vorliegenden Fall nicht daran, dass der Aussteller des Zustellungszeugnisses die bezeugte Zustellung (möglicherweise) nicht selbst vorgenommen oder wahrgenommen hat. Zwar erstreckt sich die Beweiskraft des § 418 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nur auf die eigene Wahrnehmung des Bezeugten (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2004 - IX ZB 43/03, NJW 2004, 2386 unter II 2 b mwN). Ob dies auch für behördliche Zeugnisurkunden gilt oder ob es hierfür ausreicht, dass die Wahrnehmung von einem Amtsträger innerhalb der Behörde gemacht worden ist, kann an dieser Stelle dahinstehen (vgl. hierzu MünchKommZPO/Schreiber, 3. Aufl., § 418 Rn. 5). Nach § 418 Abs. 3 ZPO gilt nämlich auch in den Fällen der Beurkundung von Drittwahrnehmungen die Beweisregel des § 418 Abs. 1 ZPO, wenn sich aus Landes- oder Bundesgesetzen (Musielak/Huber, aaO, § 418 Rn. 4; MünchKommZPO/Schreiber, aaO) ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig sein soll. Eine solche Anordnung trifft für Zustellungszeugnisse der ersuchten Behörde § 183 Abs. 4 Satz 2 ZPO.
- 26
- (b) Anders als die Revision meint, steht einer Anwendung des § 418 Abs. 1 ZPO auch nicht entgegen, dass in den Zustellungszeugnissen nicht angegeben ist, an welche natürliche Person die Übergabe erfolgt ist, sondern - neben Ort, Datum und Form der Zustellung - jeweils lediglich eine Übergabe an den "personal service" der Beklagten bescheinigt wird. Zwar sieht das im Anhang zum Haager Zustellungsübereinkommen enthaltene und vorliegend auch verwendete Musterformular für ein Zustellungszeugnis vor, dass Name und Stellung der Empfangsperson sowie deren Verhältnis zum Zustellungsempfänger angegeben werden. Diese Angabe ist insbesondere für den Zustellungsempfänger wichtig, damit dieser weiß, wer die Zustellung erhalten hat, und diese Person befragen und erforderlichenfalls als Zeugen benennen kann, um den nach § 418 Abs. 2 ZPO möglichen Gegenbeweis zu führen (vgl. hierzu BVerwG, NJW 2000, 683, 684; vgl. auch BT-Drucks. 7/4892, S. 45). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass gerade in größeren Unternehmen - wie unstreitig auch bei den Beklagten - der Posteingang nach geregelten Strukturen abläuft. Erachtet bei der Zustellung an ein Unternehmen die ersuchte Behörde die Angabe der Organisationseinheit, an die das Schriftstück ausgehändigt wurde, nach dem am Zustellungsort geltenden Recht für ausreichend, schränkt dies die Nachvollziehbarkeit des Zustellungsvorgangs für den Zustellungsempfänger nicht wesentlich ein und berührt die Aussagekraft des Zustellungszeugnisses nach Art. 6 HZÜ nicht (vgl. Prütting/Gehrlein/Kessen, ZPO, 4. Aufl., § 183 Rn. 4).
- 27
- (2) Die Zustellung der Klageschrift war entgegen der Ansicht der Revision vorliegend auch nicht deshalb unwirksam, weil die Anlagen nicht beigefügt waren.
- 28
- (a) Nach § 253 Abs. 1 ZPO ist mit der Zustellung der Klageschrift die Klage erhoben und damit ein Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien und dem Gericht begründet. Erforderlich hierfür ist nur, dass das zugestellte Schriftstück als Klageschrift erkennbar ist. Weitere Voraussetzungen sind an die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses nicht zu stellen.
- 29
- Sie ergeben sich insbesondere nicht aus § 253 Abs. 2 ZPO, der den notwendigen Inhalt einer Klageschrift bestimmt. Er besteht in der Bezeichnung der Parteien und des Gerichts, der Angabe von Gegenstand und Grund des erhobenen Anspruchs sowie einem bestimmten Antrag. Fehlt es an hinreichenden Angaben zu Gegenstand und Grund des Anspruchs oder an einem bestimmten Antrag, ist nach allgemeiner Ansicht eine dennoch zugestellte Klage - nach vorangegangenem Hinweis - als unzulässig abzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 1984 - VI ZR 70/82, VersR 1984, 538 unter III 1; Zöller/Greger, aaO, § 253 Rn. 23; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 33. Aufl., § 253 Rn. 20; HkZPO /Saenger, 4. Aufl., § 253 Rn. 31; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 253 Rn. 61; BeckOK-ZPO/Bacher, Stand: 15. Juli 2012, § 253 Rn. 80; vgl. auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl., § 96 Rn. 52). Eine derartige Abweisung setzt jedoch notwendigerweise voraus, dass zwischen den Parteien und dem Gericht überhaupt ein Prozessrechtsverhältnis besteht, da eine gerichtliche Entscheidung nicht außerhalb eines Prozessrechtsverhältnisses ergehen kann. Hieraus folgt, dass auch die Zustellung einer Klageschrift, die ihrerseits die Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt, wirksam ist und ein Prozessrechtsverhältnis begründet (vgl. Wieczorek/Schütze/ Assmann, ZPO, 3. Aufl., § 253 Rn. 174 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, aaO Rn. 51).
- 30
- Gleiches muss gelten, wenn - wie vorliegend - der Klage Anlagen nicht beigefügt waren (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, aaO Rn. 8; Gärtner/Mark, MDR 2009, 421, 422 ff.; differenzierend Musielak/Foerste, aaO, § 253 Rn. 15; Zöller/Greger, aaO Rn. 26). Für die Beifügung von Anlagen verweist § 253 Abs. 4 ZPO auf die Vorschriften der §§ 131, 134, 135 ZPO. Zwar sind nach § 131 Abs. 1 ZPO Urkunden, auf die in einem Schriftsatz Bezug genommen wird, diesem beizufügen. Dass die Beifügung nicht konstitutiv für die Wirksamkeit der Zustellung sein kann, belegt allerdings schon der Inhalt der Ausnahmeregelungen. So müssen beispielsweise Urkunden, die von bedeutsamem Umfang sind, dem Schriftsatz nicht beigefügt werden; hier genügt vielmehr die genaue Bezeichnung mit dem Erbieten, Einsicht zu gewähren (§ 131 Abs. 3 Alt. 2 ZPO). Dass im Falle des Fehlens von Unterlagen von geringem Umfang, die nach § 131 Abs. 1 ZPO beizufügen wären, eine Klagezustellung unwirksam sein soll, wohingegen sie im Falle des Fehlens umfangreicher Unterlagen unter den Voraussetzungen des § 131 Abs. 3 ZPO wirksam ist, erscheint wenig überzeugend. Gleiches gilt im Rahmen des § 135 ZPO, der Rechtsanwälten die Mitteilung von Urkunden von Hand zu Hand gegen Empfangsbescheinigung ermöglicht. Die Wirksamkeit der Zustellung einer Klageschrift kann nicht davon abhängen, dass die Rechtsanwälte Urkunden, die als Anlagen zur Klage dienen , von Hand zu Hand gegen Empfangsbescheinigung übergeben. Insofern ist allgemein anerkannt, dass ein Verstoß gegen die Vorlagepflicht des § 131 Abs. 1 ZPO nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung führt, sondern nur zur An- wendung der Verspätungsregelungen sowie des § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO oder zu Kostennachteilen (MünchKommZPO/Wagner, aaO, § 131 Rn. 5, § 129 Rn. 4; Musielak/Stadler, aaO, § 131 Rn. 3, § 129 Rn. 5; Stein/Jonas/Roth, aaO, § 131 Rn. 4, § 129 Rn. 13 ff.; Thomas/Putzo/Reichold, aaO, § 131 Rn. 1, § 129 Rn. 4).
- 31
- (b) Der hier vertretenen Auffassung steht nicht entgegen, dass die Zustellung - neben der Sicherung des Nachweises von Zeit und Art der Übergabe eines Schriftstücks - auch gewährleisten soll, dass der Zustellungsempfänger verlässlich von dem Inhalt eines Schriftstücks Kenntnis nehmen kann, und damit auch der Verwirklichung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG dient (BGH, Urteile vom 22. Februar 1978 - VIII ZR 24/77, NJW 1978, 1058 unter II 3 c bb; vom 6. April 1992 - II ZR 242/91, BGHZ 118, 45, 47; Beschluss vom 21. Dezember 2006 - VII ZR 164/05, NJW 2007, 775 Rn. 14; BVerfG, NJW 1988, 2361).
- 32
- Die Gewährung rechtlichen Gehörs umfasst nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Recht der Parteien, sich zu dem Sachverhalt, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt wird, vor Erlass der Entscheidung zu äußern (BVerfGE 63, 45, 59; 89, 28, 35; 101, 106, 129). Dieses Recht auf Äußerung ist eng verknüpft mit dem Recht der Parteien auf Information. Eine Art. 103 Abs. 1 GG genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten zu erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenvortrag es für die gerichtliche Entscheidung ankommen kann (BVerfGE 89, 28, 35). Dementsprechend ist das Gericht zur Information der Parteien über den gesamten Tatsachenstoff verpflichtet, den es im Rahmen seiner Entscheidung verwenden will (vgl. Dreier/Schulze-Fielitz, GG, 2. Aufl., Art. 103 Abs. 1 Rn. 33). Im Zivilprozess gehören zu den der Gegenseite mitzuteilenden Äußerungen einer Prozesspartei auch solche, die nicht in einem Schriftsatz selbst, sondern in einer Anlage dazu enthalten sind (BVerfGE 50, 280, 284). Allerdings verlangt Art. 103 Abs. 1 GG nicht, den Beklagten bereits im erstmöglichen Zeitpunkt - bei Zustellung der Klage - in vollem Umfang zu informieren (vgl. Gärtner/Mark, aaO S. 422). Es muss vielmehr nur gewährleistet sein, dass der Beklagte sein Informationsrecht und sein Recht auf Äußerung vor Erlass der gerichtlichen Entscheidung effektiv ausüben kann.
- 33
- Hieraus folgt, dass es von Verfassungs wegen nicht geboten ist, die Zustellung einer Klageschrift ohne Anlagen als unwirksam anzusehen. Vielmehr wird in einer solchen Konstellation die Wahrung des Rechts auf rechtliches Gehör durch andere prozessuale Vorschriften (z.B. § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) ausreichend geschützt.
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- (c) Soweit der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einem Vorlagebeschluss vom 21. Dezember 2006 an den Gerichtshof der Europäischen Union die Auffassung vertreten hat, die fehlende Beifügung von Anlagen mache die Zustellung einer Klageschrift unwirksam (VII ZR 164/05, aaO Rn. 13 ff.), war dies - was der erkennende Senat zu entscheiden hat (so zu § 68 ZPO BGH, Beschluss vom 27. November 2003 - V ZB 43/03, BGHZ 157, 97, 99 f.; Musielak/Weth, aaO, § 68 Rn. 4; Hk-ZPO/Bendtsen, aaO, § 68 Rn. 6; Stein/ Jonas/Bork, aaO, § 68 Rn. 7; Zöller/Vollkommer, aaO, § 68 Rn. 9; ausführlich Wieczorek/Schütze/Mansel, ZPO, 3. Aufl., § 68 Rn. 97 ff.) - für die damalige Entscheidung nicht tragend. Eines Verfahrens nach § 132 Abs. 2 GVG bedarf es daher nicht.
- 35
- Die Entscheidung des VII. Zivilsenats betraf die Frage der Auslegung des Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Ziviloder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 160, S. 37) fürden dort vorliegenden Sachverhalt, dass die Klageschrift in englischer Übersetzung nebst beigefügten Anlagen, diese allerdings ohne Übersetzung, in London an die dort ansässige Beklagte ausgehändigt worden war, die Beklagte die Annahme aber unter Berufung auf die genannte europarechtliche Bestimmung verweigert hatte, weil die Anlagen nicht in die englische Sprache übersetzt waren. Für diese Frage ist die vom VII. Zivilsenat darüber hinaus angesprochene Problematik, ob eine Klagezustellung nach deutschem Zivilprozessrecht wirksam ist, wenn die Anlagen zur Klageschrift nicht beigefügt waren, nicht erheblich. Die Vorlagefrage hätte sich in gleicher Weise gestellt, wenn der VII. Zivilsenat zu der Frage der Wirksamkeit der Zustellung einer Klageschrift ohne Anlagen die gegenteilige Auffassung vertreten hätte.
- 36
- bb) Da die Beklagten innerhalb der ihnen gesetzten - angemessenen - Frist von vier Wochen keinen Zustellungsbevollmächtigten benannt haben, durften die weiteren Zustellungen gemäß § 184 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch Aufgabe zur Post erfolgen. Diese ist vorliegend nach den Feststellungen des Berufungsgerichts , die von der Revision nicht angegriffen werden, am 10. November 2009 ausweislich der beiden Vermerke der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle auch ordnungsgemäß erfolgt.
- 37
- b) Das Versäumnisurteil gilt gemäß § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO zwei Wochen nach Aufgabe zur Post, vorliegend am 24. November 2009, als zugestellt. Die zweiwöchige Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO endete daher mit Ablauf des 8. Dezember 2009.
- 38
- Entgegen der Ansicht der Revision liegt hierin keine Verletzung des Rechts der Beklagten auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK. Die Revision stützt sich darauf, dass die Einlassungsfristen für in- und ausländische Parteien identisch seien, was zu einer unangemessenen Benachteiligung von Ausländern führe, da für jene die in § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO angesetzte Zustellungsdauer von zwei Wochen häufig überschritten werde. Zum Ausgleich müsse daher entweder die Frist bis zum Eintritt der Zustellungsfiktion gemäß § 184 Abs. 2 Satz 2 ZPO oder die Einspruchsfrist gemäß § 339 Abs. 2 ZPO verlängert werden. Geschehe dies nicht, sei Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt. Dies trifft nicht zu.
- 39
- Das Bundesverfassungsgericht hat bereits zu der Vorgängerregelung des § 175 ZPO entschieden, dass hiergegen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, auch wenn § 339 Abs. 2 ZPO nicht zur Anwendung kommt, weil es sich bei der Zustellung durch Aufgabe zur Post um eine Inlandszustellung handelt (BVerfG, NJW 1997, 1772; BGH, Urteil vom 10. November 1998 - VI ZR 243/97, aaO unter II 1 b; aA Roth, IPrax 1990, 90 ff.; zu § 339 Abs. 2 ZPO zudem Senatsurteil vom 24. September 1986 - VIII ZR 320/85, BGHZ 98, 263, 266 f.; BGH, Beschluss vom 13. November 2001 - VI ZB 9/01, aaO). Hieran hat sich durch die Neufassung der Regelung in § 184 ZPO durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz - ZustRG) vom 25. Juni 2001 (BGBl. I S. 1206) nichts geändert. Die Neufassung hat vielmehr die Rechtslage für den Zustellungsempfänger (sogar) insofern verbessert (vgl. BT-Drucks. 14/4554, S. 23 f.), als die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten nicht mehr von Gesetzes wegen (§ 174 Abs. 2 ZPO aF), sondern nur auf Anordnung des Gerichts erfolgen muss (§ 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und der Zustellungsempfänger auf die Rechtsfolgen des § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO hinzuweisen ist (§ 184 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Ferner tritt die Zustellungsfiktion nicht mehr mit der Aufgabe zur Post (§ 175 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO), sondern grundsätzlich erst zwei Wochen danach ein (§ 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO), wobei die Frist durch das Gericht verlängert werden kann (§ 184 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK liegt nicht vor (BGH, Urteil vom 18. September 2012 - VI ZR 223/11, zur Veröffentlichung bestimmt, Rn.19, 22).
- 40
- Auch unter Zugrundelegung des Vortrags der Beklagten, die gewöhnliche Postlaufzeit in die Volksrepublik China betrage bis zu elf Tagen, wobei auch Brieflaufzeiten von drei bis vier Wochen keine Seltenheit seien, ist das Recht der Beklagten auf ein faires Verfahren nicht verletzt. Sofern die Fiktion des § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO dazu führt, dass beim tatsächlichen Zugang des Urteils die Rechtsmittelfrist bereits abgelaufen ist, so kann der Zustellungsempfänger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO verlangen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2000 - II ZB 20/99, NJW 2000, 3284 unter II
2).
- 41
- 2. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Beklagten die Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist bereits deshalb verweigert, weil die Beklagten die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO versäumt haben.
- 42
- a) Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt gemäß § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Tag, an dem das Hindernis, das der Einhaltung einer Frist entgegensteht, behoben ist. Dem gleichzustellen ist der Fall, dass das Weiterbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (Senatsbeschluss vom 31. Januar 1990 - VIII ZB 44/89, NJW-RR 1990, 830 unter II 1 a; Musielak/Grandel, aaO, § 234 Rn. 3 mwN).
- 43
- b) Vorliegend hatten die Beklagten nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls am 31. Dezember 2009 Kenntnis von dem sie betreffenden Versäumnisurteil vom 9. November 2009, dem ausweislich der Feststellungen des Berufungsgerichts ein Hinweis auf die Einspruchsmöglichkeit, das zuständige Gericht und die einzuhaltenden Form- und Fristvorschriften gemäß § 338 ZPO beigefügt war.
- 44
- Die Revision meint, die Wiedereinsetzungsfrist habe dennoch erst am 7. Januar 2010 zu laufen begonnen, weil die Beklagten die genannten Dokumente mangels Übersetzung ins Chinesische nicht hätten verstehen können. Das trifft nicht zu. Die Beklagten hätten bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt bereits vor dem 7. Januar 2010 die Versäumung der Einspruchsfrist erkennen können, so dass die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 21. Januar 2010 die Frist des § 234 ZPO nicht gewahrt haben.
- 45
- aa) Einer Übersetzung des Urteils sowie der Belehrung in die chinesische Sprache bedurfte es schon deshalb nicht, weil die Zustellung nach § 184 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 ZPO im Inland erfolgt ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. November 1995 - XII ZB 163/95, NJW-RR 1996, 387 unter II 1; vom 3. Februar 1999 - VIII ZB 35/98, NJW 1999, 1871 unter II 1 c ee; Stein/Jonas/ Roth, ZPO, 22. Aufl., § 184 Rn. 11).
- 46
- bb) Für Ausländer gelten grundsätzlich dieselben Sorgfaltsanforderungen wie für Deutsche (vgl. Hk-ZPO/Saenger, aaO, § 233 Rn. 23). Auch eine ausländische Partei, der eine Gerichtsentscheidung zugestellt wird, ist gehalten, sich alsbald über deren Inhalt zu vergewissern und sich nach Form und Frist eines zulässigen Rechtsmittels zu erkundigen, wenn sie die Entscheidung nicht hinnehmen will; sie muss hierfür unverzüglich die erforderlichen Schritte einleiten (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 1995 - XII ZB 163/95, aaO unter II 2 mwN). Dies gilt vorliegend insbesondere deshalb, weil die Beklagten schon im Rahmen der ihnen in chinesischer Sprache am 17. Juni 2009 zugestellten gerichtlichen Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens darüber belehrt worden waren, dass bei Nichtanzeige der Verteidigungsabsicht ohne mündliche Ver- handlung ein Versäumnisurteil ergehen könnte. Die Beklagten mussten daher damit rechnen, dass ein Urteil gegen sie ergehen würde. Da die Beklagten international tätig sind und - wie ihre E-Mail vom 31. Dezember 2009 zeigt - in Kontakt zu einer deutschen Rechtsanwaltskanzlei standen, hätten sie bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bereits vor dem 7. Januar 2010 die Fristversäumung erkennen können.
- 47
- c) Ungeachtet dessen haben die Beklagten auch einen Wiedereinsetzungsgrund entgegen § 236 Abs. 2 ZPO nicht glaubhaft gemacht.
- 48
- Die Beklagten haben zwar vorgetragen, die Beklagte zu 2 habe das Versäumnisurteil gar nicht und die Beklagte zu 1 zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt erhalten. Belegt wird dieser Vortrag jedoch nur durch schriftliche und ohne Übersetzung in die deutsche Sprache vorgelegte Erklärungen eines Mitarbeiters , die zur Glaubhaftmachung gemäß § 294 ZPO nicht ausreichen. Ball Dr. Milger Richterin Dr. Hessel ist urlaubsabwesend und kann daher nicht unterschreiben. Karlsruhe, 11 Dezember 2012 Ball Richter Dr. Schneider ist wegen Dr. Fetzer Teilnahme an einer auswärtigen Tagung gehindert zu unterschreiben. Karlsruhe, 11. Dezember 2012 Ball
LG Stuttgart, Entscheidung vom 01.07.2010 - 25 O 573/08 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 26.09.2011 - 5 U 166/10 -
Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn
- 1.
der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist, - 2.
bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist, - 3.
eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht oder - 4.
die Zustellung nicht erfolgen kann, weil der Ort der Zustellung die Wohnung einer Person ist, die nach den §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterliegt.
(1) Über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung entscheidet das Prozessgericht. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.
(2) Die öffentliche Zustellung erfolgt durch Aushang einer Benachrichtigung an der Gerichtstafel oder durch Veröffentlichung der Benachrichtigung in einem elektronischen Informations- und Kommunikationssystem, das im Gericht öffentlich zugänglich ist. Die Benachrichtigung muss erkennen lassen
- 1.
die Person, für die zugestellt wird, - 2.
den Namen und die letzte bekannte Anschrift des Zustellungsadressaten, - 3.
das Datum, das Aktenzeichen des Schriftstücks und die Bezeichnung des Prozessgegenstandes sowie - 4.
die Stelle, wo das Schriftstück eingesehen werden kann.
(3) In den Akten ist zu vermerken, wann die Benachrichtigung ausgehängt und wann sie abgenommen wurde.
Das Schriftstück gilt als zugestellt, wenn seit dem Aushang der Benachrichtigung ein Monat vergangen ist. Das Prozessgericht kann eine längere Frist bestimmen.
Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn
- 1.
der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist, - 2.
bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist, - 3.
eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht oder - 4.
die Zustellung nicht erfolgen kann, weil der Ort der Zustellung die Wohnung einer Person ist, die nach den §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterliegt.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Beklagte reichte am 11. Oktober 2001 gegen den Kläger eine auf Zahlung von 38.717,70 € nebst Zinsen gerichtete Klage ein und beantragte, diese an dem spanischen Wohnort des Klägers zuzustellen. Je ein Zustellungsversuch an dem spanischen und an dem früheren deutschen Wohnort des Klägers blieb erfolglos. Daraufhin ordnete das Landgericht auf Antrag des Beklagten am 20. November 2002 die öffentliche Zustellung der Klage an. Da sich der Kläger nicht meldete, erließ es am 5. Februar 2003 ein Versäumnisurteil, durch welches es ihn antragsgemäß zur Zahlung verurteilte. Es ordnete am gleichen Tag die öffentliche Zustellung auch dieses Urteils an.
- 2
- Mit der vorliegenden Nichtigkeitsklage möchte der Kläger die Aufhebung seiner Verurteilung erreichen. Er behauptet, er habe erstmals am 21. Juni 2004 von dem Urteil erfahren, und meint, das Landgericht habe seinerzeit zu Unrecht die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung angenommen.
- 3
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zu erneuten Verhandlung und Entscheidung in der Hauptsache des Ausgangsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision strebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Das Berufungsgericht hält die Nichtigkeitsklage in entsprechender Anwendung von § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO für zulässig. Zwar habe der Bundesgerichtshof eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Fälle, in denen eine öffentliche Zustellung formell ordnungsgemäß angeordnet worden sei, abgelehnt. Offen gelassen habe er aber, ob das auch gelte, wenn die öffentliche Zustellung verfahrensfehlerhaft angeordnet worden sei. Ein solcher Fall liege hier vor. Das Landgericht habe im Ausgangsverfahren die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung zu Unrecht angenommen und die öffentliche Zustellung auch des Versäumnisurteils ohne entsprechenden Antrag des Beklagten verfügt. In einem solchen Fall müsse in entsprechender Anwendung von § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Nichtigkeitsklage eröffnet sein, um dem Zustel- lungsbetroffenen rechtliches Gehör zu gewähren. Die Sache sei in entsprechender Anwendung des § 538 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen, da dieses, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, über die Hauptsache des Ausgangsverfahrens nicht neu verhandelt habe.
II.
- 5
- Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Entscheidung erweist sich aber im Ergebnis aus einem anderen Grund als richtig.
- 6
- 1. Die erhobene Klage ist als Nichtigkeitsklage unzulässig, weil es an einem Nichtigkeitsgrund fehlt.
- 7
- a) Einer der gesetzlichen Nichtigkeitsgründe des § 579 Abs. 1 ZPO liegt nicht vor. Das Berufungsgericht geht auch zutreffend davon aus, dass § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO hier nicht schon deshalb entsprechend angewendet werden kann, weil die Klage und das Versäumnisurteil überhaupt öffentlich zugestellt worden sind (BGHZ 153, 189, 194-196). Es meint aber, die Vorschrift sei dann entsprechend anzuwenden, wenn die Vorschriften über die öffentliche Zustellung fehlerhaft angewandt worden seien. Das ist umstritten (dafür: KG NJW-RR 1987, 1215, 1216; MünchKomm-ZPO/Braun, 2. Aufl., § 579 Rdn. 19; Wieczorek /Schütze/Borck, ZPO, 3. Aufl., § 579 Rdn. 52, 57; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 579 Rdn. 6; Brüggemann, JR 1969, 361, 370; Fischer, ZZP 107 [1994] 163, 179; ähnlich Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, 2. Aufl., Rdn. 574; dagegen: Hk-ZPO/Kemper, § 579 Rdn. 5; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 579 Rdn. 7; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 579 Rdn. 6, 8; Gaul, JZ 2003, 1088, 1095 f.). Höchstrichterlich entschieden ist die Frage bislang nicht.
- 8
- b) Hier ist die Frage zu entscheiden. Der Senat verneint sie.
- 9
- aa) Voraussetzung für eine entsprechende Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist eine planwidrige Lücke in den gesetzlichen Vorschriften. Diese wird von den Befürwortern einer entsprechenden Anwendung darin gesehen, dass der von einer verfahrensfehlerhaft angeordneten öffentlichen Zustellung Betroffene einen solchen Fehler nicht erfolgreich rügen und sich gegen die Folgen einer verfahrensfehlerhaften öffentlichen Zustellung nicht effektiv zur Wehr setzen könne (dazu Brüggemann, JR 1969, 361, 370). Das trifft jedenfalls heute nicht mehr zu.
- 10
- bb) Der Bundesgerichtshof hat in solchen Fällen zunächst die Möglichkeit der Wiedereinsetzung eröffnet. Sie ist bei einer unter Verstoß gegen § 185 ZPO angeordneten öffentlichen Zustellung ohne weiteres zu gewähren (BGH, Urt. v. 6. April 1992, II ZR 242/91, NJW 1992, 2280, 2281; ähnlich schon BVerfG, NJW 1988, 2361). Damit scheidet die Annahme einer Rechtsschutzlücke jedenfalls in Fällen aus, in denen der Fehler bei der Anordnung der öffentlichen Zustellung vor Ablauf der in § 234 Abs. 3 ZPO bestimmten Jahresfrist bemerkt wird.
- 11
- cc) Später hat der Bundesgerichtshof den Schutz des Betroffenen erweitert und hierbei auch die Fälle einbezogen, in welchen der Verstoß gegen § 185 ZPO nach Ablauf der in § 234 Abs. 3 ZPO bestimmten Frist bemerkt wird und damit eine Wiedereinsetzung ausscheidet.
- 12
- (1) Eine unter Verstoß gegen § 185 ZPO angeordnete öffentliche Zustellung löst nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die sich an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 104, 301, 306) und des Bundesfinanzhofs (BFHE 192, 200, 202; BFH/NV 2005, 998, 1000) anlehnt, die Zustellungsfiktion des § 188 ZPO nicht aus und setzt damit keine Frist in Lauf (BGHZ 149, 311, 321; ähnlich BayObLG NJW-RR 2000, 1452, 1453; OLG Hamm NJW-RR 1998, 497). Das gilt jedenfalls dann, wenn die öffentliche Zustellung bei sorgfältiger Prüfung der Unterlagen nicht hätte angeordnet werden dürfen, deren Fehlerhaftigkeit für das Gericht also erkennbar war (BGHZ 149, 311, 323). In einem solchen Fall, von dem das Berufungsgericht hier ausgeht, kommt das Verfahren nicht zu einem wirklichen Abschluss. Es ist bei Entdeckung des Fehlers fortzusetzen, ohne dass es dazu einer Wiedereinsetzung bedürfte (BGHZ 149, 311, 322). Damit fehlt einer Nichtigkeitsklage die Grundlage.
- 13
- (2) Diese Rechtsprechung hat Zustimmung (Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 185 Rdn. 5), aber auch Kritik erfahren (MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Erg.-Band ZPO-Reform, § 185 Rdn. 9; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 185 Rdn. 14; Gaul, JZ 2003, 1088, 1091 f.; differenzierend Zöller /Stöber, aaO, § 186 Rdn. 9). Eingewandt wird vor allem, dass Fehler bei der Anwendung des § 185 ZPO weder den Anordnungsbeschluss als gerichtliche Entscheidung (MünchKomm-ZPO/Wenzel und Gaul jeweils aaO) noch das etwa durch eine öffentlich zugestellte Klage eingeleitete Gerichtsverfahren oder die an den Zustellungsakt anknüpfenden materiellrechtlichen Wirkungen in Frage stellen dürften (Zöller/Stöber aaO). Das allerdings geschieht in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch nicht (zutreffend Zöller/Stöber aaO). In den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesfinanzhofs, an denen sich der Bundesgerichtshof orientiert hat, ist zwar von einer Unwirksamkeit der Verwaltungszustellung die Rede. Der Bundesgerichtshof hat der erkennbar verfahrensfehlerhaften öffentlichen Zustellung im Zivilprozess aber nicht schlechthin ihre Wirksamkeit abgesprochen, sondern einschränkend ausgeführt , dass sie in Ansehung der (im seinerzeitigen und auch im vorliegenden Verfahren maßgeblichen) Einspruchsfrist unwirksam sei, und diese Besonderheit mit dem Zusatz „wirkungslos“ beschrieben (BGHZ 149, 311, 321). Das bedeutet im Ergebnis nur, dass eine unter erkennbar fehlerhafter Anwendung von § 185 ZPO ergangene Anordnung der öffentlichen Zustellung lediglich Fristen nicht in Gang setzt, im Übrigen aber in ihrer Wirksamkeit nicht berührt wird. Eine solche einschränkende Auslegung des § 188 ZPO ist sachlich geboten, da dem Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes gegen Fehler des Gerichts bei der Anwendung des § 185 ZPO und dem Anspruch auf rechtliches Gehör zweckmäßiger und systemgerechter nicht Rechnung getragen werden kann.
- 14
- c) Damit scheidet eine entsprechende Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf Fälle wie den vorliegenden von vorneherein aus.
- 15
- 2. Die Entscheidung erweist sich aber aus einem anderen Grund als richtig.
- 16
- a) Die von dem Kläger erhobene Nichtigkeitsklage ist nämlich als Einspruch gegen das Versäumnisurteil im Ausgangsverfahren anzusehen. Der Kläger hat in seiner Klageschrift keinen der gesetzlich bestimmten Nichtigkeits- gründe geltend gemacht. Er hat vielmehr vorgetragen, dass er das Versäumnisurteil deshalb angreifen wolle, weil er mangels ordnungsgemäßer Zustellung bislang keine Gelegenheit zur Rechtsverteidigung gehabt habe. Aus dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zur Sicherung des rechtlichen Gehörs ergibt sich auch, dass der Kläger den zur Verfolgung dieses Sachanliegens gegebenen Rechtsbehelf einlegen wollte. Das ist der Einspruch. Die von ihm eingereichte Nichtigkeitsklage genügt den Anforderungen an eine Einspruchsschrift. Sie war an das Landgericht zu richten, das er angerufen hat. Sie ist deshalb als Einspruch gegen das Versäumnisurteil zu behandeln.
- 17
- b) Der in der Nichtigkeitsklage liegende Einspruch war auch rechtzeitig.
- 18
- aa) Die Einspruchsfrist ist durch die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils nicht in Gang gesetzt worden, weil diese fehlerhaft war.
- 19
- (1) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt das allerdings nicht schon daraus, dass der Beklagte die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils nicht beantragt, sondern das Landgericht sie im Ausgangsverfahren von Amts wegen bewilligt hat. Das widersprach zwar der früheren Rechtslage nach § 204 Abs. 1 ZPO a.F. Diese war aber für die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils vom 5. Februar 2003 nicht mehr maßgeblich. Am 1. Juli 2002 ist nämlich das Zustellungsreformgesetz vom 25. Juni 2001 (BGBl. I S. 1206) in Kraft getreten. Dieses sieht keine Überleitungsvorschriften vor. Die geänderten Zustellungsvorschriften galten daher auch in laufenden Verfahren für die nach seinem Inkrafttreten vorzunehmenden Zustellungen. Nach §§ 166 Abs. 2, 186 ZPO bedarf es für die Bewilligung der öffentlichen Zustellung keines Antrags (mehr), wenn die Zustellung von Amts wegen zu erfolgen hat (MünchKomm- ZPO/Wenzel, aaO, § 186 Rdn. 3; Stein/Jonas/Roth, aaO, § 186 Rdn. 2). So liegt es bei einem Versäumnisurteil (§ 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es bedarf deshalb auch keiner Entscheidung darüber, ob der allein fehlende Antrag schon dazu führt, dass eine ansonsten ordnungsgemäße öffentliche Zustellung Fristen nicht in Gang setzt (offen gelassen in BGHZ 149, 311).
- 20
- (2) Die angeordnete öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils war aber fehlerhaft, weil die Voraussetzungen des § 185 ZPO erkennbar nicht vorlagen. Auf § 185 Nr. 2 ZPO ließ sich die öffentliche Zustellung nicht stützen. Dafür kam es nicht auf den Erfolg der von dem Landgericht veranlassten Zustellung der Klageschrift in Spanien an. Maßgeblich ist vielmehr, ob mit dem Zustellungsland Rechtshilfeverkehr besteht und dieser grundsätzlich Erfolg verspricht (MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 185 Rdn. 7; Zöller/Stöber, aaO, § 185 Rdn. 3). Das ist nach der VO (EG) Nr. 1348/2000 (ABl. EG Nr. L 160 S. 37) der Fall. Der Aufenthaltsort des Klägers war auch nicht unbekannt (§ 185 Nr. 1 ZPO). Der Kläger wohnte damals an dem Ort in Spanien, den der Beklagte im Ausgangsverfahren in seiner Klageschrift angegeben hatte und den das Versäumnisurteil als letzten bekannten Aufenthalt des Klägers bezeichnet. Das hätte das Landgericht auch erkennen können, wenn es mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen wäre. Es durfte zwar davon ausgehen, dass sich seit der nur zwei Monate zurückliegenden öffentlichen Zustellung der Klageschrift keine neuen Erkenntnisse über den Aufenthaltsort des Klägers ergeben hatten, und die öffentliche Zustellung ohne ergänzende Prüfung bewilligen. Das setzte aber voraus, dass die öffentliche Zustellung der Klageschrift ihrerseits verfahrensfehlerfrei bewilligt worden war. Daran aber fehlt es.
- 21
- (3) Aus welchen Gründen das Landgericht die öffentliche Zustellung der Klageschrift bewilligt hat, ist seinem Bewilligungsbeschluss nicht zu entnehmen. Der Beklagte hat in seinem Antrag geltend gemacht, der Kläger sei unbekannten Aufenthalts, weil ihm die Klageschrift weder an seinem spanischen Wohnort noch an seinem früheren deutschen Wohnort habe zugestellt werden können. Diese Angaben waren zwar zutreffend. Hiermit durfte sich das Landgericht im Ausgangsverfahren aber nicht begnügen. Der Beklagte hatte in seinem Antrag nämlich auch mitgeteilt, dass der Kläger seine in der Klageschrift angegebene Anschrift bei dem Einwohnermeldeamt als Zweitwohnsitz angegeben habe. Das gab Veranlassung, die Ordnungsmäßigkeit der Auslandszustellung in Spanien noch einmal zu prüfen.
- 22
- (4) Hierbei wäre aufgefallen, dass die spanischen Zustellungsbehörden die Klageschrift der spanischen Post mit unvollständigen Angaben übergeben hatten und ihre Mitteilung über das Ergebnis des Zustellungsversuchs im entscheidenden Punkt unergiebig war. In dem Zustellschreiben war nur die Anschrift der Wohnanlage, nicht aber die Nummer des Bungalows angegeben, in welchem der Kläger wohnt. In der Mitteilung der spanischen Stellen über das Ergebnis ihrer Bemühungen heißt es zwar, dass sich der mit der Zustellung betraute Bedienstete in Person an dem Ort eingefunden habe, den die Sekretärin der Anlage angeben habe. Als dabei gewonnene Erkenntnis wird in der Mitteilung aber nur festgehalten, dass der Kläger unter seiner deutschen Anschrift ausfindig gemacht werden könne. Zu der entscheidenden Frage, nämlich ob der Kläger in dem Bungalow in der Anlage wohnt, ob er dort zufällig gerade nicht anwesend war und ob versucht wurde, die Klageschrift durch Übergabe an die Sekretärin zur späteren Aushändigung, durch eine Niederlegung oder in anderer Weise zuzustellen, enthält die Mitteilung keine Angaben. Daran ändert auch der von dem Landgericht hervorgehobene Umstand nichts, dass eine Zu- stellung durch ausländische Justizbehörden gewöhnlich ein hohes Maß an Sicherheit bietet. Diese Erwartung hat sich hier nicht erfüllt. Die Mitteilung, die das Landgericht von den spanischen Justizbehörden erhalten hatte, bot keine Grundlage für die Annahme, der Kläger halte sich nicht an dem angegebenen Wohnort in Spanien auf. Dass sich, wie die Revision darlegt, dieser Mangel beheben und im Nachhinein aufklären ließe, wer die Sekretärin der Wohnanlage ist, mit welcher die spanische Zustellperson Kontakt aufgenommen haben will, und was diese Zustellperson im Einzelnen unternommen hat, ist unerheblich. Dies hätte vor der Bewilligung der öffentlichen Zustellung geschehen müssen, ist aber verfahrensfehlerhaft unterblieben.
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- (5) Auch das Fehlschlagen der anschließenden Zustellung an der früheren deutschen Anschrift des Klägers berechtigte das Landgericht nicht zu der Annahme, dass der Aufenthalt des Klägers unbekannt war. Ein solches Fehlschlagen war nämlich zu befürchten, da der Beklagte den Kläger unter seiner spanischen Anschrift verklagt und in seinem Antrag auf öffentliche Zustellung mitgeteilt hatte, der Kläger habe seinen spanischen Wohnsitz bei dem deutschen Melderegister angegeben. Jedenfalls half dieser Umstand nicht über die Unsicherheit hinweg, ob eine Zustellung in Spanien wirklich nicht möglich war. Das Landgericht musste deshalb, wie das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat, vor Bewilligung der öffentlichen Zustellung die Möglichkeiten einer Zustellung in Spanien weiter aufklären. Es drängte sich geradezu auf, einen erneuten Zustellungsversuch mit der vollständigen Anschrift zu unternehmen. Das wäre mit einer unmittelbaren Zustellung durch die Post nach Art. 14 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1348/2000 (heute gemäß § 1068 Abs. 1 ZPO durch Einschreiben mit Rückschein) auch in einem Zeitrahmen möglich gewesen, der dem Beklagten als Gläubiger unter Berücksichtigung des erheblichen Zeitraums zumutbar war, den die erste förmliche Zustellung in Anspruch genommen hatte.
- 24
- bb) Die Einspruchsfrist ist gewahrt. Der Kläger hat nach seinen Angaben am 21. Juni 2004 erstmals von der Existenz des Versäumnisurteils am Telefon erfahren und kann danach das Urteil nicht früher als zwei Wochen vor Einreichung seiner Nichtigkeitsklageschrift erhalten haben. Diese Angaben hat der Beklagte zwar mit Nichtwissen bestritten. Das war aber unzureichend. Die öffentliche Zustellung hatte die Einspruchsfrist nicht ausgelöst. Dies konnte erst nach § 189 ZPO durch anderweitigen Zugang geschehen. Ein solcher war mit dem Erlass der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, die der Beklagten aufgrund des Versäumnisurteils am 4. Juni 2004 erwirkt hatte, nicht verbunden, weil das Urteil dazu nach § 750 Abs. 1 ZPO nicht erneut zugestellt werden musste. Wie ein früherer anderweitiger Zugang des Urteils bei dem Kläger sonst bewirkt worden sein soll, hat der Beklagte nicht dargelegt.
III.
- 26
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 22.02.2005 - 1 O 382/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 07.12.2005 - I-15 U 57/05 -
Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn
- 1.
der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist, - 2.
bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist, - 3.
eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht oder - 4.
die Zustellung nicht erfolgen kann, weil der Ort der Zustellung die Wohnung einer Person ist, die nach den §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterliegt.
(1) Für die Durchführung
- 1.
der Verordnung (EU) 2020/1784 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) (ABl. L 405 vom 2.12.2020, S. 40; L 173 vom 30.6.2022, S. 133) in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie - 2.
des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark vom 19. Oktober 2005 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen (ABl. L 300 vom 17.11.2005, S. 55; L 120 vom 5.5.2006, S. 23), das durch die Mitteilung Dänemarks vom 22. Dezember 2020 (ABl. L 19 vom 21.1.2021, S. 1) geändert worden ist,
(2) Eine Zustellung im Ausland ist nach den völkerrechtlichen Vereinbarungen vorzunehmen, die im Verhältnis zu dem jeweiligen Staat gelten. Wenn Schriftstücke aufgrund solcher Vereinbarungen unmittelbar durch die Post zugestellt werden dürfen, dann soll dies durch Einschreiben mit Rückschein oder mittels eines gleichwertigen Nachweises bewirkt werden, anderenfalls soll die Zustellung auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts unmittelbar durch die Behörden des ausländischen Staates erfolgen. Eine Zustellung durch die zuständige deutsche Auslandsvertretung soll nur in den Fällen des Absatzes 4 erfolgen.
(3) Bestehen keine völkerrechtlichen Vereinbarungen zur Zustellung, so erfolgt die Zustellung vorbehaltlich des Absatzes 4 auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts durch die Behörden des ausländischen Staates.
(4) Folgende Zustellungen in den Fällen der Absätze 2 und 3 erfolgen auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts durch die zuständige deutsche Auslandsvertretung:
- 1.
Zustellungen, deren Erledigung durch die Behörden des ausländischen Staates nicht oder nicht innerhalb einer angemessenen Zeit zu erwarten ist oder für die ein sonstiger begründeter Ausnahmefall vorliegt, - 2.
Zustellungen an ausländische Staaten sowie - 3.
Zustellungen an entsandte Beschäftigte einer deutschen Auslandsvertretung und die in ihrer Privatwohnung lebenden Personen.
(5) Zum Nachweis der Zustellung nach Absatz 2 Satz 2 erster Halbsatz genügt der Rückschein oder ein gleichwertiger Nachweis. Im Übrigen wird die Zustellung durch das Zeugnis der ersuchten Behörde nachgewiesen.
(6) Soweit völkerrechtliche Vereinbarungen eine Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke ermöglichen, ist für die Übermittlung solcher Schriftstücke in das Ausland das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Person, die die Zustellung betreibt, ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Bei notariellen Urkunden ist auch das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der beurkundende Notar seinen Amtssitz hat. Bei juristischen Personen tritt an die Stelle des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts der Sitz der juristischen Person.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin nimmt die Beklagte unter anderem auf die Übertragung von "Eigentumsrechten des Anteils am Stammkapital der Betreibergesellschaft" eines Gasfeldes, hilfsweise auf Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung in Anspruch. Sie hat ihre Klage beim Landgericht Berlin eingereicht und die öffentliche Zustellung mit der Begründung beantragt, die Zustellung sei im Ausland nicht möglich und eine Erledigung des Rechtshilfegesuchs innerhalb absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Das Landgericht hat den Antrag der Klägerin abgelehnt. Das Kammergericht hat die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Mit der vom Kammergericht zugelassenen Rechtsbeschwerde hat die Klägerin ihren Antrag auf öffentliche Zustellung der Klage weiterverfolgt.
II.
- 2
- Der Antrag, die Erledigung des Rechtsbeschwerdeverfahrens festzustellen , ist unbegründet, weil die Rechtsbeschwerde von Anfang an unbegründet war.
- 3
- 1. Die Rechtsbeschwerdeführerin hat allerdings in zulässiger Weise das Rechtsbeschwerdeverfahren für erledigt erklärt.
- 4
- a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar nicht abschließend geklärt, ob ein Rechtsmittel schlechthin Gegenstand einer Erledigungserklärung sein kann. Sie ist aber jedenfalls dann möglich, wenn hierfür ein besonderes Bedürfnis besteht, weil nur auf diese Weise eine angemessene Kostenentscheidung zu erzielen ist (BGH, Beschluss vom 11. Januar 2001 - V ZB 40/99, NJW-RR 2001, 1007, unter II 1 a; Urteil vom 12. Mai 1998 - XI ZR 219/97, NJW 1998, 2453, unter II 2; Beschluss vom 17. September 2008 - IV ZB 17/08, FamRZ 2009, 41, Tz. 4). Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine einseitige Erledigungserklärung handelt (BGH, Urteil vom 12. Mai 1998, aaO; Beschluss vom 10. Juli 2003 - VII ZB 32/02, NJW 2003, 3057, unter II). So verhält es sich hier.
- 5
- Eine Rücknahme des Rechtsmittels liegt nicht im Interesse der Klägerin, denn dies hätte zur Folge, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsmittels unabhängig davon zu tragen hätte, ob die Rechtsbeschwerde ursprünglich begründet war oder nicht. Es besteht auch nicht die Möglichkeit, die Hauptsache für erledigt zu erklären, denn die Rechtsgrundsätze über die Erledigung der Hauptsache finden nur auf solche Verfahren Anwendung, in denen eine Kostengrundentscheidung ergehen kann (BGH, Beschluss vom 17. September 2008, aaO; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 91a Rdnr. 7; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 91a Rdnr. 3; MünchKommZPO/Lindacher, 3. Aufl., § 91a Rdnr. 8; Stuckert, Die Erledigung in der Rechtsmittelinstanz, 2007, S. 278). Diese Voraussetzung erfüllt das Verfahren über den Antrag auf öffentliche Zustellung nicht, denn es handelt sich um ein gebührenfreies Verfahren, in dem keine Kostenentscheidung ergeht.
- 6
- b) Die Erledigung kann vom Beschwerdeführer im Rechtsbeschwerdeverfahren einseitig erklärt werden, wenn das erledigende Ereignis als solches außer Streit steht (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2005 - VII ZB 10/05, WM 2005, 1991, unter 1 m.w.N.). Das ist hier der Fall. Nach Zustellung der Klage an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten besteht kein Bedürfnis für eine öffentliche Zustellung mehr, so dass das Interesse der Klägerin an der Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens entfallen ist. Dass die Zustellung auf Betreiben der Klägerin erfolgt ist, berührt entgegen der Auffassung der Beklagten die Wirksamkeit der Zustellung nicht.
- 7
- 2. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde war jedoch von Anfang an nicht begründet.
- 8
- a) Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 9
- Die Voraussetzungen, unter denen die öffentliche Zustellung einer Klage nach § 185 ZPO bewilligt werden könne, seien nicht gegeben. Eine öffentliche Zustellung der Klage komme in Fällen, in denen die ladungsfähige Anschrift des Beklagten im Ausland bekannt sei, nur dann in Betracht, wenn eine Zustellung im Ausland nicht möglich sei oder keinen Erfolg verspreche. Beides sei hier nicht der Fall. Es sei zwar anzunehmen, dass die öffentliche Zustellung (richtig: die Zustellung im Wege der Rechtshilfe) einer Klage auch dann keinen Erfolg verspreche, wenn erfahrungsgemäß eine so außergewöhnlich langsame Erledigung der Zustellung auf dem Rechtshilfeweg zu erwarten sei, dass der betreffenden Partei ein Zuwarten billigerweise nicht zugemutet werden könne. Davon könne hier jedoch nicht ausgegangen werden.
- 10
- Der Antrag auf öffentliche Zustellung könne auch nicht darauf gestützt werden, dass bei Rechtshilfeersuchen an die Russische Föderation generell mit einer unzumutbar langen Bearbeitungsdauer zu rechnen sei. Darüber, ob es im vorliegenden Fall zu Verzögerungen kommen werde, ließen sich derzeit nur Vermutungen anstellen, denn ein Rechtshilfeersuchen sei den russischen Behörden noch nicht einmal übersandt worden. Für die Bewilligung der öffentlichen Zustellung müssten konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass das Rechtshilfeersuchen undurchführbar sei oder erfolglos bleibe.
- 11
- Nichts anderes gelte mit Rücksicht darauf, dass die Klägerin die Erhebung der Einrede der Verjährung durch die Beklagte befürchte. Soweit sich der geltend gemachte Anspruch nach deutschem materiellem Recht richte, habe die Klägerin nicht zu befürchten, dass die Rückwirkungsfiktion des § 167 ZPO nicht zu ihren Gunsten greifen werde, so dass schon die Einreichung der Klage zu einer Unterbrechung der Verjährung führe. Soweit die Klägerin vertragliche Erfüllungsansprüche geltend mache, die nach russischem Recht zu beurteilen seien, sei ebenfalls nicht ersichtlich, dass die Verjährung der Ansprüche drohe. Nach dem insoweit anzuwendenden russischen Recht sei für die Unterbrechungswirkung der Klageerhebung von vornherein auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung abzustellen.
- 12
- b) Die dagegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde hätten keine andere Entscheidung gerechtfertigt.
- 13
- Nach § 185 Nr. 3 ZPO kann eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, wenn sie im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht. Das ist allerdings nicht erst dann der Fall, wenn feststeht, dass eine Zustellung im Wege der Rechtshilfe endgültig nicht erfolgen wird. Der Zweck dieser Vorschrift liegt darin, den Anspruch auf Justizgewährung für die Partei zu sichern, wenn auf anderem Wege eine Zustellung nicht durchführbar ist (Stein/Jonas/Roth, aaO, § 185 Rdnr. 1; Zöller/Stöber, aaO, § 185 Rdnr. 1). Das Gebot, einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewähren, erfordert, dass dieser in angemessener Zeit zu erlangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 1989 - X ZR 23/87, NJW 1989, 1477, unter I 4). Keinen Erfolg verspricht die Zustellung daher schon dann, wenn die Durchführung einen derart langen Zeitraum in Anspruch nehmen würde, dass ein Zuwarten der betreibenden Partei billigerweise nicht zugemutet werden kann. Allerdings ist andererseits zu beachten, dass eine Bewilligung der öffentlichen Zustellung den Anspruch auf rechtliches Gehör des Prozessgegners aus Art. 103 Abs. 1 GG gefährdet. Für die Entscheidung der Frage, ob die Dauer einer Zustellung im Wege der Rechtshilfe nicht mehr zumutbar ist, bedarf es daher einer Abwägung der beiderseitigen Interessen, wobei es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt (vgl. OLG Köln, MDR 2008, 1061; OLG Düsseldorf, OLGR 2004, 456 f.; OLG Hamburg, NJWE-WettbR 1997, 284; MünchKommZPO/Häublein, aaO, § 185 Rdnr. 9; Musielak/Wolst, ZPO, 6. Aufl., § 185 Rdnr. 6; Wieczorek/Schütze/Rohe, ZPO, 3. Aufl., § 185 Rdnr. 2, 28 ff.; Fischer, ZZP 107 (1994), 163, 171; Geimer, NJW 1989, 2204). Diese Interessenabwägung fällt in den Bereich der tatrichterlichen Würdigung, die vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler geprüft werden kann. Das Beschwerdegericht hat bei seiner Entscheidungsfindung alle wesentlichen Umstände rechtsfehlerfrei berücksichtigt und gewürdigt.
- 14
- aa) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist der Anspruch der Klägerin auf Justizgewährung nicht schon deshalb verletzt, weil die Zustellung möglicherweise einen Zeitraum von sechs bis neun Monaten erfordert. In Rechtsprechung und Literatur wird allerdings zum Teil in Anlehnung an Art. 15 Abs. 2 des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 14. November 1965 eine Dauer von sechs Monaten generell als Grenze angesehen (OLG Köln, NJW-RR 1998, 1683, 1684; Geimer, aaO, S. 2204 f.; Stein/Jonas/Roth, aaO, Rdnr. 10; Hk-ZPO/Eichele, 2. Aufl., § 185 Rdnr. 6). Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Da eine Bewilligung der öffentlichen Zustellung den Anspruch des Prozessgegners auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG gefährdet, sind insoweit strenge Anforderungen zu stellen. Sie ist nur dann zu rechtfertigen, wenn eine andere Art der Zustellung aus sachlichen Gründen nicht oder nur schwer durchführbar ist (BVerfG, NJW 1988, 2361; BGH, Urteil vom 6. April 1992 - II ZR 242/91, NJW 1992, 2280, unter II 1). Insoweit ist zu beachten, dass eine Dauer von bis zu einem Jahr für eine Zustellung im Ausland nicht ungewöhnlich ist (vgl. dazu Rahm/Künkel/Breuer, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, Stand: November 2008, Kap. VIII Rdnr. 42). Ein Zeitraum von sechs bis neun Monaten überschreitet danach nicht den Zeitrahmen für Rechtshilfeverfahren, wie er auch sonst im internationalen Rechtsverkehr üblich ist. Dies steht der Annahme entgegen, es handele sich um einen Zeitraum, bei dem ein Zuwarten der betreibenden Partei billigerweise nicht zugemutet werden könne (ebenso Linke, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Rdnr. 231; Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen , 1988, S. 122; Fischer, aaO; Mansel, IPrax 1987, 210, 212).
- 15
- bb) Die Bewilligung der öffentlichen Zustellung war auch nicht deswegen geboten, weil - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - sich die Zustellungsdauer in Russland nach den von der Klägerin eingeholten Auskünften auf zwei Jahre belaufen könne. Dieser Umstand könnte die öffentliche Zustellung nur dann rechtfertigen, wenn mit Sicherheit zu erwarten wäre, dass eine Zustellung einen derart langen Zeitraum in Anspruch nehmen wird. Denn die Bewilligung der öffentlichen Zustellung setzt voraus, dass konkrete Feststellungen getroffen werden können, aus denen sich ergibt, dass eine Zustellung in anderer Weise keinen Erfolg verspricht. Solche Feststellungen lassen sich aber nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht treffen, weil es danach auch möglich ist, dass die Zustellung der Klage im Wege der Rechtshilfe innerhalb von (nur) sechs bis neun Monaten erfolgt.
- 16
- cc) Die Rechtsbeschwerde meint, der Klägerin habe wegen drohender Verjährung ein längeres Zuwarten nicht zugemutet werden können. Die vom Beschwerdegericht geäußerte Auffassung, eine Verjährung sei nicht zu befürchten , weil nach Art. 194 Abs. 2, Art. 203 Abs. 2 ZGB der Russischen Föderation für die Unterbrechung der Verjährung auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klage bei Gericht abzustellen sei, entfalte für das Hauptsacheverfahren keine Bindungswirkung. Es sei nicht auszuschließen, dass aufgrund neuer Erkenntnisse die Gerichte in den Tatsacheninstanzen den Eintritt der Verjährungsunterbrechung nach russischem Recht abweichend beurteilten, weil die Auswir- kungen von Rechtshandlungen im Ausland in der russischen Rechtspraxis nicht geklärt seien. Dieses Risiko müsse die Klägerin, soweit es um die Anwendbarkeit des § 185 ZPO gehe, nicht hinnehmen, weswegen eine öffentliche Zustellung geboten sei. Damit dringt die Rechtsbeschwerde nicht durch.
- 17
- Bei der Frage, ob eine öffentliche Zustellung bewilligt werden kann, ist zwar auch zu berücksichtigen, ob Umstände vorliegen, die bei einer Durchführung des zeitaufwändigen Rechtshilfeverfahrens zu einer Vereitelung des Rechts der betreibenden Partei führen können. Es widerspräche in einem solchen Fall dem Gebot des wirkungsvollen Rechtsschutzes, die betreibende Partei auf das Rechtshilfeverfahren zu verweisen (vgl. OLG Düsseldorf, aaO; OLG Hamm, MDR 1988, 589; OLG Hamburg, MDR 1970, 426; MünchKommZPO/ Häublein, aaO; vgl. auch Musielak/Wolst, aaO; Wieczorek/Schütze/Rohe, aaO, Rdnr. 33). So liegt es hier aber nicht. Die Risiken, die sich daraus ergeben, dass die Unterbrechung der Verjährung nach russischem Recht zu beurteilen ist, hat das Beschwerdegericht in Betracht gezogen, indem es die Rechtslage nach dem anzuwendenden russischen Recht ermittelt hat. Da die Rechtsbeschwerde nicht die fehlerhafte Ermittlung ausländischen Rechts gemäß § 293 ZPO gerügt hat, ist der Senat an die Beurteilung des Beschwerdegerichts gebunden (§ 577 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Danach ist zugrunde zu legen, dass die Unterbrechung der Verjährung nicht davon abhängt, dass die Klage der Beklagten zugestellt wird. Das abstrakte Prozessrisiko, dass die Tatsacheninstanzen bei Fortgang des Verfahrens die Frage der Unterbrechung der Verjährung durch Erhebung der Klage nach russischem Recht anders beurteilen, als dies bisher geschehen ist, stellt keinen ausreichenden Grund für eine öffentliche Zustellung dar. Ball Dr. Wolst Hermanns Dr. Milger Dr. Hessel
LG Berlin, Entscheidung vom 09.04.2008 - 33 O 433/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 28.05.2008 - 2 W 78/08 -
Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn
- 1.
der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist, - 2.
bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist, - 3.
eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht oder - 4.
die Zustellung nicht erfolgen kann, weil der Ort der Zustellung die Wohnung einer Person ist, die nach den §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterliegt.
(1) Über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung entscheidet das Prozessgericht. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.
(2) Die öffentliche Zustellung erfolgt durch Aushang einer Benachrichtigung an der Gerichtstafel oder durch Veröffentlichung der Benachrichtigung in einem elektronischen Informations- und Kommunikationssystem, das im Gericht öffentlich zugänglich ist. Die Benachrichtigung muss erkennen lassen
- 1.
die Person, für die zugestellt wird, - 2.
den Namen und die letzte bekannte Anschrift des Zustellungsadressaten, - 3.
das Datum, das Aktenzeichen des Schriftstücks und die Bezeichnung des Prozessgegenstandes sowie - 4.
die Stelle, wo das Schriftstück eingesehen werden kann.
(3) In den Akten ist zu vermerken, wann die Benachrichtigung ausgehängt und wann sie abgenommen wurde.
Das Schriftstück gilt als zugestellt, wenn seit dem Aushang der Benachrichtigung ein Monat vergangen ist. Das Prozessgericht kann eine längere Frist bestimmen.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 07.04.2017, Az. 418 HKO 4/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus den Urteilen vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
- 1
Der Kläger macht Kaufpreisforderungen aus bestrittenem abgetretenem Recht der Firma M. GmbH gegenüber der in Ägypten ansässigen Beklagten geltend.
- 2
Der Kläger ist Insolvenzverwalter der Firma F. E. GmbH & Co KG (im Folgenden: F.).
- 3
Die Beklagte ist eine ägyptische Gesellschaft mit Sitz in Ägypten. Sie ist eines der größten fleischverarbeitenden Unternehmen Ägyptens.
- 4
Die mittlerweile insolvente Firma M. GmbH mit Sitz in Schleswig-Holstein war auf In- und Export von Tiefkühlgefrierfleisch in den arabischen Raum spezialisiert. Sie firmierte ursprünglich unter dem Namen O. Of. GmbH (im Folgenden: O. Of.).
- 5
Die Beklagte und O. Of. unterhielten seit vielen Jahren eine Geschäftsbeziehung, ohne dass es zuvor zu einem Rechtsstreit gekommen war. Bestellungen der Beklagten bei O. Of. erfolgten telefonisch, im Anschluss erhielt sie per Fax als Bestätigung sog. Pro-Forma Rechnungen übermittelt, die sie gegenzeichnete und zurückfaxte. Hinsichtlich der streitgegenständlichen Bestellungen und der in der jeweiligen Fußzeile enthaltenen Gerichtsstandklausel wird auf die Pro-Forma Rechnungen gemäß Anlagen K 18, K 21, K 22, K 25, K 28, K 29, K 34, K 37 und K 46 Bezug genommen.
- 6
In den Abschlussrechnungen befand sich zusätzlich ein Hinweis auf die Firma F. als Abtretungsempfängerin der streitgegenständlichen Forderungen. Auf die Anlagen K 17, K 20, K 24, K 27, K 31, K 33, K 36, K 39, K 45, K 48 und K 51 wird verwiesen.
- 7
Mitte Januar 2009 teilte die Beklagte der Firma O. Of. per Email mit, dass Lieferungen nicht abgenommen werden könnten und verwies per Fax zur Begründung auf veränderte Zahlungsbedingungen, falsche Etikettierungen und verspätete Lieferungen. Auf die Emails gemäß Anlagen K 5 und K 6 und das Fax gemäß Anlage K 7 wird verwiesen.
- 8
Mit Schreiben vom 23. August 2010 forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers, damals als Prozessbevollmächtigte der O. Of. bzw. M. GmbH, die Beklagte zur Zahlung offener Forderungen in Höhe von 2,9 Mio USD auf und kündigten eine Klage in Hamburg an. Das Schreiben wurde der Beklagten per Kurier nach Ägypten übersandt. Auf Anlage K 14 wird Bezug genommen.
- 9
Mit Email vom 7. Januar 2011 zeigten die Prozessbevollmächtigten des Klägers den Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Vertretung der M. GmbH an und forderten die Beklagte zur Zahlung eines Betrages in Höhe von knapp 4,1 Mio. USD an die M. GmbH bis Ende Januar 2011 auf. In dem beiliegenden Klageentwurf wurden Forderungen in Höhe von 1.758.275,97 € in gewillkürter Prozessstandschaft für die Abtretungsempfängerin F. geltend gemacht. Auf die Anlagen K 15 und BK 9 wird Bezug genommen.
- 10
Mit Schreiben vom 17. Februar 2011 teilten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten den Prozessbevollmächtigten des Klägers, damals für M. GmbH handelnd, mit, dass sie für die Beklagte nicht mehr zustellungsbevollmächtigt seien. Auf Anlage BK 5 wird Bezug genommen.
- 11
Im Juli 2011 wurde über das Vermögen der M. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt L. zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser reichte, vertreten durch andere Prozessbevollmächtigte, am 22. Dezember 2011 beim Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen, zum Geschäftszeichen 418 HKO 143/11 einen Klageentwurf verbunden mit einem Prozesskostenhilfeantrag über offene Forderungen der M. GmbH gegen die Beklagte in Höhe von 2.149.441,58 USD ein. Der Prozesskostenhilfeantrag wurde der Beklagten zusammen mit der Klagschrift ohne Anlagen formlos per Post zur Stellungnahme übersandt. Ein Postrücklauf erfolgte nicht. Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde die Klagschrift mit zwei Ordnern Anlagen im August 2012 - zusammen mit der Klage und den Anlagen dieses Verfahrens - an die deutsche Botschaft in Kairo zwecks Zustellung im Rechtshilfeverkehr übersandt. Diese erklärte sich mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 aufgrund des im Verhältnis zu Ägypten in Kraft stehenden Haager Zustellungsübereinkommens für unzuständig und verwies darauf, dass besondere Gründe für eine ausnahmsweise Befassung der Auslandsvertretung nicht geltend gemacht worden seien. Auf Bl. 56 d.A. und Bl. 195 der Beiakte 418 HKO 143/11 wird Bezug genommen. Im Oktober 2012 wurden die Zustellunterlagen an das ägyptische Justizministerium übersandt. Sie gelangten im Januar 2013 kommentarlos an das Landgericht zurück. Im August 2013 wurde die Klagschrift im Verfahren 418 HKO 143/11 mit sämtlichen Anlagen ein weiteres Mal an das ägyptische Justizministerium zum Zwecke der Zustellung im Rechtshilfeverkehr übersandt. Sie gelangte im November 2013 erneut kommentarlos an das Landgericht zurück. Im Oktober 2013 wurde Mitarbeitern der Beklagten die Klagschrift der M. GmbH bzw. ihres Insolvenzverwalters und eine Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung auf einer Messe in Köln von einem Gerichtsvollzieher übergeben. In der nachfolgenden mündlichen Verhandlung im Verfahren 418 HKO 143/11 erging gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil. Dieses wurde der Beklagten im Jahr 2014 im Wege des Rechtshilfeverkehrs erfolgreich über das ägyptische Justizministerium unter Mitwirkung der deutschen Botschaft in Ägypten zugestellt. Auf die Beiakte 418 HKO 143/11, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, wird Bezug genommen.
- 12
Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger für die Firma F. am 29. Dezember 2011 Klage beim Landgericht, Zivilkammer 9, eingereicht. Die Klagschrift ist mitsamt Anlagen zum ersten Mal im Januar 2012 an das ägyptische Justizministerium zum Zwecke der Zustellung im Rechtshilfeverkehr übersandt worden. Im Juli 2012 sind sämtliche Unterlagen kommentarlos zurückgelangt. Im August 2012 sind die Zustellunterlagen zusammen mit den Zustellunterlagen aus dem Verfahren 418 HKO 143/11 unter versehentlicher Bezeichnung des Insolvenzverwalters der M. GmbH als Kläger auch für dieses Verfahren an die deutsche Botschaft in Kairo geschickt worden. Diese hat die Unterlagen mit dem bereits in Bezug genommenen Antwortschreiben vom 2.10.2012 im Oktober 2012 zurückgesandt. Noch im Oktober 2012 sind die Zustellunterlagen ein weiteres Mal - wiederum zusammen mit den Zustellunterlagen aus dem Parallelverfahren 418 HKO 143/11 und unter erneuter Falschbezeichnung des Klägers - an das ägyptische Justizministerium geschickt worden. Im Januar 2013 sind sie kommentarlos an das Landgericht zurückgelangt. Das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 9, hat daraufhin dem Klägervertreter mit Verfügung vom 19. Januar 2013 „ein Verfahren nach § 185 Nr. 3 ZPO anheim gestellt“ (Bl. 66 d.A.). Nach Akteneinsicht im Januar 2013 hat der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 28. Mai 2013 die öffentliche Zustellung beantragt. Mit Beschluss vom 4. Juni 2013 hat das Landgericht die öffentliche Zustellung der Klagschrift angeordnet und vom 4. Juni bis 10. Juli 2013 durch Aushang an der Gerichtstafel in Hamburg durchgeführt.
- 13
Am 3. September 2013 hat das Landgericht im schriftlichen Vorverfahren ein Versäumnisurteil erlassen und die Beklagte zur Zahlung von 1.773.115,63 USD verurteilt. Mit Beschluss vom 5. September 2013 hat das Landgericht die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils angeordnet. Die öffentliche Bekanntmachung ist vom 9. September 2013 bis 11. Oktober 2013 erfolgt. Auf Antrag des Klägervertreters hat das Landgericht mit weiterem Beschluss vom 16. September 2013 u.a. das fehlerhafte Passivrubrum des Versäumnisurteils - eine falsche Blocknummer in der Anschrift der Beklagten - berichtigt und diesen Beschluss durch Bekanntmachung am 11.12.2013 ebenfalls öffentlich zugestellt. Die Beklagte ist von keiner der öffentlichen Zustellungen informiert worden.
- 14
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 11. November 2015 hat die Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil erhoben. Das Verfahren ist am 5. Januar 2016 auf Antrag der Beklagten an die Kammer für Handelssachen abgegeben worden.
- 15
Wegen der weiteren Einzelheiten und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
- 16
Das Landgericht, Kammer für Handelssachen, hat das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne offen bleiben, ob die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung der Klage und des Versäumnisurteils erfüllt gewesen seien, jedenfalls sei eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren. Es sei eine Ausnahme von der Ausschlussfrist des § 234 Abs. 3 ZPO zu gewähren, da die Ursache der Unkenntnis der Beklagten von der Klage und dem Versäumnisurteil in der Sphäre des Gerichts liege. Der Kläger habe nicht auf die Unanfechtbarkeit des „an der Beklagten vorbei beantragten Versäumnisurteils“ vertrauen dürfen.
- 17
Die Klage sei unzulässig, da das Landgericht Hamburg international nicht zuständig sei. Die Parteien hätten keine wirksame Gerichtsstandvereinbarung getroffen. Die auf den Pro-Forma Rechnungen zusammen mit den Adressangaben abgedruckte Klausel genüge nicht den Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 S. 1 Brüssel I-VO. Die Klausel sei nicht Gegenstand einer klar und eindeutig zum Ausdruck kommenden Willenseinigung geworden, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Beklagte die klein gedruckte und überraschend platzierte Klausel überhaupt gesehen hätte oder hätte entdecken müssen. Nach der Verkehrserwartung tauche eine solche Klausel nicht innerhalb der klein gedruckten Angaben zu Adresse, Bankverbindung und Registergericht auf, zumal vorliegend die in der Fußzeile mittig genannten Kontodaten nicht maßgeblich gewesen seien, sondern die oberhalb der Fußzeile bezeichnete Factoring-Firma. Von einem verständigen Leser sei bei Anwendung normaler Sorgfalt nicht zu erwarten, dass er an dieser Stelle mit der Vereinbarung eines Gerichtsstandes rechne.
- 18
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die Verwerfung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils begehrt.
- 19
Er ist der Auffassung, die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils sei wirksam. Eine Zustellung an die Beklagte sei objektiv unmöglich gewesen, dies zeigten die mehrfachen kommentarlosen Rücksendungen der Zustellunterlagen und der Klagschriften sowohl in diesem als auch im Parallelverfahren 418 HKO 143/11. Es sei davon auszugehen, dass die in Ägypten in den Jahren 2012 und 2013 vorherrschenden politischen Unruhen hierfür ursächlich gewesen seien.
- 20
Die falsche Blocknummer und die fehlende Übersetzung der Anschrift der Beklagten ins Arabische in den Zustellunterlagen seien demgegenüber nicht kausal für die Rücksendungen gewesen, denn diese Fehler seien marginal. Die Beklagte sei als einer der größten Nahrungsmittelkonzerne in Ägypten bekannt und die lateinische Schrift sei auch in Ägypten gebräuchlich. Im Falle ihrer Ursächlichkeit wären sie zudem in den Zustellunterlagen vermerkt worden. Die Falschbezeichnung des Klägers in diesem Verfahren im Begleitschreiben an die deutsche Botschaft im August 2012 und an das ägyptische Justizministerium im Oktober 2012 habe sich ebenfalls nicht ausgewirkt, da die Zustellunterlagen die richtige Partei ausgewiesen hätten.
- 21
Eine Zustellung nach §§ 171, 172 ZPO an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten sei ebenfalls nicht möglich gewesen, da diese sich im Februar 2011 für nicht zustellungsbevollmächtigt erklärt hätten. Eine informelle Information der Beklagten sei keine Voraussetzung einer wirksamen öffentlichen Zustellung.
- 22
Die erfolglosen Versuche, die Klage im Rechtshilfeverkehr zuzustellen, rechtfertigten die Einschätzung des Landgerichts, auch das Versäumnisurteil ohne weiteren Zustellversuch öffentlich zuzustellen. Angesichts der erfolglosen Zustellung der Klage im Verfahren 418 HKO 143/11 im August 2013 sei diese Einschätzung auch noch im Zeitpunkt der öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils im hiesigen Verfahren im September 2013 zutreffend gewesen. Der Versuch einer Zustellung des Versäumnisurteils im Rechtshilfeverkehr wäre vor diesem Hintergrund reine Förmelei gewesen.
- 23
Ein Wiedereinsetzungsgrund liege nicht vor, da die Beklagte aufgrund der Schreiben der M. GmbH aus August 2010 und Anfang 2011 (Anlagen K 14 und K 15) mit einer Klage in Hamburg habe rechnen müssen.
- 24
Die Gerichtsstandvereinbarung sei wirksam, insbesondere deutlich, hinreichend leserlich, übersichtlich gegliedert und nicht überraschend. Ebenso wie für die Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbeziehungen genüge es, dass auf sie unterhalb der Unterschriftenzeile hingewiesen werde. Die Klausel sei an dieser Stelle auch nicht unüblich, dies zeigten Briefbögen anderer Firmen (Anlage BK 1 und BK 2). Der Gerichtsstand Hamburg als nächstgelegene Großstadt zum Sitz der M. GmbH sei bei einem internationalen Kaufvertrag ebenfalls nicht überraschend. Die Klausel sei in der Form getroffen worden, die den Gepflogenheiten der Parteien entsprochen habe. Das vom Landgericht in Bezug genommene Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz betreffe eine einmalige Geschäftsbeziehung und sei daher nicht vergleichbar.
- 25
Die Forderungen seien auch nicht verjährt, da die öffentliche Zustellung der Klage „demnächst“ erfolgt und wirksam gewesen sei.
- 26
Der Kläger beantragt,
- 27
das Urteil des Landgerichts vom 7.4.2017 abändern und
- 28
1. den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 3.9.2013 als unzulässig zu verwerfen;
- 29
2. den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand abzulehnen;
- 30
3. hilfsweise, das Versäumnisurteil vom 3.9.2013 aufrechterhalten.
- 31
Die Beklagte beantragt,
- 32
die Berufung zurückzuweisen,
- 33
hilfsweise, die Sache gemäß 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.
- 34
Sie ist der Auffassung, der Einspruch sei zulässig. Es fehle an einer wirksamen öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils. Dies ergebe sich schon daraus, dass kein Zustellversuch des Versäumnisurteils im Rechtshilfeverkehr an die Beklagte unternommen worden sei. Die vorangegangenen erfolglosen Zustellversuche der Klage rechtfertigten ein Absehen von dem Versuch einer Zustellung des Versäumnisurteils im Rechtshilfeverkehr nicht. Dass eine Zustellung im Rechtshilfeverkehr grundsätzlich möglich gewesen sei, zeige die Zustellung des Versäumnisurteils im Parallelverfahren 418 HKO 143/11. Mindestens hätte die Beklagte von dem Verfahren und dem Urteil per Fax oder Email parallel informiert werden müssen.
- 35
Die Klage sei nach zutreffender Würdigung des Landgerichts unzulässig, weil die Gerichtsstandvereinbarung unwirksam sei. Eine entsprechende Willenserklärung der Beklagten habe es nicht gegeben. Die Pro-Forma Rechnungen seien erst nach Vertragsschluss übersandt worden und daher für den Nachweis einer bei Vertragsschluss getroffenen Einigung ungeeignet. Zudem sei die darin enthaltene Gerichtsstandklausel von der Beklagten unbemerkt geblieben.
- 36
Die Forderungen seien aufgrund der unwirksamen öffentlichen Zustellung der Klage zudem bereits verjährt. Die öffentliche Zustellung der Klage sei ebenfalls unwirksam. Die erfolglosen Zustellversuche deuteten nicht auf eine nicht funktionierende Rechtshilfe hin. Es seien nicht die politischen Verhältnisse in Ägypten für die erfolglosen Zustellungen verantwortlich gewesen, sondern die übrigen Zustellmängel, insbesondere die unvollständige Übersetzung der Anschrift in die arabische Sprache und die falsche Blocknummer in der Anschrift. Dies ergebe sich aus der Stellungnahme des ägyptischen Rechtsanwalts T. (Anlage B 4). Dass die politischen Verhältnisse nicht ursächlich gewesen seien, ergebe sich zudem aus der bereits erstinstanzlich eingereichten Stellungnahme der Rechtspflegerin Frau F. aus Juli 2016 (Bl. 285 d.A.). In jedem Fall hätte vor einer öffentlichen Zustellung zunächst eine Zustellung im Rechtshilfeverkehr unter Mitwirkung der deutschen Botschaft versucht werden müssen.
- 37
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze mitsamt Anlagen Bezug genommen.
- 38
Das Gericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung die Rechtspflegerin Frau F. des Landgerichts Hamburg als Zeugin vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 18. April 2018 Bezug genommen.
II.
- 39
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht das Versäumnisurteil vom 3.9.2013 aufgehoben und die Klage als unzulässig abgewiesen. Denn der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil war zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden, und die Klage unzulässig, weil sie am international unzuständigen Gericht erhoben wurde. Darüber hinaus wäre die Klage auch als unbegründet abzuweisen, weil die Forderungen verjährt sind. Die öffentliche Zustellung der Klage hat den Eintritt der Verjährung nicht gehemmt.
- 40
1. Der Einspruch der Beklagten hat das Verfahren in den Stand vor der Säumnis zurückversetzt, § 342 ZPO. Einer Wiedereinsetzung der Beklagten gegen die Versäumung der Einspruchsfrist bedurfte es hierzu nicht. Denn das durch Aushang an der Gerichtstafel in Hamburg im Zeitraum vom 9. September 2013 bis 11. Oktober 2013 öffentlich zugestellte Versäumnisurteil, gegen das die Beklagte erst mit anwaltlichem Schriftsatz vom 11. November 2015 Einspruch eingelegt hat, war nicht rechtskräftig geworden. Durch die öffentliche Zustellung wurde die auf vier Wochen festgesetzte Einspruchsfrist (§ 339 Abs. 2 ZPO) nicht in Gang gesetzt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nach § 185 Nr. 3 ZPO erkennbar nicht vorgelegen haben.
- 41
a) Nach § 185 Nr. 3 ZPO kann eine öffentliche Zustellung trotz bekannten Aufenthalts der Beklagten im Ausland angeordnet werden, wenn die Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht. Dies ist der Fall, wenn ein Rechtshilfeabkommen mit dem betreffenden Staat nicht besteht und auch vertraglos nicht stattfindet (OLG Köln, MDR 2008, 1061) oder wenn Rechtshilfe tatsächlich oder erfahrungsgemäß - etwa aus politischen Gründen - verweigert wird (vgl. hierzu Zöller-Schultzky, ZPO, 32. Aufl., § 185 Rn. 7; Wittschier in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 185 Rn. 5, jew. m.w.N.). An die Feststellungen, dass die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung vorliegen, sind dabei wegen der besonderen Bedeutung der Zustellung für die Gewährung rechtlichen Gehörs im Erkenntnisverfahren hohe Anforderungen zu stellen (BGH, NJW 2012, 3582 = FamRZ 2012, 1376 Rn. 17; NJW 2003, 1530, unter ausdrücklicher Abgrenzung zum Vollstreckungsverfahren; BGH, NJW-RR 2013, 307 Rn. 16, unter Bezugnahme auf BVerfG, NJW 1988, 2361; MüKo/Häublein, ZPO, 5. Aufl., § 185 Rn. 1 m.w.N.). Sie darf nur dann durchgeführt werden, wenn feststeht, dass eine andere Form der Zustellung nicht oder nur schwer durchführbar ist (BVerfG NJW 1988, 2361, 2361). Dies war bei der öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils erkennbar nicht der Fall.
- 42
(1) Im Verhältnis zu Ägypten existiert ein Rechtshilfeabkommen. Zustellungen sind nach dem Haager Zustellübereinkommen vom 15.11.1965 durchzuführen (HZÜ, BGBl. 1980 II S. 907). Als zentrale Behörde für Zustellungen durch ausländische Stellen im Sinne des § 2 HZÜ ist in Ägypten das ägyptische Justizministerium bestimmt worden (vgl. ZRHO Länderteil - Ägypten). In Ausnahmefällen, wenn besondere Gründe dies rechtfertigen, können Zustellungen im Rechtshilfeverkehr unter Einschaltung der deutschen Botschaft erfolgen (§ 14 ZRHO, § 183 Abs. 2 ZPO siehe hierzu auch das Schreiben der deutschen Botschaft vom 2.10.2012, Bl. 56 d.A., sowie Rohe in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 183 Rn. 30). Der Zustellung des Versäumnisurteils in Ägypten stand daher keine fehlende vertragliche Grundlage entgegen.
- 43
(2) Eine ausdrückliche Verweigerung der Rechtshilfe durch das ägyptische Justizministerium gab es im Zeitpunkt der Anordnung der öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils ebenfalls nicht. Entsprechende Feststellungen hat das Landgericht nicht getroffen. Eine Zustellung des Versäumnisurteils im Rechtshilfeverkehr ist nicht versucht worden. Die vorangegangenen erfolglosen Zustellversuche der Klagschrift im Rechtshilfeverkehr rechtfertigten diese Einschätzung nicht. Denn sowohl in diesem Verfahren als auch im Parallelverfahren 418 HKO 143/11 gelangten die Zustellunterlagen mitsamt Klagschriften sowie jeweils zwei Leitzordnern Anlagen kommentarlos und ungeöffnet an das Landgericht zurück. Eine Begründung für die Rücksendungen gab es nicht und es wurde auch keine Nachfrage beim ägyptischen Justizministerium unternommen.
- 44
(3) Anhaltspunkte für eine Unmöglichkeit der Zustellung aufgrund der politischen Unruhen in Ägypten bestanden nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ebenfalls nicht. Die für die Durchführung von Zustellungen im Rechtshilfeverkehr am Landgericht Hamburg zuständige Rechtspflegerin Frau F. hat dies nicht bestätigt.
- 45
Zwar hatte die Zeugin in einer E-Mail vom 1. August 2013 gegenüber den Prozessbevollmächtigten des Klägers im Parallelverfahren 418 HKO 143/11 die Vermutung geäußert, dass die politischen Unruhen in Ägypten möglicherweise „ein Faktor für eine evtl. ‚Unlust‘ der Durchführung der Zustellung“ sein könnten (Anlage BK 6).
- 46
In ihrer Vernehmung hat die Zeugin jedoch ausgesagt, die deutsche Botschaft in Kairo habe ihr im Jahr 2016 mitgeteilt, dass politische Unruhen nicht die Ursache von Rücksendungen aus Ägypten sein könnten und statt dessen fehlende beigefügte Übersetzungen als möglichen Grund angeführt.
- 47
Die Zeugin konnte diese Auskunft der deutschen Botschaft zwar keinem konkreten Verfahren zuordnen. Dass die Auskunft auch auf das vorliegende Verfahren zutrifft, ergibt sich jedoch aus der schriftlichen Stellungnahme der Zeugin F. vom 5. Juli 2016, die sie in diesem Verfahren abgegeben hat (Bl. 285 d.A.). Danach war eine Einschränkung der Funktionsfähigkeit der ägyptischen Verwaltung „zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt, auch nicht nach Aussage der diplomatischen Vertretung in Ägypten, so dass Zustellungen nach dem HZÜ möglich waren“. Die Zeugin hat diese Stellungnahme in ihrer Vernehmung als zutreffend und ihrem damaligen Kenntnisstand entsprechend bestätigt.
- 48
Für eine funktionierende Rechtshilfe spricht weiter das Schreiben der deutschen Botschaft in Kairo vom 2. Oktober 2012 (Bl. 56 d.A.). Hierin hat die Botschaft ausdrücklich auf die vorrangige Zuständigkeit des ägyptischen Justizministeriums für Zustellungen im Rechtshilfeverkehr verwiesen. Gründe für eine ausnahmsweise Befassung der deutschen Auslandsvertretung mit Zustellungen im Rechtshilfeverkehr waren zum damaligen Zeitpunkt nicht offenbar.
- 49
Auch das weitere Verhalten der Zeugin selbst zeigt, dass sie noch im Zeitpunkt der öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils in diesem Verfahren von einer grundsätzlich funktionierenden Rechtshilfe mit Ägypten ausging. Denn im August 2013 - kurz vor der öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils in diesem Verfahren - hat die Zeugin im Parallelverfahren 418 HKO 143/11 die dortige Klagschrift mitsamt Anlagen ein weiteres Mal zur Zustellung im Rechtshilfeverkehr an das ägyptische Justizministerium gesandt, ohne die nach § 14 ZRHO bestehende Möglichkeit wahrzunehmen, die deutsche Botschaft einzubinden.
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Für eine funktionierende Rechtshilfe spricht darüber hinaus, dass die Zustellung des Versäumnisurteils im Parallelverfahren 418 HKO 143/11 im Jahr 2014 im Wege des Rechtshilfeverkehrs unter Einbindung der deutschen Botschaft an die Beklagte in Ägypten erfolgreich durchgeführt werden konnte. Die Behauptung des Klägers, dass Zustellungen nach Ägypten im Rechtshilfeverkehr generell erfolglos geblieben seien, wird schon durch diese erfolgreiche Zustellung widerlegt.
- 51
Die Zeugin F. hat die Behauptung des Klägers, Zustellungen nach Ägypten seien im streitigen Zeitraum in sämtlichen Verfahren am Landgericht Hamburg „gerichtsbekannt“ erfolglos geblieben, ebenfalls nicht bestätigt. Vielmehr bekundete sie, dass es im Zeitraum von 2005 bis heute lediglich sieben Verfahren am Landgericht Hamburg gegeben habe, in denen Zustellungen nach Ägypten erfolgt seien, und dass sie nur bei zwei Verfahren erinnere, dass Zustellungen immer wieder „hin und her“ gelangt seien. Eine Erklärung für diese Rücksendung habe es nach Aussage der Zeugin nicht gegeben. Ihre persönliche Vermutung sei gewesen, dass auch der erhebliche Umfang der zuzustellenden Unterlagen zu einer gewissen „Unlust“ der ägyptischen Post geführt haben könnte, die Pakete weiterzuleiten. Denn die Pakete seien jeweils ungeöffnet zurückgelangt, was dafür gesprochen habe, dass sie das Justizministerium gar nicht erst erreicht hätten. Daher habe sie von einer Nachfrage beim Justizministerium abgesehen.
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Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin bestehen nicht. Ihre Aussage war schlüssig und stand im Einklang mit dem Akteninhalt und ihrer eigenen Stellungnahme vom 5. Juli 2016. Dass die Zeugin nur noch wenige Umstände konkret erinnerte, war angesichts des mehrere Jahre zurückliegenden Geschehens nachvollziehbar. Eine besondere Nähe zu einer der Parteien bestand nach dem in der Verhandlung von der Zeugin gewonnenen persönlichen Eindruck nicht.
- 53
(4) Neben einer möglichen „Unlust“ der ägyptischen Post, die umfangreichen Unterlagen weiterzuleiten, kamen weitere Gründe für die Rücksendungen in Betracht. Denn unklar blieb, inwieweit die unrichtige Hausnummer in der Anschrift der Beklagten (... 3/Block 2 anstelle von Block 25), die nur teilweise ins Arabische übersetzte Anschrift der Beklagten und die Nennung des falschen Klägers im Anschreiben an das ägyptische Ministerium im Oktober 2012, die von den Zustellunterlagen abwichen, die Zustellung beeinflusst haben könnte. Letzteres hat das Landgericht gegenüber der deutschen Botschaft im Januar 2013 richtiggestellt, unmittelbar danach sind die Zustellunterlagen kommentarlos aus Ägypten zurückgelangt. Ein weiterer Zustellversuch mit der richtigen Bezeichnung des Klägers im Anschreiben wurde nachfolgend nicht unternommen. Es unterblieb auch ein erneuter Zustellversuch, nachdem das Landgericht die unrichtige Anschrift der Beklagten im Rubrum des Versäumnisurteils mit Berichtigungsbeschluss vom 16.9.2013 berichtigt hatte.
- 54
(5) Aufgrund der ungeklärten Ursache der Rücksendungen, der zahlreichen formalen Mängel der Zustellunterlagen und der nach obigen Feststellungen grundsätzlich funktionierenden Rechtshilfe mit Ägypten verstieß die Anordnung des Landgerichts vom 5. September 2013, das Versäumnisurteil vom 3. September 2013 öffentlich zuzustellen, ersichtlich gegen das Gebot, eine öffentliche Bekanntmachung erst dann vorzunehmen, wenn andere Zustellmöglichkeiten ausgeschlossen sind. Ein vorheriger Zustellversuch nach HZÜ - ggf. unter Einbeziehung der deutschen Botschaft - wäre nach diesen Feststellungen erkennbar keine reine „Förmelei“ gewesen. Dies zeigt schon die erfolgreiche Zustellung des Versäumnisurteils im Parallelverfahren. Bereits dieser Verfahrensmangel führt zur Unwirksamkeit der öffentlichen Zustellung nach § 185 Nr. 3 ZPO.
- 55
b) Darüber hinaus leidet die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils an einem Verfahrensmangel, weil eine informelle Information der Beklagten unterblieben ist. Dieses Erfordernis folgt aus dem Gebot des rechtlichen Gehörs, welches sich aus Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta ergibt, und dem nur dann ausreichend Rechnung getragen wird, wenn die Beklagte von der öffentlichen Zustellung informell in Kenntnis gesetzt wird.
- 56
Angesichts der besonderen Bedeutung des Grundrechts auf rechtliches Gehör wird daher überwiegend die Auffassung vertreten, dass eine informelle Information des Zustelladressaten - sei es durch einfachen Brief, durch Übermittlung per Kurier, per Telefax oder per Email - neben der öffentlichen Zustellung zwingend erforderlich ist, wenn - wie vorliegend - die Anschrift oder sonstige Kontaktmöglichkeiten bekannt sind (OLG Köln, Beschluss vom 26.5.2008 - 16 Wx 305/07, Rn. 6 - juris; OLG Köln, NJW-RR 1998, 1683, 1684; AG Bonn, NJW 1991, 1430, 1431; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 76. Aufl., § 185 Rn. 12; Wieczorek/Schütze/Rohe, a.a.O., § 185 Rn. 35; Zöller-Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 183 Rn. 9, 10). Dies gilt erst recht, wenn es sich um eine langjährige Geschäftsbeziehung handelt, in der regelmäßig auf den üblichen Wegen des internationalen kaufmännischen Geschäftsverkehrs per Fax oder Email kommuniziert worden war (OLG Hamburg, NJWE-WettbR 1997, 284).
- 57
Zum Teil wird in der Literatur demgegenüber die Auffassung vertreten, dass eine informelle Information des Adressaten einer öffentlichen Zustellung zwar wünschenswert wäre, dies jedoch keine Wirksamkeitsvoraussetzung der öffentlichen Zustellung sei, da § 185 ZPO dies nicht vorschreibe (MüKo/Häublein, a.a.O., § 185 Rn. 13 a.E.; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 185 Rn. 15; Musielak/Voit/Wittschier, a.a.O., § 185 Rn. 6). Ein solches Verständnis dürfte allerdings mit der Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs nicht vereinbar sein.
- 58
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs soll die ordnungsgemäße Erfüllung der Zustellvorschriften gewährleisten, dass der Adressat Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück nehmen und seine Rechtsverteidigung darauf einrichten kann (BVerfG NJW 1988, 2361; BGH NJW-RR 2012, 1012). Ob schon jeder Zustellungsmangel zur Verfehlung dieses verfassungsrechtlich gebotenen Zwecks führt, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner grundlegenden Entscheidung vom 26.10.1987 (NJW 1988, 2361) zwar offengelassen. Es hat jedoch die Zustellfiktion der öffentlichen Bekanntmachung im Fall der öffentlichen Zustellung wegen unbekannten Aufenthalts (§ 185 Abs. 1 ZPO, damals § 203 Abs. 1 ZPO a.F.) nur dann für verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen, „wenn eine andere Art der Zustellung aus sachlichen Gründen nicht oder nur schwer durchführbar ist, sei es wegen des unbekannten Aufenthalts des Zustellungsempfängers, sei es wegen der Vielzahl oder Unüberschaubarkeit des Kreises der Betroffenen“ (BVerfG a.a.O). Verfassungsrechtlich unbedenklich ist die Zustellfiktion des § 185 ZPO danach nur dann, wenn eine Kenntnisnahme des Zustellempfängers auf anderen Wegen ersichtlich keinen oder nur geringen Erfolg verspricht.
- 59
Hieraus folgt für den Fall des bekannten Aufenthalts des Zustelladressaten im Ausland, der mit modernen Kommunikationsmitteln ohne weiteres erreicht werden kann und diese zudem in der Vergangenheit erkennbar regelmäßig im Geschäftsverkehr genutzt hat, zwingend das Gebot, ihn im Fall einer öffentlichen Zustellung über diese Informationswege von dem Verfahren und insbesondere von einem vollstreckbaren Titel in Kenntnis zu setzen. Dies gebietet eine verfassungskonforme Auslegung des § 185 ZPO. Denn nur so kann im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs der Zweck der Zustellvorschriften gewährleistet werden.
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Von einer solchen informellen Information durfte vorliegend aufgrund der außergerichtlichen Übersendung von zwei Klageentwürfen an die Beklagte bzw. ihre Prozessbevollmächtigten im August 2010 (Anlage K 14) und Januar 2011 (Anlage K 15) nicht abgesehen werden. Denn hieraus ergab sich nicht, dass der Kläger oder die von ihm vertretende Firma F. einen Titel gegen die Beklagte erwirken würde. Die übersandten Klageentwürfe beinhalteten ausschließlich Verfahren der M. GmbH gegen die Beklagte. Auch wenn die M. GmbH - wie erst in zweiter Instanz klargestellt wurde - mit dem im Januar 2011 übersandten Klageentwurf angekündigt hat, auch Forderungen der hiesigen Insolvenzschuldnerin F. in gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen (Anlage BK 9), musste die Beklagte aufgrund dieses Klageentwurfs nicht damit rechnen, dass F. selbst oder der Kläger Ende 2011 neben der M. GmbH gegen die Beklagte in einem getrennten Verfahren vorgehen würde.
- 61
c) Ob einer wirksamen Zustellung des Versäumnisurteils nach § 185 Nr. 3 ZPO darüber hinaus der Umstand entgegenstand, dass vor der Anordnung der öffentlichen Zustellung keine Zustellung nach §§ 171, 172 ZPO an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten versucht worden war, braucht nach dem oben Gesagten nicht entschieden werden.
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Hierbei handelte es sich allerdings entgegen dem mit der Ladung gegebenen Hinweis des Senats nicht um eine erkennbar weitere Zustellmöglichkeit an die Beklagte. Zwar war aus der Email der Prozessbevollmächtigten des Klägers an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten aus Januar 2011 (Anlage K15) bereits bei Klageinreichung für das Landgericht ersichtlich, dass ein Mandatsverhältnis der Beklagten mit deutschen anwaltlichen Vertretern - den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten - bestanden hatte. Dieses betraf allerdings das Verfahren der M. GmbH gegen die Beklagte. Ob dies ausreichend war, um eine Zustellmöglichkeit an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach §§ 172 Abs. 1, 171 ZPO für dieses Verfahren anzunehmen, ist bereits zweifelhaft. Dies kann jedoch dahinstehen. Denn ausweislich der Anlage BK 5 haben sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten als Reaktion auf die Übersendung des Klageentwurfs der M. GmbH im Februar 2011 gegenüber den Prozessbevollmächtigten des Klägers - damals handelnd für die M. GmbH - ausdrücklich für nicht mehr zustellungsbevollmächtigt erklärt. Dieser erst in zweiter Instanz eingereichte neue Vortrag ist zu berücksichtigen, da er auf den Hinweis des Senats und damit nicht verspätet im Sinne des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO erfolgte. Hierdurch unterscheidet sich der Fall von dem, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8.12.2016 (NJW 2017, 1735) zu Grunde lag. Im dortigen Verfahren hat der Bundesgerichtshof eine öffentliche Zustellung für unwirksam angesehen, weil der damalige anwaltliche Vertreter des Beklagten sich vorprozessual für zustellungsbevollmächtigt erklärt hatte und eine Zustellung an die Kanzlei dennoch nicht erfolgt war.
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Ob das Landgericht vorliegend angesichts der engen Voraussetzungen des § 185 ZPO eine Zustellungsbevollmächtigung der deutschen anwaltlichen Vertreter nach §§ 171, 172 ZPO vor der Anordnung der öffentlichen Zustellung zumindest hätte erfragen müssen - insbesondere angesichts der mit der Klagschrift eingereichten Email gemäß Anlage K15 -, bedarf ebenfalls keiner Entscheidung. Auch hieraus hätte sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung allerdings nicht ohne weiteres ein zweiter Zustellweg eröffnet. Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, er hätte der Beklagten zwar die erneute Erteilung einer Zustellungsbevollmächtigung empfohlen. Dass die Beklagte diese erteilt hätte, konnte er jedoch nicht bestätigen.
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d) Die nach dem oben Gesagten bereits wegen der unterlassenen Zustellung des Versäumnisurteils im Rechtshilfeverkehr nach den Regelungen des HZÜ fehlerhaft angeordnete öffentliche Zustellung löst nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Zustellfiktion des § 188 ZPO nicht aus und setzt keine Frist in Lauf (st. Rspr. seit BGH NJW 2002, 827, 830 vgl. auch BGH NJW-RR 2013, 307 Rn. 21). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die öffentliche Zustellung auf einem Fehler des Gerichts beruht und bei sorgfältiger Prüfung der Unterlagen nicht hätte angeordnet werden dürfen (BGH NJW 2012, 3582 Rn. 19). Dies war vorliegend der Fall. Denn eine Ermittlung der möglichen Ursachen für die kommentarlosen Rücksendungen der Klagschriften unterblieb. Dennoch hat das Gericht trotz Kenntnis von zahlreichen formalen Mängeln - insbesondere der falschen Bezeichnung des Klägers im Anschreiben an die Botschaft und das ägyptische Justizministerium, auf die der Klägervertreter das Gericht mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2012 hingewiesen hatte (Bl. 61 d.A.), sowie der unrichtigen Anschrift der Beklagten, die Gegenstand des Berichtigungsbeschlusses vom 16. September 2013 war (Bl. 102 d.A.) - keine erneute Zustellung nach HZÜ versucht. Es hat auch die dem Schreiben der deutschen Botschaft in Kairo vom 2.10.2012 (Bl. 56 d.A.) zu entnehmende Möglichkeit, eine Zustellung im Rechtshilfeverkehr unter Einbeziehung der deutschen Botschaft vorzunehmen, ungenutzt gelassen. Hinzu kommt, dass das Gericht die Beklagte nicht informell von den öffentlichen Zustellungen informiert hat, obwohl den Anlagen zur Klagschrift (insbesondere K 5, K 6 und K 7) sowohl die Email-Adresse als auch die Faxnummer der Beklagten zu entnehmen war und obwohl ersichtlich war, dass die Beklagte diese Kommunikationsmittel im geschäftlichen Verkehr regelmäßig genutzt hat. Eine solche Information der Beklagten hätte zudem über die aus der Anlage K 15 ersichtlichen deutschen anwaltlichen Vertreter der Beklagten versucht werden können. Auch zu diesen fand eine Kontaktaufnahme indes nicht statt.
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e) Mangels Fristablauf wurde die vierwöchige Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 2 ZPO daher frühestens mit Kenntniserlangung der Beklagten von dem Versäumnisurteil am 31. Oktober 2015 in Gang gesetzt, § 189 ZPO. Sie war bei Eingang des Einspruchs per Fax am 11. November 2015 und des Originalschriftsatzes am 12. November 2015 ersichtlich noch nicht abgelaufen. Für den danach noch zulässigen Einspruch der Beklagten bedurfte es keiner Wiedereinsetzung. Durch ihn wird vielmehr nach § 342 ZPO der Weg zu der auch vom Bundesverfassungsgericht geforderten Sachentscheidung eröffnet (vgl. BGH NJW 2002, 827, 829; BGH NJW 2007, 303).
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2. Das Versäumnisurteil ist danach zu Recht aufgehoben und die Klage als unzulässig abgewiesen worden, denn das Landgericht Hamburg war für die Entscheidung des Rechtsstreits international unzuständig. Nach der zutreffenden Würdigung des Landgerichts, der sich der Senat anschließt, kann unter Berücksichtigung der gebotenen engen Auslegung von Gerichtsstandvereinbarungen keine übereinstimmende Willenseinigung der Parteien auf den Gerichtsstand Hamburg festgestellt werden. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger beruft sich hierfür allein auf die in der Fußzeile der Pro-Forma Rechnungen der Zedentin M. GmbH (ehemals O. Of.) enthaltenen Gerichtsstandvereinbarung „Place of Jurisdiction is Hamburg“. Diese hat das Landgericht zutreffend für nicht ausreichend erachtet.
- 67
a) Die Wirksamkeit der Gerichtsstandvereinbarung beurteilt sich nach Art. 23 VO (EG) Nr. 44/2001 (Brüssel I-VO) in der vom 1.3.2002 bis 9.1.2015 geltenden Fassung (Art 66 Brüssel-I VO i.V.m. Art 66 Brüssel-Ia VO). Der sachliche Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 1 S. 1 Brüssel I-VO ist eröffnet, denn die M. GmbH hatte ihren Sitz in Deutschland und durch die Klausel sollte ein deutsches Gericht zur Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten zwischen der O. Of. und der Beklagten bestimmt werden. Nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 Brüssel I-VO setzt die Wirksamkeit einer Gerichtsstandvereinbarung weiter voraus, dass sie (a) schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung, (b) in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind,oder (c) im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten, geschlossen wurde. Keine dieser Varianten wurde erfüllt.
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(1) Das Formerfordernis des Art. 23 Abs. 1 S. 3 Buchst. a Brüssel I-VO wurde vorliegend entgegen der Behauptung der Beklagten zwar noch gewahrt. Denn ausreichend war, dass O. Of. der Beklagten jeweils Bestellbestätigungen mit der in der Fußzeile enthaltenen Gerichtsstandklausel übersandte. Die Pro-Forma Rechnungen stellten eine Annahme der telefonischen Bestellungen der Beklagten dar, die in Bezug auf den Gerichtsstand als abändernde Annahme und neues Angebot zu verstehen waren (§ 150 Abs. 2 BGB). Dieses hätte von der Beklagten durch Gegenzeichnung angenommen werden können (siehe hierzu auch OLGR Düsseldorf 2004, 208, 209 m.w.N.). Die Gegenzeichnungen der Pro-Forma Rechnungen durch die Beklagte lassen indes keine Willenserklärung der Beklagten erkennen, sich über den Gerichtsstand zu einigen. Die Beklagte hat eine Kenntnisnahme von der Gerichtsstandklausel in der Fußzeile der Rechnungen bestritten. Hiervon kann angesichts der strengen Voraussetzungen, die für das Zustandekommen einer wirksamen Gerichtsstandvereinbarung gelten, auch nicht ausgegangen werden.
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Nach der Zielsetzung des EuGVÜ und der EuGVVO sollen die Bestimmungen für das Zustandekommen einer wirksamen Gerichtsstandvereinbarung gerade und vor allem gewährleisten, dass Zuständigkeitsvereinbarungen nicht unbemerkt Inhalt des Vertrages werden (Bericht Janard zu Art. 17, BT-Drucks. IV/1973, 82; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 23 EuGVVO Anm. 1; OLGR Düsseldorf 2004, 208, 2010 m.w.N.). Dementsprechend verlangt der Europäische Gerichtshof für die Einbeziehung von Gerichtsstandklauseln einen deutlichen Hinweis, dem die betroffene Partei bei Anwendung der normalen Sorgfalt nachgehen kann, um die „schwächere Partei davor zu schützen, dass Gerichtsstandklauseln, die einseitig eingefügt worden sind, unbemerkt bleiben“ (EuGH NJW 1977, 494; BGH NJW 1996, 1819; Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., Art 25 EuGVVO nF Rn. 8 f.; Hausmann in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl. 2015, 8. Teil: Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen, Rn. 8.61). Diese Voraussetzungen sieht der Senat ebenso wie das Landgericht für nicht erfüllt an.
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Ein deutlicher Hinweis fehlte schon deshalb, weil die Klausel in sehr kleiner Schriftgröße gehalten war, die dadurch hinter die übrigen vertragsrelevanten Bedingungen in den Pro-Forma Rechnungen in kaum wahrnehmbarer Weise zurücktrat. Insbesondere trat sie hinter die in deutlich größerer Schrift gehaltenen Bedingungen für eine Zurückweisung von Waren zurück, die u.a. Anlass für den vorliegenden Rechtsstreit waren und an deren Stelle man auch mit einer Gerichtsstandvereinbarung hätte rechnen müssen.
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Die Klausel war darüber hinaus nach zutreffender Würdigung durch das Landgericht überraschend platziert, denn sie stand losgelöst von den übrigen vertragsrelevanten Bedingungen in der Fußzeile unterhalb der Unterschriften und damit an einer Stelle, wo mit ihr grundsätzlich nicht zu rechnen war. Diese Auffassung wird nicht nur in der Literatur (vgl. Hausmann in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl. 2015, 8. Teil: Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen, Rn.8.71 m.w.N.) sondern auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Koblenz, Urteil vom 10.9.2013 - 3 U 223/13 Rn. 37 - juris; OLG Hamm, Beschluss vom 21.3.2011 - 32 Sbd 17/11 - juris) überwiegend vertreten. Entgegen der Auffassung des Klägers ist sie auch auf den vorliegenden Fall übertragbar. Denn auch wenn es sich hier um eine langjährige Geschäftsbeziehung gehandelt hat und nicht um einen einmaligen Kaufvertrag, wird der Hinweis in den Pro-Forma Rechnungen nicht dadurch deutlicher, dass er wiederholt in der gleichen Art und Weise übermittelt wurde.
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Dafür, dass die Beklagte die in der Fußzeile platzierte Klausel bei Anwendung der normalen Sorgfalt nicht wahrnehmen würde, spricht auch die konkrete Gestaltung der Fußzeile. Denn die Klausel stand nicht bei den Kontaktdaten von O. Of. (linke Spalte) und auch nicht bei den Angaben zur Bankverbindung (mittlere Spalte), sondern in der rechten Spalte zwischen der Handelsregisternummer und der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer von O. Of.. Durch die in Großbuchstaben vorangestellte Angabe „AMTSGERICHT PLÖN HRB 1883“ bezog sich die Klausel „Hamburg is place of jurisdiction“ damit auf den ersten Blick auf die Handelsregistereintragung von O. Of. und nicht auf die jeweilige Bestellbestätigung.
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Dass ein deutlicher Hinweis auch nach dem Verständnis von O. Of. anders platziert worden wäre, ergibt sich ferner aus den Abschlussrechnungen und dem darin enthaltenen Hinweis auf die Abtretungsempfängerin F.. Dieser Hinweis befindet sich oberhalb der Fußzeile und wurde in deutlich größerer Schrift als die übrigen Rechnungsangaben gehalten. Dies wäre bei Anwendung normaler Sorgfalt auch für die Gerichtsstandklausel zu erwarten gewesen.
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Für die Beurteilung der zu erwartenden Sorgfalt der Beklagten ist dabei auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte aufgrund der Vertragsgestaltung keinen besonderen Anlass hatte, nach einer Gerichtsstandklausel zu suchen. Denn durch die vertragliche Ausgestaltung der Zahlungs- und Zurückweisungsbedingungen - Entgegennahme der Warendokumente und Waren erst nach Bezahlung der Rechnung bei der ägyptischen Bank, Zurückweisung der Waren nur bei Vorlage einer Bescheinigung der ägyptischen Gesundheitsbehörde - hatten O. Of. und die Beklagte anderweitige Sicherungsmaßnahmen getroffen, die zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten führen sollten. Unstreitig war es vor diesem Rechtsstreit und dem im Parallelverfahren 418 HKO 143/11, denen beiden die Zurückweisungen von Waren durch die Beklagte ab Januar 2009 zugrunde lagen, auch noch nie zu einem Rechtsstreit zwischen den Vertragsparteien gekommen.
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(2) Vor diesem Hintergrund lässt sich auch keine Vereinbarung der Gerichtsstandklausel nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 Buchst. b Brüssel I-VO feststellen. Auch nach den Gepflogenheiten der Parteien gab es keine Vereinbarung über den Gerichtsstand. Die Pro Forma-Rechnungen genügten hierfür nach obigen Ausführungen nicht. Vor der hier streitigen Zurückweisung der Waren im Januar 2009 war ein Gerichtsstand nie relevant geworden. Die erstmals im August 2010 angekündigte Klagerhebung in Hamburg (Anlage K 14) war nicht geeignet, eine Gerichtsstandvereinbarung bei Vertragsschluss zu ersetzen oder eine entsprechende Gepflogenheit der Parteien zu begründen.
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(3) Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Gerichtsstand Hamburg nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 Buchst. c Brüssel I-VO vereinbart wurde, nämlich im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten. Die von dem Kläger hierzu in zweiter Instanz vorgelegten Briefbögen zweier Speditionsfirmen (Anlagen BK 1 und BK 2) lassen - unabhängig von der Frage ihrer Berücksichtigungsfähigkeit nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO - keinen internationalen Handelsbrauch im Fleischhandel erkennen. Gegen die Richtigkeit der Behauptung des Klägers, es sei international üblich, Gerichtsstandklauseln in Fußzeilen zu vereinbaren, sprechen darüber hinaus die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs in Wien vom 30. März 2001 (Az. 7 Ob 320/00k, abrufbar unter juris) und des französischen Cour de Cassation vom 24. November 2015 (ZVertriebsR 2016, 199). In beiden Entscheidungen wurden Gerichtsstandvereinbarungen in Fußzeilen für unwirksam erachtet. Anhaltspunkte für eine abweichende internationale Handelspraxis hat der Kläger nicht vorgetragen. Anlass für die Einholung eines Sachverständigengutachtens gab es vor diesem Hintergrund nicht.
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b) Eine internationale Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg aufgrund gesetzlicher Regelungen wird weder behauptet noch ist sie ersichtlich. Die Waren wurden von Südamerika aus verschifft. Erfüllungsort der Lieferungen war Ägypten. Die in Hamburg erhobenen Klage war damit bereits unzulässig.
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3. Die Klage wäre außerdem unbegründet, weil die Forderungen - unabhängig von deren streitiger materieller Berechtigung - mittlerweile verjährt sind. Auch dies würde - unterstellt die Gerichtsstandvereinbarung wäre wirksam - zur Abweisung der Klage führen.
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a) Einer Entscheidung über die Begründetheit steht das Urteil des Landgerichts, welches die Klage als unzulässig abgewiesen hat, grundsätzlich nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, kann das Rechtsmittelgericht ein die Klage als unzulässig abweisendes Prozessurteil auch dann durch ein sachabweisendes Urteil ersetzen, wenn nur der Kläger das Rechtsmittel eingelegt hat (vgl. BGHZ 12, 308, 316; BGHZ 23, 36, 50; BGHZ 46, 281, 283/284; BGH NJW 1970, 1683, 1684; BGH NJW 1978, 2031, 2032; BGH NJW 1988, 1983 = BGHZ 104, 212 Rn 20). Der Bundesgerichtshof hält ein die Klage als unbegründet abweisendes Urteil des Rechtsmittelgerichts nicht für eine Schlechterstellung des Rechtsmittelklägers, weil diesem durch die Abweisung der Klage als unzulässig keine Rechtsposition irgendwelcher Art zuerkannt worden sei (BGH NJW 1970, 1683, 1684). Auch weist er darauf hin, dass die Prozessökonomie jedenfalls dann für ein die Sache selbst entscheidendes Urteil des Rechtsmittelgerichts spricht, wenn im Fall der Zurückverweisung ein anderes Ergebnis als eine Abweisung der Klage als unbegründet ohnedies nicht möglich erscheint (BGHZ 46, 281, 284; BGH NJW 1978, 2031, 2032, siehe auch Zöller-Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 528 Rn. 32 m.w.N.). So verhält es sich hier, denn die Forderungen sind mittlerweile verjährt.
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b) Die Beurteilung der Verjährung der geltend gemachten Kaufpreisansprüche gemäß Art. 53 CISG richtet sich nicht nach CISG, sondern nach den Vorschriften des deutschen Rechts. Die Frage einer Anspruchsverjährung wird nach nahezu einhelliger Auffassung nicht zu den in Art. 4 Satz 1 CISG beschriebenen Regelungsmaterien des UN-Kaufrechtsübereinkommens gezählt (BGH, Urteil vom 23.10.2013 - VIII ZR 423/12, BeckRS 2013, 21422 Rn 38; MüKo-Gruber, BGB, 7. Aufl. 2016, Art. 39 CISG Rn. 43 m.w.N.). Da Deutschland auch nicht Vertragsstaat des Übereinkommens über die Verjährung beim internationalen Warenkauf vom 14. Juni 1974 ist, bestimmt sich die Frage einer Verjährung gemäß Art 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB a. F. nach dem Vertragsstatut (Art. 7 Abs. 2 CISG; BGH BeckRS 2013, 21422; MüKo-Gruber, a.a.O. Art 39 CISG Rn. 43). Dies wäre deutsches Recht, da die Parteien sich, wenn man die in der Fußzeile der Pro-Forma Rechnungen enthaltene Gerichtsstandvereinbarung für wirksam erachten würde, ebenfalls wirksam über die an gleicher Stelle enthaltene Anwendbarkeit deutschen Rechts (“Our contracts are subject of German Law“) geeinigt hätten, Art 27 EGBGB (a.F.). Danach gilt grundsätzlich die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB.
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c) Die Verjährung trat danach zum 31.12.2012 ein (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Denn die streitgegenständlichen Kaufpreisforderungen wurden ausweislich der in den Abschlussrechnungen enthaltenen Fälligkeitsdaten im Jahr 2009 fällig und die Einreichung der Klage am 29. Dezember 2011 hat den Ablauf der Verjährungsfrist nicht gehemmt.
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(1) Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch Erhebung der Klage gehemmt. Eine Klage wird durch Zustellung erhoben (§ 253 Abs. 1 ZPO). Die Zustellung der Klageschrift im vorliegenden Verfahren erfolgte durch öffentliche Bekanntmachung nach § 185 Nr. 3 ZPO. Diese Zustellung war jedoch nicht geeignet, eine Hemmung der Verjährung zu bewirken. Denn die öffentliche Zustellung der Klageschrift war aus den gleichen Gründen wirkungslos wie die spätere öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils.
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Die Zustellung der die Anspruchsbegründung enthaltenden Klageschrift dient, wie die Zustellung einer gerichtlichen Entscheidung, ebenfalls der Verwirklichung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Der beklagten Partei soll dadurch Gelegenheit gegeben werden, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt - wie es Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich fordert - bereits vor deren Erlass zu äußern (BVerfG, NJW 1988, 2361; BGH, NJW 2002, 827, 831; BGH, NJW 2017, 1735 Rn. 11). Diese Äußerungsmöglichkeit hatte die Beklagte im Streitfall nicht. Dies wirkt sich auf die Wirksamkeit der Zustellung aus. Denn eine unzulässige öffentliche Zustellung der Klageschrift ist ebenfalls wirkungslos, sie kann die Zustellungsfiktion nicht auslösen (BGH, NJW 2002, 827, 831; BGH, NJW 2007, 303 Rn. 12; BGH, NJW 2012, 3582 Rn. 19; BGH, NJW 2017, 886 = NZG 2016, 783 Rn. 33; BGH, NJW-RR 2014, 377 Rn. 5).
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(2) Die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nach § 185 Nr. 3 ZPO lagen auch in Bezug auf die Klagschrift nicht vor. Denn ein anderer Zustellweg wäre nicht ersichtlich erfolglos gewesen. Die Zustellung der Klagschrift im Rechtshilfeverkehr war aus unbekannten Gründen gescheitert und hätte - da politische Ursachen nicht ursächlich waren und zahlreiche formale Fehler offenbar waren - ein weiteres Mal, ggf. unter Einbeziehung der deutschen Botschaft, versucht werden müssen. Zudem unterblieb eine informelle Information der Beklagten, trotz erkennbarer Kontaktmöglichkeiten der Beklagten per Fax oder Email. Für die öffentliche Bekanntmachung der Klageschrift gilt deshalb das Gleiche wie für die öffentliche Bekanntmachung des Versäumnisurteils. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
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(3) Die (erkennbar) unzulässige öffentliche Zustellung der Klage bewirkt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Hemmung der Verjährung (vgl. BGHZ 149, 311, 324 f. = NJW 2002, 827 – zur Unterbrechung der Verjährung nach § 209 BGB a.F. –; BGH, NJW 2017, 886 = NZG 2016, 783 Rn. 34; BGH, NJW 2017, 1735 Rn. 11 mwN). Die mit den Tatbeständen des § 204 BGB verfolgte Warnfunktion wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verfehlt, wenn eine Klage öffentlich zugestellt wird, obwohl eine Zustellung auf anderem Wege möglich gewesen wäre; berechtigte Interessen des Gläubigers erfordern es nicht, einer erkennbar unzulässigen öffentlichen Zustellung der Klageschrift verjährungshemmende Wirkung beizumessen (vgl. zuletzt BGH, NJW 2017, 1735 Rn. 11 m.w.N.). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor allem in den Fällen des unbekannten Aufenthalts des Anspruchsgegners, denn dort obliegt es dem Gläubiger, die erforderlichen Nachforschungen anzustellen und so die Voraussetzungen für eine wirksame Zustellung der Klageschrift zu schaffen (vgl. BGHZ 149, 311, 325 = NJW 2002, 827; BGH, NJW 2017, 886 = NZG 2016, 783 Rn. 35; BGH, NJW 2017, 1735 Rn. 11). Eine Zustellung im Rechtshilfeverkehr ist demgegenüber durch das Gericht zu bewirken. Denn der Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland ist ausschließlich Angelegenheit der Justizverwaltung (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 183 Rn. 5; Zöller-Geimer, a.a.O., § 183 Rn. 48). Ihren Erfolg kann der Kläger daher nicht unmittelbar beeinflussen. Er hat sich aber vor einer öffentlichen Zustellung davon zu überzeugen, dass die Voraussetzungen einer gescheiterten Zustellung im Rechtshilfeverkehr tatsächlich vorliegen. Denn die Partei, die durch die Zustellung begünstigt wird, muss die Voraussetzungen darlegen und glaubhaft machen (BGH BeckRS 2017, 101486 Rn. 3; Fortführung von BGH, NJW 2017, 886 Rn. 38 ff., jew. m.w.N.). Entsprechend hat das Landgericht dem Kläger vorliegend mit Verfügung vom 19. Januar 2013 auch „ein Verfahren nach § 185 Nr. 3 ZPO anheim gestellt“ und einen entsprechenden Antrag abgewartet. Damit oblag es dem Kläger, sich selbst von der Undurchführbarkeit der Zustellung der Klage im Rechtshilfeverkehr und dem Fehlen weiterer Zustellwege zu überzeugen - ggf. unter Mitwirkung des Gerichts.
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Im Parallelverfahren 418 HKO 143/11 haben die Klägervertreter dementsprechend das Gericht um Mitteilung gebeten, ob eine Nachfrage nach den Gründen der Rücksendungen erfolgt sei, woraufhin die Zeugin F. mit Email vom 1. August 2013 antwortete (Anlage BK 6). Sodann haben die Klägervertreter im Parallelverfahren zusätzlich zu einem weiteren Zustellversuch der Klagschrift im Rechtshilfeverkehr die Übergabe der Klageschrift durch einen Gerichtsvollzieher an Mitarbeiter der Beklagten auf einer Messe in Köln beantragt, die im Oktober 2013 erfolgte.
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Im vorliegenden Verfahren haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers demgegenüber trotz Akteneinsicht im Januar 2013 keine weiteren Maßnahmen getroffen, um sich von der Erfolglosigkeit der Zustellmöglichkeit im Rechtshilfeverkehr oder dem Fehlen anderer Zustellwege zu überzeugen. Insbesondere haben sie sich nicht mit der Beklagten oder ihren Prozessbevollmächtigten in Verbindung gesetzt, sondern statt dessen im Mai 2013 sogleich die öffentliche Zustellung der Klagschrift beantragt. Eine besondere Schutzbedürftigkeit des Klägers, die für eine verjährungshemmende Wirkung der Klage im vorliegenden Verfahren sprechen könnte, ergibt sich daraus nicht.
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(3) Eine Hemmung der Verjährung wegen höherer Gewalt (vgl. § 206 BGB) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dies zu erwägen, wenn die Unwirksamkeit einer Zustellung auf einer unrichtigen Sachbehandlung durch das Gericht beruht; sie greift jedoch nur ein, wenn die verjährungshemmende Wirkung einer Zustellung infolge eines - für den Gläubiger unabwendbaren - gerichtlichen Fehlers nicht eintritt (BGH, NJW 1990, 176, 178; BGH, BGHZ 149, 311, 326 = NJW 2002, 827; BGH NJW 2017, 1735 Rn. 14). Dies war vorliegend nicht der Fall. Aufgrund ihrer Akteneinsicht im Januar 2013 wussten die Klägervertreter, dass die Gründe der Rücksendungen unklar geblieben und Nachforschungen durch das Gericht nicht unternommen worden waren. Sie haben dennoch selbst keine weiteren Ermittlungen erbeten, sondern statt dessen die öffentliche Zustellung der Klage beantragt.
- 89
d) Die öffentliche Zustellung der Klage im Juni 2013 hat den Verjährungsablauf überdies auch deshalb nicht hemmen können, weil selbst bei unterstellter Wirksamkeit der öffentlichen Zustellung diese nicht „demnächst“ i.S.d. §§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, 167 ZPO erfolgte. Eine Zustellung „demnächst“ setzt voraus, dass der Zustellungsbetreibende alles ihm Mögliche für eine alsbaldige Zustellung getan hat (Palandt-Ellenberger, BGB, 31. Aufl., § 204 Rn. 7; Zöller-Greger, a.a.O., § 167 Rn. 10). Dazu gehört es auch, dass er im Sinne einer „möglichsten” Beschleunigung wirkt (BGH, NJW 1967, 779, 780; BGHZ 69, 361, 363 = NJW 1978, 215; BGH NJW 1994, 1073, 1074; OLG Frankfurt a. M., NVersZ 2000, 429, 430). Daran fehlt es, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter vorwerfbar zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (BGHZ 69, 361, 364 = NJW 1978, 215; BGH, VersR 1992, 433). Dies war hier der Fall. Der Kläger hat die öffentliche Zustellung der Klage erst vier Monate nach der Verfügung des Landgerichts vom 19. Januar 2013, mit der ihm ein Verfahren nach § 185 Nr. 3 ZPO „anheim gestellt“ wurde, beantragt. Gründe für die Stellung des Antrags auf öffentliche Zustellung erst Ende Mai 2013 sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist keine Kontaktaufnahme des Klägers oder seiner Prozessbevollmächtigten mit der Beklagten oder ein anderweitiger Zustellversuch - etwa auf einer Messe, wie im Parallelverfahren 418 HKO 143/11 - in der Zwischenzeit erfolgt, die ein Abwarten mit der Stellung des Antrags auf öffentliche Zustellung gerechtfertigt hätte. Da die Verjährungsfrist bereits Ende 2012 abgelaufen war, bestand ab diesem Zeitpunkt erkennbar Anlass für eine möglichst beschleunigte Behandlung. Ein viermonatiges Zuwarten war vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt.
- 90
e) Auf die darüber hinaus streitige materielle Berechtigung der Forderungen kommt es aufgrund der am 31.12.2012 eingetretenen Verjährung nicht weiter an.
- 91
4. Die Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
- 92
5. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Insbesondere kommt keine Zulassung der Revision wegen der vom Senat angenommenen Unwirksamkeit der öffentlichen Zustellungen (auch) aufgrund der fehlenden informellen Benachrichtigung der Beklagten in Betracht. Denn wegen der Möglichkeit der Zustellung des Versäumnisurteils und der Klagschrift im Rechtshilfeverkehr nach HZÜ i.V.m. ZRHO ist diese Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich (vgl. zu diesem Erfordernis Zöller-Heßler, a.a.O., § 543 Rn. 6a m.w.N.; Musielak/Voit/Ball, 15. Aufl. 2018, ZPO § 543 Rn. 9k). Es fehlte dadurch bereits an den gesetzlichen Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils und der Klagschrift.
Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn
- 1.
der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist, - 2.
bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist, - 3.
eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht oder - 4.
die Zustellung nicht erfolgen kann, weil der Ort der Zustellung die Wohnung einer Person ist, die nach den §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterliegt.
Das Schriftstück gilt als zugestellt, wenn seit dem Aushang der Benachrichtigung ein Monat vergangen ist. Das Prozessgericht kann eine längere Frist bestimmen.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
(1) Die Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangene Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel wird bei dem Beschwerdegericht durch Einreichen einer Beschwerdeschrift oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt. Beschwerdegericht ist das Oberlandesgericht. Der Beschwerdeschrift soll die für ihre Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften beigefügt werden.
(2) Die Zulässigkeit der Beschwerde wird nicht dadurch berührt, dass sie statt bei dem Beschwerdegericht bei dem Gericht des ersten Rechtszuges eingelegt wird; die Beschwerde ist unverzüglich von Amts wegen an das Beschwerdegericht abzugeben.
(3) Die Beschwerde des Verpflichteten gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung ist innerhalb eines Monats, im Falle des § 10 Absatz 2 Satz 1 innerhalb der nach dieser Vorschrift bestimmten längeren Frist einzulegen. Die Beschwerdefrist beginnt mit der Zustellung nach § 10 Absatz 1. Sie ist eine Notfrist.
(4) Die Beschwerde ist dem Beschwerdegegner von Amts wegen zuzustellen.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung entscheidet das Prozessgericht. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.
(2) Die öffentliche Zustellung erfolgt durch Aushang einer Benachrichtigung an der Gerichtstafel oder durch Veröffentlichung der Benachrichtigung in einem elektronischen Informations- und Kommunikationssystem, das im Gericht öffentlich zugänglich ist. Die Benachrichtigung muss erkennen lassen
- 1.
die Person, für die zugestellt wird, - 2.
den Namen und die letzte bekannte Anschrift des Zustellungsadressaten, - 3.
das Datum, das Aktenzeichen des Schriftstücks und die Bezeichnung des Prozessgegenstandes sowie - 4.
die Stelle, wo das Schriftstück eingesehen werden kann.
(3) In den Akten ist zu vermerken, wann die Benachrichtigung ausgehängt und wann sie abgenommen wurde.
BUNDESGERICHTSHOF
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, Dr. Schoppmeyer und Meyberg
am 21. September 2017
beschlossen:
Der Gegenstandswert wird auf 3.500.000 € festgesetzt.
Gründe:
A.
- 1
- Die Antragstellerin erwirkte gegen die Antragsgegner ein Urteil des Gerichtshofs Den Haag, Niederlande, vom 31. Oktober 2000, durch welches die Antragsgegner verurteilt wurden, als Gesamtschuldner 6.808.248 NLG nebst Zinsen und Kosten an die Antragstellerin zu zahlen. Die Antragsgegner hatten sich in dem Verfahren vor dem niederländischen Gericht nicht eingelassen.
- 2
- Mit Beschluss vom 2. August 2011 hat der Vorsitzende einer Zivilkammer des Landgerichts angeordnet, das Urteil gemäß Art. 31 ff EuGVÜ mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Nach Aufhebung und Zurückverweisung durch den Beschluss des Senats vom 24. September 2015 (IX ZB 91/13) hat das Oberlandesgericht die Vollstreckbarerklärung bezüglich der Antragsgegnerin zu 2 aufgehoben und den Antrag der Antragstellerin insoweit zurückwiesen. Die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1 hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt die Antragsgegnerin zu 1 die Aufhebung und Versagung der Vollstreckbarerklärung.
B.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG, Art. 41 des Brüsseler EWG-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: EuGVÜ) statthaft und zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
I.
- 4
- Das Beschwerdegericht hat - soweit noch von Interesse - ausgeführt, die Vollstreckbarerklärung hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1 sei zu Recht erfolgt. Ein Anerkennungsversagungsgrund gemäß Art. 27 EuGVÜ sei nicht gegeben.
- 5
- Ein Verstoß gegen den ordre public liege nicht vor. Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ sei nicht deshalb verletzt, weil der Vertrag eine Schiedsklausel enthalten habe. Ebensowenig verletze es den ordre public, dass die Abtretung der Ansprüche für wirksam gehalten worden sei, obwohl dies erst aus der fingierten Zustellung der Klageschrift folge. Schließlich sei die Einbeziehung der Antragsgegnerin zu 1 in den Rechtsstreit nicht unter Verstoß gegen den ordre public erfolgt.
- 6
- Es liege kein Anerkennungshindernis nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ vor. Die Klageschrift sei der Antragsgegnerin ordnungsgemäß zugestellt worden. Da im Verhältnis zum Irak kein vorrangiges Abkommen Anwendung finde, richte sich die ordnungsgemäße Zustellung nach niederländischem Recht. Dessen Voraussetzungen seien erfüllt. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Klageschrift der Antragsgegnerin zu 1 nicht so rechtzeitig zugestellt worden sei, dass sie sich nicht verteidigen konnte. Die Antragsgegnerin zu 1 habe hierzu nicht substantiiert vorgetragen. Die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Rechtzeitigkeit trage der Schuldner. Es genüge insoweit nicht, dass die Antragsgegnerin sich darauf berufe, dass in den Jahren 1998 und 1999 angesichts der gegen den Irak bestehenden Sanktionen eine Zustellung nicht oder allenfalls mit erheblicher Verzögerung erfolgt sei. Es stehe fest, dass auch in diesen Jahren der Postverkehr in den Irak über Jordanien per Bus oder Lastwagen erfolgt sei. Vor diesem Hintergrund habe die Antragsgegnerin zu 1 ihr Vorbringen zu den Gründen für einen verspäteten Zugang der Klage präzisieren müssen und sich nicht darauf zurückziehen dürfen, sie könne trotz aufwändiger Nachforschungen nicht feststellen, ob, wann und in welcher Form ihr die Klage zugestellt worden sei.
II.
- 7
- Das hält in einem Punkt rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 8
- 1. Nachdem die Entscheidung des Gerichtshofs Den Haag in einem vor dem 1. März 2002 eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ergangen ist und vor diesem Zeitpunkt erlassen worden ist, ist auf das Vollstreckbarerklärungsverfahren gemäß § 66 Abs. 2 EuGVVO aF noch das EuGVÜ anwendbar.
- 9
- 2. Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht angenommen, dass der Versagungsgrund nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ nicht erfüllt ist. Ein Verstoß gegen den ordre public liegt nicht vor.
- 10
- a) Der Versagungsgrund nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ ist im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 36 ff EuGVÜ von Amts wegen auch ohne entsprechende Rüge des Antragsgegners zu prüfen (BGH, Beschluss vom 10. September 2015 - IX ZB 39/13, ZIP 2015, 212 Rn. 9 mwN zu Art. 34 Nr. 1 EuGVVO). Die hierfür entscheidungserheblichen Tatsachen sind nicht von Amts wegen zu ermitteln , sondern nach dem insoweit anwendbaren autonomen Verfahrensrecht des Vollstreckungsstaates aufgrund des in Deutschland geltenden Beibringungsgrundsatzes von dem Antragsgegner darzulegen (BGH, aaO Rn. 10 mwN). Das Beschwerdegericht hat die von der Antragsgegnerin zu 1 erhobenen Einwendungen geprüft und einen Verstoß gegen den ordre public verneint. Dies hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
- 11
- b) Die Rechtsbeschwerde zeigt keinen Sachvortrag auf, auf dessen Grundlage die Anerkennung des niederländischen Urteils gegen den deutschen ordre public verstoßen könnte. Soweit sie geltend macht, der Fall werfe die Frage auf, ob der deutsche ordre public verletzt sei, wenn sich das ausländische Gericht über eine wirksame Schiedsklausel hinwegsetze, kommt es hierauf nicht an. Die Antragsgegnerin zu 1 zeigt schon nicht auf, dass diese Frage Gegenstand des Verfahrens vor dem niederländischen Gericht gewesen ist. Eine Schiedsvereinbarung ist nach deutschem Recht nur auf Einrede zu berücksichtigen (§ 1032 Abs. 1 ZPO). Daher steht eine wirksame Schiedsklausel einer Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils nicht entgegen, wenn der Schuldner es unterlassen hat, sie im Ausgangsverfahren geltend zu machen.
- 12
- Ebenso wenig kommt es auf die Frage an, ob Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 2465/96 des Rates vom 17. Dezember 1996 über die Unterbrechung der wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Irak (ABl. 1996, Nr. L 337/1) die Antragsgegnerin zu 1 in ihren Möglichkeiten, sich gegen die Klage in den Niederlanden zu verteidigen , eingeschränkt haben. Es obliegt der Antragsgegnerin zu 1, die tatsächlichen Voraussetzungen darzulegen, unter denen eine Entscheidung des niederländischen Gerichts trotz dieser Einschränkung einen Verstoß gegen den deutschen ordre public begründen könnte. Die Würdigung des Beschwerdegerichts, die entsprechenden Darlegungen seien ohne Substanz und auch in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend, sind rechtsfehlerfrei. Der von der Rechtsbeschwerde gerügte Gehörsverstoß liegt nicht vor.
- 13
- Selbst wenn die Antragsgegnerin zu 1 aufgrund dieser Bestimmungen praktisch nicht in der Lage gewesen sein sollte, anwaltliche Honorarforderungen zu begleichen, verstößt die Anerkennung des niederländischen Urteils nicht gegen den ordre public. Die Antragsgegnerin zu 1 zeigt nicht auf, dass es ihr nicht möglich gewesen wäre, diesen Gesichtspunkt im Verfahren vor dem nie- derländischen Gericht geltend zu machen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es der Antragsgegnerin zu 1 unmöglich gewesen ist, einen Rechtsbeistand zu finden. Unterlässt der Beklagte es, sich im Ausgangsverfahren zu verteidigen und ihm mögliche Einwände geltend zu machen, folgt allein daraus, dass das Gericht des Ausgangsverfahrens solche Einwände nicht von Amts wegen berücksichtigt hat, kein Verstoß gegen den ordre public. Dass der Einwand, sie könne sich aufgrund der genannten Beschränkungen nicht wirksam verteidigen, in dem Verfahren vor dem niederländischen Gericht von vornherein keinen Erfolg gehabt hätte, zeigt die Antragsgegnerin zu 1 nicht auf.
- 14
- 3. Hingegen hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Versagungsgrund des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht erfüllt sei. Gemäß Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten , der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte.
- 15
- a) Der Versagungsgrund nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ist im Rechtsbehelfsverfahren von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, FamRZ 2008, 586 Rn. 25 zu Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF). Hingegen richtet sich die Art und Weise der Tatsachenermittlung und Wahrheitsfindung nach dem nationalen Verfahrensrecht des Vollstreckungsstaates (BGH, Beschluss vom 28. November 2007 - XII ZB 217/05, NJW 2008, 1531 Rn. 20, zu Art. 27 Nr. 2 Lugano Übereinkommen; vom 12. Dezember 2007, aaO Rn. 26).
- 16
- Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist das verfahrenseinleitende Schriftstück der Antragsgegnerin zu 1 gemäß Art. 55 der niederländischen Zivilprozessordnung durch Zusendung an die Staatsanwaltschaft Dordrecht (sog. remise au parquet) am 9. Oktober 1998 zugestellt worden. Der zuständige Gerichtsvollzieher habe zudem die Versendung weiterer Ausfertigungen der Klageschrift nebst englischer Übersetzung per Einschreiben unmittelbar an die Antragsgegnerin veranlasst. Der Postverkehr in den Irak sei möglich gewesen , jedoch seit dem 2. Juli 1991 über Jordanien und von dort per Autobus oder Lastwagen in den Irak erfolgt. Das Beschwerdegericht hat weder festgestellt , dass die Antragsgegnerin zu 1 das Schriftstück tatsächlich erhalten hat, noch ob und zu welchem Zeitpunkt sie die Möglichkeit hatte, von dem Schriftstück Kenntnis zu nehmen. Vor diesem Hintergrund hält seine Folgerung, dass gleichwohl kein Versagungsgrund gegeben sei, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 17
- b) Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Beschwerdegericht an, dass der Antragsgegnerin zu 1 die Klageschrift ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Insoweit ist auf das Zustellungsrecht im Urteilsstaat abzustellen. Soll die Zustellung an einen in einem anderen Staat ansässigen Schuldner erfolgen, sind die Zustellungsregeln maßgeblich, die der Urteilsstaat im Verhältnis zum Wohnsitzstaat des Schuldners zu beachten hat (EuGH, Urteil vom 3.Juli 1990 - L-305/88, Lancray, IPrax 1991, 177, 178 f; vgl. auch EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2005 - C-522/03, Scania, NJW 2005, 3627 Rn. 24 ff; Geimer /Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 34 Rn. 72; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 34-36 EuGVVO Rn. 11). Nach den unangegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts bestanden keine vertraglichen Beziehungen zwischen den Niederlanden und dem Irak. Daher konnte die Zustellung entsprechend dem niederländischen Zustellungsrecht erfolgen. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts zum niederländischen Recht greift die Rechtsbeschwerde nicht an. Auf Art. 15 des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15. November 1965 (fortan: HZÜ) kommt es entgegen der Rechtsbeschwerde nicht an. Der Irak ist kein Vertragsstaat des HZÜ.
- 18
- c) Rechtlicher Überprüfung hält jedoch nicht stand, soweit das Beschwerdegericht angenommen hat, dass die Antragsgegnerin zur Nichtwahrung des Rechtzeitigkeitserfordernisses nicht hinreichend substantiiert vorgetragen habe und daher nicht festgestellt werden könne, dass die Klageschrift erst so spät zugegangen sei, dass die Antragsgegnerin zu 1 sich nicht verteidigen konnte. Vielmehr trifft den Antragsteller nach Sinn und Zweck und Bedeutung des Versagungsgrundes nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht nur die Beweislast für eine ordnungsgemäße Zustellung, sondern auch für die tatsächliche Möglichkeit einer Kenntnisnahme.
- 19
- aa) Die Bestimmungen des Übereinkommens bringen insgesamt das Bestreben zum Ausdruck sicherzustellen, dass im Rahmen der Ziele des Übereinkommens die Verfahren, die zum Erlass gerichtlicher Entscheidungen führen , unter Wahrung des rechtlichen Gehörs durchgeführt werden (EuGH, Urteil vom 21. Mai 1980 - 125/79, Denilauler, RIW 1980, 510, 512; vom 2. April 2009 - C-394/07, Gambazzi, IPRax 2010, 164 Rn. 23). Dabei darf der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985 - 49/84, Debaecker, RIW 1985, 967 Rn. 10; vom 3. Juli 1990 - C-305/88, Lancray, IPRax 1991, 177, 178; vom 28. März 2000 - C-7/98, Krombach, IPRax 2000, 406 Rn. 43; vom 7. Juli 2016 - C-70/15, Lebek, RIW 2016, 593 Rn. 34).
- 20
- Das Übereinkommen soll dem Beklagten einen wirksamen Schutz seiner Rechte gewährleisten, ohne die unterschiedlichen für die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke im Ausland geltenden Systeme zu harmonisieren (EuGH, Urteil vom 15. Juli 1982 - 228/81, Pendy Plastic, Slg. 1982, 2723 Rn. 13; vom 3. Juli 1990 - C-305/88, Lancray, IPRax 1991, 177, 178). Die zweite in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ genannte Voraussetzung soll gewährleisten, dass dem Beklagten ein ausreichender Zeitraum zur Verfügung steht, um seine Verteidigung vorzubereiten oder die zur Vermeidung einer Säumnisentscheidung erforderlichen Schritte einzuleiten (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981 - 166/80, Klomps, RIW 1981, 781 Rn. 18). Dabei hat neben dem Gericht des Urteilsstaats auch das Gericht des Vollstreckungsstaats zu prüfen, ob diese Rechte gewährleistet sind (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Juli 1990, aaO; vom 13. Oktober 2005 - C-522/03, Scania, NJW 2005, 3627 Rn. 23, 26; vom 6. September 2012 - C-619/10, Trade Agency, IPRax 2013, 427 Rn. 44 für die EuGVVO aF). Es ist daher befugt, eine eigenständige Beurteilung sämtlicher Beweise vorzunehmen und gegebenenfalls nachzuprüfen, ob diese Beweise ausreichen, um zu beurteilen, ob dem Beklagten das verfahrenseinleitende Schriftstück zugestellt worden ist und ob diese Zustellung so rechtzeitig und in einer Weise erfolgt ist, dass er sich verteidigen konnte (EuGH, Urteil vom 6. September 2012, aaO Rn. 38 zu Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF; Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR, 4. Aufl., Art. 45 EuGVVO nF Rn. 60).
- 21
- bb) Hat der Beklagte sich nicht auf das Verfahren eingelassen, muss das Gericht des Vollstreckungsstaats gemäß Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ feststellen, ob das Schriftstück so rechtzeitig zugegangen ist, dass sich der Beklagte verteidigen konnte (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2004 - C-39/02, Maersk, IPRax 2006, 262 Rn. 61). Dies wird im Regelfall erfüllt sein, soweit eine ordnungsge- mäße Zustellung erfolgt ist (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981, aaO Rn. 19; vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, FamRZ 2008, 586 Rn. 30 zu Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF). Dies setzt jedoch voraus, dass diese Zustellung - auch wenn sie ordnungsgemäß war - eine tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme eröffnet. Eine Zustellung, die keine solche Möglichkeit der Kenntnisnahme eröffnet, kann jedenfalls gegenüber einem Beklagten, dessen ladungsfähige Anschrift bekannt ist, nicht als rechtzeitig im Sinne des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ angesehen werden. Denn damit würde dem Beklagten das rechtliche Gehör abgeschnitten. Der Versagungsgrund ist daher erfüllt, wenn der Beklagte sich entweder infolge des Zeitpunkts oder infolge der Art und Weise der Zustellung nicht verteidigen konnte (Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht , 9. Aufl., Art. 34 EuGVO Rn. 33).
- 22
- (1) Zwar verlangt Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht den Nachweis, dass der Beklagte tatsächlich von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück Kenntnis genommen hat (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981 - 166/80, Klomps, RIW 1981, 781 Rn. 19). Die Prüfung, ob die Zustellung rechtzeitig erfolgt ist, verlangt eine Wertung tatsächlicher Art (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985 - 49/84, Debaecker, RIW 1985, 967 Rn. 27). Das Gericht hat im Einzelfall zu prüfen, ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, welche die Annahme nahelegen, dass die Zustellung, obgleich ordnungsgemäß erfolgt, dennoch nicht genügte, den Beklagten in die Lage zu versetzen, Schritte zu seiner Verteidigung einzuleiten (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981, aaO Rn. 19). Denn die Bestimmung trägt der Tatsache Rechnung, dass es in den verschiedenen Vertragsstaaten Systeme fiktiver Zustellungen gibt, die in unterschiedlichem Maße fiktive Rechtsfolgen vorsehen (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985, aaO Rn. 11). Die Wahrscheinlichkeit, dass der Beklagte von der Zustellung tatsächlich Kenntnis erhalten und somit über den erforderlichen Zeitraum verfügt hat, um seine Verteidigung vorzubereiten, kann je nach dem in jeder Rechtsordnung vorgesehenen System fiktiver Zustellungen erheblich variieren (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985, aaO; vgl. auch Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 34 EuGVVO Rn. 71). Hierbei hat das Gericht des Vollstreckungsstaates alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, einschließlich der Art und Weise der Zustellung, der Beziehung zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner und der Art der Maßnahmen, die zur Vermeidung einer Versäumnisentscheidung einzuleiten waren (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981, aaO Rn. 20; Kropholler/von Hein, aaO Art. 34 EuGVO Rn. 36).
- 23
- In der Regel kann das Gericht des Vollstreckungsstaats davon ausgehen , dass der Beklagte nach einer ordnungsgemäßen Zustellung Maßnahmen zur Verteidigung seiner Interessen schon von dem Zeitpunkt an einleiten kann, zu dem das Schriftstück zugestellt wird (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981, aaO Rn. 19). Dies beruht darauf, dass mit einer ordnungsgemäßen Zustellung regelmäßig auch die tatsächliche Möglichkeit einer Kenntnisnahme verbunden ist. Eine Vermutung der Rechtzeitigkeit der Zustellung besteht aber nicht, wenn der Kläger im Falle einer fiktiven Zustellung wusste, wo der Beklagte tatsächlich erreicht werden konnte (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985, aaO Rn. 31). Vor diesem Hintergrund ist es nicht gerechtfertigt, allein auf der Grundlage der fiktiven Zustellung anzunehmen, dass diese auch rechtzeitig erfolgt sei. Vielmehr muss der Kläger, der schon im Rahmen der fiktiven Zustellung hätte dafür Sorge tragen können, dass der Beklagte tatsächlich von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren erfuhr (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985, aaO Rn. 27 f), im Rahmen der Vollstreckbarerklärung bei einer fiktiven Zustellung auch die Umstände darlegen und beweisen, aufgrund derer das Gericht des Vollstreckungsstaats sich davon überzeugen kann, dass der Beklagte die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte.
- 24
- (2) Bereits das EuGVÜ stellt - zusätzlich zur ordnungsgemäßen Zustellung - entscheidend darauf ab, ob der Beklagte tatsächlich von dem eingeleiteten Verfahren Kenntnis nehmen konnte und daher in der Lage war, sich zu verteidigen. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF zeigt diese Zielsetzung nunmehr noch deutlicher (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - C-283/05, ASML, IPRax 2008, 519 Rn. 20; vom 7. Juli 2016 - C-70/15, Lebek, RIW 2016, 593 Rn. 38). Gemäß Art. 33 Abs. 3 EuGVÜ muss der Antragsteller die in den Art. 46, 47 EuGVÜ genannten Urkunden vorlegen (ebenso Art. 53, 54 EuGVVO aF). Daraus folgt, dass er den Beweis für eine ordnungsgemäße Zustellung zu führen hat (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, FamRZ 2008, 586 Rn. 27 mwN zu Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF; OLG Karlsruhe, EWS 1996 109, 110; OLG Hamburg, OLGR 2009, 188, 190; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Januar 2005 - IX ZB 154/01, WuM 2005, 203 unter II.2.b.aa.). Diese den Antragsteller treffende Beweislast soll den Beklagten schützen und dem Gericht des Vollstreckungsstaats eine verlässliche Grundlage für die Feststellung bieten , dass der Beklagte tatsächlich in der Lage war, sich zu verteidigen. Da dies letztlich davon abhängt, ob eine tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, hat der Antragsteller auch dies zu beweisen (Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR, 4. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rn. 60; vgl. auch Schlosser/Hess, EUZivilprozessrecht , 4. Aufl., Art. 45 EuGVVO, Rn. 28; aA Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., vor Art. 33 EuGVO Rn. 7).
- 25
- Im Allgemeinen genügt der Antragsteller seiner Beweislast für die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch die ordnungsgemäße Zustellung. Aus einer ordnungsgemäßen Zustellung folgt regelmäßig, dass der Beklagte die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn weder die Art der Zustellung noch die sie veranlassenden Umstände eine solche Vermutung rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund ist bei fiktiven Zustellungen zu prüfen, ob sie tatsächlich die Möglichkeit einer Verteidigung eröffnen und in diesem Sinne rechtzeitig sind (BGH, Beschluss vom 28. November 2007 - XII ZB 217/05, NJW 2008, 1531 Rn. 31 zu Art. 27 Nr. 2 Lugano Übereinkommen; Roth, IPRax 2008, 501, 502; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 34 EuGVVO Rn. 71). Hierzu ist unter wertender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Abwägung zwischen den schützenswerten Interessen des Gläubigers und des Schuldners zu treffen (BGH, aaO).
- 26
- Ist eine ladungsfähige Anschrift des Beklagten bekannt, genügt entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts für die Rechtzeitigkeit der Zustellung bei fiktiven Zustellungen nicht die abstrakte Möglichkeit, dass der Beklagte das Schriftstück erhalten haben könnte. Es ist in diesen Fällen angesichts der Zielsetzung des EuGVÜ, das rechtliche Gehör des Beklagten zu wahren, Aufgabe des Antragstellers, die Umstände darzulegen und zu beweisen, aufgrund derer das Gericht die Überzeugung gewinnen kann, dass der Antragsgegner die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte. Dies ergibt sich mittelbar auch aus der Formulierung des Versagungsgrundes in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. Dieser zeigt, dass das Fehlen von Versagungsgründen eine negative Tatbestandsvoraussetzung darstellt (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, FamRZ 2008, 586 Rn. 25). Daher muss das Beschwerdegericht in Fällen der fiktiven Zustellung durch remise au parquet die Überzeugung gewinnen, dass für den Schuldner die tatsächliche Möglichkeit einer Kenntnisnahme bestand. Hierbei genügt es, wenn aus den einzelnen Indizien die tatrichterliche Überzeugung gewonnen wird, dass dem Beklagten die Möglichkeit der Verteidigung offen stand (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2006 - IX ZB 23/06, NJW-RR 2007, 638 Rn. 5). Erst wenn feststeht, zu welchem Zeitpunkt die tatsächliche Möglichkeit einer Kenntnisnahme bestand, muss der Antragsgegner beweisen, dass das Schriftstück erst so spät zugestellt worden ist, dass er sich nicht mehr verteidigen konnte.
- 27
- 4. Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union ist im Streitfall nicht erforderlich. Es liegt ein sogenannter acte éclairé vor, der eine Vorlagepflicht ausschließt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Cilfit, NJW 1983, 1257 Rn. 13 ff), weil die Anforderungen an die Feststellung des Versagungsgrundes nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofs abschließend und zweifelsfrei geklärt werden können.
III.
- 28
- Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Das Beschwerdegericht hat sich - von seiner Rechtsauffassung konsequent - nicht mit der Frage auseinandergesetzt , ob die von der Staatsanwaltschaft Dordrecht vorgenommene Zustellung auf diplomatischem Weg und die vom Gerichtsvollzieher abgesandten Schreiben der Antragsgegnerin zu 1 die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme eröffnet haben. Insoweit wird das Beschwerdegericht den Parteien Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme zu geben haben. Es wird sodann zu entscheiden haben, ob die Gesamtumstände den Schluss zulassen, dass die Antragsgegnerin zu 1 die tatsächliche Möglichkeit hatte, von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück Kenntnis zu nehmen.
Schoppmeyer Meyberg
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 02.08.2011 - 1 O 291/11 -
OLG Köln, Entscheidung vom 20.09.2016 - 8 W 9/15 -
(1) Über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung entscheidet das Prozessgericht. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.
(2) Die öffentliche Zustellung erfolgt durch Aushang einer Benachrichtigung an der Gerichtstafel oder durch Veröffentlichung der Benachrichtigung in einem elektronischen Informations- und Kommunikationssystem, das im Gericht öffentlich zugänglich ist. Die Benachrichtigung muss erkennen lassen
- 1.
die Person, für die zugestellt wird, - 2.
den Namen und die letzte bekannte Anschrift des Zustellungsadressaten, - 3.
das Datum, das Aktenzeichen des Schriftstücks und die Bezeichnung des Prozessgegenstandes sowie - 4.
die Stelle, wo das Schriftstück eingesehen werden kann.
(3) In den Akten ist zu vermerken, wann die Benachrichtigung ausgehängt und wann sie abgenommen wurde.
Das Schriftstück gilt als zugestellt, wenn seit dem Aushang der Benachrichtigung ein Monat vergangen ist. Das Prozessgericht kann eine längere Frist bestimmen.
BUNDESGERICHTSHOF
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, Dr. Schoppmeyer und Meyberg
am 21. September 2017
beschlossen:
Der Gegenstandswert wird auf 3.500.000 € festgesetzt.
Gründe:
A.
- 1
- Die Antragstellerin erwirkte gegen die Antragsgegner ein Urteil des Gerichtshofs Den Haag, Niederlande, vom 31. Oktober 2000, durch welches die Antragsgegner verurteilt wurden, als Gesamtschuldner 6.808.248 NLG nebst Zinsen und Kosten an die Antragstellerin zu zahlen. Die Antragsgegner hatten sich in dem Verfahren vor dem niederländischen Gericht nicht eingelassen.
- 2
- Mit Beschluss vom 2. August 2011 hat der Vorsitzende einer Zivilkammer des Landgerichts angeordnet, das Urteil gemäß Art. 31 ff EuGVÜ mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Nach Aufhebung und Zurückverweisung durch den Beschluss des Senats vom 24. September 2015 (IX ZB 91/13) hat das Oberlandesgericht die Vollstreckbarerklärung bezüglich der Antragsgegnerin zu 2 aufgehoben und den Antrag der Antragstellerin insoweit zurückwiesen. Die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1 hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt die Antragsgegnerin zu 1 die Aufhebung und Versagung der Vollstreckbarerklärung.
B.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG, Art. 41 des Brüsseler EWG-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: EuGVÜ) statthaft und zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
I.
- 4
- Das Beschwerdegericht hat - soweit noch von Interesse - ausgeführt, die Vollstreckbarerklärung hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1 sei zu Recht erfolgt. Ein Anerkennungsversagungsgrund gemäß Art. 27 EuGVÜ sei nicht gegeben.
- 5
- Ein Verstoß gegen den ordre public liege nicht vor. Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ sei nicht deshalb verletzt, weil der Vertrag eine Schiedsklausel enthalten habe. Ebensowenig verletze es den ordre public, dass die Abtretung der Ansprüche für wirksam gehalten worden sei, obwohl dies erst aus der fingierten Zustellung der Klageschrift folge. Schließlich sei die Einbeziehung der Antragsgegnerin zu 1 in den Rechtsstreit nicht unter Verstoß gegen den ordre public erfolgt.
- 6
- Es liege kein Anerkennungshindernis nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ vor. Die Klageschrift sei der Antragsgegnerin ordnungsgemäß zugestellt worden. Da im Verhältnis zum Irak kein vorrangiges Abkommen Anwendung finde, richte sich die ordnungsgemäße Zustellung nach niederländischem Recht. Dessen Voraussetzungen seien erfüllt. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Klageschrift der Antragsgegnerin zu 1 nicht so rechtzeitig zugestellt worden sei, dass sie sich nicht verteidigen konnte. Die Antragsgegnerin zu 1 habe hierzu nicht substantiiert vorgetragen. Die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Rechtzeitigkeit trage der Schuldner. Es genüge insoweit nicht, dass die Antragsgegnerin sich darauf berufe, dass in den Jahren 1998 und 1999 angesichts der gegen den Irak bestehenden Sanktionen eine Zustellung nicht oder allenfalls mit erheblicher Verzögerung erfolgt sei. Es stehe fest, dass auch in diesen Jahren der Postverkehr in den Irak über Jordanien per Bus oder Lastwagen erfolgt sei. Vor diesem Hintergrund habe die Antragsgegnerin zu 1 ihr Vorbringen zu den Gründen für einen verspäteten Zugang der Klage präzisieren müssen und sich nicht darauf zurückziehen dürfen, sie könne trotz aufwändiger Nachforschungen nicht feststellen, ob, wann und in welcher Form ihr die Klage zugestellt worden sei.
II.
- 7
- Das hält in einem Punkt rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 8
- 1. Nachdem die Entscheidung des Gerichtshofs Den Haag in einem vor dem 1. März 2002 eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ergangen ist und vor diesem Zeitpunkt erlassen worden ist, ist auf das Vollstreckbarerklärungsverfahren gemäß § 66 Abs. 2 EuGVVO aF noch das EuGVÜ anwendbar.
- 9
- 2. Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht angenommen, dass der Versagungsgrund nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ nicht erfüllt ist. Ein Verstoß gegen den ordre public liegt nicht vor.
- 10
- a) Der Versagungsgrund nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ ist im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 36 ff EuGVÜ von Amts wegen auch ohne entsprechende Rüge des Antragsgegners zu prüfen (BGH, Beschluss vom 10. September 2015 - IX ZB 39/13, ZIP 2015, 212 Rn. 9 mwN zu Art. 34 Nr. 1 EuGVVO). Die hierfür entscheidungserheblichen Tatsachen sind nicht von Amts wegen zu ermitteln , sondern nach dem insoweit anwendbaren autonomen Verfahrensrecht des Vollstreckungsstaates aufgrund des in Deutschland geltenden Beibringungsgrundsatzes von dem Antragsgegner darzulegen (BGH, aaO Rn. 10 mwN). Das Beschwerdegericht hat die von der Antragsgegnerin zu 1 erhobenen Einwendungen geprüft und einen Verstoß gegen den ordre public verneint. Dies hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
- 11
- b) Die Rechtsbeschwerde zeigt keinen Sachvortrag auf, auf dessen Grundlage die Anerkennung des niederländischen Urteils gegen den deutschen ordre public verstoßen könnte. Soweit sie geltend macht, der Fall werfe die Frage auf, ob der deutsche ordre public verletzt sei, wenn sich das ausländische Gericht über eine wirksame Schiedsklausel hinwegsetze, kommt es hierauf nicht an. Die Antragsgegnerin zu 1 zeigt schon nicht auf, dass diese Frage Gegenstand des Verfahrens vor dem niederländischen Gericht gewesen ist. Eine Schiedsvereinbarung ist nach deutschem Recht nur auf Einrede zu berücksichtigen (§ 1032 Abs. 1 ZPO). Daher steht eine wirksame Schiedsklausel einer Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils nicht entgegen, wenn der Schuldner es unterlassen hat, sie im Ausgangsverfahren geltend zu machen.
- 12
- Ebenso wenig kommt es auf die Frage an, ob Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 2465/96 des Rates vom 17. Dezember 1996 über die Unterbrechung der wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Irak (ABl. 1996, Nr. L 337/1) die Antragsgegnerin zu 1 in ihren Möglichkeiten, sich gegen die Klage in den Niederlanden zu verteidigen , eingeschränkt haben. Es obliegt der Antragsgegnerin zu 1, die tatsächlichen Voraussetzungen darzulegen, unter denen eine Entscheidung des niederländischen Gerichts trotz dieser Einschränkung einen Verstoß gegen den deutschen ordre public begründen könnte. Die Würdigung des Beschwerdegerichts, die entsprechenden Darlegungen seien ohne Substanz und auch in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend, sind rechtsfehlerfrei. Der von der Rechtsbeschwerde gerügte Gehörsverstoß liegt nicht vor.
- 13
- Selbst wenn die Antragsgegnerin zu 1 aufgrund dieser Bestimmungen praktisch nicht in der Lage gewesen sein sollte, anwaltliche Honorarforderungen zu begleichen, verstößt die Anerkennung des niederländischen Urteils nicht gegen den ordre public. Die Antragsgegnerin zu 1 zeigt nicht auf, dass es ihr nicht möglich gewesen wäre, diesen Gesichtspunkt im Verfahren vor dem nie- derländischen Gericht geltend zu machen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es der Antragsgegnerin zu 1 unmöglich gewesen ist, einen Rechtsbeistand zu finden. Unterlässt der Beklagte es, sich im Ausgangsverfahren zu verteidigen und ihm mögliche Einwände geltend zu machen, folgt allein daraus, dass das Gericht des Ausgangsverfahrens solche Einwände nicht von Amts wegen berücksichtigt hat, kein Verstoß gegen den ordre public. Dass der Einwand, sie könne sich aufgrund der genannten Beschränkungen nicht wirksam verteidigen, in dem Verfahren vor dem niederländischen Gericht von vornherein keinen Erfolg gehabt hätte, zeigt die Antragsgegnerin zu 1 nicht auf.
- 14
- 3. Hingegen hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Versagungsgrund des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht erfüllt sei. Gemäß Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten , der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte.
- 15
- a) Der Versagungsgrund nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ist im Rechtsbehelfsverfahren von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, FamRZ 2008, 586 Rn. 25 zu Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF). Hingegen richtet sich die Art und Weise der Tatsachenermittlung und Wahrheitsfindung nach dem nationalen Verfahrensrecht des Vollstreckungsstaates (BGH, Beschluss vom 28. November 2007 - XII ZB 217/05, NJW 2008, 1531 Rn. 20, zu Art. 27 Nr. 2 Lugano Übereinkommen; vom 12. Dezember 2007, aaO Rn. 26).
- 16
- Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist das verfahrenseinleitende Schriftstück der Antragsgegnerin zu 1 gemäß Art. 55 der niederländischen Zivilprozessordnung durch Zusendung an die Staatsanwaltschaft Dordrecht (sog. remise au parquet) am 9. Oktober 1998 zugestellt worden. Der zuständige Gerichtsvollzieher habe zudem die Versendung weiterer Ausfertigungen der Klageschrift nebst englischer Übersetzung per Einschreiben unmittelbar an die Antragsgegnerin veranlasst. Der Postverkehr in den Irak sei möglich gewesen , jedoch seit dem 2. Juli 1991 über Jordanien und von dort per Autobus oder Lastwagen in den Irak erfolgt. Das Beschwerdegericht hat weder festgestellt , dass die Antragsgegnerin zu 1 das Schriftstück tatsächlich erhalten hat, noch ob und zu welchem Zeitpunkt sie die Möglichkeit hatte, von dem Schriftstück Kenntnis zu nehmen. Vor diesem Hintergrund hält seine Folgerung, dass gleichwohl kein Versagungsgrund gegeben sei, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 17
- b) Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Beschwerdegericht an, dass der Antragsgegnerin zu 1 die Klageschrift ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Insoweit ist auf das Zustellungsrecht im Urteilsstaat abzustellen. Soll die Zustellung an einen in einem anderen Staat ansässigen Schuldner erfolgen, sind die Zustellungsregeln maßgeblich, die der Urteilsstaat im Verhältnis zum Wohnsitzstaat des Schuldners zu beachten hat (EuGH, Urteil vom 3.Juli 1990 - L-305/88, Lancray, IPrax 1991, 177, 178 f; vgl. auch EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2005 - C-522/03, Scania, NJW 2005, 3627 Rn. 24 ff; Geimer /Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 34 Rn. 72; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 34-36 EuGVVO Rn. 11). Nach den unangegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts bestanden keine vertraglichen Beziehungen zwischen den Niederlanden und dem Irak. Daher konnte die Zustellung entsprechend dem niederländischen Zustellungsrecht erfolgen. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts zum niederländischen Recht greift die Rechtsbeschwerde nicht an. Auf Art. 15 des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15. November 1965 (fortan: HZÜ) kommt es entgegen der Rechtsbeschwerde nicht an. Der Irak ist kein Vertragsstaat des HZÜ.
- 18
- c) Rechtlicher Überprüfung hält jedoch nicht stand, soweit das Beschwerdegericht angenommen hat, dass die Antragsgegnerin zur Nichtwahrung des Rechtzeitigkeitserfordernisses nicht hinreichend substantiiert vorgetragen habe und daher nicht festgestellt werden könne, dass die Klageschrift erst so spät zugegangen sei, dass die Antragsgegnerin zu 1 sich nicht verteidigen konnte. Vielmehr trifft den Antragsteller nach Sinn und Zweck und Bedeutung des Versagungsgrundes nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht nur die Beweislast für eine ordnungsgemäße Zustellung, sondern auch für die tatsächliche Möglichkeit einer Kenntnisnahme.
- 19
- aa) Die Bestimmungen des Übereinkommens bringen insgesamt das Bestreben zum Ausdruck sicherzustellen, dass im Rahmen der Ziele des Übereinkommens die Verfahren, die zum Erlass gerichtlicher Entscheidungen führen , unter Wahrung des rechtlichen Gehörs durchgeführt werden (EuGH, Urteil vom 21. Mai 1980 - 125/79, Denilauler, RIW 1980, 510, 512; vom 2. April 2009 - C-394/07, Gambazzi, IPRax 2010, 164 Rn. 23). Dabei darf der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985 - 49/84, Debaecker, RIW 1985, 967 Rn. 10; vom 3. Juli 1990 - C-305/88, Lancray, IPRax 1991, 177, 178; vom 28. März 2000 - C-7/98, Krombach, IPRax 2000, 406 Rn. 43; vom 7. Juli 2016 - C-70/15, Lebek, RIW 2016, 593 Rn. 34).
- 20
- Das Übereinkommen soll dem Beklagten einen wirksamen Schutz seiner Rechte gewährleisten, ohne die unterschiedlichen für die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke im Ausland geltenden Systeme zu harmonisieren (EuGH, Urteil vom 15. Juli 1982 - 228/81, Pendy Plastic, Slg. 1982, 2723 Rn. 13; vom 3. Juli 1990 - C-305/88, Lancray, IPRax 1991, 177, 178). Die zweite in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ genannte Voraussetzung soll gewährleisten, dass dem Beklagten ein ausreichender Zeitraum zur Verfügung steht, um seine Verteidigung vorzubereiten oder die zur Vermeidung einer Säumnisentscheidung erforderlichen Schritte einzuleiten (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981 - 166/80, Klomps, RIW 1981, 781 Rn. 18). Dabei hat neben dem Gericht des Urteilsstaats auch das Gericht des Vollstreckungsstaats zu prüfen, ob diese Rechte gewährleistet sind (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Juli 1990, aaO; vom 13. Oktober 2005 - C-522/03, Scania, NJW 2005, 3627 Rn. 23, 26; vom 6. September 2012 - C-619/10, Trade Agency, IPRax 2013, 427 Rn. 44 für die EuGVVO aF). Es ist daher befugt, eine eigenständige Beurteilung sämtlicher Beweise vorzunehmen und gegebenenfalls nachzuprüfen, ob diese Beweise ausreichen, um zu beurteilen, ob dem Beklagten das verfahrenseinleitende Schriftstück zugestellt worden ist und ob diese Zustellung so rechtzeitig und in einer Weise erfolgt ist, dass er sich verteidigen konnte (EuGH, Urteil vom 6. September 2012, aaO Rn. 38 zu Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF; Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR, 4. Aufl., Art. 45 EuGVVO nF Rn. 60).
- 21
- bb) Hat der Beklagte sich nicht auf das Verfahren eingelassen, muss das Gericht des Vollstreckungsstaats gemäß Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ feststellen, ob das Schriftstück so rechtzeitig zugegangen ist, dass sich der Beklagte verteidigen konnte (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2004 - C-39/02, Maersk, IPRax 2006, 262 Rn. 61). Dies wird im Regelfall erfüllt sein, soweit eine ordnungsge- mäße Zustellung erfolgt ist (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981, aaO Rn. 19; vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, FamRZ 2008, 586 Rn. 30 zu Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF). Dies setzt jedoch voraus, dass diese Zustellung - auch wenn sie ordnungsgemäß war - eine tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme eröffnet. Eine Zustellung, die keine solche Möglichkeit der Kenntnisnahme eröffnet, kann jedenfalls gegenüber einem Beklagten, dessen ladungsfähige Anschrift bekannt ist, nicht als rechtzeitig im Sinne des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ angesehen werden. Denn damit würde dem Beklagten das rechtliche Gehör abgeschnitten. Der Versagungsgrund ist daher erfüllt, wenn der Beklagte sich entweder infolge des Zeitpunkts oder infolge der Art und Weise der Zustellung nicht verteidigen konnte (Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht , 9. Aufl., Art. 34 EuGVO Rn. 33).
- 22
- (1) Zwar verlangt Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht den Nachweis, dass der Beklagte tatsächlich von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück Kenntnis genommen hat (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981 - 166/80, Klomps, RIW 1981, 781 Rn. 19). Die Prüfung, ob die Zustellung rechtzeitig erfolgt ist, verlangt eine Wertung tatsächlicher Art (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985 - 49/84, Debaecker, RIW 1985, 967 Rn. 27). Das Gericht hat im Einzelfall zu prüfen, ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, welche die Annahme nahelegen, dass die Zustellung, obgleich ordnungsgemäß erfolgt, dennoch nicht genügte, den Beklagten in die Lage zu versetzen, Schritte zu seiner Verteidigung einzuleiten (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981, aaO Rn. 19). Denn die Bestimmung trägt der Tatsache Rechnung, dass es in den verschiedenen Vertragsstaaten Systeme fiktiver Zustellungen gibt, die in unterschiedlichem Maße fiktive Rechtsfolgen vorsehen (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985, aaO Rn. 11). Die Wahrscheinlichkeit, dass der Beklagte von der Zustellung tatsächlich Kenntnis erhalten und somit über den erforderlichen Zeitraum verfügt hat, um seine Verteidigung vorzubereiten, kann je nach dem in jeder Rechtsordnung vorgesehenen System fiktiver Zustellungen erheblich variieren (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985, aaO; vgl. auch Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 34 EuGVVO Rn. 71). Hierbei hat das Gericht des Vollstreckungsstaates alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, einschließlich der Art und Weise der Zustellung, der Beziehung zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner und der Art der Maßnahmen, die zur Vermeidung einer Versäumnisentscheidung einzuleiten waren (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981, aaO Rn. 20; Kropholler/von Hein, aaO Art. 34 EuGVO Rn. 36).
- 23
- In der Regel kann das Gericht des Vollstreckungsstaats davon ausgehen , dass der Beklagte nach einer ordnungsgemäßen Zustellung Maßnahmen zur Verteidigung seiner Interessen schon von dem Zeitpunkt an einleiten kann, zu dem das Schriftstück zugestellt wird (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981, aaO Rn. 19). Dies beruht darauf, dass mit einer ordnungsgemäßen Zustellung regelmäßig auch die tatsächliche Möglichkeit einer Kenntnisnahme verbunden ist. Eine Vermutung der Rechtzeitigkeit der Zustellung besteht aber nicht, wenn der Kläger im Falle einer fiktiven Zustellung wusste, wo der Beklagte tatsächlich erreicht werden konnte (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985, aaO Rn. 31). Vor diesem Hintergrund ist es nicht gerechtfertigt, allein auf der Grundlage der fiktiven Zustellung anzunehmen, dass diese auch rechtzeitig erfolgt sei. Vielmehr muss der Kläger, der schon im Rahmen der fiktiven Zustellung hätte dafür Sorge tragen können, dass der Beklagte tatsächlich von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren erfuhr (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985, aaO Rn. 27 f), im Rahmen der Vollstreckbarerklärung bei einer fiktiven Zustellung auch die Umstände darlegen und beweisen, aufgrund derer das Gericht des Vollstreckungsstaats sich davon überzeugen kann, dass der Beklagte die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte.
- 24
- (2) Bereits das EuGVÜ stellt - zusätzlich zur ordnungsgemäßen Zustellung - entscheidend darauf ab, ob der Beklagte tatsächlich von dem eingeleiteten Verfahren Kenntnis nehmen konnte und daher in der Lage war, sich zu verteidigen. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF zeigt diese Zielsetzung nunmehr noch deutlicher (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - C-283/05, ASML, IPRax 2008, 519 Rn. 20; vom 7. Juli 2016 - C-70/15, Lebek, RIW 2016, 593 Rn. 38). Gemäß Art. 33 Abs. 3 EuGVÜ muss der Antragsteller die in den Art. 46, 47 EuGVÜ genannten Urkunden vorlegen (ebenso Art. 53, 54 EuGVVO aF). Daraus folgt, dass er den Beweis für eine ordnungsgemäße Zustellung zu führen hat (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, FamRZ 2008, 586 Rn. 27 mwN zu Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF; OLG Karlsruhe, EWS 1996 109, 110; OLG Hamburg, OLGR 2009, 188, 190; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Januar 2005 - IX ZB 154/01, WuM 2005, 203 unter II.2.b.aa.). Diese den Antragsteller treffende Beweislast soll den Beklagten schützen und dem Gericht des Vollstreckungsstaats eine verlässliche Grundlage für die Feststellung bieten , dass der Beklagte tatsächlich in der Lage war, sich zu verteidigen. Da dies letztlich davon abhängt, ob eine tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, hat der Antragsteller auch dies zu beweisen (Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR, 4. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rn. 60; vgl. auch Schlosser/Hess, EUZivilprozessrecht , 4. Aufl., Art. 45 EuGVVO, Rn. 28; aA Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., vor Art. 33 EuGVO Rn. 7).
- 25
- Im Allgemeinen genügt der Antragsteller seiner Beweislast für die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch die ordnungsgemäße Zustellung. Aus einer ordnungsgemäßen Zustellung folgt regelmäßig, dass der Beklagte die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn weder die Art der Zustellung noch die sie veranlassenden Umstände eine solche Vermutung rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund ist bei fiktiven Zustellungen zu prüfen, ob sie tatsächlich die Möglichkeit einer Verteidigung eröffnen und in diesem Sinne rechtzeitig sind (BGH, Beschluss vom 28. November 2007 - XII ZB 217/05, NJW 2008, 1531 Rn. 31 zu Art. 27 Nr. 2 Lugano Übereinkommen; Roth, IPRax 2008, 501, 502; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 34 EuGVVO Rn. 71). Hierzu ist unter wertender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Abwägung zwischen den schützenswerten Interessen des Gläubigers und des Schuldners zu treffen (BGH, aaO).
- 26
- Ist eine ladungsfähige Anschrift des Beklagten bekannt, genügt entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts für die Rechtzeitigkeit der Zustellung bei fiktiven Zustellungen nicht die abstrakte Möglichkeit, dass der Beklagte das Schriftstück erhalten haben könnte. Es ist in diesen Fällen angesichts der Zielsetzung des EuGVÜ, das rechtliche Gehör des Beklagten zu wahren, Aufgabe des Antragstellers, die Umstände darzulegen und zu beweisen, aufgrund derer das Gericht die Überzeugung gewinnen kann, dass der Antragsgegner die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte. Dies ergibt sich mittelbar auch aus der Formulierung des Versagungsgrundes in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. Dieser zeigt, dass das Fehlen von Versagungsgründen eine negative Tatbestandsvoraussetzung darstellt (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, FamRZ 2008, 586 Rn. 25). Daher muss das Beschwerdegericht in Fällen der fiktiven Zustellung durch remise au parquet die Überzeugung gewinnen, dass für den Schuldner die tatsächliche Möglichkeit einer Kenntnisnahme bestand. Hierbei genügt es, wenn aus den einzelnen Indizien die tatrichterliche Überzeugung gewonnen wird, dass dem Beklagten die Möglichkeit der Verteidigung offen stand (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2006 - IX ZB 23/06, NJW-RR 2007, 638 Rn. 5). Erst wenn feststeht, zu welchem Zeitpunkt die tatsächliche Möglichkeit einer Kenntnisnahme bestand, muss der Antragsgegner beweisen, dass das Schriftstück erst so spät zugestellt worden ist, dass er sich nicht mehr verteidigen konnte.
- 27
- 4. Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union ist im Streitfall nicht erforderlich. Es liegt ein sogenannter acte éclairé vor, der eine Vorlagepflicht ausschließt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Cilfit, NJW 1983, 1257 Rn. 13 ff), weil die Anforderungen an die Feststellung des Versagungsgrundes nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofs abschließend und zweifelsfrei geklärt werden können.
III.
- 28
- Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Das Beschwerdegericht hat sich - von seiner Rechtsauffassung konsequent - nicht mit der Frage auseinandergesetzt , ob die von der Staatsanwaltschaft Dordrecht vorgenommene Zustellung auf diplomatischem Weg und die vom Gerichtsvollzieher abgesandten Schreiben der Antragsgegnerin zu 1 die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme eröffnet haben. Insoweit wird das Beschwerdegericht den Parteien Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme zu geben haben. Es wird sodann zu entscheiden haben, ob die Gesamtumstände den Schluss zulassen, dass die Antragsgegnerin zu 1 die tatsächliche Möglichkeit hatte, von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück Kenntnis zu nehmen.
Schoppmeyer Meyberg
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 02.08.2011 - 1 O 291/11 -
OLG Köln, Entscheidung vom 20.09.2016 - 8 W 9/15 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, die Richterin Möhring und den Richter Dr. Schoppmeyer
am 17. Mai 2018
beschlossen:
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.281,57 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines polnischen Zahlungsbefehls. Sie macht Provisionsforderungen in Höhe von insgesamt 19.500 PLN gegen den in Deutschland wohnhaften Antragsgegner geltend. Zunächst erhob die Antragstellerin Klage beim Amtsgericht in Jelenia Góra in Polen über einen Teilbetrag von 9.750 PLN. Hierbei gab die Antragstellerin als ladungsfähige Anschrift die Adresse des Antragsgegners in Deutschland an. Der Antragsgegner bestellte in diesem Verfahren einen Zustellungsbevollmäch- tigten in Polen. Für die andere Hälfte der von ihr verlangten Provisionsforderung erhob die Antragstellerin eine zweite Klage beim Amtsgericht Jelenia Góra. In diesem Verfahren gab die Antragstellerin als ladungsfähige Anschrift des Antragsgegners die polnische Adresse des vom Antragsgegner im ersten Verfahren benannten Zustellungsbevollmächtigten an.
- 2
- Das Amtsgericht Jelenia Góra ließ die Klageschrift im zweiten Verfahren an die von der Antragstellerin angegebene Anschrift in Polen zustellen. Am 4. April 2013 erließ das Amtsgericht Jelenia Góra im zweiten Verfahren einen Zahlungsbefehl, mit dem der Antragsgegner verpflichtet wurde, an die Antragstellerin 9.750 PLN nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 22. Dezember 2012 sowie bestimmte Kosten des Prozesses zu bezahlen. Der Antragsgegner hat sich im zweiten Verfahren nicht eingelassen.
- 3
- Die Antragstellerin hat die Vollstreckbarerklärung des polnischen Zahlungsbefehls vom 4. April 2013 in Deutschland nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen (fortan: EuGVVO aF) beantragt und hierzu beglaubigte und übersetzte Abschriften des Zahlungsbefehls sowie eine Bescheinigung nach Art. 54 EuGVVO aF vorgelegt. Der Vorsitzende einer Zivilkammer des Landgerichts hat dem Antrag stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht mit Maßgaben zur Höhe der Zinsen zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Antragsgegner weiter gegen die Vollstreckbarerklärung.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde ist gemäß Art. 44 EuGVVO aF, § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
- 5
- 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, der Zahlungsbefehl sei in Polen vollstreckbar. Dies habe die Antragstellerin durch die Bescheinigung gemäß Art. 54 EuGVVO aF belegt. Anerkennungsversagungsgründe bestünden nicht.
- 6
- Gemäß Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF sei es nicht erforderlich, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Es genüge , wenn der Antragsgegner noch Einspruch gegen den Zahlungsbefehl einlegen könne und ihm dies zumutbar sei. Die Einspruchsfrist beginne nach polnischem Recht erst mit der Zustellung des Zahlungsbefehls. Diese Frist sei mangels wirksamer Zustellung nicht in Lauf gesetzt worden. Soweit das polnische Gericht eine wirksame Zustellung bescheinigt habe, treffe dies nicht zu, weil die Zustellung nur an die Anschrift des im anderen Verfahren bestellten Zustellungsbevollmächtigten erfolgt sei. Die im Zuge der von der Antragstellerin begehrten Vollstreckbarerklärung in Deutschland erfolgten Zustellungen hätten die Rechtsmittelfrist in Polen nicht in Lauf gesetzt. Eine Einlegung eines Rechtsmittels sei dem Antragsgegner auch zumutbar gewesen.
- 7
- 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
- 8
- a) Auf das Verfahren ist die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen anzuwenden , weil das Verfahren vor dem 10. Januar 2015 eingeleitet worden ist (Art. 66 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen). Gemäß Art. 45 Abs. 1 EuGVVO aF in Verbindung mit Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF ist eine Entscheidung nicht anzuerkennen und demgemäß die Vollstreckbarerklärung zu versagen, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte.
- 9
- b) Der Antragsgegner hat sich auf das Verfahren vor dem polnischen Gericht nicht eingelassen. Das Beschwerdegericht hat weiter festgestellt, dass dem Antragsgegner die das Verfahren einleitende Klageschrift nicht zugestellt worden ist. Maßgeblich sind die Zustellungsregeln, die der Urteilsstaat im Verhältnis zum Wohnsitzstaat des Schuldners zu beachten hat (BGH, Beschluss vom 21. September 2017 - IX ZB 83/16, WM 2017, 2031 Rn. 17 mwN). Dies richtet sich gegenüber den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (fortan: EuZustVO), sofern der Empfänger eines gerichtlichen Schriftstücks im Ausland ansässig ist (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-325/11, Alder IPRax 2013, 157 Rn. 25). Die Zustellung an einen Dritten ge- nügt den Anforderungen der Art. 4 ff, 12 ff EuZustVO auch dann nicht, wenn der Beklagte diesen Dritten in einem früheren Verfahren zwischen den Parteien zu seinem Zustellungsbevollmächtigten bestellt hatte. Das Beschwerdegericht hat auch nicht feststellen können, dass der Antragsgegner die Schriftstücke tatsächlich erhalten hat.
- 10
- c) Hingegen hält die Annahme des Beschwerdegerichts, der Antragsgegner habe die Möglichkeit gehabt, einen Rechtsbehelf gegen die polnische Entscheidung einzulegen, rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht ist insoweit von falschen Voraussetzungen ausgegangen und hat - wie die Beschwerde mit Recht rügt - die rechtlichen Anforderungen für die Feststellung des anzuwendenden polnischen Rechts verkannt.
- 11
- aa) Ob es dem Beklagten möglich ist, gegen die ergangene Entscheidung einen Rechtsbehelf einzulegen, richtet sich nach dem Recht des Urteilsstaates. Im Streitfall ist daher entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Antragsgegner nach dem maßgeblichen polnischen Recht noch gegen den Zahlungsbefehl einen Rechtsbehelf in Polen einlegen konnte. Das Beschwerdegericht hat sich keine ausreichenden Informationen über das polnische Recht verschafft , um dieses Recht auslegen und anwenden zu können.
- 12
- Das Beschwerdegericht hat das ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln (§ 293 ZPO). Dabei hat der deutsche Richter das ausländische Recht so anzuwenden, wie es der Richter des betreffenden Landes auslegt und anwendet (BGH, Urteil vom 14. Januar 2014 - II ZR 192/13, NJW 2014, 1244 Rn. 15; vom 7. Juni 2016 - KZR 6/15, BGHZ 210, 292 Rn. 70; Beschluss vom 13. September 2016 - VI ZB 21/15, BGHZ 212, 1 Rn. 55 mwN). Wie der Tatrichter sich diese Kenntnis verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen.
- 13
- bb) Diesen Maßstäben hält die angefochtene Entscheidung nicht stand.
- 14
- (1) Dem angegriffenen Beschluss lässt sich schon nicht entnehmen, ob und auf welche Weise das Beschwerdegericht seiner Pflicht nachgekommen ist, den Inhalt des polnischen Rechts zu ermitteln. Im Gegenteil hat das Beschwerdegericht im Hinweisbeschluss vom 28. Juni 2016 darauf hingewiesen, dass es derzeit über keine hinreichenden Kenntnisse zum polnischen Recht verfüge. Soweit das Beschwerdegericht im angefochtenen Beschluss davon ausgeht, dass gegen den polnischen Zahlungsbefehl ein Einspruch gegeben sei, die zweiwöchige Einspruchsfrist gemäß § 502 des polnischen Zivilverfahrensgesetzbuches (fortan: ZVGB) mangels Zustellung nicht zulaufen begonnen habe und der Antragsgegner noch Einspruch habe einlegen können, hat es sich dabei ausschließlich auf den von der Antragstellerin mit einer Übersetzung vorgelegten Text vereinzelter Bestimmungen des ZVGB gestützt. Seine weitere Annahme , dass nur eine Auslandszustellung nach der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 (EuZustVO) die Frist habe in Lauf setzen können, enthebt das Beschwerdegericht nicht seiner Pflicht, den Inhalt des polnischen Rechts zu ermitteln.
- 15
- (2) Das Beschwerdegericht wählt im Hinblick auf die für Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF maßgebliche Frage, ob der Beklagte die Möglichkeit hatte, einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung einzulegen, den falschen Ausgangspunkt. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF erfordert die tatsächliche Wahrung der Verteidigungsrechte (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - C-283/05, ASML, IPRax 2008, 519 Rn. 20; vom 7. Juli 2016 - C-70/15, Lebek, RIW 2016, 593 Rn. 38). Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs darf das Ziel, die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung zu erleichtern, nicht dadurch erreicht werden, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985 - 49/84, Debaecker, RIW 1985, 967 Rn. 10; vom 3. Juli 1990 - C-305/88, Lancray, IPRax 1991, 177, 178; vom 28. März 2000 - C-7/98, Krombach, IPRax 2000, 406 Rn. 43; vom 6. September 2012 - C-619/10, Trade Agency, IPRax 2013, 427 Rn. 41 f; vom 7. Juli 2016, aaO Rn. 34; vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-325/11, Alder, IPRax 2013, 157 Rn. 35).
- 16
- Soweit dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück - wie im Streitfall - nicht zugestellt worden ist, kommt eine Anerkennung der Entscheidung nur in Betracht, wenn ihm noch im Urteilsstaat ein effektiver Weg tatsächlich zur Verfügung stand, seine Rechte geltend zu machen. Dies bedingt, dass die Rechtsbehelfe eine vollständige Überprüfung der Entscheidung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ermöglichen müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2015 - C-300/14, Imtech Marine, IPRax 2016, 598 Rn. 38 zu Art. 19 EuVTVO). Es kommt darauf an, ob der Beklagte seine Rechte wirksam vor dem Gericht des Ursprungs- staats hätte geltend machen können (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - C-283/05, ASML, IPRax 2008, 519 Rn. 48). Ausschlaggebend ist dabei, ob diese Möglichkeit tatsächlich bestand (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juli 2016 - C-70/15, Lebek, RIW 2016, 593 Rn. 47 f). Dies hat das Beschwerdegericht im Rahmen der Vollstreckbarkeitserklärung festzustellen.
- 17
- Maßgeblich ist allein, ob der Antragsgegner nach dem Inhalt des polnischen Rechts, so wie es der polnische Richter auch im Hinblick auf die unmittelbar geltenden Vorschriften des europäischen Rechts auslegt und anwendet, tatsächlich in der Lage gewesen ist, gegen den Zahlungsbefehl noch einen zulässigen Einspruch oder einen anderen zulässigen Rechtsbehelf einzulegen, und dieser Rechtsbehelf eine vollständige Überprüfung der Entscheidung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ermöglicht hätte. Mithin hat das Beschwerdegericht festzustellen, wie ein polnisches Gericht über einen vom Antragsgegner gegen den Zahlungsbefehl erhobenen Einspruch nach Maßgabe des vom polnischen Gericht zu beachtenden Rechts entsprechend der tatsächlichen Auslegung und Anwendung dieses Rechts durch die polnischen Gerichte entschieden hätte. Solche Feststellungen fehlen. Tatsächlich hat das Beschwerdegericht nicht den Inhalt des polnischen Rechts in seiner tatsächlichen Auslegung und Anwendung ermittelt, sondern hat die in Polen unter der Adresse des früheren Zustellungsbevollmächtigten des Antragsgegners erfolgte Zustellung aufgrund einer eigenen Auslegung aus europarechtlichen Gründen für unwirksam gehalten und daraus den Schluss gezogen, dass deshalb auch für einen polnischen Richter die Einspruchsfrist nicht zu laufen begonnen habe. Dies führt dazu, dass die tatsächliche Möglichkeit eines Rechtsbehelfs sich nicht nach dem Maßstab der tatsächlichen Auslegung und Anwendung des Rechts durch die polnischen Gerichte richtet, sondern nach Maßstäben, die das Beschwerdegericht für richtig hält. Dies ist für die Beurteilung, ob dem Antragsgegner ein Rechtsbehelf in Polen noch möglich gewesen ist, unergiebig.
- 18
- Soweit das Beschwerdegericht davon ausgeht, dass die Zustellung nach polnischem Recht keine Wirkungen entfalte, hat es den Inhalt des polnischen Rechts nicht aufgeklärt. Offen ist insbesondere, wie die polnischen Gerichte über die Wirksamkeit der Zustellung entscheiden und ob für den Einspruch nach polnischem Recht eine Höchstfrist besteht oder ein eingelegter Rechtsbehelf aus anderen Gründen nicht mehr zulässig ist. So erklärt das Beschwerdegericht nicht, warum die von der Antragstellerin vorgelegte Bescheinigung des polnischen Amtsgerichts Jelenia Góra vom 2. November 2015, wonach der Zahlungsbefehl dem Antragsgegner wirksam zugestellt worden sein soll, nach polnischem Recht ohne Bedeutung ist. Das Beschwerdegericht geht auch nicht - wie die Rechtsbeschwerde rügt - auf die Feststellung im Beschluss des Amtsgerichts Jelenia Góra vom 9. Juli 2013 ein, wonach der Zahlungsbefehl rechtskräftig sei, obwohl das Beschwerdegericht diesen Beschluss im anderen Zusammenhang - nämlich hinsichtlich der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls - als zutreffende Darstellung des polnischen Rechts behandelt.
- 19
- (3) Darüber hinaus lässt die Verfahrensweise des Beschwerdegerichts - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - befürchten, dass das Beschwerdegericht bei der Ermittlung des ausländischen Rechts gemäß § 293 ZPO eine Darlegungslast der Parteien annimmt. Die Ermittlung hat jedoch von Amts wegen zu erfolgen (BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 - VI ZR 105/07, BGHZ 177, 237 Rn. 7 mwN; Beschluss vom 30. April 2013 - VII ZB 22/12, WM 2013, 1225 Rn. 39). Dies gilt auch für die Frage, ob der Antragsgegner, nachdem ihm der Zahlungsbefehl im Rahmen des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung zugestellt wurde, nach den einschlägigen Vorschriften des polnischen Verfah- rensrechts (noch) die rechtliche Möglichkeit hatte, einen statthaften Rechtsbehelf gegen den Zahlungsbefehl des Amtsgericht Jelenia Góra einzulegen. Dies ist nicht nach den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast zu beurteilen, weil ausländische Rechtsnormen Rechtssätze und keine Tatsachen sind. Sie sind deshalb nach ständiger Rechtsprechung von Amts wegen zu ermitteln (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, EuZW 2008, 251 Rn. 37). Eine prozessuale Beweisführungslast einer Partei für den Inhalt des ausländischen Rechts besteht im Rahmen des § 293 ZPO nicht. Nur der Umfang der Ermittlungspflicht kann durch den Vortrag der Parteien beeinflusst werden (BGH, Urteil vom 25. Januar 2005 - XI ZR 78/04, ZIP 2005, 478, 480 unter II.1.b. mwN).
III.
- 20
- Die Beschwerdeentscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO).
Möhring Schoppmeyer
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 09.02.2015 - 2 O 20/15 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 13.06.2017 - I-25 W 88/15 -
(1) Die Zwangsvollstreckung aus dem Titel, den der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges mit der Vollstreckungsklausel versehen hat, ist auf Antrag des Berechtigten über Maßregeln zur Sicherung hinaus fortzusetzen, wenn das Zeugnis des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts vorgelegt wird, dass die Zwangsvollstreckung unbeschränkt stattfinden darf.
(2) Das Zeugnis ist dem Berechtigten auf seinen Antrag zu erteilen,
- 1.
wenn der Verpflichtete bis zum Ablauf der Beschwerdefrist keine Beschwerdeschrift eingereicht hat, - 2.
wenn das Beschwerdegericht die Beschwerde des Verpflichteten zurückgewiesen und keine Anordnung nach § 22 Absatz 2 erlassen hat, - 3.
wenn der Bundesgerichtshof die Anordnung des Beschwerdegerichts nach § 22 Absatz 2 aufgehoben hat (§ 22 Absatz 3 Satz 2) oder - 4.
wenn der Bundesgerichtshof den Titel zur Zwangsvollstreckung zugelassen hat.
(3) Aus dem Titel darf die Zwangsvollstreckung, selbst wenn sie auf Maßregeln der Sicherung beschränkt ist, nicht mehr stattfinden, sobald ein Beschluss des Beschwerdegerichts, dass der Titel zur Zwangsvollstreckung nicht zugelassen werde, verkündet oder zugestellt ist.
(1) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluss, der mit Gründen zu versehen ist und ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Der Beschwerdegegner ist vor der Entscheidung zu hören.
(2) Solange eine mündliche Verhandlung nicht angeordnet ist, können zu Protokoll der Geschäftsstelle Anträge gestellt und Erklärungen abgegeben werden. Wird die mündliche Verhandlung angeordnet, so gilt für die Ladung § 215 der Zivilprozessordnung.
(3) Eine vollständige Ausfertigung des Beschlusses ist dem Berechtigten und dem Verpflichteten auch dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Beschluss verkündet worden ist.
(4) Soweit nach dem Beschluss des Beschwerdegerichts die Zwangsvollstreckung aus dem Titel erstmals zuzulassen ist, erteilt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Beschwerdegerichts die Vollstreckungsklausel. § 8 Absatz 1 Satz 2 und 4, §§ 9 und 10 Absatz 1 und 3 Satz 1 sind entsprechend anzuwenden. Ein Zusatz, dass die Zwangsvollstreckung über Maßregeln zur Sicherung nicht hinausgehen darf, ist nur aufzunehmen, wenn das Beschwerdegericht eine Anordnung nach diesem Gesetz (§ 22 Absatz 2, § 40 Absatz 1 Nummer 1 oder § 45 Absatz 1 Nummer 1) erlassen hat. Der Inhalt des Zusatzes bestimmt sich nach dem Inhalt der Anordnung.
(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.
(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.
(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.
(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.
(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.