vorgehend
Landgericht Ingolstadt, 11 O 234/17, 01.03.2018

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des LG Ingolstadt vom 01.03.2018 (Az.: 11 O 234/17) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Der Beklagten wenden sich gegen die Zurückweisung ihrer Ablehnungsanträge im angefochtenen Beschluss vom 01.03.2018. Wegen der geltend gemachten Ablehnungsgründe wird auf die Feststellungen im angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Die Beklagten begründen ihre Beschwerde damit, dass ihre Vorwürfe gegen die abgelehnte Richterin inhaltlich nicht überprüft worden seien, obwohl diese ausführlich dargelegt und glaubhaft gemacht worden seien. Insbesondere sei dargestellt worden, dass das Gericht den Beklagten gegenüber eine kostspielige Wertermittlung in Aussicht gestellt habe für den Fall, dass der seitens des Gerichts vorgeschlagene Vergleich nicht angenommen werde. Dies stelle jedenfalls dann eine Nötigung dar, wenn eine Erforderlichkeit einer solchen Wertermittlung nicht gegeben sei. Die abgelehnte Richterin habe das Erfordernis eines Sachverständigengutachtens vorgeschlagen, um die gerichtsunerfahrenen und gerichtsgläubigen Beklagten zum Abschluss des Vergleichs zu bestimmen.

Bezüglich der Einzelheiten des bisherigen Verfahrensgangs wird auf den Beschluss des Landgerichts vom 01.03.2018, dort Ziffer I. (Bl. 124/132 d.A.) verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 19.03.2018 haben die Beklagten gegen den Beschluss „Beschwerde“ eingelegt und diese begründet (Bl. 133/136 d.A.).

Der sofortigen Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 21.03.2018 nicht abgeholfen (Bl. 137/141 d.A.).

II.

Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte sofortige Beschwerde ist unbegründet, da das Landgericht den Ablehnungsanträgen zu Recht nicht stattgegeben hat.

Die Beklagten haben ihre Ablehnungsanträge wie folgt begründet:

Im Ablehnungsgesuch vom 12.11.2017 (Bl. 99/100 d.A.) haben die Beklagten geltend gemacht, die abgelehnte Richterin sei in analoger Anwendung des § 41 Nr. 6 ZPO wegen Vorbefassung ausgeschlossen, nachdem sie bei Fortführung des Prozesses über die Frage entscheiden müsse, ob sie selbst durch rechtswidrige Drohung die Beklagtenseite zum Abschluss des Vergleichs genötigt habe (hierzu nachfolgend Ziffern 1 und 2).

Im Übrigen sei die abgelehnte Richterin auch deshalb befangen, weil sie im Laufe der 15 w 442/18 - Seite 3 mündlichen Verhandlung vom 19.5.2017 gegenüber der Beklagtenseite eine rechtswidrige Drohung ausgesprochen habe (Schriftsatz vom 4.1.2018, Bl. 106 d.A. mit Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 19.9.2017, Bl. 81/89 d.A. - hierzu nachfolgend Ziffer 3).

Mit einem weiteren Ablehnungsgesuch vom 12.1.2018 (Bl. 108/111 d.A.) wurde die Ablehnung wegen Befangenheit damit begründet, dass die abgelehnte Richterin die beisitzenden Richter für die Sitzung am 12.12.2017 unter Verstoß gegen Art. 102 I 2 GG ausgetauscht habe (hierzu Ziffer 4).

1. Keine analoge Anwendung des § 41 Ziffer 6 ZPO auf vorliegenden Sachverhalt:

§ 41 ZPO sieht in Ziffer 6 vor, dass ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, wenn er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt.

Der vorliegende Sachverhalt fällt ersichtlich nicht unter die von Ziffer 6 beschriebenen Konstellationen. In Betracht käme daher allenfalls eine analoge Anwendung des § 41 Ziffer 6 ZPO.

Hierzu hat der BGH jedoch folgendes entschieden (Beschluss vom 18.12.2014 - IX ZB 65/13; bei Juris Rn.9):

„Im Übrigen führt § 41 ZPO die Ausschließungsgründe abschließend auf. Schon wegen der verfassungsmäßigen Forderung, den gesetzlichen Richter im Voraus möglichst eindeutig zu bestimmen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), ist die Vorschrift einer erweiternden Auslegung im Sinne der Rechtsbeschwerde nicht zugänglich (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1980, aaO; vom 4. Dezember 1989 - RiZ(R) 5/89, NJW 1991, 425; Beschluss vom 20. Oktober 2003 - II ZR 31/02, NJW 2004, 163; vom 24. Juli 2012, aaO Rn. 3; BVerfGE 30, 149, 155; BVerfGE 30, 165, 168 f; BVerfG, NJW 2001, 3533).“

Der Senat schließt sich diesen zutreffenden Erwägungen an. Im Übrigen bedürfte es einer (analogen) Anwendung des § 41 Nr. 6 ZPO schon deshalb nicht, weil es den Parteien grundsätzlich möglich bleibt, den beanstandeten Sachverhalt - wie vorliegend auch geschehen (vgl. freilich Ziffer 2) - gemäß § 42 ZPO im Wege der Ablehnung geltend zu machen (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO 38. Aufl., § 41 Rn. 1).

2. Auch ein Ausschlussgrund im Sinne des § 41 Ziffer 1 ZPO liegt nicht vor:

2.1. Nach dieser Vorschrift ist ein Richter ausgeschlossen in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht. In Betracht käme vorliegend allenfalls der Tatbestand der Regresspflicht aufgrund der Behauptung der Beklagten, sie seien durch die Vorsitzende Richterin widerrechtlich zum Vergleichsschluss durch die Drohung mit einem kostspieligen 15 w 442/18 - Seite 4 Gutachten genötigt worden.

2.2. Der Ausschlussgrund der Regresspflicht scheidet jedoch aus mehreren Gründen aus:

2.2.1. Zum einen hat das Landgericht zutreffend in seinem Beschluss vom 01.03.2018 darauf hingewiesen, dass das Verhalten der Vorsitzenden Richterin keine widerrechtliche Drohung darstellte, sondern transparenter Verfahrensführung zur Vermeidung von Überraschungsentscheidungen entsprach (Seite 5 des Beschlusses, Ziffer 2, Bl. 128/129 d.A.). Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Ein Regressanspruch ist damit schon im Ausgangspunkt nicht erkennbar.

2.2.2. Zum anderen muss sich die Regresspflicht im Sinne des § 41 Ziffer 1 ZPO aus dem Streitgegenstand des Verfahrens selbst („unmittelbarer Nachteil“, vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO 32. Aufl., § 41 Rn. 7) ergeben, was ersichtlich nicht der Fall ist (streitgegenständlich ist ein Honoraranspruch der Klageseite bzw. ein Schadensersatzanspruch der Widerklägerseite, während eine Regresspflicht allenfalls aufgrund des Vorwurfs der widerrechtlichen Drohung in der Verhandlung denkbar erschiene).

Eine eventuelle Regresspflicht aus der Verfahrensführung begründet keinen Ausschlusstatbestand. Dies ergibt sich jedenfalls aus der durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz eingefügten Vorschrift des § 72 Abs. 2 ZPO, wonach eine Streitverkündung gegen den Richter im laufenden Prozess nicht zulässig ist. Die Bestimmung hat den Zweck, das „Hinausschießen“ eines gesetzlichen Richters durch andere prozessuale Maßnahmen einer Partei als die Ablehnung gegen ihn entgegenzuwirken (so zutreffend OLG Frankfurt, NJW-RR 2017, 191, unter Ziffer II.2.b.aa.).

3. Vorwurf der widerrechtlichen Drohung mit einem kostspieligen Gutachten als Ablehnungsgrund:

3.1. Soweit die Beklagtenseite im Wege der Richterablehnung geltend macht, die Richterin habe die Beklagten mit der Drohung der Einholung eines kostspieligen Sachverständigengutachtens zum Vergleichsschluss genötigt, kann auf diesen Sachverhalt die Ablehnung schon deshalb nicht gestützt werden, weil gemäß § 43 ZPO das Ablehnungsrecht verloren gegangen ist:

Danach kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend gemacht zu haben, in eine Verhandlung eingelassen hat oder Anträge gestellt hat.

Die Beklagten tragen vor, sie seien durch eine Drohung der Vorsitzenden Richterin zum Abschluss des Vergleichs genötigt worden. Der Sachverhalt, mit dem sie die Ablehnung begründen, war ihnen damit zwangsläufig bekannt, nachdem sie behaupten, beim nachfolgenden Abschluss des Vergleichs unter dem Eindruck der angekündigten Einholung eines Gutachtens gestanden zu haben. Dennoch haben sie sich anschließend in die weitere 15 w 442/18 - Seite 5 Verhandlung im Sinne von § 43 ZPO eingelassen, indem sie den Vergleich abschlossen (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO 38. Aufl., § 43 Rn. 4 mit Hinweis auf OLG Frankfurt, FamRZ 1991, 839).

Dass die Beklagten nicht in der Lage gewesen wären, den behaupteten Ablehnungsgrund der Drohung/Nötigung selbst geltend zu machen, ist nicht ersichtlich. Es ist kein Anhaltspunkt dafür vorgetragen, dass die Beklagten sich durch das angekündigte Gutachten dermaßen unter Druck gesetzt gefühlt hätten, dass sie nicht mehr in der Lage gewesen wären, einen Ablehnungsgrund zu äußern. Zudem waren sie rechtsanwaltlich vertreten. Jedenfalls der Prozessbevollmächtigte der Beklagten war in der Lage, die behauptete Drohung zu erkennen und sogleich geltend zu machen.

Damit hat die Beklagtenseite gemäß § 43 ZPO das Recht verloren, den Sachverhalt, auf den sie die behauptete Drohung stützen will, geltend zu machen.

3.2. Rein vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass auch in der Sache selbst ein Ablehnungsgrund nicht gegeben wäre.

Ein Ablehnungsgesuch kann grundsätzlich nicht auf die Verfahrensweise oder Rechtsauffassung eines Richters, hier die angekündigte Einholung eines Gutachtens, falls der Vergleich nicht zustande kommen sollte, gestützt werden (BGH, Beschluss vom 12.10.2011, Az. V ZR 8/10, NJW-RR 2012, 61 = MDR 2012, 49). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen - insbesondere verfassungsrechtlichen - Grundsätzen entfernen, dass sie aus Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken (Vossler in Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 16. Ed., § 42 Rn. 17, m. w. Nachw.).

Eine willkürliche Verfahrensweise ist vorliegend nicht erkennbar; die bloße Ankündigung, ein Gutachten einholen zu wollen, ist vielmehr Ausfluss des Gebotes, die Rechtssuchenden vor Überraschungsentscheidungen zu schützen; im Übrigen kann in diesem Zusammenhang ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im Beschluss vom 01.03.2018, dort Seiten 5/6, Bl. 128/129 d.A. und vom 21.03.2018, dort Seite 3 Ziffer 2, Bl. 139 d.A.) verwiesen werden.

3.3. Allein aus der Tatsache, dass die Vorsitzende Richterin über die Frage der Begründetheit der Anfechtung im Rahmen des Fortgangs des Verfahrens (mit) entscheiden muss, obwohl ihr eine rechtswidrige Willensbeeinflussung vorgeworfen wird, kann sich eine Befangenheit nicht ergeben. Andernfalls würde man die abschließende Aufzählung der Ausschlussgründe des § 41 ZPO sowie die Regelung des § 43 ZPO missachten.

4. Soweit die Beklagten die Ablehnung auch darauf gestützt hatten, dass die abgelehnte 15 w 442/18 Seite 6 Richterin die beisitzenden Richter unter Verstoß gegen Art. 103 GG ausgetauscht habe, hat das Landgericht auf die einschlägigen Geschäftsverteilungspläne hingewiesen, aus denen sich die ordnungsgemäße Besetzung der Richterbank in der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2017 ergibt.

Die Beschwerde greift dies nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein Streitwert war nicht festzusetzen (OLG Rostock, NJW-RR 2014, 320; OLG Frankfurt, AGS 2017, 284).

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 42 Ablehnung eines Richters


(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt

Zivilprozessordnung - ZPO | § 41 Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes


Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen: 1. in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;2.

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Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.

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(1) Eine Partei, die für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt, kann bis zur rechtskräftige

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Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:

1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;
2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war;
4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist;
5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist;
6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt;
7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird;
8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB65/13
vom
18. Dezember 2014
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Mitwirkung der im Vorprozess mit der Sache befassten Richter bei dem Erlass
der Entscheidung im späteren Anwaltshaftungsprozess stellt weder einen gesetzlichen
Ausschlussgrund noch einen Ablehnungsgrund wegen Besorgnis der Befangenheit
dar.
BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - IX ZB 65/13 - OLG Hamm
LG Münster
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann, die Richter
Dr. Fischer und Dr. Pape
am 18. Dezember 2014

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 32. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 21. August 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 80.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen Verletzung anwaltlicher Berufspflichten. Die beklagten Rechtsanwälte vertraten den Kläger vor dem Landgericht Münster in einem Arzthaftungsprozess (nachfolgend: Vorprozess). Nach Abweisung der Klage legten sie auftragsgemäß Berufung ein, die sie nicht rechtzeitig begründeten. Der Kläger ist der Auffassung, sein Rechtsmittel wäre begründet gewesen. Er nimmt die Beklagten deshalb auf Schadensersatz in Höhe des im Vorprozess verlangten Schmerzensgeldes von 50.000 € sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden in Anspruch, die er durch die im Vorprozess streitgegenständliche ärztliche Fehlbehandlung erlitten habe und künftig noch erleiden werde. Nach der Geschäftsverteilung des Landgerichts ist für die Entscheidung des Rechtsstreits die Kammer zuständig, die bereits mit dem Vorprozess befasst war. Mit Schriftsatz vom 11. März 2013 hat der Kläger, soweit noch von Interesse, den Kammervorsitzenden und ein weiteres Mitglied der Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit mit der Begründung abgelehnt, dass der Fall demjenigen des gesetzlichen Ausschlusses des mit der Sache vorbefassten Richters nach § 41 Nr. 6 ZPO entspreche. In ihren dienstlichen Äußerungen haben die Richter erklärt , über die Klage unvoreingenommen urteilen zu können.
2
Das Ablehnungsgesuch ist vor dem Landgericht erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Ablehnungsbegehren weiter.

II.


3
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
4
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die abgelehnten Richter seien weder kraft Gesetzes noch wegen Besorgnis der Befangenheit von der Ausübung ihres Richteramtes ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 41 Nr. 6 ZPO seien nicht erfüllt, die Vorschrift führe nur dann zum gesetzlichen Ausschluss vom Richteramt, wenn ein Richter in einem früheren Rechtszug des gleichen Verfahrens an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Der Regressprozess bezwecke nicht die Überprü- fung der im Ausgangsverfahren ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung, deren Richtigkeit nur inzidenter im Rahmen des geltend gemachten Schadens zu beurteilen sei. Einer ausdehnenden Auslegung sei die Vorschrift nicht zugänglich. Dem stehe das verfassungsrechtlich garantierte Recht der Beteiligten auf den gesetzlichen Richter entgegen.
5
Die Tätigkeit der abgelehnten Richter im Ausgangsverfahren rechtfertige auch nicht die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 Abs. 2 ZPO. Allein die Mitwirkung der Richter an dem klageabweisenden Urteil des Ausgangsprozesses begründe diese Besorgnis nicht. Die Zivilprozessordnung lasse verschiedene Konstellationen - etwa die Entscheidung über den Einspruch nach Erlass eines Versäumnisurteils oder über den Widerspruch gegen eine im Beschlussverfahren ergangene einstweilige Verfügung - zu, in denen ein Richter im weiteren Verlauf des Verfahrens eigene Entscheidungen zu überprüfen und gegebenenfalls abzuändern habe, ohne dass er deshalb aus der Sicht einer verständigen Partei als befangen anzusehen sei. Dies gelte auch für atypische Konstellationen prozessrechtlicher Vorbefassung, in denen beispielsweise der Rechtsmittelrichter an das Tatsachengericht wechsele, bei dem er ein unter seiner Mitwirkung im Rechtsmittelverfahren aufgehobenes und zurückverwiesenes Rechtsmittelverfahren fortzuführen habe, oder die Befassung als Zivilrichter mit einer Sache, die er zuvor bereits als Strafrichter zu beurteilen gehabt habe.
6
2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die abgelehnten Richter sind wegen ihrer Mitwirkung im vorausgegangenen Arzthaftungsprozess weder ausgeschlossen (§ 41 Nr. 6 ZPO) noch befangen (§ 42 Abs. 2 ZPO).

7
a) Nach § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes in Sachen ausgeschlossen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat. Seine Mitwirkung an einer anderen Entscheidung als der angefochtenen reicht hingegen nicht aus (BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - VI ZR 109/59, NJW 1960, 1762 f; vom 5. Dezember 1980 - V ZR 16/80, NJW 1981, 1273 f; Beschluss vom 24. Juli 2012 - II ZR 280/11, NJW-RR 2012, 1341 Rn. 2; BVerwG, NJW 1975, 1241; NJW 1980, 2722; BFHE 242, 271 Rn. 23). Im Streitfall haben die abgelehnten Richter, die im Anwaltshaftungsprozess in erster Instanz tätig werden sollen, nur in einem Vorprozess mitgewirkt , dessen für den Kläger negativer Ausgang den Anlass für die streitgegenständliche Haftungsklage gegeben hat. Dieser Fall wird von dem klaren Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst.
8
Eine entsprechende Anwendung des § 41 Nr. 6 ZPO auf den hier gegebenen Fall der Vorbefassung scheidet ebenfalls aus. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde fehlt es schon an der Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Es geht im Anwaltshaftungsprozess nicht um eine auch nur mittelbare Überprüfung der im Vorprozess ergangenen Entscheidung. Die Frage, ob dem Mandanten durch eine schuldhafte Pflichtverletzung des Rechtsanwalts ein Schaden entstanden ist, der vom Ausgang eines anderen Rechtsstreits abhängt, ist danach zu beurteilen, wie jenes Verfahren richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre (BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - IX ZR 233/95, BGHZ 133, 110, 111; vom 17. September 2009 - IX ZR 74/08, WM 2009, 2138 Rn. 20). Welche rechtliche Beurteilung das mit dem Vorprozess befasste Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hatte, ist hingegen ohne Belang (BGH, Urteil vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205, 209 Rn. 9). Die Stellung des Gerichts im Haftungsprozess entspricht daher eher der eines Instanzgerichts, das nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache durch das Rechtsmittelgericht erneut über die Sache zu befinden hat. Wie sich aus § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergibt, entscheidet nach Zurückverweisung der Sache ein anderer Spruchkörper nur, wenn das Rechtsmittelgericht eine diesbezügliche besondere Anordnung trifft. Fehlt eine solche, ist bei den Mitgliedern des vorbefassten Spruchkörpers , die an dem aufgehobenen Urteil mitgewirkt haben, kein Fall der unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung des § 41 Nr. 6 ZPO gegeben (vgl. BVerwG, NJW 1975, 1241 mwN; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 41 Rn. 24 f; Musielak/Heinrich, ZPO, 11. Aufl., § 41 Rn. 13; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 41 Rn. 24). Dieses Beispiel zeigt, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Unvoreingenommenheit des Richters grundsätzlich nicht schon dadurch gefährdet ist, dass er sich schon früher zu demselben Sachverhalt ein Urteil gebildet hat. In den Regelungen zum Nachverfahren nach einer Entscheidung im Urkundenprozess (vgl. Hk-ZPO/Bendtsen, 5. Aufl., § 41 Rn. 17 f; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, aaO; Musielak/Heinrich, aaO; Zöller/ Vollkommer, aaO; jeweils mwN) kommt dies ebenfalls zum Ausdruck.
9
Im Übrigen führt § 41 ZPO die Ausschließungsgründe abschließend auf. Schon wegen der verfassungsmäßigen Forderung, den gesetzlichen Richter im Voraus möglichst eindeutig zu bestimmen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), ist die Vorschrift einer erweiternden Auslegung im Sinne der Rechtsbeschwerde nicht zugänglich (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1980, aaO; vom 4. Dezember 1989 - RiZ(R) 5/89, NJW 1991, 425; Beschluss vom 20. Oktober 2003 - II ZR 31/02, NJW 2004, 163; vom 24. Juli 2012, aaO Rn. 3; BVerfGE 30, 149, 155; BVerfGE 30, 165, 168 f; BVerfG, NJW 2001, 3533).

10
b) Die bloße Mitwirkung an der im Vorprozess ergangenen Entscheidung stellt im nachfolgenden Haftungsprozess auch keinen Ablehnungsgrund nach § 42 Abs. 2 ZPO dar. Begründete bereits die Mitwirkung im Vorprozess die Besorgnis der Befangenheit, führte dies auf dem Umweg über § 42 ZPO im Endergebnis zu einer unzulässigen Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 41 ZPO, die - wie ausgeführt - aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen ist.
11
aa) Nach § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Unerheblich ist, ob der Richter sich befangen fühlt oder tatsächlich befangen ist. Entscheidend ist vielmehr, ob aus der Sicht einer objektiv und vernünftig urteilenden Partei die Besorgnis besteht , der zur Entscheidung berufene Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 1986 - X ZR 70/84, NJW-RR 1986, 738; vom 14. März 2003 - IXa ZB 27/03, WM 2003, 946; st. Rspr.; s. ferner BVerfG NJW 1993, 2230 mwN; Prütting/ Gehrlein/Mannebeck, ZPO, 6. Aufl., § 42 Rn. 5; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, aaO § 42 Rn. 4; Zöller/Vollkommer, aaO § 42 Rn. 9). Der nach § 44 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft zu machende Ablehnungsgrund kann, wenn wie hier keiner der Ausschlusstatbestände des § 41 ZPO vorliegt, nur in konkreten, auf den Einzelfall bezogenen Tatsachen liegen.
12
bb) Daran fehlt es hier. Allein der Umstand, dass es einem Richter bei einer Zweitbefassung mit einem Sachverhalt zugemutet wird, sich von dessen früherer rechtlichen Beurteilung zu lösen und den Fall neu zu durchdenken, reicht hierfür nicht aus (a.A. LG Darmstadt, NJW-RR 1999, 289, 290; Baur in Festschrift Larenz, 1973, S. 1063, 1073 f). Aus objektiver Sicht ist es dem in typischer oder atypischer Weise vorbefassten Richter grundsätzlich zuzutrauen, dass er auch den neuen Fall ausschließlich nach sachlichen Kriterien löst (vgl. MünchKomm-ZPO/Gehrlein, aaO § 42 Rn. 15 f). Besondere Umstände des Einzelfalls, aus denen sich ergeben könnte, dass die hier abgelehnten Richter aus der Sicht einer verständigen Partei gehindert sein könnten, den sich aus dem von ihnen seiner Zeit entschiedenen Arzthaftungsprozess ergebenden Anwaltshaftungsfall objektiv und angemessen zu beurteilen, hat der Kläger nicht dargetan und nicht glaubhaft gemacht.
Kayser Vill Lohmann
Fischer Pape
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 13.06.2013 - 111 O 11/13 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 21.08.2013 - 32 W 11/13 -

Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:

1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;
2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war;
4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist;
5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist;
6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt;
7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird;
8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:

1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;
2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war;
4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist;
5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist;
6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt;
7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird;
8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

(1) Eine Partei, die für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt, kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits dem Dritten gerichtlich den Streit verkünden.

(2) Das Gericht und ein vom Gericht ernannter Sachverständiger sind nicht Dritter im Sinne dieser Vorschrift. § 73 Satz 2 ist nicht anzuwenden.

(3) Der Dritte ist zu einer weiteren Streitverkündung berechtigt.

Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 8/10
vom
12. Oktober 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Zugrundelegung einer der Partei ungünstigen Rechtsauffassung rechtfertigt
auch dann nicht ohne weiteres die Besorgnis der Befangenheit (§ 42 Abs. 2 ZPO),
wenn ein Gericht über ein Ablehnungsgesuch selbst entschieden hat.

b) Zur dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters nach § 44 Abs. 3 ZPO.
BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - V ZR 8/10 - BGH
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Oktober 2011 durch den
Richter Dr. Roth, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland sowie die Richter
Halfmeier und Prof. Leupertz

beschlossen:
Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 26. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Der Kläger hat für das Verfahren einer bereits eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Der Senat hat diesen Antrag durch die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, Dr. Stresemann und Dr. Czub mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger Anhörungsrüge nach § 321a ZPO erhoben und zudem geltend gemacht, es bestehe Misstrauen gegen die Unparteilichkeit "des Senates, namentlich gegen die Richter am BGH Krüger, Lemke, Schmidt-Räntsch, Stresemann und Czub". Ferner hat er beantragt, ihm "nach der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch" einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Prozessbevollmächtigten als Notanwalt beizuordnen.
2
Mit Beschlüssen vom 28. April 2011 hat der Senat in der o.g. Besetzung das Ablehnungsgesuch als unzulässig und die Anhörungsrüge teils als unzulässig , teils als unbegründet zurückgewiesen. In dem das Ablehnungsgesuch betreffenden Beschluss heißt es, es liege ein eindeutig unzulässiges Gesuch vor, bei dem die abgelehnten Richter nicht nach § 45 Abs. 1 ZPO an der Mitwirkung gehindert seien. Eindeutig unzulässig sei die Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers, weil nach § 42 ZPO nur der einzelne Richter, nicht aber das Gericht als solches abgelehnt werden könne. Nach dem Antragswortlaut werde der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs abgelehnt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger die Namen der fünf Mitglieder des Senats angegeben habe, die den mit der Anhörungsrüge zur Überprüfung gestellten Beschluss unterzeichnet hätten. Diese Bezeichnung sei auch unter Berücksichtigung des Gebots, dass "Ablehnungsgesuche vollständig zu erfassen und gegebenenfalls wohlwollend auszulegen (BVerfG, NJW 2007, 3771, 3773; NJW-RR 2008, 72, 74)" seien, nicht als eine zulässige Ablehnung einzelner Richter zu interpretieren. Denn nach der Antragsbegründung werde die Ablehnung auf die Vorbefassung des Senats und auf Ausführungen in der Parallelsache der Tochter des Klägers gegen die Beklagte gestützt. Konkrete, auf eine Befangenheit der einzelnen Mitglieder des Senats hinweisende Anhaltspunkte seien nicht benannt worden.
3
Gegen die Zurückweisung der Anhörungsrüge hat der Kläger mit Schriftsätzen vom 26. Mai 2011 Gegenvorstellung erhoben und erneut erklärt, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, Dr. Stresemann und Dr. Czub würden wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Insbesondere hätten sich diese Richter bei der Entscheidung über die Anhörungsrüge und über das Ablehnungsgesuch zum Richter in eigener Sache gemacht. Eine pauschale Ablehnung des Spruchkörpers sei nicht erfolgt. Da die beteiligten Richter namentlich bezeichnet worden seien, könne jedenfalls bei der verfassungsrechtlich gebotenen wohlwollenden Auslegung des Ablehnungsgesuchs nicht davon ausgegangen werden, es sei der V. Zivilsenat als Spruchkörper abgelehnt worden. Mit Schriftsatz vom 1. August 2010 hat der Kläger die dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter als ungenügend gerügt und geltend gemacht, die Ablehnung sei u.a. auch deshalb gerechtfertigt, weil weder über den auf Bestellung eines Notanwalts gerichteten Antrag befunden noch ein richterlicher Hinweis dahin erteilt worden sei, dass an der Mandatsniederlegung des bei dem Bundesgerichtshofs zugelassenen Rechtsanwalts Zweifel bestünden.

II.

4
Dem Ablehnungsgesuch vom 26. Mai 2011 bleibt auch unter Berücksichtigung der späteren Ergänzungen des Klägers der Erfolg versagt.
5
Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Dabei kommen nur objektive Gründe in Betracht, die aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder der Unabhängigkeit der abgelehnten Richter aufkommen lassen (vgl. nur Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rn. 8 f. mwN). Solche Gründe liegen nicht vor.
6
1. Dass gilt zunächst im Hinblick darauf, dass die abgelehnten Richter über das erste Ablehnungsgesuch selbst befunden haben.
7
a) Die Zugrundelegung einer der Partei ungünstigen Rechtsauffassung rechtfertigt nicht ohne weiteres die Besorgnis der Befangenheit. Auch auf die Rechtmäßigkeit der Rechtsanwendung kommt es regelmäßig nicht an (vgl. nur Zöller/Vollkommer, aaO, Rn. 28 mwN). Das gilt auch dann, wenn ein Gericht rechtsfehlerhaft über ein Ablehnungsgesuch selbst entschieden hat (BVerfG, NJW 2005, 3410, 3411). Allerdings gilt es zu bedenken, dass Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht nur den gesetzlichen Richter garantiert, sondern auch einen Richter, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (BVerfG 2007, 3771, 3772 mwN), und dass dieser Aspekt in besonderer Weise betroffen ist, wenn über die Ablehnung von Richtern wegen Besorgnis der Befangenheit zu befinden ist. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund kommt die Annahme einer solchen Besorgnis in Betracht, wenn die Auslegung des Gesetzes oder dessen Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite dieser Verfassungsgarantie in grundlegender Weise verkennt (vgl. auch BVerfG, NJW 2005, 3410, 3411aaO; NJW-RR 2008, 72, 74; jeweils mwN).
8
b) Davon kann hier jedoch keine Rede sein. Dem das erste Ablehnungsgesuch als unzulässig zurückweisenden Senatsbeschluss liegt die zutreffende Rechtsauffassung zugrunde, dass die abgelehnten Richter auch im Zivilprozess in bestimmten Fallgruppen ausnahmsweise über unzulässige Ablehnungsgesuche selbst entscheiden dürfen, dass hierzu nicht nur rechtsmissbräuchliche Gesuche zählen, sondern auch solche, mit denen ein Spruchkörper als solcher abgelehnt wird (BVerfG, NJW 2007, 3771, 3772), und dass bei der Frage, ob Letzteres der Fall ist, das Gesuch vollständig zu erfassen und gegebenenfalls wohlwollend auszulegen ist (BVerfG, aaO, S. 3773; vgl. auch BVerfG, NJW-RR 2008, 72, 74). Darüber hinaus wird in der Entscheidung in den Blick genommen , dass ein Ablehnungsgesuch auch dann hinreichend individualisiert sein kann, wenn es sich unterschiedslos gegen alle Angehörigen eines Spruchkörpers richtet, und dass dies in Betracht kommt, wenn die Befangenheit aus konkreten in einer Kollegialentscheidung enthaltenen Anhaltspunkten hergeleitet wird (vgl. auch BVerwGE 50, 36, 37 f. mwN). Die auf diesen Grundsätzen aufbauende Würdigung, das Ablehnungsgesuch sei bei der gebotenen wohlwollenden Auslegung gegen den Senat als Spruchkörper gerichtet, ist zumindest gut vertretbar.
9
2. Die im Übrigen geltend gemachten Ablehnungsgründe greifen ebenfalls nicht durch. Ebenso wie bei der Zugrundelegung einer unzutreffenden Rechtsauffassung ist auch bei fehlerhaften verfahrensleitenden Maßnahmen nicht ohne weiteres die Annahme gerechtfertigt, der Richter stehe der Sache nicht mehr mit der erforderlichen Unvoreingenommenheit gegenüber (vgl. nur MünchKomm-ZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 42 Rn. 28 ff. mwN). Besondere Umstände , die zu einer anderen Beurteilung führen könnten, zeigt der Kläger schon nicht auf. Das gilt insbesondere für das im Zusammenhang mit dem Antrag auf Bestellung eines Notanwalts gerügte Verhalten. Sich mit diesem Antrag zu befassen , bestand im Übrigen bislang keine Veranlassung, nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 5. Januar 2011 ausdrücklich beantragt hat, ihm (erst) "nach der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch" einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Prozessbevollmächtigten als Notanwalt beizuordnen.
10
3. Ohne Erfolg rügt der Kläger schließlich, die nach § 44 Abs. 3 ZPO eingeholten dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter seien ungenügend.
11
a) Soweit der Kläger die Ablehnung darauf stützt, mit der Verwerfung des ersten Ablehnungsgesuchs hätten die beteiligten Richter die Grenze zur Befangenheit überschritten, kommt es allein darauf an, ob aus der Entscheidung über das erste Ablehnungsgesuch selbst die Besorgnis der Befangenheit folgt. Die dienstliche Äußerung nach § 44 Abs. 3 ZPO dient der Tatsachenfeststellung. Da die in Rede stehende Entscheidung vorliegt, scheidet eine weitergehende Tatsachenfeststellung aus. Von einer Würdigung des Ablehnungsgesuchs hat der abgelehnte Richter zumindest grundsätzlich Abstand zu nehmen (vgl. BFH, NV 2000, 480 Rn. 5; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, aaO, § 44 Rn. 9 mwN).
12
b) Mit Blick auf die oben unter 2. erörterten Ablehnungsgründe waren dienstliche Erklärungen schon deshalb nicht notwendig, weil das von dem Kläger monierte Verhalten schon nicht geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (zur Entbehrlichkeit dienstlicher Äußerungen bei unschlüssigen Gesuchen vgl. MünchKomm-ZPO/Gehrlein, aaO, mwN; enger wohl Zöller/Vollkommer , aaO, § 44 Rn. 4). Roth Brückner Weinland Halfmeier Leupertz
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 16.08.2007 - 1 O 31/06 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 02.12.2009 - I-31 U 143/07 -

Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:

1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;
2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war;
4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist;
5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist;
6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt;
7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird;
8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.

Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)