Oberlandesgericht München Beschluss, 14. Dez. 2015 - 1 AR 392/15

bei uns veröffentlicht am14.12.2015

Gericht

Oberlandesgericht München

Gründe

Oberlandesgericht München

Az.: 1 AR 392/15

31 Ausl 1281/15 Generalstaatsanwaltschaft München

1 AR 392/15

Leitsatz

Angewendete Vorschriften:

OLG München, 1. Strafsenat, Beschluss vom 14.12.2015 -1 AR 392/15 (rechtskräftig)

In der Auslieferungssache K.V.,

geboren am ... in B./Bulgarien, Staatsangehörigkeit: bulgarisch, derzeit in dieser Sache in Auslieferungshaft in der Justizvollzugsanstalt München, Stadelheimer Straße 12, 81549 München

Verteidiger: Rechtsanwalt ...

wegen Brandstiftung u. a.

hier: Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung und die Fortdauer der Auslieferungshaft

erlässt das Oberlandesgericht München - 1. Strafsenat - durch die unterzeichnenden Richter am 14.12.2015 folgenden

Beschluss

I. Die Auslieferung des bulgarischen Staatsangehörigen V. K., geboren am ... in B./Bulgarien, an die bulgarischen Behörden zur Strafvollstreckung wird für unzulässig erklärt.

II. Der Auslieferungshaftbefehl des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts München vom 27.10.2015 wird aufgehoben.

Gründe:

I. Der Senat hat am 27.10.2015 gegen den am 16.10.2015 zur Sicherung der Auslieferung vorläufig festgenommenen Verfolgten, der bulgarischer Staatsangehöriger ist und in Deutschland keinen Wohnsitz und keinerlei soziale Bindungen hat, zur Sicherung der Auslieferung an die bulgarischen Behörden zur Strafvollstreckung Auslieferungshaftbefehl erlassen und diesem den Europäischen Haftbefehl der Bezirksstaatsanwaltschaft Burgas vom 25.09.2015, Az.: AZ-7/2015, zugrunde gelegt.

Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung wurde hierbei zurückgestellt, da der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung in Bulgarien in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert werden könnte, die europäischen Mindeststandards nicht genügt bzw. in der er einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.

Diese Befürchtung gründet sich auf die öffentliche Erklärung des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) vom 26.03.2015. Danach haben sich die Haftbedingungen in Bulgarien seit Jahren bei wiederholter Prüfung durch das CPT als bedenklich erwiesen, auch beim zuletzt im Februar 2015 erfolgten Besuch dreier Haftanstalten (darunter das Gefängnis in Burgas, der Heimatstadt des Verfolgten), weswegen der Auslieferung des Verfolgten an sich ein Auslieferungshindernis nach § 73 Satz 2 IRG i. V. m. Art. 6 des Vertrages über die Europäische Union und Art. 3 EMRK entgegen steht (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 16.12.2014 in StraFo 2015, 75; OLG Celle, Beschluss vom 17.12.2014, StV 2015, 368; Kammergericht Berlin, Beschluss vom 15.04.2015, Gz.: (4) 151 AuslA 33/15 (36/15), (4) 151 Ausl A 33/15 (36/15), zitiert nach juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen StV 2015 365/15; OLG Dresden, Beschluss vom 11.08.2015 - OLG Ausl 78/15, zitiert nach juris).

Die bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung vom 27.10.2015 bei den Akten befindliche, vom bulgarischen Justizministerium am 13.08.2015 abgegebene generelle „Erklärung über die Bedingungen für die Unterbringung von Personen, die den bulgarischen Justizbehörden auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls übergeben sind", hat der Senat insoweit für nicht ausreichend erachtet zur Sicherstellung von Haftbedingungen, die europäischen Mindeststandards entsprechen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorgenannte Senatsentscheidung Bezug genommen.

Der Senat hat dabei ausgeführt, dass das Zulässigkeitshindernis nach § 73 Satz 2 IRG i. V. m. Art. 6 des Vertrages über die Europäische Union und Art. 3 EMRK nur dadurch ausgeräumt werden kann, dass die bulgarischen Behörden eine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung dahingehend abgeben, dass die räumliche Unterbringung und die sonstige Gestaltung der Haftbedingungen in der Haftanstalt, in der der Verfolgte nach der Auslieferung inhaftiert sein wird, den europäischen Mindeststandards entsprechen und den Häftlingen dort keine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung im Sinne von Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten droht. Zusätzlich hat der Senat eine Zusicherung der bulgarischen Behörden für erforderlich gehalten, dass Besuche beim Verfolgten durch diplomatische oder konsularische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland während der Dauer seiner Inhaftierung möglich sind.

In diesem Zusammenhang hat der Senat um Bekanntgabe der Haftanstalt, in der der Verfolgte während der Dauer des Freiheitsentzugs inhaftiert sein wird und um Beschreibung der dortigen Haftbedingungen ersucht.

Da es durchaus als möglich erschien, dass die bulgarischen Behörden eine solche verbindliche Zusicherung in Bezug auf den Verfolgten abgeben, wurde in der Entscheidung vom 27.10.2015 die Auslieferung des Verfolgten nicht für unzulässig erklärt, sondern die Entscheidung über die Zulässigkeit zurückgestellt.

Die Generalstaatsanwaltschaft München wurde gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 IRG gebeten, die bulgarischen Behörden unter Bekanntgabe der Senatsentscheidung vom 27.10.2015 um Abgabe einer entsprechenden Zusicherung zu ersuchen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zunächst versucht, dies wegen der Bedeutung der Sache auf dem ministeriellen Weg durchzuführen, wurde aber vom Bundesamt für Justiz darauf verwiesen, dass die Einholung einer Zusicherung zu Haftbedingungen im Auslieferungsverkehr mit EU-Mitgliedsstaaten der jeweils zuständigen Generalstaatsanwaltschaft obliege (vgl. hierzu auch die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen in StV 2015 365/15 unter Hinweis darauf, dass die Entscheidung über ausländische Rechtshilfeersuchen im Ausgangspunkt der Zuständigkeit des Bundes unterliegt und die Übertragung der Ausübung der Entscheidungsbefugnis auf die Bundesländer, die ihrerseits die Befugnisse auf die Generalstaatsanwaltschaften übertragen haben, nichts daran ändere (vgl. auch Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., § 74 IRG Rn. 4 u. 11) und dass der Bund Herr des Auslieferungsverfahrens bleibe. In seiner Entscheidung vom 23.07.2015 hat das Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen (EuGH-Vorlagebeschluss vom 23.07.2015, NJW-Spezial 2015, 602) ausgeführt, dass es sich bei der Rechtshilfe in Auslieferungssachen auch um die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten im Sinne von Art. 32 GG handele).

Daraufhin hat sich die Generalstaatsanwaltschaft mit Faxschreiben vom 09.11.2015 direkt an

die Bezirksstaatsanwaltschaft Burgas gewandt und hat dieser mitgeteilt, dass der Senat um Abgabe einer völkerrechtlich verbindlichen Zusicherung zu den in der Senatsentscheidung vom 27.10.2015 aufgezählten Punkten bitte.

Mit Schreiben vom 02.11.2015 hat der Verfolgte „Beschwerde gegen die Auslieferung" eingelegt und zugleich die Beiordnung eines Pflichtbestands beantragt. Am 26.11.2015 hat der Senat dem Verfolgten, nachdem er ihn hierzu angehört hatte, Rechtsanwalt ... als Pflichtbeistand beigeordnet.

Am 27.11.2015 hat die Generalstaatsanwaltschaft München eine Erklärung der bulgarischen Behörden vom 24.11.2015 samt Anlagen vorgelegt und um Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung ersucht.

Auf das Ersuchen um Abgabe einer entsprechenden Zusicherung haben die bulgarischen Behörden folgendermaßen reagiert:

Mit Schreiben vom 24.11.2015, abgefasst von einem Staatsanwalt der Bezirksstaatsanwaltschaft Burgas, wurde auf die bereits in der Senatsentscheidung vom 27.10.2015 für unzureichend gehaltene generelle Erklärung vom 13.08.2015 Bezug genommen sowie auf die beigefügte „konkrete Antwort" der Generaldirektion „Strafvollzug" des Justizministeriums der Republik Bulgarien in Bezug auf den Verfolgten vom 19.11.2015. Ferner wurde auf die Anweisung des bulgarischen Justizministers Nr. AC 1163/13.08.2015 verwiesen.

Darüber hinaus wurde im Schreiben vom 24.11.2015 mitgeteilt, dass im Gefängnis von Burgas die Möglichkeit von Besuchen diplomatischer und konsularischer Vertreter bestehe.

In der Stellungnahme der Generaldirektion „Strafvollzug" wird mitgeteilt, dass in Bulgarien Freiheitsstrafen normalerweise wohnortnah vollstreckt werden und dass die wohnortnahe Haftanstalt für den Verfolgten das Gefängnis Burgas sei. Weiter wird darin ausgeführt: Trotz der Bemühungen für die Verbesserung der Wohnbedingungen in den Haftanstalten können wir zu diesem Moment nicht garantieren, dass diese Bedingungen den etablierten Standards entsprechen. Deshalb gibt es die Möglichkeit, gemäß der Anordnung des Justizministers Nr. PC 1163 vom 13.08.2015 zu verfahren. Das Unterbringen der Personen in einem entsprechenden Gefängnis werde gemäß dem Befehl des Generaldirektors der Generaldirektion „Strafvollzug" vollzogen."

Die dem Schreiben vom 24.11.2015 beigefügte Anordnung des bulgarischen Justizministers Nr. AC 1163 vom 13.08.2015 hat folgenden Inhalt:

„Angesichts der häufigen Absagen von Gerichten der Bundesrepublik Deutschland, die

Europäischen Haftbefehle, ausgestellt von bulgarischen zuständigen Behörden in Bezug auf bulgarische Bürger, zu vollstrecken (...) ist eine Veränderung der Anordnung Nr. PC 656/30.05.2009 erforderlich. (...) Eine Verteilung der aufgrund eines Europäischen Haftbefehls übergebenen Personen erfolgt mit einem Befehl des Hauptdirektors der Generaldirektion „Strafvollzug", nachdem eine Einschätzung der Möglichkeiten erfolgt ist, die Verurteilten die Gefängnisstrafe in dem am nächsten zum ständigen Wohnsitz gelegenen Gefängnis verbüßen zu lassen und der Möglichkeit, die Freiheitsstrafe dort unter Bedingungen zu vollstrecken, die Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprechen, wenn die Auslieferung mit der Bedingung verbunden ist, dass der bulgarische Staat die Unterbringung in einer Haftanstalt garantiert, die minimalen Standards entspricht. Mit der Ausführung dieser Anordnung beauftrage ich die Leiter von Gefängnissen, Haftanstalten und Gefängnisgebäuden und mit der Überprüfung der Erfüllung den Hauptdirektor der Generaldirektion Strafvollzug."

Mit Schreiben vom 01.12.2015 hat die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, gegen den Verfolgten die Fortdauer der Auslieferungshaft anzuordnen und die Auslieferung nach Maßgabe folgender Bedingung für zulässig zu erklären:

„Der Verfolgte wird nach seiner Auslieferung und für die gesamte Dauer der zu vollstreckenden Freiheitsentziehung in der Strafanstalt Belene untergebracht.

Zur Gewährleistung einer Überprüfungsmöglichkeit der Haftbedingungen in der vorbezeichneten Haftanstalt durch die diplomatische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland werden diplomatischen oder konsularischen Vertretern der Bundesrepublik während der Dauer der Inhaftierung Besuche beim Verfolgten auf Anfrage ermöglicht."

Hilfsweise hat die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Auslieferung ohne Bedingungen für zulässig zu erklären, wobei die Generalstaatsanwaltschaft als zuständige Bewilligungsbehörde versichert hat, dass sie in der Folge eine Bewilligungsentscheidung mit der vorgenannten Maßgabe treffen wird.

Mit Schriftsatz seines Rechtsbeistands vom 09.12.2015 hat der Verfolgte beantragt, die Auslieferung für unzulässig zu erklären und den Auslieferungshaftbefehl aufzuheben. Hilfsweise wurde beantragt, den Verfolgten, der bereits früher im Gefängnis von Burgas inhaftiert gewesen sei, zu den dortigen Zuständen anzuhören.

Mit Schreiben vom 09.12.2015 hat daraufhin die Generalstaatsanwaltschaft ergänzend darauf hingewiesen, dass eine Einhaltung der vom Senat genannten Mindestanforderungen in Bulgarien nicht per se unmöglich sei. Eine Zulässigkeitsentscheidung, die mit den bereits genannten Bedingung versehen wird oder eine mit denselben Bedingungen versehene Bewilligungsentscheidung sei zur Gewährleistung der Mindestanforderungen an die

Haftbedingungen ausreichend.

Sowohl die Einhaltung einer Zusicherung wie auch die Einhaltung von Bedingungen, unter denen die Auslieferung für zulässig erklärt bzw. bewilligt wird, sei letztlich nur durch Besuche von diplomatischen oder konsularischen Vertretern der Bundesrepublik Deutschland in der Haft beim Verfolgten zu klären.

II.

Da sich der Verfolgte am 16.12.2015 zwei Monate in Auslieferungshaft befindet, war gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 IRG über die Fortdauer der Auslieferungshaft und - nachdem eine weitere Erklärung der bulgarischen Behörden nach Aktenlage nicht zu erwarten ist - zugleich über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden.

Die Auslieferung war für unzulässig zu erklären, weil nach wie vor ein Auslieferungshindernis gem. § 73 IRG besteht. Die vom Senat in der Entscheidung vom 27.10.2015 dargestellten Bedenken konnten nicht ausgeräumt werden.

Das Schreiben der bulgarischen Behörden vom 24.11.2015 ist weder für sich genommen, noch in der Zusammenschau mit den diesem Schreiben beigefügten Unterlagen geeignet, die Bedenken hinsichtlich der Haftbedingungen, denen der Verfolgte in Bulgarien ausgesetzt sein könnte, auszuräumen.

Bei der Stellungnahme der Generaldirektion „Strafvollzug", die als „Antwort auf Ihren Brief" bzw. Benachrichtigung bezeichnet und vom Hauptdirektor Oberkommissar S. C. abgefasst wurde, handelt es sich schon dem Wortlaut nach nicht um eine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung, da mit keinem Wort irgendetwas zugesichert wird.

Auch ihrem Inhalt nach stellt diese Stellungnahme keine völkerrechtlich verbindliche Zusage von noch hinzunehmenden Haftbedingungen dar. Es wird lediglich mitgeteilt, dass Freiheitsstrafen normalerweise wohnortnah vollstreckt werden und dass die wohnortnahe Haftanstalt für den Verfolgten das Gefängnis Burgas sei. Trotz der Bemühungen, die Haftbedingungen zu verbessern, so die bulgarischen Behörden, könnten sie nicht garantieren, dass die Haftbedingungen den Mindeststandards entsprechen. Die zugleich in den Raum gestellte Möglichkeit, die Freiheitsstrafe unter Bedingungen zu vollstrecken, die Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprechen, wenn die Auslieferung mit der Bedingung verbunden ist, dass der bulgarische Staat die Unterbringung in einer Haftanstalt garantiert, die minimalen Standards entspricht, ist nicht ausreichend, insoweit wird auf die Ausführungen des Senats in der Entscheidung vom 27.10.2015 Bezug genommen.

Die Offenlegung der bestehenden internen bulgarischen Anweisungen, gänzlich ohne konkreten Bezug zum Verfolgten, stellt keinesfalls eine Zusicherung der vom Senat für eine Auslieferung erforderlich gehaltenen Haftbedingungen dar. Es fehlt im Übrigen auch die Angabe des Haftorts, an dem der Verfolgte tatsächlich untergebracht werden würde, wenn gemäß der Anordnung vom 13.08.2015 verfahren würde und dies obwohl den bulgarischen Behörden bekannt ist, wo der Verfolgte in Bulgarien seinen Lebensmittelpunkt hat bzw. zuletzt hatte. Auch eine Zusicherung hinsichtlich der Möglichkeit, dass der Verfolgte Besuch von diplomatischen bzw. konsularischen Vertretern der Bundesrepublik Deutschland erhält, damit die Haftbedingungen überprüft werden können, erfolgte nicht

Die Reaktion der bulgarischen Behörden auf das Ersuchen, eine verbindliche Zusicherung hinsichtlich der Haftbedingungen und des Besuchsrechts für diplomatische bzw. konsularische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf den Verfolgten abzugeben, erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass mitgeteilt wird, dass Freiheitsstrafen in Bulgarien normalerweise wohnortnah vollstreckt werden, dass die wohnortnahe Haftanstalt für den Verfolgten das Gefängnis Burgas sei und dass er im Gefängnis Burgas Besuch von diplomatischen oder konsularischen Vertretern erhalten könne. Dies ist deswegen besonders befremdlich, weil das Gefängnis in Burgas eine der drei vom Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) zuletzt im Frühjahr 2015 besuchten Haftanstalten ist, deren Verhältnisse das CPT zu seiner öffentlichen Erklärung vom 26.03.2015 veranlasst haben. Eine Auslieferung nach Bulgarien bei einer Inhaftierung in Burgas erscheint daher völlig fernliegend, was auch den bulgarischen Behörden klar sein müsste. Weiter haben die bulgarischen Behörden explizit mitgeteilt, dass Haftbedingungen, die den europäischen Mindeststandards entsprechen, nicht garantiert werden können, wenn auch verbunden mit dem Hinweis, dass gemäß der Anordnung vom 13.08.2015 verfahren werden könne, wenn die Auslieferung unter einer entsprechenden Bedingung erfolge.

Es wurde somit im gegenständlichen Verfahren keinerlei völkerrechtlich verbindliche Zusicherungen dahingehend gemacht, dass die Haftbedingungen, die der Verfolgte nach durchgeführter Auslieferung in Bulgarien zu erwarten hat, dem sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs ergebenden Mindeststandard (insbesondere auch hinsichtlich der dem Verfolgten in einer Gemeinschaftshaftzelle zur Verfügung stehenden Fläche, vgl. hierzu Pohlreich, NStZ 2011, 560) entsprechen.

Es kann daher dahingestellt bleiben, ob Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses des Rates vom13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten so auszulegen ist, dass der Vollstreckungsstaat, wenn gewichtige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat die Grundrechte der auszuliefernden Person und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, wie sie in Artikel 6 des

Vertrages über die Europäische Union niedergelegt sind, verletzen, die Zulässigkeit der Auslieferung von einer Zusicherung der Haftbedingungen abhängig machen kann bzw. muss (vgl. hierzu die mit Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom 23.07.2015 angeordnete Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, NJW-Spezial 2015, 602, betreffend eine Auslieferung nach Ungarn). Auch die dort zur Entscheidung vorgelegte weitere Frage, welche Stelle - falls der Weg über Zusicherungen vom Europäischen Gerichtshof für zulässig erachtet werden sollte - insoweit im Ausstellungsstaat berechtigt ist, entsprechende Zusicherungen zu machen, kann im gegenständlichen Verfahren mangels Zusicherung dahingestellt bleiben.

Wegen der nicht erfolgten Zusicherung menschenrechtskonformer Haftbedingungen und eines Besuchsrechts für diplomatische bzw. konsularische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland wurden die gegen die Auslieferung in der Senatsentscheidung vom 27.10.2015 dargestellten Bedenken nicht ausgeräumt. Da das Auslieferungshindernis gem. § 73 IRG fortbesteht, war die Auslieferung für unzulässig zu erklären.

Soweit die Generalstaatsanwaltschaft beantragt hat, die Auslieferung mit der Maßgabe für zulässig zu erklären, dass der Verfolgte in der Haftanstalt Belene inhaftiert wird, verbunden mit der Maßgabe des Besuchsrechts für diplomatische bzw. konsularische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland, ist der Senat dem aus folgenden Gründen nicht gefolgt:

Zwar entsprechen die Haftbedingungen in Belene, wie aus einem anderen aktuellen Auslieferungsverfahren infolge einer dort von den bulgarischen Behörden auf entsprechende Anforderung durch den Senat abgegebenen Zusicherung bekannt ist, im Wesentlichen den vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof (noch) für zulässig gehaltenen Haftbedingungen; diese Erkenntnisse reichen jedoch nicht aus, um vorliegend die Auslieferung unter identischen Bedingungen (die im gegenständlichen Verfahren gerade nicht zugesichert wurden) für zulässig zu erklären.

Denn aus einer in einem anderen Auslieferungsverfahren abgegebenen Zusicherung lässt sich nicht hinreichend sicher schließen, dass der Verfolgte im Fall der Auslieferung tatsächlich unter Haftbedingungen inhaftiert werden würde, die den völkerrechtlichen Mindeststandards genügen. Denn hierzu haben sich die bulgarischen Behörden im gegenständlichen Verfahren - trotz entsprechender Anfrage - gerade nicht völkerrechtlich verpflichtet. Eine ausreichende Gewähr für die Einhaltung vertretbarer Haftbedingungen hätte nur bei einer völkerrechtlich verbindlichen Zusicherung der zuständigen bulgarischen Behörden bestanden, deren Inhalt dann als Bedingung in die Zulässigkeitserklärung hätte Eingang finden können (vgl. hierzu Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., § 73 IRG Rn. 42a m.w.H; a. A.: Grützner/Pötz/Kress, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Aufl., Stand Dez. 2014, § 73 IRG Rn. 120, allerdings mit der Einschränkung, dass im selben

Kommentar an anderer Stelle (Rn. 47 zu § 80 IRG) ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es "nicht schlechterdings unzulässig sei, die Auslieferung gegenüber dem ersuchenden Staat an eine Bedingung zu knüpfen").

Anders als in dem vom OLG Köln am 18.09.2014 entschiedenen Fall, in dem die Auslieferung eines Verfolgten an die russische Föderation mit verschiedenen Maßgaben für zulässig erklärt wurde (OLG Köln, Beschluss vom 18.09.2014 - Ausl A 39/14 - 31, zitiert nach juris), liegt im gegenständlichen Verfahren keine Zusicherung vor, deren Inhalt als Maßgabe in die Zulässigkeitserklärung durch den Senat aufgenommen werden könnte.

Ohne das Vorliegen einer Zusicherung der bulgarischen Behörden besteht keinerlei Veranlassung, einer an sich unzulässigen Auslieferung durch Bedingungen, die nicht auf einer entsprechenden Zusicherung in diesem Verfahren beruhen, doch noch zur Zulässigkeit zu verhelfen. Es ist nicht Aufgabe des Senats, sozusagen selbst die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Auslieferung nach Bulgarien zu schaffen (vgl. hierzu Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen StV 2015, 365).

Soweit die Generalstaatsanwaltschaft hilfsweise beantragt hat, die Auslieferung ohne Einschränkungen für zulässig zu erklären, weil sie als zuständige Bewilligungsbehörde die Auslieferung des Verfolgten nur unter der Bedingung bewilligen wird, dass der Verfolgte in der Haftanstalt Belene inhaftiert wird und ein Besuchsrecht für diplomatische bzw. konsularische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland besteht, ist der Senat auch dem nicht gefolgt.

Denn dies würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass die Bewilligungsbehörde des Vollstreckungsstaats die Haftbedingungen im ersuchenden Staat gestaltet, ohne dass eine entsprechende Zusicherung des ersuchenden Staats vorliegt, obwohl um eine solche ausdrücklich ersucht wurde.

Bei dem in der Praxis nicht seltenen Vorgehen im Rahmen von § 80 Abs. 1 Satz 1 IRG, bei dem die Bewilligungsbehörde ankündigt, dass sie die Bewilligung nur unter der Bedingung der Rücküberstellung auf Wunsch des Verfolgten erteilen wird, ist der Fall anders gelagert.

Das deutsche Recht fordert in § 80 Abs. 1 Satz 1 IRG lediglich, dass „gesichert" ist, dass der ersuchende Staat nach Verhängung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe oder sonstigen Sanktion anbieten wird, den Verfolgten auf seinen Wunsch zur Vollstreckung nach Deutschland rückzuüberstellen. Kann dies ohne Zusicherung des ersuchenden Staats sichergestellt werden, bedarf es keiner Zusicherung (vgl. Grützner/Pötz/Kress § 80 Rn. 47). Der deutsche Gesetzgeber hat insoweit in BT-Drucks. 16/1024 S. 14 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in diesem Zusammenhang alternativ zur Zusicherung des ersuchenden Staates als Sicherung ausreichend ist, dass die Bewilligungsbehörde erklärt, die Bewilligung an die Bedingung der

Rücküberstellung zu knüpfen.

Anders liegt der Fall zur Überzeugung des Senats bei Haftbedingungen im ersuchenden Staat, die nicht den unabdingbaren Mindeststandards entsprechen. Hier ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine völkerrechtlich verbindliche Zusage unabdingbar.

Der Generalstaatsanwaltschaft ist zuzugeben, dass im Auslieferungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten des Europäischen Haftbefehls der Grundsatz gilt, dass Bedingungen des ersuchten Staates vom ersuchenden Staat anerkannt werden.

Allerdings bestehen vorliegend Bedenken, dass entsprechende Bedingungen beachtet bzw. in ausreichendem Umfang umgesetzt werden würden bzw. umgesetzt werden könnten, da eine entsprechende Zusicherung auf konkrete Nachfrage von den bulgarischen Behörden gerade nicht erfolgte (vgl. hierzu BT-Drucks. 16/1024 S. 14, wo darauf hingewiesen wird, dass im Rahmen des § 80 Abs. 1 Satz 1 IRG der Weg über eine Bedingung in der Bewilligungsentscheidung nicht gegangen werden kann, wenn konkrete Erkenntnisse darüber vorliegen, dass der ersuchende Mitgliedsstaat eine entsprechende Bedingung nicht beachten wird).

Es verbleibt daher dabei, dass vorliegend nur die Zusicherung von Haftbedingungen, die mit der Europäischen Menschenrechtskonvention in Einklang zu bringen sind, verbunden mit einem garantierten Besuchsrecht, das Auslieferungshindernis aus § 73 IRG hätte überwinden können.

Die Auslieferung des Verfolgten war daher für unzulässig zu erklären, die Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls war die notwendige Folge, § 24 Abs. 1 IRG.

Vorsitzender RichterRichter Richterin

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(1) Reichen die Auslieferungsunterlagen zur Beurteilung der Zulässigkeit der Auslieferung nicht aus, so entscheidet das Oberlandesgericht erst, wenn dem ersuchenden Staat Gelegenheit gegeben worden ist, ergänzende Unterlagen beizubringen. Für ihre Beibringung kann eine Frist gesetzt werden.

(2) Das Oberlandesgericht kann den Verfolgten vernehmen. Es kann sonstige Beweise über die Zulässigkeit der Auslieferung erheben. Im Fall des § 10 Abs. 2 erstreckt sich die Beweiserhebung über die Zulässigkeit der Auslieferung auch darauf, ob der Verfolgte der ihm zur Last gelegten Tat hinreichend verdächtig erscheint. Art und Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Oberlandesgericht, ohne durch Anträge, Verzichte oder frühere Beschlüsse gebunden zu sein.

(3) Das Oberlandesgericht kann eine mündliche Verhandlung durchführen.

(1) Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist Sache des Bundes.

(2) Vor dem Abschlusse eines Vertrages, der die besonderen Verhältnisse eines Landes berührt, ist das Land rechtzeitig zu hören.

(3) Soweit die Länder für die Gesetzgebung zuständig sind, können sie mit Zustimmung der Bundesregierung mit auswärtigen Staaten Verträge abschließen.

(1) Befindet sich der Verfolgte in Auslieferungshaft, so entscheidet das Oberlandesgericht über deren Fortdauer, wenn der Verfolgte seit dem Tag der Ergreifung, der vorläufigen Festnahme oder der letzten Entscheidung über die Fortdauer der Haft insgesamt zwei Monate zum Zweck der Auslieferung in Haft ist. Die Haftprüfung wird jeweils nach zwei Monaten wiederholt. Das Oberlandesgericht kann anordnen, daß die Haftprüfung innerhalb einer kürzeren Frist vorgenommen wird.

(2) Befindet sich der Verfolgte in vorläufiger Auslieferungshaft oder in einstweiliger Unterbringung in einem Erziehungsheim (§ 71 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes), so gilt Absatz 1 entsprechend.

Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leistung von Rechtshilfe unzulässig, wenn die Erledigung zu den in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätzen im Widerspruch stünde.

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keinen maßgeblichen Bezug zum Inland aufweist und
3.
auch nach deutschem Recht eine rechtswidrige Tat ist, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht oder bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts auch nach deutschem Recht eine solche Tat wäre, und bei konkreter Abwägung der widerstreitenden Interessen das schutzwürdige Vertrauen des Verfolgten in seine Nichtauslieferung nicht überwiegt.
Ein maßgeblicher Bezug der Tat zum Inland liegt in der Regel vor, wenn die Tathandlung vollständig oder in wesentlichen Teilen im Geltungsbereich dieses Gesetzes begangen wurde und der Erfolg zumindest in wesentlichen Teilen dort eingetreten ist. Bei der Abwägung sind insbesondere der Tatvorwurf, die praktischen Erfordernisse und Möglichkeiten einer effektiven Strafverfolgung und die grundrechtlich geschützten Interessen des Verfolgten unter Berücksichtigung der mit der Schaffung eines Europäischen Rechtsraums verbundenen Ziele zu gewichten und zueinander ins Verhältnis zu setzen. Liegt wegen der Tat, die Gegenstand des Auslieferungsersuchens ist, eine Entscheidung einer Staatsanwaltschaft oder eines Gerichts vor, ein deutsches strafrechtliches Verfahren einzustellen oder nicht einzuleiten, so sind diese Entscheidung und ihre Gründe in die Abwägung mit einzubeziehen; Entsprechendes gilt, wenn ein Gericht das Hauptverfahren eröffnet oder einen Strafbefehl erlassen hat.

(3) Die Auslieferung eines Deutschen zum Zwecke der Strafvollstreckung ist nur zulässig, wenn der Verfolgte nach Belehrung zu richterlichem Protokoll zustimmt. § 41 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.

(4) (weggefallen)

Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leistung von Rechtshilfe unzulässig, wenn die Erledigung zu den in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätzen im Widerspruch stünde.

(1) Der Auslieferungshaftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der vorläufigen Auslieferungshaft oder der Auslieferungshaft nicht mehr vorliegen oder die Auslieferung für unzulässig erklärt wird.

(2) Der Auslieferungshaftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht dies beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag ordnet sie die Freilassung des Verfolgten an.