Oberlandesgericht München Beschluss, 16. Aug. 2016 - 1 AR 252/16

bei uns veröffentlicht am16.08.2016

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

I. Gegen den türkischen Staatsangehörigen T. G., geboren am .... in ... wird zur Sicherung der Auslieferung an die türkischen Behörden zur Strafvollstreckung die Fortdauer der Auslieferungshaft angeordnet.

II. Der Antrag des Verfolgten vom 03.08.2016 auf Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls wird zurückgewiesen.

III. Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung wird weiterhin zurückgestellt.

Gründe

I. Hinsichtlich des bisherigen Verfahrensgangs wird auf die Senatsentscheidung vom 11.07.2016 Bezug genommen, durch die der Senat gegen den Verfolgten Auslieferungshaft angeordnet, dem Auslieferungshaftbefehl das Urteil des Landgerichts K./Türkei vom 22.02.2008, Az.: 2007/974, zugrunde gelegt und die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung zurückgestellt hat.

Dem Verfolgten liegt im Auslieferungsverfahren weiterhin folgender Sachverhalt zur Last:

Obwohl der Verfolgte keine Fahrerlaubnis besaß und nicht fähig war, ein Kraftfahrzeug zu führen, lenkte er am 02.10.2007 den Lkw ... mit dem amtlichen Kennzeichen ...relativ schnell in einem Wohnviertel der Stadt K. auf der Hauptstraße in Richtung H. Der Verfolgte überfuhr an einer Straßenkreuzung eine für ihn rote Ampel mit unverminderter Geschwindigkeit, erfasste mit seinem Fahrzeug den Verunglückten M. C., der an dieser Kreuzung mit seinem Fahrrad die Straße überqueren wollte und riss ihn ca. 20 m auf der Straße mit, wodurch der Verunglückte Verletzungen erlitt. Der Verunglückte wurde unmittelbar nach dem Unfall in ein Krankenhaus gebracht, verstarb dort aber an den erlittenen Verletzungen.

Wegen des dargestellten Sachverhalts wurde der Verfolgte in der Türkei mit Urteil des Landgerichts K. vom 22.02.2008, Az.: 2007/974, rechtskräftig seit dem 12.12.2011, zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Mit Schriftsatz seines Rechtsbeistands vom 03.08.2016 hat der Verfolgte Einwendungen gegen seine Auslieferung in die Türkei erhoben und hat beantragt, den Auslieferungshaftbefehl vom 11.07.2016 aufzuheben oder ihn zumindest außer Vollzug zu setzen.

Der Verfolgte hat hierbei gerügt, dass sich bei den Auslieferungsunterlagen nicht das Urteil des 12. Strafsenats am Kassationsgerichtshof vom 12.12.2011, Gz.: 2011/4765, Urteils-Nr. 2011/7952, befindet. Die Auslieferungsunterlagen seien unvollständig.

Dies trifft zu, allerdings wird im Bericht der Leitenden Staatsanwaltschaft K. vom 04.04.2016, welcher Teil der Auslieferungsunterlagen ist, diesbezüglich unter der Überschrift „Zum Verfahren vom Erlassen bis zur Rechtskraft des Urteils“ folgendes berichtet:

Durch das Urteil des Landgerichts K., 1. Strafkammer, vom 22.02.2008, Geschäfts-Nr. 2007/974, Urteils-Nr. 2008/148, wurde beschlossen, dass der Verurteilte mit Gefängnis von 6 Jahren bestraft wird. Dieses Urteil wurde dann durch das Urteil des 12. Strafsenats am Kassationshof vom 12.12.2011, Geschäfts-Nr. 2011/4765, Urteils-Nr. 2011/7952, bestätigt und ist seitdem rechtskräftig.

Bei den Auslieferungsunterlagen befindet sich ferner der „Vermerk zur Rechtskraft“ des Landgerichts K., 1. Strafkammer vom 02.03.2012. Dort wird aufgeführt:

Rechtskräftig seit dem 12.12.2011, betroffener Senat des Kassationshofs: 12. Strafsenat, Urteil des Kassationshofs: erlassen am 12.12.2011, Geschäfts-Nr. des Kassationshofs: 2011/4765, Urteils-Nr. des Kassationshofs: 2011/7952.

Es folgt unter „Art der Rechtskraft“ folgender Zusatz: Nach Revision des Kassationshofs.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorgenannten Unterlagen bzw. deren Übersetzung in die deutsche Sprache Bezug genommen.

Der Verfolgte hat im Schriftsatz seines Beistands vom 03.08.2016 in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass die Staatsanwaltschaft des Obersten Gerichtshofs die Aufhebung des vorgenannten Urteils beantragt habe und hat ein Schriftstück vorgelegt, das in deutscher Übersetzung folgenden Inhalt hat:

An den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs der 9. Strafkammer:

Die oben genannte Akte wurde überprüft. Entsprechend der Entstehung des Falls und des Inhalts der Akte:

Obwohl bei den Ermittlungen die hauptsächlichen Augenzeugen des Falles Y. A. und Y. Ö. vernommen worden sind, fand ohne die Anhörung dieser die Verurteilung statt. Da dies gesetzeswidrig ist, wird das Urteil ohne weitere Überprüfung der sonstigen Fakten der Akte gemäß der türkischen Strafprozessordnung § 321 aufgehoben.

Der Antrag und die Akte werden zugestellt. 05.11.2008.

Angesichts dieses Kassationsantrags der Staatsanwaltschaft des Obersten Gerichtshofs sei im Auslieferungsverfahren das Kassationsurteil von Bedeutung, weil daraus zu entnehmen sein werde, wie mit dem Einwand, der Verfolgte sei nicht bei Rot über die Ampel gefahren, umgegangen wurde. Weil das Kassationsurteil nicht vorliege, seien die Auslieferungsunterlagen unvollständig.

Der Verfolgte hat im Schriftsatz vom 03.08.2016 gegen seine Verurteilung weiter eingewandt, dass der Getötete ein erhebliches Mitverschulden an dem Unfall gehabt habe. Dies sei im Urteil nicht angemessen berücksichtigt worden. Die zwei Tatzeugen, die von der Staatsanwaltschaft beim Obersten Gerichtshof im vorgenannten Vermerk erwähnt wurden, seien im Strafverfahren nicht vernommen worden. Ausweislich der vom Verfolgten vorgelegten Vernehmungen handelt es sich hierbei um die beiden Mitfahrer in dem Lastwagen, den der Verfolgte zum Tatzeitpunkt steuerte, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein. Beide Zeugen hatten sich bei ihren polizeilichen Vernehmungen als Freunde des Verfolgten bezeichnet und hatten übereinstimmend angegeben, dass die Verkehrsampel für den Verfolgten nicht Rot gezeigt habe.

Aus den Auslieferungsunterlagen ergibt sich insoweit, dass den beiden Aussagen der beiden Freunde des Verfolgten die Aussagen von zwei Zeugen, die sich in einem anderen Fahrzeug an derselben Kreuzung befanden, entgegenstehen.

Weiter rügt der Verfolgte, dass der Rechtskraftvermerk nicht unterschrieben sei, sondern das Urteil lediglich einen Stempel mit unleserlicher Schrift trage.

Ferner rügt der Verfolgte, dass die Freiheitsstrafe von 6 Jahren unerträglich hoch sei, da es sich hierbei um die Höchststrafe, die für fahrlässige Tötung in der Türkei verhängt werden könne, handele, obwohl der Verfolgte strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten sei und der später Getötete ein erhebliches Mitverschulden an der Unfallsentstehung getragen habe.

Weil es sich um eine unerträglich hohe Strafe handele, sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Deswegen sei die Auslieferung unzulässig.

Ferner wendet der Verfolgte ein, dass die Strafvollstreckung in der Türkei im Hinblick auf seine familiären Bindungen in Deutschland zu seiner (türkischen) Ehefrau und den drei Kindern, die alle drei die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, eine unzumutbare Härte darstelle.

Insoweit hat der Verfolgte vorgetragen, dass er sich seit mehr als 7 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland aufhält und familiär und sozial integriert sei. Bezüglich der familiären Aspekte sei zudem zu berücksichtigen, dass die drei minderjährigen Kleinkinder bei einer Strafvollstreckung in der Türkei jahrelang ohne ihren Vater aufwachsen müssten.

Zwar sei die Türkei ein Mitgliedsstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention; allerdings habe die Türkei infolge des Putschversuchs vom 15.07.2016 am 21.07.2016 beim Europarat eine Deklaration hinterlegt, nach der die Türkei wegen des Putschversuchs die Grundrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention außer Kraft gesetzt habe.

Auch wegen dieser Umstände sei die Auslieferung des Verfolgten unzulässig. Es bestehe insoweit ein Auslieferungshindernis gemäß § 73 IRG.

Sein Vorbringen hat der Verfolgte mit Schriftsatz seines Rechtsbeistands vom 08.08.2016 ergänzt. Hier hat er vorgetragen, dass in der Türkei nach übereinstimmenden Berichten vieler Presseorgane mindestens 10.000 Menschen infolge des Putschversuchs verhaftet worden seien. Im Falle der Auslieferung des Verfolgten würde dieser in der Türkei daher derzeit Haftbedingungen vorfinden, die dem deutschen ordre public widersprächen.

Selbst wenn die Türkei etwaige Zusicherungen abgeben würde, dass der Verfolgte nach erfolgter Auslieferung unter Haftbedingungen inhaftiert sein würde, die den europäischen Mindeststandards entsprächen, seien diese Zusicherungen keinesfalls werthaltig.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die beiden vorgenannten Schriftsätze vom 03.08.2016 und vom 08.08.2016 und die diesen beigegebenen Unterlagen Bezug genommen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Schreiben vom 08.08.2016 beantragt, die Fortdauer der Auslieferungshaft anzuordnen und die Auslieferung des Verfolgten für zulässig zu erklären.

II. Die Fortdauer der Auslieferungshaft war anzuordnen, nachdem sich hinsichtlich der Haftgründe keine Veränderungen zugunsten des Verfolgten ergeben haben. Die Auslieferungshaft ist auch weiterhin verhältnismäßig. Aus diesem Grund war der Antrag vom 03.08.2016 auf Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls zurückzuweisen. Für eine Außervollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls fehlt es weiterhin an der erforderlichen Vertrauensgrundlage.

Entgegen der Ansicht des Verfolgten sind die Auslieferungsunterlagen auch ohne das Urteil des Kassationsgerichtshofs vollständig, ein Verstoß gegen § 10 Abs. 1 IRG liegt nicht vor. Die von den türkischen Behörden vorgelegten Auslieferungsunterlagen sind ausreichend, um die Zulässigkeit der Auslieferung im Hinblick auf § 3 Abs. 3 IRG (Vorliegen einer vollstreckbaren freiheitsentziehenden Sanktion) zu beurteilen.

Angesichts der mehrfachen Ausführungen der türkischen Behörden in den Auslieferungsunterlagen (vgl. oben unter I.), dass das Urteil des Landgerichts K. vom 22.02.2008, Az.: 2007/974, rechtskräftig ist, bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dem nicht so sein könnte, auch wenn der Rechtskraftvermerk auf dem Urteil lediglich aus einen Stempel mit unleserlicher Schrift besteht.

Soweit in der deutschen Übersetzung des Auslieferungsersuchens vom 04.04.2016 aufgeführt wird: „Beschluss erlassen am 05.12.2003 kann dies zwar schon aus logischen Gründen nicht zutreffend sein. Da es sich hierbei ersichtlich lediglich um ein Schreib- bzw. Übertragungsversehen des Übersetzers handelt. Das türkische Original des Auslieferungsersuchens enthält insoweit das Datum „22.02.2008“.

Die Vollstreckbarkeit des Urteils ist somit ausreichend nachgewiesen (vgl. Schomburg/Lagodny/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., § 10 IRG Rn. 22).

Es steht dem Verfolgten frei, über seine damaligen Verteidiger im türkischen Strafverfahren das Urteil das Kassationsgerichtshofs anzufordern, wenn er wissen will, warum der Kassationsgerichtshof dem Aufhebungsantrag der Staatsanwaltschaft nicht gefolgt ist. Für das Auslieferungsverfahren genügt es, dass das zu vollstreckende Urteil rechtskräftig ist.

Entgegen der Ansicht des Verfolgten ist auch eine Tatverdachtsprüfung nach § 10 Abs. 2 IRG nicht geboten. Die vom Verfolgten im Auslieferungsverfahren - wie offensichtlich bereits im türkischen Strafverfahren - vorgebrachten Einwände, dass er nicht bei Rot gefahren sei, dass das Opfer ein erhebliches Mitverschulden habe und dass in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht K. seine zwei Freunde, die mit ihm im Lastwagen saßen, nicht gehört wurden, wurden nach Aktenlage im türkischen Strafverfahren bzw. Kassationsverfahren behandelt. Der Umstand, dass die Einwände des Verfolgten nicht zu einer abweichenden Beurteilung seiner Schuld im Strafverfahren geführt haben, führt nicht dazu, dass nunmehr im Auslieferungsverfahren eine Tatverdachtsprüfung durchzuführen wäre.

Soweit der Verfolgte eingewandt hat, selbst die Staatsanwaltschaft habe die Kassation des Urteils des Landgerichts K. beantragt, rechtfertigt auch dies keine abweichende Sachentscheidung. Denn dass das Revisionsgericht einem Aufhebungsantrag der Staatsanwaltschaft nicht folgt, ist auch im deutschen Recht nichts Ungewöhnliches. Fest steht aufgrund der vorliegenden Auslieferungsunterlagen, dass das auslieferungsgegenständliche Urteil aufgrund der Entscheidung des Kassationsgerichtshofs vom 12.12.2011 rechtskräftig ist.

Dass die in der Türkei gegen den Verfolgten verhängte Freiheitsstrafe den Strafrahmen von § 222 des deutschen Strafgesetzbuchs um 1 Jahr übersteigt, macht die Auslieferung nicht gem. § 73 IRG unzulässig (vgl. die Übersicht Schomburg/Lagodny § 73 Rn. 60, insbes. Beschluss des OLG Köln vom 29.10.2009 - 6 AuslA 77/09).

In Anbetracht des Umstands, dass aus den Auslieferungsunterlagen hervorgeht, dass in der Türkei rechtskräftig festgestellt wurde, dass der Verfolgte zum Tatzeitpunkt einen Lkw steuerte, obwohl er nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war, dass er mit nicht angepasster bzw. überhöhter Geschwindigkeit in eine Kreuzung einfuhr, obwohl die Lichtzeichenanlage für seine Fahrtrichtung Rot zeigte und dass er nach dem Unfall nicht anhielt, sondern seine Fahrt zunächst fortsetzte, erscheint die verhängte Freiheitsstrafe von 6 Jahren entgegen der Ansicht des Beistands des Verfolgten auch nicht als unerträglich schwere Strafe, sondern allenfalls um eine harte Strafe, die nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Auslieferung führt (BVerfG Beschluss vom 31.08.1986 - 2 BvR 661/86).

Zwar ist diese Freiheitsstrafe am obersten Rand des in der Türkei für fahrlässige Tötung vorgesehenen Strafrahmens von bis zu 6 Jahren angesiedelt. Dies erscheint angesichts der vorgenannten Besonderheiten des Tatgeschehens jedoch nicht völlig unvertretbar. In Deutschland kann eine fahrlässige Tötung auch mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren geahndet werden. Dem Senat steht es im Auslieferungsverfahren nicht zu, eigene bzw. Strafzumessungserwägungen des deutschen Strafrechts an die Stelle der Strafzumessungserwägungen des türkischen Gerichts zu setzen.

Angesichts der vorgenannten zahlreichen und rechtskräftig festgestellten, auch aus der Sicht des deutschen Rechts durchaus strafschärfenden Umstände, erscheint die Freiheitsstrafe von 6 Jahren jedenfalls nicht grob unverhältnismäßig.

Auch der Eingriff in das Privat- und Familienleben des Verfolgten steht der Auslieferung nicht entgegen. Ein solcher Eingriff ist einer Auslieferung, die von der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Europäischen Auslieferungsübereinkommens (EuAlÜbk), dem sowohl die Türkei als auch Deutschland beigetreten sind, grundsätzlich durchzuführen ist, immanent. Gründe für eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Verfolgten liegen nicht vor. Nach Aktenlage hat er zudem seinen Wohnsitz nach Deutschland verlegt, kurz nachdem er in der Türkei zu der Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt wurde. Die vom Verfolgten insoweit angeführte Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 10.08.2006 (NStZ 2007, 111) ist schon deswegen unbehelflich, weil es sich vorliegend nicht um eine Auslieferung auf der Grundlage des Europäischen Haftbefehls handelt.

Auch das übrige Vorbringen des Verfolgten hinsichtlich der vorgenannten Punkte führt nicht zur Unzulässigkeit der Auslieferung.

Gleichwohl war die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung weiterhin zurückzustellen.

Denn es steht der Zulässigkeit der Auslieferung (derzeit) ein Auslieferungshindernis nach § 73 Satz 1 IRG entgegen, da der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung in der Türkei in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert werden könnte, die europäischen Mindeststandards nicht genügt bzw. in der er - insbesondere wegen einer Überbelegung der Haftanstalt - einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre (vgl. die Senatsentscheidungen zu Bulgarien vom 27.10.2015 und vom 14.12.2015 - 1 AR 392/15; vom 11.01.2016 und vom 08.03.2016 - 1 AR 2/16)

Diese Befürchtung gründet sich auf Presseberichte und Berichte von nichtstaatlichen Organisationen wie Amnesty International, dass in der Türkei infolge des Putschversuchs vom 15.07.2016 inzwischen sehr viele Menschen (berichtet wird insoweit von bis zu 17.000 Personen) verhaftet wurden. Nachdem diese Verhaftungen bzw. die Zahl der verhafteten Personen von der türkischen Regierung in den dem Senat zugänglichen Medien nicht dementiert wurden und auch von danach erfolgten massenhaften Freilassungen nicht berichtet wurde, ist davon auszugehen, dass die Zahl der festgenommenen Personen zumindest größenordnungsmäßig zutrifft und dass diese festgenommenen Personen in den bestehenden Gefängnissen der Türkei inhaftiert wurden, nachdem hierzu nichts abweichendes bekannt geworden ist.

Die Haftbedingungen in der Türkei müssen sich daher verschlechtert haben, da - soweit ersichtlich -bislang neue Haftanstalten nicht errichtet wurden und die türkischen Haftanstalten zuvor nicht unterbelegt waren.

Es bestehen daher erhebliche Bedenken, ob die vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof für erforderlich gehaltenen Haftbedingungen schon im Hinblick auf die Quadratmeterzahl, die einem Häftling mindestens zur Verfügung stehen muss, gegenwärtig in der Türkei eingehalten werden können.

Damit könnte eine Auslieferung des Verfolgten an die Türkei gegenwärtig gegen Artikel 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) verstoßen.

Im Hinblick auf Art. 3 EMRK müssen die Hafträume nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bestimmte Bedingungen aufweisen, insbesondere müssen die vorhandenen Tageslichtverhältnisse und die vorhandenen Sanitärzellen ausreichend sein. Auch das Niveau der Beleuchtung, der Heizung, der Lüftung und der medizinischen Versorgung sowie der Ernährung der Häftlinge ist insoweit von Bedeutung.

Zwar hat die Türkei nach dem Putschversuch von der Möglichkeit aus Art. 15 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention Gebrauch gemacht, auch Maßnahmen zu treffen, die von den in der Konvention vorgesehenen Verpflichtungen abweichen. Eine entsprechende Erklärung hat die Türkei auch bereits gegenüber dem Europarat abgegeben.

Allerdings darf nach Art. 15 Abs. 2 EMRK auch im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen von Art. 15 Abs. 1 EMRK von Artikel 2 (Recht auf Leben) nur bei Todesfällen infolge rechtmäßiger Kriegshandlungen und von Artikel 3 (Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung), von Artikel 4 (Verbot der Sklaverei) und von Artikel 7 (Verbot der Verurteilung wegen einer Handlung oder Unterlassung, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war; Verbot, eine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe zu verhängen) in keinem Fall abgewichen werden.

Das bedeutet, dass die Haftbedingungen in der Türkei trotz des Ausnahmezustands auch weiterhin nicht gegen Art. 3 EMRK verstoßen dürfen.

Da der Verfolgte aber im Falle seiner Auslieferung wegen der oben ausgeführten Umstände in der Türkei in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert werden könnte, die - insbesondere infolge Überbelegung - europäischen Mindeststandards nicht genügt bzw. in der er wegen der Überbelegung einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre, besteht im gegenwärtigen Zeitpunkt ein Zulässigkeitshindernis nach § 73 Satz 1 IRG.

Dieses Zulässigkeitshindernis kann jedoch dadurch ausgeräumt werden, dass die türkischen Behörden eine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung in Bezug auf die Haftbedingungen, unter denen der Verfolgte nach erfolgter Auslieferung inhaftiert sein wird, abgeben.

Im Auslieferungsverkehr zwischen Deutschland und anderen Staaten ist dem ersuchenden Staat im Hinblick auf die Einhaltung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und des Menschenrechtsschutzes grundsätzlich Vertrauen entgegenzubringen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 09.03.2016 - 2 BvR 348/16). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind daher vom ersuchenden Staat im Auslieferungsverkehr gegebene völkerrechtlich verbindliche Zusicherungen geeignet, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen, sofern nicht im Einzelfall zu erwarten ist, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird (vgl. BVerfGE 63, 215; 109, 38; BVerfGK 2, 165; 3, 159; 6, 13; 6, 334; 13, 128; 13, 557; 14, 372). Hiervon ist vorliegend entgegen der Behauptung des Verfolgten nicht auszugehen.

Die völkerrechtlich verbindliche Zusicherung in Bezug auf die Haftbedingungen, unter denen der Verfolgte nach erfolgter Auslieferung inhaftiert sein wird, muss die folgende Punkte umfassen:

Angabe der Haftanstalt (genaue namentliche Bezeichnung der Haftanstalt), in die der Verfolgte nach erfolgter Auslieferung aufgenommen und in der er während der Dauer des Freiheitsentzugs inhaftiert sein wird;

Zusicherung, dass die räumliche Unterbringung und die sonstige Gestaltung der Haftbedingungen in dieser Haftanstalt den europäischen Mindeststandards entsprechen und den Häftlingen dort keine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung im Sinne von Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten droht;

Beschreibung der Haftbedingungen in der namentlich benannten Haftanstalt, insbesondere im Hinblick auf: Zahl der Haftplätze, Gesamtzahl der Gefangenen, Anzahl, Größe und Ausstattung der Hafträume (insbesondere auch Angaben zu Fenstern, Frischluftzufuhr und Heizung), Belegung der Hafträume, Ausstattung der Haftanstalt mit sanitären Einrichtungen, Verpflegungsbedingungen, Art und Bedingungen des Zugangs der Häftlinge zu medizinischer Versorgung.

Darüber hinaus ist von den türkischen Behörden zuzusichern, dass Besuche durch diplomatische oder konsularische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland beim Verfolgten während der Dauer seiner Inhaftierung möglich sind.

Nachdem eine solche Zusicherung durch die türkischen Behörden möglich erscheint, war die Auslieferung nicht für unzulässig zu erklären, sondern die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung erneut zurückzustellen.

Die Generalstaatsanwaltschaft wird gebeten, die türkischen Behörden unter Bekanntgabe dieser Entscheidung des Senats um Abgabe einer entsprechenden Zusicherung bis spätestens 28.09.2016 (Eingang beim Senat) zu ersuchen.

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Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leistung von Rechtshilfe unzulässig, wenn die Erledigung zu den in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätzen im Widerspruch stünde.

(1) Die Auslieferung ist nur zulässig, wenn wegen der Tat ein Haftbefehl, eine Urkunde mit entsprechender Rechtswirkung oder ein vollstreckbares, eine Freiheitsentziehung anordnendes Erkenntnis einer zuständigen Stelle des ersuchenden Staates und eine Darstellung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen vorgelegt worden sind. Wird um Auslieferung zur Verfolgung mehrerer Taten ersucht, so genügt hinsichtlich der weiteren Taten anstelle eines Haftbefehls oder einer Urkunde mit entsprechender Rechtswirkung die Urkunde einer zuständigen Stelle des ersuchenden Staates, aus der sich die dem Verfolgten zur Last gelegte Tat ergibt.

(2) Geben besondere Umstände des Falles Anlaß zu der Prüfung, ob der Verfolgte der ihm zur Last gelegten Tat hinreichend verdächtig erscheint, so ist die Auslieferung ferner nur zulässig, wenn eine Darstellung der Tatsachen vorgelegt worden ist, aus denen sich der hinreichende Tatverdacht ergibt.

(3) Die Auslieferung zur Vollstreckung einer Strafe oder einer sonstigen Sanktion, die in einem dritten Staat verhängt wurde, ist nur zulässig, wenn

1.
das vollstreckbare, eine Freiheitsentziehung anordnende Erkenntnis und eine Urkunde des dritten Staates, aus der sich sein Einverständnis mit der Vollstreckung durch den Staat ergibt, der die Vollstreckung übernommen hat,
2.
eine Urkunde einer zuständigen Stelle des Staates, der die Vollstreckung übernommen hat, nach der die Strafe oder sonstige Sanktion dort vollstreckbar ist,
3.
eine Darstellung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen sowie
4.
im Fall des Absatzes 2 eine Darstellung im Sinne dieser Vorschrift
vorgelegt worden sind.

(1) Die Auslieferung ist nur zulässig, wenn die Tat auch nach deutschem Recht eine rechtswidrige Tat ist, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, oder wenn sie bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts auch nach deutschem Recht eine solche Tat wäre.

(2) Die Auslieferung zur Verfolgung ist nur zulässig, wenn die Tat nach deutschem Recht im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist oder wenn sie bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts nach deutschem Recht mit einer solchen Strafe bedroht wäre.

(3) Die Auslieferung zur Vollstreckung ist nur zulässig, wenn wegen der Tat die Auslieferung zur Verfolgung zulässig wäre und wenn eine freiheitsentziehende Sanktion zu vollstrecken ist. Sie ist ferner nur zulässig, wenn zu erwarten ist, daß die noch zu vollstreckende freiheitsentziehende Sanktion oder die Summe der noch zu vollstreckenden freiheitsentziehenden Sanktionen mindestens vier Monate beträgt.

(1) Die Auslieferung ist nur zulässig, wenn wegen der Tat ein Haftbefehl, eine Urkunde mit entsprechender Rechtswirkung oder ein vollstreckbares, eine Freiheitsentziehung anordnendes Erkenntnis einer zuständigen Stelle des ersuchenden Staates und eine Darstellung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen vorgelegt worden sind. Wird um Auslieferung zur Verfolgung mehrerer Taten ersucht, so genügt hinsichtlich der weiteren Taten anstelle eines Haftbefehls oder einer Urkunde mit entsprechender Rechtswirkung die Urkunde einer zuständigen Stelle des ersuchenden Staates, aus der sich die dem Verfolgten zur Last gelegte Tat ergibt.

(2) Geben besondere Umstände des Falles Anlaß zu der Prüfung, ob der Verfolgte der ihm zur Last gelegten Tat hinreichend verdächtig erscheint, so ist die Auslieferung ferner nur zulässig, wenn eine Darstellung der Tatsachen vorgelegt worden ist, aus denen sich der hinreichende Tatverdacht ergibt.

(3) Die Auslieferung zur Vollstreckung einer Strafe oder einer sonstigen Sanktion, die in einem dritten Staat verhängt wurde, ist nur zulässig, wenn

1.
das vollstreckbare, eine Freiheitsentziehung anordnende Erkenntnis und eine Urkunde des dritten Staates, aus der sich sein Einverständnis mit der Vollstreckung durch den Staat ergibt, der die Vollstreckung übernommen hat,
2.
eine Urkunde einer zuständigen Stelle des Staates, der die Vollstreckung übernommen hat, nach der die Strafe oder sonstige Sanktion dort vollstreckbar ist,
3.
eine Darstellung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen sowie
4.
im Fall des Absatzes 2 eine Darstellung im Sinne dieser Vorschrift
vorgelegt worden sind.

Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leistung von Rechtshilfe unzulässig, wenn die Erledigung zu den in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätzen im Widerspruch stünde.

Gründe

Oberlandesgericht München

Az.: 1 AR 392/15

31 Ausl 1281/15 Generalstaatsanwaltschaft München

1 AR 392/15

Leitsatz

Angewendete Vorschriften:

OLG München, 1. Strafsenat, Beschluss vom 14.12.2015 -1 AR 392/15 (rechtskräftig)

In der Auslieferungssache K.V.,

geboren am ... in B./Bulgarien, Staatsangehörigkeit: bulgarisch, derzeit in dieser Sache in Auslieferungshaft in der Justizvollzugsanstalt München, Stadelheimer Straße 12, 81549 München

Verteidiger: Rechtsanwalt ...

wegen Brandstiftung u. a.

hier: Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung und die Fortdauer der Auslieferungshaft

erlässt das Oberlandesgericht München - 1. Strafsenat - durch die unterzeichnenden Richter am 14.12.2015 folgenden

Beschluss

I. Die Auslieferung des bulgarischen Staatsangehörigen V. K., geboren am ... in B./Bulgarien, an die bulgarischen Behörden zur Strafvollstreckung wird für unzulässig erklärt.

II. Der Auslieferungshaftbefehl des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts München vom 27.10.2015 wird aufgehoben.

Gründe:

I. Der Senat hat am 27.10.2015 gegen den am 16.10.2015 zur Sicherung der Auslieferung vorläufig festgenommenen Verfolgten, der bulgarischer Staatsangehöriger ist und in Deutschland keinen Wohnsitz und keinerlei soziale Bindungen hat, zur Sicherung der Auslieferung an die bulgarischen Behörden zur Strafvollstreckung Auslieferungshaftbefehl erlassen und diesem den Europäischen Haftbefehl der Bezirksstaatsanwaltschaft Burgas vom 25.09.2015, Az.: AZ-7/2015, zugrunde gelegt.

Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung wurde hierbei zurückgestellt, da der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung in Bulgarien in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert werden könnte, die europäischen Mindeststandards nicht genügt bzw. in der er einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.

Diese Befürchtung gründet sich auf die öffentliche Erklärung des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) vom 26.03.2015. Danach haben sich die Haftbedingungen in Bulgarien seit Jahren bei wiederholter Prüfung durch das CPT als bedenklich erwiesen, auch beim zuletzt im Februar 2015 erfolgten Besuch dreier Haftanstalten (darunter das Gefängnis in Burgas, der Heimatstadt des Verfolgten), weswegen der Auslieferung des Verfolgten an sich ein Auslieferungshindernis nach § 73 Satz 2 IRG i. V. m. Art. 6 des Vertrages über die Europäische Union und Art. 3 EMRK entgegen steht (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 16.12.2014 in StraFo 2015, 75; OLG Celle, Beschluss vom 17.12.2014, StV 2015, 368; Kammergericht Berlin, Beschluss vom 15.04.2015, Gz.: (4) 151 AuslA 33/15 (36/15), (4) 151 Ausl A 33/15 (36/15), zitiert nach juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen StV 2015 365/15; OLG Dresden, Beschluss vom 11.08.2015 - OLG Ausl 78/15, zitiert nach juris).

Die bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung vom 27.10.2015 bei den Akten befindliche, vom bulgarischen Justizministerium am 13.08.2015 abgegebene generelle „Erklärung über die Bedingungen für die Unterbringung von Personen, die den bulgarischen Justizbehörden auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls übergeben sind", hat der Senat insoweit für nicht ausreichend erachtet zur Sicherstellung von Haftbedingungen, die europäischen Mindeststandards entsprechen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorgenannte Senatsentscheidung Bezug genommen.

Der Senat hat dabei ausgeführt, dass das Zulässigkeitshindernis nach § 73 Satz 2 IRG i. V. m. Art. 6 des Vertrages über die Europäische Union und Art. 3 EMRK nur dadurch ausgeräumt werden kann, dass die bulgarischen Behörden eine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung dahingehend abgeben, dass die räumliche Unterbringung und die sonstige Gestaltung der Haftbedingungen in der Haftanstalt, in der der Verfolgte nach der Auslieferung inhaftiert sein wird, den europäischen Mindeststandards entsprechen und den Häftlingen dort keine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung im Sinne von Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten droht. Zusätzlich hat der Senat eine Zusicherung der bulgarischen Behörden für erforderlich gehalten, dass Besuche beim Verfolgten durch diplomatische oder konsularische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland während der Dauer seiner Inhaftierung möglich sind.

In diesem Zusammenhang hat der Senat um Bekanntgabe der Haftanstalt, in der der Verfolgte während der Dauer des Freiheitsentzugs inhaftiert sein wird und um Beschreibung der dortigen Haftbedingungen ersucht.

Da es durchaus als möglich erschien, dass die bulgarischen Behörden eine solche verbindliche Zusicherung in Bezug auf den Verfolgten abgeben, wurde in der Entscheidung vom 27.10.2015 die Auslieferung des Verfolgten nicht für unzulässig erklärt, sondern die Entscheidung über die Zulässigkeit zurückgestellt.

Die Generalstaatsanwaltschaft München wurde gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 IRG gebeten, die bulgarischen Behörden unter Bekanntgabe der Senatsentscheidung vom 27.10.2015 um Abgabe einer entsprechenden Zusicherung zu ersuchen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zunächst versucht, dies wegen der Bedeutung der Sache auf dem ministeriellen Weg durchzuführen, wurde aber vom Bundesamt für Justiz darauf verwiesen, dass die Einholung einer Zusicherung zu Haftbedingungen im Auslieferungsverkehr mit EU-Mitgliedsstaaten der jeweils zuständigen Generalstaatsanwaltschaft obliege (vgl. hierzu auch die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen in StV 2015 365/15 unter Hinweis darauf, dass die Entscheidung über ausländische Rechtshilfeersuchen im Ausgangspunkt der Zuständigkeit des Bundes unterliegt und die Übertragung der Ausübung der Entscheidungsbefugnis auf die Bundesländer, die ihrerseits die Befugnisse auf die Generalstaatsanwaltschaften übertragen haben, nichts daran ändere (vgl. auch Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., § 74 IRG Rn. 4 u. 11) und dass der Bund Herr des Auslieferungsverfahrens bleibe. In seiner Entscheidung vom 23.07.2015 hat das Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen (EuGH-Vorlagebeschluss vom 23.07.2015, NJW-Spezial 2015, 602) ausgeführt, dass es sich bei der Rechtshilfe in Auslieferungssachen auch um die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten im Sinne von Art. 32 GG handele).

Daraufhin hat sich die Generalstaatsanwaltschaft mit Faxschreiben vom 09.11.2015 direkt an

die Bezirksstaatsanwaltschaft Burgas gewandt und hat dieser mitgeteilt, dass der Senat um Abgabe einer völkerrechtlich verbindlichen Zusicherung zu den in der Senatsentscheidung vom 27.10.2015 aufgezählten Punkten bitte.

Mit Schreiben vom 02.11.2015 hat der Verfolgte „Beschwerde gegen die Auslieferung" eingelegt und zugleich die Beiordnung eines Pflichtbestands beantragt. Am 26.11.2015 hat der Senat dem Verfolgten, nachdem er ihn hierzu angehört hatte, Rechtsanwalt ... als Pflichtbeistand beigeordnet.

Am 27.11.2015 hat die Generalstaatsanwaltschaft München eine Erklärung der bulgarischen Behörden vom 24.11.2015 samt Anlagen vorgelegt und um Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung ersucht.

Auf das Ersuchen um Abgabe einer entsprechenden Zusicherung haben die bulgarischen Behörden folgendermaßen reagiert:

Mit Schreiben vom 24.11.2015, abgefasst von einem Staatsanwalt der Bezirksstaatsanwaltschaft Burgas, wurde auf die bereits in der Senatsentscheidung vom 27.10.2015 für unzureichend gehaltene generelle Erklärung vom 13.08.2015 Bezug genommen sowie auf die beigefügte „konkrete Antwort" der Generaldirektion „Strafvollzug" des Justizministeriums der Republik Bulgarien in Bezug auf den Verfolgten vom 19.11.2015. Ferner wurde auf die Anweisung des bulgarischen Justizministers Nr. AC 1163/13.08.2015 verwiesen.

Darüber hinaus wurde im Schreiben vom 24.11.2015 mitgeteilt, dass im Gefängnis von Burgas die Möglichkeit von Besuchen diplomatischer und konsularischer Vertreter bestehe.

In der Stellungnahme der Generaldirektion „Strafvollzug" wird mitgeteilt, dass in Bulgarien Freiheitsstrafen normalerweise wohnortnah vollstreckt werden und dass die wohnortnahe Haftanstalt für den Verfolgten das Gefängnis Burgas sei. Weiter wird darin ausgeführt: Trotz der Bemühungen für die Verbesserung der Wohnbedingungen in den Haftanstalten können wir zu diesem Moment nicht garantieren, dass diese Bedingungen den etablierten Standards entsprechen. Deshalb gibt es die Möglichkeit, gemäß der Anordnung des Justizministers Nr. PC 1163 vom 13.08.2015 zu verfahren. Das Unterbringen der Personen in einem entsprechenden Gefängnis werde gemäß dem Befehl des Generaldirektors der Generaldirektion „Strafvollzug" vollzogen."

Die dem Schreiben vom 24.11.2015 beigefügte Anordnung des bulgarischen Justizministers Nr. AC 1163 vom 13.08.2015 hat folgenden Inhalt:

„Angesichts der häufigen Absagen von Gerichten der Bundesrepublik Deutschland, die

Europäischen Haftbefehle, ausgestellt von bulgarischen zuständigen Behörden in Bezug auf bulgarische Bürger, zu vollstrecken (...) ist eine Veränderung der Anordnung Nr. PC 656/30.05.2009 erforderlich. (...) Eine Verteilung der aufgrund eines Europäischen Haftbefehls übergebenen Personen erfolgt mit einem Befehl des Hauptdirektors der Generaldirektion „Strafvollzug", nachdem eine Einschätzung der Möglichkeiten erfolgt ist, die Verurteilten die Gefängnisstrafe in dem am nächsten zum ständigen Wohnsitz gelegenen Gefängnis verbüßen zu lassen und der Möglichkeit, die Freiheitsstrafe dort unter Bedingungen zu vollstrecken, die Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprechen, wenn die Auslieferung mit der Bedingung verbunden ist, dass der bulgarische Staat die Unterbringung in einer Haftanstalt garantiert, die minimalen Standards entspricht. Mit der Ausführung dieser Anordnung beauftrage ich die Leiter von Gefängnissen, Haftanstalten und Gefängnisgebäuden und mit der Überprüfung der Erfüllung den Hauptdirektor der Generaldirektion Strafvollzug."

Mit Schreiben vom 01.12.2015 hat die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, gegen den Verfolgten die Fortdauer der Auslieferungshaft anzuordnen und die Auslieferung nach Maßgabe folgender Bedingung für zulässig zu erklären:

„Der Verfolgte wird nach seiner Auslieferung und für die gesamte Dauer der zu vollstreckenden Freiheitsentziehung in der Strafanstalt Belene untergebracht.

Zur Gewährleistung einer Überprüfungsmöglichkeit der Haftbedingungen in der vorbezeichneten Haftanstalt durch die diplomatische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland werden diplomatischen oder konsularischen Vertretern der Bundesrepublik während der Dauer der Inhaftierung Besuche beim Verfolgten auf Anfrage ermöglicht."

Hilfsweise hat die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Auslieferung ohne Bedingungen für zulässig zu erklären, wobei die Generalstaatsanwaltschaft als zuständige Bewilligungsbehörde versichert hat, dass sie in der Folge eine Bewilligungsentscheidung mit der vorgenannten Maßgabe treffen wird.

Mit Schriftsatz seines Rechtsbeistands vom 09.12.2015 hat der Verfolgte beantragt, die Auslieferung für unzulässig zu erklären und den Auslieferungshaftbefehl aufzuheben. Hilfsweise wurde beantragt, den Verfolgten, der bereits früher im Gefängnis von Burgas inhaftiert gewesen sei, zu den dortigen Zuständen anzuhören.

Mit Schreiben vom 09.12.2015 hat daraufhin die Generalstaatsanwaltschaft ergänzend darauf hingewiesen, dass eine Einhaltung der vom Senat genannten Mindestanforderungen in Bulgarien nicht per se unmöglich sei. Eine Zulässigkeitsentscheidung, die mit den bereits genannten Bedingung versehen wird oder eine mit denselben Bedingungen versehene Bewilligungsentscheidung sei zur Gewährleistung der Mindestanforderungen an die

Haftbedingungen ausreichend.

Sowohl die Einhaltung einer Zusicherung wie auch die Einhaltung von Bedingungen, unter denen die Auslieferung für zulässig erklärt bzw. bewilligt wird, sei letztlich nur durch Besuche von diplomatischen oder konsularischen Vertretern der Bundesrepublik Deutschland in der Haft beim Verfolgten zu klären.

II.

Da sich der Verfolgte am 16.12.2015 zwei Monate in Auslieferungshaft befindet, war gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 IRG über die Fortdauer der Auslieferungshaft und - nachdem eine weitere Erklärung der bulgarischen Behörden nach Aktenlage nicht zu erwarten ist - zugleich über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden.

Die Auslieferung war für unzulässig zu erklären, weil nach wie vor ein Auslieferungshindernis gem. § 73 IRG besteht. Die vom Senat in der Entscheidung vom 27.10.2015 dargestellten Bedenken konnten nicht ausgeräumt werden.

Das Schreiben der bulgarischen Behörden vom 24.11.2015 ist weder für sich genommen, noch in der Zusammenschau mit den diesem Schreiben beigefügten Unterlagen geeignet, die Bedenken hinsichtlich der Haftbedingungen, denen der Verfolgte in Bulgarien ausgesetzt sein könnte, auszuräumen.

Bei der Stellungnahme der Generaldirektion „Strafvollzug", die als „Antwort auf Ihren Brief" bzw. Benachrichtigung bezeichnet und vom Hauptdirektor Oberkommissar S. C. abgefasst wurde, handelt es sich schon dem Wortlaut nach nicht um eine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung, da mit keinem Wort irgendetwas zugesichert wird.

Auch ihrem Inhalt nach stellt diese Stellungnahme keine völkerrechtlich verbindliche Zusage von noch hinzunehmenden Haftbedingungen dar. Es wird lediglich mitgeteilt, dass Freiheitsstrafen normalerweise wohnortnah vollstreckt werden und dass die wohnortnahe Haftanstalt für den Verfolgten das Gefängnis Burgas sei. Trotz der Bemühungen, die Haftbedingungen zu verbessern, so die bulgarischen Behörden, könnten sie nicht garantieren, dass die Haftbedingungen den Mindeststandards entsprechen. Die zugleich in den Raum gestellte Möglichkeit, die Freiheitsstrafe unter Bedingungen zu vollstrecken, die Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprechen, wenn die Auslieferung mit der Bedingung verbunden ist, dass der bulgarische Staat die Unterbringung in einer Haftanstalt garantiert, die minimalen Standards entspricht, ist nicht ausreichend, insoweit wird auf die Ausführungen des Senats in der Entscheidung vom 27.10.2015 Bezug genommen.

Die Offenlegung der bestehenden internen bulgarischen Anweisungen, gänzlich ohne konkreten Bezug zum Verfolgten, stellt keinesfalls eine Zusicherung der vom Senat für eine Auslieferung erforderlich gehaltenen Haftbedingungen dar. Es fehlt im Übrigen auch die Angabe des Haftorts, an dem der Verfolgte tatsächlich untergebracht werden würde, wenn gemäß der Anordnung vom 13.08.2015 verfahren würde und dies obwohl den bulgarischen Behörden bekannt ist, wo der Verfolgte in Bulgarien seinen Lebensmittelpunkt hat bzw. zuletzt hatte. Auch eine Zusicherung hinsichtlich der Möglichkeit, dass der Verfolgte Besuch von diplomatischen bzw. konsularischen Vertretern der Bundesrepublik Deutschland erhält, damit die Haftbedingungen überprüft werden können, erfolgte nicht

Die Reaktion der bulgarischen Behörden auf das Ersuchen, eine verbindliche Zusicherung hinsichtlich der Haftbedingungen und des Besuchsrechts für diplomatische bzw. konsularische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf den Verfolgten abzugeben, erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass mitgeteilt wird, dass Freiheitsstrafen in Bulgarien normalerweise wohnortnah vollstreckt werden, dass die wohnortnahe Haftanstalt für den Verfolgten das Gefängnis Burgas sei und dass er im Gefängnis Burgas Besuch von diplomatischen oder konsularischen Vertretern erhalten könne. Dies ist deswegen besonders befremdlich, weil das Gefängnis in Burgas eine der drei vom Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) zuletzt im Frühjahr 2015 besuchten Haftanstalten ist, deren Verhältnisse das CPT zu seiner öffentlichen Erklärung vom 26.03.2015 veranlasst haben. Eine Auslieferung nach Bulgarien bei einer Inhaftierung in Burgas erscheint daher völlig fernliegend, was auch den bulgarischen Behörden klar sein müsste. Weiter haben die bulgarischen Behörden explizit mitgeteilt, dass Haftbedingungen, die den europäischen Mindeststandards entsprechen, nicht garantiert werden können, wenn auch verbunden mit dem Hinweis, dass gemäß der Anordnung vom 13.08.2015 verfahren werden könne, wenn die Auslieferung unter einer entsprechenden Bedingung erfolge.

Es wurde somit im gegenständlichen Verfahren keinerlei völkerrechtlich verbindliche Zusicherungen dahingehend gemacht, dass die Haftbedingungen, die der Verfolgte nach durchgeführter Auslieferung in Bulgarien zu erwarten hat, dem sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs ergebenden Mindeststandard (insbesondere auch hinsichtlich der dem Verfolgten in einer Gemeinschaftshaftzelle zur Verfügung stehenden Fläche, vgl. hierzu Pohlreich, NStZ 2011, 560) entsprechen.

Es kann daher dahingestellt bleiben, ob Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses des Rates vom13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten so auszulegen ist, dass der Vollstreckungsstaat, wenn gewichtige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat die Grundrechte der auszuliefernden Person und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, wie sie in Artikel 6 des

Vertrages über die Europäische Union niedergelegt sind, verletzen, die Zulässigkeit der Auslieferung von einer Zusicherung der Haftbedingungen abhängig machen kann bzw. muss (vgl. hierzu die mit Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom 23.07.2015 angeordnete Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, NJW-Spezial 2015, 602, betreffend eine Auslieferung nach Ungarn). Auch die dort zur Entscheidung vorgelegte weitere Frage, welche Stelle - falls der Weg über Zusicherungen vom Europäischen Gerichtshof für zulässig erachtet werden sollte - insoweit im Ausstellungsstaat berechtigt ist, entsprechende Zusicherungen zu machen, kann im gegenständlichen Verfahren mangels Zusicherung dahingestellt bleiben.

Wegen der nicht erfolgten Zusicherung menschenrechtskonformer Haftbedingungen und eines Besuchsrechts für diplomatische bzw. konsularische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland wurden die gegen die Auslieferung in der Senatsentscheidung vom 27.10.2015 dargestellten Bedenken nicht ausgeräumt. Da das Auslieferungshindernis gem. § 73 IRG fortbesteht, war die Auslieferung für unzulässig zu erklären.

Soweit die Generalstaatsanwaltschaft beantragt hat, die Auslieferung mit der Maßgabe für zulässig zu erklären, dass der Verfolgte in der Haftanstalt Belene inhaftiert wird, verbunden mit der Maßgabe des Besuchsrechts für diplomatische bzw. konsularische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland, ist der Senat dem aus folgenden Gründen nicht gefolgt:

Zwar entsprechen die Haftbedingungen in Belene, wie aus einem anderen aktuellen Auslieferungsverfahren infolge einer dort von den bulgarischen Behörden auf entsprechende Anforderung durch den Senat abgegebenen Zusicherung bekannt ist, im Wesentlichen den vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof (noch) für zulässig gehaltenen Haftbedingungen; diese Erkenntnisse reichen jedoch nicht aus, um vorliegend die Auslieferung unter identischen Bedingungen (die im gegenständlichen Verfahren gerade nicht zugesichert wurden) für zulässig zu erklären.

Denn aus einer in einem anderen Auslieferungsverfahren abgegebenen Zusicherung lässt sich nicht hinreichend sicher schließen, dass der Verfolgte im Fall der Auslieferung tatsächlich unter Haftbedingungen inhaftiert werden würde, die den völkerrechtlichen Mindeststandards genügen. Denn hierzu haben sich die bulgarischen Behörden im gegenständlichen Verfahren - trotz entsprechender Anfrage - gerade nicht völkerrechtlich verpflichtet. Eine ausreichende Gewähr für die Einhaltung vertretbarer Haftbedingungen hätte nur bei einer völkerrechtlich verbindlichen Zusicherung der zuständigen bulgarischen Behörden bestanden, deren Inhalt dann als Bedingung in die Zulässigkeitserklärung hätte Eingang finden können (vgl. hierzu Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., § 73 IRG Rn. 42a m.w.H; a. A.: Grützner/Pötz/Kress, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Aufl., Stand Dez. 2014, § 73 IRG Rn. 120, allerdings mit der Einschränkung, dass im selben

Kommentar an anderer Stelle (Rn. 47 zu § 80 IRG) ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es "nicht schlechterdings unzulässig sei, die Auslieferung gegenüber dem ersuchenden Staat an eine Bedingung zu knüpfen").

Anders als in dem vom OLG Köln am 18.09.2014 entschiedenen Fall, in dem die Auslieferung eines Verfolgten an die russische Föderation mit verschiedenen Maßgaben für zulässig erklärt wurde (OLG Köln, Beschluss vom 18.09.2014 - Ausl A 39/14 - 31, zitiert nach juris), liegt im gegenständlichen Verfahren keine Zusicherung vor, deren Inhalt als Maßgabe in die Zulässigkeitserklärung durch den Senat aufgenommen werden könnte.

Ohne das Vorliegen einer Zusicherung der bulgarischen Behörden besteht keinerlei Veranlassung, einer an sich unzulässigen Auslieferung durch Bedingungen, die nicht auf einer entsprechenden Zusicherung in diesem Verfahren beruhen, doch noch zur Zulässigkeit zu verhelfen. Es ist nicht Aufgabe des Senats, sozusagen selbst die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Auslieferung nach Bulgarien zu schaffen (vgl. hierzu Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen StV 2015, 365).

Soweit die Generalstaatsanwaltschaft hilfsweise beantragt hat, die Auslieferung ohne Einschränkungen für zulässig zu erklären, weil sie als zuständige Bewilligungsbehörde die Auslieferung des Verfolgten nur unter der Bedingung bewilligen wird, dass der Verfolgte in der Haftanstalt Belene inhaftiert wird und ein Besuchsrecht für diplomatische bzw. konsularische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland besteht, ist der Senat auch dem nicht gefolgt.

Denn dies würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass die Bewilligungsbehörde des Vollstreckungsstaats die Haftbedingungen im ersuchenden Staat gestaltet, ohne dass eine entsprechende Zusicherung des ersuchenden Staats vorliegt, obwohl um eine solche ausdrücklich ersucht wurde.

Bei dem in der Praxis nicht seltenen Vorgehen im Rahmen von § 80 Abs. 1 Satz 1 IRG, bei dem die Bewilligungsbehörde ankündigt, dass sie die Bewilligung nur unter der Bedingung der Rücküberstellung auf Wunsch des Verfolgten erteilen wird, ist der Fall anders gelagert.

Das deutsche Recht fordert in § 80 Abs. 1 Satz 1 IRG lediglich, dass „gesichert" ist, dass der ersuchende Staat nach Verhängung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe oder sonstigen Sanktion anbieten wird, den Verfolgten auf seinen Wunsch zur Vollstreckung nach Deutschland rückzuüberstellen. Kann dies ohne Zusicherung des ersuchenden Staats sichergestellt werden, bedarf es keiner Zusicherung (vgl. Grützner/Pötz/Kress § 80 Rn. 47). Der deutsche Gesetzgeber hat insoweit in BT-Drucks. 16/1024 S. 14 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in diesem Zusammenhang alternativ zur Zusicherung des ersuchenden Staates als Sicherung ausreichend ist, dass die Bewilligungsbehörde erklärt, die Bewilligung an die Bedingung der

Rücküberstellung zu knüpfen.

Anders liegt der Fall zur Überzeugung des Senats bei Haftbedingungen im ersuchenden Staat, die nicht den unabdingbaren Mindeststandards entsprechen. Hier ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine völkerrechtlich verbindliche Zusage unabdingbar.

Der Generalstaatsanwaltschaft ist zuzugeben, dass im Auslieferungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten des Europäischen Haftbefehls der Grundsatz gilt, dass Bedingungen des ersuchten Staates vom ersuchenden Staat anerkannt werden.

Allerdings bestehen vorliegend Bedenken, dass entsprechende Bedingungen beachtet bzw. in ausreichendem Umfang umgesetzt werden würden bzw. umgesetzt werden könnten, da eine entsprechende Zusicherung auf konkrete Nachfrage von den bulgarischen Behörden gerade nicht erfolgte (vgl. hierzu BT-Drucks. 16/1024 S. 14, wo darauf hingewiesen wird, dass im Rahmen des § 80 Abs. 1 Satz 1 IRG der Weg über eine Bedingung in der Bewilligungsentscheidung nicht gegangen werden kann, wenn konkrete Erkenntnisse darüber vorliegen, dass der ersuchende Mitgliedsstaat eine entsprechende Bedingung nicht beachten wird).

Es verbleibt daher dabei, dass vorliegend nur die Zusicherung von Haftbedingungen, die mit der Europäischen Menschenrechtskonvention in Einklang zu bringen sind, verbunden mit einem garantierten Besuchsrecht, das Auslieferungshindernis aus § 73 IRG hätte überwinden können.

Die Auslieferung des Verfolgten war daher für unzulässig zu erklären, die Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls war die notwendige Folge, § 24 Abs. 1 IRG.

Vorsitzender RichterRichter Richterin

am Oberlandesgerichtam Oberlandesgerichtam Oberlandesgericht

Gründe

Oberlandesgericht München

Az.: 1 AR 2/16

Beschluss

vom 08.03.2016

33 Ausl A 1571/15 Generalstaatsanwaltschaft München

(rechtskräftig)

1. Strafsenat

Angewendete Vorschriften:

Leitsatz

In der Auslieferungssache

B. S.,

geboren am ... in .../Bulgarien, Staatsangehörigkeit: bulgarisch, alias: B. S., geboren am..., derzeit in dieser Sache in Auslieferungshaft in der Justizvollzugsanstalt München, Stadelheimer Straße 12, 81549 München

wegen Auslieferung aus der Bundesrepublik Deutschland nach Bulgarien zur Strafverfolgung wegen Unterschlagung

hier: Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung und gem. § 26 IRG über die Fortdauer der Auslieferung

erlässt das Oberlandesgericht München - 1. Strafsenat - durch die unterzeichnenden Richter am 08.03.2016 folgenden

Beschluss

1. Die Fortdauer der Auslieferungshaft des Verfolgten wird angeordnet.

2. Die Auslieferung des Verfolgten an die bulgarischen Behörden zur Strafverfolgung wegen der im Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Sofia vom 03.11.2015, Az.: ..., aufgeführten Straftat wird für zulässig erklärt.

Gründe:

I. Hinsichtlich des bisherigen Verfahrensgangs wird auf die Senatsentscheidung vom 11.01.2016 Bezug genommen. Durch diese hat der Senat gegen den am 29.12.2015 zur Sicherung der Auslieferung vorläufig festgenommenen Verfolgten Auslieferungshaft angeordnet, dem Auslieferungshaftbefehl den im Tenor dieser Entscheidung unter Ziffer II. näher bezeichneten Europäischen Haftbefehl zugrunde gelegt und die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung zurückgestellt.

Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung wurde zurückgestellt, da der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung in Bulgarien in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert werden könnte, die europäischen Mindeststandards nicht genügt bzw. in der er einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.

Diese Befürchtung gründet sich auf die öffentliche Erklärung des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) vom 26.03.2015. Danach haben sich die Haftbedingungen in Bulgarien seit Jahren bei wiederholter Prüfung durch das CPT als bedenklich erwiesen, auch beim zuletzt im Februar 2015 erfolgten Besuch dreier Haftanstalten, weswegen der Auslieferung des Verfolgten an sich ein Auslieferungshindernis nach § 73 Satz 2 IRG i. V. m. Art. 6 des Vertrages über die Europäische Union und Art. 3 EMRK entgegen steht (vgl. die Senatsentscheidung vom 27.10.2016 im Verfahren 1 AR 392/15 in NStZ-RR 2016, 29; OLG Celle, Beschluss vom 16.12.2014 in StraFo 2015, 75; OLG Celle, Beschluss vom 17.12.2014, StV 2015, 368; Kammergericht Berlin, Beschluss vom 15.04.2015, Gz.: (4) 151 AuslA 33/15 (36/15), (4) 151 Ausl A 33/15 (36/15), zitiert nach juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen StV 2015 365/15; OLG Dresden, Beschluss vom 11.08.2015 - OLG Ausl 78/15, zitiert nach juris).

Die vom bulgarischen Justizministerium am 13.08.2015 abgegebene generelle „Erklärung über die Bedingungen für die Unterbringung von Personen, die den bulgarischen Justizbehörden auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls übergeben sind", die im vorliegenden Verfahren nicht zu den Akten gelangte, aber dem Senat aus anderen Bulgarien betreffenden Auslieferungsverfahren bekannt ist, hat der Senat insoweit für nicht ausreichend erachtet zur Sicherstellung von Haftbedingungen, die europäischen Mindeststandards entsprechen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorgenannte Senatsentscheidung Bezug genommen.

Der Senat hat dabei ausgeführt, dass das Zulässigkeitshindernis nach § 73 Satz 2 IRG i. V. m. Art. 6 des Vertrages über die Europäische Union und Art. 3 EMRK nur dadurch ausgeräumt werden kann, dass die bulgarischen Behörden eine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung dahingehend abgeben, dass die räumliche Unterbringung und die sonstige Gestaltung der Haftbedingungen in der Haftanstalt, in der der Verfolgte nach der Auslieferung inhaftiert sein wird, den europäischen Mindeststandards entsprechen und den Häftlingen dort keine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung im Sinne von Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten droht. Zusätzlich hat der Senat eine Zusicherung der bulgarischen Behörden für erforderlich gehalten, dass Besuche beim Verfolgten durch diplomatische oder konsularische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland während der Dauer seiner Inhaftierung möglich sind.

In diesem Zusammenhang hat der Senat um Bekanntgabe der Haftanstalt, in der der Verfolgte während der Dauer des Freiheitsentzugs inhaftiert sein wird und um Beschreibung der dortigen Haftbedingungen ersucht.

Da es als möglich erschien, dass die bulgarischen Behörden eine solche verbindliche Zusicherung in Bezug auf den Verfolgten abgeben, wurde in der vorgenannten Entscheidung die Entscheidung über die Zulässigkeit zurückgestellt.

Die Generalstaatsanwaltschaft München wurde gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 IRG gebeten, die bulgarischen Behörden unter Bekanntgabe der vorgenannten Senatsentscheidung um Abgabe einer entsprechenden Zusicherung zu ersuchen. Auf die entsprechende Anfrage der Generalstaatsanwaltschaft München hin hat das bulgarische Justizministerium, Abteilung Strafvollzug, mit Schreiben vom 26.01.2016 mitgeteilt, dass sich seit März 2015 die Haftbedingungen in der Justizvollzugsanstalt Sofia entscheidend verbessert haben und hat hierbei die dortigen aktuellen Haftbedingungen ausführlich geschildert.

Dort stehen dem einzelnen Häftling demnach nunmehr fast 4 Quadratmeter zur Verfügung, Heizung, Belüftung und Sanitäreinrichtungen sowie die weiteren Einrichtungen der Haftanstalt entsprechen ausweislich des Schreibens vom 26.01.2016 nach Ansicht des Senats ausreichenden Standards, ebenso das Essen der Gefangenen und die Möglichkeit, ärztliche Behandlung in Anspruch zu nehmen. Seit Juni 2015 haben die Gefangenen nach diesem Schreiben zudem 2 Stunden Aufenthaltszeit im Freien und ausreichend Sportmöglichkeiten. Seit Beginn des Schuljahres 2015/2016 gibt es dort Grund- und Hauptschulklassen, die die Gefangenen besuchen können. Seit 2015 gibt es auch Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Auch Sprachkurse in Englisch und Italienisch sowie in Bulgarisch für Ausländer können danach seit 2015 von den Gefangenen besucht werden. Auch Arbeitsbeschäftigung wird dort nun angeboten und weitere, die Resozialisierung fördernde Aktivitäten, wie Alkoholtherapieen und auch Freizeitangebote wie Yoga. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 26.01.2016 Bezug genommen. Darin wird auch zugesichert, dass diplomatische und konsularische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland das Recht haben, den Verfolgten in der Haft zu besuchen.

In der Gesamtschau wurden hierdurch grundsätzlich die Bedenken, die zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung vom 11.01.2016 einer Auslieferung des Verfolgten entgegenstanden, ausgeräumt.

Allerdings hat das bulgarische Justizministerium in dem vorgenannten Schreiben nicht mitgeteilt, dass der Verfolgte nach erfolgter Auslieferung in der Justizvollzugsanstalt Sofia inhaftiert sein wird.

Diesbezüglich hat der Senat die Generalstaatsanwaltschaft München, nachdem diese ihm die Akten am 15.02.2016 zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung vorgelegt hatte, am 15.02.2016 ersucht, bei den bulgarischen Behörden eine Zusicherung zu erholen, dass der Verfolgte in der Justizvollzugsanstalt Sofia inhaftiert sein wird.

Mit Schreiben vom 22.02.2016, eingegangen bei der Generalstaatsanwaltschaft München am 07.03.2016, hat das Amtsgericht Sofia mitgeteilt, dass durch den 114. Spruchkörper (Strafkammer) dieses Gerichts am 22.02.2016 angeordnet wurde, dass der Verfolgte im Falle der Auslieferung in der Justizvollzugsanstalt Sofia inhaftiert wird.

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat die Akten mit Schreiben vom 08.03.2016 dem Senat zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung und über die Fortdauer der Auslieferungshaft vorgelegt.

II. Da sich der Verfolgte mit Tagesende des 10.03.2016 seit der letzten Haftentscheidung des Senats vom 11.01.2016 zwei Monate in Auslieferungshaft befindet, war gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 IRG über die Fortdauer der Auslieferungshaft und zugleich über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden.

Die Auslieferung war für zulässig zu erklären, weil ein Auslieferungshindernis gem. § 73 IRG nicht mehr besteht. Die vom Senat in der Entscheidung vom 11.01.2016 dargestellten Bedenken konnten durch die Erklärungen der bulgarischen Behörden vom 26.01.2016 und vom 22.02.2016 ausgeräumt werden. Nachdem durch gerichtliche Entscheidung angeordnet wurde, dass der Verfolgte in der Justizvollzugsanstalt Sofia inhaftiert wird und die dortigen Haftbedingungen nach den Ausführungen des bulgarischen Justizministeriums im Schreiben vom 26.01.2016, die anzuzweifeln der Senat keinen Anlass hat, nicht (mehr) gegen Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen, steht auch der deutsche Ordre Public einer Auslieferung nicht mehr entgegen, zumal durch das eingeräumte Besuchsrecht für diplomatische und konsularische Vertretern die Haftbedingungen jederzeit überprüft werden können.

Die Auslieferung des Verfolgten war daher für zulässig zu erklären.

Nachdem sich hinsichtlich der Haftgründe keine Veränderungen zugunsten des Verfolgten ergeben haben, war die Fortdauer der Auslieferungshaft anzuordnen.

Für eine Außervollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls (§ 25 IRG) fehlt es weiterhin an der erforderlichen Vertrauensgrundlage.

Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leistung von Rechtshilfe unzulässig, wenn die Erledigung zu den in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätzen im Widerspruch stünde.