Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 22. Sept. 2016 - 1 Ausl (A) 45/15 (41/15)

ECLI:ECLI:DE:OLGSH:2016:0922.1AUSL.A45.15.41.1.0A
bei uns veröffentlicht am22.09.2016

Tenor

Die Auslieferung des Verfolgten aus der Bundesrepublik Deutschland an die Republik Türkei zur Vollstreckung der durch rechtskräftiges Urteil des Gerichts in Akhisar vom 18. April 2013 verhängten (restlichen) Freiheitsstrafe wird für unzulässig erklärt.

Die Senatsbeschlüsse über die Anordnung der Auslieferungshaft und über die Aussetzung des weiteren Vollzuges dieser Haft werden aufgehoben.

Die Staatskasse hat dem Verfolgten seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Mit einem internationalen Fahndungsersuchen hatten die Behörden der Republik Türkei im Sommer 2015 um die vorläufige Festnahme des in Deutschland lebenden Verfolgten ersucht. Sie hatten angekündigt, ein förmliches Auslieferungsersuchen zum Zwecke der Strafvollstreckung stellen zu wollen. Grundlage des Ersuchens war ein nationaler türkischer Haftbefehl vom 4. November 2014. Nach dessen Inhalt lag gegen den Verfolgten ein rechtskräftiges Urteil des Gerichts in Akhisar vom 18. April 2013 vor. Durch dieses Urteil ist der Verfolgte wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall (er hatte gemeinsam mit Mittätern mit Hilfe eines Nachschlüssels einen Ackerschlepper entwendet) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Aus der Fahndungsausschreibung ergab sich, dass von dieser Strafe noch vier Jahre, sechs Monate und acht Tage zur Vollstreckung anstanden.

2

Auf Grundlage dieses Ersuchens hat der Senat durch Beschluss vom 6. August 2015 gegen den Verfolgten, der sich zum damaligen Zeitpunkt noch auf freiem Fuß befand, die vorläufige Auslieferungshaft angeordnet. Dieser Auslieferungshaftbefehl ist am 11. August 2015 vollstreckt worden.

3

Nachdem die Behörden der Republik Türkei im Nachgang auf dem vorgesehenen diplomatischen Wege die für die Entscheidung über die Auslieferung erforderlichen Originalunterlagen vorgelegt hatten, hat der Senat durch Beschluss vom 15. September 2015 gegen den Verfolgten die Auslieferungshaft angeordnet.

4

In der Folgezeit zeichnete sich ab, dass eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht kurzfristig getroffen werden würde. Zum einen betrieb der Verfolgte ein (weiteres) Asylfolgeverfahren. Zum anderen ergab sich aus den von der Republik Türkei überreichten Unterlagen, dass es sich bei dem Urteil, dessen Rechtsfolge vollstreckt werden sollte, um ein Abwesenheitsurteil handelte.

5

Beide Umstände ließen erkennen, dass weitere Ermittlungen notwendig werden würden.

6

Vor dem Hintergrund, dass der Verfolgte vor seiner Verhaftung mit seiner Familie legal in Deutschland lebte und einer geregelten Arbeit nachging, hat daher der Senat durch Beschluss vom 5. November 2015 den weiteren Vollzug der Auslieferungshaft gegen Stellung einer Sicherheitsleistung von 75.000,00 € sowie unter weiteren Auflagen ausgesetzt. Der Verfolgte ist am 10. November 2015 aus der Justizvollzugsanstalt entlassen worden. Seither kommt er einer Meldeauflage nach.

7

In der Folgezeit hat der Generalstaatsanwalt die Akten des Asylfolgeverfahrens beigezogen und ausgewertet. Er hat sich über das Auswärtige Amt an die Behörden der Republik Türkei gewandt und um Erklärung gebeten, ob von dort aus eine Zusicherung gemäß Artikel 3 Absatz 1 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen (Recht auf erneute Verhandlung auf Antrag des Verfolgten) abgegeben werde.

8

Über die Botschaft der Republik Türkei in Berlin und das Auswärtige Amt ist am 9. Mai 2016 eine Verbalnote zur Akte gelangt, aus der sich ergibt, dass das Landgericht in Akhisar am 26. Februar 2016 durch ein „Zusatzurteil“ entschieden hat, das Strafverfahren gegen den Verfolgten wieder aufzunehmen und eine erneute Hauptverhandlung durchzuführen.

9

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat unter dem 14. Juni 2016 zur Akte mitgeteilt, dass das Asylfolgeverfahren „derzeit noch in Bearbeitung“ sei.

10

Vor diesem Hintergrund beantragt der Generalstaatsanwalt des Landes Schleswig-Holstein nunmehr, die Auslieferung des Verfolgten aus der Bundesrepublik Deutschland an die Republik Türkei für zulässig zu erklären.

11

Dieser Antrag ist abzulehnen. Die Auslieferung erscheint - zwar nicht grundsätzlich, aber unter den zurzeit obwaltenden aktuellen Umständen in der Türkei - unzulässig.

12

Nach einer offiziellen Verlautbarung des Auswärtigen Amtes in Berlin vom 16. August 2016 („Auswirkungen des Ausnahmezustandes auf Rechtstaatlichkeit und Haftbedingungen“) stellen sich die aktuellen Verhältnisse im Bereich der Strafjustiz in der Republik Türkei u. a. wie folgt dar:

13

Die Republik Türkei, ein Vertragsstaat der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, hat durch offizielle Meldung an den Europarat von der Möglichkeit des Artikel 15 MRK Gebrauch gemacht und auf diese Weise die in der Konvention kodifizierten Rechte eines Beschuldigten weitgehend außer Kraft gesetzt. Nach dem Inhalt des innerstaatlich in der Republik Türkei zugrunde liegenden „Ministerratsbeschlusses Nr. 667“ sind danach u. a. die Möglichkeiten effektiver Verteidigung eines Beschuldigten drastisch eingeschränkt worden. Ein Beschuldigter kann von der Polizei ohne richterliche Entscheidung bis zu 30 Tagen in Haft gehalten werden. Die Staatsanwaltschaft ist befugt, ohne Zustimmung eines Beschuldigten den von ihm gewählten Verteidiger auszuwechseln und sogar die Kommunikation zwischen Verteidiger und Mandant vollständig zu untersagen. Diese Einschränkungen haben nach Mitteilung der Rechtsanwaltskammer Ankara dazu geführt, dass Verteidiger häufig das Mandat niederlegen, so dass eine wirkungsvolle Verteidigung nicht möglich sei.

14

In Gerichtsverfahren reicht es aus, einen Beschuldigten nur summarisch über den Inhalt der gegen ihn erhobenen Anklage zu informieren. Ein uneingeschränktes Recht des Beschuldigten, in der gegen ihn geführten Verhandlung anwesend zu sein, besteht offenbar nicht mehr.

15

Nach der Verhaftung tausender Richter und Staatsanwälte ist damit zu rechnen, dass Strafverfahren, die schon zuvor „häufig sehr lang“ dauerten, jetzt noch deutlich länger dauern werden, als es bisher üblich war. Auch die schon vor den aktuellen Ereignissen vielfach bestehende Überbelegung von Haftanstalten hat sich nach der Verhaftung zehntausender Personen nochmals drastisch verschärft. Gefangene sind nach den Informationen des Auswärtigen Amtes „in eigentlich ungeeigneten Orten und sehr gedrängt“ untergebracht. Mit überfüllten Zellen, unzureichender und schlechter Ernährung ist zu rechnen. In der Regel sind weder ausreichende Sitz- noch Schlafmöglichkeiten vorhanden.

16

Damit sind zurzeit nicht nur mit der Meldung nach Artikel 15 MRK an den Europarat die Grundrechte eines Beschuldigten aus Artikel 6 MRK (Verhandlung über eine Anklage innerhalb angemessener Frist, Unterrichtung über Art und Grund der erhobenen Beschuldigung in allen Einzelheiten, Recht auf Verteidigung durch einen Verteidiger eigener Wahl) offiziell außer Kraft gesetzt. Darüber hinaus verstoßen die anzutreffenden Haftbedingungen gegen die Grundrechte eines Beschuldigten aus Artikel 3 (Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung), also einer Vorschrift, die selbst in Anwendung des Artikel 15 MRK nicht abbedungen werden darf, unter den faktisch herrschenden Umständen aber nicht eingehalten werden kann (so auch OLG München, Beschluss vom 16. August 2016, 1 AR 252/16, zitiert nach Juris).

17

Diese Verstöße gegen die Menschenrechtskonvention, in denen nach innerstaatlichen Maßstäben zugleich Grundrechtsverletzungen (Artikel 2, 103, 104 GG) lägen, lassen die Auslieferung im Lichte des § 73 IRG, der jegliche Leistung von Rechtshilfe davon abhängig macht, dass sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung nicht widersprechen darf, unzulässig erscheinen (so auch für den Fall vergleichbarer Haftbedingungen in der Republik Rumänien: OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. April 2016, 1 Ausl. 326/15, unter Berufung u. a. auf BVerfG, Beschluss vom 22. März 2016, 2 BvR 566/15, zitiert nach Juris).

18

Dem Senat ist bewusst, dass das OLG München in der zitierten Entscheidung wegen der Nichteinhaltung der Maßstäbe des Artikel 3 MRK grundsätzlich zwar vom Vorliegen eines Zulässigkeitshindernisses nach § 73 Satz 1 IRG ausgegangen ist, aber der Meinung war, dieses könne durch Einholung einer völkerrechtlich verbindlichen Zusicherung in Bezug auf die Haftbedingungen ausgeräumt werden. Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

19

Zum einen standen dem OLG München zur Beurteilung der Haftbedingungen nur Darstellungen in Presse und Medien zur Verfügung, die nicht immer überprüf- und in vollem Umfang belastbar sein mögen. Demgegenüber trifft der Senat seine Entscheidung aufgrund einer offiziellen Verlautbarung des Auswärtigen Amtes, der in vollem Umfang Glauben geschenkt werden darf und muss.

20

Darüber hinaus lassen sich über die tatsächliche Frage der Haftbedingungen hinaus dieser offiziellen Verlautbarung jetzt auch die Auswirkungen entnehmen, die das Außerkraftsetzen der Menschenrechtskonvention auf die rechtliche Stellung eines Beschuldigten, insbesondere auf seine Verteidigungsrechte, hat.

21

Vor diesem Hintergrund steht nicht zu erwarten, dass im Einzelfall eine individuelle verbindliche Zusicherung der Einräumung erweiterter Rechte gegenüber den tatsächlich und rechtlich herrschenden Bedingungen erfolgen wird oder auch nur kann, so dass es einer ergänzenden Anfrage unter Fristsetzung an die Republik Türkei nicht bedarf (so auch für die Haftbedingungen in Rumänien: OLG Stuttgart, a.a.O.). Vielmehr ist die Unzulässigkeit der Auslieferung ohne weiteres festzustellen.

22

Als unmittelbare Folge hiervon sind die Haftanordnungen des Senats (Auslieferungshaftbefehl und Verschonungsbeschluss) aufzuheben.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 77 IRG, 467 StPO analog (vgl. dazu BGHSt 30, 152; 32, 221).


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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 73 Grenze der Rechtshilfe


Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leis

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 77 Anwendung anderer Verfahrensvorschriften


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Oberlandesgericht München Beschluss, 16. Aug. 2016 - 1 AR 252/16

bei uns veröffentlicht am 16.08.2016

Tenor I. Gegen den türkischen Staatsangehörigen T. G., geboren am .... in ... wird zur Sicherung der Auslieferung an die türkischen Behörden zur Strafvollstreckung die Fortdauer der Auslieferungshaft angeordnet. II. Der Antrag des Verf

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Tenor

I. Gegen den türkischen Staatsangehörigen T. G., geboren am .... in ... wird zur Sicherung der Auslieferung an die türkischen Behörden zur Strafvollstreckung die Fortdauer der Auslieferungshaft angeordnet.

II. Der Antrag des Verfolgten vom 03.08.2016 auf Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls wird zurückgewiesen.

III. Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung wird weiterhin zurückgestellt.

Gründe

I. Hinsichtlich des bisherigen Verfahrensgangs wird auf die Senatsentscheidung vom 11.07.2016 Bezug genommen, durch die der Senat gegen den Verfolgten Auslieferungshaft angeordnet, dem Auslieferungshaftbefehl das Urteil des Landgerichts K./Türkei vom 22.02.2008, Az.: 2007/974, zugrunde gelegt und die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung zurückgestellt hat.

Dem Verfolgten liegt im Auslieferungsverfahren weiterhin folgender Sachverhalt zur Last:

Obwohl der Verfolgte keine Fahrerlaubnis besaß und nicht fähig war, ein Kraftfahrzeug zu führen, lenkte er am 02.10.2007 den Lkw ... mit dem amtlichen Kennzeichen ...relativ schnell in einem Wohnviertel der Stadt K. auf der Hauptstraße in Richtung H. Der Verfolgte überfuhr an einer Straßenkreuzung eine für ihn rote Ampel mit unverminderter Geschwindigkeit, erfasste mit seinem Fahrzeug den Verunglückten M. C., der an dieser Kreuzung mit seinem Fahrrad die Straße überqueren wollte und riss ihn ca. 20 m auf der Straße mit, wodurch der Verunglückte Verletzungen erlitt. Der Verunglückte wurde unmittelbar nach dem Unfall in ein Krankenhaus gebracht, verstarb dort aber an den erlittenen Verletzungen.

Wegen des dargestellten Sachverhalts wurde der Verfolgte in der Türkei mit Urteil des Landgerichts K. vom 22.02.2008, Az.: 2007/974, rechtskräftig seit dem 12.12.2011, zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Mit Schriftsatz seines Rechtsbeistands vom 03.08.2016 hat der Verfolgte Einwendungen gegen seine Auslieferung in die Türkei erhoben und hat beantragt, den Auslieferungshaftbefehl vom 11.07.2016 aufzuheben oder ihn zumindest außer Vollzug zu setzen.

Der Verfolgte hat hierbei gerügt, dass sich bei den Auslieferungsunterlagen nicht das Urteil des 12. Strafsenats am Kassationsgerichtshof vom 12.12.2011, Gz.: 2011/4765, Urteils-Nr. 2011/7952, befindet. Die Auslieferungsunterlagen seien unvollständig.

Dies trifft zu, allerdings wird im Bericht der Leitenden Staatsanwaltschaft K. vom 04.04.2016, welcher Teil der Auslieferungsunterlagen ist, diesbezüglich unter der Überschrift „Zum Verfahren vom Erlassen bis zur Rechtskraft des Urteils“ folgendes berichtet:

Durch das Urteil des Landgerichts K., 1. Strafkammer, vom 22.02.2008, Geschäfts-Nr. 2007/974, Urteils-Nr. 2008/148, wurde beschlossen, dass der Verurteilte mit Gefängnis von 6 Jahren bestraft wird. Dieses Urteil wurde dann durch das Urteil des 12. Strafsenats am Kassationshof vom 12.12.2011, Geschäfts-Nr. 2011/4765, Urteils-Nr. 2011/7952, bestätigt und ist seitdem rechtskräftig.

Bei den Auslieferungsunterlagen befindet sich ferner der „Vermerk zur Rechtskraft“ des Landgerichts K., 1. Strafkammer vom 02.03.2012. Dort wird aufgeführt:

Rechtskräftig seit dem 12.12.2011, betroffener Senat des Kassationshofs: 12. Strafsenat, Urteil des Kassationshofs: erlassen am 12.12.2011, Geschäfts-Nr. des Kassationshofs: 2011/4765, Urteils-Nr. des Kassationshofs: 2011/7952.

Es folgt unter „Art der Rechtskraft“ folgender Zusatz: Nach Revision des Kassationshofs.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorgenannten Unterlagen bzw. deren Übersetzung in die deutsche Sprache Bezug genommen.

Der Verfolgte hat im Schriftsatz seines Beistands vom 03.08.2016 in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass die Staatsanwaltschaft des Obersten Gerichtshofs die Aufhebung des vorgenannten Urteils beantragt habe und hat ein Schriftstück vorgelegt, das in deutscher Übersetzung folgenden Inhalt hat:

An den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs der 9. Strafkammer:

Die oben genannte Akte wurde überprüft. Entsprechend der Entstehung des Falls und des Inhalts der Akte:

Obwohl bei den Ermittlungen die hauptsächlichen Augenzeugen des Falles Y. A. und Y. Ö. vernommen worden sind, fand ohne die Anhörung dieser die Verurteilung statt. Da dies gesetzeswidrig ist, wird das Urteil ohne weitere Überprüfung der sonstigen Fakten der Akte gemäß der türkischen Strafprozessordnung § 321 aufgehoben.

Der Antrag und die Akte werden zugestellt. 05.11.2008.

Angesichts dieses Kassationsantrags der Staatsanwaltschaft des Obersten Gerichtshofs sei im Auslieferungsverfahren das Kassationsurteil von Bedeutung, weil daraus zu entnehmen sein werde, wie mit dem Einwand, der Verfolgte sei nicht bei Rot über die Ampel gefahren, umgegangen wurde. Weil das Kassationsurteil nicht vorliege, seien die Auslieferungsunterlagen unvollständig.

Der Verfolgte hat im Schriftsatz vom 03.08.2016 gegen seine Verurteilung weiter eingewandt, dass der Getötete ein erhebliches Mitverschulden an dem Unfall gehabt habe. Dies sei im Urteil nicht angemessen berücksichtigt worden. Die zwei Tatzeugen, die von der Staatsanwaltschaft beim Obersten Gerichtshof im vorgenannten Vermerk erwähnt wurden, seien im Strafverfahren nicht vernommen worden. Ausweislich der vom Verfolgten vorgelegten Vernehmungen handelt es sich hierbei um die beiden Mitfahrer in dem Lastwagen, den der Verfolgte zum Tatzeitpunkt steuerte, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein. Beide Zeugen hatten sich bei ihren polizeilichen Vernehmungen als Freunde des Verfolgten bezeichnet und hatten übereinstimmend angegeben, dass die Verkehrsampel für den Verfolgten nicht Rot gezeigt habe.

Aus den Auslieferungsunterlagen ergibt sich insoweit, dass den beiden Aussagen der beiden Freunde des Verfolgten die Aussagen von zwei Zeugen, die sich in einem anderen Fahrzeug an derselben Kreuzung befanden, entgegenstehen.

Weiter rügt der Verfolgte, dass der Rechtskraftvermerk nicht unterschrieben sei, sondern das Urteil lediglich einen Stempel mit unleserlicher Schrift trage.

Ferner rügt der Verfolgte, dass die Freiheitsstrafe von 6 Jahren unerträglich hoch sei, da es sich hierbei um die Höchststrafe, die für fahrlässige Tötung in der Türkei verhängt werden könne, handele, obwohl der Verfolgte strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten sei und der später Getötete ein erhebliches Mitverschulden an der Unfallsentstehung getragen habe.

Weil es sich um eine unerträglich hohe Strafe handele, sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Deswegen sei die Auslieferung unzulässig.

Ferner wendet der Verfolgte ein, dass die Strafvollstreckung in der Türkei im Hinblick auf seine familiären Bindungen in Deutschland zu seiner (türkischen) Ehefrau und den drei Kindern, die alle drei die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, eine unzumutbare Härte darstelle.

Insoweit hat der Verfolgte vorgetragen, dass er sich seit mehr als 7 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland aufhält und familiär und sozial integriert sei. Bezüglich der familiären Aspekte sei zudem zu berücksichtigen, dass die drei minderjährigen Kleinkinder bei einer Strafvollstreckung in der Türkei jahrelang ohne ihren Vater aufwachsen müssten.

Zwar sei die Türkei ein Mitgliedsstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention; allerdings habe die Türkei infolge des Putschversuchs vom 15.07.2016 am 21.07.2016 beim Europarat eine Deklaration hinterlegt, nach der die Türkei wegen des Putschversuchs die Grundrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention außer Kraft gesetzt habe.

Auch wegen dieser Umstände sei die Auslieferung des Verfolgten unzulässig. Es bestehe insoweit ein Auslieferungshindernis gemäß § 73 IRG.

Sein Vorbringen hat der Verfolgte mit Schriftsatz seines Rechtsbeistands vom 08.08.2016 ergänzt. Hier hat er vorgetragen, dass in der Türkei nach übereinstimmenden Berichten vieler Presseorgane mindestens 10.000 Menschen infolge des Putschversuchs verhaftet worden seien. Im Falle der Auslieferung des Verfolgten würde dieser in der Türkei daher derzeit Haftbedingungen vorfinden, die dem deutschen ordre public widersprächen.

Selbst wenn die Türkei etwaige Zusicherungen abgeben würde, dass der Verfolgte nach erfolgter Auslieferung unter Haftbedingungen inhaftiert sein würde, die den europäischen Mindeststandards entsprächen, seien diese Zusicherungen keinesfalls werthaltig.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die beiden vorgenannten Schriftsätze vom 03.08.2016 und vom 08.08.2016 und die diesen beigegebenen Unterlagen Bezug genommen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Schreiben vom 08.08.2016 beantragt, die Fortdauer der Auslieferungshaft anzuordnen und die Auslieferung des Verfolgten für zulässig zu erklären.

II. Die Fortdauer der Auslieferungshaft war anzuordnen, nachdem sich hinsichtlich der Haftgründe keine Veränderungen zugunsten des Verfolgten ergeben haben. Die Auslieferungshaft ist auch weiterhin verhältnismäßig. Aus diesem Grund war der Antrag vom 03.08.2016 auf Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls zurückzuweisen. Für eine Außervollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls fehlt es weiterhin an der erforderlichen Vertrauensgrundlage.

Entgegen der Ansicht des Verfolgten sind die Auslieferungsunterlagen auch ohne das Urteil des Kassationsgerichtshofs vollständig, ein Verstoß gegen § 10 Abs. 1 IRG liegt nicht vor. Die von den türkischen Behörden vorgelegten Auslieferungsunterlagen sind ausreichend, um die Zulässigkeit der Auslieferung im Hinblick auf § 3 Abs. 3 IRG (Vorliegen einer vollstreckbaren freiheitsentziehenden Sanktion) zu beurteilen.

Angesichts der mehrfachen Ausführungen der türkischen Behörden in den Auslieferungsunterlagen (vgl. oben unter I.), dass das Urteil des Landgerichts K. vom 22.02.2008, Az.: 2007/974, rechtskräftig ist, bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dem nicht so sein könnte, auch wenn der Rechtskraftvermerk auf dem Urteil lediglich aus einen Stempel mit unleserlicher Schrift besteht.

Soweit in der deutschen Übersetzung des Auslieferungsersuchens vom 04.04.2016 aufgeführt wird: „Beschluss erlassen am 05.12.2003 kann dies zwar schon aus logischen Gründen nicht zutreffend sein. Da es sich hierbei ersichtlich lediglich um ein Schreib- bzw. Übertragungsversehen des Übersetzers handelt. Das türkische Original des Auslieferungsersuchens enthält insoweit das Datum „22.02.2008“.

Die Vollstreckbarkeit des Urteils ist somit ausreichend nachgewiesen (vgl. Schomburg/Lagodny/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., § 10 IRG Rn. 22).

Es steht dem Verfolgten frei, über seine damaligen Verteidiger im türkischen Strafverfahren das Urteil das Kassationsgerichtshofs anzufordern, wenn er wissen will, warum der Kassationsgerichtshof dem Aufhebungsantrag der Staatsanwaltschaft nicht gefolgt ist. Für das Auslieferungsverfahren genügt es, dass das zu vollstreckende Urteil rechtskräftig ist.

Entgegen der Ansicht des Verfolgten ist auch eine Tatverdachtsprüfung nach § 10 Abs. 2 IRG nicht geboten. Die vom Verfolgten im Auslieferungsverfahren - wie offensichtlich bereits im türkischen Strafverfahren - vorgebrachten Einwände, dass er nicht bei Rot gefahren sei, dass das Opfer ein erhebliches Mitverschulden habe und dass in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht K. seine zwei Freunde, die mit ihm im Lastwagen saßen, nicht gehört wurden, wurden nach Aktenlage im türkischen Strafverfahren bzw. Kassationsverfahren behandelt. Der Umstand, dass die Einwände des Verfolgten nicht zu einer abweichenden Beurteilung seiner Schuld im Strafverfahren geführt haben, führt nicht dazu, dass nunmehr im Auslieferungsverfahren eine Tatverdachtsprüfung durchzuführen wäre.

Soweit der Verfolgte eingewandt hat, selbst die Staatsanwaltschaft habe die Kassation des Urteils des Landgerichts K. beantragt, rechtfertigt auch dies keine abweichende Sachentscheidung. Denn dass das Revisionsgericht einem Aufhebungsantrag der Staatsanwaltschaft nicht folgt, ist auch im deutschen Recht nichts Ungewöhnliches. Fest steht aufgrund der vorliegenden Auslieferungsunterlagen, dass das auslieferungsgegenständliche Urteil aufgrund der Entscheidung des Kassationsgerichtshofs vom 12.12.2011 rechtskräftig ist.

Dass die in der Türkei gegen den Verfolgten verhängte Freiheitsstrafe den Strafrahmen von § 222 des deutschen Strafgesetzbuchs um 1 Jahr übersteigt, macht die Auslieferung nicht gem. § 73 IRG unzulässig (vgl. die Übersicht Schomburg/Lagodny § 73 Rn. 60, insbes. Beschluss des OLG Köln vom 29.10.2009 - 6 AuslA 77/09).

In Anbetracht des Umstands, dass aus den Auslieferungsunterlagen hervorgeht, dass in der Türkei rechtskräftig festgestellt wurde, dass der Verfolgte zum Tatzeitpunkt einen Lkw steuerte, obwohl er nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war, dass er mit nicht angepasster bzw. überhöhter Geschwindigkeit in eine Kreuzung einfuhr, obwohl die Lichtzeichenanlage für seine Fahrtrichtung Rot zeigte und dass er nach dem Unfall nicht anhielt, sondern seine Fahrt zunächst fortsetzte, erscheint die verhängte Freiheitsstrafe von 6 Jahren entgegen der Ansicht des Beistands des Verfolgten auch nicht als unerträglich schwere Strafe, sondern allenfalls um eine harte Strafe, die nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Auslieferung führt (BVerfG Beschluss vom 31.08.1986 - 2 BvR 661/86).

Zwar ist diese Freiheitsstrafe am obersten Rand des in der Türkei für fahrlässige Tötung vorgesehenen Strafrahmens von bis zu 6 Jahren angesiedelt. Dies erscheint angesichts der vorgenannten Besonderheiten des Tatgeschehens jedoch nicht völlig unvertretbar. In Deutschland kann eine fahrlässige Tötung auch mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren geahndet werden. Dem Senat steht es im Auslieferungsverfahren nicht zu, eigene bzw. Strafzumessungserwägungen des deutschen Strafrechts an die Stelle der Strafzumessungserwägungen des türkischen Gerichts zu setzen.

Angesichts der vorgenannten zahlreichen und rechtskräftig festgestellten, auch aus der Sicht des deutschen Rechts durchaus strafschärfenden Umstände, erscheint die Freiheitsstrafe von 6 Jahren jedenfalls nicht grob unverhältnismäßig.

Auch der Eingriff in das Privat- und Familienleben des Verfolgten steht der Auslieferung nicht entgegen. Ein solcher Eingriff ist einer Auslieferung, die von der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Europäischen Auslieferungsübereinkommens (EuAlÜbk), dem sowohl die Türkei als auch Deutschland beigetreten sind, grundsätzlich durchzuführen ist, immanent. Gründe für eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Verfolgten liegen nicht vor. Nach Aktenlage hat er zudem seinen Wohnsitz nach Deutschland verlegt, kurz nachdem er in der Türkei zu der Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt wurde. Die vom Verfolgten insoweit angeführte Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 10.08.2006 (NStZ 2007, 111) ist schon deswegen unbehelflich, weil es sich vorliegend nicht um eine Auslieferung auf der Grundlage des Europäischen Haftbefehls handelt.

Auch das übrige Vorbringen des Verfolgten hinsichtlich der vorgenannten Punkte führt nicht zur Unzulässigkeit der Auslieferung.

Gleichwohl war die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung weiterhin zurückzustellen.

Denn es steht der Zulässigkeit der Auslieferung (derzeit) ein Auslieferungshindernis nach § 73 Satz 1 IRG entgegen, da der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung in der Türkei in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert werden könnte, die europäischen Mindeststandards nicht genügt bzw. in der er - insbesondere wegen einer Überbelegung der Haftanstalt - einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre (vgl. die Senatsentscheidungen zu Bulgarien vom 27.10.2015 und vom 14.12.2015 - 1 AR 392/15; vom 11.01.2016 und vom 08.03.2016 - 1 AR 2/16)

Diese Befürchtung gründet sich auf Presseberichte und Berichte von nichtstaatlichen Organisationen wie Amnesty International, dass in der Türkei infolge des Putschversuchs vom 15.07.2016 inzwischen sehr viele Menschen (berichtet wird insoweit von bis zu 17.000 Personen) verhaftet wurden. Nachdem diese Verhaftungen bzw. die Zahl der verhafteten Personen von der türkischen Regierung in den dem Senat zugänglichen Medien nicht dementiert wurden und auch von danach erfolgten massenhaften Freilassungen nicht berichtet wurde, ist davon auszugehen, dass die Zahl der festgenommenen Personen zumindest größenordnungsmäßig zutrifft und dass diese festgenommenen Personen in den bestehenden Gefängnissen der Türkei inhaftiert wurden, nachdem hierzu nichts abweichendes bekannt geworden ist.

Die Haftbedingungen in der Türkei müssen sich daher verschlechtert haben, da - soweit ersichtlich -bislang neue Haftanstalten nicht errichtet wurden und die türkischen Haftanstalten zuvor nicht unterbelegt waren.

Es bestehen daher erhebliche Bedenken, ob die vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof für erforderlich gehaltenen Haftbedingungen schon im Hinblick auf die Quadratmeterzahl, die einem Häftling mindestens zur Verfügung stehen muss, gegenwärtig in der Türkei eingehalten werden können.

Damit könnte eine Auslieferung des Verfolgten an die Türkei gegenwärtig gegen Artikel 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) verstoßen.

Im Hinblick auf Art. 3 EMRK müssen die Hafträume nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bestimmte Bedingungen aufweisen, insbesondere müssen die vorhandenen Tageslichtverhältnisse und die vorhandenen Sanitärzellen ausreichend sein. Auch das Niveau der Beleuchtung, der Heizung, der Lüftung und der medizinischen Versorgung sowie der Ernährung der Häftlinge ist insoweit von Bedeutung.

Zwar hat die Türkei nach dem Putschversuch von der Möglichkeit aus Art. 15 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention Gebrauch gemacht, auch Maßnahmen zu treffen, die von den in der Konvention vorgesehenen Verpflichtungen abweichen. Eine entsprechende Erklärung hat die Türkei auch bereits gegenüber dem Europarat abgegeben.

Allerdings darf nach Art. 15 Abs. 2 EMRK auch im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen von Art. 15 Abs. 1 EMRK von Artikel 2 (Recht auf Leben) nur bei Todesfällen infolge rechtmäßiger Kriegshandlungen und von Artikel 3 (Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung), von Artikel 4 (Verbot der Sklaverei) und von Artikel 7 (Verbot der Verurteilung wegen einer Handlung oder Unterlassung, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war; Verbot, eine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe zu verhängen) in keinem Fall abgewichen werden.

Das bedeutet, dass die Haftbedingungen in der Türkei trotz des Ausnahmezustands auch weiterhin nicht gegen Art. 3 EMRK verstoßen dürfen.

Da der Verfolgte aber im Falle seiner Auslieferung wegen der oben ausgeführten Umstände in der Türkei in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert werden könnte, die - insbesondere infolge Überbelegung - europäischen Mindeststandards nicht genügt bzw. in der er wegen der Überbelegung einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre, besteht im gegenwärtigen Zeitpunkt ein Zulässigkeitshindernis nach § 73 Satz 1 IRG.

Dieses Zulässigkeitshindernis kann jedoch dadurch ausgeräumt werden, dass die türkischen Behörden eine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung in Bezug auf die Haftbedingungen, unter denen der Verfolgte nach erfolgter Auslieferung inhaftiert sein wird, abgeben.

Im Auslieferungsverkehr zwischen Deutschland und anderen Staaten ist dem ersuchenden Staat im Hinblick auf die Einhaltung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und des Menschenrechtsschutzes grundsätzlich Vertrauen entgegenzubringen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 09.03.2016 - 2 BvR 348/16). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind daher vom ersuchenden Staat im Auslieferungsverkehr gegebene völkerrechtlich verbindliche Zusicherungen geeignet, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen, sofern nicht im Einzelfall zu erwarten ist, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird (vgl. BVerfGE 63, 215; 109, 38; BVerfGK 2, 165; 3, 159; 6, 13; 6, 334; 13, 128; 13, 557; 14, 372). Hiervon ist vorliegend entgegen der Behauptung des Verfolgten nicht auszugehen.

Die völkerrechtlich verbindliche Zusicherung in Bezug auf die Haftbedingungen, unter denen der Verfolgte nach erfolgter Auslieferung inhaftiert sein wird, muss die folgende Punkte umfassen:

Angabe der Haftanstalt (genaue namentliche Bezeichnung der Haftanstalt), in die der Verfolgte nach erfolgter Auslieferung aufgenommen und in der er während der Dauer des Freiheitsentzugs inhaftiert sein wird;

Zusicherung, dass die räumliche Unterbringung und die sonstige Gestaltung der Haftbedingungen in dieser Haftanstalt den europäischen Mindeststandards entsprechen und den Häftlingen dort keine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung im Sinne von Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten droht;

Beschreibung der Haftbedingungen in der namentlich benannten Haftanstalt, insbesondere im Hinblick auf: Zahl der Haftplätze, Gesamtzahl der Gefangenen, Anzahl, Größe und Ausstattung der Hafträume (insbesondere auch Angaben zu Fenstern, Frischluftzufuhr und Heizung), Belegung der Hafträume, Ausstattung der Haftanstalt mit sanitären Einrichtungen, Verpflegungsbedingungen, Art und Bedingungen des Zugangs der Häftlinge zu medizinischer Versorgung.

Darüber hinaus ist von den türkischen Behörden zuzusichern, dass Besuche durch diplomatische oder konsularische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland beim Verfolgten während der Dauer seiner Inhaftierung möglich sind.

Nachdem eine solche Zusicherung durch die türkischen Behörden möglich erscheint, war die Auslieferung nicht für unzulässig zu erklären, sondern die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung erneut zurückzustellen.

Die Generalstaatsanwaltschaft wird gebeten, die türkischen Behörden unter Bekanntgabe dieser Entscheidung des Senats um Abgabe einer entsprechenden Zusicherung bis spätestens 28.09.2016 (Eingang beim Senat) zu ersuchen.

Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leistung von Rechtshilfe unzulässig, wenn die Erledigung zu den in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätzen im Widerspruch stünde.

(1) Soweit dieses Gesetz keine besonderen Verfahrensvorschriften enthält, gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und seines Einführungsgesetzes, der Strafprozeßordnung, des Jugendgerichtsgesetzes, der Abgabenordnung und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sinngemäß.

(2) Bei der Leistung von Rechtshilfe für ein ausländisches Verfahren finden die Vorschriften zur Immunität, zur Indemnität und die Genehmigungsvorbehalte für Durchsuchungen und Beschlagnahmen in den Räumen eines Parlaments Anwendung, welche für deutsche Straf- und Bußgeldverfahren gelten.