Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 30. Sept. 2016 - 8 U 127/16

ECLI:ECLI:DE:OLGKOBL:2016:0930.8U127.16.0A
30.09.2016

1. Der Senat beabsichtigt nach vorläufiger Beratung, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 11. Januar 2016, Az. 3 O 148/15, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 04. November 2016.

Gründe

I.

1

Die Kläger nehmen die beklagte Landesbank nach Widerruf ihrer auf Abschluss von Darlehensverträgen gerichteten Willenserklärungen auf Rückzahlung von Aufhebungsentgelten, auf Zahlung eines saldierten Ausgleichsbetrages und auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten in Anspruch.

2

Im Januar 2009 schlossen die Kläger mit der Beklagten einen Verbraucherdarlehensvertrag zur Finanzierung des Erwerbs einer Wohnung in A. über einen Darlehensbetrag von 95.000,00 Euro. Die Parteien vereinbarten einen Zinssatz von nominal 4,41 %, der bis zum 31. Dezember 2028 unveränderlich sein sollte. Mit Datum vom 19./23. Juni 2009 schlossen die Parteien einen weiteren Verbraucherdarlehensvertrag, in dem sie eine Darlehensvaluta von 20.000,00 Euro mit einem bis zum 31. Mai 2019 festgeschriebenen Nominalzinssatz von 5,58 % vereinbarten.

3

Mit rechtsanwaltlichem Schreiben vom 12. Januar 2015 (Anlage K 5) erklärten die Kläger den Widerruf ihrer auf Abschluss der beiden Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen. Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 21. Januar 2015 (Anlage K 6) zurück.

4

Am 02./13. Februar 2015 einigten sich die Parteien sodann bezüglich jedes der beiden Darlehensvertragsverhältnisse auf einen Aufhebungsvertrag gegen Aufhebungsentgelt, wobei sich die Kläger gegenüber der Beklagten verpflichteten, das jeweilige Darlehen vorzeitig zurückzuführen und dafür ein Aufhebungsentgelt von 10.841,72 bezüglich des höher valutierenden Darlehensvertrages und ein weiteres Aufhebungsentgelt von 2.892,97 € für den zweiten Vertrag zu zahlen. Die Kläger leisteten die beiden vereinbarten Zahlungen in der Folgezeit an die Beklagte. Bezüglich des genauen Wortlauts der beiden Vereinbarungen wird auf die Anlagen B 3a und B 3b Bezug genommen.

5

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27. März 2015 erhoben die Kläger Klage auf Rückzahlung der von ihnen an die Beklagte gezahlten Aufhebungsentgelte in Höhe von zusammen 13.734,69 €. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12. Oktober 2015 erweiterten die Kläger ihre Klage und verlangten nach Saldierung der aus ihrer Sicht bestehenden gegenseitigen Rückabwicklungspositionen die Zahlung weiterer 14.204,06 €.

6

Die Kläger sind der Ansicht, dass sie beide Darlehensverträge wirksam und fristgerecht widerrufen hätten, weil die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß gewesen sei und auch nicht vollständig dem gesetzlichen Muster der Anlage 2 zur § 14 BGB-InfoV entsprochen habe. Der Abschluss der Aufhebungsvereinbarungen nach erklärtem Widerruf stehe einer Rückabwicklung nicht entgegen.

7

Die Kläger haben zuletzt beantragt,

8

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.734,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.03.2015 zu zahlen,

9

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 14.204,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

10

3. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an sie die Kosten der außergerichtlichen Rechtsvertretung in Höhe von 1.416,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. Januar 2016 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Darlehensvertrag durch eine einvernehmliche Vertragsaufhebung in Wegfall geraten sei. Die Ablösevereinbarung stelle in beiden Fällen einen wirksamen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der von der Beklagten vereinnahmten Vorfälligkeitsentschädigung dar. Zugleich bestehe aufgrund der Vereinbarungen vom Februar 2015 kein Rückabwicklungsschuldverhältnis mehr, sodass eine Saldierung gegenseitiger Ansprüche nicht erfolgen könne.

14

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren mit den in der ersten Instanz gestellten Anträgen weiterverfolgen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 08. April 2016 (Bl. 229 ff. GA) Bezug genommen. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzlich ergangene Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung. Hinsichtlich der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz vom 09. Mai 2016 (Bl. 254 ff. GA) Bezug genommen.

II.

15

Der Senat beabsichtigt nach vorläufiger Beratung, die Berufung der Kläger gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

16

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

17

Dabei bedarf es vorliegend keiner näheren Erörterung, ob der Widerruf fristgerecht erfolgt ist, weil die Widerrufsbelehrung unzureichend war und die Beklagte auch inhaltliche Veränderungen der gesetzlichen Vorlage vorgenommen hat, die ein Eingreifen der Gesetzlichkeitsfiktion ausschließen.

18

Einem Anspruch der Kläger auf Rückzahlung der Aufhebungsentgelte und dem weiter geltend gemachten Zahlungsanspruch nach Saldierung vermeintlicher gegenseitiger Rückabwicklungspositionen steht jedenfalls die zwischen den Parteien geschlossene jeweilige Aufhebungsvereinbarung vom Februar 2015 entgegen.

1.

19

Die Vereinbarungen vom Februar 2015 stellen jeweils einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der von den Klägern an die Beklagte geleisteten Aufhebungsentgelte dar, sodass Ansprüche der Kläger aus Bereicherungsrecht gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht bestehen.

20

a) Zwar führen die Kläger zu Recht an, dass in dem Abschluss einer Ablösevereinbarung gegen eine Vorfälligkeitsentschädigung nach der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, unter anderem auch des Senats, grundsätzlich keine Aufhebung des ursprünglichen Darlehensvertrages zu sehen ist, die den Widerruf ausschließen kann, sondern lediglich die vertragliche Vorverlagerung der Fälligkeit unter modifizierender Aufrechterhaltung des Verbraucherdarlehensschuldverhältnisses (OLG Koblenz, Urteil vom 19. August 2016, Az. 8 U 126/16, und Urteil vom 29. Juli 2016, Az. 8 U 927/15; Beschluss vom 26. Mai 2014, Az. 8 U 1096/14 m.w.N.; OLG Stuttgart, Urteil vom 29. September 2015 - 6 U 21/15 -, Rn. 55, und BGH, Beschluss vom 5. April 2016 - XI ZR 478/15 -, juris).

21

Dieser Rechtsprechung liegt aber der Gedanke zugrunde, dass der Darlehensnehmer als Verbraucher mit dem Abschluss der Ablösevereinbarung in der Regel gerade nicht beabsichtigt, bestehende Unsicherheiten über ein Widerrufsrecht zu beseitigen und die vertraglichen Beziehungen endgültig zu beenden. Das OLG Stuttgart führt dementsprechend in seiner bereits zitierten Entscheidung vom 29. September 2015 aus:

22

„Ein selbständiger Rechtsgrund für das Behalten-Dürfen des Aufhebungsentgelts wurde durch die Vereinbarung vom ... nicht geschaffen.

23

Zwar wäre es grundsätzlich möglich, dass ein Darlehensnehmer auf sein Widerrufsrecht ganz oder zum Teil verzichtet und eine vergleichsweise Regelung abschließt. Diese Möglichkeit des Vergleichs gilt auch bei zwingenden Rechtssätzen. Voraussetzung ist aber, dass der Vergleich einen Streit oder eine Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt, sofern diese Zweifel auch bei objektiver Beurteilung bestehen ... .

24

Voraussetzung für einen diesen Grundsätzen folgenden wirksamen Verzicht wäre allerdings, dass Unsicherheiten der Parteien gerade über das Widerrufsrecht bestehen, dessen sich der Darlehensnehmer sodann begibt. Dazu müsste der Darlehensnehmer denknotwendig wissen, dass ihm ein Widerrufsrecht überhaupt noch zur Verfügung steht, um dann zu entscheiden, ob er dieses Recht - unter bestimmten Bedingungen - aufgeben will. Diese Anforderung ist vorliegend nicht erfüllt. Zum Zeitpunkt, als die Kläger die sogenannte Aufhebungsvereinbarung unterzeichneten war ihnen gerade nicht bewusst, dass sie die Verträge auch hätten widerrufen können.“

25

Der vorliegende Fall stellt sich demgegenüber in einem entscheidenden Punkt anders dar. Die Kläger haben die beiden Aufhebungsvereinbarungen mit der Beklagten nämlich zu einem Zeitpunkt geschlossen, als sie den Widerruf bereits erklärt hatten. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der beiden Aufhebungsvereinbarungen war ihnen das (vermeintlich) bestehende Widerrufsrecht daher bekannt.

26

b) Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls grundsätzlich in den zwischen den Parteien abgeschlossenen „Aufhebungsverträgen gegen Aufhebungsentgelt“ auch eine wirksame Abbedingung der Folgen des Widerrufs und die Schaffung eines Rechtsgrundes für die Zahlung des Aufhebungsentgelts liegen. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles.

27

aa) Zunächst scheint der Wortlaut „Aufhebungsvertrag“ als Bezeichnung der beiden Vereinbarungen zwar für die Rechtsauffassung der Beklagten zu sprechen, dass die Parteien das Darlehensverhältnis förmlich „aufheben wollten“. Aus dem nachfolgenden Text der Vereinbarungen ergibt sich dann aber keine ausdrückliche Vereinbarung dahingehend, dass mit dem Abschluss der Vereinbarungen das Rückabwicklungsschuldverhältnis einer endgültigen Klärung zugeführt werden soll. Auch aus der Bezeichnung „Aufhebungsentgelt“ lässt sich keine entsprechende Absicht beider Parteien ableiten, da die vereinbarten Zahlbeträge schlussendlich durch die Sondertilgung und vorzeitige Rückführung errechnete Vorfälligkeitsentschädigungen darstellen.

28

bb) Allerdings kommt eine Behandlung der Vereinbarungen vom 03/13. Februar 2015 als bloße Übereinkunft über die Vorverlagerung der Fälligkeit vorliegend deshalb nicht in Betracht, weil angesichts des von den Klägern bereits ausgeübten Gestaltungsrechts des Widerrufs eine Vereinbarung, die lediglich die Fälligkeit vorverlagert, keinen eigenständigen Sinn hat. Denn infolge des Widerrufs wären im Rahmen des jeweils entstandenen Rückabwicklungsschuldverhältnisses die gegenseitig empfangenen Leistungen zum Stichtag des Zugangs der Widerrufserklärung zurückzugewähren, sodass es keiner Vorverlagerung der Fälligkeit bedarf. Die getroffenen Vereinbarungen machen nur dann Sinn, wenn die Parteien davon ausgegangen sind, dass die beiden ursprünglichen Darlehensverhältnisse möglicherweise fortbestehen und nicht bereits durch berechtigte Widerrufe in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis gewandelt worden waren. Zwischen den Parteien bestand diesbezüglich offenbar eine Unsicherheit, die Veranlassung gewesen ist, die beiden Schuldverhältnisse durch eine gesonderte Vereinbarung einer Beendigung zuzuführen. Denn die Beklagte hatte dem Widerruf widersprochen und damit eindeutig zu erkennen gegeben, dass sie sich nicht ohne Weiteres auf das Rückabwicklungsbegehren der Kläger einlassen werde.

29

Die als Aufhebungsvertrag bezeichneten beiden Übereinkünfte der Parteien stellen sich damit als selbstständige vertragliche Vereinbarung nach §§ 241 Abs. 1, 311 Abs. 1, 779 BGB dar, mit der die Parteien eine bestehende Unsicherheit über den ausgeübten Widerruf und dessen mögliche Rechtsfolgen beseitigen und nicht lediglich die Fälligkeit vorverlagern wollten.

30

cc) Einen Vorbehalt über eine gerichtliche Überprüfung des Aufhebungsentgelts haben die anwaltlich beratenen Kläger nicht gemacht. Sie haben vielmehr sogar aufgrund der beiden Vereinbarungen tatsächlich die vereinbarten Gelder an die Beklage gezahlt und damit bestätigt, dass die Vereinbarungen über die Zahlung der Entgelte trotz Kenntnis der erfolgten Widerrufe von ihnen als verbindliche Übereinkunft hinsichtlich der Beendigung der Vertragsverhältnisse angesehen wurden.

2.

31

Mit der so auszulegenden Vereinbarung haben die Parteien zugleich die Folgen eines vermeintlich durch wirksamen Widerruf eingetretenen Rückabwicklungsschuldverhältnisses abbedungen und die Rückgewähr der gegenseitigen Leistungen und gezogenen Nutzungen durch die Zahlung eines Aufhebungsentgelts ersetzt.

3.

32

Die Kläger verhalten sich zudem widersprüchlich im Sinne eines Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Das OLG Köln hat in einem vergleichbaren Fall in einem Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO vom 10. Februar 2016 (Aktenzeichen 13 U 137/15, BeckRS 2016, 08127) ausgeführt:

33

„Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte nicht zu. Es kann dahinstehen, ob die Widerrufsbelehrung bezüglich des streitgegenständlichen Darlehensvertrages den an sie zu stellenden Anforderungen gerecht geworden ist oder der Beklagten die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterbelehrung zur Seite steht. Unterstellt man zugunsten der Klägerin, dass die Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt hat, stand der Ausübung eines Widerrufsrechts durch die Klägerin der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Zwar ist widersprüchliches Verhalten nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2014 - BGH, IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 33). Indessen ist widersprüchliches Verhalten rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand entstanden ist oder besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann eine Rechtsausübung etwa dann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick darauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom 14.07.2015, VI ZR 326/14 Rn. 26 = MDR 2015, 1198, 1199). Für den aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs sind weder unredliche Absichten oder ein Verschulden des Klägers erforderlich. Durch das Verhalten des Rechtsinhabers muss nur ein ihm erkennbares, schutzwürdiges Vertrauen der Gegenseite auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage hervorgerufen worden sein (BGH, Urteil vom 16. Juli 2014, IV ZR 73/13, BGHZ 202, 122, Rn. 37).

34

So liegt es hier. Der Klägerin war ihr Widerrufsrecht bekannt. Dies ergibt sich aus ihren an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 27. August und 6. Dezember 2013. Aufgrund der Schreiben der Beklagten vom 30. September und 12. Dezember 2013 war der Klägerin auch bekannt, dass sie und die Beklagte hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit der Widerrufsbelehrung und damit bezüglich des (Fort-)Bestandes des Widerrufsrechtes unterschiedliche Auffassungen vertraten und ihr nach Auffassung der Beklagten weder ein Widerrufsrecht noch ein Kündigungsrecht hinsichtlich des streitgegenständlichen Darlehensvertrages zustand.

35

Vor diesem Hintergrund konnte die Beklagte die ohne Vorbehalt erfolgte Zahlung des von ihr mit Schreiben vom 27. Dezember 2013 als Voraussetzung für eine vorzeitige Beendigung des Darlehensverhältnisses ausgerechneten Ablösebetrags zzgl. Vorfälligkeitsentschädigung nicht anders verstehen, als dass die Klägerin diesem Angebot zustimmen und von dem für sich reklamierten „jederzeitigen“ Widerrufsrecht keinen Gebrauch machen würde.

36

Mit der Ausübung des Widerrufsrechts hat sich die Klägerin in rechtsmissbräuchlicher Weise in Widerspruch zu ihrem vorangegangenen Verhalten gesetzt, denn die Beklagte war, wie sich aus Schreiben vom 27. Dezember 2013 ergibt, zum Abschluss der Aufhebungsvereinbarung nur unter der Voraussetzung bereit, dass der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung mit dem Abschluss der Aufhebungsvereinbarung geklärt wird. Die Beklagte durfte angesichts dieser Umstände darauf vertrauen, dass die Klägerin nach vorbehaltlosem Abschluss der Aufhebungsvereinbarung ein etwaiges Widerrufsrecht nicht geltend machen würde. Das Vertrauen der Beklagten in den Fortbestand der mit der Aufhebungsvereinbarung geschaffenen Rechtslage ist angesichts der vorangegangenen Differenzen hinsichtlich des Widerrufsrechts auch schützenswert.“

37

Der Senat teilt diese Auffassung.

3.

38

Die Voraussetzungen eines versteckten Einigungsmangels im Sinne des § 155 BGB liegen entgegen der Ansicht der Kläger nicht vor. Nicht ausreichend für einen Dissens ist, dass die Parteien unter Umständen Verschiedenes gewollt haben (Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Auflage, München 2016, § 155 Rn. 2). Vielmehr ist für die Frage des Vorhandenseins eines Einigungsmangels auf den Inhalt der Erklärungen abzustellen, wie er sich nach dem objektiven Empfängerhorizont gem. §§ 133, 157 BGB darstellt. Sowohl die Formulierung der Aufhebungsvereinbarung als auch der Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung deuten darauf hin, dass beide Parteien mit dem Abschluss der Vereinbarung die bestehende Unsicherheit über das Widerrufsrecht nach erklärtem Widerruf beseitigen und die vertragliche Beziehung endgültig beenden wollten. Soweit die Kläger, die beim Abschluss der Aufhebungsvereinbarungen im Übrigen anwaltlich beraten waren, vortragen, dass sie sich in einem Irrtum befunden haben, käme allenfalls eine Anfechtung in Betracht. Diesbezüglich fehlt es aber bereits an einer unverzüglichen Erklärung der Anfechtung.

4.

39

Vorliegend ist entgegen den klägerischen Ausführungen auch nicht erkennbar, dass besondere Gesichtspunkte des Verbraucherschutzes eine andere Auslegung der Aufhebungsvereinbarung und der mit ihr verknüpften Rechtsfolgen gebieten. Die Kläger waren anwaltlich beraten. Es stand den Klägern nach erklärtem Widerruf frei, ihren Rechtsstandpunkt in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen zu lassen oder durch Abschluss einer Vereinbarung über die Beendigung des Darlehensverhältnisses beizulegen. Hierin liegt kein Widerspruch zur gesetzlichen Wertung des § 511 BGB, da vorliegend Vereinbarungen nach ausgeübtem Widerruf in Rede stehen. § 511 BGB schließt lediglich gewisse Abweichungen zum Nachteil des Verbrauchers vor Ausübung des Gestaltungsrechtes aus. Er steht aber nicht dem Abschluss einer Einigung zur Beseitigung einer bestehenden Rechtsunsicherheit nach Erklärung des Widerrufs entgegen.

40

Insofern führen die Kläger unter rechtlichen Gesichtspunkten auch nicht weiter aus, warum die beiden im Februar 2015 geschlossenen Vereinbarungen rechtlich unwirksam sein sollen. Der Umstand, dass durch einen wirksam ausgeübten Widerruf ein Rückabwicklungsschuldverhältnis entstanden ist, schließt gerade nicht aus, dass Parteien im Rahmen der Parteiautonomie vertragliche Vereinbarungen treffen und dabei auch Regelungen in Bezug auf ein Rückabwicklungsschuldverhältnis treffen.

5.

41

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 280 Abs. 2 BGB. Voraussetzung eines Anspruch gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB wäre Verzugseintritt vor Beauftragung des Klägervertreters (BGH, Urteil vom 11. November 2008 - VIII ZR 265/07 -, Rn. 18). Zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs durch anwaltliches Schreiben vom 12 . Januar 2015 bestand keine Verzugslage.

42

Die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten kommt auch nicht unter den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 280 BGB in Betracht. Zwar liegt in der Verwendung einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung eine Pflichtverletzung der Beklagten im Sinne des § 280 BGB. Ein Schadensersatzanspruch setzt jedoch voraus, dass die verwendete fehlerhafte Widerrufsbelehrung auf einem Verschulden des beklagten Verwenders beruht. Die Beklagte handelte vorliegend jedoch nicht schuldhaft im Sinne eines etwa verschuldeten Rechtsirrtums (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 2008 - XI ZR 74/06 – Rn. 18, juris). Für einen Rechtsirrtum hat die Beklagte nur einzustehen, wenn sie die Rechtswidrigkeit ihres Handelns erkannt hat oder zumindest hätte erkennen können. Diesbezüglich wurde seitens der Kläger nichts vorgetragen. Eine Kenntnis oder Erkennbarkeit der Fehlerhaftigkeit der verwendeten Widerrufsbelehrung im Januar 2009 kann nicht ohne Weiteres unterstellt werden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Verwendung der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung ohne Verschulden handelte.

6.

43

Nach alledem hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg. Die Kläger mögen überdenken, ob sie die Berufung aufrechterhalten möchten. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 GKG).

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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

*

(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

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Tenor

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1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 48.376,95 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2013 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 14.111,52 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2013 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 4/5, die Kläger 1/5 zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch die jeweilige Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Kläger verlangen von der Beklagten die Rückerstattung gezahlter Vorfälligkeitsentschädigung, einer Bearbeitungsgebühr in Höhe von 150,00 € sowie die Zahlung von Nutzungsersatz nach einem Widerruf eines Darlehensvertrages nebst Zinsen sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren.

2

Mit Datum vom 28. August/3. September 2006 schlossen die Kläger mit der Beklagten zum Zwecke der Finanzierung einer Immobilie einen Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 380.000,00 € mit einem jährlichen bis zum 31. August 2021 garantierten Festzinssatz von 4,51 % (Anlage K 1). Das Darlehen wurde grundschuldrechtlich besichert.

3

Dem Darlehensvertrag war eine Widerrufserklärung beigefügt, über deren Ordnungsgemäßheit die Parteien streiten (Anlage K 2).

4

Mit Schreiben vom 19. März 2013 (Anlage K 3) gestattete die Beklagte den Klägern aufgrund des Verkaufs der dem Darlehen zugrundeliegenden Immobilie die vollständige Rückzahlung des Darlehens und berechnete eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 48.226,95 € und eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 150,00 €.

5

Im Rahmen der der Beklagten übertragenen Zahlungsverkehrsabwicklung bei dem Verkauf der Immobilie behielt die Beklagte die geforderten Beträge ein.

6

Mit Schreiben vom 30. Mai 2013 haben die Kläger den mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag widerrufen (Anlage K 4).

7

Mit anwaltlichem Schreiben vom 19. Juli 2013 forderte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zur Rückzahlung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung nebst einer Bearbeitungsgebühr sowie zur Zahlung von Nutzungsersatz und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf (Anlage K 6).

8

Mit ihrer Klage vom 16. Oktober 2014 haben die Kläger geltend gemacht, der Darlehensvertrag sei wirksam widerrufen worden, da die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung nicht in Lauf gesetzt worden sei. Die Widerrufsbelehrung sei hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist (“frühestens“) missverständlich gewesen. Auf die Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie von der Musterbelehrung abgewichen sei. Auch nach beiderseitiger vollständiger Leistungserfüllung sei die Ausübung des Widerrufsrechts noch möglich. Ein Anspruch sei weder verwirkt noch liege eine missbräuchliche Rechtsausübung vor. Es bestehe bei Zahlungen an die Bank eine tatsächliche Vermutung, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses in Höhe von 5 Prozentpunkten gezogen habe.

9

Die Kläger haben beantragt,

10

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 48.376,95 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2013 zu zahlen.

11

2. Die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 26.415,48 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2013 zu zahlen

12

3. Die Beklagte ferner zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.561,83 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Sie hat die Auffassung vertreten, die Widerrufsbelehrung sei nicht fehlerhaft gewesen. Diese entspreche in allen Punkten den Vorgaben des § 355 Abs. 2 BGB a.F. Eine inhaltliche Bearbeitung der Musterbelehrung sei nicht erfolgt, so dass sie sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen könne. Im Übrigen habe die geschlossene Aufhebungsvereinbarung das Widerrufsrecht der Kläger beseitigt. Jedenfalls stehe der Ausübung des Widerrufsrechts der Einwand des Rechtsmissbrauchs und der Verwirkung entgegen.

16

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. Juli 2015 (Bl. 388 ff. GA), auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, die Widerrufsbelehrung sei hinsichtlich des Beginns der Frist fehlerhaft. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen, da die verwendete Widerrufsbelehrung nicht der Musterbelehrung entsprochen habe. Eine Rückabwicklung scheide aber vorliegend aus, da der Darlehensvertrag durch einvernehmliche Vertragsaufhebung zum Wegfall gekommen und die geschuldeten Leistungen vollständig erbracht worden seien. Auf die Frage des Einwands missbräuchlicher Rechtsausübung und Verwirkung komme es daher nicht mehr an.

17

Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung, mit der sie die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils begehren und ihre erstinstanzlich gestellten Anträge weiterverfolgen. Die Kläger rügen die Verletzung materiellen Rechts. Zur näheren Darstellung wird auf die Berufungsbegründung vom 21. Oktober 2015 (Bl. 444 ff. GA) sowie den Schriftsatz vom 30. Juni 2015 (Bl. 572 ff. GA) verwiesen.

18

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Auf ihre Berufungserwiderung vom 23. Dezember 2015 (Bl. 519 ff. GA) sowie den Schriftsatz vom 21. Juni 2016 (Bl. 565 ff. GA) wird ergänzend Bezug genommen.

II.

19

Die zulässige Berufung hat bis auf den über 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz hinaus begehrten Nutzungsersatz sowie die beanspruchten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten Erfolg.

20

Den Klägern steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der an die Beklagte geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung, der Bearbeitungsgebühr sowie eines Nutzungsersatzes in Höhe von 14.111,52 € gemäß §§ 346 Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 i.V.m. § 495 Abs. 1 BGB a.F. zu.

21

1. Die Kläger haben den Darlehensvertrag vom August/September 2006 wirksam widerrufen.

22

Das Widerrufsrecht der Kläger beruht auf §§ 355, 495 Abs. 1 BGB in der bis zum 11. Juni 2010 gültigen Fassung (a.F., vgl. Art. 229 §§ 9, 22 Abs. 2 EGBGB).

23

Die Kläger konnten ihr Widerrufsrecht auch noch mit Schreiben vom 30. Mai 2013 ausüben. Denn die für den Widerruf geltende Frist von zwei Wochen hatte nicht begonnen und war damit auch nicht verstrichen, weil die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung nicht dem in § 355 Abs. 2 BGB a.F. geregelten Deutlichkeitsgebot genügt hat. Die zweiwöchige Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm seine Rechte deutlich macht, erteilt wird. Die Widerrufsbelehrung hat, um ihren Zweck erreichen zu können, möglichst umfassend, unmissverständlich und aus der Sicht des Verbrauchers eindeutig zu sein (BGH, Urteil vom 13.01.2009 - XI ZR 118/08 -, zitiert nach juris). Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist daher über den Beginn der Frist eindeutig zu belehren (BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 - XI ZR 156/08, Rn 17 ff, zitiert nach juris).

24

Die in der Vertragsurkunde enthaltene Widerrufsbelehrung genügt diesen Anforderungen nicht. Sie enthielt den Hinweis, dass die Frist für den Widerruf „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ beginne. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine solche Belehrung unzureichend, da sie den Verbraucher nicht eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist aufklärt (vgl. Urteile vom 09. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08 - Rn 13, 15 m.w.N.; vom 29. April 2010 - I ZR 66/08 -; vom 01. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10 -; vom 02. Februar 2011 - VIII ZR 103/10 -; vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10 -; vom 5. Juni 2014 - III ZR 557/13 - Rn 19; vom 12. November 2015 - I ZR 168/14 - Rn 14; zitiert nach juris).

2.

25

Eine Berufung auf § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-InfoV und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der vom 8. Dezember 2004 bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Finanzverträge bei Finanzdienstleistungen ist der Beklagten verwehrt, weil sie - entgegen der Auffassung im Berufungsvorbringen - gegenüber den Klägern kein Formular verwendet hat, das diesem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung in jeder Hinsicht vollständig entsprach.

26

a) Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV genügt eine Widerrufsbelehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. und den diesen ergänzenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in Textform verwendet wurde. Wie der Bundesgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, kann ein Unternehmer sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV von vornherein nur dann berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 122/06, vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, vom 23. Juni 2009 - XI ZR 156/08 und zuletzt vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10 - Rn 37, zitiert nach juris). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das in der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung richtig ist, weil die Musterbelehrung den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht in jeder Hinsicht entspricht. Entscheidend ist vielmehr allein, ob der Unternehmer den vom Verordnungsgeber entworfenen Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat. Greift er aber in den ihm zur Verfügung gestellten Mustertext selbst ein, kann er sich schon deshalb auf eine etwa mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht berufen. Das gilt unabhängig vom konkreten Umfang der von ihm vorgenommenen Änderung, zumal sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011, aaO, Rn 39).

27

b) Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die Musterwiderrufsbelehrung insbesondere bei der Belehrung zu den finanzierten Geschäften nicht vollständig übernommen.

28

Der Senat konnte die Frage, ob die von der Beklagten verwendete Musterwiderrufsbelehrung schon allein deshalb eine inhaltliche Überarbeitung und somit eine veränderte Übernahme darstellt, und damit die Schutzwirkung entfallen würde, weil die Passage zu den finanzierten Geschäften eine sprachliche Abweichung dergestalt aufwies, dass die Belehrung das Wort „Immobilienbank“ statt „wir“ verwendet, offenlassen, da die Frage nicht entscheidungsrelevant ist.

29

Ohne Belang ist, ob es sich bei den von den Klägern aufgenommenen Darlehen um ein verbundenes Geschäft gehandelt hat, bei dessen Nichtvorliegen der Gestaltungshinweis (9) der Musterbelehrung in der hier maßgeblichen Fassung dem Unternehmer anheim gibt, die Hinweise für finanzierte Geschäfte wegzulassen. Entscheidend ist vielmehr allein, dass die Beklagte bei Verwendung des Gestaltungshinweises (9) den vom Verordnungsgeber entworfenen Text inhaltlich vollständig übernimmt und keiner eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzieht (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - aaO, Rn 39; OLG Stuttgart, Urteil vom 29. September 2015 - 6 U 21/15 -, Rn 35, mittlerweile rechtskräftig).

30

aa) Eine - wie vom Bundesgerichtshof - geforderte vollständige Entsprechung liegt hier entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vor. Vorliegend besteht eine Abweichung zum Muster darin, dass im zweiten Satz des Absatzes als Voraussetzung genannt wird, dass die Bank sich bei der Vorbereitung „und“ (statt „oder“) Abschlusses des Darlehensvertrages der Mitwirkung des Vertragspartners bedienen kann. Dies stellt mehr als nur eine formale Änderung dar, da sich aus dieser Formulierung der Voraussetzungen Unterschiede für die Anwendbarkeit des Widerrufsrechts ergeben. Nach der vorgesehenen Musterbelehrung liegen durch die Verwendung des Wortes „oder“ alternative Voraussetzungen vor, die nach der Belehrung der Beklagten kumulativ (“und“) vorliegen müssen. Dies stellt eine inhaltliche Überarbeitung dar.

31

bb) Nach der Musterbelehrung war nach der Überschrift „Finanzierte Geschäfte“ in Satz 2 bei der Erklärung der „wirtschaftlichen Einheit“ zwischen Darlehensverträgen zur Finanzierung von Grundstücken sowie grundstückgleichen Rechten und sonstigen Sachen zu differenzieren. Im Fall der Finanzierung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sollte Satz 2 der Belehrung

32

Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrags sind, oder wenn wir uns zu Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen“

33

ersetzt werden durch den Satz

34

Dies ist nur anzunehmen, wenn die Vertragspartner in beiden Verträgen identisch sind oder wenn der Darlehensgeber über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinausgeht und Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt.“

35

Hiervon abweichend hat die Beklagte die thematisch zutreffende Belehrung als Satz 3 hinter den zu ersetzenden Satz 2 eingefügt (und sprachlich abgewandelt) und daher inhaltlich bearbeitet.

36

cc) Unter der Überschrift „Besonderer Hinweis“ enthielt die Widerrufsbelehrung der Beklagten einen Hinweis zum vorzeitigen Erlöschen des Widerrufsrechts. Dies stellt einen Verstoß gegen Ziffer 8 der Gestaltungshinweise zur Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV dar. Danach hat ein „Besonderer Hinweis“ zu entfallen, wenn ein unter Ziffer 8 des Gestaltungshinweises genannter Fall nicht gegeben ist. Der aufgenommene Hinweis ist lediglich im Falle eines Widerrufsrechts nach § 312 d Abs. 1 BGB für einen Fernabsatzvertrag über Finanzdienstleistungen einschlägig. Vorliegend steht dem Verbraucher jedoch aufgrund § 312 d Abs. 5 BGB a.F. vorrangig ein Widerrufsrecht gemäß § 495 Abs. 1 BGB zu, da es sich bei dem streitgegenständlichen Darlehen um einen Verbraucherdarlehensvertrag handelt, so dass § 312 d Abs. 1 BGB a.F. nicht zum Tragen kommt und der Hinweis hätte entfallen müssen.

3.

37

Die von der Beklagten als Aufhebungsvertrag bezeichnete Vereinbarung hat weder das Widerrufsrecht der Kläger beseitigt noch steht sie dem daraus folgenden Rückgewähranspruch der Kläger entgegen. Die Beendigung des Schuldverhältnisses und die beiderseitige vollständige Leistungserbringung stehen dem späteren Widerruf nicht entgegen (BGH, Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 -, Rn 37; BGH, Urteil vom 29. Juni 2015 - IV 384/14 -, Rn 30, zitiert nach juris).

38

a) Entgegen der Ansicht der Beklagten haben die Parteien durch die konkludent getroffene Vereinbarung nicht das ursprüngliche Schuldverhältnis beseitigt, sondern dieses nur geändert. Es bestand in der geänderten Form fort und konnte noch widerrufen werden.

39

Durch konkludente Vereinbarung vom 08. März /19. März 2013 sowie Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung nebst Bearbeitungsgebühr haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass die Kläger zur vorzeitigen, sofortigen Rückzahlung des Darlehens berechtigt sein sollten mit der Folge, dass ab diesem Zeitpunkt auch keine Verpflichtung zur Zinszahlung mehr bestand. Im Gegenzug versprachen die Kläger die Zahlung eines Aufhebungsentgelts.

40

Durch diese Vereinbarung haben die Parteien das ursprüngliche Schuldverhältnis nicht beseitigt, sondern lediglich die Bedingungen für die Beendigung modifiziert. Sie haben den Fälligkeitszeitpunkt gegen Zahlung einer Entschädigung vorverlagert. Die Beklagte sollte wirtschaftlich so gestellt werden wie sie stünde, wenn das ursprüngliche Darlehen für den vereinbarten Festschreibungszeitraum fortgeführt und mit Zinsen bedient worden wäre. Die Parteien haben mit dieser Vereinbarung eine Änderung des Darlehensvertrages in dem Sinne herbeigeführt, dass sie die vertraglich vereinbarte Erfüllungssperre beseitigt und den Erfüllungszeitpunkt vorverlagert haben (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 1997 - XI ZR 267/96; OLG Stuttgart, Urteil vom 29. September 2015 - 6 U 21/15 -, Rn 51 ff; OLG Hamm, Urteil vom 25. März 2015 - I 31 U 155/14 - Rn 15; OLG Karlsruhe, Urteil vom 27. Februar 2015 - 4 U 144/14, Rn 9; OLG Brandenburg, Urteil vom 17. Oktober 2012 - 4 U 194/11 - Rn 31; OLG Koblenz, Beschluss vom 26. Mai 2015 - 8 U 1096/14 -; OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. September 2015 - 23 U 24/15 -, Rn 24; anderer Auffassung: OLG Frankfurt, Beschluss vom 4. April 2016 - 17 U 199/15 -, zitiert nach juris).

41

b) Ein selbstständiger Grund für das Behaltendürfen des Aufhebungsentgeltes wurde durch die konkludente Vereinbarung nicht geschaffen.

42

Zwar wäre es grundsätzlich möglich, dass ein Darlehensnehmer auf sein Widerrufsrecht ganz oder zum Teil verzichtet und eine Regelung darüber trifft. Diese Möglichkeit setzt aber voraus, dass eine Ungewissheit der Parteien über das Recht und das Wissen darum besteht.

43

Voraussetzung für einen diesen Grundsätzen folgenden selbständigen Rechtsgrund ist allerdings, dass Unsicherheiten der Parteien gerade über das Widerrufsrecht bestehen, die beseitigt werden sollen. Dazu muss der Darlehensnehmer denknotwendig wissen, dass ihm ein Widerrufsrecht noch zur Verfügung steht, um dann entscheiden zu können, ob er dieses Recht aufgeben will. Diese Anforderungen sind vorliegend nicht gegeben. Zum Zeitpunkt, als die Kläger die „konkludente“ Aufhebungsvereinbarung schlossen, war ihnen gerade nicht bewusst, dass ihnen auch noch ein Widerrufsrecht zustand.

44

Wegen der einschneidenden Rechtsfolgen einer Novation ist bei der Feststellung des Willens, das alte Schuldverhältnis aufzuheben und einen selbstständigen neuen Rechtsgrund zu schaffen, Vorsicht geboten und daher im Zweifel nur von einer Vertragsänderung auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2010 - XI ZR 367/07 - Rn 28; Urteil vom 27. April 1993 - XI ZR 120/92 -, zitiert nach juris).

45

Die Beklagte hat keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine zweifelsfrei zu treffende Feststellung dahingehend vorgetragen, dass im Rahmen der Beendigung des Darlehensvertrages ein selbständiger Schuldgrund für das Behaltendürfen der Vorfälligkeitsentschädigung geschaffen werden sollte.

4.

46

Die Ausübung des Widerrufsrechts der Kläger verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben.

47

a) Die Kläger haben ihr Widerrufsrecht nicht verwirkt.

48

Bei der Verwirkung handelt es sich um einen Fall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB), die in der illoyal verspäteten Geltendmachung eines Rechts liegt. Der nicht grundsätzlich ausgeschlossene Verwirkungseinwand ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls berechtigt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - VII ZR 177/13 -; Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 - zitiert nach juris).

49

Ein in diesem Sinne illoyales Verhalten der Kläger, dass diese in Kenntnis ihres Widerrufsrechts über lange Zeit an ihrem Darlehensvertrag festgehalten und den Widerruf erst nach Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung erklärt haben, kann nicht festgestellt werden. Es ist schon nicht ersichtlich, dass, bzw. wie lange die Kläger vor Ausübung des Widerrufs Kenntnis von ihrem Recht hatten.

50

Zwar ist eine Verwirkung auch ohne Rücksicht auf die subjektive Kenntnis und Willensrichtung des Berechtigten möglich, wenn der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung aus dem Verhalten des Berechtigten schließen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete mit einer Rechtsausübung durch die Berechtigten nicht mehr zu rechnen brauchte und sich entsprechend darauf einrichten durfte (BGH, Urteil vom 16. März 2007 - V ZR 190/06 -; Urteil vom 27. Juni 1957 - II ZR 15/56 - zitiert nach juris).

51

Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht gegeben. Der Umstand, dass den Berechtigten der ihnen zustehende Anspruch unbekannt war, steht der Verwirkung jedenfalls dann entgegen, wenn die Unkenntnis der Berechtigten in den Verantwortungsbereich des Verpflichteten fällt. Die mit der unterlassenen oder nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verbundenen Nachteile hat grundsätzlich der Unternehmer zu tragen (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 - II ZR 352/02 -, zitiert nach juris). Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Unternehmer regelmäßig schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil er den mit dem unbefristeten Widerrufsrecht verbundenen Schwebezustand selbst herbeigeführt hat, indem er eine fehlerhafte Belehrung erteilt hat (BGH, Urteil vom 7. Mai 2014, aaO, Rn 30, OLG Stuttgart, Urteil vom 29. September 2015, a.a.O, Rn 67; zitiert nach juris). Der Unternehmer, der gegen seine Pflicht verstoßen hat, dem Verbraucher eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu erteilen, darf nicht darauf vertrauen, er habe durch seine Belehrung die Widerrufsfrist in Lauf gesetzt. Er muss erkennen, dass dem Verbraucher nach dem Gesetz ein zeitlich nicht befristetes Widerrufsrecht zusteht und darf folglich allein aus diesem Umstand, dass der Darlehensvertrag über längere Zeit erfüllt wird, nicht schließen, der Verbraucher werde sein Widerrufsrecht nicht ausüben. Ohne konkrete gegenteilige Anhaltspunkte ist vielmehr zu unterstellen, dass der Verbraucher zunächst keine Kenntnis von seinem unbefristeten Widerrufsrecht hatte, so dass der Widerruf auch noch nach langer Zeit erfolgen kann, sollte der Verbraucher später von der Rechtslage Kenntnis erlangen. Gegen die Schutzwürdigkeit des Unternehmers spricht zudem, dass er den Schwebezustand durch eine Nachbelehrung beenden kann (vgl. Urteil OLG Stuttgart, Urteil vom 21. April 2014 - 6 U 148/12 - und Urteil vom 29. Mai 2015 - 6 U 110/14 -, zitiert nach juris).

52

Das Vorliegen des Umstandsmoments kann auch nicht deshalb bejaht werden, weil die Parteien eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen haben. Wie bereits dargestellt, führt die beiderseitige vollständige Vertragserfüllung nicht zum Verlust des Widerrufsrechts. Diese allein kann daher auch nicht ausreichen, um die Annahme der Verwirkung zu rechtfertigen. Dies widerspräche dem Rechtsschutz der Regelung, wonach dem Verbraucher, der sein Widerrufsrecht nicht kennt, unabhängig von der Vertragsbeendigung, sein Widerrufsrecht erhalten bleiben soll. Hinzu kommt, dass vorliegend zwischen der Aufhebungsvereinbarung und dem Widerruf der Kläger lediglich ein Zeitraum von ca. 3 bis 4 Monaten verstrichen war. Dieser Zeitraum bleibt schon hinter der regelmäßigen Verjährungsfrist zurück. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten darauf, dass sie sich auf den Bestand der Ablösung hätte verlassen dürfen, war zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch nicht begründet worden.

53

Soweit demgegenüber angenommen wird, eine Verwirkung komme in Betracht, wenn der Darlehensvertrag bereits seit längerer Zeit vollständig abgewickelt ist und eine Belehrung erteilt wurde, die zwar fehlerhaft ist, den Verbraucher über das Bestehen eines befristeten Widerrufsrechts an sich nicht im Unklaren lässt, schließt sich der Senat diesen Ausführungen aus den vorgenannten Erwägungen nicht an (vgl. OLG Köln vom 25. Januar 2012 - 13 U 30/11 -; OLG Düsseldorf vom 9. Januar 2014 - 14 U 55/13 -).

54

Darüber hinaus ist weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass sich die Beklagte im Vertrauen auf den Bestand dieser Vereinbarung so eingerichtet hätte, dass ihr durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.

55

b) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, der Widerruf der Darlehensverträge sei rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), weil nicht davon auszugehen sei, dass die beanstandeten Belehrungsmängel bei den Klägern tatsächlich eine Fehlvorstellung hervorgerufen hätten, der Widerruf vielmehr ausschließlich durch das allgemein gesunkene Zinsniveau motiviert sei.

56

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Wirksamkeit des Widerrufs nicht voraus, dass der Mangel der Belehrung ursächlich dafür war, dass der Verbraucher von einem Widerrufsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Das Gesetz knüpft unabhängig davon, ob der Verbraucher durch die unzureichende Belehrung tatsächlich einer Fehlvorstellung über das Bestehen und die Modalitäten der Ausübung eines Widerrufsrechts unterlag, allein an die objektive Gesetzeswidrigkeit der Widerrufsbelehrung die Sanktion eines nicht befristeten Widerrufsrechts des Verbrauchers. Entscheidend ist, dass die erteilte Belehrung generell geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines gegen den Darlehensvertrag gerichteten Widerrufsrechts abzuhalten (BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 - XI ZR 156/08 -, Rn 25, zitiert nach juris). Auf die Motive des Verbrauchers kommt es nicht an. Das Widerrufsrecht besteht selbst dann, wenn feststeht, dass der Widerruf auch bei ordnungsgemäßer Belehrung nicht rechtzeitig erfolgt wäre, weil anderenfalls das Ziel des Gesetzes unterlaufen würde, den Unternehmer zu einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht anzuhalten (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 1983 - III ZR 30/82 -, zitiert nach juris). Wie bei anderen Gestaltungsrechten kommt es grundsätzlich nicht auf die Motive des Verbrauchers an. Es soll seinem freien Willen überlassen bleiben, ob er seine Vertragserklärung wirksam werden lassen will oder nicht. Entsprechend bedarf der Widerruf auch keiner Begründung.

57

Es stellt daher keinen Rechtsmissbrauch dar, sondern ist von der beschriebenen Ausgestaltung des Widerrufsrechts durch das Gesetz und die Rechtsprechung gedeckt, wenn ein Verbraucher dieses Recht nach längerer Zeit ausübt, obwohl er nicht konkret durch den Mangel der Belehrung an der fristgerechten Ausübung gehindert war. Genauso wenig handelt der Verbraucher missbräuchlich, wenn er, nachdem er von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangt hat, eine mittlerweile eingetretene Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zum Anlass nimmt, von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen. Im Übrigen bestand für die Beklagte die Möglichkeit einer Nachbelehrung.

5.

58

a) Aufgrund des wirksamen Widerrufs hat sich der Darlehensvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Die Darlehensnehmer schulden dem Darlehensgeber gemäß § 346 Abs 1, Halbs 1 BGB Herausgabe der gesamten Darlehensvaluta ohne Rücksicht auf eine „Teiltilgung“ und gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB Herausgabe von Wertersatz für Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta. Im Zuge der Veräußerung des darlehensfinanzierten Objekts im Jahre 2013 wurde die Darlehensvaluta im März 2013 vollständig an die Beklagte zurückgezahlt. Der Darlehensvertrag war bereits vollständig vor Erklärung des Widerrufs erfüllt, so dass die Kläger der Beklagten keine Zahlungen mehr schulden.

59

b) Der Darlehensgeber schuldet dem Darlehensnehmer gemäß § 346 Abs. 1 Halbs. 1 BGB die Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08 -; Beschluss vom 22. September 2015 - XI ZR 116/15 -, zitiert nach juris). Zu den von den Klägern aus ihrem Vermögen an die Beklagte erbrachten Leistungen gehört neben der Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 48.226,95 € auch die Bearbeitungsgebühr in Höhe von 150,00 €.

60

Die Beklagte schuldet weiterhin gemäß § 346 Abs. 1 Halbs. 2 BGB die Herausgabe von Nutzungsersatz wegen der (widerleglich) vermuteten Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (BGH, Urteil vom 10. März 2009, a.a.O). Entgegen der Auffassung der Kläger wird nach Ansicht des Senats (widerleglich) vermutet, dass die Bank aus den erhaltenen Zins- und Tilgungsleistungen Nutzungen in Höhe einer Verzinsung von 2,5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss (BGH, Beschluss vom 22. September 2015 - IX ZR 116/15 - Rn 7; Urteil vom 10. März 2009, Rn 29, a.a.O.; Urteil vom 24. April 2007 - XI ZR 17/06 - Rn 35, zitiert nach juris). Der gesetzliche Verzugszins betrug im vorliegenden Fall gemäß § 497 Abs. 1 Satz 2 BGB in der bis zum 10. Juni 2010 gültigen Fassung bzw. nach § 503 II BGB in der ab 11. Juni 2010 gültigen Fassung 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Denn der Kredit war durch die Bestellung eines Grundpfandrechts besichert. Es ist daher von einem Immobiliardarlehen im Sinne des § 492 I a Satz 1 BGB a.F. bzw. § 503 Abs. 1 BGB n.F. auszugehen. Von der für Schadensersatzansprüche einer Bank entwickelten Rechtsprechung, nach der die Bank im Rahmen der abstrakten Schadensberechnung als Verzögerungsschaden Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe geltend machen kann, ohne Angaben zur Schadenshöhe machen zu müssen, sind Realkredite ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 1992 - XI ZR 134/91 - Rn 14; Urteil vom 12. Mai 1998 - XI ZR 79/97 - Rn 23, zitiert nach juris). Da die zugunsten einer Bank bei der Berechnung ihres Verzugsschadens geltenden Grundsätze auch im Rahmen der Schätzung der von ihr gezogenen Nutzungszinsen Beachtung finden (BGH, Urteil vom 12. Mai 1998, a.a.O Rn 24), geht es in Fällen eines Realkredits nicht an, zum Nachteil der Bank eine Nutzungsziehung in Höhe des allgemeinen gesetzlichen Verzugszinses von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) widerleglich zu vermuten, wenn die Bank ihrerseits in einem solchen Fall der Kündigung des Kredits nur einen Verzugszins in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangen darf (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 11. November 2015 - 14 U 2439/13 - Rn 47; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. Februar 2016 - 17 U 77/15 -; OLG Brandenburg, Urteil vom 20. Januar 2016 - 4 U 79/15 -; OLG Stuttgart, Urteil vom 6. Oktober 2015 - 148/14 - Rn 67; a.A. OLG Bamberg, Urteil vom 1. Juni 2015 - 6 U 13/15 -; OLG Frankfurt, Urteil vom 27. April 2016 - 23 U 50/15).

61

Wie der am Ende des Urteils abgedruckten Berechnung zu entnehmen ist, beträgt der geschuldete Nutzungsersatz auf der Basis einer Verzinsung von 2,5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß Veröffentlichung der Deutschen Bundesbank im Bundesanzeiger auf Grundlage der deutschen Zinsmethode (360 Zinstage im Jahr, das entspricht 30 Zinstage je Monat) 14.111,52 € (vgl. Berechnung unter Punkt 11).

62

c) Die Beklagte kann im Rahmen der Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung und des Nutzungsersatzes keine Minderung des Rückzahlungsbetrages um die behaupteten Refinanzierungskosten geltend machen.

63

Ein Verwendungsersatzanspruch, auf den sich die Beklagte beruft, ist nicht gegeben. § 347 Abs. 2 BGB a.F. normiert, dass notwendige Verwendungen, welche mit dem Ver-tragsgegenstand im Zusammenhang stehen, zu ersetzen sind. Die Refinanzierungskosten stellen jedoch keine notwendigen Verwendungen dar. Unter Verwendungen versteht man Vermögensaufwendungen, die zumindest auch einer Sache zugute kommen, indem sie ihrer Wiederherstellung, Erhaltung oder Verbesserung dienen. Notwendig ist eine Verwendung, wenn sie zur Erhaltung oder ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Sache nach objektivem Maßstab erforderlich ist, die also der Eigentümer sonst hätte machen müssen (§ 994 BGB, BGH, Urteil vom 24. November 1995 - V ZR 88/95 - m.w.N, zitiert nach juris). Notwendige Verwendungen sind nur die Aufwendungen, die nicht nur Sonderzwecken des Besitzers gedient haben (BGH, Urteil vom 24. November 1995, a.a.O, Urteil vom 14. Juni 2002 - V ZR 79/01, Urteil vom 15. März 2013 - V ZR 201/11 -, zitiert nach juris). Entscheidend ist, ob im Hinblick auf den vorhandenen Zustand der Sache und deren Bewirtschaftung die Kläger Aufwendungen erspart haben, die sie sonst hätten tätigen müssen. Nur dann sind die Vermögensopfer der Beklagten zu erstatten und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie den Klägern einen fortwirkenden Nutzen verschaffen oder den Wert der Sache erhöhen (BGH, Urteil vom 15. März 2013, a.a.O, Rn 23, zitiert nach juris).

64

Gemessen daran handelt es sich bei den von der Beklagten geltend gemachten Refinanzierungskosten nicht um notwendige Verwendungen auf den zurück zu gewährenden Gegenstand.

65

Refinanzierungskosten sind allenfalls im Hinblick auf die Darlehensvaluta angefallen, die jedoch vollständig an die Beklagte zurückgeflossen und nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.

66

Im Hinblick auf die heraus verlangte Vorfälligkeitsentschädigung und den Nutzungsersatz sind für die Beklagte keine Refinanzierungskosten angefallen. Die Beträge hat sie von den Klägern erhalten und nicht an diese ausgezahlt, so dass auch keine Refinanzierung erforderlich war. Ob in diesem Zusammenhang ein Zinsgewinnungsaufwand (dazu BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - XI ZR 79/97 - Rn 24, zitiert nach juris) bei der Wiederanlage der Vorfälligkeitsentschädigungen und der Zins- und Tilgungsleistungen zugunsten der Beklagten als notwendige Verwendung zu berücksichtigen wäre, kann dahinstehen, da die Beklagte einen solchen nicht dargelegt hat.

67

d) Auch aus dem Rechtsgedanken des § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F., der einen Schadensersatzanspruch der Beklagten für den Fall der vorzeitigen Kündigung des Darlehensvertra-ges durch den Darlehensnehmer normiert, lässt sich nichts anderes herleiten. Vorliegend haben die Kläger den Darlehensvertrag nicht gekündigt, so dass eine unmittelbare Anwendung des § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. nicht in Betracht kommt. Auch für eine analoge Anwendung der Vorschrift besteht kein Raum. Gemäß § 357 Abs. 4 BGB a.F. regeln die Vorschriften der §§ 357, 346 BGB a.F. die Rechtsfolgen eines wirksamen Widerrufs abschließend.

68

Im Ergebnis sind somit sowohl die Vorfälligkeitsentschädigung als auch die Bearbeitungsgebühr in beantragter Höhe zuzusprechen sowie Nutzungsersatz in Höhe von 14.111,52 €.

6.

69

Der geltend gemachte Zinsanspruch in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz folgt aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Beklagte befindet sich mit der Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung und der Bearbeitungsgebühr gemäß Fristsetzung im Schreiben der Kläger vom 30. Mai 2013 seit dem 1. Juli 2013 in Verzug (Anlage K 4).

7.

70

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

71

a) Voraussetzung eines Anspruch gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB wäre Verzugseintritt vor Beauftragung des Klägervertreters (BGH, Urteil vom 11. November 2008 - VIII ZR 265/07 -, Rn 18). Vorliegend war der Klägervertreter jedoch schon mandatiert, bevor mit Schreiben vom 30. Mai 2013 (Anlage K) der Darlehensvertrag widerrufen und die Beklagte unter Fristsetzung zur Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung aufgefordert wurde. Die Vollmacht wurde am 29. April 2013 unterzeichnet.

72

b) Die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten kommt auch nicht unter den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 280 BGB in Betracht. Zwar liegt in der Verwendung einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung eine Pflichtverletzung der Beklagten im Sinne des § 280 BGB. Ein Schadensersatzanspruch setzt jedoch voraus, dass die verwendete fehlerhafte Widerrufsbelehrung auf einem Verschulden des beklagten Kreditinstituts beruht. Die Beklagte handelte vorliegend jedoch nicht schuldhaft im Sinne eines etwa verschuldeten Rechtsirrtums (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 2008 - XI ZR 74/06 - Rn 18, zitiert nach juris). Für einen Rechtsirrtum hat die Beklagte nur einzustehen, wenn sie die Rechtswidrigkeit ihres Handelns erkannt hat oder zumindest hätte erkennen können. Diesbezüglich wurde seitens der Kläger nichts vorgetragen. Eine Kenntnis oder Erkennbarkeit der Fehlerhaftigkeit der verwendeten Widerrufsbelehrung im Jahre 2007 kann auch nicht ohne weiteres unterstellt werden. Die erste Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Fehlerhaftigkeit der Belehrung und den Anforderungen an eine wirksame Widerrufsbelehrung bei einem Verbraucherdarlehensvertrag stammt erst aus späterer Zeit (BGH, Urteil vom 10. März 2009 - XI ZR 2009 -, Urteil vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08 -, zitiert nach juris). Es ist daher davon auszugehen, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Verwendung der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung ohne Verschulden handelte.

8.

73

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO.

74

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

9.

75

Der Streitwert wird auf 74.792,43 € festgesetzt (Antrag zu 1: 48.376,95 €; Antrag zu 2: 26.415,48 €). Soweit die Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten verlangen, handelt es sich um Nebenforderungen im Sinne des § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG, die den Streitwert nicht erhöhen (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2015 - III ZR 114/14 -, zitiert nach juris).

10.

76

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 II 1 Nr. 1 ZPO) und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 II 1 Nr. 2 ZPO) im Hinblick auf die im Zusammenhang mit dem Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen divergierende obergerichtliche Rechtsprechung zur Verwirkung, zur unzulässigen Rechtsausübung und zu den Auswirkungen einer bereits vollzogenen einvernehmlichen Vertragsbeendigung bei Ausübung des Widerrufsrechts zugelassen.

11.

77

Berechnung des von der Beklagten geschuldeten Nutzungsersatzes:

78

Zinszahlungen

Summe 

Tage    

Zinssatz/
Basiszins

Verzinsung

30.11.2006

1.142,53

1.142,53

./.

./.

./.     

31.12.2006

1.428,17

2.570,70

30

   2,5 + 1,92 (4,45)

4,24 €

31.01.2007

1.428,17

3.998,87

30

2,5 + 2,7 (5,2)

11,14 €

28.02.2007

1.428,17

5.427,04

30

5,2

17,33 €

31.03.2007

1.428,17

6.855,21

30

5.2

23,51 €

30.04.2007

1.428,17

8.283,38

30

5.2

29,71 €

31.05.2007

1.428,17

9.711,55

30

5,2

35,89 €

30.06.2007

1.428,17

11.139,72

30

5,2

42,08 €

                                                     

31.07.2007

1.428,17

12.567,89

30

2,5 + 3,19 (5,69)

52,82 €

31.08.2007

1.428,17

13.996,06

30

5,69

56,59 €

01.10.2007

9.028,17

23.024,23

32

5,69

70,79 €

31.10.2007

1.399,60

24.423,83

29

5,69

105,53 €

30.11.2007

1.399,60

25.823,43

30

5,69

115,81 €

31.12.2007

1.399,60

27.223,03

30

5,69

122,45 €

                                                             

31.01.2008

1.399,60

28.622,63

30

2,5 + 3,32 (5,82)

132,03 €

29.02.2008

1.399,60

30.022,23

30

5,82

138,32 €

31.03.2008

1.399,60

31.421,83

30

5,82

145,61 €

30.04.2008

1.399,60

32.821,43

30

5,82

152,40 €

31.05.2008

1.399,60

34.221,03

30

5,82

159,18 €

30.06.2008

1.399,60

35.620,63

30

5,82

165,97 €

                                                     

31.07.2008

1.399,60

37.020,23

30

2,5 + 3,19 (5,69)

168,90 €

01.09.2008

8.999,60

46.019,83

31

5,69

181,38 €

30.09.2008

1.371,04

47.391,23

29

5,69

210,93 €

31.10.2008

1.371,04

48.762,63

30

5,69

224,71 €

                                                     

30.11.2008

1.371,04

50.134,03

30

5,69

231,24 €

31.12.2008

1.371,04

51.503,99

30

5,69

237,71 €

                                                     

31.01.2009

1.371,04

52.875,03

30

2,5 + 1,62 (4,12)

176,84 €

28.02.2009

1.371,04

54.246,07

30

4,12

169,44 €

31.03.2009

1.371,04

55.617,11

30

4,12

186,24 €

30.04.2009

1.371,04

56.988,15

30

4,12

190,95 €

31.05.2009

1.371,04

58.359,19

30

4,12

195,66 €

30.06.2009

1.371,04

59.730,23

30

4,12

200,37 €

                                                     

31.07.2009

1.371,04

61.101,27

30

2,5 + 0,12 (2,62)

130,21 €

31.08.2009

1.371,04

62.472,31

30

2,62

133,40 €

30.09.2009

1.371,04

63.843,35

30

2,62

136,40 €

31.10.2009

1.371,04

65.214,40

30

2,62

138,61 €

30.11.2009

1.371,04

66.585,43

30

2,62

142,38 €

31.12.2009

1.371,04

67.956,47

30

2,62

145,38 €

                                                     

31.01.2010

1.371,04

69.3237,51

30

2,62

148,37 €

28.02.2010

1.371,04

70.698,55

30

2,62

151,37 €

31.03.2010

1.371,04

72.069,59

30

2,62

154,39 €

30.04.2010

1.371,04

73.440,63

30

2,62

157,32 €

31.05.2010

1.371,04

74.811,67

30

2,62

160,35 €

30.06.2010

1.371,04

76.182,71

30

2,62

163,39 €

                                                     

31.07.2010

1.371,04

77.553,75

30

2,62

166,33 €

31.08.2010

1.371,04

78.924,79

30

2,62

169,32 €

30.09.2010

1.371,04

80.295,83

30

2,62

172,32 €

31.10.2010

1.371,04

81.666,87

30

2,62

175,32 €

                                                     

30.11.2010

1.371,04

83.037,91

30

2,62

178,31 €

31.12.2010

        

83.037,91

30

2,62

181,30 €

                                                     

03.01.2011

8.971,04

92.008,95

3

2,62

18,13 €

31.01.2011

1.342,48

93.351,43

27

2,62

180,80 €

28.02.2011

1.342,48

94.693,91

30

2,62

203,81 €

31.03.2011

1.342,48

96.036,39

30

2,62

206,75 €

30.04.2011

1.342,48

97.378,87

30

2,62

209,70 €

31.05.2011

1.342,48

98.721,35

30

2,62

212,61 €

30.06.2011

1.342,48

100.063,83

30

2,62

215,54 €

                                                     

31.07.2011

1.342,48

101.406,31

30

2,5 +0,37 (2,87)

239,32 €

31.08.2011

1.342,48

102.748,79

30

2,87

242,53 €

30.09.2011

1.342,48

104.091,27

30

2,87

245,74 €

31.10.2011

1.342,48

105.433,75

30

2,87

248,95 €

30.11.2011

1.342,48

106.776,23

30

2,87

252,16 €

31.12.2011

1.342,48

108.118,71

30

2,87

255,37 €

                                                     

31.01.2012

1.342,48

109.461,19

30

2,5 + 0,12 (2,62)

236,06 €

29.02.2012

1.342,48

110.803,67

30

2,62

238,99 €

31.03.2012

1.342,48

112.146,15

30

2,62

241,92 €

30.04.2012

1.342,48

113.488,63

30

2,62

244,85 €

31.05.2012

1.342,48

114.831,11

30

2,62

247,78 €

30.06.2012

1.342,48

116.173,59

30

2,62

250,71 €

                                                     

31.07.2012

1.342,48

117.516,07

30

2,62

253,64 €

31.08.2012

1.342,48

118.858,55

30

2,62

256,58 €

01.10.2012

8.942,48

127.801,03

31

2,62

268,15 €

31.10.2012

1.313,91

129.114,94

29

2,62

269,73 €

                                                     

30.11.2012

1.313,91

130.428,85

30

2,62

281,90 €

31.12.2012

1.313,91

131.742,76

30

2,62

284,76 €

                                                     

31.01.2012

1.313,91

133.056,67

30

2,5 + (-0,13) 2,37

260,19 €

28.02.2013

1.313,91

134.370,58

30

2,37

262,79 €

19.03.2013

49.059,10

183.429,68

19

2,37

168,08 €

30.04.2013

        

183.429,68

11

2,37

132,83 €

31.05.2013

        

183.429,68

30

2,37

362,27 €

30.06.2013

        

183.429,68

30

2,37

362,27 €

                                            

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14.111,52 €

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 478/15
vom
5. April 2016
in dem Rechtsstreit
OLG Stuttgart - Az. 6 U 21/15 vom 29.09.2015;
LG Stuttgart - Az. 6 O 64/14 vom 08.01.2015;
Vorsitzenden Richter Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Grüneberg und Maihold
sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Derstadt

beschlossen:
Die Beklagte wird, nachdem sie die Revision gegen das am 29. September 2015 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart zurückgenommen hat, dieses Rechtsmittels für verlustig erklärt. Die Kosten der Revision werden ihr auferlegt (§§ 565 Satz 1, 516 Abs. 3 ZPO). Streitwert: 29.697,15 € Ellenberger Grüneberg Maihold Menges Derstadt

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.


1 2 3 4 5 6 7 8

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. Januar 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Versicherungsprämien und Nutzungsersatz in Anspruch.

2

Er beantragte am 14. August 1998 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Nach den - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt der Kläger im August 1998 mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über sein Widerspruchsrecht in drucktechnisch deutlicher Form gemäß § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630).

3

Diese mehrfach geänderte und mit Ablauf des Jahres 2007 außer Kraft getretene Vorschrift hatte in der bis zum 31. Juli 2001 gültigen Fassung folgenden Wortlaut:

"(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widerspricht. …

(2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. …"

4

Aufgrund eines Änderungsantrages des Klägers wurde im Januar 2004 ein neuer Versicherungsschein ausgestellt, den der Kläger nach den - von der Revision ebenfalls nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts mit den Versicherungsbedingungen, einer Verbraucherinformation und einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung erhielt.

5

Der Kläger zahlte von September 1998 bis März 2004 Prämien in Höhe von insgesamt 17.128,55 €. Nachdem er den Vertrag im März 2004 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte den Rückkaufswert in Höhe von 12.481,57 € aus.

6

Mit Schreiben vom 8. März 2011 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten "den Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. bzw. nach § 8 VVG bzw. den Widerruf nach § 355 BGB".

7

Mit der Klage begehrt der Kläger die Differenz zwischen gezahlten Prämien und ausgekehrtem Rückkaufswert sowie Nutzungsersatz in Höhe einer 7%-igen Verzinsung der Prämien. Er meint, der Lebensversicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen, weil das in § 5a VVG a.F. geregelte Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.

8

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Forderung weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

10

I. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Dem Kläger stünden keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche auf Rückzahlung der den Rückkaufswert übersteigenden Prämien nebst Zinsen zu. Er habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Regelung des Policenmodells gemäß § 5a VVG a.F. verstoße nicht gegen die Dritte Richtlinie Lebensversicherung. Das Widerspruchsrecht des Klägers sei 14 Tage nach dem Zugang der Police nebst ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen erloschen. Dasselbe gelte hinsichtlich der 2004 durchgeführten Vertragsänderung, so dass offen bleiben könne, ob dem Kläger insoweit ein Recht zum Widerspruch zugestanden habe.

11

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

12

Der Kläger kann nicht gemäß den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 BGB Rückzahlung der Prämien und Nutzungsersatz verlangen. Er hat die Prämien mit Rechtsgrund an die Beklagte geleistet (dazu unter 1.). Im Übrigen ist ihm nach jahrelanger Durchführung des Versicherungsvertrages die Berufung auf dessen Unwirksamkeit nach Treu und Glauben wegen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt (dazu unter 2.).

13

1. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag ist auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. wirksam zustande gekommen.

14

a) Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell. Es betraf Fälle, in denen der Versicherer - wie hier die Beklagte - dem Versicherungsnehmer bei dessen Antragstellung die Versicherungsbedingungen zunächst nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a VAG a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der vollständigen Unterlagen schriftlich widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. dazu Senatsurteile vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, VersR 2014, 817 Rn. 15; vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08, VersR 2011, 337 Rn. 22 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 10 m.w.N.). Der Vertrag erlangte rückwirkend zum Zeitpunkt der Vertragsannahme Wirksamkeit, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb der Widerspruchsfrist von seinem Recht zum Widerspruch keinen Gebrauch gemacht hatte (Senatsurteil vom 24. November 2010 aaO m.w.N.).

15

Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Vertrages nach dem Policenmodell sind hier erfüllt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt der Kläger mit dem Versicherungsschein im August 1998 die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte der Kläger den Widerspruch nicht.

16

b) Der so geschlossene Versicherungsvertrag unterliegt entgegen der Auffassung der Revision nicht wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln. Dabei ist der erkennende Senat - anders als es in Bezug auf die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 14 ff.) der Fall war - nicht gehalten, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Zum einen (dazu sogleich unter c) steht die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts bei Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezogen auf das Policenmodell außer Zweifel, so dass die Vorlagepflicht gemäß § 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) entfällt (vgl. EuGH Slg. 1982, 3415, 3430 und ständig; BVerfG WM 2014, 644 Rn. 27 f.; WM 2014, 647 Rn. 26 ff.). Zum anderen scheidet eine Vorlage aus, weil die Frage der Vereinbarkeit des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. mit dem Gemeinschaftsrecht im Streitfall nicht entscheidungserheblich ist (dazu unter 2.; vgl. BVerfG aaO).

17

c) Das Policenmodell steht nach Auffassung des Senats eindeutig in Einklang mit den - für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen - Bestimmungen der Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) und Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) und den inhaltsgleichen Bestimmungen der Art. 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 der späteren Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (Abl. L 345 S. 1).

18

aa) Zwar hat ein Teil der Literatur Bedenken gegen die Richtlinienkonformität des Policenmodells geäußert (BK/Schwintowski, § 5a VVG Rn. 5; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, PK-VersR/Ebers, § 8 Rn. 9 f.; Berg, VuR 1999, 335, 341 f.; Döhmer, zfs 1997, 281, 283; Dörner in Brömmelmeyer/Heiss/Meyer/Rückle/Schwintowski/Wallrabenstein, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Private Krankenversicherung und Gesundheitsreform, Schwachstellen der VVG-Reform 2009 S. 137, 145 f.; Ebers in Micklitz, Verbraucherrecht in Deutschland - Stand und Perspektiven 2005 S. 253, 260 ff.; Lenzing in Basedow/Fock, Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Band I 2002, S. 139, 164 f.; Meyer in Basedow/Meyer/Schwintowski, Lebensversicherung, Internationale Versicherungsverträge und Verbraucherschutz, Versicherungsvertrieb 1996 S. 157, 201 f.; Micklitz/Ebers in Basedow/Meyer/Rückle/Schwintowski, Verbraucherschutz durch und im Internet bei Abschluss von privaten Versicherungsverträgen, Altersvorsorgeverträge, VVG-Reform 2003 S. 43, 82 f.; Osing, Informationspflichten des Versicherers und Abschluß des Versicherungsvertrages 1996 S. 92 f.; Rehberg, Der Versicherungsabschluss als Informationsproblem 2003 S. 109 ff.; Schwintowski, VuR 1996, 223, 238 f.).

19

Diese Zweifel werden aber in der Instanzrechtsprechung und im weiteren Schrifttum (zu Recht) nicht geteilt (so etwa von weiteren aktuellen, zur revisionsrechtlichen Überprüfung stehenden Berufungsurteilen: OLG Köln, Urteil vom 16. Mai 2014 - 20 U 31/14, S. 7 ff. nicht veröffentlicht; OLG München, Urteil vom 8. Mai 2014 - 14 U 5100/13 S. 4 ff., nicht veröffentlicht; aus der neueren veröffentlichten Rechtsprechung u.a.: OLG München, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 14 U 1804/12, juris Rn. 36 f.; VersR 2013, 1025, 1026; VersR 2012, 1545 f.; OLG Sachsen-Anhalt, Urteile vom 14. Februar 2013 - 4 U 63/12, juris Rn. 41 f.; vom 17. Januar 2013 - 4 U 35/12, juris Rn. 37 ff.; OLG Köln VersR 2013, 443, 445; Urteile vom 2. März 2012 - 20 U 178/11, juris Rn. 25; vom 3. Februar 2012 - 20 U 140/11, juris Rn. 47 ff.; vom 25. November 2011 - 20 U 126/11, juris Rn. 21 ff.; VersR 2011, 248; vom 9. Juli 2010 - 20 U 51/10, juris Rn. 4 ff.; vom 5. Februar 2010 - 20 U 150/09, juris Rn. 5 ff.; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 21. Dezember 2012 - 11 U 40/12, juris Rn. 17; OLG Karlsruhe VersR 2013, 440, 441 f.; OLG Stuttgart VersR 2012, 1373, 1374 f.; OLG Celle, Urteil vom 9. Februar 2012 - 8 U 191/11, juris Rn. 44 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 31. August 2011 - 20 U 81/11, juris Rn. 10 ff.; VersR 2012, 745, 746; OLG Düsseldorf VersR 2001, 837, 838 f.; LG Dessau-Roßlau NJW-RR 2014, 606, 608 f.; LG Köln, Urteil vom 4. März 2013 - 26 O 301/12, juris Rn. 40; r+s 2011, 243, 244; Urteil vom 7. Juli 2010 - 26 O 609/09, juris Rn. 24; LG Münster, Urteil vom 30. August 2011 - 115 O 53/11, juris Rn. 52 ff.; LG Bielefeld, Urteil vom 31. März 2011 - 7 O 329/10, juris Rn. 18; LG Aachen, Urteil vom 5. März 2010 - 9 O 560/09, juris Rn. 36 ff.; LG Kassel r+s 2010, 339; Bruck/Möller/Herrmann, VVG 9. Aufl. § 7 Rn. 65; Prölss/Martin/Prölss, VVG 27. Aufl. § 5a VVG Rn. 8; Römer/Langheid/Römer, VVG 2. Aufl. § 5a Rn. 3; Hofmann, Schutzbriefversicherung (Assistance) 1996 Einf. Rn. 11; Lorenz, VersR 1997, 773, 780 f.; ders. VersR 1995, 616, 625 f.; Reiff, VersR 1997, 267, 271 f.; Römer, Festschrift 50 Jahre BGH S. 375, 389 f.; Schimikowski, r+s 2000, 353, 355; Schirmer, VersR 1996, 1045, 1056; Wandt, Verbraucherinformation und Vertragsschluss nach neuem Recht 1995 S. 32 f., anders nur bezüglich § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F.).

20

bb) Der Senat sieht ebenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, dass die einschlägigen Richtlinien dem in § 5a VVG a.F. geregelten Policenmodell entgegenstehen könnten.

21

(1) Die Widerspruchslösung des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist vor allem deshalb nicht zu beanstanden, weil die Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrages enthalten (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 18 f., 22). Wie der in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG erwähnte und für die rechtzeitige Information des Versicherungsnehmers maßgebliche "Abschluss" des Versicherungsvertrages auszugestalten ist, ergibt sich daraus ebenso wenig wie aus dem in Bezug genommenen Anhang. In den Materialien zu Art. 31 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung wird zu dem Passus "vor Abschluss des Vertrages" ausgeführt, die Mitgliedstaaten könnten selbst darüber bestimmen, "wann genau ein Vertrag als abgeschlossen gilt und wann genau die … vorgeschriebenen Angaben dem Versicherungsnehmer mitgeteilt werden müssen" (Ratsprotokoll Nr. 2 zu Art. 31, Dok. 7307/92, abgedruckt bei Büchner, Der Referentenentwurf eines Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG auf dem Prüfstand, Münsteraner Reihe Bd. 18 S. 13). Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat in ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 im Rahmen des gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens 2005/5046 ausdrücklich festgehalten, die Frage, wann ein Versicherungsvertrag als abgeschlossen gelten solle, sei "in der Tat eine Sache des nationalen Rechts".

22

Die Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG verfolgen zudem kein auf das materielle Versicherungsvertragsrecht bezogenes Harmonisierungsziel. Mit der Dritten Richtlinie Lebensversicherung sollten insbesondere Unterschiede zwischen dem Aufsichtsrecht der Mitgliedstaaten beseitigt werden. Die insoweit angestrebte Harmonisierung sollte nach Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 92/96/EWG zu "einer gegenseitigen Anerkennung der Zulassungen und der Aufsichtssysteme" führen. Diese Zielsetzung nahm die spätere Richtlinie 2002/83/EG auf; sie wurde in Erwägungsgrund 2 dergestalt umschrieben, dass "zur Erleichterung der Aufnahme und der Ausübung der Tätigkeiten der Lebensversicherung … gewisse Unterschiede zwischen dem Aufsichtsrecht der verschiedenen Mitgliedstaaten zu beseitigen" sind, "wobei ein angemessener Schutz der Versicherten und der Begünstigten in allen Mitgliedstaaten gewahrt bleiben muss". Daraus ergibt sich, dass neben dem Verbraucherschutz auch die Tätigkeit der Lebensversicherer in den Mitgliedstaaten erleichtert werden sollte. Hingegen sollte die Harmonisierung des für den Versicherungsvertrag geltenden Rechts "keine Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarkts im Versicherungssektor" sein. Dies betont Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 92/96/EG und führt weiter aus, die den Mitgliedstaaten belassene Möglichkeit, die Anwendung ihres eigenen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben, bei denen die Versicherungsunternehmen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen, stelle deshalb eine hinreichende Sicherung für die Versicherungsnehmer dar (ebenso Erwägungsgrund 44 der Richtlinie 2002/83/EG). Demnach haben die Richtlinien die Regelung des Vertragsschlusses dem nationalen Gesetzgeber überlassen (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 22 m.w.N.).

23

Der deutsche Gesetzgeber hat zur Umsetzung der genannten Richtlinien neben der aufsichtsrechtlichen Vorschrift des § 10a VAG a.F. die versicherungsvertragsrechtliche Bestimmung des § 5a VVG a.F. eingeführt (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 24 f. unter Bezugnahme auf die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses BT-Drucks. 12/7595 S. 102 m.w.N.). Mit § 5a VVG a.F. bezweckte er nicht primär eine Harmonisierung des Aufsichtsrechts (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 25). Allerdings ist für den Senat nicht ersichtlich, dass der Richtlinie 92/96/EWG aufsichtsrechtlich keine praktische Wirksamkeit verschafft wurde (vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 42; WM 2014, 647 Rn. 43). Die Aufsichtsbehörde brauchte bei Vertragsabschlüssen nach dem Policenmodell nicht einzuschreiten, wenn die Versicherer - wie im Streitfall geschehen - ihrer Informationspflicht nach § 10a VAG a.F. nachkamen und den Versicherungsnehmern mit den Policen die erforderlichen Informationen zukommen ließen. Die Überwachungspflicht gemäß § 81 Abs. 1 VAG wurde aber nicht obsolet. Verstöße gegen die Vorgaben des § 10a VAG a.F. zur Gestaltung der Verbraucherinformation waren auch in Bezug auf das Policenmodell zu ahnden.

24

(2) Ausgehend von dem sich nach nationalem Recht bestimmenden Zustandekommen des Vertrages entspricht § 5a VVG a.F. den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der in den Richtlinien geregelten Informationspflichten in der Ausprägung, die sie durch die Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union gefunden haben. Sinn und Zweck der in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG normierten Informationspflicht sowie die wirksame Gewährleistung des Rücktrittsrechts nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG rechtfertigen nach der - vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigten - Ansicht des Senats die Auslegung, dass ein Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag nicht ohne Information und Belehrung des Versicherungsnehmers zustande kommen darf (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 23; EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-209/12, VersR 2014, 225 Rn. 24 f.). Das Interesse des Versicherungsnehmers wurde im Erwägungsgrund 20 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dergestalt umschrieben, "daß er Zugang zu einer möglichst weiten Palette von in der Gemeinschaft angebotenen Versicherungsprodukten hat, um aus ihnen das seinen Bedürfnissen am besten entsprechende Angebot auswählen zu können". Daran anknüpfend wurde der Zweck der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung im Erwägungsgrund 23 so formuliert: "Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen." Im Hinblick auf diesen Informationszweck sah Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung in Verbindung mit deren Anhang II A Nr. a.13 vor, dass dem Versicherungsnehmer "mindestens" die "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittsrechts" mitgeteilt werden mussten, und zwar "vor Abschluss des Vertrages". Sowohl aus der Struktur als auch aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Dritten Richtlinie Lebensversicherung ging demnach eindeutig hervor, dass mit ihr sichergestellt werden sollte, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht genau belehrt wird (EuGH aaO Rn. 25).

25

Diesen Anforderungen genügte § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F., indem er anordnete, dass der Vertrag erst als geschlossen galt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der maßgeblichen Unterlagen - Versicherungsbedingungen, Verbraucherinformation und ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung - widersprach. Die Konstruktion eines schwebend unwirksamen Vertrages gewährleistete, dass der Versicherungsnehmer über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sein musste, bevor der Vertrag wirksam werden konnte. Eine vertragliche Bindung des Versicherungsnehmers konnte erst nach der von den Richtlinien geforderten Verbraucherinformation eintreten (vgl. OLG Köln VersR 2013, 443, 445). Auf diese Weise war eine Belehrung des Versicherungsnehmers vor dem (wirksamen) Zustandekommen und damit "vor Abschluss des Vertrages" sichergestellt.

26

(3) Die für das Policenmodell charakteristische schwebende Unwirksamkeit des Vertrages wurde in dem genannten Vertragsverletzungsverfahren zunächst nicht hinreichend beachtet. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften sah in ihrem an das deutsche Bundesministerium der Justiz gerichteten Aufforderungsschreiben vom 4. April 2006 (S. 4 f.) "die praktische Folge der deutschen Regelung in § 5a VVG bezüglich des Vertragsschlusses (sog. Policenmodell)" darin, "dass ein Versicherungsvertrag zunächst als abgeschlossen gilt, obwohl dem Versicherungsnehmer im Moment seiner Entscheidung betreffend des Versicherungsprodukts keine vollständigen Verbraucherinformationen vorlagen". Daraus zog die Kommission den Schluss, der Versicherungsnehmer werde "an seine Antragstellung auch in den Fällen gebunden, in denen ihm vor Abschluss des Vertrages nicht die von den Richtlinien vorgesehenen Informationen vorlagen". Daran hielt sie nicht mehr fest, nachdem die Bundesregierung mit Schreiben vom 8. Juni 2006 darauf hingewiesen hatte, dass nach dem Policenmodell ein bindender Abschluss erst dann erfolge, wenn der Versicherungsnehmer die vorgeschriebene Verbraucherinformation erhalten habe, über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei und den Widerspruch innerhalb der gesetzlich gewährten Frist von 14 Tagen unterlassen habe. In ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 stellte die Kommission dann ihre - ebenfalls bereits in dem Aufforderungsschreiben enthaltene - Argumentation, dass "zu dieser Zeit die Entscheidung betreffend des Versicherungsprodukts längst getroffen" sei, in den Mittelpunkt. Daher könne nach dem deutschen Recht ein Versicherungsvertrag zunächst als abgeschlossen gelten, es sei denn, dass der Versicherungsnehmer selbst aktiv werde, um der endgültigen Wirksamkeit des Vertrages zu entgehen. Dem Versicherungsnehmer werde damit eine Widerrufslast aufgebürdet. Darüber hinaus müsse der Versicherungsnehmer eine Auswahlentscheidung treffen, ohne zuvor entsprechend unterrichtet worden zu sein. Der eigentliche Zweck der Richtlinienbestimmungen, nach denen der Versicherungsnehmer vor einem Vertragsabschluss über alle notwendigen Informationen verfügen soll, werde vereitelt.

27

Das rechtfertigt ersichtlich keine abweichende Beurteilung. Da die Richtlinien - wie dargelegt - dem nationalen Gesetzgeber keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrags machten und § 5a VVG a.F. sicherstellte, dass dem Versicherungsnehmer die von den Richtlinien geforderten Informationen vorlagen, bevor der Vertrag nach nationalem Recht zustande kam, war die den Richtlinien zu entnehmende Verpflichtung, den Versicherungsnehmer vor dem ihn bindenden Vertragsschluss umfassend über den künftigen Vertragsinhalt und die ihn begleitenden Umstände zu unterrichten (EuGH VersR 2014, 225 Rn. 24 f.), durch den Regelungsgehalt des § 5a VVG a.F. ohne weiteres gewährleistet (vgl. OLG Düsseldorf VersR 2001, 837, 838 f.; Prölss/Martin/Prölss aaO § 5a Rn. 8; Lorenz, VersR 1995, 616, 625; Römer aaO; Reiff, VersR 1997, 267, 269; Wandt aaO S. 32). Die dem Versicherer in § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. eingeräumte Möglichkeit, dem Versicherungsnehmer erst nach dessen Antrag die Vertragsbestimmungen und die maßgebliche Verbraucherinformation zukommen zu lassen, führte auch nicht etwa zu einer Aushöhlung oder gar Vereitelung der sich aus den Richtlinien ergebenden Informationspflichten (a.A. Meyer aaO S. 202; Schwintowski, VuR 1996, 223, 239). § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. stellte sicher, dass die Widerspruchsfrist erst und nur dann zu laufen begann, wenn der Versicherungsnehmer entsprechend den gesetzlichen Vorgaben informiert worden war. Er konnte in Kenntnis der Vertragsbedingungen, der erforderlichen Information und des ihm zustehenden Widerspruchsrechts frei entscheiden, ob er den Vertrag wirksam werden ließ und von einem Widerspruch Abstand nahm. Damit wurde den erwähnten Erwägungsgründen 20 und 23 der Richtlinie 92/96/EWG Genüge getan, nach denen sich der Versicherungsnehmer vollständig informiert über ein bestimmtes Produkt für den Vertragsschluss entscheiden können soll (Wandt aaO S. 32).

28

(4) Das in den Richtlinien vorgesehene Informationsmodell lief durch § 5a VVG a.F. nicht etwa deshalb leer, weil innerhalb der auf 14 Tage beschränkten Widerspruchsfrist hinreichende Informationsmöglichkeiten für den Versicherungsnehmer nicht bestanden (so aber Berg, VuR 1999, 335, 339 ff.; Lenzing aaO S. 165; Meyer aaO S. 202). Während des Fristenlaufs konnte der Versicherungsnehmer die Vertragsbedingungen und sonstigen Informationen ohne weiteres eingehend durchsehen und dabei insbesondere erkennen, dass ihm die Möglichkeit zu einem Widerspruch zustand. Die Fristdauer von 14 Tagen - und von 30 Tagen für Lebensversicherungsverträge ab dem 8. Dezember 2004 - war angemessen; sie bewegte sich in dem von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619/EWG für den Rücktritt vorgegebenen Rahmen von 14 bis 30 Tagen.

29

Die hinsichtlich der Widerspruchsfrist von der Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vom 11. Juli 2013 in der Rechtssache C-209/12 zu dem Vorlagebeschluss des Senats vom 28. März 2012 erhobenen Bedenken gegen die Europarechtskonformität des Policenmodells führen zu keiner anderen Beurteilung. Unter Hinweis auf den Erwägungsgrund 23 sieht sie den Zweck der in Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung verankerten Mitteilungspflicht darin, den künftigen Versicherungsnehmer in die Lage zu versetzen, den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen und ihm "klare und genaue Angaben über die wesentlichen Merkmale der ihm angebotenen Produkte …" zur Verfügung zu stellen (Schlussanträge Nr. 59). Der in Art. 15 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung vorgesehene Rücktritt sei von einem Vertrag, der noch nicht geschlossen sei, weil kein Angebot und keine Annahme vorlägen, die zu einer Vereinbarung der Parteien mit bindenden Vertragsbedingungen führten, nicht möglich (Schlussanträge Nr. 60). Daraus folgert die Generalanwältin, dem (künftigen) Versicherungsnehmer müssten bestimmte Angaben vor Abschluss des Vertrages mitgeteilt werden und nach Mitteilung des Vertragsschlusses müsse ihm eine Rücktrittsfrist von 14 bis 30 Tagen zur Verfügung stehen (Schlussanträge Nr. 61). Der Zweck der Belehrungspflicht wäre nach Auffassung der Generalanwältin verfehlt worden, wenn die Informationen erst nach Abgabe des Angebots durch den Versicherungsnehmer und somit nach seiner Wahl eines Versicherers und eines Vertrages vorgelegt worden wären (Schlussanträge Nr. 62).

30

Auch daraus ergibt sich unter Berücksichtigung der in jener Sache ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (aaO) aber kein Anhaltspunkt für eine Richtlinienwidrigkeit des Policenmodells. Der Gerichtshof hat dort ausgeführt, die Mitgliedstaaten hätten zwar in der Tat dafür zu sorgen gehabt, dass die praktische Wirksamkeit der einschlägigen Lebensversicherungsrichtlinien unter Berücksichtigung des mit diesen verfolgten Zwecks gewährleistet war (aaO Rn. 23). Er hat aber weiter betont, dass Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung im Hinblick auf den dort angeführten Informationszweck eine Mitteilung der Informationen "vor" Abschluss des Vertrages vorsehe (aaO Rn. 25). Dem Zweck der Informationspflicht ist danach genügt, wenn der Versicherungsnehmer die Informationen erhält, bevor er - wie nach nationalem Recht in § 5a VVG a.F. geregelt - vertraglich gebunden ist (so auch OLG Köln, Urteil vom 16. Mai 2014 - 20 U 31/14 S. 10, nicht veröffentlicht). Dies ist zugleich mit Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung in Einklang zu bringen. Danach beginnt die Rücktrittsfrist, wenn der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, "dass der Vertrag geschlossen ist". Diese Kenntnis konnte dem Versicherungsnehmer nach dem Policenmodell durch die mit dem Versicherungsschein zu erteilende Widerspruchsbelehrung vermittelt werden. Daraus konnte er entnehmen, dass ein - zunächst noch nicht wirksamer - Vertrag geschlossen würde und er sich davon bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist ohne Weiteres lösen, ein Zustandekommen des Vertrages also verhindern konnte.

31

(5) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass § 5a VVG a.F. dem Versicherungsnehmer eine - von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften beanstandete - "Widerspruchslast" auferlegte und ihn damit zu einem Handeln verpflichtete, wollte er nach Erhalt der erforderlichen Verbraucherinformation das Zustandekommen des Vertrages in der Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. verhindern (so aber Micklitz/Ebers aaO S. 83; Rehberg aaO S. 98, 112 ff.; vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 42; WM 2014, 647 Rn. 43). Eine Ausgestaltung in Form einer Hinderung des Wirksamwerdens des Vertrages durch Widerspruch oder Widerruf genügt auch in anderen Fällen europarechtlichen Vorgaben bzw. beruht sogar auf solchen (vergleiche nur § 7 VerbrKrG und § 1 HWiG). Insoweit überzeugt auch der Einwand nicht, dass der künftige Versicherungsnehmer nach dem Policenmodell gegenüber mehreren Versicherern Anträge auf Abschluss von Versicherungsverträgen stellen musste, um mit den Versicherungspolicen die Informationen zu erhalten, die ihm eine sachgerechte Auswahlentscheidung ermöglichten (so Meyer S. 201 f.; vgl. BVerfG aaO). Dass ein Interessent gleichzeitig Anträge bei mehreren Versicherern stellt, um dann die nicht immer zeitgleich bei ihm eingehenden Versicherungsbedingungen während der regelmäßig unterschiedlich laufenden Widerspruchsfristen eingehend zu vergleichen, erscheint in der Tat lebensfremd (vgl. Meyer aaO S. 202 f.; BVerfG aaO m.w.N.). Ihm wurde aber nicht angesonnen, mehrere auf Abschluss verschiedener Versicherungsverträge gerichtete Willenserklärungen abzugeben, von vornherein mit der Absicht, alle Erklärungen bis auf eine fristgerecht zu widerrufen. Wenn der Versicherungsnehmer vor Abgabe einer Vertragserklärung die Leistungen verschiedener Versicherer miteinander vergleichen wollte, war er nicht gezwungen, den Abschluss mehrerer Versicherungen zu beantragen und nach Erhalt der Policen seine Auswahlentscheidung zu treffen. Vielmehr konnte er mehrere Versicherer um entsprechende Informationen oder konkrete Angebote bitten und sich für eine Versicherung entscheiden. Im Übrigen stand dem Versicherungsnehmer eine zeitlich unbegrenzte Wahlfreiheit auch bei einem Vertragsschluss nach dem so genannten Antragsmodell oder vergleichbaren Vertragsgestaltungen nicht zur Verfügung. Wenn er zunächst verschiedene Angebote bei mehreren Versicherern eingeholt hatte, musste er, nachdem er eines angenommen hatte, dann aber noch ein besseres erhielt, durch eine Widerrufs- oder Rücktrittserklärung tätig werden.

32

2. Die von der der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet im Übrigen auch bereits deshalb aus (vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 27; WM 2014, 647 Rn. 24), weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen der Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG unvereinbar ist, hier ohnedies nicht entscheidungserheblich ankommt. Offenbleiben kann daher auch, ob in diesem Fall - wie die Revision meint - alle nach dem Policenmodell geschlossenen Lebens- und Rentenversicherungsverträge ohne weiteres - selbst ohne Widerspruch - von Anfang an unwirksam wären und ob sich darauf auch Versicherer - sogar nach Auszahlung des Rückkaufswertes oder der Versicherungsleistung - berufen könnten. Die Entscheidung dieses Rechtsstreits hängt nicht von der genannten unionsrechtlichen Frage ab, weil es dem Kläger auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt ist, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten.

33

a) Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (Senatsurteile vom 16. Juli 2014 - IV ZR 88/13 m.w.N., zur Veröffentlichung vorgesehen; vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 40; BGH, Urteil vom 12. November 2008 - XII ZR 134/04, NJW 2009, 1343 Rn. 41; jeweils m.w.N.; vgl. Brand, VersR 2014, 269, 276).

34

b) So liegt der Fall hier. Der Kläger verhielt sich treuwidrig, indem er nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführte und erst dann von der Beklagten, die auf den Bestand des Vertrags vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte.

35

aa) Das Verhalten des Klägers war objektiv widersprüchlich. Die - ihm zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte - Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 1998 und sogar im Zuge der Vertragsänderung 2004 ungenutzt verstreichen. Bis zur Kündigung des Vertrages im März 2004 zahlte er vielmehr regelmäßig die vereinbarten Versicherungsprämien. Nach der Kündigung ließ er rund sieben weitere Jahre vergehen, bis er sich entschied, dem Vertragsschluss zu widersprechen und sich hilfsweise darauf zu berufen, ein Vertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Mit seinem im eigenen Interesse begründeten und über lange Zeit fortgeführten Verhalten setzt sich der Kläger in Widerspruch, wenn er nun geltend macht, ein Vertrag habe nie bestanden (vgl. BGH, Urteile vom 7. Dezember 1989 - VII ZR 130/88, NJW-RR 1990, 417, 418; vom 23. Oktober 1986 - VII ZR 195/85, NJW-RR 1987, 335, 335 f.).

36

bb) Der Kläger war (anders als etwa der Kläger im Verfahren IV ZR 76/11) von der Beklagten in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Anforderungen des § 5a VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. Daher war ihm bekannt, dass er den Vertrag nicht hätte zustande kommen lassen müssen und ihm die Beklagte jedenfalls ein Recht zur Lösung zugestand. Vor diesem Hintergrund können seine jahrelangen Prämienzahlungen nur als Ausdruck seines Willens, den Vertrag durchzuführen, verstanden werden. Da die Beklagte die Prämien entgegennahm und erkennbar von einem bestehenden Versicherungsvertrag ausging, konnte er bis zur Kündigung erwarten, Versicherungsschutz zu genießen, der zweifelsfrei bei Eintritt eines Versicherungsfalles in Anspruch genommen worden wäre. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Kläger nicht sicher wissen konnte, ob das Policenmodell gemeinschaftsrechtswidrig war und ihm - wenn es so wäre - der geltend gemachte bereicherungsrechtliche Anspruch auf Rückzahlung der Prämien zustünde. Ein Rechtsverlust durch widersprüchliches Verhalten kann wegen der an Treu und Glauben ausgerichteten objektiven Beurteilung selbst dann eintreten, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von seiner Berechtigung hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2007 - V ZR 190/06, NJW 2007, 2183 Rn. 8 m.w.N.).

37

cc) Ebenso wenig sind für den aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs unredliche Absichten oder ein Verschulden des Klägers erforderlich (vgl. BGH, Urteile vom 12. November 2008 aaO Rn. 41; vom 20. März 1968 - VIII ZR 127/67, WM 1968, 876 unter 3 c; MünchKomm-BGB/Roth/Schubert, 6. Aufl. § 242 Rn. 288 m.w.N.; Staudinger/Looschelders/Olzen, BGB [2009] § 242 Rn. 293 m.w.N.). Durch das Verhalten des Rechtsinhabers muss nur ein ihm erkennbares, schutzwürdiges Vertrauen der Gegenseite auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage hervorgerufen worden sein (MünchKomm-BGB/Roth/Schubert aaO Rn. 288; Staudinger/Looschelders/Olzen aaO Rn. 292 m.w.N.).

38

Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits 1998 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten Klägers haben bei der Beklagten ein solches schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Dieses Vertrauen wurde durch den Änderungsantrag des Klägers, der das Festhalten an dem Versicherungsverhältnis nochmals verdeutlichte, sogar noch verstärkt. Das Verhalten des Klägers sprach aus Sicht der Beklagten dafür, dass er selbst den Vertrag durchführen, ihn als wirksam behandeln und erfüllen wolle, und begründete das Vertrauen der Beklagten, der Kläger halte am Bestehen des Vertrages - auch für die Vergangenheit - fest.

39

Die Beklagte hatte durch die Wahl des Policenmodells zwar die Ursache für die vom Kläger behauptete Unwirksamkeit des Vertrages gesetzt. Ihr Vertrauen ist gleichwohl schutzwürdig, weil sie dem Kläger den gesetzlichen Vorgaben des nationalen Rechts entsprechend eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung und auch die weiteren Informationen erteilt hatte. Dem Vertrauensschutz der Beklagten steht auch nicht entgegen, dass die Richtlinienkonformität des Policenmodells im Schrifttum in Zweifel gezogen wurde. Das Policenmodell entsprach dem damals geltenden nationalen Recht; seine etwaige Gemeinschaftsrechtswidrigkeit stand nicht fest und konnte der Beklagten nicht positiv bekannt sein. Von einer überlegenen Rechtskenntnis auf ihrer Seite kann insoweit jedenfalls keine Rede sein.

40

Für den Kläger war die vertrauensbegründende Wirkung seines Verhaltens auch erkennbar. Er konnte bemerken, dass die Beklagte auf den Bestand des Versicherungsvertrages vertraute, nachdem er trotz Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, jahrelang die Prämien gezahlt hat, ohne die Unwirksamkeit des Vertrages geltend zu machen.

41

c) Der - von Amts wegen zu berücksichtigende, im Revisionsverfahren von der Beklagten auch geltend gemachte - Einwand von Treu und Glauben greift auch im Falle einer - zugunsten des Klägers unterstellten - Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells durch. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH GRUR 2014, 368 Rn. 42, 49; Slg. 2010, I-635 Rn. 31, 33; jeweils m.w.N.) unterliegen nationale Rechtsmaximen, die einem Anspruch entgegengehalten werden können, dem nationalen Recht, das unter Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewandt werden muss. Diese vom Gerichtshof anerkannten Verfahrensgrundsätze gebieten, dass die verfahrensrechtlichen Vorgaben des nationalen Rechts nicht ungünstiger sind als bei vergleichbaren Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung eingeräumten Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Die Grundsätze finden auch bei materiellen Ausschlussgründen nach nationalem Recht - wie dem Grundsatz von Treu und Glauben - Anwendung (König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs 2011 S. 114 m.w.N.) und sind hier gewahrt. Der Versicherungsnehmer, dem nach jahrelanger Durchführung des Vertrages die Berufung auf dessen Unwirksamkeit wegen Richtlinienwidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben versagt ist, wird nicht ungünstiger gestellt als bei alleiniger Anwendung des deutschen Rechts. Das in Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619/EWG vorgesehene und in § 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 bis 3 VVG a.F. umgesetzte Recht, sich vom Vertrag zu lösen, wird dem Versicherungsnehmer dadurch nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert, da der Gesichtspunkt von Treu und Glauben keineswegs stets bei ordnungsgemäßer Belehrung greift, sondern nur in Fällen jahrelanger Durchführung des Vertrages.

42

Auch zum Einwand von Treu und Glauben ist entgegen der Ansicht der Revision eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht erforderlich. Die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt. Die Anwendung auf den Einzelfall obliegt dem nationalen Gericht (EuGH Slg. 2000, I-1705 Rn. 35). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die missbräuchliche Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet (EuGH ZfZ 2014, 100 Rn. 29 m.w.N.; Slg. 2000 aaO Rn. 33; Slg. 1998, I-2843 Rn. 20 m.w.N.; Slg. 1996, I-2357 Rn. 24 m.w.N.). Dies hat der Gerichtshof - ähnlich wie die Anwendung nationaler Fristenregelungen (vgl. EuGH Slg. 1996, I-5223 Rn. 9, 35) - nicht davon abhängig gemacht, ob dem Berechtigten die Rechtslage bekannt war. Die nationalen Gerichte können vielmehr das missbräuchliche Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung stellen, um ihm gegebenenfalls die Berufung auf die geltend gemachte Bestimmung des Gemeinschaftsrechts zu verwehren. Dabei müssen sie jedoch die mit dieser Bestimmung verfolgten Zwecke beachten (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 34; Slg. 1996 aaO Rn. 25). Die Anwendung einer nationalen Vorschrift - wie hier § 242 BGB - darf somit die Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 34 m.w.N.; Slg. 1998 aaO Rn. 22; Slg. 1996, I-1347 Rn. 68). Es obliegt dem nationalen Gericht, im bei ihm anhängigen Rechtsstreit festzustellen, ob die Anwendung der nationalen Vorschrift mit dieser Anforderung vereinbar ist (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 35). Hier beeinträchtigt die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben weder die Wirksamkeit noch die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Der vom Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 19. Dezember 2013 (aaO Rn. 25) dargelegte Zweck der Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen, wird nicht berührt, wenn einem Versicherungsnehmer, der vom Versicherer dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß belehrt wurde, nach jahrelanger Durchführung des Vertrages die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unter Berufung auf ein gemeinschaftsrechtswidriges Zustandekommen des Vertrages verwehrt wird.

Mayen                              Felsch                                 Harsdorf-Gebhardt

             Dr. Karczewski                    Dr. Brockmöller

Haben sich die Parteien bei einem Vertrag, den sie als geschlossen ansehen, über einen Punkt, über den eine Vereinbarung getroffen werden sollte, in Wirklichkeit nicht geeinigt, so gilt das Vereinbarte, sofern anzunehmen ist, dass der Vertrag auch ohne eine Bestimmung über diesen Punkt geschlossen sein würde.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Bevor der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer individuelle Empfehlungen zu einem oder mehreren Geschäften erteilt, die im Zusammenhang mit einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag stehen (Beratungsleistungen), hat er den Darlehensnehmer über die sich aus Artikel 247 § 18 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ergebenden Einzelheiten in der dort vorgesehenen Form zu informieren.

(2) Vor Erbringung der Beratungsleistung hat sich der Darlehensgeber über den Bedarf, die persönliche und finanzielle Situation sowie über die Präferenzen und Ziele des Darlehensnehmers zu informieren, soweit dies für eine passende Empfehlung eines Darlehensvertrags erforderlich ist. Auf Grundlage dieser aktuellen Informationen und unter Zugrundelegung realistischer Annahmen hinsichtlich der Risiken, die für den Darlehensnehmer während der Laufzeit des Darlehensvertrags zu erwarten sind, hat der Darlehensgeber eine ausreichende Zahl an Darlehensverträgen zumindest aus seiner Produktpalette auf ihre Geeignetheit zu prüfen.

(3) Der Darlehensgeber hat dem Darlehensnehmer auf Grund der Prüfung gemäß Absatz 2 ein geeignetes oder mehrere geeignete Produkte zu empfehlen oder ihn darauf hinzuweisen, dass er kein Produkt empfehlen kann. Die Empfehlung oder der Hinweis ist dem Darlehensnehmer auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

18
3. Dagegen kann der Kläger nicht die geltend gemachten Kosten einer vorprozessualen Rechtsverfolgung in Höhe von 87,29 € beanspruchen, die ihm das Amtsgericht nach den im erstinstanzlichen Urteil zitierten Gesetzesvorschriften als Verzugsschaden zugesprochen hat. Zum Zeitpunkt der anwaltli- chen Rückzahlungsaufforderung vom 13. Oktober 2005, welche die Rechtsverfolgungskosten ausgelöst hat, hat sich die Beklagte noch nicht im Verzug (§ 286 BGB) befunden, so dass auch ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB nicht in Betracht kommt.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

18
a) Das Berufungsgericht ist noch zutreffend davon ausgegangen, dass zur Umsetzung der Urteile des EuGH vom 25. Oktober 2005 (WM 2005, 2079, 2085 f. Tz. 94 ff. - Schulte und WM 2005, 2086, 2089 Tz. 48 f. - Crailsheimer Volksbank) in nationales Recht ein Schadensersatzanspruch des Anlegers aus Verschulden bei Vertragsschluss wegen unterbliebener Widerrufsbelehrung gemäß § 2 Abs. 1 HWiG a.F. gegeben sein kann, weil diese Vorschrift eine Rechtspflicht des Unternehmers begründet (Senat BGHZ 169, 109, 120 Tz. 41) und die hier in dem Darlehensvertrag enthaltene Widerrufsbelehrung nach § 7 Abs. 2 VerbrKrG a.F.

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.