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Die Klägerin begehrt von der Beklagten restlichen Werklohn aus einem von der Streithelferin für die Beklagte nach der VOB ausgeschriebenen Bauvorhaben. Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin zusätzliche Vergütung für von einem gemeinsam mit der Beklagten erstellten Aufmaß abweichende Massen nicht geltend machen könne und eine Mehrforderung aufgrund einer von der Ausschreibung abweichenden Ausführung der Bauleistung ebenfalls nicht berechtigt sei. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin nur noch ihren Anspruch auf Zusatzvergütung wegen einer angeblich vom Vertrag abweichenden Ausführungsanordnung der Beklagten in Höhe von insgesamt 27.004,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.03.2004. Die Beklagte und die Streithelferin beantragen, die Berufung zurückzuweisen und verteidigen das landgerichtliche Urteil. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die Berufung ist zulässig und begründet.
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Zwischen den Parteien ist lediglich noch im Streit, ob die Klägerin aufgrund der späteren Anordnung der Beklagten zur Verwendung des Pflastersteines des Typs "Bühl" eine Mehrforderung gem. § 2 Nr. 5 VOB/B geltend machen kann. Das Landgericht hat einen solchen Anspruch abgelehnt, weil die Ausschreibung im Leistungsverzeichnis Pos. 450, 452, 475 und 477 so auszulegen sei, dass die Verlegung des Pflasters des Typs "Bühl" geschuldet sei, die spätere Anordnung der Beklagten, statt des von der Klägerin vorgesehenen einfachen Betonpflasters ohne Granitvorsatz den "Typ Bühl" zu verwenden, deshalb keine Änderung der Ausführung im Sinn des § 2 Nr. 5 VOB/B begründet habe. Diese Auslegung des Leistungsverzeichnisses ist für den Senat nicht gem. § 529 Abs. 1 ZPO bindend und überzeugt im Ergebnis auch nicht.
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1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Überprüfung des vom erstinstanzlichen Gerichts ermittelten Inhalts einer Individualvereinbarung zu differenzieren, ob die Überprüfung des ermittelten Inhalts einer Individualvereinbarung ihren Schwerpunkt im tatsächlichen Bereich, also bei der Feststellung des Erklärungstatbestands sowie der weiteren tatsächlichen Umstände, die für das Verständnis der Vereinbarung von Bedeutung sind, liegt oder im normativen Bereich, in dem die festgestellten Tatsachen über den Inhalt einer Vereinbarung im Hinblick auf umstrittene Rechtsfolgen zu würdigen sind und dadurch der Inhalt des Vertrags rechtlich näher zu bestimmen ist, was eine Anwendung des materiellen Rechts gem. § 546 ZPO ist (BGH, Urteil vom 14.07.2004 -VII ZR 164/03 -NJW 2004, 2751, 2752). Dies bedeutet, dass für die Feststellung des Erklärungstatbestands und etwaiger anderen Tatsachen, die für die Auslegung von Bedeutung sein könnten, die Maßstäbe des § 529 ZPO bei der Überprüfung anzuwenden sind, also konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Feststellungen bestehen müssen, um die grundsätzliche Bindungswirkung der Tatsachenfeststellung aufzuheben, während bei der Würdigung des Vertragsinhalts und der Bestimmung der Rechtsfolgen, die von den Normen des materiellen Rechts, insbesondere der §§ 133, 157 BGB und den daraus entwickelten methodischen Anweisungen (Gebot der Auslegung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung nach ihrem objektiven Erklärungswert, Gebot der beiderseits interessengerechten Auslegung) geleitet werden, lediglich eine rechtliche Überprüfung (§ 546 ZPO) zu erfolgen hat (BGH a. a. O.).
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2. Nach diesen Grundsätzen ist der Senat nicht an die Auslegung des von den Parteien geschlossenen Vertrags -Angebot der Klägerin vom 15.01.2002, Anl. B 1, AH I 407, Auftragsschreiben der Beklagten vom 28.02.2002, Anl. K 1, AH I 5 -durch das Landgericht gebunden. Es bestehen nämlich konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit der Feststellungen der für die Ermittlung des Erklärungstatbestands zu berücksichtigenden Tatsachen gem. § 529 ZPO.
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Der Werkvertrag zwischen den Parteien ist durch die Annahme des Angebots der Klägerin durch die Beklagte zustande gekommen. Für die Auslegung des Vertrags kommt es daher zunächst darauf an, wie gem. §§ 133, 157 BGB die Beklagte nach dem objektiven Erklärungswert das Angebot der Klägerin, das nicht durch Ausfüllen des Leistungsverzeichnisses aus den Ausschreibungsunterlagen, sondern auf eigenem Papier erfolgte, verstehen durfte und musste. Denn daraus ergibt sich der Inhalt des Vertragsangebots.
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a) In dem Angebot werden zu den Pos. 01.01.0450, 0452, 0475 und 0477 jeweils "Pflaster aus Betonpflastersteinen" zu Einheitspreisen von 16,91 Euro bis max. 25,71 Euro (für die Kleinfläche) angeboten (Angebot vom 15.01.2002 S. 5, AH I 415, 419). Eine nähere Bezeichnung der Steine erfolgt nicht. Es wird weder der Typ des angebotenen Steins, der Hersteller noch Farbe oder eine Beschreibung der Qualität (mit oder ohne Granitvorsatz) aufgeführt. Dieser Wortlaut, der gleichlautend mit dem Wortlaut für die angebotenen Steine in der Pos. 0455 ist (Stellplatzmarkierungen), die unstreitig bereits nach dem Leistungsverzeichnis ohne Granitvorsatz geschuldet waren, spricht zunächst dafür, dass Steine ohne Granitvorsatz gemeint waren.
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b) Für diese Auslegung spricht aus der Sicht der Beklagten auch, die darüber hinaus bei der Ausschreibung die Streithelferin als Architekt eingeschaltet hatte, der angebotene Preis. Wie die Beklagte selbst ausführt, wurden die Steine "Bühl" für mehrere Bauvorhaben der S. verwendet. Der Stein "Bühl" ist aber unstreitig bereits im Einkaufspreis rund 14,30 Euro teuerer als der einfache Betonpflasterstein ohne Granitvorsatz. Dementsprechend hätte bei gehöriger Prüfung des Angebots auffallen müssen, dass die Preisspanne für die Materialkosten erheblich unter dem üblichen Kalkulationspreis liegt. Dies hat entgegen der Auffassung der Streithelferin nichts mit der Erkennbarkeit eines Kalkulationsirrtums zu tun, sondern ist ein Umstand der für das objektive Verständnis eines mit der Ausschreibung vertrauten Angebotsprüfers von Bedeutung ist. Aus den von der Streithelferin vorgelegten Auswertung der Angebote ergibt sich dann auch -auf die Endpreise für den Gesamtauftrag kommt es insoweit nicht an -die Diskrepanz zwischen dem Angebot der Klägerin und der Mitbieter V. GmbH einerseits und den übrigen Bietern andererseits, die für die streitigen Positionen ganz überwiegend einen mehr als doppelt so hohen Preis verlangen.
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c) Dieser Auslegung steht nicht das dem Angebot der Klägerin zugrunde liegenden Leistungsverzeichnis der Beklagten entgegen. Das Landgericht ist bei seiner Auslegung davon ausgegangen, durch den der Ausschreibung beigefügten Änderungsvermerk (Anl. K 2, AH I 195) seien in den streitgegenständlichen Positionen der Leistungsbeschreibung die Worte "mit Granitvorsatz" gestrichen worden und somit jedwede allgemeine Beschreibung der Qualität entfallen. Durch das Belassen der Zeile "Typ Bühl" sandgestrahlt sei danach die Beschaffenheit des zu verwendenden Pflastersteines ausschließlich bestimmt worden, nämlich in der Weise, dass ein Stein mit Vorsatz mit Granitanteilen in einer rosa Farbgebung geschuldet war.
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Dieser Auslegung kann der Senat nicht beitreten. Es kann für die Auslegung des geänderten Leistungsverzeichnisses nicht der Wortlaut der Änderungsanordnung außer Betracht bleiben. Dort heißt es, in den Positionen 450, ... sei angegeben, "dass die Rechteckpflastersteine mit Granitvorsatz hergestellt werden". Unter "Änderung" heißt es dann, "für die Pos. 450, ... -
ohne Granitvorsatz
". Dies ist nach dem objektiven Empfängerhorizont der angesprochenen Fachkreise so zu verstehen, dass das Pflaster ohne Granitvorsatz herzustellen sei. Es handelt sich damit nicht lediglich um eine Streichung der Worte, sondern um eine positive Umschreibung.
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Dabei übersieht der Senat nicht, dass in dem Änderungsvermerk unter der Pos. 455 ausdrücklich der Stein "Typ Bühl" gestrichen wurde und es konsequent gewesen wäre, dies auch für die anderen Positionen zu tun. Allerdings ist aus der Sicht der Bieter die Streichung des "Typ Bühl" in der Pos. 455 bereits zur Vermeidung von Widersprüchen zwingend, da dort als Farbe anthrazit angegeben ist, während der Stein "Bühl" gerade durch die Farbgebung rosa definiert ist. Insoweit wurde ein offensichtlicher Widerspruch beseitigt.
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Bei diesem Verständnis schied allerdings der Stein "Bühl" der Fa K. für die Verarbeitung aus, obwohl dieser als Bezeichnung in diesen Positionen der Leistungsbeschreibung verblieb. Denn dieser "Typ Bühl" ist definiert durch einen Vorsatz, der überwiegend aus verschiedenen Graniten besteht und dem zur Farbgebung Porphyr zugemischt wird. Allerdings ist zu beachten, dass der Stein "Typ Bühl" unstreitig nur von der Fa. K. hergestellt wird, während nach der Leistungsbeschreibung auch Steine anderer Hersteller angeboten werden konnten, die gleichwertig waren. Unstreitig ist ein ähnlicher Stein dieser Farbgebung mit dem entsprechenden oder einem ähnlichen Vorsatz jedoch nicht auf dem Markt. Da die Steinart im Zusammenhang mit dem Format des Steins, der Verlegeart und dem Fugenbild genannt ist, konnte danach, da angesichts des objektiven Verständnisses, dass ohne Granitvorsatz gearbeitet werden sollte, der genannte Stein nicht in Betracht kam, dieser als Hinweis für die Optik verstanden werden, z. B. hinsichtlich der Farbgebung, die auch bei einem einfachen Betonpflasterstein verändert werden kann (vgl. das Schreiben der K. AG vom 23.12.2004, AH I 431).
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Nach alldem konnten die Bieter, so auch die Klägerin, davon ausgehen, dass nach der Änderung der aufgeführte Stein "Bühl" nur eine optische Beschreibung darstellte, nicht aber das Angebot dieses Steins erforderte. Wird dieses objektive Verständnis zugrunde gelegt, so konnte wiederum die Beklagte das Angebot der Klägerin über Betonpflastersteine ohne irgendwelche Zusätze zu einem weit unter dem Preis des Steines "Bühl" liegenden Preises nur dahin verstehen, dass hier einfacher Betonpflasterstein angeboten wurde.
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Die Auffassung der Beklagten, durch die Änderung sei lediglich eine Unklarheit beseitigt worden, weil es sich bei dem Vorsatz des Steines "Bühl" nicht um einen Granitvorsatz handele, sondern um eine Mischung mehrerer Granite und etwas Porphyr, die später durch Wasserstrahlen oder Sandstrahlen weiter bearbeitet wird, überzeugt nicht. Vielmehr war zunächst für Fachkreise klar, wie sich auch aus dem Schreiben der K. AG ergibt, dass ein Stein mit Vorsatz zu verwenden ist. Durch den "Typ Bühl" wurde zusätzlich verdeutlicht, dass es um einen farblich bestimmt gestalteten Vorsatz handelt, der ganz hauptsächlich aus Granit besteht. Da die Beklagte in der Leistungsbeschreibung auch die Verwendung von Pflastersteinen anderer Hersteller, so weit diese gleichwertig waren, zugelassen hat, war zunächst klar, dass ein ähnlich gestalteter Stein mit entsprechendem Granitvorsatz verwendet werden konnte. Gerade diese Klarheit wurde durch die Änderungsanordnung beseitigt.
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d) War das Angebot der Klägerin objektiv in dem soeben dargelegten Sinne Angebot einfacher Betonpflastersteine -zu verstehen, so konnte wiederum die Klägerin gem. §§ 133, 157 BGB vom Horizont eines verständigen Empfängers das Auftragsschreiben der Beklagten nur so verstehen, dass ihr Angebot in dem objektiv ermittelten Sinne ohne Vorbehalte angenommen wurde. Der Vertrag ist dem entsprechend in diesen Positionen über die Verlegung einfacher Betonpflastersteine zustande gekommen. Danach handelte es sich bei der unstreitigen nachträglichen Anordnung durch einen dazu berechtigten Mitarbeiter der Beklagten, Steine des Typs "Bühl" zu verwenden, um eine abändernde Anordnung gem. § 2 Nr. 5 VOB/B, so dass die Klägerin berechtigt war, eine Nachkalkulation vorzunehmen. Diese wurde von der Beklagten der Höhe nach nicht in Frage gestellt. Erstmals im Senatstermin(!) hat die Beklagte bemängelt, dass darin Zulagen enthalten seien, die nicht angesetzt werden könnten. Dieses Bestreiten ist gem. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen, da weder vorgetragen noch ersichtlich ist, weshalb dieser Einwand nicht bereits im ersten Rechtszug erhoben wurde. Es ist daher von Nachlässigkeit auszugehen. Es ist auch nicht Aufgabe des Gerichts, die einzelnen Positionen der Schlussrechnung (hier jeweils Einheitspreis des Nachtrags: 18,09 Euro netto), deren Angemessenheit nie bestritten wurde, anhand der Kalkulation (hier Nachtragskalkulation 1, AH I 397 f.) von Amts wegen zu überprüfen. Zumal insbesondere die nunmehr bemängelte Berücksichtigung von Zulagen zum Materialpreis nicht ohne weiteres als unberechtigt angesehen werden kann. Somit hat die Klägerin einen Anspruch in Höhe der noch geltend gemachten 27.004,30 Euro.
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