Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 30. Juni 2016 - 5 UF 74/16

published on 30/06/2016 00:00
Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 30. Juni 2016 - 5 UF 74/16
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Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lörrach vom 24.03.2016 aufgehoben.

Die wechselseitigen Anträge der Antragstellerin und des Antragsgegners werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Eltern begehren im Wege der einstweiligen Anordnung wechselseitig das Recht, ihrem gemeinsamen Sohn einen Vornamen zu erteilen.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind verheiratet, leben aber seit dem (…) 2015 getrennt (I 3, 19). Aus der Ehe ist der Sohn (…) hervorgegangen (I 3). Für ihren zweiten, am (…).2016 geborenen Sohn können sie sich nicht auf einen Vornamen einigen (I 3). Infolgedessen wird keine Geburtsurkunde ausgestellt (I 3).
Die Antragstellerin möchte, dass der Sohn L. heißt (I 3). Sie meint, dass sie ohne Geburtsurkunde weder einen Krankenversicherungsschutz für das Kind erlangen noch Elternzeit beantragen sowie Eltern- und Kindergeld erhalten könne (I 3, 35, 73). Ihr würden die finanziellen Mittel ausgehen, zumal sie für die Behandlung einer Bronchitis des Kindes bereits Arztkosten von 2.000 EUR zu erwarten habe.
Die Antragstellerin beantragte in erster Instanz (I 1):
Die alleinige Entscheidungsbefugnis darüber, welcher Vorname der von der Antragstellerin am (…).2016 in Lörrach geborene Sohn der Beteiligten erhält, wird der Antragstellerin übertragen.
Der Antragsgegner beantragte (I 17):
Die alleinige Entscheidungsbefugnis darüber, welcher Vorname der von der Antragstellerin am (…).2016 in Lörrach geborene Sohn der Beteiligten erhält, wird dem Antragsgegner übertragen.
Der Antragsgegner meint, dass es ihn schmerze, wenn der Sohn L. genannt werde (I 23). Angesichts des internationalen Freundeskreises befürworte er einen kurzen, bündigen Vornamen wie beim Erstgeboren (I 23).
Mit Beschluss vom 24.03.2016 gab das Amtsgericht - Familiengericht - Lörrach dem Antrag der Antragstellerin nach persönlicher Anhörung der Beteiligten (I 81) statt und wies den gegenläufigen Antrag des Antragsgegners zurück (I 85). Für Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
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Gegen diese ihm am 05.04.2016 zugestellte (I 91) Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde vom 15.04.2016, eingegangen beim Amtsgericht Lörrach am 19.04.2016 (II 3), mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt.
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Der Antragsgegner beantragt (II 3):
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Ich beantrage die Aufhebung und Rückverweisung an das erstinstanzliche Gericht.
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Die Antragstellerin beantragt (II 17),
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die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.
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Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluss unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages (II 17 ff.).
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Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
17 
Die nach §§ 57 Abs. 1 Satz 1 und 2, 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Die in der Sache im Übrigen nicht zu beanstandende Entscheidung ist aufzuheben, da sie nicht im Hauptsacheverfahren ergangen ist. Insofern sind sowohl der Antrag der Antragstellerin als auch der des Antragsgegners für das Verfahren der einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
18 
1. Die angefochtene Entscheidung ist entsprechend dem Begehren der Beteiligten im Wege der einstweiligen Anordnung ergangen. Eine solche Entscheidung kann nach § 49 FamFG ergehen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgeblichen Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Aus der Bezeichnung als vorläufige Maßnahme folgt, dass die Entscheidung die Hauptsache nicht vorwegnehmen darf.
19 
2. Zu einer solchen Vorwegnahme der Hauptsache würde es kommen, wenn einem der Elternteile im Wege der einstweiligen Anordnung die Befugnis übertragen würde, den Namen für ihren Sohn allein zu bestimmen. Die Bestimmung des Vornamens erfolgt endgültig, da eine Änderung desselben nur unter den engen Voraussetzungen der Bestimmungen des Namensänderungsgesetzes, die regelmäßig nicht vorliegen, erfolgen könnte (so im Ergebnis auch OLG Celle vom 21.02.1971 - 1 W 10/71, OLGZ 1972, 50, 51; Staudinger/Hilbig-Lugani, BGB, Neubearbeitung 2015, § 1616 Rn. 25 m.w.N.; MünchKomm/v. Sachsen Gessaphe, BGB, 6. Auflage 2012, nach § 1618 Rn. 6).
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3. Besondere Gründe des Kindeswohls, die dennoch eine Entscheidung für erforderlich erscheinen lassen, insbesondere also eine konkret drohende erhebliche Gefahr, sind nicht erkennbar. Insbesondere ist der Sohn zwischenzeitlich ohne Geburtsurkunde krankenversichert (I 73). Die fehlende Möglichkeit, Erziehungszeit zu beanspruchen und Gelder zu beantragen, rechtfertigt mangels Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegend nicht die Vorwegnahme der Hauptsache im summarischen Verfahren der einstweiligen Anordnung.
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4. Auch kann dem Begehren der Eltern nicht durch eine weniger weitreichende Entscheidung als die begehrte Einräumung der Befugnis, den Namen des Kindes allein zu bestimmen, Rechnung getragen werden. Ein Weniger zur beantragten Einräumung der Namensbestimmungsbefugnis würde dem Interesse der Eltern nicht dienen. So wird insbesondere die Geburtsurkunde nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 PStG nur erteilt, wenn der Vorname feststeht.
III.
22 
Von einer erneuten Anhörung der Beteiligten wird nach § 68 Abs. 3 FamFG abgesehen, da hiervon keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten sind. Der ursprünglich anberaumte Termin sollte ausschließlich dem Versuch dienen, eine einvernehmliche Regelung herbeizuführen.
23 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 2 Satz 1 und 2 FamFG. Dabei wird berücksichtigt, dass die Eltern mit ihrem jeweiligen Antrag keinen Erfolg haben.
24 
Der Verfahrenswert wird nach §§ 40, 41, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG festgesetzt.
25 
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
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(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde

Annotations

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme treffen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht.

(2) Die Maßnahme kann einen bestehenden Zustand sichern oder vorläufig regeln. Einem Beteiligten kann eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Verfügung über einen Gegenstand untersagt werden. Das Gericht kann mit der einstweiligen Anordnung auch die zu ihrer Durchführung erforderlichen Anordnungen treffen.

(1) In die Geburtsurkunde werden aufgenommen

1.
die Vornamen und der Geburtsname des Kindes,
2.
das Geschlecht des Kindes,
3.
Ort sowie Tag, Stunde und Minute der Geburt,
4.
die Vornamen und die Familiennamen der Eltern des Kindes.

(2) Auf Verlangen werden in die Geburtsurkunde Angaben nach Absatz 1 Nummer 2 und 4 nicht aufgenommen.

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Wert ist durch den Wert des Verfahrensgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Dies gilt nicht, soweit der Gegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde ist Verfahrenswert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

Im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist der Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen. Dabei ist von der Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Werts auszugehen.

(1) In einer Kindschaftssache, die

1.
die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge,
2.
das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft,
3.
das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes,
4.
die Kindesherausgabe oder
5.
die Genehmigung einer Einwilligung in einen operativen Eingriff bei einem Kind mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung (§ 1631e Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
betrifft, beträgt der Verfahrenswert 4 000 Euro.

(2) Eine Kindschaftssache nach Absatz 1 ist auch dann als ein Gegenstand zu bewerten, wenn sie mehrere Kinder betrifft.

(3) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.