Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 12. Aug. 2014 - 2 Ws 278/14

bei uns veröffentlicht am12.08.2014

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Untergebrachten wird der Beschluss des Landgerichts F. vom 9. Juli 2014 aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Vollzugsbehörde vom 21. März 2014 über die Art und Weise der Fesselung bei der Ausführung am 25. März 2014 rechtswidrig war.

3. Die Kosten des Verfahrens und die dem Untergebrachten hieraus erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

4. Der Gegenstandswert wird für beide Instanzen auf 500 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Beschwerdeführer befindet sich in der Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt F. Mit Verfügung vom 21.3.2014 wurden durch den Leiter der Vollzugsanstalt Anordnungen bezüglich der Durchführung einer Ausführung am 25.03.2014, u.a. auch nähere Regelungen zur Fesselung, getroffen. Am 3.4.2014 stellte der Untergebrachte den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung der Vollzugsbehörde vom 21. März 2014 über die Art und Weise der Fesselung bei der Ausführung am 25. März 2014. Mit der angefochtenen Entscheidung vom 9.7.2014, dem Untergebrachten zugestellt am 11.7.2014, wies das Landgericht F. den Antrag zurück. Hiergegen richtet sich die am 21.7.2014 eingelegte, auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde des Untergebrachten.
II.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§§ 83 JVollzGB BW V, 116 Abs. 1, 130 StVollzG).
2. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und aufgrund bestehender Spruchreife zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung über die Fesselung bei der Ausführung (zum Feststellungsinteresse bei Fesselung vgl. OLG Celle NStZ 1985, 480; 1991, 559).
a. Die getroffene Anordnung über die Fesselung war rechtswidrig, weil sie mangels hinreichender Begründung keine gerichtliche Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit erlaubt.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die angeordnete Fesselung als besondere Sicherungsmaßnahme ihre Grundlage entweder in § 62 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 6 JVollzGB BW V oder in § 62 Abs. 6 JVollzGB BW V haben kann. Auf welche dieser Vorschriften die Vollzugsbehörde die von ihr getroffene Anordnung stützt, ergibt sich indes weder aus der Verfügung vom 21.3.2014 noch der dort in Bezug genommenen Verfügung vom 28.1.2014, die beide keinerlei Begründung zu der Fesselungsanordnung enthalten. Damit ist eine gerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit nicht möglich, die hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen der „Gefahr der Flucht in erhöhtem Maß“ (§ 62 Abs. 1 JVollzGB BW V) bzw. der „Fluchtgefahr aus anderen Gründen“ (§ 62 Abs. 6 JVollzGB BW V) wegen des der Vollzugsbehörde damit eingeräumten Beurteilungsspielraums (vgl. dazu OLG Karlsruhe StraFo 2013, 302 m.w.N.; zu der inhaltlich identischen Vorgängervorschrift des § 88 Abs. 1 StVollzG außerdem Arloth, StVollzG, 3. Aufl. 2011, § 88 Rn. 1 m.w.N. und allgemein zum Begriff der Fluchtgefahr § 11 Rn. 10 m.w.N.) darauf beschränkt ist, ob die Vollzugsbehörde von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie ihrer Entscheidung ein zutreffendes Verständnis der die Anordnung tragenden Norm zugrundegelegt und die Grenzen des Beurteilungsspielraums eingehalten hat (vgl. Arloth a.a.O. § 115 Rn. 16 m.w.N.). Dies kann aber ohne eine entsprechende Begründung der getroffenen Anordnung nicht überprüft werden. Die nachgeschobene Begründung in der Stellungnahme der Vollzugsbehörde vom 23.4.2014 zum Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist insoweit unbeachtlich, weil sich nicht sicher feststellen lässt, dass die dort angeführten Gesichtspunkte beim Treffen der Anordnung tatsächlich in die Erwägungen einbezogen wurden (vgl. Kamann/Spaniol in Feest/Lesting, StVollzG, 6. Aufl. 2012, § 115 Rn. 52). Dieser formale Mangel zieht die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung nach sich.
b. Der Senat weist jedoch darauf hin, dass die in der Stellungnahme der Vollzugsbehörde vom 23.4.2014 aufgezeigten Gesichtspunkte grundsätzlich geeignet waren, die Fesselung des Untergebrachten bei der Ausführung nach § 62 Abs. 6 JVollzGB BW V zu tragen.
Anders als § 62 Abs. 1 JVollzGB BW V setzt die Anordnung der Fesselung bei einer Ausführung keine erhöhte Fluchtgefahr voraus (anders wohl OLG Karlsruhe a.a.O. zu § 67 Abs. 4 JVollzGB BW III). Dies ergibt sich nach Auffassung des Senats aus der insoweit eindeutigen Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Schaffung einer grundgesetzkonformen Rechtsgrundlage für den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Baden-Württemberg. Denn dort heißt es zu § 62 Abs. 6 JVollzGB BW V: „Absatz 6 beschreibt Situationen außerhalb der Justizvollzugsanstalt, in denen die Verwirklichung der Gefahr der Flucht der oder des Untergebrachten typischerweise bereits aufgrund der äußeren Umstände erhöht ist. In diesen Fällen lässt die Bestimmung als eigenständige Ermächtigungsnorm die Anordnung der Fesselung als besondere Sicherungsmaßnahme grundsätzlich zu, ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen müssen.“
Erforderlich, aber auch ausreichend ist danach die auf konkreten Tatsachen beruhende Annahme der Gefahr des Entweichens bei der Ausführung, zu deren Beseitigung die Fesselung geeignet und erforderlich ist; allgemeine Befürchtungen oder Vermutungen reichen dafür allerdings nicht aus (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; Arloth a.a.O., § 11 Rn. 11 m.w.N.).
Insoweit erscheint es bedenklich, dass die Vollzugsbehörde in ihrer Stellungnahme vom 23.4.2014 auch auf das Unterstützerumfeld des Untergebrachten abgestellt hat, ohne dabei Tatsachen vorzutragen, die einen konkreten Anhalt für eine drohende Befreiung des Untergebrachten durch Personen aus diesem Umfeld belegen.
10 
Jedoch reichen die weiteren von der Vollzugsbehörde genannten Umstände - die unbearbeitete Persönlichkeitsproblematik des Untergebrachten und die daraus und aus der unbefristeten Maßregel resultierende Perspektivlosigkeit - auch für sich genommen aus, die Annahme einer Fluchtgefahr und damit eine Fesselung des Untergebrachten bei Ausführungen zu rechtfertigen.
11 
Bei künftigen Anordnungen wird die Vollzugsbehörde indes zu bedenken haben, dass ihr auch hinsichtlich der Auswahl der Fesselungsmöglichkeiten ein nur beschränkt gerichtlich überprüfbares Ermessen zusteht (vgl. Arloth a.a.O., § 88 Rn. 1), weshalb eine Anordnung auch insoweit eine Begründung enthalten muss.
III.
12 
1. Die Kosten- und Auslagenentscheidung ergibt sich aus §§ 121 Abs. 3, 130 StVollzG, 83 JVollzGB BW V i.V.m. einer entsprechenden Anwendung von §§ 467 Abs. 1, 473 Abs. 3 StPO.
13 
2. Den Gegenstandswert hat der Senat entsprechend der Bedeutung der Sache für den Untergebrachten gemäß §§ 52, 60, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 65 GKG für beide Instanzen auf 500 EUR festgesetzt (vgl. Kamann/Spaniol a.a.O., § 121 Rn. 11).

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(1) Gegen einen Gefangenen können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach seinem Verhalten oder auf Grund seines seelischen Zustandes in erhöhtem Maß Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

1.
der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
2.
die Beobachtung auch mit optisch-elektronischen Einrichtungen,
3.
die Absonderung von anderen Gefangenen,
4.
der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
5.
die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und
6.
die Fesselung.

(3) Maßnahmen nach Absatz 2 Nr. 1, 3 bis 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Anstaltsordnung anders nicht vermieden oder behoben werden kann.

(4) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung auch dann zulässig, wenn aus anderen Gründen als denen des Absatzes 1 in erhöhtem Maß Fluchtgefahr besteht.

(5) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur soweit aufrechterhalten werden, als es ihr Zweck erfordert.

(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind.

(2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen. Hat sich die Maßnahme vor einer Entscheidung nach Absatz 1 in anderer Weise als durch Zurücknahme des Antrags erledigt, so entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen nach billigem Ermessen.

(3) Bei erstinstanzlichen Entscheidungen des Gerichts nach § 119a fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last. Absatz 2 Satz 2 gilt nicht im Falle des § 115 Abs. 3.

(4) Im übrigen gelten die §§ 464 bis 473 der Strafprozeßordnung entsprechend.

(5) Für die Kosten des Verfahrens nach den §§ 109ff. kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 43 Abs. 2 übersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

Für die Bestimmung des Werts in gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, ist § 52 Absatz 1 bis 3 entsprechend anzuwenden; im Verfahren über den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs einer Maßnahme der Vollzugsbehörde oder auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gilt § 52 Absatz 1 und 2 entsprechend.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.