Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 02. Okt. 2012 - 12 U 99/12

bei uns veröffentlicht am02.10.2012

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 22.5.2012 (3 O 12/12) wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Kläger begehren von der Beklagten Deckungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung.
Die Klägerin zu 1 unterhält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung, die den Kläger zu 2 als mitversicherte Person einschließt. Dem Vertrag liegen die ARB 2002 zugrunde, die unter § 3 Abs. 1 b) bb) ARB 2002 folgende Ausschlussklausel vorsehen:
"Rechtsschutz besteht nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit der Planung oder Errichtung eines Gebäudes oder Gebäudeteiles, der sich im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindet oder das dieser zu erwerben oder in Besitz zu nehmen beabsichtigt“.
Die Kläger erwarben unter Vermittlung von Herrn Willfried K. ein Grundstück in I. Mit Vereinbarung vom 14.4.2011 beauftragte der Kläger zu 2 Herrn K. als Inhaber des Büros „K.bautechnik und Projektentwicklung“ mit der "Erstellung einer Doppelhaushälfte" auf dem erworbenen Grundstück. Auf Aufforderung des Rohbauunternehmers, der Firma D. Bau-GmbH, erteilten die Kläger Herrn K. Vertretungsvollmacht. Bei Vertragsschluss gingen die Kläger davon aus, dass Willfried K. die Bauleistungen in eigener Person erbringen werde. Tatsächlich schuldete Willfried K. aus der Vereinbarung vom 14.4.2011 lediglich die Erbringung von Planungs- und Betreuungsleistungen. Ohne Kenntnis der Kläger beauftragte Willfried K. namens der Kläger die D. Bau-GmbH mit den Rohbauarbeiten. Sowohl Herr K. als auch die D. Bau-GmbH forderten von den Klägern Teilzahlungen orientiert am Baufortschritt, die von den Klägern bis auf einen Restbetrag aus den Rechnungen der D. Bau-GmbH bezahlt wurden. Auf Anfrage der Kläger nach dem Inhalt seiner Leistungspflicht und der Verrechnung der Zahlungen auf die Werkleistung teilte Willfried K. mit, das Projekt lediglich geplant und bauleitend begleitet zu haben.
Mit der Begründung, systematisch von Willfried K. und dem Geschäftsführer der D. Bau-GmbH über den Inhalt der Leistungspflicht von Herrn K. getäuscht worden zu sein, ersuchten die Kläger die Beklagte um Bewilligung von Versicherungsschutz zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen Willfried K. und den Geschäftsführer der D. Bau-GmbH, was die Beklagte unter Hinweis auf die Ausschlussklausel nach § 3 Abs. 1 b) bb) der Versicherungsbedingungen ablehnte.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die Ausschlussklausel erfasse nicht die Rechtsangelegenheit, da Gegenstand der Schadensersatzansprüche nicht der bauvertragliche Leistungsaustausch, sondern ein Betrugsgeschehen sei, welches nicht in einem inneren Zusammenhang mit den typischen Risiken der Planung und Erstellung eines Gebäudes stehe.
Die Kläger haben beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, EUR 6.060,23 nebst Zinsen hierauf von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Kläger zu 1. und 2. zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte den Klägern zu 1. und 2. gegenüber verpflichtet ist, alle darüber hinausgehenden Kosten aus deren Rechtsstreit gegen Herrn Wilfried K. und Herrn Gunther D. im Zusammenhang mit den Rechnungen des Herrn K. vom 27.05.2011 („Beginn der Erdarbeiten“), vom 27.05.2011 („Beginn der Bauarbeiten“), vom 30.06.2011 („Betonieren der Bodenplatte“), vom 08.07.2011 („Herstellen der Kellergeschossaußenwände“), vom 15.07.2011 („Herstellen der Erdgeschossaußenwände“) und vom 11.08.2011 („Abdichten der Kellergeschossaußenwände“) zu tragen.
10 
Die Beklagte hat beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, hinsichtlich der von den Klägern angestrebten Schadensersatzklage bestehe ein zeitlicher sowie innerer sachlicher Zusammenhang zu einem nicht versicherten Baurisiko, da die Auslegung und Durchführung der geschlossenen Bauverträge im Streit sei.
13 
Mit Urteil vom 22.5.2012, auf dessen Feststellungen im Übrigen verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage unter Hinweis auf den Ausschluss des Versicherungsschutzes nach § 3 Abs. 1 b) bb) ARB abgewiesen. Gegenstand der Auseinandersetzung sei die Auslegung der Bauverträge sowie die Frage, ob die Bauleistungen ordnungsgemäß abgerechnet worden seien, womit aber das typische Baurisiko betroffen sei, das nach der Ausschlussklausel vom Versicherungsschutz ausgenommen werde.
14 
Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgen. Das Landgericht habe das maßgebliche Rechtsschutzinteresse der Kläger verkannt, das sich auf einen Betrugsvorwurf stütze und nicht von der Ausschlussklausel umfasst sei. Den Klägern gehe es nicht um die Abwicklung des Vertrages sondern darum, dass Herr K. Leistungen abgerechnet habe, die nicht von ihm, sondern von der Firma D. Bau GmbH erbracht worden seien. Eine Auslegung des Vertrages sei zur Feststellung des Betruges nicht erforderlich. Aber selbst wenn die Feststellung des Betruges von der Auslegung des Vertrages abhinge, erhielte das verfolgte Interesse nicht das Gepräge eines typischen Baurechtsstreits, da es nicht um den bauvertraglichen Leistungsaustausch und typischerweise damit verbundene Störungen gehe. Der allein vorgebrachte Vorwurf des Betruges stehe vielmehr, wie sich aus den Entscheidungen des BGH vom 10.11.1993 (BGH Urt. v. 10.11.1993 - IV ZR 87/93) und vom 19.2.2003 (BGH Urt. v. 19.2.2003 - IV ZR 318/02) ergebe, außerhalb des mit der Baurisikoklausel verfolgten Zwecks.
15 
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die zur Akte gereichten Anlagen Bezug genommen.
II.
16 
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Die Beklagte ist den Klägern nicht zur Gewährung von Deckungsschutz aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag verpflichtet, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung unter die Ausschlussklausel nach § 3 Abs. 1 b) bb) ARB 2002 fällt und daher vom Versicherungsschutz ausgenommen ist.
17 
1. Versicherungsbedingungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des BGH so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGH VersR 2001, 489; BGH VersR 2003, 454). Bei Risikoausschlussklauseln - wie vorliegend bei § 3 Abs. 1 b) bb) ARB 2002 der Fall - geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel es gebietet. Ihr Anwendungsbereich darf nicht weiter ausgedehnt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Ziels und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (BGH VersR 2001, 489; BGH VersR 2003, 454).
18 
2. Dabei verfolgt die Ausschlussklausel § 3 Abs. 1 b) bb) ARB 2002 den - auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren - Zweck, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen und im Kostenrisiko schwer überschaubaren und kaum kalkulierbaren rechtlichen Streitigkeiten um Baumaßnahmen aller Art und die sie unmittelbar begleitenden Vorgänge von der Versicherung auszunehmen, weil nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil der in der Risikogemeinschaft zusammengeschlossenen Versicherungsnehmer ein solches Risiko entstehen kann (BGH VersR 2003, 454).
19 
3. Hinsichtlich ihres sachlichen Anwendungsbereichs stellt die Klausel auf einen ursächlichen Zusammenhang mit der Planung und Errichtung eines Gebäudes ab. Maßgebend ist, ob die vom Versicherungsnehmer angestrebte Rechtsverfolgung der Planung und Errichtung eines Gebäudes zuzuordnen ist. Der geforderte Zusammenhang muss dabei nicht nur zeitlich bestehen, sondern es muss darüber hinaus auch ein innerer sachlicher Bezug gegeben sein (BGH VersR 2003, 454). Entscheidend ist dabei die Rechtsnatur des geltend gemachten Rechtsschutzinteresses (BGH VersR 1986, 132). Dieses muss sich als typisches Baurisiko darstellen. Dafür sind Auseinandersetzungen charakteristisch, die über die anlässlich eines Bauvorhabens erbrachten Leistungen geführt werden. Es geht um die Wahrung der rechtlichen Interessen, die der Bauherr an der Planung und Errichtung eines mangelfreien Gebäudes hat. Nur das offenbart sich dem verständigen Versicherungsnehmer bei unbefangener Lektüre der streitbefangenen Klausel. Es erschließt sich ihm hingegen nicht, dass er keinen Deckungsschutz für die Durchsetzung von Ansprüchen haben soll, die zu dem Bauvorhaben selbst in keinem unmittelbaren Bezug stehen (BGH VersR 2003, 454).
20 
4. Ausgehend vom verfolgten Rechtschutzinteresse der Kläger und dem Zweck der Ausschlussklausel ergibt die Auslegung, dass die geltend gemachten Schadensersatzansprüche das Baurisiko betreffen und daher vom Versicherungsschutz ausgenommen sind. Der Vorwurf des Betrugs lässt nicht den erforderlichen qualifizierten Bezug zu der Baurisikoklausel entfallen. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob die dem Betrugsvorwurf zugrundeliegenden Umstände mit der Planung und Errichtung eines Gebäudes in dem erforderlichen Zusammenhang stehen oder einen die Gebäudeplanung und -errichtung unmittelbar begleitenden Vorgang betreffen.
21 
a. Das Rechtsschutzbegehren der Kläger steht in ursächlichen Zusammenhang mit der Beauftragung des Herrn K. mit der Erstellung und Planung eines Gebäudes durch Vereinbarung vom 14.4.2011 und der ihm erteilten Vollmacht. Die Kläger stützen ihr Schadensersatzbegehren darauf, dass Herr K. sie bei Vertragsschluss sowie bei Abrechnung der Bauleistungen bewusst im Unklaren über den Inhalt seiner Leistungspflicht gelassen hat, wozu der Geschäftsführer der D. Bau-GmbH Beihilfe geleistet habe. Ihr Vorwurf einer unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 2BGB i.V.m. § 263 StGB sowie eines Verschuldens bei Vertragsschluss nach §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB betrifft dabei die bewusste Irreführung über Art und Umfang der Verpflichtung zu Planung und Errichtung eines Gebäudes sowie die Erfüllung dieser Verpflichtungen. Betroffen ist damit aber eine Streitigkeit, die den erforderlichen qualifizierten Bezug zu der Baurisikoklausel aufweist. In diesem Fall wird aber der durchschnittliche Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung erkennen, dass die beabsichtigte Interessenwahrnehmung vom Versicherungsschutz ausgenommen ist.
22 
b. Die Baurisikoklausel ist bei verständiger Würdigung der Klausel auch nicht auf Risiken der Abwicklung von Verträgen über Planungs- und Bauleistungen betreffend Gebäude oder Gebäudeteile beschränkt. Vielmehr wird der um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer erkennen, dass der innere sachliche Zusammenhang mit dem Interesse des Bauherrn, an der Errichtung und Planung eines mangelfreien Gebäudes auch dann betroffen ist, wenn es schon um die Eingehung einer solchen Verpflichtung zur Errichtung und Planung eines Gebäudes geht und das Rechtsschutzbegehren gerade an den vertraglich festgelegten Inhalt dieser Leistungspflichten anknüpft, indem der Vorwurf erhoben wird, über Art und Umfang der Leistungspflichten getäuscht worden zu sein. Auch soweit die Kläger den Betrugsvorwurf daran knüpfen, Bauleistungen doppelt bezahlt zu haben, betrifft dies einen Vorgang, der die Planungs- und Baumaßnahme unmittelbar begleitet und mit dieser in dem geforderten qualifizierten, bautypischen Zusammenhang steht.
23 
c. Etwas anderes ergibt sich nicht aus den vom Kläger zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Der Entscheidung vom 19.2.2003 hinsichtlich der Eintrittspflicht der Rechtsschutzversicherung bei Streitigkeiten aus einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds (Urteil v. 19.2.2003 - IV ZR 318/02 - VersR 2003, 454) kann nicht entnommen werden, dass ein innerer Zusammenhang des Rechtsschutzbegehrens mit dem Baurisiko schon dann nicht besteht, wenn ein Betrugsgeschehen den Gegenstand des Rechtsschutzbegehren bildet. Vielmehr wurde in der zitierten Entscheidung ein innerer Zusammenhang mit dem Baurisiko deshalb verneint, weil die dem Betrugsvorwurf zugrundeliegenden Umstände keine Vorgänge betroffen haben, die eine Baumaßnahme unmittelbar begleitet oder mit dieser in einem für Baurisiken charakteristischen Zusammenhang gestanden haben. Der BGH sah nach dem Rechtsschutzbegehren der Erwerber vielmehr das von der Ausschlussklausel nicht umfasste Erwerbsrisiko als betroffen an. Auch nach der Entscheidung vom 11.10.1993 (Urteil vom 11.10.1993 - IV ZR 87/93 - VersR 1994, 44), die den Fall einer arglistigen Täuschung über Eigenschaften des zu bebauenden Grundstücks betraf, ist für den Anwendungsbereich der Baurisikoklausel allein maßgeblich, ob das wahrzunehmende Interesse aus dem Erwerbsvorgang in dem von der Baurisikoklausel geforderten qualifizierten Zusammenhang mit der Planung und Errichtung eines Gebäudes steht.
III.
24 
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
25 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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Bundesgerichtshof Urteil, 19. Feb. 2003 - IV ZR 318/02

bei uns veröffentlicht am 19.02.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 318/02 Verkündet am: 19. Februar 2003 Heinekamp Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _______________

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 318/02 Verkündet am:
19. Februar 2003
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
ARB 75 § 4 (1) k
Die Ausschlußklausel des § 4 (1) k ARB 75 umfaßt nicht auch das Erwerbsrisiko
(hier: Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds).
BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 - IV ZR 318/02 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter
Seiffert und Dr. Schlichting, die Richterinnen Ambrosius und
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Februar 2003

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. August 2002 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 13. Dezember 2001 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß der Feststellungsausspruch wie folgt lautet: Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus deren Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds Nummer 35, S. M. der WGS, gegen 1. den Initiator des Projekts, K. N. , 2. den Geschäftsführer der Treuhandgesellschaft, T. F. , und 3. die Treuhandgesellschaft, F. Wirtschaftstreuhand GmbH, bedingungsgemäßen Versicherungsschutz aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag - Versicherungsnummer: .... - zu gewähren.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin zu 2) unterhält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung , die den Kläger zu 1) als mitversicherte Person einschließt. Dem Vertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen zugrunde, die den ARB 75 entsprechen.
Im Jahre 1994 zeichneten die Kläger zwei Anteile an dem geschlossenen "WGS-Immobilien-Fonds Nr. 35". Gesellschaftszweck war die Vermietung von Wohn- und Geschäftsräumen in einem damals noch in Errichtung befindlichen Objekt in S. . Entgegen den Angaben im Prospekt wurden für das Gebäude statt 12 nur 7 Geschosse genehmigt, was die vermietbare Fläche entsprechend verringerte. Ferner waren die anfallenden Vertriebskosten nicht vollständig ausgewiesen. Die Kläger nehmen deshalb den geschäftsführenden Gesellschafter der Fonds-GbR und den Geschäftsführer der Treuhand-GmbH auf Schadensersatz in ! " Höhe von 96.503,18 DM (= 49.341,29

zufolge den Aufwendungen für den Erwerb der Fondsanteile einschließlich Nebenkosten und dem Verlust an Nettomieteinnahmen für die Zeit von Dezember 1994 bis September 1997 entspricht. Die Treuhandgesell- $# % & ' ( ) schaft halten sie in Höhe von 2.868,58 DM (= 1.466,68 sersatzpflichtig , weil diese zugunsten der bauausführenden Firma unberechtigt Gelder vom Treuhandkonto freigegeben habe.
Die Beklagte hat die Erteilung einer Deckungszusage unter Hinweis auf § 4 (1) k ARB 75 verweigert, der wie folgt lautet: " § 4 Allgemeine Risikoausschlüsse (1) Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen...
k) die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Planung, Errichtung oder genehmigungspflichtigen baulichen Veränderung eines im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindlichen oder von diesem zu erwerbenden Grundstückes , Gebäudes oder Gebäudeteiles stehen." Die Kläger begehren die Feststellung, daß die Beklagte ihnen bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren hat. Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf ihre Berufung ist die Klage abgewiesen worden. Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer - zugelassenen - Revision.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel der Kläger hat Erfolg.

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind die Voraussetzun- gen der Risikoausschlußklausel des § 4 (1) k ARB 75 erfüllt. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Planung und Errichtung eines Bauwerkes sei gegeben. Die Kläger hätten ihr Anlagegeschäft zu einem Zeitpunkt getätigt, als die Immobilie, die Gegenstand ihrer Investition gewesen sei, sich noch in der Bauphase befunden habe. Die planmäßige Fertigstellung des Gebäudes mit 12 Stockwerken habe für sie entscheidende Bedeutung gehabt, weil davon der Wert ihrer Fondsanteile abhängig gewesen sei. Ob die Kläger als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden seien, sei ohne Relevanz. Es genüge, daß der Prospekt eine solche Eigentümerstellung ausdrücklich vorsehe. Auf die rechtlichen Unterschiede zwischen einem geschlossenen Immobilienfonds und einem Bauherrenmodell komme es dabei nicht an. Ebenso sei unerheblich, daß die Kläger keine werkvertraglichen, sondern deliktische Ansprüche geltend machen wollten.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Beklagte hat den Klägern für die von ihnen verfolgten Schadensersatzansprüche bedingungsgemäß Versicherungsschutz zu gewähren.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats sind Allgemeine Versicherungsbedingungen - hier der Risikoausschluß des § 4 (1) k ARB 75 - so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Inter-

essen an (BGHZ 84, 268, 272; BGHZ 123, 83, 85 und ständig). Bei Risikoausschlüssen geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin, daß der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Ihr Anwendungsbereich darf mithin nicht weiter ausgedehnt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Ziels und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, daß er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne daß ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (BGHZ 65, 142, 145; Senatsurteil vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98 - VersR 1999, 748 unter 2 a).
2. Die Ausschlußklausel des § 4 (1) k ARB 75 verfolgt den - auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren - Zweck, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen und im Kostenrisiko schwer überschaubaren und kaum kalkulierbaren rechtlichen Streitigkeiten um Baumaßnahmen aller Art und die sie unmittelbar begleitenden Vorgänge von der Versicherung auszunehmen, weil nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil der in der Risikogemeinschaft zusammengeschlossenen Versicherungsnehmer ein solches Risiko entstehen kann.

a) Sie stellt dafür auf den unmittelbaren Zusammenhang mit der Planung und Errichtung eines Gebäudes ab. Maßgebend ist, ob die vom Versicherungsnehmer angestrebte Rechtsverfolgung der Planung und Errichtung eines Gebäudes zuzuordnen ist. Der geforderte Zusammenhang muß dabei nicht nur zeitlich bestehen, sondern es muß darüber hinaus auch ein innerer sachlicher Bezug gegeben sein (vgl. Senatsurteile vom 16. Oktober 1985 - IVa ZR 49/84 - VersR 1986, 132 unter 2; vom 1. Februar 1989 - IVa ZR 247/87 - VersR 1989, 470 unter 2; vom

14. Februar 1990 - IV ZR 4/89 - VersR 1990, 485 unter 4; vom 10. November 1993 - IV ZR 87/93 - VersR 1994, 44 unter 3). Die Klausel erfaßt das Baurisiko, für das Auseinandersetzungen typisch sind, die über die anläßlich eines Bauvorhabens erbrachten Leistungen geführt werden. Es geht um die Wahrung der rechtlichen Interessen, die der Bauherr an der Planung und Errichtung eines mangelfreien Gebäudes hat. Nur das offenbart sich dem verständigen Versicherungsnehmer bei unbefangener Lektüre der streitbefangenen Klausel. Es erschließt sich ihm hingegen nicht, daß er keinen Deckungsschutz für die Durchsetzung von Ansprüchen haben soll, die zu dem Bauvorhaben selbst in keinem unmittelbaren Bezug stehen, sich vielmehr aus dem Erwerb eines zur Bebauung vorgesehenen Grundstückes (Senatsurteil vom 10. November 1993 aaO unter 3) oder - wie hier - dem Erwerb von Fondsanteilen ergeben , selbst wenn der Zweck der Gesellschaft, der die Kläger beigetreten sind, in der Errichtung und der Verwaltung einer Immobilie besteht.

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dieser besondere Zusammenhang im Falle der Kläger zu verneinen. Die von ihnen verfolgten Ansprüche betreffen nicht das dem Leistungsausschluß allein unterfallende Baurisiko. Die Kläger halten nicht die Planung oder Errichtung des Objekts für fehlerhaft. Sie machen statt dessen geltend, der Prospekt enthalte wahrheitswidrige Angaben über die Höhe der anfallenden Vertriebskosten und über die Genehmigungsfähigkeit der dort ausgewiesenen , zur späteren Vermietung vorgesehenen 12 Geschosse. Sie fühlen sich über den Wert der erworbenen Fondsanteile getäuscht und von dem geschäftsführenden Gesellschafter der Immobilienfonds-GbR und dem Geschäftsführer der Treuhand-GmbH deliktisch geschädigt. Ähnlich verhält es sich mit den Ansprüchen aus unerlaubter Handlung,

die sich gegen die Treuhand-GmbH richten, weil diese in Kenntnis da- von, daß das Bauvorhaben nicht prospektgerecht umsetzbar war, ihr anvertraute Gelder unberechtigt ausgezahlt haben soll. Die Rechtsverfolgung der Kläger ist damit dem - anders gearteten - Erwerbsrisiko zuzuordnen. Ihr Vorwurf des Betruges und der Untreue steht außerhalb des mit der Klausel verfolgten Zwecks; er betrifft insbesondere keinen Vorgang , der die Baumaßnahme unmittelbar begleitet und mit dieser in dem geforderten qualifizierten Zusammenhang gestanden hat. Die Täuschung , auf die die Kläger sich berufen, mag die Werthaltigkeit der Fondsanteile zum Gegenstand haben, insbesondere weil sich eine geringere Geschoßzahl auf die aus der Immobilie zu erzielenden Mieterträge auswirkt; einen Baumangel hat dies jedoch nicht zur Folge. Das gilt erst recht für die der Treuhand-GmbH angelastete unerlaubte Handlung. Will der Versicherer auch diese mit dem Erwerb verbundenen Risiken vom Versicherungsschutz ausschließen, muß er die Klausel entsprechend deutlich formulieren. Da die Beklagte dies unterlassen hat, ist die Klausel in dem engeren Sinne zu verstehen, daß sie allein das - hier nicht berührte - Baurisiko umfaßt.
Der Senat hat diesen Standpunkt bereits in seinem Urteil vom 10. November 1993 (aaO unter 3 und 4) vertreten. Soweit sich aus dem Senatsurteil vom 16. Oktober 1985 (aaO unter 2) etwas anderes ergibt, hält er an der dortigen Sichtweise nicht fest.
3. Die Beklagte kann den Klägern nicht entgegenhalten, die Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen sei mutwillig. In §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 17 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 bringt der Versicherer zum Ausdruck, daß er Versicherungsschutz unter den sachlichen Voraussetzungen gewährt,

unter denen eine Partei Prozeßkostenhilfe gemäß § 114 ZPO beanspruchen kann (Senatsurteil vom 16. September 1987 - IVa ZR 76/86 - VersR 1988, 174 unter I 1). Einer mittellosen Partei, die sich zum Erhalt ihrer Ansprüche einen nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F. 30 Jahre vollstreckbaren Titel verschaffen möchte und deshalb Prozeßkostenhilfe begehrt, ist indes kein Mutwillen anzulasten.
Seiffert Dr. Schlichting Ambrosius
Dr. Kessal-Wulf Felsch

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch

1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder
3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.

(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 318/02 Verkündet am:
19. Februar 2003
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
ARB 75 § 4 (1) k
Die Ausschlußklausel des § 4 (1) k ARB 75 umfaßt nicht auch das Erwerbsrisiko
(hier: Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds).
BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 - IV ZR 318/02 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter
Seiffert und Dr. Schlichting, die Richterinnen Ambrosius und
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Februar 2003

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. August 2002 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 13. Dezember 2001 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß der Feststellungsausspruch wie folgt lautet: Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus deren Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds Nummer 35, S. M. der WGS, gegen 1. den Initiator des Projekts, K. N. , 2. den Geschäftsführer der Treuhandgesellschaft, T. F. , und 3. die Treuhandgesellschaft, F. Wirtschaftstreuhand GmbH, bedingungsgemäßen Versicherungsschutz aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag - Versicherungsnummer: .... - zu gewähren.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin zu 2) unterhält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung , die den Kläger zu 1) als mitversicherte Person einschließt. Dem Vertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen zugrunde, die den ARB 75 entsprechen.
Im Jahre 1994 zeichneten die Kläger zwei Anteile an dem geschlossenen "WGS-Immobilien-Fonds Nr. 35". Gesellschaftszweck war die Vermietung von Wohn- und Geschäftsräumen in einem damals noch in Errichtung befindlichen Objekt in S. . Entgegen den Angaben im Prospekt wurden für das Gebäude statt 12 nur 7 Geschosse genehmigt, was die vermietbare Fläche entsprechend verringerte. Ferner waren die anfallenden Vertriebskosten nicht vollständig ausgewiesen. Die Kläger nehmen deshalb den geschäftsführenden Gesellschafter der Fonds-GbR und den Geschäftsführer der Treuhand-GmbH auf Schadensersatz in ! " Höhe von 96.503,18 DM (= 49.341,29

zufolge den Aufwendungen für den Erwerb der Fondsanteile einschließlich Nebenkosten und dem Verlust an Nettomieteinnahmen für die Zeit von Dezember 1994 bis September 1997 entspricht. Die Treuhandgesell- $# % & ' ( ) schaft halten sie in Höhe von 2.868,58 DM (= 1.466,68 sersatzpflichtig , weil diese zugunsten der bauausführenden Firma unberechtigt Gelder vom Treuhandkonto freigegeben habe.
Die Beklagte hat die Erteilung einer Deckungszusage unter Hinweis auf § 4 (1) k ARB 75 verweigert, der wie folgt lautet: " § 4 Allgemeine Risikoausschlüsse (1) Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen...
k) die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Planung, Errichtung oder genehmigungspflichtigen baulichen Veränderung eines im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindlichen oder von diesem zu erwerbenden Grundstückes , Gebäudes oder Gebäudeteiles stehen." Die Kläger begehren die Feststellung, daß die Beklagte ihnen bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren hat. Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf ihre Berufung ist die Klage abgewiesen worden. Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer - zugelassenen - Revision.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel der Kläger hat Erfolg.

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind die Voraussetzun- gen der Risikoausschlußklausel des § 4 (1) k ARB 75 erfüllt. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Planung und Errichtung eines Bauwerkes sei gegeben. Die Kläger hätten ihr Anlagegeschäft zu einem Zeitpunkt getätigt, als die Immobilie, die Gegenstand ihrer Investition gewesen sei, sich noch in der Bauphase befunden habe. Die planmäßige Fertigstellung des Gebäudes mit 12 Stockwerken habe für sie entscheidende Bedeutung gehabt, weil davon der Wert ihrer Fondsanteile abhängig gewesen sei. Ob die Kläger als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden seien, sei ohne Relevanz. Es genüge, daß der Prospekt eine solche Eigentümerstellung ausdrücklich vorsehe. Auf die rechtlichen Unterschiede zwischen einem geschlossenen Immobilienfonds und einem Bauherrenmodell komme es dabei nicht an. Ebenso sei unerheblich, daß die Kläger keine werkvertraglichen, sondern deliktische Ansprüche geltend machen wollten.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Beklagte hat den Klägern für die von ihnen verfolgten Schadensersatzansprüche bedingungsgemäß Versicherungsschutz zu gewähren.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats sind Allgemeine Versicherungsbedingungen - hier der Risikoausschluß des § 4 (1) k ARB 75 - so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Inter-

essen an (BGHZ 84, 268, 272; BGHZ 123, 83, 85 und ständig). Bei Risikoausschlüssen geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin, daß der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Ihr Anwendungsbereich darf mithin nicht weiter ausgedehnt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Ziels und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, daß er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne daß ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (BGHZ 65, 142, 145; Senatsurteil vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98 - VersR 1999, 748 unter 2 a).
2. Die Ausschlußklausel des § 4 (1) k ARB 75 verfolgt den - auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren - Zweck, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen und im Kostenrisiko schwer überschaubaren und kaum kalkulierbaren rechtlichen Streitigkeiten um Baumaßnahmen aller Art und die sie unmittelbar begleitenden Vorgänge von der Versicherung auszunehmen, weil nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil der in der Risikogemeinschaft zusammengeschlossenen Versicherungsnehmer ein solches Risiko entstehen kann.

a) Sie stellt dafür auf den unmittelbaren Zusammenhang mit der Planung und Errichtung eines Gebäudes ab. Maßgebend ist, ob die vom Versicherungsnehmer angestrebte Rechtsverfolgung der Planung und Errichtung eines Gebäudes zuzuordnen ist. Der geforderte Zusammenhang muß dabei nicht nur zeitlich bestehen, sondern es muß darüber hinaus auch ein innerer sachlicher Bezug gegeben sein (vgl. Senatsurteile vom 16. Oktober 1985 - IVa ZR 49/84 - VersR 1986, 132 unter 2; vom 1. Februar 1989 - IVa ZR 247/87 - VersR 1989, 470 unter 2; vom

14. Februar 1990 - IV ZR 4/89 - VersR 1990, 485 unter 4; vom 10. November 1993 - IV ZR 87/93 - VersR 1994, 44 unter 3). Die Klausel erfaßt das Baurisiko, für das Auseinandersetzungen typisch sind, die über die anläßlich eines Bauvorhabens erbrachten Leistungen geführt werden. Es geht um die Wahrung der rechtlichen Interessen, die der Bauherr an der Planung und Errichtung eines mangelfreien Gebäudes hat. Nur das offenbart sich dem verständigen Versicherungsnehmer bei unbefangener Lektüre der streitbefangenen Klausel. Es erschließt sich ihm hingegen nicht, daß er keinen Deckungsschutz für die Durchsetzung von Ansprüchen haben soll, die zu dem Bauvorhaben selbst in keinem unmittelbaren Bezug stehen, sich vielmehr aus dem Erwerb eines zur Bebauung vorgesehenen Grundstückes (Senatsurteil vom 10. November 1993 aaO unter 3) oder - wie hier - dem Erwerb von Fondsanteilen ergeben , selbst wenn der Zweck der Gesellschaft, der die Kläger beigetreten sind, in der Errichtung und der Verwaltung einer Immobilie besteht.

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dieser besondere Zusammenhang im Falle der Kläger zu verneinen. Die von ihnen verfolgten Ansprüche betreffen nicht das dem Leistungsausschluß allein unterfallende Baurisiko. Die Kläger halten nicht die Planung oder Errichtung des Objekts für fehlerhaft. Sie machen statt dessen geltend, der Prospekt enthalte wahrheitswidrige Angaben über die Höhe der anfallenden Vertriebskosten und über die Genehmigungsfähigkeit der dort ausgewiesenen , zur späteren Vermietung vorgesehenen 12 Geschosse. Sie fühlen sich über den Wert der erworbenen Fondsanteile getäuscht und von dem geschäftsführenden Gesellschafter der Immobilienfonds-GbR und dem Geschäftsführer der Treuhand-GmbH deliktisch geschädigt. Ähnlich verhält es sich mit den Ansprüchen aus unerlaubter Handlung,

die sich gegen die Treuhand-GmbH richten, weil diese in Kenntnis da- von, daß das Bauvorhaben nicht prospektgerecht umsetzbar war, ihr anvertraute Gelder unberechtigt ausgezahlt haben soll. Die Rechtsverfolgung der Kläger ist damit dem - anders gearteten - Erwerbsrisiko zuzuordnen. Ihr Vorwurf des Betruges und der Untreue steht außerhalb des mit der Klausel verfolgten Zwecks; er betrifft insbesondere keinen Vorgang , der die Baumaßnahme unmittelbar begleitet und mit dieser in dem geforderten qualifizierten Zusammenhang gestanden hat. Die Täuschung , auf die die Kläger sich berufen, mag die Werthaltigkeit der Fondsanteile zum Gegenstand haben, insbesondere weil sich eine geringere Geschoßzahl auf die aus der Immobilie zu erzielenden Mieterträge auswirkt; einen Baumangel hat dies jedoch nicht zur Folge. Das gilt erst recht für die der Treuhand-GmbH angelastete unerlaubte Handlung. Will der Versicherer auch diese mit dem Erwerb verbundenen Risiken vom Versicherungsschutz ausschließen, muß er die Klausel entsprechend deutlich formulieren. Da die Beklagte dies unterlassen hat, ist die Klausel in dem engeren Sinne zu verstehen, daß sie allein das - hier nicht berührte - Baurisiko umfaßt.
Der Senat hat diesen Standpunkt bereits in seinem Urteil vom 10. November 1993 (aaO unter 3 und 4) vertreten. Soweit sich aus dem Senatsurteil vom 16. Oktober 1985 (aaO unter 2) etwas anderes ergibt, hält er an der dortigen Sichtweise nicht fest.
3. Die Beklagte kann den Klägern nicht entgegenhalten, die Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen sei mutwillig. In §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 17 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 bringt der Versicherer zum Ausdruck, daß er Versicherungsschutz unter den sachlichen Voraussetzungen gewährt,

unter denen eine Partei Prozeßkostenhilfe gemäß § 114 ZPO beanspruchen kann (Senatsurteil vom 16. September 1987 - IVa ZR 76/86 - VersR 1988, 174 unter I 1). Einer mittellosen Partei, die sich zum Erhalt ihrer Ansprüche einen nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F. 30 Jahre vollstreckbaren Titel verschaffen möchte und deshalb Prozeßkostenhilfe begehrt, ist indes kein Mutwillen anzulasten.
Seiffert Dr. Schlichting Ambrosius
Dr. Kessal-Wulf Felsch

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.