Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 29. Dez. 2004 - 12 U 299/04

published on 29/12/2004 00:00
Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 29. Dez. 2004 - 12 U 299/04
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Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 15.07.2004 - 1 O 37/04 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen

Gründe

 
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
I. (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)
Die Klägerin, Haftpflichtversicherer eines Unfallverursachers, nimmt die Beklagten als vom Unfallgeschädigten beauftragte Kfz-Sachverständige wegen angeblich zu niedrig ermittelten Restwerts des beschädigten Fahrzeugs auf Schadensersatz in Anspruch. Sie wirft ihnen vor, bei der Ermittlung des Restwerts lediglich drei regionale Angebote berücksichtigt zu haben, nicht aber über Onlinebörsen erhältliche Angebote.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochten Urteils, mit dem das Landgericht die auf Zahlung von 11.119,63 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen hat, wird Bezug genommen.
Im Berufungsrechtszug verfolgt die Klägerin ihr Begehren in vollem Umfang weiter.
Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
II. (§ 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO)
Das Landgericht hat zutreffend entschieden. Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz zu.
Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige auch gegenüber der in die Schutzwirkung des Gutachterauftrags einbezogenen Haftpflichtversicherung des Unfallgegners zu keinen weitergehenden Erhebungen verpflichtet ist, als gegenüber seinem eigentlichen Auftraggeber. Die vertraglichen Pflichten des Sachverständigen sind darauf gerichtet, dem Geschädigten, der wie hier vollen Ersatz seiner Vermögenseinbußen verlangen kann, die Liquidation seines Schadens durch Feststellung der dafür maßgeblichen Werte zu erleichtern.
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Wie der BGH in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, steht die Ersatzbeschaffung als Variante der Naturalrestitution unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Das bedeutet, dass der Geschädigte bei der Schadensbehebung gemäß § 249 Satz 2 BGB im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage grundsätzlich den wirtschaftlichsten Weg zu wählen hat (BGHZ 115, 364; 115, 375; 132, 373). Das Wirtschaftlichkeitspostulat gilt auch für die Frage, in welcher Höhe der Restwert des Unfallfahrzeuges bei der Schadensabrechnung berücksichtigt werden muss, denn auch bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeuges muss sich der Geschädigte grundsätzlich im Rahmen der wirtschaftlichen Vernunft halten. Das beruht auf dem Gedanken, dass er bei der Ersatzbeschaffung nach § 249 Satz 2 BGB nur den dafür erforderlichen Geldbetrag verlangen kann. Dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit leistet der Geschädigte indessen im allgemeinen Genüge und er bewegt sich in den für die Schadensbehebung durch § 249 Satz 2 BGB gezogenen Grenzen, wenn er das Unfallfahrzeug zu dem am allgemeinen örtlichen Markt erzielbaren Preis verkauft oder in Zahlung gibt. Angebote räumlich entfernter Interessenten muss er nicht einholen. (BGH Urt. v. 07.12.2004 - VI ZR 119/04 -). Der Schädiger kann den Geschädigten auch nicht auf einen höheren Restwerterlös verweisen, den dieser auf einem überregionalen Sondermarkt durch spezialisierte über das Internet agierende Restwertaufkäufer erzielen könnte (BGH NJW 2000, 800; OLG Köln VersR 2004, 1145). Dass - worauf die Klägerin im Berufungsrechtszug abhebt - im Kraftfahrzeughandel die Nutzung von Onlinebörsen allgemein verbreitet und üblich ist, bleibt für die Entscheidung ohne Belang, da der Gutachtensauftrag nicht von einem Kraftfahrzeughändler erteilt wurde.
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Dass die Beklagten vom Geschädigten einen weitergehenden Auftrag hatten, insbesondere dahingehend, auch über den regionalen Markt hinaus den Sondermarkt der Internetaufkäufer zu untersuchen, hat die Klägerin ebenso wenig dargetan wie Umstände, die ihr selbst berechtigten Anlass zu der Annahme geben konnten, der Auftrag sei weiter gefasst. Zudem ergibt sich aus dem Gutachten mit hinreichender Klarheit, dass der Beklagte 2 seine Wertermittlung allein auf seine Erhebungen im lokalen Markt beschränkt hatte. Eine Restwertbemessung unter Einbeziehen des Sondermarkts konnte ohnehin nicht erwartet werden. Allenfalls kann unter bestimmten, hier nicht vorliegenden Umständen insbesondere bei erheblicher Mithaftung des Geschädigten ein Hinweis auf im Sondermarkt erzielbare höhere Restwerte angezeigt sein.
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Dass im lokalen Markt höhere Restwerte zu erzielen waren und deshalb in die Begutachtung hätten einfließen müssen, hat die Klägerin - wovon das Landgericht zutreffend ausgeht - ebenfalls nicht hinreichend dargetan.
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Soweit die Klägerin im Berufungsrechtszug die Auffassung vertritt, im Anschluss an die Entscheidung des BGH in NJW 2000, 800 müsse zwar nicht der Geschädigte, jedoch der Schadensgutachter die optimalen Verwertungsmöglichkeiten unter Einschluss der Onlinebörsen ermitteln, verkennt sie die Bedeutung der genannten Entscheidung. Der BGH zeigt insoweit - wie andere Gerichte auch (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 7.6.2004 - 1 U 12/04 -) lediglich den Weg auf, auf welchem die Haftpflichtversicherer ihr in Fällen wie dem vorliegenden geltend gemachtes Interesse an bestmöglicher Verwertung wahren können, nämlich dadurch, dass sie selbst alsbald sich mit dem Geschädigten in Verbindung setzen und ihm eine bessere und zumutbare Verwertungsmöglichkeit aufzeigen, die dieser dann wahrnehmen sollte, um sich nicht dem Vorwurf einer Verletzung seiner Pflicht zur Geringhaltung des Schadens gemäß § 254 Abs. 2 BGB auszusetzen. Ob dies im Einzelfall dadurch erfolgen kann, dass der Haftpflichtversicherer dem Geschädigten anbietet, den vollen Verwertungsaufwand zu übernehmen, oder sich darauf beschränkt, auf konkrete überlokale Kaufangebote unter Übernahme des Risikos und der Mehrkosten hinzuweisen, muss hier nicht näher ausgeführt werden. Wesentlich ist, dass die Haftpflichtversicherer sich im hier angesprochenen Pflichtenkreis allein mit dem Hinweis auf ihre durchaus berechtigten Interessen nicht auf eine Haltung des „dulde und liquidiere“ zurückziehen können.
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Die Klage ist aber auch deshalb unbegründet, weil die Klägerin nicht dargetan hat, dass ihr durch das Unterlassen des Hinweises auf am Restwertemarkt im Internet erzielbare höhere Erlöse ein Schaden entstanden ist. Insoweit trifft die Klägerin jedoch die Darlegungs- und Beweislast (BGHZ 123, 311; BGH VersR 1998, 763). Eine auch nur überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Geschädigte, wozu er im konkreten Fall nicht gehalten war (BGH Urt. v. 07.12.2004 - VI ZR 119/04 -), zum alleinigen Vorteil der Klägerin sein Unfallfahrzeug über das Internet und nicht am regionalen Markt veräußert hätte, ist nicht auszumachen.
III.
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Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen - trotz entsprechender Anregung beider Parteien - nicht vor. Die Obliegenheiten des Geschädigten bei der Schadensabwicklung sind höchstrichterlich geklärt. Dass der Auftrag an den Schadensgutachter sich - sind wie hier keine besonderen Anhaltspunkte für Abweichendes gegeben - hieran ausrichtet, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung einhellig vertreten. Darüber hinaus hat die Klage schon aus tatsächlichen Gründen keinen Erfolg.
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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
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published on 07/12/2004 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 119/04 Verkündet am: 7. Dezember 2004 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
published on 02/07/2004 00:00

Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 30.12.2003 - 3 O 418/03 - im Kostenpunkt aufgehoben, im übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Beklagten werden verurteilt, jeweils dem Kläger die
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Annotations

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.