Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 16. Okt. 2006 - 1 AK 35/06

bei uns veröffentlicht am16.10.2006

Tenor

1. Die Auslieferung des Verfolgten nach Rumänien aufgrund des Auslieferungsersuchens der rumänischen Justizbehörden vom 28. August 2006 wird für nicht zulässig erklärt.

2. Der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 26. September 2006 wird aufgehoben.

3. Die dem Verfolgten im Auslieferungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

4. Eine Entschädigung für die erlittene Auslieferungshaft wird nicht bewilligt.

Gründe

 
I.
Der Verfolgte R. befindet sich seit dem 21.8.2006 in Auslieferungshaft. Die rumänischen Justizbehörden begehren seine Auslieferung zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe von vier Jahren, welche aufgrund des Strafurteils Nr. 969/2001 des Gerichtshofes O./Rumänien vom 30.05.2001 in Verbindung mit der Strafentscheidung Nr. 568/A/2001 des Gerichtshofes B./Rumänien vom 12.09.2001 und der Strafentscheidung Nr. 678/R/2001 des Berufungsgerichtshofes -Strafabteilung- O./Rumänien vom 08.11.2001 wegen „qualifizierten Diebstahls“ nach Art. 208 Abs.1 und Art. 209 Buchs. e, g, i des rumänischen Strafgesetzbuches gegen ihn verhängt worden ist. Nach den dortigen Feststellungen hat der Verfolgte in der Nacht des 3./4.11.2000 gegen 4 Uhr in O/Rumänien das nicht verschlossene Fahrzeug der Marke DACIA , Kennz. BH 04RES, des C. im Werte von 55.450.000 ROL nach Kurzschließen der Elektrokabel entwendet. Beim Verlassen der Stadt konnte er kurz nach der Tat von der Polizei angehalten und das Fahrzeug sichergestellt werden, wobei am Fahrzeug ein inzwischen vom Verfolgten ausgeglichener Schaden in Höhe von 6.000.000 ROL entstand.
Der Verfolgte hat gegen seine Auslieferung Einwendungen erhoben und wegen der Höhe der verhängten Sanktion eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht.
II.
Nach abschließender Beurteilung ist die Auslieferung des Verfolgten nach Rumänien gemäß dem Auslieferungsersuchen vom 28.8.2006 aufgrund des Strafurteils Nr. 969/2001 des Gerichtshofes O./Rumänien vom 30.05.2001 in Verbindung mit der Strafentscheidung Nr. 568/A/2001 des Gerichtshofes B./Rumänien vom 12.09.2001 und der Strafentscheidung Nr. 678/R/2001 des Berufungsgerichtshofes -Strafabteilung- O/Rumänien vom 08.11.2001 nicht zulässig.
Die zu vollstreckende Freiheitsstrafe von vier Jahren erscheint nämlich unter zusammenfassender Würdigung aller Umstände zur Ahndung der vom Verfolgten begangenen Tat unerträglich hart, so dass eine Auslieferung des Verfolgten wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde (§ 73 Satz 1 IRG).
Nach dem innerstaatlich aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss die Schwere der Straftat und die Schuld des Täters in einem gerechten Verhältnis zu der gesetzlich angedrohten oder der gerichtlich verhängten Strafe stehen. Die abstrakte Strafandrohung und die konkret verhängte Strafe müssen im Hinblick auf das unter Strafe gestellte Verhalten bzw. die konkret abgeurteilte Tat nach ihrem konkreten Unrechts- und Schuldgehalt angemessen sein. Der Kernbereich dieser Anforderungen zählt zu den unabdingbaren Grundsätzen der verfassungsrechtlichen Ordnung der Bundesrepublik und fordert auch im Auslieferungsverkehr Beachtung (BVerfGE 63, 332; 75, 1; NJW 1994, 2884; EuGRZ 1984, 271). Ein Verfolgter darf zur Strafvollstreckung daher nicht ausgeliefert werden, wenn die Strafe, die gegen ihn im ersuchenden Staat verhängt worden ist, als unerträglich hart und als unter jedem denkbaren Gesichtspunkt unangemessen erscheint (BVerfGE 75, 1; OLG Stuttgart Die Justiz 2003, 454; NStZ-RR 2002, 180; OLG Zweibrücken StV 1996, 105; OLG Hamm NStZ-RR 2001, 315; siehe auch Senat, MDR 1997, 188; Vogel, in: Grützner/Pötz, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 2. Aufl., § 73 Rdn. 99 f.). Es genügt allerdings nicht, dass die Strafe unter Berücksichtigung der in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Grundsätze als eindeutig zu hart anzusehen ist, sondern die Strafe muss - bei einer Gesamtschau des materiellen Rechts und unter Einbeziehung der vollstreckungsrechtlichen Regelungen und der Vollzugssituation (vgl. BGH NStZ 1993, 547) - unerträglich hart und schlechthin unangemessen sein (BVerfG, a.a.O; a.A. Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 3. Aufl., § 73 Rdn. 60: kein im Auslieferungsrecht abgesenkter Prüfungs-Maßstab; siehe auch Lagodny, Grundrechte als Auslieferungsgegenrechte, NJW 1988, 2146). Bei der Prüfung der Frage der Angemessenheit im Auslieferungsverkehr ist zu berücksichtigen, dass die Staaten unterschiedliche Auffassungen über die Strafwürdigkeit kriminellen Verhaltens haben (vgl. BVerfGE 108, 129); dies gilt insbesondere für den Bereich der Eigentumsdelikte (Beschluss des Senats vom 10. August 2006 - 1 AK 1/06).
Der Senat ist im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände zu der Auffassung gelangt, dass die zur Vollstreckung anstehende Freiheitsstrafe von vier Jahren für die abgeurteilte Straftat insbesondere angesichts des Umstands, dass der Geschädigte das Fahrzeug zurück erhalten und der von Anfang an voll geständige Verfolgte den hieran entstanden Schaden wieder gut gemacht hat als in hohem Maße hart anzusehen ist. Im Inland wäre eine Ahndung nach Sachlage nur als einfacher Diebstahl nach § 242 StGB (Strafrahmen: Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe) in Betracht gekommen und - Vorstrafen des Verfolgten sind nicht mitgeteilt - allenfalls mit der Verhängung einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr zu rechnen gewesen. Eine wesentlich höhere, insbesondere eine zu vollstreckende Freiheitsstrafe, würde dagegen außerhalb des Spielraums liegen, der dem Tatrichter im Rahmen der Strafzumessung zuzubilligen ist. Eine nicht mehr zur Bewährung aussetzbare Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren würde nach innerstaatlichen Grundsätzen den Bereich der schuldangemessenen Strafe eindeutig verlassen. Dabei hat der Senat darauf Bedacht genommen, dass die rumänischen Strafurteile maßgeblich auch generalpräventive Gesichtspunkte bei der Strafzumessung berücksichtigen und dies auch nach deutschem Recht nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Auch wurde gesehen, dass Eigentumskriminalität nach den Vorstellungen des rumänischen Gesetzgebers, der den einfachen Diebstahl mit einem Strafrahmen von einem bis zwölf Jahren und den so genannten „qualifizierten Diebstahl“ mit einem Strafrahmen von drei bis fünfzehn Jahren versehen hat, ersichtlich als in hohem Maße strafwürdig anzusehen ist und diese gesetzgeberische Einschätzung des ersuchenden Staates im Rahmen des Vertretbaren zu respektieren ist.
Gleichwohl erscheint die verhängte Strafe von vier Jahren, auch wenn sie nach rumänischem Recht die gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe nur um ein Jahr übersteigt, vorliegend als sehr hart und unangemessen. Zwar handelte es sich insgesamt um eine geplante Tat; gleichwohl ist letztlich kein bleibender Schaden entstanden. Das entwendete Kraftfahrzeug konnte unmittelbar nach der Tat sichergestellt und an den Geschädigten zurückgegeben werden. Auch wurden dessen weitere Schadensersatzansprüche vom Verfolgten durch Zahlung eines Geldbetrages von 6.000.000 ROL ausgeglichen. Zudem hat der der Verfolgte bereits unmittelbar nach der Tat ein Geständnis abgelegt.
Hinzu tritt, dass die Tat mittlerweile beinahe sechs Jahre zurückliegt und die Strafvollstreckung den Verfolgten, der bereits seit längerer Zeit - soweit ersichtlich - unauffällig in Spanien lebt und arbeitet, besonders hart treffen würde. Im Rahmen der Prüfung der konkreten Vollstreckungs- und Vollzugssituation hat der Senat besonders berücksichtigt, dass die Haftbedingungen in Rumänien - trotz aktueller Bemühungen der rumänischen Behörden - jedenfalls die in Mitteleuropa herrschenden durchschnittlichen Standards unterschreiten und als erheblich belastend angesehen werden müssen, so dass auf den Verfolgten neben der besonders hohen Strafe auch noch erschwerte Haftbedingungen zukommen würden. Die Möglichkeiten einer vorzeitigen Entlassung aus dem Strafvollzug sind außerdem ungewiss. Schließlich ist zu sehen, dass der Verfolgte sich in dieser Sache bereits aufgrund eines Auslieferungsersuchens der rumänischen Justizbehörden in der Zeit vom 7.10.2002 bis 18.7.2003 in Spanien in Auslieferungshaft befand und die spanischen Justizbehörden eine Auslieferung des Verfolgten nach Rumänien wegen der Höhe der Sanktion - nach spanischem Recht wäre allenfalls eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren in Betracht gekommen - abgelehnt haben. Dass die Dauer dieser Auslieferungshaft auf die noch zu verbüßende Strafe angerechnet werden würde, haben die rumänischen Justizbehörden nicht mitgeteilt, sondern das Auslieferungsersuchen vom 28.8.2006 geht von einer noch zu vollstreckenden Strafe von vier Jahren aus, wovon nach dem beigefügten Verfahrensreferat des Gerichtshofs in O/Rumänien vom 23.8.2006 lediglich die von 4.11.2000 bis 18.12.2000 in Rumänien verbüßte Untersuchungshaft in Abzug gebracht wird.
Der Senat ist daher bei zusammenfassender Würdigung aller Umstände zu der Auffassung gelangt, dass die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von vier Jahren für die vom Verfolgten begangene Straftat unerträglich hart und schlechthin unangemessen ist und die Auslieferung daher ausscheidet.
III.
10 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 IRG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO.
11 
Eine Entschädigung aus der Staatskasse für die vollzogene Auslieferungshaft nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen scheidet aus, weil eine entsprechende Anwendung dieses Gesetzes auf die Auslieferungshaft grundsätzlich ausgeschlossen ist (BGHSt 32, 221 ff.) und ein Fall, in welchem Behörden der Bundesrepublik Deutschland die nach deutschem Recht unberechtigte Verfolgung zu vertreten hätten, nicht vorliegt (Senat, wistra 2004, 199 sowie Beschluss vom 07. April 2004 - 1 AK 23/02).

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Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Strafgesetzbuch - StGB | § 242 Diebstahl


(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 73 Grenze der Rechtshilfe


Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leis

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 77 Anwendung anderer Verfahrensvorschriften


(1) Soweit dieses Gesetz keine besonderen Verfahrensvorschriften enthält, gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und seines Einführungsgesetzes, der Strafprozeßordnung, des Jugendgerichtsgesetzes, der Abgabenordnung und des Gesetzes

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bei uns veröffentlicht am 10.08.2006

Tenor 1. Die Auslieferung des Verfolgten nach Rumänien aufgrund des Auslieferungsersuchens der rumänischen Justizbehörden vom 01. Februar 2006 wird für nicht zulässig erklärt. 2. Der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom

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Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leistung von Rechtshilfe unzulässig, wenn die Erledigung zu den in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätzen im Widerspruch stünde.

Tenor

1. Die Auslieferung des Verfolgten nach Rumänien aufgrund des Auslieferungsersuchens der rumänischen Justizbehörden vom 01. Februar 2006 wird für nicht zulässig erklärt.

2. Der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 17. Februar 2006 wird aufgehoben.

3. Die dem Verfolgten im Auslieferungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

4. Eine Entschädigung für die erlittene Auslieferungshaft wird nicht bewilligt.

Gründe

 
I.
Der Verfolgte ... befindet sich seit dem 10. Januar 2006 in Auslieferungshaft. Die rumänischen Justizbehörden begehren seine Auslieferung zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe von drei Jahren, die mit Urteil des Bezirksgerichts B. vom 17.2.1998 in Verbindung mit Berufungsurteil des Tribunals in B./Rumänien vom 19.2.1999, wegen „schweren Diebstahls“, strafbar nach Art. 208 und 209 des rumänischen Strafgesetzbuchs, gegen ihn verhängt worden ist. Nach den Feststellungen hat der bis dahin nicht vorbestrafte Verfolgte am 09.6.1997 seine Wohnung mit einem Schraubenzieher und einem Rucksack verlassen, um ein Auto aufzubrechen und Stehlenswertes zu entwenden. Gegen 23 Uhr hat er in O./Rumänien einen PKW mit einem Autoradio entdeckt und das Fahrzeug etwa eine Stunde lang beobachtet; er hat sodann mit dem Schraubenzieher dessen linke hintere Scheibe eingeschlagen, aus dem Fahrzeuginnern das Autoradio entwendet und in seinem Rucksack verborgen. Wenig später - noch am frühen Morgen des 10.6.1997 - wurde er von der Polizei festgenommen. Das Autoradio wurde sichergestellt und dem Geschädigten ausgehändigt.
Der Verfolgte hat gegen seine Auslieferung Einwendungen erhoben und persönlich und durch seinen Rechtsbeistand vorgetragen, nicht diejenige Person zu sein, welche in dem dem Auslieferungsersuchen des rumänischen Justizministeriums vom 01.2.2006 zugrunde liegenden Strafverfahren wegen des Vorwurfs eines in der Nacht vom 09./10.6.1997 in B./Rumänien begangenen Diebstahls am 10./11.6.1997 festgenommen war und wegen dieser Tat durch das Strafurteil de Bezirksgerichts in B./Rumänien vom 17.2.1998 rechtskräftig zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden ist. Er habe Rumänien bereits am 19.10.1996 verlassen und sei seitdem nicht mehr nach dort zurückgekehrt.
Der Rechtsbeistand des Verfolgten hat außerdem - hilfsweise - vorgetragen, dass die zu vollstreckende Freiheitsstrafe von drei Jahren gegen übergeordnetes Recht verstoße. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen Diebstahls gegen einen zum Tatzeitpunkt 18 Jahre alten und nicht vorbestraften Täter sei unter Berücksichtigung seines Geständnisses und des weiteren Umstands, dass das Autoradio an den Geschädigten zurückgegeben werden konnte und dieser kein Interesse an der Bestrafung des Täters hatte, unverhältnismäßig. In allen europäischen Staaten werde eine solche Tat mit einer Freiheitsstrafe im bewährungsfähigen Bereich geahndet.
Mit Beschluss vom 11.4. 2006 hat der Senat im Hinblick auf die Einwendung des Verurteilten, nicht diejenigen Person zu sein, der in B./Rumänien verurteilt worden sei, eine weitere Aufklärung des Sachverhalts für notwendig erachtet und die rumänischen Justizbehörden um Vorlage weiterer Unterlagen ersucht. Darüber hinaus hat der Senat den Verfolgten am 27.7.2006 mündlich angehört.
II.
Nach abschließender Beurteilung ist die Auslieferung des Verfolgten nach Rumänien gemäß dem Auslieferungsersuchen vom 01.2.2006 nicht zulässig.
1. Der Senat ist allerdings zu der sicheren Überzeugung gelangt, dass es sich bei dem Verfolgten um diejenige Person handelt, die in Rumänien wegen des in der Nacht vom 09. auf den 10. Juni 1997 begangenen Diebstahls verurteilt worden ist.
Zwar konnten die rumänischen Justizbehörden weder Lichtbild noch Fingerabdruck des Täters vorlegen, obwohl dieser unmittelbar nach der Tat festgenommen worden ist und sich vom 10.6.1997 für 24 Stunden in polizeilichem Gewahrsam befunden hat. Gleichwohl besteht nach einer Gesamtschau der vorhandenen Indizien kein Zweifel daran, dass es der Verfolgte ist, der durch die genannten Strafurteile wegen Diebstahls verurteilt worden ist.
(wird ausgeführt)
2. Die Auslieferung des Verfolgten ist auch nicht deshalb unzulässig, weil er in seiner Abwesenheit verurteilt worden ist.
10 
(wird ausgeführt)
11 
3. Gleichwohl ist die Leistung der Rechtshilfe vorliegend unzulässig, weil die vollstreckende Freiheitsstrafe von drei Jahren unter zusammenfassender Würdigung aller Umstände zur Ahndung der vom Verfolgten begangenen Tat unerträglich hart erscheint und seine Auslieferung daher wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widerspräche (§ 73 Satz 1 IRG).
12 
Nach dem innerstaatlich aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss die Schwere der Straftat und die Schuld des Täters in einem gerechten Verhältnis zu der gesetzlich angedrohten oder der gerichtlich verhängten Strafe stehen. Die abstrakte Strafandrohung und die konkret verhängte Strafe müssen im Hinblick auf das unter Strafe gestellte Verhalten bzw. die konkret abgeurteilte Tat nach ihrem konkreten Unrechts- und Schuldgehalt angemessen sein. Der Kernbereich dieser Anforderungen zählt zu den unabdingbaren Grundsätzen der verfassungsrechtlichen Ordnung der Bundesrepublik und fordert auch im Auslieferungsverkehr Beachtung (BVerfGE 63, 332; 75, 1; NJW 1994, 2884; EuGRZ 1984, 271).
13 
Ein Verfolgter darf zur Strafvollstreckung daher nicht ausgeliefert werden, wenn die Strafe, die gegen ihn im ersuchenden Staat verhängt worden ist, als unerträglich hart und als unter jedem denkbaren Gesichtspunkt unangemessen erscheint (BVerfGE 75, 1; im Anschluss hieran OLG Stuttgart, Die Justiz 2003, 454; NStZ-RR 2002, 180; OLG Zweibrücken, StV 1996, 105; OLG Hamm, NStZ-RR 2001, 315; siehe auch Senat, MDR 1997, 188; Vogel, in: Grützner/Pötz, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 2. Aufl., § 73 Rn. 99). Es genügt nicht, dass die Strafe unter Berücksichtigung der in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Grundsätze als eindeutig zu hart anzusehen ist, sondern die Strafe muss - bei einer Gesamtschau des materiellen Rechts und unter Einbeziehung der vollstreckungsrechtlichen Regelungen und der Vollzugssituation (vgl. BGH NStZ 1993, 547) - unerträglich hart und schlechthin unangemessen sein (BVerfG, a.a.O; a.A. Schomburg/Lagodny,Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Aufl. 2006, § 73 Rn. 60: kein im Auslieferungsrecht abgesenkter Prüfungsmaßstab; siehe auch Lagodny, Grundrechte als Auslieferungsgegenrechte, NJW 1988, 2146). Bei der Prüfung der Frage der Angemessenheit im Auslieferungsverkehr ist zu berücksichtigen, dass die Staaten unterschiedliche Auffassungen über die Strafwürdigkeit kriminellen Verhaltens haben (vgl. BVerfGE 108, 129); dies gilt insbesondere für den Bereich der Eigentumsdelikte.
14 
Der Senat ist im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände zunächst zu der Auffassung gelangt, dass die zur Vollstreckung anstehende Freiheitsstrafe von drei Jahren für die abgeurteilte Straftat des qualifizierten Diebstahls insbesondere angesichts des Umstands, dass der Verfolgte zum Tatzeitpunkt 18 Jahre alt, nicht vorbestraft und geständig gewesen ist und das Diebesgut an den Geschädigten zurückgegeben werden konnte, in hohem Maße hart ist. Im Inland wäre bei Anwendung von Erwachsenenstrafrecht (vgl. § 105 JGG) und angesichts des Vorliegens mehrerer Milderungsgründe zweifelhafter Annahme eines besonders schweren Falls des Diebstahls im Sinne des § 243 Abs. 1 StGB ein Strafrahmen von drei Monaten bis zu zehn Jahren eröffnet. Bei der nach Sachlage nahe liegenden Anwendung von Jugendstrafrecht käme die Anordnung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln oder bei Bejahung schädlicher Neigungen die Verhängung einer Jugendstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (§§ 18 Abs. 1, 105 Abs. 3 JGG) in Betracht. Unter Berücksichtigung der in den rumänischen Strafurteilen festgestellten Tatmodalitäten wäre im Inland bei Anwendung von Erwachsenen-strafrecht und unter Beachtung von § 47 StGB, der die Verhängung kurzzeitiger Freiheitsstrafen nur in Ausnahmefällen zulässt, die Verhängung einer Geldstrafe wahrscheinlich, die Verhängung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung möglich, eine höhere, insbesondere eine zu vollstreckende Freiheitsstrafe dagegen wahrscheinlich außerhalb des Spielraums, der dem Tatrichter im Rahmen der Strafzumessung zuzubilligen ist. Eine den aussetzungsfähigen Bereich übersteigende Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren würde den Bereich schuldangemessenen Strafens nach innerstaatlichen Grundsätzen eindeutig verlassen. Dabei hat der Senat darauf Bedacht genommen, dass die rumänischen Strafurteile maßgeblich auch generalpräventive Gesichtspunkte bei der Strafzumessung berücksichtigen und dies auch nach deutschem Recht nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Der Senat hat auch bedacht, dass Eigentumskriminalität nach den Vorstellungen des rumänischen Gesetzgebers, der den einfachen Diebstahl mit einem Strafrahmen von einem bis zwölf Jahren und den so genannten „Qualifizierten“ Diebstahl mit einem Strafrahmen von drei bis fünfzehn Jahren versehen hat, ersichtlich als in hohem Maße strafwürdig anzusehen ist und diese gesetzgeberische Einschätzung des ersuchenden Staates im Rahmen des Vertretbaren zu respektieren ist.
15 
Gleichwohl erscheint die verhängte Strafe von drei Jahren, auch wenn sie die gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe ist, vorliegend als sehr hart und unangemessen:
16 
Der Verfolgte war zum Tatzeitpunkt 18 Jahre alt und besuchte noch die Schule. Er war vor der Tat strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten. Zwar handelte es sich insgesamt um eine geplante Tat; gleichwohl ist letztlich durch die vom Verfolgten begangene Tat kein bleibender Schaden entstanden; der Verfolgte hatte das entwendete Autoradio bei seiner Festnahme bei sich geführt, so dass das Diebesgut sichergestellt und an den Geschädigten zurückgegeben werden konnte; der Geschädigte hat auf eine Strafverfolgung ausdrücklich verzichtet. Hinzu tritt, dass der Verfolgte gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft bereits unmittelbar nach der Tat ein von echter Reue getragenes Geständnis abgelegt hat. Unter zusammenfassender Würdigung aller die Tat und den Täter charakterisierenden Umstände erscheint die Ahndung der Tat mit einer Freiheitsstrafe von drei Jahren daher als außerordentlich hart.
17 
Hinzu tritt, dass die Tat mittlerweile neun Jahre und auch die Verurteilung durch das Bezirksgericht in B./Rumänien immerhin schon acht Jahre zurückliegt und die Strafvollstreckung den Verfolgten, der seit vielen Jahren - soweit ersichtlich - unauffällig in Frankreich lebt und arbeitet, besonders hart trifft. Im Rahmen der Prüfung der konkreten Vollstreckungs- und Vollzugssituation hat der Senat berücksichtigt, dass die Haftbedingungen in Rumänien - trotz aktueller Bemühungen der rumänischen Behörden - jedenfalls die in Mitteleuropa herrschenden durchschnittlichen Standards unterschreiten und als erheblich belastend angesehen werden müssen. Die Möglichkeiten einer vorzeitigen Entlassung aus dem Strafvollzug sind außerdem ungewiss. Schließlich würde die im November 2005 geschlossene Ehe des Verfolgten durch den anstehenden - möglicherweise mehrjährigen - Freiheitsentzug in Rumänien erheblich belastet. Nicht zuletzt hat der Senat die besondere Haftempfindlichkeit des Verfolgten berücksichtigt. Nach dem persönlichen Eindruck, den der Senat im Anhörungstermin von den Verfolgten gewonnen hat, würde der eher labil und wenig belastbar erscheinende Verfolgte durch den Vollzug der Freiheitsstrafe in Rumänien in außergewöhnlich hohem Maße getroffen. Der Verfolgte hat eigenen und glaubhaften Angaben zufolge seinen Lebensmittelpunkt seit Jahren in Frankreich, wo auch seine Ehefrau lebt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wäre für ihn angesichts dieser persönlichen Lebensumstände daher besonders belastend.
18 
Der Senat ist daher bei zusammenfassender Würdigung aller Umstände zu der Auffassung gelangt, dass die Vollstreckung der Freiheitsstrafe von drei Jahren unerträglich hart und schlechthin unangemessen ist und die Auslieferung daher ausscheidet.
III.
19 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 IRG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO.
20 
Eine Entschädigung aus der Staatskasse für die vollzogene Auslieferungshaft nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen scheidet aus, weil eine entsprechende Anwendung dieses Gesetzes auf die Auslieferungshaft grundsätzlich ausgeschlossen ist (BGHSt 32, 221) und ein Fall, in welchem Behörden der Bundesrepublik Deutschland die nach deutschem Recht unberechtigte Verfolgung zu vertreten hätten, nicht vorliegt (Senat wistra 2004, 199).

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Soweit dieses Gesetz keine besonderen Verfahrensvorschriften enthält, gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und seines Einführungsgesetzes, der Strafprozeßordnung, des Jugendgerichtsgesetzes, der Abgabenordnung und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sinngemäß.

(2) Bei der Leistung von Rechtshilfe für ein ausländisches Verfahren finden die Vorschriften zur Immunität, zur Indemnität und die Genehmigungsvorbehalte für Durchsuchungen und Beschlagnahmen in den Räumen eines Parlaments Anwendung, welche für deutsche Straf- und Bußgeldverfahren gelten.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.