Oberlandesgericht Köln Beschluss, 26. Sept. 2014 - 19 W 31/14

Gericht
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Aachen 04.08.2014 – Aktenzeichen: 12 O 320/09 – in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 02.09.2014, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Beschwerdewert wird auf bis 65.000,- € festgesetzt.
1
Gründe:
2Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 406 Abs. 5 ZPO in Verbindung mit §§ 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
3Zutreffend hat das Landgericht das Ablehnungsgesuch als unbegründet erachtet. Die von den Beklagten vorgebrachten Ablehnungsgründe tragen nicht.
4Nach §§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 1 und 2 ZPO kann ein Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen in seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn eine Partei von ihrem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BGH, Beschluss vom 11.04.2013, VII ZB 32/12, zitiert nach juris Rz. 10 m.w.N.).
5Zwar kann es, worauf die Beklagten im Ausgangspunkt zu Recht verweisen, einen Ablehnungsgrund darstellen, wenn ein Sachverständiger ungefragt mit seinen Feststellungen über die durch den Beweisbeschluss vorgegebenen Beweisfragen hinaus geht und vom Auftrag nicht umfasste Fragen beantwortet. Maßgeblich ist insoweit, ob der Sachverständige sich aus Sicht der Partei quasi an die Stelle des Gerichts setzt und seine Neutralitätspflicht verletzt, indem er dem Gericht oder den Parteien den aus seiner Sicht für richtig gehaltenen Weg der Entscheidungsfindung weist (OLG Oldenburg MDR 2008, OLG Köln, Beschluss vom 16.7.2010 - 5 W 19/10, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 23. November 2011 – 5 W 40/11 –, juris).
6Dies kann hier aber nicht angenommen werden. Das Landgericht hat in dem angegriffenen Beschluss vom 04.08.2014 die von den Beklagten im Schriftsatz vom 10.06.2013 vorgebrachten Ablehnungsgründe zutreffend behandelt und diese zu Recht nicht als durchgreifend erachtet. Denn die im Ablehnungsgesuch unter den Punkten 1-3 und 5-8 gerügten Ausführungen des Sachverständigen P in seinem Gutachten vom 30.04.2014 lassen eine „Überschreitung des Gutachterauftrags“, wie von den Beklagten jeweils angeführt, nicht erkennen. Soweit die Beklagten einwenden, der Sachverständige habe bei der Einordnung der abgerechneten Leistung als Ingenieurbauwerk die obergerichtliche Rechtsprechung negiert, lässt dies die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen. Denn die Rüge betrifft die Fundiertheit des Gutachtens und stellt somit eine inhaltliche Kritik dar, die grundsätzlich nur im Rahmen der § 404, 412 ZPO verfolgt werden kann, nicht aber über § 406 ZPO. Es war Aufgabe des Sachverständigen, die Schlussrechnung der Klägerin mit der darin vorgenommenen Eingruppierung zu überprüfen, was eine Beschäftigung mit der Frage, ob der Hubschrauberlandeplatz als Gebäude oder als Ingenieurbauwerk abzurechnen, umfasst. Er hat seine Entscheidung auch auf S. 8 und 9 des Gutachtens begründet und dabei auch die Abgrenzungskriterien aufgezeigt. Dabei hat er sich – wie auch aus seiner Stellungnahme vom 02.07.2014 hervorgeht - positioniert, ohne zu negieren, dass es überschneidende Merkmale gibt. Dass diese Einordnung nach den Vorschriften der HOAI eine rechtliche Komponente hat, liegt in der Natur der Sache, so dass dem Sachverständigen nicht vorgeworfen werden kann, er mache unzulässige Rechtsausführungen. Der Vorwurf, der Gutachter habe „eine völlig falsche Beschreibung des Fluglotsentraums präsentiert“, ist ohne Substanz. Die Bewertung der erbrachten Leistung im Bereich der Leistungsphase 3.3 durch den Sachverständigen (Bl. 16 des Gutachtes sowie Anlage 3) lässt schon eine Abweichung vom Rahmen der Siemon-Tabelle nicht erkennen. Auch im Fall ihres Vorliegens würde es keine Befangenheit indizieren, wenn der Sachverständige nach seiner individuellen Bewertung im Einzelfall zu einer begründeten anderen Bewertung gelangte. Denn darin liegt keine sachfremde Erwägung, die auf eine Voreingenommenheit hindeutete. Welche anderen, von den Beklagten als fehlend gerügten Grundleistungen der Sachverständige nicht berücksichtigt haben soll, zeigen die Beklagten in ihrem Befangenheitsgesuch schon nicht auf. Soweit die Beklagten in der Beschwerde rügen, das Landgericht habe den Vortrag in ihrem Schriftsatz vom 09.07.2014 außer Acht gelassen, so dürfte das Vorbringen in diesem Schriftsatz, soweit dieses auf Seite 8 ff. zur ergänzenden Begründung des Befangenheitsgesuchs angeführt wird, ohnehin nicht mehr rechtzeitig gewesen sein, weil die Stellungnahmefrist zum Gutachten am 09.07.2014 ablief, ein Eingang des Schriftsatzes aber erst am 14.07.2014 (Bl. 1363 GA) zu verzeichnen ist. Dies kann aber letztlich dahinstehen, da das Landgericht zu Recht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 02.09.2014 aufgezeigt hat, dass auch die in dem Schriftsatz angeführten Punkte dem Befangenheitsgesuch nicht zum Erfolg verhelfen. Soweit in diesem Schriftsatz die Einholung eines Obergutachtes beantragt wird, hilfsweise Fragen an den Sachverständigen gestellt werden, wird nämlich deutlich, dass es sich um eine inhaltliche Kritik an den Bewertungsgrundlagen und -ergebnissen des Sachverständigen handelt und etwaige Unvollständigkeiten und Unstimmigkeiten des Gutachtens ggfs. durch eine Stellungahme und ergänzende Anhörung des Sachverständigen ausgeräumt werden können. Eine evident unsachliche, da unsorgfältige Vorgehensweise des Sachverständigen ist nicht ersichtlich.
7Soweit die Beklagten die Befangenheit darauf stützen, der Gutachter habe fälschlicherweise Kosten der Kostengruppe 400 bei den anrechenbaren Kosten berücksichtigt, handelt es sich allenfalls um einen einfachen Fehler des Gutachtens, der nicht auf ein unsachliche Einstellung schließen lässt. Dies zeigt auch die Stellungnahme, in der der Sachverständige die Ausführungen der Beklagten zur Kostengruppe 400 für gerechtfertigt hält. Anhaltspunkte dafür, dass der Sachverständige dabei die Klägerin wissentlich bevorzugt hat, sind bei vernünftiger Betrachtung nicht erkennbar, sondern das Versehen ist der Komplexität des Auftrags und dem Umfang der Akte geschuldet. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass der Sachverständige eine unzulässige Beweiswürdigung dadurch vorgenommen hätte, dass er in seinen Berechnungen den ersten (später so nicht realisierten) Entwurf der Tragkonstruktion berücksichtigt hat, weil die Klägerin bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses ihre Leistungen in Bezug auf diesen Entwurf erbracht hat. Inwieweit darin eine unzulässige Interpretation des Wettbewerbsentwurfs durch den Gutachter liegen soll, ist nicht ersichtlich.
8Etwaige inhaltliche Fehler können – nichts anders geht auch aus der Entscheidung des OLG Karlsruhe in MDR 2010, 230 hervor – allenfalls ausnahmsweise dann Besorgnis zur Befangenheit geben, wenn sie sich häufen oder so schwerwiegend sind, dass sie auf eine evident mangelnde Sorgfalt hindeuten. Dafür liegen hier – wie ausgeführt – auch bei Berücksichtigung der ca. 35 seitigen Einwendungen gegen das Gutachten im Schriftsatz vom 07.09.2014 - keine Anhaltspunkte vor. Insofern ist die Ablehnung der Auffassung des OLG Karlsruhe durch das Landgericht, dass auch sachliche Fehler im Gutachten einen Befangenheitsgrund darstellen können, nicht entscheidungsrelevant.
9Zutreffend hat das Landgericht darauf verwiesen, dass bei vernünftiger Betrachtung auch in der nur an die klägerische Partei gerichteten Bitte, zum festgesetzten Ortstermin, an dem beide Parteien anwesend waren, den Zugang zu dem von Dritten betriebenen Objekt sicherzustellen, kein Grund zu Befangenheit gesehen werden kann. Dafür, dass bei dieser Gelegenheit irgendwelche inhaltlichen Dinge nur mit der klägerischen Partei besprochen wurden, liegen – auch nach der Stellungnahme des Sachverständigen - keinerlei Anhaltspunkte vor. Die Erwägungen, die die Beklagten in der Beschwerdebegründung unter IV 2 und 3 anführen, sind objektiv nicht nachvollziehbar. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden zur Begründung des Ablehnungsgesuchs aus. Schließlich kann auch aus der Tatsache, dass der Sachverständige die nicht allgemein zugängliche Datenbank „J“ anführt, keine voreingenommene Einstellung abgeleitet werden, zumal der Sachverständige angeboten hat, das zitierte Dokument bei Bedarf in Papierform vorzulegen.
10Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde auf § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO. Ein Abweichen von der von den Beklagten zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung zur Sachverständigenablehnung ist – wie ausgeführt – nicht gegeben.
11Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird gem. § 3 ZPO auf bis 65.000,- € festgesetzt. Dabei schätzt der Senat das Interesse der Beklagten auf ca. 1/3 des Werts der gegen sie gerichteten Zahlungsklage von zuletzt 173.522,92 € (vgl. zum Beschwerdewert auch: BGH, Beschluss vom 15.12.2003, II ZB, 32/03, BeckRS 2004, 01738).

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(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.
(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.
(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.
(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.
(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.
(1) Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgt durch das Prozessgericht. Es kann sich auf die Ernennung eines einzigen Sachverständigen beschränken. An Stelle der zuerst ernannten Sachverständigen kann es andere ernennen.
(2) Vor der Ernennung können die Parteien zur Person des Sachverständigen gehört werden.
(3) Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände es erfordern.
(4) Das Gericht kann die Parteien auffordern, Personen zu bezeichnen, die geeignet sind, als Sachverständige vernommen zu werden.
(5) Einigen sich die Parteien über bestimmte Personen als Sachverständige, so hat das Gericht dieser Einigung Folge zu geben; das Gericht kann jedoch die Wahl der Parteien auf eine bestimmte Anzahl beschränken.
(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.
(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.
(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.
(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.
(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.
(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.
(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.