Oberlandesgericht Köln Beschluss, 22. Sept. 2014 - 17 W 193/14
Gericht
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte zu 1).
1
G r ü n d e
2I.
3Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 406, 567 ZPO statthaft und auch ansonsten unbedenklich zulässig. In der Sache selbst hat sie jedoch keinen Erfolg.
4Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat es das Landgericht Bonn abgelehnt, dem Befangenheitsantrag des Beklagten zu 1) gegen den Sachverständigen L stattzugeben.
51.
6Ein Sachverständiger kann von einer Partei wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden (§ 406 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 42 ZPO), wenn objektive Umstände oder Tatsachen vorliegen, die vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus bei vernünftiger Betrachtungsweise geeignet sind, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit zu rechtfertigen (BGH NJW 2005, 1869; MDR 2013, 739). Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden hingegen aus. Jedoch ist es nicht erforderlich, dass der Abgelehnte tatsächlich befangen ist. Ebenso ist es unerheblich, ob er sich für befangen hält (OLG Oldenburg MDR 2008, 101; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 42 Rn. 8, 9). Dabei kann sich die Befangenheit eines gerichtlichen Sachverständigen etwa daraus ergeben, dass er auf gegen sein Gutachten gerichtete Einwendungen und Vorhaltungen einer anwaltlich vertretenen Partei mit abwertenden Äußerungen über die Prozessbevollmächtigten unangemessen reagiert (OLG Hamm MDR 2010, 653; OLG Frankfurt OLGR 2009, 574). Der Sachverständige hat – ebenso wie ein Richter – die Pflicht zur Objektivität und Neutralität gegenüber den Verfahrensbeteiligten und muss sich an das Gebot der Sachlichkeit halten (KG VersR 2009, 566; OLG Karlsruhe IBR 2008, 693; OLG Saarbrücken NJW-RR 2008, 1087). Andererseits kann ein Ablehnungsantrag als unbegründet zurückzuweisen sein, wenn ein Sachverständiger auf heftige Angriffe einer Partei scharf reagiert, da ein Ablehnungsantrag nicht provoziert werden darf (OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1353; OLG Frankfurt, a. a. O.). Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Dabei ist zu beachten, dass auch eine Vielzahl von einzelnen Gründen, die jeweils allein betrachtet nicht zu einem Erfolg des Ablehnungsgesuchs führen, wiederum in ihrer Gesamtheit ein solches Begehren rechtfertigen kann.
72.
8Dies vorausgeschickt folgt der Senat der Entscheidung des Landgerichts Bonn. Die Besorgnis des Beklagten zu 1), der Sachverständige L stehe der Sache nicht unparteilich gegenüber, ist bei vernünftiger Betrachtungsweise nicht gerechtfertigt. Weder sind einzelne seiner Anmerkungen im Ergänzungsgutachten vom 10. Juni 2014 geeignet, eine derartige Besorgnis zu stützen, noch lässt sich dies bei einer Gesamtschau bejahen.
9a) Wenn der Sachverständige zu der Rüge des Beklagten zu 1), seine Angaben seien nicht nachvollziehbar, weil er allein auf die Blattzahlen der Gerichtsakte verweise, die den Parteien jedoch nicht bekannt seien, anstatt auf Schriftsätze mit Datum und Blattzahl zu verweisen, anmerkt, der Beklagte zu 1) könne ja die Gerichtsakte anfordern und kopieren lassen, da es „derjenige, der die Gerichtsakte nicht kennt, schwer haben werde“, so teilt der Senat im Ansatz die Ansicht des Beklagten zu 1), dass es sich um eine überflüssige und unangemessene Reaktion des Sachverständigen handelt. Es ist für ihn ein Leichtes, anstatt oder neben den Blattzahlen der Gerichtsakte die Daten der Schriftsätze anzuführen. Allerdings vermag der Senat hierin nicht ansatzweise zu erkennen, dass sich dadurch die Besorgnis ableiten ließe, der Sachverständige stehe der Begutachtung nicht unparteilich gegenüber.
10b) Dasselbe gilt, soweit es darum geht, ob der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 10. Juni 2014 zu den Einwendungen des Beklagten zu 1) im Schriftsatz vom 10. Dezember 2013, wozu er vom Landgericht mit Beschluss vom 20. Januar 2014 beauftragt wurde, ausreichend Stellung genommen hat. Selbst wenn man der Auffassung des Beklagten zu 1) folgt, dass die Ausführungen des Sachverständigen nicht ausreichend sind, was allerdings letztlich der Beurteilung des Landgerichts obliegt, da es die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten hat und Weisungen erteilen kann, § 406 a Abs. 1 ZPO, so ist nicht zu verkennen, dass der Beklagte zu 1) dem Sachverständigen, obwohl dieser im Ausgangsgutachten umfangreiche Ausführungen und Berechnungen angestellt hat, vorwirft, „oberflächlich“ gearbeitet zu haben. Infolgedessen ist es durchaus nachvollziehbar, dass der Sachverständige diesen Vorwurf als unangemessen eingestuft hat und sich in seiner fachlichen Reputation getroffen fühlte, so dass er gerade deshalb im Ergänzungsgutachten in sprachlicher Hinsicht teilweise eine Form gewählt hat, der sich ein Sachverständiger eigentlich enthalten sollte. Angesichts der Vorwürfe des Beklagten zu 1) ist jedoch eine etwas emotionale Reaktion des Sachverständigen zumindest ansatzweise nachvollziehbar und damit nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
11c) Insgesamt vermag der Senat weder bei Betrachtung einzelner Ausführungen des Sachverständigen noch bei einer Gesamtschau zu erkennen, dass der Beklagte zu 1) Bedenken dahingehend haben muss, der Sachverständige sei der Sache gegenüber nicht unbefangen.
123.
13Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
14Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren:
1520.869 € (gemäß § 3 ZPO 1/3 des Hauptsachestreitwertes, s. BGH AGS 2004, 159).
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(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.
(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.
(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.
(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.
(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.
(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.
(2) Gegen Entscheidungen über Kosten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.
(3) Der Beschwerdegegner kann sich der Beschwerde anschließen, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.
(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.
(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.
(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.
(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.