Oberlandesgericht Köln Urteil, 08. Juni 2016 - 13 U 23/16
Gericht
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 18.1.2016 (17 O 182/15) abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Gründe:
2I.
3Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit der Rückabwicklung zweier Darlehensverträge. Wegen der weiteren Einzelheiten der ursprünglichen Darlehensverträge, der in den Jahren 2009 und 2012 geschlossenen Vereinbarungen und der auf den Widerruf der Darlehensverträge gerichteten Erklärungen der Kläger wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
4Mit der Klage haben die Kläger die Feststellung, dass sich die beiden im August und September 2005 geschlossenen Darlehensverträge jeweils in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt haben, sowie die Zahlung eines Betrages von 20.640,43 € (Summe der gezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen) begehrt. Sie haben die Auffassung vertreten, die Widerrufsbelehrungen seien wegen einer unzutreffenden Darstellung des Fristbeginns unwirksam. Auf die Muster-Widerrufsbelehrung könne sich die Beklagte wegen inhaltlicher Abweichungen nicht berufen. Die Beklagte hat sich auf die inhaltliche Richtigkeit der Belehrungen und auf Vertrauensschutz berufen, weil die Abweichungen von der Musterbelehrung unwesentlich seien. Ferner hat sie die Auffassung vertreten, die Aufhebungsvereinbarung bilde den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Vorfälligkeitsentschädigung. Schließlich hat sie sich auf Verwirkung berufen.
5Das Landgericht hat die Beklagte auf im Juli 2015 zugestellte Klage mit Urteil vom 18.1.2016, auf das wegen der Einzelheiten der Feststellungen zum erstinstanzlichen Parteivortrag, der in erster Instanz gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), hinsichtlich des Vertrages vom 1./19.9.2005 hinsichtlich des Feststellungsantrags antragsgemäß (und hinsichtlich der Vorfälligkeitsentschädigung anteilig) verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Nach seiner Auffassung sind die von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrungen fehlerhaft. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Schutzwirkung der Anl. 2 zu § 14 Abs. 1, 3 der BGB-InfoVO berufen, weil die verwendete Widerrufsbelehrung dem damals geltenden Muster nicht vollständig entsprochen habe. Allerdings sei das Widerrufsrecht der Kläger verwirkt, soweit es um den zeitlich früher geschlossenen der beiden Darlehensverträge gehe. Insoweit sei durch die im Jahre 2009 geschlossene Vereinbarung über die Änderung der Tilgungsmodalitäten bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen entstanden. Für den anderen Vertrag sei das nicht der Fall, insoweit reiche auch die Ablösungsvereinbarung aus dem Jahre 2012 mangels hinreichenden Zeitablaufs nicht aus.
6Gegen die teilweise Abweisung ihrer Klage richtet sich die Berufung der Kläger. Sie rügen, dass das Landgericht die Voraussetzungen der Verwirkung zu ihren Lasten fehlerhaft angenommen habe. Die Vereinbarung aus dem Jahre 2009 sei nicht geeignet, auf Seiten der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen zu begründen.
7Die Kläger beantragen,
8in Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts Bonn vom 18.1.2016 (17 O 182/15)
9- 10
1. festzustellen, dass auch der Darlehensvertrag vom 4.8.2015 (6xx80xxx05, Unterkonto Nr. -013, -021, -030) durch den Widerruf vom 9.11.2014 in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt wurde und
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2. die Beklagte über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus zur Zahlung weiterer 15.974,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 1.9.2012 sowie weiterer 1.436,57 € (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) zu verurteilen.
Ferner beantragen sie,
14die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
15Die Beklagte beantragt,
16in Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts Bonn vom 18.1.2016 (17 O 182/15) die Klage insgesamt abzuweisen und
17die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
18Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, soweit das Landgericht zu ihren Gunsten entschieden hat und ist im Übrigen – soweit es um ihre Berufung gegen die verurteilende Entscheidung der Kammer geht – der Auffassung, dass das Landgericht die Bedeutung der in der Vereinbarung vom 2./9.8.2012 enthaltenen und nach ihrer Auffassung wirksamen Abgeltungsklausel verkannt habe. Mit dieser Klausel seien alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien erledigt worden. Die Verurteilung sei daher zu Unrecht erfolgt.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf den schriftsätzlichen Vortrag der Parteien und die von ihnen zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.
20II.
21Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Die Berufung der Kläger bleibt dagegen erfolglos.
22Die Kläger haben gegen die Beklagte im Zusammenhang mit dem Widerruf der im Urteil des Landgerichts näher bezeichneten Darlehensverträge ungeachtet der Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrungen und der Abweichung der von der Beklagten verwendeten Belehrung von der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Musterbelehrung keine Ansprüche, weil ihr Widerrufsrecht zum Zeitpunkt der Ausübung verwirkt war. Das gilt entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht nur für den Darlehensvertrag vom August 2005, sondern auch für den weiteren, das Unterkonto -048 betreffenden Darlehensvertrag vom September 2005. Zudem steht ihrem Begehren, soweit es auf die Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung gerichtet ist, auch die Vereinbarung über die vorzeitige Vertragsaufhebung vom 2./9.8.2012 (GA 29) entgegen. Damit war die Klage auf die Berufung der Beklagten insgesamt abzuweisen. Im Einzelnen gilt das Folgende:
231.
24Hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung und der Abweichung von der Musterbelehrung verweist der Senat zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, die trotz der dagegen gerichteten Einwendungen der Beklagten Bestand haben.
252.
26Die Ansprüche der Kläger sind, soweit sie auf die Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung gerichtet sind, durch die Vereinbarung über die vorzeitige Vertragsaufhebung vom 2./9.8.2012 (GA 29) ausgeschlossen. Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass eine Vereinbarung über eine vorzeitige Ablösung des Darlehens grundsätzlich das ursprüngliche Schuldverhältnis nicht beseitigt, sondern nur, nämlich im Sinne einer Aufhebung der Erfüllungssperre, modifiziert. Auch der Umstand, dass die Aufhebungsvereinbarung nicht ohne weiteres einen eigenen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Vorfälligkeitsentschädigung bildet, ändert daran nichts. Die Aufhebungsvereinbarung im vorliegenden Fall enthält nämlich die Klausel: „Nach Zahlung der vorgenannten Beträge sind alle gegenseitigen Ansprüche bezgl. der v.g. Darlehensbeträge abgegolten.“ Auf die Durchsetzung etwaiger Ansprüche auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung, die in der Aufzählung der auszugleichenden Beträge in der Aufhebungsvereinbarung ausdrücklich genannt ist, nach einem -unterstellt wirksamen - Widerruf ihrer auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willensklärungen haben die Kläger damit vertraglich verzichtet.
27Soweit die Kläger erstinstanzlich darauf hingewiesen haben, dass die Ausgleichsklausel sich nur auf Ansprüche aus den Darlehensverträgen beziehe und deshalb dem Widerruf als Gestaltungsrecht nicht entgegenstehe (S. 14 des Schriftsatzes vom 5.11.2015; GA 92 ff), ändert das am Ergebnis hinsichtlich der Vorfälligkeitsentschädigung nichts. In der Aufhebungsvereinbarung sind die einzelnen Positionen, Darlehensvaluta, Vorfälligkeitsentschädigung und Gebühren, aufgeführt. Damit erfasst die Klausel auch die zurückgeforderte Vorfälligkeitsentschädigung. Mit der Ausgleichsklausel sind mithin auch die in die Salden eingeflossenen Positionen ausgeglichen.
28Die fragliche Klausel – bei der es sich angesichts der Singular- bzw. Pluraloptionen („erklärt/erklären“ und „der/die Darlehensnehmer“) um eine für eine Vielzahl vergleichbarer Fälle formulierte allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handeln dürfte - ist auch wirksam, denn sie hält – ihre Kontrollfähigkeit als Nebenabrede unterstellt – einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, 2, 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB stand. Das ergibt sich daraus, dass sie keinen einseitigen Anspruchsverzicht – nur – der Kläger ohne Gegenleistung der Beklagten beinhaltet (vgl. dazu BAG NJW 2012, 109), sondern eine Abgeltung aller gegenseitigen Ansprüche. Auch die Beklagte wäre daher gehindert, im Hinblick auf Darlehensvaluta, Vorfälligkeitsentschädigung oder Gebühren/Kosten Nachforderungen oder neue Ansprüche an die Kläger zu stellen. Eine andere Beurteilung – im Sinne einer unangemessenen Benachteiligung – ist nicht deshalb angezeigt, weil die Kläger ihren Rückforderungsanspruch letztlich aus der – unterstellt nicht verspäteten – Ausübung eines ihnen als Verbrauchern zustehenden gesetzlichen Widerrufsrechts herleiten. Allein der Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes gebietet nicht die Annahme, die Kläger würden durch einen Verzicht auf etwaige Rück- oder Nachforderungsansprüche, der mit einem entsprechenden Verzicht auch der Beklagten einhergeht, unangemessen benachteiligt. Es waren die Kläger und nicht die Beklagte, die vor Erklärung des Widerrufs eine vorzeitige Beendigung der beiden Darlehensverträge wünschten; dass die Beklagte die Aufhebungsvereinbarung im Interesse einer endgültigen Regelung der beiderseitigen Ansprüche aus und im Zusammenhang mit den Darlehensverträgen mit einer Abgeltungsklausel verbunden hat, ist aus der objektiven Sicht einer redlichen Vertragspartei nicht zu beanstanden. Es ist auch ohne Belang, dass den Klägern die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung und ihr deshalb grundsätzlich fortbestehendes Widerrufsrecht bei Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung – unterstellt – nicht bekannt war. Durch die Abgeltungsklausel sollten erkennbar auch bei Abschluss der Vereinbarung nicht bekannte – beiderseitige Ansprüche aus bzw. im Zusammenhang mit den Darlehensverträgen erledigt und einem weiteren Streit der Parteien endgültig entzogen werden.
293.
30Dem Feststellungsantrag - der sich, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat (LGU 5) auf beide Darlehensverträge bezieht - steht der von der Beklagten zu Recht erhobene Einwand der Verwirkung des Rechts zur Ausübung des Widerrufs entgegen.
31a.
32Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, der Gegner sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde, und die verspätete Geltendmachung daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt (BGH, Urt. v. 18.10.2004, II ZR 352/02, juris-Tz. 23; Urt. v. 14.6.2004 - II ZR 392/01, WM 2004, 1518, 1520, m. w. Nw.). Die erforderliche Zeitdauer, die seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Rechts verstrichen sein muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (Palandt, Kommentar zum BGB, 75. Auflage 2016, § 242 Rdn. 93 m. w. Nw.). Zu berücksichtigen sind vor allem die Art und Bedeutung des Anspruchs, die Intensität des von dem Berechtigten geschaffenen Vertrauenstatbestandes und das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten. Ein Verhalten des Berechtigten, das einem konkludenten Verzicht nahekommt, mindert die erforderliche Zeitdauer (BGH, Urteil vom 16. März 1979 - V ZR 38/75, WM 1979, 644, 647). Die Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten wird wesentlich durch den Umfang seiner Vertrauenssituation und seinen Informationsstand bestimmt (BGHZ 21, 83).
33b.
34Nach diesen Vorgaben sieht der Senat das Zeitmoment in Anbetracht der Tatsache, dass die Kläger nach dem Abschluss der Darlehensverträge mehr als 9 Jahre haben verstreichen lassen, bevor sie den Widerruf erklärt haben, als erfüllt an. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Kläger von einem trotz Fristablaufs tatsächlich – d. h. aus rechtlichen Gründen - fortbestehenden Widerrufsrecht Kenntnis hatten (vgl. BGH, Urt. v. 16.3.2007, V ZR 190/06, juris-Tz. 8; Palandt/Grüneberg, 75. Auflage 2016, § 242 BGB, Rdn. 94). Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der sich aus der von den Klägern mit Schriftsatz vom 19.5.2016 vorgelegten, einen zum Zeitpunkt des Darlehensvertrages noch nicht vollständig erfüllten Darlehensvertrag betreffenden Entscheidung des OLG Frankfurt vom 25.4.2016 (23 U 9815) fest. Vielmehr ist ausschlaggebend, dass nach dem Abschluss der Auflösungsvereinbarung und der vollständigen Ablösung der Darlehen im Jahr 2012 nochmals mehr als 2 Jahre bis zum Widerruf der Erklärungen vergingen, so dass jedenfalls nach Ablauf der weiteren Zeitspanne das Zeitmoment erfüllt war.
35c.
36Angesichts des Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung und der vollständigen, beiderseitigen Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung ist der Senat der Auffassung, dass auch das Umstandsmoment erfüllt ist. Die Beklagte musste nach der bereits im August 2012 erfolgten, vollständigen Rückzahlung der Darlehensvaluta im November 2014 (und im Februar 2015) nicht mehr mit einem Widerruf der Darlehensverträge und einer sich daran knüpfenden Rückabwicklung rechnen, sondern durfte auf den Bestand der beiderseitigen Vertragserfüllung vertrauen. Auch wenn man die Vereinbarung über die vorzeitige Ablösung des Darlehens nur als Änderung des ursprünglichen Vertrags sieht und – ohne Hinzutreten weiterer Umstände – nicht als Verzicht auf das Widerrufsrecht, wurde durch die vollständige Erfüllung der Ansprüche mehr als zwei Jahre vor Abgabe der Widerrufserklärung ein Vertrauenstatbestand gesetzt.
37d.
38Der Senat hält es im Falle einer Bank, deren Geschäftsgegenstand darin besteht, mit den Geldern ihrer Kunden in der Weise zu arbeiten, dass einerseits Gelder verwahrt, andererseits Darlehen gegeben werden, auch für offenkundig, dass zurückgezahlte Gelder neu verwendet werden und die Rückabwicklung eines Darlehens Jahre nach dessen vollständiger beiderseitiger Erfüllung deshalb für die Bank einen unzumutbaren Nachteil darstellt. Besonderen Vortrags der Beklagten hierzu bedurfte es hier nicht. Soweit die Kläger besonderen Vortrag dazu verlangen, dass entsprechend dem Vertrauen auch disponiert worden ist, vermag dies für die hier vorliegende Konstellation nicht zu überzeugen. Bei Zahlungen an eine Bank besteht – wie der BGH zur Frage eines von der Bank im Rahmen der widerrufsbedingten Rückabwicklung eines Darlehensvertrages nach § 346 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB geschuldeten Nutzungsersatzes wiederholt entschieden hat (vgl. BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08 -, BGHZ 180, 123 ff.; Beschl. v. 22.9.2015 – XI ZR 116/15 -, NJW 15, 3441; Beschl. v. 12.1.2016 – XI ZR 366/15, juris-Tz. 18; ferner BGHZ 172, 147, 157, Tz. 35 – insoweit zu § 818 Abs. 3 BGB) – eine tatsächliche, wenn auch widerlegliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen hat. Diese Vermutung betrifft nicht nur die Höhe, sondern denknotwendig auch die Frage, ob sie überhaupt Nutzungen aus ihr zugeflossenen Geldern erzielt hat. Nutzungen aus an sie geleisteten Zahlungen zieht die Bank aber regelmäßig entweder durch Wiederanlage dieser Gelder am Geld-, Kapital- oder Devisenmarkt oder durch anderweitige Ausleihung als Darlehen – nicht dagegen, indem sie den Zahlungen entsprechende Rückstellungen bildet. Es wäre ein nicht zu erklärender Wertungswiderspruch, wenn sich die Kläger im Streitfall bei der etwaigen Geltendmachung eines Nutzungsersatzanspruchs nach § 346 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB auf die vorgenannte Vermutung berufen könnten, während bei der logisch vorgelagerten Frage der Verwirkung des Widerrufsrechts die Bank im Einzelnen darlegen müsste, dass und auf welche Weise sie die an sie zurückgeflossene Darlehensvaluta verwendet und sich hierdurch darauf eingerichtet hat, von den Klägern nicht mehr aufgrund eines Widerrufs in Anspruch genommen zu werden.
39e.
40Der Annahme schutzwürdigen Vertrauens auf Seiten der Beklagten steht nicht entgegen, dass die Beklagte die Kläger über ihr Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt hat. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es sich bei der Pflicht zur ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung um eine Rechtspflicht handelt. Ein schutzwürdiges Vertrauen wäre allerdings ausgeschlossen, wenn der Beklagten bewusst sein musste, dass die Kläger von ihrem Widerrufsrecht keine Kenntnis hatten. Das Verhalten eines Kunden, der von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis hat, lässt keinen Schluss darauf zu, er werde von dem ihm zustehenden Widerrufsrecht keinen Gebrauch machen (BGH, Urteil vom 20.5.2003 – XI ZR 248/02, juris-Tz. 14). Ein solcher Fall läge etwa vor, wenn die Beklagte den Klägern keine Widerrufsbelehrung erteilt hätte. Hier dagegen war die Widerrufsbelehrung zwar nicht ordnungsgemäß, indem der Fristbeginn mit „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ nicht eindeutig war. Angesichts der Widerrufsbelehrung konnten die Kläger aber nicht im Zweifel darüber sein, dass ihnen ein Widerrufsrecht zustand. In diesem Fall konnte die Beklagte davon ausgehen, dass die Kläger von ihrem Widerrufsrecht Kenntnis erlangt hatten. Dem steht auch nicht das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11) entgegen, in dem der Bundesgerichtshof das Umstandsmoment mit der Begründung verneint hat, ein schutzwürdiges Vertrauen könne die dortige Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt habe, indem sie dem dortigen Kläger keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilte (BGH aaO, juris-Tz. 39 und 40). Anders als im vorliegenden Fall war die Widerrufsbelehrung in dem dortigen Fall nämlich nicht lediglich hinsichtlich des Fristenlaufs unklar. Der Kläger in dem dortigen Fall wurde vielmehr nicht in drucktechnisch deutlicher Form über sein Widerspruchsrecht nach § 5 a VVG belehrt. Mangels ausreichender drucktechnischer Deutlichkeit musste die dortige Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger von der Widerrufsbelehrung und damit seinem Widerrufsrecht überhaupt keine Kenntnis genommen hatte.
41f.
42Der Bejahung eines schutzwürdigen Vertrauens auf Seiten der Beklagten bzw. der Verwirkung steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte jedenfalls nach Bekanntwerden der am 10.3.2009 verkündeten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (XI ZR 33/08) die Möglichkeit gehabt hätte, der Klägerin nachträglich eine Belehrung zu erteilen. Aus Sicht des Senats stellt es eine überzogene Anforderung dar, von einer Bank, für die die Erteilung von Widerrufsbelehrungen in Verbraucherdarlehen oder diesen gleichzusetzenden Verträgen Massengeschäft ist, in jedem Einzelfall zu verlangen, vor vielen Jahren erteilte Widerrufsbelehrungen auch in bereits seit Jahren wechselseitig erfüllten Darlehensverträgen anhand der aktuellen BGH-Rechtsprechung auf die Notwendigkeit einer vorsorglichen Nachbelehrung zu überprüfen. Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich – wie hier – um eine bloße Ungenauigkeit und damit eine rein formale Fehlerhaftigkeit der Belehrung sowie bereits vollständig abgewickelte Darlehensverträge handelt.
43Wie im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert, steht im vorliegenden Fall der Annahme der Verwirkung – bei der es sich im Übrigen nicht um einen „Eingriff entgegen der Anordnung des Gesetzgebers“, sondern um die Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze handelt, auch die Entscheidung des BGH vom 16.3.2016 (VIII ZR 146/15) nicht entgegen, in der der Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Rechtsmissbrauchs und unzulässiger Rechtsausübung keineswegs nur in Fällen arglistigen oder schikanösen Verhaltens des Verbrauchers für möglich erachtet wird. Abgestellt wird vielmehr auf den Gesichtspunkt der besonderen Schutzbedürftigkeit des Unternehmers, für die die angeführte Situation des arglistigen oder schikanösen Verhaltens nur beispielhaft angeführt wird.
443.
45Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S. 2, 711 ZPO.
46Ein Grund, die Revision zuzulassen besteht nicht. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO), noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO), weil es sich ersichtlich um eine von den Umständen des konkreten Falles abhängige Einzelfallentscheidung handelt.
47Streitwert für das Berufungsverfahren (und zugleich in Abänderung der Wertfestsetzung durch das Landgericht auch für das erstinstanzliche Verfahren): 287.631,69 € (Summ der Zins- und Tilgungsleistungen).
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Annotations
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.
(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss
- 1.
die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und - 2.
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,
(3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Beachtung der in Absatz 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.