Oberlandesgericht Köln Beschluss, 22. Jan. 2016 - 1 RVs 3/16
Gericht
Tenor
Unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels wird das angefochtene Urteil im Ausspruch über die Höhe des Tagessatzes mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Euskirchen zurückverwiesen.
1
Gründe
2I.
3Das Amtsgericht Euskirchen hat den Angeklagten durch das angefochtene Urteil wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu der Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je fünf Euro verurteilt.
4Zu den persönlichen Verhältnissen hat es folgende Feststellungen getroffen:
5„Der Angeklagte ist in L geboren, er hat den Hauptschulabschluss der Klasse 10A erreicht, jedoch keinen Beruf erlernt. Nach der Schule war er im Sicherheitsdienst tätig und hat dort auch eine Sachkundeprüfung abgelegt (…). Danach gründete er eine Immobilien GmbH in L. Er ist ledig und hat keine Kinder. Zurzeit befindet sich in der Justizvollzugsanstalt L in Strafhaft, Strafende ist voraussichtlich der 18.03.2017.“
6Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich des weiteren, dass der Angeklagte anlässlich der Tat aus dem offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt F abgelöst worden ist.
7Die (Wahl-)Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts.
8II.
9Das Rechtsmittel hat insofern (geringen, vorläufigen) Teilerfolg, als es gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz führt.
101.
11Zum Schuldspruch und zur Anzahl der verhängten Tagessätze hat die Überprüfung des Urteils anhand der Revisionsbegründung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt. In Übereinstimmung mit dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft war daher das hierauf bezogene Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
122.
13Im Ausspruch über die Höhe des einzelnen Tagessatzes kann hingegen das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Urteilsgründe erweisen sich hier vielmehr als materiell-rechtlich unvollständig und belegen daher nicht, dass dieser Entscheidungsteil auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruht (§ 337 StPO).
14a)
15Bei der Verhängung einer Geldstrafe sind konkrete Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und insbesondere zu den monatlich erzielten Einkünften eines Angeklagten zu treffen (vgl. BGH bei Detter NStZ 2000, 188; SenE v. 24.03.2009 – 83 Ss 13/09 = StV 2009, 592; SenE v. 09.02.2015 – III-1 RVs 101/15 = NStZ-RR 2015, 336). Solche sind auch bei Sozialhilfeempfängern und diesen vergleichbaren Personen für die Bemessung der Tagessatzhöhe und für die Entscheidung über etwaige Zahlungserleichterungen (§ 42 StGB) erforderlich (SenE a.a.O.; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001, 109 [110]). Hieran fehlt es in dem angefochtenen Urteil.
16b)
17aa)
18Soweit der Tatrichter ausführt, der Angeklagte habe eine Immobilien GmbH gegründet, bleibt offen, ob diese Gesellschaft überhaupt noch werbend tätig ist und - bejahendenfalls – welche Einkünfte der Angeklagte aus ihr erzielt.
19bb)
20Für die Bemessung der Tagessatzhöhe unzureichend ist aber auch die Angabe, dass der Angeklagte sich in Strafhaft befindet. Bei einem in Haft befindlichen Täter sind vielmehr Feststellungen dazu erforderlich, welches Einkommen er tatsächlich erzielt bzw. als Gefangener erzielen könnte, wenn er während des Vollzugs der Haft einer Tätigkeit in der Justizvollzugsanstalt nachgehen würde. Da der Angeklagte jedenfalls grundsätzlich über den Haftkostenbeitrag (§ 39 StVollzG NW) an den Kosten für Unterkunft und Verpflegung beteiligt wird, haben hingegen etwaige durch den unfreiwilligen Aufenthalt des Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt ersparte Aufwendungen bei der Einkommensbemessung außer Betracht zu bleiben (BayObLG NJW 1986, 2842; OLG Hamm NStZ-RR 2015, 139; OLG Frankfurt StV 2015, 178; Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, StGB, 29. Auflage 2014, § 40 Rz. 11a; zur Berücksichtigung von Sachleistungen in anderen Fällen vgl. SenE v. 24.03.2009 - 83 Ss 13/09 - = StV 2009, 592; SenE v. 08.06.2010 - III-1 RVs 70/10 -).
21Die Urteilsgründe geben indessen keinen Aufschluss darüber, ob der Angeklagte in der Justizvollzugsanstalt – insbesondere nach erfolgter Ablösung aus dem offenen Vollzug (zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt Fischer, StGB, 63. Auflage 2016, § 40 Rz. 6a) – einer entlohnten Tätigkeit nachgeht oder nachgehen könnte und – bejahendenfalls – welches Einkommen er aus dieser erzielt oder erzielen könnte. Damit bleibt offen, ob selbst der geringe Tagessatz von fünf Euro von dem Angeklagten aufgebracht werden kann. Das ist nämlich dann zweifelhaft, wenn der Angeklagte etwa nur im gesetzlichen Umfang von drei Monaten pro Vollstreckungsjahr Hilfstätigkeiten in der Anstalt nach § 29 Abs. 3 StVollzG NW verrichtete oder gar wegen unverschuldeter Bedürftigkeit nur ein Taschengeld erhielte (§ 35 Abs. 1 StVollzG NW; vgl. LK-StGB-Häger, 12. Auflage 2006, § 40 Rz. 43). Die Urteilsgründe belegen auch nicht, dass diesbezügliche Feststellungen nicht möglich gewesen wären.
22c)
23Lebt der Angeklagte von Bezügen am Rande des Existenzminimums so kann es darüber hinaus geboten sein, unter Berücksichtigung der nach § 42 StGB möglichen, zeitlich grundsätzlich nicht beschränkten Zahlungserleichterungen und unter Beachtung der Notwendigkeit der Wahrung der Strafe als ernsthaft fühlbares Übel die Tagessatzhöhe unterhalb eines Dreißigstels der monatlichen Bezüge festzusetzen, wobei sich auch dieser ermessensähnlich ausgestaltete Strafzumessungsakt einer schematischen Behandlung entzieht (s. insgesamt SenE v. 09.02.2015 – III-1 RVs 101/15 = NStZ-RR 2015, 336; s. weiter SenE v. 24.03.2009 – 83 Ss 13/09 = StV 2009, 592; SenE v. 30.10.2007 - 82 Ss 123/07 -; OLG Stuttgart, StV 2009, 131; OLG Hamburg VRS 101, 106 = NStZ 2001, 655; OLG Stuttgart, NJW 1994, 745; OLG Celle NStZ-RR 1998, 272; Fischer a.a.O. § 40 Rz. 24; Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, a.a.O., § 40 Rz. 8). Die Urteilsgründe belegen nicht, dass der Tatrichter diese Grundsätze berücksichtigt hat.
24Die Sache bedarf daher hinsichtlich der Tagessatzhöhe neuer Verhandlung und Entscheidung.
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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ist dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, so bewilligt ihm das Gericht eine Zahlungsfrist oder gestattet ihm, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. Das Gericht kann dabei anordnen, daß die Vergünstigung, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, entfällt, wenn der Verurteilte einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt. Das Gericht soll Zahlungserleichterungen auch gewähren, wenn ohne die Bewilligung die Wiedergutmachung des durch die Straftat verursachten Schadens durch den Verurteilten erheblich gefährdet wäre; dabei kann dem Verurteilten der Nachweis der Wiedergutmachung auferlegt werden.
(1) Dem Gefangenen soll gestattet werden, einer Arbeit, Berufsausbildung oder beruflichen Weiterbildung auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Anstalt nachzugehen, wenn dies im Rahmen des Vollzugsplanes dem Ziel dient, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern und nicht überwiegende Gründe des Vollzuges entgegenstehen. § 11 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und § 14 bleiben unberührt.
(2) Dem Gefangenen kann gestattet werden, sich selbst zu beschäftigen.
(3) Die Vollzugsbehörde kann verlangen, daß ihr das Entgelt zur Gutschrift für den Gefangenen überwiesen wird.
(1) Der Schriftwechsel des Gefangenen mit seinem Verteidiger wird nicht überwacht. Liegt dem Vollzug der Freiheitsstrafe eine Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches zugrunde, gelten § 148 Abs. 2, § 148a der Strafprozeßordnung entsprechend; dies gilt nicht, wenn der Gefangene sich in einer Einrichtung des offenen Vollzuges befindet oder wenn ihm Lockerungen des Vollzuges gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 zweiter Halbsatz oder Urlaub gemäß § 13 oder § 15 Abs. 3 gewährt worden sind und ein Grund, der den Anstaltsleiter nach § 14 Abs. 2 zum Widerruf oder zur Zurücknahme von Lockerungen und Urlaub ermächtigt, nicht vorliegt. Satz 2 gilt auch, wenn gegen einen Strafgefangenen im Anschluß an die dem Vollzug der Freiheitsstrafe zugrundeliegende Verurteilung eine Freiheitsstrafe wegen einer Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches zu vollstrecken ist.
(2) Nicht überwacht werden ferner Schreiben des Gefangenen an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder, soweit die Schreiben an die Anschriften dieser Volksvertretungen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben. Entsprechendes gilt für Schreiben an das Europäische Parlament und dessen Mitglieder, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die Europäische Kommission für Menschenrechte, den Europäischen Ausschuß zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder. Schreiben der in den Sätzen 1 und 2 genannten Stellen, die an den Gefangenen gerichtet sind, werden nicht überwacht, sofern die Identität des Absenders zweifelsfrei feststeht.
(3) Der übrige Schriftwechsel darf überwacht werden, soweit es aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.
(1) Aus wichtigem Anlaß kann der Anstaltsleiter dem Gefangenen Ausgang gewähren oder ihn bis zu sieben Tagen beurlauben; der Urlaub aus anderem wichtigen Anlaß als wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung oder wegen des Todes eines Angehörigen darf sieben Tage im Jahr nicht übersteigen. § 11 Abs. 2, § 13 Abs. 5 und § 14 gelten entsprechend.
(2) Der Urlaub nach Absatz 1 wird nicht auf den regelmäßigen Urlaub angerechnet.
(3) Kann Ausgang oder Urlaub aus den in § 11 Abs. 2 genannten Gründen nicht gewährt werden, kann der Anstaltsleiter den Gefangenen ausführen lassen. Die Aufwendungen hierfür hat der Gefangene zu tragen. Der Anspruch ist nicht geltend zu machen, wenn dies die Behandlung oder die Eingliederung behindern würde.
Ist dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, so bewilligt ihm das Gericht eine Zahlungsfrist oder gestattet ihm, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. Das Gericht kann dabei anordnen, daß die Vergünstigung, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, entfällt, wenn der Verurteilte einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt. Das Gericht soll Zahlungserleichterungen auch gewähren, wenn ohne die Bewilligung die Wiedergutmachung des durch die Straftat verursachten Schadens durch den Verurteilten erheblich gefährdet wäre; dabei kann dem Verurteilten der Nachweis der Wiedergutmachung auferlegt werden.