Hanseatisches Oberlandesgericht Urteil, 20. März 2015 - 11 U 245/14

bei uns veröffentlicht am20.03.2015

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche des Klägers als Insolvenzverwalter über das Vermögen der C-AG gegen die Beklagten. Der Beklagte zu 1) war Aktionär der Schuldnerin, der Beklagte zu 2) dessen Prozessbevollmächtigter in einem Anfechtungsverfahren im Zusammenhang mit einem Kapitalerhöhungsbeschluss der Schuldnerin.

2

Das Landgericht hat die Beklagten mit Urteil vom 25.08.2014 zur Zahlung von 2 Mio. Euro verurteilt. Das Urteil wurde den Beklagten am 01.09.2014 zugestellt.

3

Mit Schriftsatz vom 30.09.2014 haben die Beklagten Berufung eingelegt. Der Schriftsatz ist am 01.10.2014 bei der Gemeinsamen Annahmestelle des Amtsgerichts Hamburg, bei der fristwahrend auch Schriftstücke für das Hanseatische Oberlandesgericht und das Landgericht Hamburg eingereicht werden können, eingegangen. Dieser zweiseitige Schriftsatz trägt das Datum „30.09.2014“ und ist adressiert „An das Landgericht Hamburg, Zivilkammer …, … Hamburg“. Auf der ersten Seite heißt es weiter: „Aktenzeichen I. Instanz: (…)“ und „Berufung“. Auf der zweiten Seite findet sich als vorgedruckte Unterschrift „(C.) Rechtsanwalt“, unterzeichnet wurde der Schriftsatz von der Zeugin Rechtsanwältin A., und zwar „i.V.“. Von der Gemeinsamen Annahmestelle ist der Schriftsatz an die Geschäftsstelle der Zivilkammer … des Landgerichts Hamburg übersandt worden.

4

Am 02.10.2014 ist der Schriftsatz, versehen mit einem gelben Klebezettel mit der Aufschrift „‘Eilt‘ Turnus OLG“, beim Hanseatischen Oberlandesgericht eingegangen und an die Geschäftsstelle des Senats gelangt.

5

Mit Beschluss vom 21.10.2014 hat der Senat die Beklagten darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung zu verwerfen, da der Berufungsschriftsatz vom 30.09.2014 erst nach Ablauf der am 01.10.2014 endenden Berufungsfrist beim Hanseatischen Oberlandesgericht eingegangen sei.

6

Mit Schriftsatz vom 06.11.2014, eingegangen am 07.11.2014, haben die Beklagten hierzu Stellung genommen.

7

Sie sind der Ansicht, der Eingang bei der Gemeinsamen Annahmestelle am 01.10.2014 genüge zur Fristwahrung, da sich der ersten Seite des Schriftsatzes hinreichend entnehmen lasse, dass Berufung gegen ein Landgerichtsurteil eingelegt werden sollte.

8

Jedenfalls sei deshalb von einem rechtzeitigen Eingang beim Hanseatischen Oberlandesgericht auszugehen, weil der Beklagte zu 2) auf Nachfrage erfahren habe, dass die zuständige Mitarbeiterin des Landgerichts die falsche Adressierung sofort bemerkt und sogleich die Geschäftsstellenverwalterin des Senats angerufen habe. Diese habe erklärt, der Schriftsatz solle mit einem Hinweis „Eilt, Turnus OLG“ versehen und in die eilige Post für das Hanseatische Oberlandesgericht gegeben werden, weil er dann das Oberlandesgericht noch am 01.10.2014 erreichen werde. In diesem Sinne sei die Mitarbeiterin des Landgerichts vorgegangen, nachdem sie Rücksprache mit dem Vorsitzenden der Zivilkammer … gehalten habe. Für weitere Einzelheiten wird auf die eidesstattliche Versicherung des Beklagten zu 2) Bezug genommen (Anlage B).

9

Vorsorglich beantragen die Beklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Eine Fristversäumung wäre jedenfalls unverschuldet erfolgt.

10

Dies folge schon daraus, dass die Geschäftsstellenverwalterinnen der Zivilkammer … des Landgerichts Hamburg und des Senats übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass der Schriftsatz noch am 01.10.2014 das Hanseatische Oberlandesgericht erreichen werde. In einer solchen Konstellation liege eine aus der Fürsorgepflicht erwachsende Verantwortlichkeit im gerichtlichen Bereich vor.

11

Unabhängig davon liege kein den Beklagten zurechenbares Anwaltsverschulden vor. Frau Rechtsanwältin A. habe die falsche Adressierung auf dem ihr zur Unterschrift vorgelegten Schriftsatz bemerkt und die Angestellte Frau B. angewiesen, die Adresse zu ändern, zugleich aber bereits den Schriftsatz unterzeichnet, da sie in Eile gewesen sei. Frau B., bei der es sich um eine langjährige, zuverlässige Mitarbeiterin handele, habe diese Änderung zugesagt, dann aber aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht vorgenommen. Für die Einzelheiten wird auf die eidesstattlichen Versicherungen des Herrn Rechtsanwaltes C. (Anlagen C, F), der Rechtsanwältin A. (Anlage D) und der Frau B. (Anlage E) Bezug genommen.

12

Die Beklagten beantragen,

13

für die Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

14

Der Kläger beantragt,

15

den Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen.

16

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2015 - wie bereits in der Ladung angekündigt - beschlossen, dass sich die mündliche Verhandlung auf den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten beschränkt, und die Zeuginnen B. und A. zum Inhalt ihrer eidesstattlichen Versicherungen vernommen. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.

17

Mit Schriftsatz vom 27.02.2015 haben die Beklagten zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen und dabei insbesondere zum Ablauf nach Zugang des Senatsbeschlusses in der Kanzlei der Beklagtenvertreter vorgetragen sowie eine weitere eidesstattliche Versicherung der Zeugin A., diesen Ablauf betreffend, vorgelegt. Für die weiteren Einzelheiten wird auf diesen Schriftsatz Bezug genommen.

II.

18

Die Berufung der Beklagten ist unzulässig, denn sie ist entgegen §§ 517, 519 Abs. 1 ZPO nicht innerhalb der Monatsfrist beim Berufungsgericht eingelegt worden (§ 522 Abs. 1 ZPO).

19

Die Berufungsschrift vom 30.09.2014 ist erst am 02.10.2014 und damit nach Ablauf der Berufungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen (1.). Die Berufungsfrist lief am 01.10.2014 ab, nachdem den Prozessbevollmächtigten der Beklagten das angefochtene Urteil am 01.09.2014 zugestellt worden ist.

20

Den Beklagten war insoweit auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (2.).

21

1. a) Dass die Berufungsschrift noch am 01.10.2014 bei der Gemeinsamen Annahmestelle des Amtsgerichts Hamburg, bei der fristwahrend auch Schriftsätze an das Hanseatische Oberlandesgericht eingereicht werden können, eingegangen war, ist unerheblich. Der Eingang des Schriftsatzes bei dieser Stelle kann deshalb, weil er an das Landgericht Hamburg adressiert war, nicht als Eingang bei dem Berufungsgericht angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 18.02.1997, VI ZB 28/96, juris Rn. 4). Durch diese eindeutige Adressierung hilft es den Beklagten auch nicht, dass dem Schriftsatz zu entnehmen war, dass Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts eingelegt werden sollte (vgl. BGH, aaO., Rn. 6). Soweit sich die Beklagten auf den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 06.10.1988 berufen (VII ZB 1/88), liegt kein vergleichbarer Sachverhalt vor. Der Bundesgerichtshof hat dort entschieden, dass die Rechtsmittelfrist gewahrt sei, wenn die mit dem zutreffenden Aktenzeichen des Oberlandesgerichts versehene, aber irrtümlich an das Landgericht adressierte Berufungsbegründungsschrift rechtzeitig bei der gemeinsamen Annahmestelle eingehe. Vorliegend war aber für die Mitarbeiter der Gemeinsamen Annahmestelle gerade nicht ersichtlich, dass es sich um einen „Irrläufer“ gehandelt hat. Es war genauso möglich, dass die Adressierung an das Landgericht auf dem Irrtum darüber beruhte, bei welchem Gericht die Berufung gegen ein Zivilurteil einzulegen ist.

22

b) Ein Zugang beim Hanseatischen Oberlandesgericht am 01.10.2014 kann auch nicht damit fingiert werden, dass die Geschäftsstellenverwalterin des Senats dem Landgericht Vorgaben zur weiteren Behandlung gegeben haben soll, mit denen ein Eingang am 01.10.2014 gewährleistet sei. Maßgeblich ist allein, dass der Schriftsatz erst am 02.10.2014 in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Hanseatischen Oberlandesgerichts gelangt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.01.2003, VI ZB 29/02, juris Rn. 7).

23

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig, aber unbegründet.

24

a) Eine schuldlose Versäumung der Berufungsfrist lässt sich nicht mit einem „überwiegenden Mitverschulden“ der Justiz begründen, wie es die Beklagten unter Hinweis auf die Abläufe am 01.10.2014 tun, die der Beklagte zu 2) in seiner eidesstattlichen Versicherung schildert (Anlage B). Dies folgt schon daraus, dass für die Justiz keine Verpflichtung zu Maßnahmen außerhalb des ordentlichen Geschäftsgangs bestand (BGH, Beschluss vom 28.01.2003, VI ZB 29/02, juris Rn. 8). Weder die Geschäftsstelle des Landgerichts noch diejenige des Senats musste deshalb dafür sorgen, dass die Berufungsschrift noch am 01.10.2014 das Hanseatische Oberlandesgericht erreicht. Die von den Beklagten im Schriftsatz vom 27.02.2015 angenommene, aus einer Fürsorgepflicht erwachsende Verantwortlichkeit im gerichtlichen Bereich bestand nicht.

25

b) Die Beklagten haben auch ansonsten nicht glaubhaft gemacht, dass sie an der Versäumung der Frist kein Verschulden traf. Es besteht auch nach der durchgeführten Beweisaufnahme keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Prozessbevollmächtigten der Beklagten, deren Verschulden den Beklagten zuzurechnen ist (§ 85 Abs. 2 ZPO), alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hatten, um den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift beim Berufungsgericht zu gewährleisten.

26

Zwar hätten die Beklagtenvertreter den an sie gestellten Anforderungen genügt, wenn der Ablauf so war, wie er in den eidesstattlichen Versicherungen der Zeuginnen A. und B. dargestellt worden ist. Insgesamt entspricht die Darstellung in den eidesstattlichen Versicherungen dem Ablauf, den der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 05.06.2013 (XII ZB 47/10) für ausreichend erachtet hat (juris, Rn. 9 ff.; vgl. auch Beschlüsse vom 20.03.2012, VIII ZB 41/11, juris Rn. 10 ff. und 17.08.2011, I ZB 21/11, juris Rn. 12 ff.). Frau A. soll bemerkt haben, dass der Schriftsatz falsch adressiert war, und der Mitarbeiterin Frau B. die Anweisung erteilt haben, dies zu korrigieren. Dass die Zeugin A. den Schriftsatz schon vor der Korrektur unterzeichnet haben soll, wäre unschädlich.

27

Nach der umfassenden Würdigung der Umstände des vorliegenden Falles spricht jedoch nicht mehr für das Vorliegen der in Rede stehenden Behauptungen als dagegen (vgl. zum Maßstab der Glaubhaftmachung BGH, Beschluss vom 21.10.2010, V ZB 210/09, juris Rn. 7). Weder die eidesstattlichen Versicherungen noch die Aussagen der Zeuginnen (vgl. BGH, Beschluss vom 24.02.2010, XII ZB 129/09, juris Rn. 10, 11) konnten dem Senat die nach dem dargestellten Grundsatz erforderliche Wahrscheinlichkeit vermitteln, dass es die behauptete Einzelanweisung an Frau B. gab. Der Senat hält es ebenso für möglich, dass die Zeugin A. die falsche Anschrift nicht bemerkt hat und folglich der Zeugin B. auch keine Einzelanweisung erteilen konnte.

28

aa) Die Zeugin A. hat zwar ihre Angaben aus der eidesstattlichen Versicherung im Kern wiederholt. Der Senat hat jedoch auch nach der Vernehmung erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben. Auch wenn sich im Ergebnis nicht feststellen lässt, dass die Zeugin zu der behaupteten Einzelanweisung unwahre Angaben gemacht hat, lassen diese Zweifel nicht den Schluss zu, dass es die Einzelanweisung wahrscheinlich gab.

29

(1) Die Zeugin hat ausgesagt, wenn ihr ein Schriftsatz „in weiß“, also in der Endfassung, vorgelegt wird, kontrolliere sie alles noch mal ganz gründlich. Gleichzeitig hat sie erklärt, sie bestehe gegenüber ihren Mitarbeitern darauf, nur solche Schriftsätze zur Unterschrift vorgelegt zu bekommen, aus denen sich auch ihr Name ergebe. Die hier in Rede stehende Berufungsschrift endet jedoch mit dem Namen des Rechtsanwaltes C. Hiermit konfrontiert, hat die Zeugin erklärt, sie habe keine Veranlassung hinsichtlich einer Korrektur gesehen. Es habe auch keine Rolle gespielt, dass der Schriftsatz nicht das aktuelle Datum, sondern das des Vortages getragen habe. Hinzu kommt, dass die Zeugin zunächst ausgesagt hat, sie habe sich in der „grünen“ Fassung nur mit dem Inhalt des Schriftsatzes befasst, u.a. den Namen und dem Antrag. Der ihr vorgelegte Entwurf der Berufungsschrift enthielt jedoch keinen Antrag.

30

Die Zeugin hat zudem ausgesagt, dass die Zeit knapp geworden sei und sie gegen 11.30 Uhr die Kanzlei verlassen habe. Dies lässt es für den Senat mindestens als ebenso wahrscheinlich erscheinen, dass die Zeugin in Eile gewesen ist und den Schriftsatz, der nach ihren eigenen Angaben „einfach und kurz“ war, nicht mehr gelesen, sondern lediglich unterzeichnet hat, zumal sie im Entwurf keine Korrekturen vorgenommen hatte und somit kein besonderer Anlass zu einer nochmaligen Kontrolle bestand. Es ist auch nicht zwingend, dass ihr die fehlerhafte Adressierung auch ohne eingehende Kontrolle auffallen musste, denn im Entwurf hatte sie diese nicht bemerkt, obwohl sie es für möglich hielt, dass sie das Adressfeld schon da gesehen hatte.

31

(2) Im weiteren Verlauf der Vernehmung fiel auf, dass die Zeugin den Ablauf am 01.10.2014 sehr detailreich schilderte, an den weiteren Ablauf nach Bekanntwerden des Fehlers jedoch keine konkreten Erinnerungen zu haben schien. Dies ist nach Auffassung des Senats deshalb bemerkenswert, weil der Vorgang am 01.10.2014 - soweit ersichtlich - noch keine besondere Bedeutung hatte, während nach Eingang des Hinweisbeschlusses des Senats nach den Bekundungen der Zeugin über mehrere Tage eine angespannte und aufgeregte Stimmung geherrscht habe und sie selbst aus allen Wolken gefallen sei.

32

Auch nach den zahlreichen Nachfragen des Senats ergab sich aus den Schilderungen der Zeugin kein stimmiges Bild davon, wie sie sich nach Bekanntwerden der Problematik verhalten haben will. Die Zeugin geht davon aus, dass der Hinweisbeschluss des Senats am Ende der Woche in der Kanzlei eingegangen ist, sie aber erst nach dem Wochenende davon erfahren habe - nach ihrer Erinnerung hat ihre Mitarbeiterin Frau Z. ihr dabei auch gesagt, dass das Problem darin liege, dass die Berufung nicht rechtzeitig eingelegt worden sei -, wobei sie sich nicht festlegen konnte, ob am Montag oder am Dienstag. Sie sei dann mit ihrem Kanzleikollegen P. essen gegangen und habe im Anschluss mit Frau B. gesprochen. Dabei habe Frau B. ausdrücklich die Frage bejaht, ob sie die Sache pünktlich abgegeben habe. Dies lässt zumindest auch den Schluss zu, dass aus der Sicht der Zeugin, die nach eigenen Angaben über Kenntnisse im Zivilverfahrensrecht verfügt, nur eine solche verspätete Einreichung des Schriftsatzes als Ursache in Betracht kam, was wiederum dafür spricht, dass der Zeugin auch nur diese Möglichkeit bewusst gewesen ist, weil ihr die falsche Adressierung zuvor nicht aufgefallen war.

33

Die Zeugin A. hat weiter ausgesagt, am darauffolgenden Morgen habe Herr Rechtsanwalt C. sie abgepasst und es sei dann in dessen Zimmer zu einem nicht sehr sachlichen Gespräch gekommen, bei dem beide ziemlich aneinandergeraten seien. Die Zeugin konnte aber auch auf Nachfrage keine konkreten Angaben zum Inhalt dieses Gesprächs machen, hat aber erklärt, Herr C. habe ihr keine Vorwürfe gemacht, so dass offenbleibt, welchen Grund es für beide gab, aneinanderzugeraten. Vor allem erscheint es dem Senat wenig nachvollziehbar, dass die Zeugin tatsächlich nicht mehr weiß, ob Herr C. ihr in diesem Gespräch erklärt hat, welche Problematik es mit der Frist gab. Vielmehr ist auch hier nicht weniger wahrscheinlich, dass Herr C. der Zeugin - wenn sie es nicht bereits wusste - sehr wohl erklärt hat, warum der Senat Zulässigkeitsbedenken hat, und der Zeugin insoweit vorwarf, die falsche Adressierung nicht erkannt zu haben. Die Zeugin konnte nämlich auch nicht nachvollziehbar erläutern, warum sie bereits zu diesem Zeitpunkt keinen Zweifel daran hatte, selbst keinen Fehler gemacht zu haben. Da die Zeugin im Ergebnis für die Berufungsschrift verantwortlich gewesen ist, hätte es nahe gelegen, dass sie sich umgehend darüber informiert, wo das Problem liegt. Der Senat hat auch nicht verstanden, warum es für die Kenntnis, dass die Sache zwar „fristgerecht“ eingegangen sei, aber eben beim falschen Gericht, einer Akteneinsicht bedurfte, denn dieser Umstand bildete den wesentlichen Grund des Senatshinweises.

34

Auch wenn der wiederholte Hinweis darauf, dass es der Zeugin B. aufgrund des Vorfalls sehr schlecht gegangen sei, eine Erklärungsmöglichkeit dafür darstellt, dass die Zeugin A., nach eigener Aussage von impulsivem Charakter, die Zeugin B. nicht unmittelbar zur Rede gestellt hat, ist es nach dem zuvor Gesagten ebenso denkbar, dass dies deshalb nicht erfolgte, weil die Zeugin gewusst hat, dass ihr selbst ein entscheidender Fehler unterlaufen war.

35

Die aus den vorstehend geschilderten Indizien herrührenden Zweifel lassen sich auch nicht damit beseitigen, dass die Zeugin - wie von den Beklagten im Schriftsatz vom 27.02.2015 behauptet - keinen Anlass gehabt hätte, sich auf eine Befragung zu den Abläufen nach Bekanntwerden des Senatsbeschlusses vorzubereiten. Dies allein vermag die gezeigten Schwächen der Aussage nicht zu erklären. Sollten die Beklagten zugleich zum Ausdruck bringen wollen, dass die detailreichen Erinnerungen der Zeugin zu dem Ablauf am 01.10.2014 in einer - wie auch immer gearteten - Vorbereitung auf die Vernehmung begründet seien, würde dies die unter (1) dargelegten Zweifel daran, dass es sich tatsächlich um eigene Erinnerungen der Zeugin handelt, eher verstärken (hierzu auch unter c]).

36

Die Zweifel des Senats lassen sich auch nicht dadurch ausräumen, dass die Beklagten im Schriftsatz vom 27.02.2015 die Abläufe nach Zugang des Senatsbeschlusses in der Kanzlei der Beklagtenvertreter darlegen und die Zeugin A. die Richtigkeit dieses Vortrages eidesstattlich versichert. Die schriftsätzliche Zusammenfassung des Geschehens im Anschluss an die Vernehmung der Zeugin A. zu demselben Thema hat auf den persönlichen Eindruck, den der Senat von der Zeugin gewonnen hat, keinen Einfluss. Es muss deshalb nicht entschieden werden, ob der Vortrag und die eidesstattliche Versicherung der Zeugin A. nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist und nach Schluss der mündlichen Verhandlung überhaupt noch zuzulassen wären.

37

bb) Auch die Aussage der Zeugin B. vermag nichts daran zu ändern, dass es keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür gibt, dass die Zeugin A. eine Anweisung zur Korrektur der Anschrift gegeben hat.

38

Die Zeugin hatte in ihrer eidesstattlichen Versicherung angegeben, sie könne sich nicht erklären, warum sie das Adressfeld nicht korrigiert habe. In ihrer Vernehmung meinte sie dagegen, das Anschriftenfeld geändert zu haben, die Datei jedoch vor dem Ausdruck nicht gespeichert und sodann aus der Historie die ursprüngliche Datei ausgedruckt zu haben. Warum sie dies in der eidesstattlichen Versicherung - die sie naturgemäß in einem sehr viel kürzeren Abstand zum Geschehen abgegeben hatte - nicht angegeben hat, konnte sie nicht erläutern. Die Behauptung der Beklagten im Schriftsatz vom 27.02.2015, die Zeugin habe in der eidesstattlichen Versicherung nicht die Erinnerung an den Vorgang wiedergegeben, sondern die Suche nach einer Erklärung, steht im Widerspruch zum Wortlaut der eidesstattlichen Versicherung, denn dort heißt es: „Warum ich tatsächlich das Adressfeld dann nicht korrigiert, sondern die erste Seite noch einmal genauso ausgedruckt und die letztlich identischen ersten Seiten ausgetauscht habe, kann ich mir überhaupt nicht erklären.“ Die Zeugin erklärt damit ausdrücklich und im Widerspruch zu ihrer Zeugenaussage, das Adressfeld nicht korrigiert zu haben, wie es im Übrigen die Beklagten auch in der Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages im Schriftsatz vom 06.11.2014 vorgetragen haben. Hierfür ist es nicht von Bedeutung, mit welchen Arbeitsschritten eine solche Korrektur verbunden ist, so dass es schon deshalb auf die entsprechenden Ausführungen im Schriftsatz vom 27.02.2015 nicht ankommt.

39

Der Senat kann auch nicht nachvollziehen, warum die Zeugin den Ausdruck nicht mehr kontrolliert hat, obwohl ihr nach eigenem Bekunden der Fehler peinlich gewesen sein soll. Eine solche Kontrolle wäre auch ohne Zeitaufwand möglich gewesen, z.B. beim Heften der Schriftsätze.

40

cc) Auch in einer Gesamtschau überwiegen nicht die für den von den Zeuginnen dem Senat unterbreiteten Sachverhalte sprechenden Aspekte.

41

Die Darstellung wirkt vielmehr konstruiert. Hierfür spricht zunächst, dass sie sich sehr genau an den „Vorgaben“ orientiert, die der Bundesgerichtshof im Beschluss vom 05.06.2013 (XII ZB 47/10) hinsichtlich der zulässigen Einzelanweisung gemacht hat. Die Beklagtenvertreter kennen diese Entscheidung, denn sie haben sich in ihrem Wiedereinsetzungsantrag und im Schriftsatz vom 27.02.2015 hierauf berufen. Für diese Orientierung war es u.a. erforderlich, dass die Zeugin A. den Fehler im Anschriftenfeld nicht bereits auf dem „grünen“ Entwurf bemerkt haben durfte, denn dann hätte sie besonderen Anlass gehabt, zu prüfen, ob der Fehler im Original korrigiert wurde. Gleichzeitig musste sie behaupten, das Original noch einmal gründlich gelesen zu haben, obwohl es hierfür keinen Grund gab, da sie im Entwurf keine Änderungen vorgenommen hatte und es sich um einen sehr kurzen Schriftsatz handelte (hierzu bereits unter aa]).

42

Ein weiteres Indiz für eine Absprache sieht der Senat darin, dass es in den eidesstattlichen Versicherungen der Zeuginnen übereinstimmend heißt, Frau B. sei zunächst mit dem Entwurf der Berufungsschrift und dem Vermerk des Rechtsanwaltes C. bei Frau A. erschienen, während beide Zeuginnen in ihrer Vernehmung jeweils ungefragt ausgesagt haben, Frau B. habe auch die Akte mitgebracht.

43

Auch der Umstand, dass die Auffassung des Senats voraussetzt, dass die Zeuginnen A. und B. falsche eidesstattliche Versicherungen abgegeben und uneidlich falsch ausgesagt hätten, ändert nichts an der Bewertung. Dass es sich bei der Zeugin A. um ein Organ der Rechtspflege handelt, führt nicht dazu, dass ihr eine gegenüber anderen Zeugen erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass nicht nur die Beklagten, sondern vorliegend auch die Beklagtenvertreter ein erhebliches Interesse am erfolgreichen Ausgang des Berufungsverfahrens haben. Durch die Verwerfung der Berufung droht der Kanzlei der Beklagtenvertreter, über die vom Landgericht ausgeurteilte Summe von 2 Mio. Euro von den Beklagten in Regress genommen zu werden. Zudem hat der Beklagtenvertreter die Situation als existenzbedrohend bezeichnet, wobei unerheblich ist, ob er damit die Beklagten meinte oder die eigene Kanzlei.

44

3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

45

Es bestand kein Anlass, die Revision zuzulassen. Die Entscheidung des Senats beruht auf der Übertragung der zitierten Grundsätze des Bundesgerichtshofes auf den Einzelfall und der Würdigung von Zeugenaussagen.

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Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

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(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
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4.
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I.

Die von der Klägerin erhobene Schmerzensgeldklage ist durch Urteil des Amtsgerichts G. vom 21. Februar 2002, ihr zugestellt am 22. Februar 2002, abgewiesen worden. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin fertigte am 21. März 2002 die Berufungsschrift und beabsichtigte, diese vorab per Telefax an das Landgericht F. zu senden. Versehentlich faxte er jedoch die an das zuständige Landgericht F. adressierte Berufungsschrift am Abend des 21. März 2002 unter Verwendung der im "Ortsverzeichnis" aufgeführten Fax - Nummer
des Amtsgerichts F. . Er war beim Heraussuchen der Nummer in die falsche Spalte geraten. Das Original der Berufungsschrift versandte er am 22. März 2002 im Postwege. Dieses Original ging am 26. März 2002 beim Landgericht F. ein. Das am 21. März 2002 um 21.11 Uhr auf dem Faxgerät des Amtsgerichts F. eingetroffene Fax ist am 27. März 2002 an das Landgericht gelangt. Das Landgericht hat die Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen. Maßgeblich sei der Eingang des Fax beim Landgericht am 27. März 2002. Der von der Klägerin gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung sei bereits wegen Versäumung der Frist des § 234 ZPO unzulässig. Überdies sei er unbegründet. Auch bei umgehender Weiterleitung im normalen Geschäftsgang wäre das Berufungsfax frühestens am darauffolgenden Montag, dem 25. März 2002, und damit nach Fristablauf zum Berufungsgericht gelangt.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Soweit sie sich gegen den die Berufung als unzulässig verwerfenden Teil des Beschlusses richtet, ist die Rechtsbeschwerde das nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsmittel. Soweit mit ihr zugleich die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs angegriffen wird, folgt die Statthaftigkeit aus § 238 Abs. 2 ZPO, wonach ebenfalls § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO anwendbar ist (vgl. BGH, Beschluß vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02 - VersR 2002, 1257 f.). Der Statthaftigkeit steht auch nicht entgegen , daß der Wert der geltend gemachten Beschwer 20.000 Diese Wertgrenze gilt nach § 26 Nr. 8 EGZPO nur für die Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO und kann auf die Rechtsbe-
schwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluß nicht entsprechend angewendet werden (vgl. BGH, Beschluß vom 4. September 2002 - VIII ZB 23/02 - NJW 2002, 3783; vom 19. September 2002 - V ZB 31/02 - NJW-RR 2003, 132; vom 31. Oktober 2002 - III ZB 17/02 - BGHReport 2003, 93). 2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
a) Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie keine entscheidungserhebliche , klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft , die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann oder andere Auswirkungen auf die Allgemeinheit hat, die deren Interessen im besonderen Maße berühren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02 - NJW 2002, 3029 und vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02 – NJW 2003, 65, 67). Die in der Rechtsbeschwerde aufgezeigten Fragen von grundsätzlicher Bedeutung sind nämlich durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits geklärt. aa) Aus dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt sich, daß es für den rechtzeitigen Eingang darauf ankommt, wann das zuständige Gericht die tatsächliche Verfügungsgewalt über das eingegangene Schriftstück erhalten hat (vgl. BGH, Senatsbeschluß vom 18. Februar 1997 - VI ZB 28/96 - NJW-RR 1997, 892, 893 und Beschluß vom 13. Oktober 1982 - IVb ZB 154/82 - VersR 1983, 59; BAG, Urteil vom 29. August 2001 - 4 AZR ZR 388/00 - NJW 2002, 845, 846; BVerfG, Beschlüsse vom 29. April 1981 - 1 BvR 159/80, BVerfGE 57, 117, 120 f. und vom 3. Oktober 1979 - 10 BvR 726/78, BVerfGE 52, 203, 206 ff.). Daraus ergibt sich, daß die beim Faxgerät eines anderen Gerichts eingehende Berufungsschrift zum Zeitpunkt des Empfangs noch nicht bei dem zuständigen Gericht eingegangen ist.
bb) Im übrigen ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 93, 99, 115) in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt , daß ein unzuständiges Gericht grundsätzlich nur verpflichtet ist, fristgebundende Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren, die bei ihm eingereicht werden, im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Zu Maßnahmen außerhalb des ordentlichen Geschäftsgangs besteht dagegen keine Verpflichtung (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1997 - II ZR 85/97 - VersR 1998, 608, 609; Beschlüsse vom 11. Februar 1998 - VIII ZB 50/97 – VersR 1998, 1437, 1438; vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98 - VersR 1999, 1170, 1171; vom 29. November 1999 - NotZ 10/99 - NJW 2000, 737 f.; vom 27. Juli 2000 - III ZB 28/00 - NJW-RR 2000, 1730, 1731; vom 26. Oktober 2000 - V ZB 32/00 - bei juris). Ob im vorliegenden Fall nach diesen Grundsätzen verfahren worden ist, ist eine Frage des Einzelfalls und bedarf keiner höchstrichterlichen Beurteilung. Im übrigen hat das Berufungsgericht festgestellt, daß das Berufungsfax auch bei umgehender Weiterleitung im normalen Geschäftsgang nicht rechtzeitig zum Berufungsgericht gelangt wäre.
b) Aus diesen Gründen bedarf es entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch keiner Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Wellner
Pauge Stöhr

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 47/10
vom
5. Juni 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 233 (Fd, Gc)
Zur nicht beachteten Einzelweisung eines Rechtsanwalts an seine Angestellte,
die Adressierung einer Rechtsmittelschrift an das Rechtsmittelgericht zu korrigieren.
BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013 - XII ZB 47/10 - OLG Hamm
LG Dortmund
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Juni 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Weber-Monecke, Dr. Klinkhammer,
Schilling und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 15. Dezember 2009 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Beschwerdewert: 16.215 €

Gründe:


I.

1
Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung rückständiger Miete in Anspruch genommen; der Beklagte hat widerklagend Rückzahlung einer Kaution sowie erbrachter Mietzahlungen begehrt. Das die Klage abweisende und der Widerklage im Wesentlichen stattgebende Urteil des Landgerichts ist der Klägerin zu Händen ihres erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 14. September 2009 zugestellt worden. Die an das Landgericht gerichtete Berufung der Klägerin ist dort per Fax am 14. Oktober 2009 eingegangen. Nach Weiterleitung durch das Landgericht ist die Berufung am 22. Oktober 2010 bei dem Oberlandesgericht eingegangen.
2
Mit Schriftsatz vom 10. November 2009 hat der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Niederlegung des Mandats mitgeteilt. Am Montag, dem 16. November 2009, hat er beantragt, die Berufungsbegründungsfrist zu verlängern. Mit Schriftsatz vom 23. November 2009 haben sich andere Rechtsanwälte für die Klägerin bestellt. Am 27. November 2009 hat der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen , die Berufungsschrift sei entgegen seiner Bestimmung unzutreffend adressiert worden. Bei Unterzeichnung der Berufungsschrift habe er bemerkt, dass das Landgericht als Adressat der Berufung eingefügt worden sei. Daraufhin habe er die seit Jahren als zuverlässig bekannte Büroleiterin damit beauftragt , die Anschrift zu korrigieren. Diese Korrektur sei irrtümlich unterblieben. Zur Glaubhaftmachung sind die Angaben anwaltlich versichert worden.
3
Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
5
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die Berufung sei nicht innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist des § 517 ZPO bei dem Oberlandesgericht eingegangen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist sei unbegründet. Dabei könne dahinstehen, ob der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte nach der Anzeige der Mandatsniederlegung und der Bestellung der neuen Prozessbevollmächtigten überhaupt noch als handlungsbefugt für die Klägerin habe gelten können. Denn der Begründung des Antrags lasse sich nicht entnehmen, dass die Klägerin ohne ein ihr zuzurechnendes Verschulden des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten an der Wahrung der Berufungsfrist gehindert gewesen sei. Zwar sei er der Verpflichtung nachgekommen, sich bei Unterzeichnung der Berufungsschrift davon zu überzeugen, dass der Schriftsatz richtig adressiert sei. Nach Feststellung des Fehlers habe er seiner Mitarbeiterin die Anweisung erteilt, die Bezeichnung des Berufungsgerichts zu korrigieren. Bei einer nur mündlich erteilten Anweisung, die einen wichtigen Vorgang betreffe, müssten aber ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass sie nicht in Vergessenheit gerate und unterbleibe. Vor dem Hintergrund, dass entgegen der Anweisung eine unzutreffende Adressierung vorgenommen worden sei, habe hierzu in besonderem Maß Anlass bestanden. Deshalb treffe den Prozessbevollmächtigten ein Verschulden , das die Klägerin sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse.
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Es fehlt indessen an den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und verletzt die Klägerin auch nicht in ihren Verfahrensgrundrechten.
7
a) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt hat. Die Berufung ist aufgrund der falschen Adressierung erst nach Ablauf der Berufungsfrist von einem Monat (§ 517 ZPO) bei dem Oberlandesgericht eingegangen.
8
b) Das Berufungsgericht hat auch das Wiedereinsetzungsgesuch zu Recht zurückgewiesen.
9
aa) Die Prüfung der notwendigen Formalien für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist Aufgabe des Rechtsmittelführers. Ihm obliegt es deswegen auch,dafür Sorge zu tragen, dass das Rechtsmittel innerhalb der Rechtsmittelfrist bei dem zuständigen Gericht eingeht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11 - FamRZ 2012, 623 Rn. 28; vom 15. Juni 2011 - XII ZB 468/10 FamRZ 2011, 1389 Rn. 8 und BGH Beschluss vom 4. Dezember 1991 - VIII ZB 34/91 - VersR 1992, 1023 f.). Entgegen diesen Anforderungen hat der Klägervertreter das Rechtsmittel nicht an das zuständige Oberlandesgericht, sondern an das Landgericht gesandt, weshalb es verspätet bei dem zuständigen Oberlandesgericht eingegangen ist.
10
bb) Ein Rechtsanwalt darf allerdings grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11 - FamRZ 2012, 623 Rn. 29; vom 21. April 2010 - XII ZB 64/09 - FamRZ 2010, 1067 Rn. 11 und vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 154/09 - VersR 2011, 89 Rn. 16; BGH Beschluss vom 2. November 1995 - VII ZB 13/95 - VersR 1996, 779).
11
Die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift gehört aber zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu überprüfen (Senatsbeschluss vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11 - FamRZ 2012, 623 Rn. 30; BGH Beschlüsse vom 25. Juni 1986 - IVa ZB 8/86 - VersR 1986, 1209 und vom 29. April1982 - I ZB 2/82 - VersR 1982, 769 f.). Die Aufgabe darf in einem so gewichtigen Teil wie der Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts auch gut geschultem und erfahrenem Büropersonal eines Rechtsanwalts nicht eigenverantwortlich überlassen werden. Der Prozessbevollmächtigte einer Partei muss die Rechtsmittelschrift deswegen vor der Unterzeichnung auf die Vollständigkeit, darunter auch auf die richtige Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts, überprüfen (Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11 - FamRZ 2012, 623 Rn. 30 und vom 1. Februar 2012 - XII ZB 298/11 - FamRZ 2012, 621 Rn. 11; BGH Beschluss vom 8. Dezember 1992 - VI ZB 33/92 - VersR 1993, 1381 f.).
12
Auch bei einem so wichtigen Vorgang wie der Anfertigung einer Rechtsmittelschrift darf der Rechtsanwalt aber einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilen, deren Ausführung er grundsätzlich nicht mehr persönlich überprüfen muss (BGH Beschluss vom 30. Oktober 2008 - III ZB 54/08 - FamRZ 2009, 109 Rn. 9 f.). Wird die Anweisung nur mündlich erteilt, müssen allerdings ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen werden , dass die Erledigung in Vergessenheit gerät (Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11 - FamRZ 2012, 623 Rn. 31; vom 25. März 2009 - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132, Rn. 19; vom 19. November 2008 - XII ZB 102/08 - FamRZ 2009, 217 Rn. 14 und vom 2. April 2008 - XII ZB 190/07 - FuR 2008, 344 Rn. 12 ff.). Auch in diesem Fall genügt die klare und präzise Anweisung , die Erledigung sofort vorzunehmen, insbesondere wenn zudem eine weitere allgemeine Büroanweisung bestand, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen auszuführen. Die Gefahr, dass eine solche sofort auszuführende Weisung sogleich vergessen oder aus sonstigen Gründen nicht befolgt wird, macht eine nachträgliche Kontrolle ihrer Ausführung dann nicht erforderlich (Senatsbeschlüsse vom 25. März 2009 - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132 Rn. 20 und vom 2. April 2008 - XII ZB 189/07 - FamRZ 2008, 1338 Rn. 14 f. mwN; BGH Beschluss vom 26. Januar 2009 - II ZB 6/08 - NJW 2009, 1083 Rn.16).
13
cc) Solche zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen hat die Klägerin mit ihrem Wiedereinsetzungsgesuch weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Ihre Ausführungen beschränken sich darauf, dass die Büroleiterin mit der Korrektur der fehlerhaften Adressierung beauftragt worden sei. Nach diesem Sachvortrag kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Weisung nur mündlich erteilt worden war und die Absicherung ihrer Ausführung zusätzlicher Vorkehrungen bedurfte. Die vorgenannten Sorgfaltsanforderungen galten im vorliegenden Fall erst recht, weil die zunächst erteilte Anweisung, die Berufungsschrift an das Oberlandesgericht zu adressieren, bereits nicht befolgt worden war.
14
dd) Die mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2009 gegenüber dem Berufungsgericht nachgeholten und mit einer eidesstattlichen Versicherung der Büroleiterin versehenen neuen Angaben der Klägerin sind nicht zu berücksichtigen. Nach § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO muss der Antrag auf Wiedereinsetzung die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Wird - wie im vorliegenden Fall - geltend gemacht, dass die Fristversäumnis auf dem Versehen eines Büroangestellten beruht, so hat die Partei alle Umstände darzulegen und glaubhaft zu machen, die ein Organisations- oder sonstiges Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ausschließen. Dabei können allerdings erkennbar unklare oder ungenaue Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten ist, auch über die Frist nach §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO hinaus erläutert oder vervollständigt werden (Senatsbeschluss vom 25. März 2009 - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132 Rn. 24; BGH Beschlüsse vom 4. März 2004 - IX ZB 71/03 - FamRZ 2004, 1552 und vom 29. Januar 2002 - VI ZB 28/01 - BGH-Report 2002, 434).
15
Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor. Die Angaben im Wiedereinsetzungsgesuch sind - abgesehen von dem genauen Inhalt der erteilten Anweisung - vollständig und klar. Dass darin zusätzliche Sicherungsvorkehrungen nicht angegeben worden sind, lässt für sich genommen noch keine Ergänzungs - oder Erläuterungsbedürftigkeit des Vorbringens erkennen. Wenn der geschilderte Ablauf innerhalb der Kanzleiorganisation der Prozessbevollmächtigten der Klägerin die zu stellenden Sorgfaltsanforderungen nicht vollständig erfüllte, ergibt sich daraus noch nicht, dass dem Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin ergänzungsbedürftig erscheinen musste. Eine Erläuterungsoder Ergänzungsbedürftigkeit wäre etwa dann erkennbar gewesen, wenn bestimmte durch Anweisung festgelegte Arbeitsroutinen beschrieben wären, aus denen sich sowohl eine sorgfaltsgemäße als auch eine sorgfaltswidrige Ausführung ergeben kann. In diesen Fällen darf das Gericht nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die sorgfaltswidrige Alternative nicht entkräftet worden sei, und muss auf eine Aufklärung hinwirken (vgl. BGH Beschlüsse vom 4. März2004 - IX ZB 71/03 - FamRZ 2004, 1552 mwN und vom 29. Januar 2002 - VI ZB 28/01 - BGH-Report 2002, 434 und Senatsbeschluss vom 25. März 2009 - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132 Rn. 25). Es würde aber die Hinweispflicht überspannen, wenn das Berufungsgericht den Antragsteller eines Wiedereinsetzungsgesuchs über Lücken in den von ihm dargelegten Sicherungsvorkehrungen aufzuklären hätte. Das Berufungsgericht kann vielmehr im Zweifel da- von ausgehen, dass der Antragsteller seiner aus § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO ergebenden Verpflichtung zur vollständigen Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen auch nachgekommen ist. Dose Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 25.08.2009 - 3 O 24/09 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 15.12.2009 - I-7 U 84/09 -
10
aa) Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Falle einer Fristversäumung den Rechtsanwalt ein der Partei zurechenbares Verschulden nicht trifft, wenn er einer bislang zuverlässigen Kanzleiangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat seiner Mitarbeiterin die klare Anweisung erteilt , das Geschäftszeichen des Berufungsgerichts der bereits von ihm unterschriebenen Berufungsbegründung hinzuzusetzen. Ihm kann nicht als Verschulden vorgehalten werden, dass er die Berufungsbegründungsschrift vor der von ihm für erforderlich gehaltenen Korrektur unterzeichnet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - III ZB 54/08, NJW 2009, 296 Rn. 9 mwN). Ebenso ist er dabei regelmäßig nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern. Auch bei einem so wichtigen Vorgang wie der Anfertigung einer Rechtsmittelschrift darf der Rechtsanwalt einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilen, deren Ausführung er grundsätzlich nicht mehr persönlich überprüfen muss (BGH, Be- schlüsse vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11, juris Rn. 29, 31; vom 21. April 2010 - XII ZB 64/09, FamRZ 2010, 1067 Rn. 11; vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 154/09, VersR 2011, 89 Rn. 16; vom 30. Oktober 2008 - III ZB 54/08, aaO Rn. 9 f.).
7
b) Dieser Rechtskontrolle hält die Beschwerdeentscheidung jedoch nicht stand. Die Rechtsbeschwerde rügt im Ergebnis zu Recht, dass die Erwägung, mit der das Beschwerdegericht eine Glaubhaftmachung verneint hat, von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgeht. Denn entgegen der Auffas- sung des Beschwerdegerichts scheitert eine Glaubhaftmachung nicht schon dann, wenn nicht festgestellt werden kann, ob die Darstellung des Ablehnenden oder die des Abgelehnten zutrifft. Anders als in Konstellationen, in denen eine Partei den (vollen) Beweis für eine Behauptung zu erbringen hat, ist eine Glaubhaftmachung selbst bei Vorliegen vernünftiger Zweifel nicht ausgeschlossen. Nach den zu § 294 ZPO entwickelten Grundsätzen genügt zur Glaubhaftmachung ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugungsbildung. An die Stelle des Vollbeweises tritt eine Wahrscheinlichkeitsfeststellung. Die Behauptung ist schon dann glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft (vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2006 - IX ZB 60/06, NJW-RR 2007, 776, 777; Stein/Jonas/ Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 294 Rn. 7; jeweils mwN). Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn bei der erforderlichen umfassenden Würdigung der Umstände des jeweiligen Falles mehr für das Vorliegen der in Rede stehenden Behauptung spricht als dagegen (BGH, Beschluss vom 11. September 2003 - IX ZB 37/03, BGHZ 156, 139, 143). Diese Würdigung vorzunehmen, ist - ebenso wie die Beweiswürdigung nach § 286 ZPO - grundsätzlich Sache des Tatrichters.
10
aa) Die Entscheidung kann schon deswegen keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht der eidesstattlichen Versicherung der ReNoFachangestellten keinen Glauben geschenkt hat, ohne dem Antragsgegner Gelegenheit zu entsprechendem Beweisantritt zu geben. Denn wenn das Beschwerdegericht einer eidesstattlichen Versicherung im Verfahren der Wiedereinsetzung keinen Glauben schenkt, muss es den Antragsteller darauf hinweisen und ihm Gelegenheit geben, entsprechenden Zeugenbeweis anzutreten (BGH Beschluss vom 7. Mai 2002 - I ZB 30/01 - veröffentlicht bei Juris).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 47/10
vom
5. Juni 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 233 (Fd, Gc)
Zur nicht beachteten Einzelweisung eines Rechtsanwalts an seine Angestellte,
die Adressierung einer Rechtsmittelschrift an das Rechtsmittelgericht zu korrigieren.
BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013 - XII ZB 47/10 - OLG Hamm
LG Dortmund
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Juni 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Weber-Monecke, Dr. Klinkhammer,
Schilling und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 15. Dezember 2009 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Beschwerdewert: 16.215 €

Gründe:


I.

1
Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung rückständiger Miete in Anspruch genommen; der Beklagte hat widerklagend Rückzahlung einer Kaution sowie erbrachter Mietzahlungen begehrt. Das die Klage abweisende und der Widerklage im Wesentlichen stattgebende Urteil des Landgerichts ist der Klägerin zu Händen ihres erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 14. September 2009 zugestellt worden. Die an das Landgericht gerichtete Berufung der Klägerin ist dort per Fax am 14. Oktober 2009 eingegangen. Nach Weiterleitung durch das Landgericht ist die Berufung am 22. Oktober 2010 bei dem Oberlandesgericht eingegangen.
2
Mit Schriftsatz vom 10. November 2009 hat der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Niederlegung des Mandats mitgeteilt. Am Montag, dem 16. November 2009, hat er beantragt, die Berufungsbegründungsfrist zu verlängern. Mit Schriftsatz vom 23. November 2009 haben sich andere Rechtsanwälte für die Klägerin bestellt. Am 27. November 2009 hat der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen , die Berufungsschrift sei entgegen seiner Bestimmung unzutreffend adressiert worden. Bei Unterzeichnung der Berufungsschrift habe er bemerkt, dass das Landgericht als Adressat der Berufung eingefügt worden sei. Daraufhin habe er die seit Jahren als zuverlässig bekannte Büroleiterin damit beauftragt , die Anschrift zu korrigieren. Diese Korrektur sei irrtümlich unterblieben. Zur Glaubhaftmachung sind die Angaben anwaltlich versichert worden.
3
Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
5
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die Berufung sei nicht innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist des § 517 ZPO bei dem Oberlandesgericht eingegangen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist sei unbegründet. Dabei könne dahinstehen, ob der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte nach der Anzeige der Mandatsniederlegung und der Bestellung der neuen Prozessbevollmächtigten überhaupt noch als handlungsbefugt für die Klägerin habe gelten können. Denn der Begründung des Antrags lasse sich nicht entnehmen, dass die Klägerin ohne ein ihr zuzurechnendes Verschulden des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten an der Wahrung der Berufungsfrist gehindert gewesen sei. Zwar sei er der Verpflichtung nachgekommen, sich bei Unterzeichnung der Berufungsschrift davon zu überzeugen, dass der Schriftsatz richtig adressiert sei. Nach Feststellung des Fehlers habe er seiner Mitarbeiterin die Anweisung erteilt, die Bezeichnung des Berufungsgerichts zu korrigieren. Bei einer nur mündlich erteilten Anweisung, die einen wichtigen Vorgang betreffe, müssten aber ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass sie nicht in Vergessenheit gerate und unterbleibe. Vor dem Hintergrund, dass entgegen der Anweisung eine unzutreffende Adressierung vorgenommen worden sei, habe hierzu in besonderem Maß Anlass bestanden. Deshalb treffe den Prozessbevollmächtigten ein Verschulden , das die Klägerin sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse.
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2. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Es fehlt indessen an den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und verletzt die Klägerin auch nicht in ihren Verfahrensgrundrechten.
7
a) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt hat. Die Berufung ist aufgrund der falschen Adressierung erst nach Ablauf der Berufungsfrist von einem Monat (§ 517 ZPO) bei dem Oberlandesgericht eingegangen.
8
b) Das Berufungsgericht hat auch das Wiedereinsetzungsgesuch zu Recht zurückgewiesen.
9
aa) Die Prüfung der notwendigen Formalien für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist Aufgabe des Rechtsmittelführers. Ihm obliegt es deswegen auch,dafür Sorge zu tragen, dass das Rechtsmittel innerhalb der Rechtsmittelfrist bei dem zuständigen Gericht eingeht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11 - FamRZ 2012, 623 Rn. 28; vom 15. Juni 2011 - XII ZB 468/10 FamRZ 2011, 1389 Rn. 8 und BGH Beschluss vom 4. Dezember 1991 - VIII ZB 34/91 - VersR 1992, 1023 f.). Entgegen diesen Anforderungen hat der Klägervertreter das Rechtsmittel nicht an das zuständige Oberlandesgericht, sondern an das Landgericht gesandt, weshalb es verspätet bei dem zuständigen Oberlandesgericht eingegangen ist.
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bb) Ein Rechtsanwalt darf allerdings grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11 - FamRZ 2012, 623 Rn. 29; vom 21. April 2010 - XII ZB 64/09 - FamRZ 2010, 1067 Rn. 11 und vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 154/09 - VersR 2011, 89 Rn. 16; BGH Beschluss vom 2. November 1995 - VII ZB 13/95 - VersR 1996, 779).
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Die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift gehört aber zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu überprüfen (Senatsbeschluss vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11 - FamRZ 2012, 623 Rn. 30; BGH Beschlüsse vom 25. Juni 1986 - IVa ZB 8/86 - VersR 1986, 1209 und vom 29. April1982 - I ZB 2/82 - VersR 1982, 769 f.). Die Aufgabe darf in einem so gewichtigen Teil wie der Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts auch gut geschultem und erfahrenem Büropersonal eines Rechtsanwalts nicht eigenverantwortlich überlassen werden. Der Prozessbevollmächtigte einer Partei muss die Rechtsmittelschrift deswegen vor der Unterzeichnung auf die Vollständigkeit, darunter auch auf die richtige Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts, überprüfen (Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11 - FamRZ 2012, 623 Rn. 30 und vom 1. Februar 2012 - XII ZB 298/11 - FamRZ 2012, 621 Rn. 11; BGH Beschluss vom 8. Dezember 1992 - VI ZB 33/92 - VersR 1993, 1381 f.).
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Auch bei einem so wichtigen Vorgang wie der Anfertigung einer Rechtsmittelschrift darf der Rechtsanwalt aber einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilen, deren Ausführung er grundsätzlich nicht mehr persönlich überprüfen muss (BGH Beschluss vom 30. Oktober 2008 - III ZB 54/08 - FamRZ 2009, 109 Rn. 9 f.). Wird die Anweisung nur mündlich erteilt, müssen allerdings ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen werden , dass die Erledigung in Vergessenheit gerät (Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11 - FamRZ 2012, 623 Rn. 31; vom 25. März 2009 - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132, Rn. 19; vom 19. November 2008 - XII ZB 102/08 - FamRZ 2009, 217 Rn. 14 und vom 2. April 2008 - XII ZB 190/07 - FuR 2008, 344 Rn. 12 ff.). Auch in diesem Fall genügt die klare und präzise Anweisung , die Erledigung sofort vorzunehmen, insbesondere wenn zudem eine weitere allgemeine Büroanweisung bestand, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen auszuführen. Die Gefahr, dass eine solche sofort auszuführende Weisung sogleich vergessen oder aus sonstigen Gründen nicht befolgt wird, macht eine nachträgliche Kontrolle ihrer Ausführung dann nicht erforderlich (Senatsbeschlüsse vom 25. März 2009 - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132 Rn. 20 und vom 2. April 2008 - XII ZB 189/07 - FamRZ 2008, 1338 Rn. 14 f. mwN; BGH Beschluss vom 26. Januar 2009 - II ZB 6/08 - NJW 2009, 1083 Rn.16).
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cc) Solche zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen hat die Klägerin mit ihrem Wiedereinsetzungsgesuch weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Ihre Ausführungen beschränken sich darauf, dass die Büroleiterin mit der Korrektur der fehlerhaften Adressierung beauftragt worden sei. Nach diesem Sachvortrag kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Weisung nur mündlich erteilt worden war und die Absicherung ihrer Ausführung zusätzlicher Vorkehrungen bedurfte. Die vorgenannten Sorgfaltsanforderungen galten im vorliegenden Fall erst recht, weil die zunächst erteilte Anweisung, die Berufungsschrift an das Oberlandesgericht zu adressieren, bereits nicht befolgt worden war.
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dd) Die mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2009 gegenüber dem Berufungsgericht nachgeholten und mit einer eidesstattlichen Versicherung der Büroleiterin versehenen neuen Angaben der Klägerin sind nicht zu berücksichtigen. Nach § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO muss der Antrag auf Wiedereinsetzung die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Wird - wie im vorliegenden Fall - geltend gemacht, dass die Fristversäumnis auf dem Versehen eines Büroangestellten beruht, so hat die Partei alle Umstände darzulegen und glaubhaft zu machen, die ein Organisations- oder sonstiges Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ausschließen. Dabei können allerdings erkennbar unklare oder ungenaue Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten ist, auch über die Frist nach §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO hinaus erläutert oder vervollständigt werden (Senatsbeschluss vom 25. März 2009 - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132 Rn. 24; BGH Beschlüsse vom 4. März 2004 - IX ZB 71/03 - FamRZ 2004, 1552 und vom 29. Januar 2002 - VI ZB 28/01 - BGH-Report 2002, 434).
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Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor. Die Angaben im Wiedereinsetzungsgesuch sind - abgesehen von dem genauen Inhalt der erteilten Anweisung - vollständig und klar. Dass darin zusätzliche Sicherungsvorkehrungen nicht angegeben worden sind, lässt für sich genommen noch keine Ergänzungs - oder Erläuterungsbedürftigkeit des Vorbringens erkennen. Wenn der geschilderte Ablauf innerhalb der Kanzleiorganisation der Prozessbevollmächtigten der Klägerin die zu stellenden Sorgfaltsanforderungen nicht vollständig erfüllte, ergibt sich daraus noch nicht, dass dem Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin ergänzungsbedürftig erscheinen musste. Eine Erläuterungsoder Ergänzungsbedürftigkeit wäre etwa dann erkennbar gewesen, wenn bestimmte durch Anweisung festgelegte Arbeitsroutinen beschrieben wären, aus denen sich sowohl eine sorgfaltsgemäße als auch eine sorgfaltswidrige Ausführung ergeben kann. In diesen Fällen darf das Gericht nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die sorgfaltswidrige Alternative nicht entkräftet worden sei, und muss auf eine Aufklärung hinwirken (vgl. BGH Beschlüsse vom 4. März2004 - IX ZB 71/03 - FamRZ 2004, 1552 mwN und vom 29. Januar 2002 - VI ZB 28/01 - BGH-Report 2002, 434 und Senatsbeschluss vom 25. März 2009 - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132 Rn. 25). Es würde aber die Hinweispflicht überspannen, wenn das Berufungsgericht den Antragsteller eines Wiedereinsetzungsgesuchs über Lücken in den von ihm dargelegten Sicherungsvorkehrungen aufzuklären hätte. Das Berufungsgericht kann vielmehr im Zweifel da- von ausgehen, dass der Antragsteller seiner aus § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO ergebenden Verpflichtung zur vollständigen Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen auch nachgekommen ist. Dose Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 25.08.2009 - 3 O 24/09 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 15.12.2009 - I-7 U 84/09 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)