Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 23. Dez. 2014 - 4 WF 283/14

Gericht
Tenor
Die sofortige Beschwerde des antragstellenden Landes vom 12.11.2014 gegen den am 31.10.2014 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Schwerte wird zurückgewiesen.
Das antragstellende Land trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.026 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Es geht um die Ablehnung des Richters am Amtsgericht # durch das antragstellende Land. Dem Ablehnungsgesuch liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
4Mit Antrag vom 06.02.2014, den Herr X "i.A." unterzeichnete, beantragte das antragstellende Land, vertreten durch die Stadt Y, die Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren. Nachdem der Antragsgegner Einwendungen erhoben hatte, beantragte das antragstellende Land durch den Schriftsatz vom 01.09.2014 die Durchführung des streitigen Verfahrens. Diesen Schriftsatz zeichnete Oberrechtsrat N "im Auftrag".
5Mit Ladungsverfügung vom 05.09.2014 gab der abgelehnte Richter dem antragstellenden Land auf, „binnen zwei Wochen mitzuteilen, ob es sich bei dem Unterzeichner N um die Person handelt, die den Schriftsatz verantwortet (vgl. § 113 FamFG, § 130 Nr. 6 ZPO).“
6Daraufhin stellte das antragstellende Land mit Schriftsatz vom 22.09.2014 das Ablehnungsgesuch. Die Auflage in der Ladungsverfügung vom 05.09.2014 gebe Anlass zur Besorgnis der Befangenheit, da der für Beschwerden gegen Entscheidungen des Familiengerichts zuständige Senat im Verfahren 4 UF 75/14 im am 24.07.2014 erlassenen Beschluss eine andere Auffassung vertreten habe. Die von dem abgelehnten Richter vertretene Mindermeinung sei in der Praxis nicht vertretbar. Der abgelehnte Richter vertrete diese auch nicht durchgängig, sondern nur in einzelnen näher dargelegten Verfahren.
7Das Amtsgericht – Familiengericht – Schwerte wies das Ablehnungsgesuch mit am 31.10.2014 erlassenen Beschluss zurück. Die Auflage in der Terminverfügung rechtfertige keine Befangenheit. Auch aus den früheren Verfahren könne nicht auf eine Besorgnis der Befangenheit geschlossen werden.
8Dagegen wendet sich das antragstellende Land mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der es seinen Vortrag zur aus seiner Sicht willkürlichen Verfahrensweise des abgelehnten Richters vertieft.
9II.
10Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
111.
12Gem. § 6 Abs. 2 FamFG i.V. mit §§ 567 ff. ZPO ist der Beschluss, durch den ein Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt wird, mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Diese hat das antragstellende Land fristgemäß eingelegt.
13Die Zeichnung der sofortigen Beschwerde durch den städtischen Oberrechtsrat N "im Auftrage" steht einer wirksamen Beschwerdeeinlegung nicht entgegen. Bei der Beschwerdeeinlegung handelt es sich um einen sog. bestimmenden Schriftsatz, der grundsätzlich von der Person zu zeichnen ist, der die Verantwortung für diesen Schriftsatz übernimmt. Bei Antragsschriften und anderen bestimmenden Schriftsätzen von Behörden reicht die Zeichnung "i.A." aus. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Senats im am 24.07.2014 erlassenen Beschluss (4 UF 75/14 OLG Hamm, Bl. 95 ff. d.A.) Bezug genommen.
142.
15Die sofortige Beschwerde ist aber unbegründet. Gem. § 6 Abs. 1 FamFG gelten für die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen die §§ 41 bis 49 ZPO entsprechend. Gem. § 42 ZPO kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Eine Besorgnis der Befangenheit eines Richters ist gemäß § 42 Abs. 2 ZPO anzunehmen, wenn aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Ob der Richter tatsächlich befangen ist, ist dabei unerheblich (st. Rspr., etwa BGH, Beschl. v. 06.04.2006, NJW 2006, 2492; Nachweise im Einzelnen bei Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 42 Rn. 9).
16Das antragstellende Land begründet die Besorgnis der Befangenheit wegen der von dem abgelehnten Richter vertretenen Rechtsauffassung und der aus seiner Sicht willkürlichen Anwendung der Rechtsauffassung in einzelnen Fällen.
17a.
18Die von dem abgelehnten Richter vertretene Rechtsauffassung, die aus Sicht des Senats rechtsirrig ist, rechtfertigt keine Besorgnis der Befangenheit. Das Institut der Richterablehnung dient nicht dazu, einen unliebsamen Richter aus dem Verfahren oder auch künftigen Verfahren zu entfernen (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.11.1997 - 2 WF 140/97, juris Rn. 5). Verfahrens- oder Rechtsanwendungsfehler rechtfertigen in aller Regel keine Ablehnung des Richters. Das Ablehnungsverfahren dient nicht der Fehlerkontrolle in diesem Sinne, diese ist dem Rechtszug der Hauptsache vorbehalten (vgl. OLGR Köln 1998, 281; OLG Frankfurt, NJW 2004, 621; KG, NJW 2004, 2104, 2105; OLG Saarbrücken, OLGR 2008, 355, 356; OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. September 2014 – 1 W 52/14 –, juris).
19Eine Ausnahme kommt allenfalls in Betracht, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen - insbesondere verfassungsrechtlichen - Grundsätzen entfernen, dass sie aus Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken (vgl. KG, NJW-RR 2006, 1577, 1578; NJW 2004, 2104, 2105; OLG Saarbrücken OLGR 2008, 355, 356; OLG Oldenburg MDR 2008, 527; OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. September 2014 – 1 W 52/14 –, juris).
20Die Rechtsanwendung des abgelehnten Richters ist vorliegend nicht so unvertretbar, dass dies aus Sicht des ablehnenden Landes auf eine sachfremde Einstellung des Richters schließen lässt. Wie der der Senat bereits im am 24.07.2014 erlassenen Beschluss ausführlich dargelegt hat, wird die Auffassung des abgelehnten Richters von der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung durchgehend abgelehnt. Die– aus Sicht des Senats rechtsirrige - Auffassung des abgelehnten Richters ist aber juristisch nicht so völlig unvertretbar, dass sie von Art. 97 GG nicht mehr gedeckt ist.
21Teilweise wird im Einzelfall eine Besorgnis der Befangenheit angenommen, wenn ein Verhalten eines Richters für die Parteien den Eindruck vermittelt, er halte „stur und bockbeinig“ an einer Auffassung fest, obwohl eine selbstkritische Überprüfung der bisher geäußerten Meinung angezeigt ist (OLGR Köln 1998, 281; OLG Frankfurt MDR 1984, 408). Allein das Festhalten an einer von dem zuständigen Rechtsmittelgericht nicht geteilten Rechtsauffassung kann jedoch bei der gebotenen Betrachtung nicht allein hinreichende Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters begründen. Insoweit ist zu beachten, dass der Senatsbeschluss im Verfahren 4 UF 75/14 keine Bindungswirkung für das hiesige Verfahren entfaltet.
22b.
23Für eine Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters müssten mithin neben der vertretenen Rechtsmeinung Umstände hinzukommen, die die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Solche Umstände sind nicht in einem solchem Maß vorhanden, dass dies die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt.
24Insoweit verweist das antragstellende Land zwar zutreffend darauf, dass der abgelehnte Richter in anderen Verfahren – allerdings nicht durchgängig – bis in das Jahr 2013 hinein die Zeichnung mit "i.A." für einen bestimmenden Schriftsatz hat ausreichen lassen.
25Ein Richter verliert aber seine Unabhängigkeit nicht, wenn er dieselben Rechtsfragen bei einer weiteren Entscheidung erneut zu beurteilen hat. Von Art. 97 GG ist gedeckt, dass der Richter seine bisher vertretene Rechtsmeinung ändert. Warum der abgelehnte Richter seine bisweilen angenommene Rechtsmeinung in Kenntnis des am 24.07.2014 erlassenen Senatsbeschlusses geändert hat, wird aus dem Hinweis in der Ladungsverfügung im hiesigen Verfahren vom 05.09.2014 nicht deutlich. Eine ausführliche Begründung einer – vorläufigen – Einschätzung der Sachlage in der Ladungsverfügung ist aber auch nicht erforderlich. Dies rechtfertigt nach den oben dargelegten Gründen noch nicht die Besorgnis der Befangenheit.
263.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Verfahrenswertfestsetzung beruht auf § 51 FamGKG.
28Rechtsbehelfsbelehrung:
29Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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(1) In Ehesachen und Familienstreitsachen sind die §§ 2 bis 22, 23 bis 37, 40 bis 45, 46 Satz 1 und 2 sowie die §§ 47 und 48 sowie 76 bis 96 nicht anzuwenden. Es gelten die Allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung und die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend.
(2) In Familienstreitsachen gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über den Urkunden- und Wechselprozess und über das Mahnverfahren entsprechend.
(3) In Ehesachen und Familienstreitsachen ist § 227 Abs. 3 der Zivilprozessordnung nicht anzuwenden.
(4) In Ehesachen sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über
- 1.
die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über Tatsachen, - 2.
die Voraussetzungen einer Klageänderung, - 3.
die Bestimmung der Verfahrensweise, den frühen ersten Termin, das schriftliche Vorverfahren und die Klageerwiderung, - 4.
die Güteverhandlung, - 5.
die Wirkung des gerichtlichen Geständnisses, - 6.
das Anerkenntnis, - 7.
die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über die Echtheit von Urkunden, - 8.
den Verzicht auf die Beeidigung des Gegners sowie von Zeugen oder Sachverständigen
(5) Bei der Anwendung der Zivilprozessordnung tritt an die Stelle der Bezeichnung
Die vorbereitenden Schriftsätze sollen enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlagen; - 1a.
die für eine Übermittlung elektronischer Dokumente erforderlichen Angaben, sofern eine solche möglich ist; - 2.
die Anträge, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt; - 3.
die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden tatsächlichen Verhältnisse; - 4.
die Erklärung über die tatsächlichen Behauptungen des Gegners; - 5.
die Bezeichnung der Beweismittel, deren sich die Partei zum Nachweis oder zur Widerlegung tatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel; - 6.
die Unterschrift der Person, die den Schriftsatz verantwortet, bei Übermittlung durch einen Telefaxdienst (Telekopie) die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie.
(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 49 der Zivilprozessordnung entsprechend. Ausgeschlossen ist auch, wer bei einem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.
(2) Der Beschluss, durch den das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt wird, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar.
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.
(1) Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.
(2) Die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oder dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Die Gesetzgebung kann Altersgrenzen festsetzen, bei deren Erreichung auf Lebenszeit angestellte Richter in den Ruhestand treten. Bei Veränderung der Einrichtung der Gerichte oder ihrer Bezirke können Richter an ein anderes Gericht versetzt oder aus dem Amte entfernt werden, jedoch nur unter Belassung des vollen Gehaltes.
Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.
(1) In Unterhaltssachen und in sonstigen den Unterhalt betreffenden Familiensachen, soweit diese jeweils Familienstreitsachen sind und wiederkehrende Leistungen betreffen, ist der für die ersten zwölf Monate nach Einreichung des Antrags geforderte Betrag maßgeblich, höchstens jedoch der Gesamtbetrag der geforderten Leistung. Bei Unterhaltsansprüchen nach den §§ 1612a bis 1612c des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist dem Wert nach Satz 1 der Monatsbetrag des zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags geltenden Mindestunterhalts nach der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Altersstufe zugrunde zu legen.
(2) Die bei Einreichung des Antrags fälligen Beträge werden dem Wert hinzugerechnet. Der Einreichung des Antrags wegen des Hauptgegenstands steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe gleich, wenn der Antrag wegen des Hauptgegenstands alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird. Die Sätze 1 und 2 sind im vereinfachten Verfahren zur Festsetzung von Unterhalt Minderjähriger entsprechend anzuwenden.
(3) In Unterhaltssachen, die nicht Familienstreitsachen sind, beträgt der Wert 500 Euro. Ist der Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren Wert festsetzen.