Oberlandesgericht Hamm Urteil, 24. Juni 2015 - 20 U 255/13

Gericht
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 22.10.2013 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Siegen wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
1
G r ü n d e:
2I.
3Der Kläger begehrt mit seiner Klage Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge nebst kapitalisierter Nutzungszinsen und weiterer Zinsen aus einer im Jahre 2007 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der W AG, genommenen fondsgebundenen Rentenversicherung nach einem mit anwaltlichem Schreiben vom 01.02.2013 erklärten „Widerruf“.
4Der Kläger beantragte am 16.04.2007 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten den Abschluss einer fondsgebundenen Rentenversicherung nach dem Tarif IR 07-N. Das Antragsformular (GA I 137 ff.) enthielt hierbei oberhalb der Unterschriftszeile in einer mehrseitigen Schlusserklärung u.a. folgenden Hinweis:
5„Ich als Versicherungsnehmer habe das Recht, dem Abschluss des Versicherungsvertrages ab Antragstellung bis zum Ablauf von 30 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheines, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen in Textform (z.B. schriftlich. E-Mail) zu widersprechen. Nähere Einzelheiten zum Widerspruchsrecht kann ich den Unterlagen entnehmen, die mir zugesandt werden.“
6Die Rechtsvorgängerin der Beklagten policierte am 14.07.2007 mit Versicherungsbeginn 01.05.2007. Die monatliche Prämie betrug zunächst 500,00 €. Vereinbart war zudem eine planmäßige Erhöhung der Beiträge und Leistungen nach den Besonderen Bedingungen für planmäßige Erhöhungen der Beiträge und Leistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung (Dynamik) der Tarifgruppe IR 07. Der Versicherungsschein vom 17.04.2007 enthielt auf dessen Seite 1 in Fettdruck folgenden Hinweis (GA I 142):
7„Falls Sie nicht einverstanden sind, können Sie als Versicherungsnehmer innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins in Textform widersprechen. Weitere Einzelheiten zum Widerspruchsrecht finden Sie in den Allgemeinen Informationen.“
8Bestandteil des Versicherungsscheins waren so bezeichnete „Allgemeine Informationen“ sowie die geltenden Versicherungsbedingungen. Auf Seite 6 des Versicherungsscheins befand sich hierbei unter der Überschrift „Allgemeine Informationen“ in einem 1. Abschnitt mit der Überschrift „Verbraucherinformationen“ unter der in Fettdruck gehaltenen Überschrift „Widerspruchsrecht“ folgende – teilweise ebenfalls in Fettdruck und in etwas kleinerer Schriftgröße gehaltene – Belehrung (GA I 147):
9„Sie haben das Recht, dem Abschluss des Versicherungsvertrages innerhalb von 30 Tagen nach Zugang dieses Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen, der Tarifbestimmungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen in Textform zu widersprechen. Andernfalls gilt der Vertrag auf der Grundlage dieser Unterlagen als abgeschlossen. Die Frist beginnt mit deren vollständiger Überlassung. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Das Recht zum Widerspruch erlischt spätestens ein Jahr nach Zahlung des ersten Beitrags, wenn Sie die genannten Unterlagen nicht oder nicht vollständig erhalten haben.“
10Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird auf den Versicherungsschein vom 17.04.2007 (GA I 142 ff.) nebst Bedingungswerk verwiesen.
11Der Kläger zahlte im Zeitraum 01.05.2007 bis 04.04.2012 Beiträge. Nachdem er mit Schreiben der von ihm beauftragten Maklerin vom 24.05.2012 (GA I 92) die Kündigung des Versicherungsvertrages erklärte, bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 23.07.2012 (GA I 71 = 94) die Abrechnung des Vertrages zum 01.07.2012 und bezifferte den Auszahlungsbetrag auf 22.999,60 €. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einem Rückkaufswert des Fondsvermögens in Höhe von 22.644,40 € sowie einem Rückkaufswert des Überschusskontos in Höhe von 355,20 €.
12Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.02.2013 (GA I 62 ff. = 77 ff.) erklärte der Kläger alsdann den „Widerruf“ des Vertrages, den er u.a. auf § 5a VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung stützte, und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 10.02.2013 zur Zahlung von 15.895,86 € auf. Zur Berechnung dieses Anspruchs verwies er auf die Differenz zwischen den nach seiner Behauptung gezahlten Beiträgen in Höhe von 33.153,72 € und dem Auszahlungsbetrag in Höhe von 22.999,60 €, der kapitalisierte Zinsen in Höhe von 5.741,74 € hinzuzusetzen seien. Daneben begehrte der Kläger Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe einer 1,9 Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 15.895,86 €.
13Mit seiner Klage hat der Kläger erstinstanzlich zunächst die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 15.895,86 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab jeweiliger Beitragsfälligkeit der einzelnen Prämien und vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten begehrt. Mit seinem Hilfsantrag hat er zudem u.a. Auskunft darüber begehrt, mit welchen Abschluss- und Stornokosten die Beklagte Zeitwert und Auszahlungsbetrag belastet habe.
14Der Kläger hat gemeint, ihm stehe der geltend gemachte Anspruch im Wege des Bereicherungsausgleichs sowie unter Schadensersatzgesichtspunkten zu. Dies ergebe sich einerseits aus der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Andererseits sei die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht in Lauf gesetzt worden. Denn es fehle an einer den gesetzlichen Vorgaben genügenden Widerspruchsbelehrung. Den Erhalt des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen hat der Kläger mit Nichtwissen bestritten.
15Die Beklagte hat Beitragszahlungen des Klägers von behauptet 33.153,72 € bestritten und vorgetragen, der Kläger habe lediglich Beiträge in einer Gesamthöhe von 32.545,97 € entrichtet. Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe den Kläger in der vorgeschriebenen Form über sein Widerspruchsrecht belehrt. Der Widerspruch sei daher verfristet. Überdies sei das Widerspruchsrecht gem. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erloschen. Jedenfalls sei das Widerspruchsrecht verwirkt bzw. seine Ausübung treuwidrig. Die geltend gemachten Nutzungen in Form von Zinsen hat die Beklagte nach Grund und Höhe bestritten.
16Die Beklagte hat weiter gemeint, der Wirksamkeit des Widerspruchs stehe bereits die zuvor erfolgte Beendigung des Versicherungsvertrages durch Kündigung entgegen. Sie hat ferner Verjährung eingeredet und sich zudem auf Entreicherung berufen. In Ansehung der begehrten Auskunft hat die Beklagte vorgetragen, sie habe bei Beitragsfreistellung zum 01.04.2012 einen Stornoabzug in Höhe von 443,09 € erhoben, den sie im Juli 2013 an den Kläger ausgekehrt habe.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 22.10.2013 (GA II 328 ff.) verwiesen.
18Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der im Jahre 2013 erklärte „Widerruf“ nicht mehr möglich gewesen sei, da der Kläger den Vertrag bereits am 24.05.2012 zum 01.06.2012 wirksam gekündigt habe. Überdies sei der „Widerruf“ auch verfristet. Die Regelung des § 5a Abs. 1 VVG a.F. sei europarechtskonform. Die durch die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin erteilte Belehrung über sein Widerspruchsrecht genüge auch den gesetzlichen Anforderungen. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch stehe dem Kläger ebenso wenig wie der als Hilfsantrag geltend gemachte Auskunftsanspruch zu.
19Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die Verletzung materiellen Rechts durch das Landgericht rügt und sein erstinstanzliches Klagebegehren weiter verfolgt. Er hält im Wesentlichen daran fest, dass das sog. Policenmodell gegen Gemeinschaftsrecht verstoße und die Widerspruchsbelehrung nicht ausreichend gewesen sei. Die Beklagte könne sich insoweit auch weder auf die Jahresfristregelung in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. berufen noch sei die Annahme einer Verwirkung des Widerspruchsrechts gerechtfertigt. Auch die zuvor erfolgte Kündigung hindere einen späteren Widerspruch nicht.
20Der Kläger beantragt,
211.) unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.895,86 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 500,00 € monatlich vom 01.01.2007 bis zum 01.04.2008, aus je monatlich 525,00 € vom 01.05.2008 bis zum 01.04.2009, aus je 551,25 € monatlich vom 01.05.2009 bis zum 01.04.2010, aus je 578,81 € vom 01.05.2010 bis zum 01.04.2011 und aus je 607,75 € monatlich vom 01.05.2011 bis zum 04.04.2012 zu zahlen;
222.) die Beklagte ferner zu verurteilen, an ihn die außergerichtlich angefallene Geschäftsgebühr in Höhe von 1.303,53 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
23Hilfsweise beantragt er,
24die Beklagte zu verurteilen, durch Vorlage von nachvollziehbaren Urkunden Auskunft zu erteilen
25a) mit welchen Abschlusskosten sie den Zeitwert des Vertrages nach § 176 Abs. 3 VVG a.F. und
26b) mit welchem Abzug sie den Auszahlungsbetrag nach § 174 VVG a.F. belastet habe,
27c) welche Höhe der nach der Kündigung des Vertrages ausgezahlte Betrag ohne Berücksichtigung der Stornokosten hatte.
28d) Sollte sich nach den zu a) bis c) erteilten Auskünften ein Differenzbetrag zwischen dem so ermittelten und dem tatsächlich ausgezahlten Rückkaufswert zugunsten des Klägers ergeben, die Beklagte zu verurteilen, diesen Betrag an den Kläger nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
29Die Beklagte beantragt,
30die Berufung zurückzuweisen.
31Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie hält die Widerspruchsbelehrung weiterhin für ordnungsgemäß und beruft sich auch im Berufungsrechtszug auf Verwirkung eines etwaigen Widerspruchsrechts und auf Verjährung. Ferner macht die Beklagte geltend, dass von einem etwaigen Bereicherungsanspruch des Klägers der von ihr mit 10.581,76 € bezifferte Kostenanteil der Prämie in Abzug zu bringen sei und der Kläger sich Steuervorteile anrechnen lassen müsse.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen.
33II.
34Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
35Die angefochtene Entscheidung hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Sie beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, dem Kläger günstigere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
361.)
37Dem Kläger steht kein Bereicherungsanspruch aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 BGB zu. Denn der zu Grunde liegende Versicherungsvertrag ist im Jahre 2007 auf der Grundlage von § 5a VVG a.F. wirksam zustande gekommen.
38a)
39Die Bestimmung in § 5a VVG a.F. regelte den Vertragsschluss nach dem sog. Policenmodell. Dieses betraf Fälle, in denen der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei dessen Antragstellung die Versicherungsbedingungen zunächst nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a VAG a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der vollständigen Unterlagen schriftlich widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (BGH, Urt. v. 16.07.2014, IV ZR 73/13, juris, Rn. 14 mit weiteren Nachweisen, VersR 2014, 1065). Der Vertrag erlangte rückwirkend zum Zeitpunkt der Vertragsannahme Wirksamkeit, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb der Widerspruchsfrist von seinem Recht zum Widerspruch keinen Gebrauch gemacht hatte (BGH, a.a.O.).
40b)
41Dem wirksamen Zustandekommen des Vertrages steht der mit anwaltlichem Schreiben vom 01.02.2013 erklärte, als „Widerruf“ bezeichnete Widerspruch nicht entgegen.
42aa)
43Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt dies allerdings nicht schon aus § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., wonach das Recht zum Widerspruch bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Dies ergibt bereits eine richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19.12.2013 (C-209/12, VersR 2014, 225). Der Bundesgerichtshof hat mit Urt. v. 07.05.2014 (IV ZR 76/11, VersR 2014, 817 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat (vgl. auch BGH, Urt. v. 02.02.2015, IV ZR 460/14, Rn. 15).
44bb)
45Indes begann der Lauf der Widerspruchsfrist gem. § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. bereits mit der Aushändigung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. Denn die dem Kläger erteilte Widerspruchsbelehrung war ausreichend.
46(1)
47Zwar war die Belehrung im Antragsformular der Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht geeignet, die von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. vorgeschriebene Belehrung „bei Aushändigung des Versicherungsscheins“ zu ersetzen (Senat, Urt. v. 17.06.2015, 20 U 56/14, n.v.; BGH, Urt. v. 28.01.2004, IV ZR 58/03, juris, Rn. 16, VersR 2004, 497; Lorenz, VersR 1995, 616, 622), so dass es auf die Frage, ob diese Belehrung den formellen und materiellen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung genügte, schon deshalb nicht ankommt.
48(2)
49Jedoch war die Belehrung des Klägers im Versicherungsschein vom 17.04.2007 ausreichend.
50(a)
51Es ermangelte dieser Belehrung nicht an der erforderlichen drucktechnisch deutlichen Form. Diese fordert ausreichende Lesbarkeit und setzt die Verwendung einer hinreichend großen Schrift voraus (vgl. BGH, Urt. v. 01.12.2010, VII ZR 82/10, NJW 2011, 1061). Darüber hinaus muss sich der Belehrungstext in einer nicht zu übersehenden Weise (etwa durch farbliche Gestaltung, größere Buchstaben, Sperrschrift oder Fettdruck) aus dem übrigen Text hervorheben (vgl. BGH, Urt. v. 28.01.2004, IV ZR 58/03, juris, Rn. 18, VersR 2004, 497). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Widerspruchsbelehrung befindet sich durch Fettdruck vom sonstigen Text deutlich abgehoben und damit auffällig platziert an exponierter Stelle des Versicherungsscheins.
52(b)
53Auch inhaltlich genügt die Belehrung insgesamt den rechtlichen Anforderungen.
54Zwar entspricht die Belehrung im Versicherungsschein selbst für sich genommen nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. Denn sie enthält jedenfalls nicht den Hinweis, dass die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs nach § 5a Abs. 2 Satz 3 VVG a.F. genügt.
55Indessen enthält die Belehrung einen ausdrücklichen Verweis darauf, dass weitere Einzelheiten zum Widerspruchsrecht den Allgemeinen Informationen entnommen werden können; diese Allgemeinen Informationen wiederum befinden sich auf Seite 6 des Versicherungsscheins und sind ebenso wie die Versicherungsbedingungen dessen Bestandteil. Die in Bezug genommene Belehrung genügt hierbei sowohl den formellen wie auch den materiellen Anforderungen des § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.
56Dem Kläger war daher durch die Belehrung insgesamt hinreichend klar vor Augen geführt, dass die Widerspruchsfrist erst nach Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren Verbraucherinformationen beginnt. Dem steht es – anders als in vom Senat abweichend entschiedenen Fällen, in denen die Belehrung für den Fristbeginn (nur) auf die Übersendung des Versicherungsscheins oder den Zugang eines Policenbegleitschreibens abstellte (vgl. Senat, Urt. v. 17.06.2015, 20 U 56/14, n.v.; Beschl. v. 24.07.2013, 20 U 106/13, n.v.) – nicht entgegen, dass die Belehrung für den Fristbeginn auf den „Erhalt des Versicherungsscheins“ abstellt. Denn im vorliegenden Fall waren die für den Fristbeginn erforderlichen Unterlagen sämtlich Bestandteil des Versicherungsscheins. Dem Kläger wurde hierdurch ausreichend verdeutlicht, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Frist zum Widerspruch zu laufen beginnt.
57(c)
58Soweit der Kläger den Erhalt des Versicherungsscheins erstinstanzlich mit Nichtwissen bestritten hat, ist dieses Bestreiten unbeachtlich. Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist, wie aus der Wahrheitspflicht der Parteien folgt, nur dann zulässig, wenn der Erklärende tatsächlich keine Kenntnis hat. Dies kann zwar auch dann der Fall sein, wenn die Partei den in Rede stehenden Vorgang vergessen hat (BGH, Urt. v. 19.04.2001, I ZR 238/98, NJW-RR 2002, 612, 613; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 138 Rn. 13). Indessen setzt dies voraus, dass die Partei den Vorgang tatsächlich vergessen hat, was für das Gericht plausibel darzulegen ist (Senat, Beschl. v. 24.10.2014, 20 U 73/14, n.v.; Beschl. v. 24.08.2011, 20 U 50/11, juris, Rn. 7, VersR 2012, 745; Urt. v. 22.11.1995, 20 U 186/95, juris, Rn. 10, VersR 1996, 1408). Anderenfalls ist die Erklärung wie Nichtbestreiten zu behandeln (Zöller/Greger, a.a.O.). So verhält es sich auch hier.
59cc)
60Der Kläger kann auch nicht wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Rückzahlung der Prämien verlangen. Denn er hat die Prämien mit Rechtsgrund an die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin geleistet.
61Der von der Berufung begehrten Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung bedurfte und bedarf es nicht. Denn auf die Frage, ob das Policenmodell mit den in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen unvereinbar ist, kommt es nicht entscheidungserheblich an. Die Entscheidung dieses Rechtsstreits hängt nicht von der unionsrechtlichen Frage ab, weil es dem Kläger auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt wäre, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Der Kläger verhielte sich treuwidrig, indem er nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführte und erst dann von der Beklagten, die auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. BGH, Urt. v. 16.07.2014, IV ZR 73/13, VersR 2014, 1065).
62Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat den Vertrag im Einklang mit der geltenden nationalen Rechtsordnung geschlossen und dabei insbesondere sämtliche zum Schutz des Versicherungsnehmers bestehenden Belehrungspflichten ordnungsgemäß erfüllt. Nach Ablauf der gesetzlich vorgegeben Widerspruchsfrist und entsprechender Vertragserfüllung durch den Kläger, insbesondere nach jahrelanger Zahlung der vereinbarten Prämien, durfte sie davon ausgehen, dass der Vertrag wirksam geschlossen war und auch vom Kläger als bindend angesehen wurde. Daran haben beide Parteien ihre vermögensmäßigen Dispositionen ausgerichtet. Insbesondere hat die Beklagte Vorsorge für die vertraglich vereinbarte bzw. gesetzlich vorgegebene Vertragsabwicklung getroffen – nicht aber für die von keiner Partei in den Blick genommene komplette Rückabwicklung. Dies war auch aus Sicht des Klägers ohne weiteres ersichtlich. Damit verhält er sich nicht nur widersprüchlich, sondern angesichts der berechtigten Vermögensinteressen der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin auch treuwidrig, wenn er sich nun nach jahrelanger Vertragserfüllung auf den Standpunkt stellt, es gebe keine wirksame vertragliche Bindung zwischen den Parteien (vgl. Senat, Beschl. v. 06.05.2015, 20 U 55/15, n.v.).
632.)
64Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen wegen Beratungsverschuldens zu.
65Soweit sich der Kläger zur Begründung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs offenbar auf die sog. „Kick-Back-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 12.05.2009, XI ZR 586/07, VersR 2009, 1370) beruft und hierzu pauschal behauptet, die Beklagte habe ihr obliegende Beratungspflichten nicht erfüllt, insbesondere was die Frage angehe, ob ein wesentlicher Teil der Prämien zur Befriedigung von Provisionsansprüchen der Agenten sowie zur Deckung von Verwaltungs- und sonstigen Abschlusskosten verwendet werde, verfängt dies nicht.
66Eine Schadensersatz begründende Beratungspflichtverletzung der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin liegt insoweit nicht vor. Der Senat hat bereits entschieden, dass die sog. „Kick-Back-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs, die im Zusammenhang mit Anlageberatungsverträgen zwischen Banken und Anlageinteressenten entwickelt worden ist, auf den Fall des Abschlusses einer Lebensversicherung nicht anwendbar ist (Senat, Beschl. v. 24.10.2014, 20 U 73/14, n.v.; Beschl. v. 24.08.2011, 20 U 50/11, juris, Rn. 22, VersR 2012, 745; Beschl. v. 31.08.2011, 20 U 81/11, juris, Rn. 36; Beschl. v. 21.03.2012, 20 U 189/11, n.v.). Diese Rechtsprechung steht mit der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (vgl. nur OLG Köln, Beschl. v. 29.10.2010, 20 U 100/10, juris, Rn. 22, VersR 2011, 248; OLG Stuttgart, Urt. v. 23.12.2010, 7 U 187/10, juris, Rn. 49, r+s 2011, 218; OLG Celle, Beschl. v. 02.02.2012, 8 U 125/11, juris, Rn. 60; OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.02.2013, 12 U 151/12, juris, Rn. 41, r+s 2013, 483) im Einklang und ist mittlerweile höchstrichterlich bestätigt (vgl. nur BGH, Urt. v. 03.09.2014, IV ZR 145/12, juris, Rn. 10 mit weiteren Nachweisen).
673.)
68Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Auskunft gegen die Beklagte. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass dem Versicherungsnehmer einer gekündigten Lebensversicherung gegen den Versicherer im Grundsatz ein Auskunftsanspruch gem. § 242 BGB zusteht, wobei die geschuldete Auskunft regelmäßig über die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals, über den Rückkaufwert im Sinne der versprochenen Leistung und über den vorgenommenen Stornoabzug zu erfolgen hat (vgl. insoweit BGH, Urt. v. 26.06.2013, IV ZR 39/10, juris, Rn. 61, VersR 2013, 1381). Der Kläger übersieht jedoch, dass die Beklagte bereits erstinstanzlich die von ihm begehrte Auskunft durch das Schreiben vom 11.07.2013 erteilt, den Auszahlungsbetrag neu berechnet und einen weiteren Betrag in Höhe von 443,09 € vor Steuern an ihn ausgezahlt hat.
69Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
70Eine Zulassung der Revision ist in Ermangelung der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht veranlasst. Die Rechtssache weist weder grundsätzliche Bedeutung auf noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

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Annotations
Die §§ 150 bis 170 sind auf die Berufsunfähigkeitsversicherung entsprechend anzuwenden, soweit die Besonderheiten dieser Versicherung nicht entgegenstehen.
(1) Stellt der Versicherer fest, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind, wird er nur leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderung in Textform dargelegt hat.
(2) Der Versicherer wird frühestens mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Erklärung nach Absatz 1 beim Versicherungsnehmer leistungsfrei.
Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)