Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 15. Jan. 2016 - 20 U 219/15
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die Klägerin macht Ansprüche aus ihrer im Jahre 1999 abgeschlossenen Hausratversicherung wegen eines Brandschadens geltend.
4Im Keller des versicherten Objekts befand sich eine Sauna, die an einem außen angebrachtem Kasten über einen Lichtschalter für das Saunainnere, einen An- / Ausdruckschalter für den Ofen im Inneren der Sauna sowie über einen Temperaturschalter für diesen Ofen verfügte. Die Sauna wies eine separate Stromzufuhr mit eigener Sicherung im zentralen Sicherungskasten auf.
5Die Sauna hatte die Klägerin – was der Beklagte jedenfalls anfänglich mit Nichtwissen bestritten hat – seit mindestens dem Jahre 2006 nicht mehr benutzt. Sie hatte zu diesem Zweck, den An- / Ausschalter der Sauna und den Temperaturschalter ausgeschaltet sowie zudem die Sicherung der Sauna im zentralen Sicherungskasten herausgenommen.
6Im Winter des Jahres 2011 ließ die Klägerin Umbauarbeiten in ihrem Haus durchführen. Jedenfalls in diesem Zusammenhang lagerte sie Gegenstände in der Sauna ein, ohne diese – was der Beklagte bestreitet – auf dem Saunaofen abzulegen.
7Nach ihrem eigenen, – soweit für den Beklagten ungünstig – bestrittenen Vortrag geschah am 05.12.2011 Folgendes: Die Klägerin ging an diesem Tag, nachdem sie nach einer in der Sauna hinterlegten Vase gesucht hatte, gegen 17.45 Uhr in den Keller, um nach der Vase zu sehen. Hierbei ging sie zunächst zu dem zentralen Sicherungskasten, um die Sicherung für die Sauna wieder einzuschalten. Nachdem die Klägerin den Sicherungskasten geöffnet hatte, stellte sie fest, dass die Sicherung der Sauna im Sicherungskasten aus ihr unbekannten Gründen – gegebenenfalls durch die Bauarbeiter – nicht mehr ausgeschaltet war. Die Klägerin ging zur Sauna, drückte den Lichtschalter, veränderte aber nach ihrer Erinnerung weder den An- / Ausschalter noch den Temperaturschalter. Da die Klägerin die Vase nicht sofort fand, räumte sie in der Sauna einige Gegenstände um, in der Absicht, die Vase unter diesen Gegenständen zu finden. Hierbei legte sie dann auch Gegenstände auf den Saunaofen. Noch während sie nach der Vase suchte, rief von oben aus dem Erdgeschoss die Tochter A der Klägerin, weil diese ihrer Tochter versprochen hatte, die Tochter zum Leichtathletiktraining zu fahren. Die Klägerin suchte dann eilig nach der Vase, die sie schließlich auch fand. Da sie ihrer Tochter versprochen hatte, diese pünktlich zum Training zu bringen, befand sich die Klägerin in ziemlichem Zeitdruck und unter Stress. Die Klägerin beeilte sich deshalb, nachdem sie die Vase gefunden hatte, verließ die Sauna, schaltete das Licht in der Sauna aus und lief eilig nach oben, um ihre Tochter A zum Leichtathletik zu bringen.
8Gegen 18.30 Uhr kam die Tochter B nach Hause und bemerkte Rauch. Die herbeigerufene Feuerwehr stellte ein Feuer in der Sauna fest und löschte dieses. Die polizeiliche Brandermittlung ergab, dass der Ausgangspunkt des Feuers beim Saunaofen gelegen haben muss. Zunächst sind die darauf gelagerten Gegenstände in Brand geraten, bevor das Feuer auf die Sauna übergriff. Der Temperaturschalter der Sauna war nicht ausgeschaltet, sondern stand auf Stellung „1/3“. Die Stellung des An- / Ausschalters konnte nicht festgestellt werden, da es sich um einen Druckschalter handelte. Der Steuerkasten war deutlich verformt.
9Der von dem Beklagten beauftragte Sachverständige stellte anschließend einen Sachschaden in Höhe von 60.383,93 EUR fest, von dem der Beklagte 40 % übernahm. Im Übrigen verweigerte er unter Verweis auf § 81 Abs. 2 VVG die Leistung.
10Den übrigen Betrag macht die Klägerin nunmehr nebst vorgerichtlicher Anwaltskosten sowie Zinsen gerichtlich geltend.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze (nebst Anlagen und sonstigen zur Akte gereichten Unterlagen) sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 16.09.2015 (GA 149-158), insbesondere auch wegen der konkret gestellten Anträge, verwiesen.
12Das Landgericht hat die Klage unter Verweis auf § 81 Abs. 2 VVG vollständig abgewiesen. Wegen der genauen Gründe des Urteils wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 16.09.2015 (GA 149-158) verwiesen.
13Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie die Abänderung des erstinstanzlichen Urteil und die Verurteilung des Beklagten nach den erstinstanzlich gestellten Anträgen verfolgt. Das Landgericht habe zum einen die Tatsachen fehlerhaft festgestellt. Es habe in fehlerhafter Weise die Brandursache nicht aufgeklärt. Es gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass keine Unterbrechung der Stromzufuhr herbeigeführt worden sei. Es habe ferner rechtsfehlerhaft unterstellt, die Klägerin habe die Handwerker nicht überwacht und sie habe Gegenstände auf dem Saunaofen gelagert. Zum anderen habe es den Begriff der groben Fahrlässigkeit insbesondere im Hinblick auf die subjektive Seite falsch angewendet, die Ursächlichkeit zwischen Handlung und Schaden nicht geprüft und jedenfalls die Haftungsquote fehlerhaft gebildet.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin in der Berufungsinstanz wird auf ihre Berufungsbegründungsschrift verwiesen.
15II.
16Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und es erfordern auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats auf Grund mündlicher Verhandlung. Eine mündliche Verhandlung ist schließlich auch sonst nicht geboten.
17Die angefochtene Entscheidung hält rechtlicher Überprüfung durch den Senat stand. Sie beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, der Klägerin günstigere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
181. Ein Anspruch in Höhe der Hauptforderung aus § 1 VVG i. V. m. dem Versicherungsvertrag scheitert wegen grober Fahrlässigkeit der Klägerin (siehe a) in voller Höhe (siehe b) an § 81 Abs. 2 VVG.
19a) Die Klägerin handelte grob fahrlässig, in dem sie nach mindestens fünfjähriger Nichtnutzung der Sauna, nachdem sie erkannt hatte, dass die Stromzufuhr zur Sauna nicht mehr durch die Sicherung im zentralen Sicherungskasten unterbrochen war, erstmals Gegenstände auf den Saunaofen legte und diese auf dem Saunaofen beließ, als sie die Sauna verließ, ohne dass sie anschließend überprüfte, ob der An- / Ausschalter der Sauna und der Temperaturschalter weiterhin ausgeschaltet waren, und ohne dass sie anschließend die Stromzufuhr zur Sauna mittels der Sicherung im zentralen Sicherungskasten erneut unterbrach.
20Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt hierbei für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes persönliches Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einhergeht. Vielmehr erscheint ein solcher Vorwurf nur dann als gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet. Hiernach ist es in aller Regel erforderlich, nicht nur zur objektiven Schwere der Pflichtwidrigkeit, sondern auch zur subjektiven (personalen) Seite konkrete Feststellungen zu treffen. Den Beweis für diesen Verschuldensmaßstab hat im Rahmen des § 81 Abs. 2 VVG der Versicherer zu führen(vgl. jeweils m. w. N. BGH, Urt. v. 10.05.2011, VI ZR 196/10, juris, Rn. 10, 6, VersR 2011, 916; Senat, Urt. v. 20.05.2011, 20 U 234/11, juris, Rn. 52, RdTW 2015, 341; Senat, Urt. v. 21.10.2011, 20 U 41/11, juris, Rn. 30, VersR 2012, 479; Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 81 VVG Rn. 67).
21An diesen Grundsätzen gemessen ist ein grob fahrlässiges Verhalten der Klägerin hier allein aufgrund ihres Vortrages, den sich der Beklagte jedenfalls konkludent hilfsweise zu eigen gemacht hat, festzustellen.
22i. Es lag objektiv zunächst eine grob sorgfaltswidriges Handeln sowie dann, den Schwerpunkt des Vorwurfs bildend, ein grob sorgfaltswidriges Unterlassen der Klägerin vor.
23Dies setzt eine gesteigerte, sich jedem aufdrängende Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit der gesetzten Gefahr voraus (vgl. zuletzt statt vieler Grundmann, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 276 Rn. 52, 68 ff., 97 ff.).
24(1) Es war objektiv für jedermann erkennbar, dass das Ablegen von Gegenständen und das Belassen derselben auf dem Saunaofen zu einem Brand führen könnte, solange die Funktionsunfähigkeit des Saunaofens nicht sichergestellt war. Von einer Funktionsunfähigkeit konnte die Klägerin in der konkret vorliegenden Situation aber schon allein deshalb nicht sicher ausgehen, da sie die Sicherung nicht wieder herausnahm, obwohl sie selbst wusste, dass die Sicherung eingeschaltet war. Die Annahme der Funktionsunfähigkeit konnte auch nicht damit begründet werden, dass in den zurückliegenden jedenfalls fünf Jahren zusätzlich zur Sicherung auch der An- / Ausschalter und der Temperaturschalter ausgeschaltet waren und deshalb weiterhin ausgeschaltet sein mussten.
25Im Hinblick auf die extrem gesteigerte Gefahr eines Brandes durch das Ablegen und Belassen der Gegenstände auf dem Saunaofen musste eine Überprüfung der beiden Schalter erfolgen, und zwar unabhängig davon, ob sich zuvor Handwerker im Haus aufhielten, sowie trotz der zu unterstellenden Tatsache, dass die Klägerin beim Betreten der Sauna noch keine Wärmeentwicklung feststellte. Denn die Klägerin konnte vorhersehen, dass sie möglicherweise selbst beim Ein- / oder Ausschalten des Lichts versehentlich Veränderungen an den Schaltern vorgenommen haben könnte. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf stützen, der Beklagte habe eine fehlende Sichtprüfung nicht behauptet, da die Klägerin selbst den hier zugrundegelegten detaillierten Sachverhalt vorgetragen und insbesondere eine Sichtprüfung – wie im Übrigen auch die fehlende Herausnahme der Sicherung unmittelbar nach dem Verlassen der Sauna – unbestritten nicht geschildert hat.
26Auch konnte die Klägerin vor dem Hintergrund der extrem gesteigerten Gefahr eines Brandes erkennbar nicht darauf vertrauen, dass der Schalterkasten nach mindestens fünfjähriger Nichtnutzung noch sicher funktionsfähig und somit als Auslöser eines Kurzschlusses ausgeschlossen war.
27(2) Die von der Klägerin gesetzte Gefahr war auch objektiv vermeidbar, weil sie schlicht das Ablegen der Gegenstände unterlassen und / oder durch aktives Tun diese Gegenstände wieder entfernen oder die von ihre geschilderte dreifache Absicherung über die beiden Schalter und die Sicherung sicherstellen hätte können. Im Hinblick auf das Ablegen der Gegenstände ist insbesondere gar nicht nachvollziehbar, warum diese überhaupt auf dem Saunaofen abgestellt werden musste, da nicht ersichtlich ist, dass sonst kein Platz in der Sauna oder vor dem Hintergrund der drohenden Gefahr auch außerhalb der Sauna gewesen wäre.
28ii. Es liegt eine subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vor, da die gesetzte Gefahr auch gerade für die Klägerin persönlich erkennbar und vermeidbar war.
29Die Notwendigkeit eines schweren, auch subjektiven Vorwurfs bedingt eine Beurteilung der individuellen Kenntnisse, Erfahrungen und der Einsichtsfähigkeit des Handelnden. Unerfahrenheit und Unbeholfenheit können grobe Fahrlässigkeit ausschließen. Auch die konkrete Situation ist zu beachten, insbesondere kann eine plötzlich auftretende Gefahrenlage das Verschulden geringer erscheinen lassen (Caspers, in: Staudinger-BGB 2014, § 276 Rn. 95; siehe auch vgl. Grundmann, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 276 Rn. 104 ff.; Langheid, in: Römer/Langheid, VVG, 4. Auflage 2014, § 81 Rn. 88).
30(1) Zweifel an der Einsichtsfähigkeit der Klägerin oder Gründe für die Annahme einer Unbeholfenheit der Klägerin bestehen nicht. Ebenso wenig kann sie sich auf fehlende eigene Erfahrung oder fehlende eigene Kenntnis berufen. Zum einen hätte sich die Klägerin diesen angesichts der offen auf der Hand liegenden Gefahr beim Ablegen bzw. Belassen von Gegenständen auf einem Saunaofen grob fahrlässig verschlossen. Zum anderen hatte die Klägerin bereits während der letzten fünf Jahre nicht darauf vertraut, dass allein das Ausschalten des An- / Ausschalters sowie des Temperaturschalters eine hinreichende Sicherheit gewährleisten würden, und damit hinreichende Kenntnis offenbart. Sie wusste zudem, dass die Sicherung in der konkreten Situation eingeschaltet war.
31(2) Der Vorwurf der subjektiven Sorgfaltspflichtverletzung entfällt auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines sogenannten Augenblicksversagens.
32Der Ausdruck Augenblicksversagen beschreibt den Umstand, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Dieser Umstand allein reicht allerdings nicht aus, um grobe Fahrlässigkeit zu verneinen. Vielmehr müssen weitere subjektive Umstände hinzukommen, die es im konkreten Einzelfall gerechtfertigt erscheinen lassen, unter Abwägung aller Umstände den Schuldvorwurf geringer als grob fahrlässig zu bewerten (vgl. BGH, Urt. v. 10.05.2011, VI ZR 196/10, juris, Rn. 12 f. m. w. N., VersR 2011, 916; Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 81 VVG Rn. 40).
33Von einem Augenblicksversagen kann hier nicht vor dem Hintergrund einer Routinehandlung, bei der schlicht ein Handgriff vergessen wird (vgl. dazu m. w. N. Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 81 Rn. 46), ausgegangen werden, da die Klägerin nach fünfjährigem Nichtbetrieb der Sauna bei der Suche nach der Vase keine Routinehandlung in Bezug auf den Umgang mit der Sauna vornahm.
34Ebenso wenig kann vorliegend von einem Augenblicksversagen vor dem Hintergrund einer momentanen Ablenkung (vgl. BGH, Urt. v. 10.05.2011, VI ZR 196/10, juris, Rn. 12 ff., VersR 2011, 916; Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 81 VVG Rn. 44 m. w. N.) ausgegangen werden. Zum einen handelt es sich bereits nach der eigenen Tatsachenschilderung der Klägerin nicht um einen momentane Ablenkung. Denn die Klägerin fand trotz des behaupteten Drucks und Stresses noch hinreichend Zeit, die Suche nach der Vase fortzusetzen, bis sie diese auffand. Es war also gerade nicht so, dass sie aufgrund des Zurufs der Tochter alles sofort stehen und liegen ließ und die Sauna verließ. Zum anderen vergaß die Klägerin aufgrund der vermeintlichen Ablenkung auch nicht, den Lichtschalter zu betätigen. Es wäre ihr also ohne Weiteres möglich gewesen, gleichfalls die beiden andern Schalter zu überprüfen und sodann – wie auf dem Hinweg und hier entscheidend – trotz aller Eile, die Sicherung im zentralen Sicherungskasten herauszunehmen.
35iv. Das Ablegen der Gegenstände und die unterlassene Wegnahme derselben sowie die unterlassene Herausnahme der Sicherung führten zu dem Brandereignis. Erstes trägt die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung selbst vor. Zweites ergibt sich von selbst, da der Saunaofen ohne Stromzufuhr keine hinreichende Wärme hätte entwickeln können. Auf die konkrete Ursache der Ingangsetzung des Ofens, sei es aufgrund eines Kurzschlusses, sei es aufgrund einer versehentlichen Betätigung durch die Klägerin beim Einschalten des Lichts beim Betreten oder beim Ausschalten des Lichts beim Verlassen der Sauna kommt es mithin schon gar nicht an. Ebenso wenig ist die mögliche Ursache relevant, dass der Saunaofen bereits vor dem Beginn der Suche nach der Vase eingeschaltet war. Letzteres erscheint im Hinblick auf die fehlende Angabe der Klägerin, beim Betreten der Sauna eine Wärmeentwicklung festgestellt zu haben, ohnehin ausgeschlossen. Dies legt zugleich nahe, dass ein Kurzschluss überhaupt erst durch die Bedienung des Lichtschalters entstanden wäre.
36b) Die Bemessung der Quote der Kürzung des Anspruchs mit 60 % ist zutreffend.
37Maßgeblich sind dabei die konkreten Umstände des Einzelfalls in objektiver wie subjektiver Hinsicht in Bezug auf den Grad des Verschuldens innerhalb der groben Fahrlässigkeit, also der Annährung an bedingten Vorsatz einerseits beziehungsweise einfache Fahrlässigkeit andererseits, die selbst eine vollständige Kürzung des Anspruchs zulassen (vgl. BGH, Urt. v. 22.06.2011, IV ZR 225/10, juris, Rn. 23-33, VersR 2011, 1037; Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 81 VVG Rn. 44).
38i. In objektiver Hinsicht ist zuvorderst die extreme Steigerung der Grundgefahr durch das Ablegen und Belassen der Gegenstände auf dem Saunaofen im Gegensatz zu einem Abstellen von Gegenständen neben dem Saunaofen wie in dem vom Landgericht zitierten Urteil des Landgerichts München II (Urt. v. 08.05.2014, 10 O 4590/13, juris Rn. 3 f., RuS 2014, 560) zu bewerten, bei dem die Gefahr einer Entzündung objektiv betrachtet ungleich ferner liegt als bei einer Lagerung auf dem Saunaofen selbst. Nicht derart erschwerend ist das grob fahrlässig Unterlassen der Klägerin bezüglich der Sicherungsmaßnahmen zu gewichten, da die Klägerin offenbar während der Verweildauer in der Sauna noch keine Hitzeentwicklung bemerkte.
39ii. In subjektiver Hinsicht ist erschwerend zu berücksichtigen, dass die Klägerin gerade in den mindestens fünf Jahren zuvor eigenständig auf die dreifache Sicherung über die beiden Schalter und den Sicherungskasten geachtet hatte. Zugleich ist aber mildernd zu berücksichtigen, dass zwar kein Augenblicksversagen vorlag, die Klägerin aber gleichwohl aufgrund des Rufens ihrer Tochter einer besonderen Situation ausgesetzt war. Im Übrigen sind keinerlei Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die den Sorgfaltsverstoß der Klägerin in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten.
402. Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf den geltend gemachten Nebenforderungen (Anwaltskosten und Zinsen).
41III.
42Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222 GKG) wird hingewiesen.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 15. Jan. 2016 - 20 U 219/15
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 15. Jan. 2016 - 20 U 219/15
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberlandesgericht Hamm Beschluss, 15. Jan. 2016 - 20 U 219/15 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.
(2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten.
(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.
(2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.
(2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18.11.2011 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen – teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 584.100,00 € nebst Zinsen in Höhe von 1 % unter dem Basiszins gem. § 247 BGB, mindestens aber 4 % und höchstens 6 % p.a, seit dem 01.06.2009 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers der Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die Klägerin nimmt die Beklagte aus Anlass eines behaupteten Unfallereignisses vom 31.05.2009 auf Entschädigungsleistungen aus einer bei ihr genommenen Wassersportfahrzeug-Kaskoversicherung in Anspruch.
4Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts, deren Anteile zu 98 % von einem Herrn K und zu 2 % von einem Herrn U gehalten werden. Sie ist alleinige Gesellschafterin einer G GmbH mit Sitz in G2, deren alleiniger Geschäftsführer wiederum der Zeuge C ist.
5Die Klägerin war Eigentümerin einer Hochgeschwindigkeitsmotoryacht des Typs „##########“ (Baujahr 2006) mit der Baunummer ############# und dem Heimathafen in G3, Côte d’Azur, welche sie im Jahre 2006 von einer G4 zu einem Kaufpreis von 410.000,00 € erworben hatte. Sie hielt das Eigentum treuhänderisch für den Zeugen C sowie ihren Streithelfer.
6Die Klägerin nahm im Jahre 2006 bei der Beklagten für die Yacht eine sog. B-Versicherung, bestehend aus einer Haftpflicht- und Kaskoversicherung. Versichert waren Fahrzeug, Maschinenanlage und Zubehör zu einer Versicherungssumme von 591.600,00 €. Es galten im Rahmen der Kaskoversicherung u.a. die D (nachfolgend: AB-Sach ’95) sowie die B Bedingungen 2005 für die Kaskoversicherung von Wassersportfahrzeugen (B VB-Kasko ’05). Letztere sehen in § 3 Nr. 4 lit.a) und b) unter der Überschrift „Ausschlüsse“ u.a. vor:
7„Ausgeschlossen sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden durch
8a) Fahruntüchtigkeit des Fahrzeugs, sofern diese bei Antritt der Fahrt vorlag und der Versicherungsnehmer davon Kenntnis hatte oder gehabt haben musste,
9b) Fahruntüchtigkeit des Fahrzeugs, sofern diese bei Antritt der Fahrt vorlag und der Fahrzeugführer davon Kenntnis hatte oder gehabt haben musste;“
10Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird auf den Versicherungsschein vom 06.10.2006 sowie das Bedingungswerk der Beklagten (jeweils Anlage K1) Bezug genommen.
11Bei der Yacht war es in der Vergangenheit wiederholt zu technischen Problemen gekommen. Unter anderem war am 22.07.2007 beim Einfahren in den Hafen von F die Steuerung ausgefallen, wodurch es zu einer Kollision mit dem Pier gekommen war. Am 21.08.2008 hatte sich ein weiterer Unfall aufgrund eines Lenkungsdefekts ereignet. Schiffsführer war seinerzeit der Zeuge C, der im Besitz des erforderlichen Sportbootführerscheins ist und über rund zwanzigjährige Motorbooterfahrung verfügt.
12Wegen technischer Probleme an der elektrischen Ruderanlage erfolgte im Winterlager 2008/09 eine Generalüberholung der Yacht durch die F2. Hierüber verhält sich eine Bestätigung des Inhabers des Unternehmens vom 19.04.2010, ausweislich derer das Steuerungssystem durch Ausbauen der Steuerungskolbenhalterung und ihrer Neuanfertigung aus dickerem Stahl und Wiedereinbau verstärkt worden sei, wobei sich im Rahmen einer durchgeführten Testfahrt das Steuerungssystem als ordnungsgemäß funktionsfähig herausgestellt habe (GA I 76).
13Am Schadentag, dem 31.05.2009, kam es in der Mittagszeit zu der streitgegenständlichen Kollision der Yacht mit einem Felsen in der F3 und infolge dessen zu einem Sinkschaden. Die Yacht war im Zeitpunkt des Schadenereignisses vom Zeugen C geführt worden, der aus einer Seemeile Entfernung die Südostspitze des die Bucht nach Osten hin begrenzenden Felsens in Sichtpeilung genommen und darauf zu gehalten hatte, um – nach seinen Angaben – bei Annäherung an diese Sichtmarke auf einen südöstlich daran vorbeiführenden Umfahrungskurs einzulenken. Der Zeuge C fuhr hierbei nach ersten Angaben mit voller Geschwindigkeit von 35 kn. Als er den Kurs zur Umfahrung des Felsens korrigieren wollte, bemerkte er nach seiner ersten Darstellung, dass die Lenkbewegung keinen Einfluss auf den Kurs hatte und überprüfte daraufhin den Autopiloten, der keine Reaktion zeigte. Er lief daraufhin zum Heck und sprang dort über Bord. Die Yacht kollidierte mit dem Felsen und sank. Ihr Wrack konnte von einem Bergungsunternehmen mit erheblichen Beschädigungen geborgen werden. Der Zeuge C hatte nach seinem Sprung von Bord das Bewusstsein verloren und war mit Verletzungen im Halswirbelbereich von einem in der Nähe fahrenden Sportschiffer geborgen worden.
14Nachdem die Klägerin über ihre nunmehrigen Prozessbevollmächtigten das Schadenereignis der Beklagten noch am Abend des 31.05.2009 gemeldet hatte, beauftragte die Beklagte durch die H GmbH mit Sitz in H2, ein von ihr beauftragtes Schadenabwicklungsunternehmen, am 02.06.2009 den Sachverständigen X damit, Feststellungen zu Schadenhergang und -höhe zu treffen. Der Sachverständige legte sein schriftliches Gutachten unter dem 12.10.2009 nach einer Besichtigung des Wracks am 18.06.2009 vor (Anlage K10) und gelangte in diesem zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass Schadenbild und geschilderter Schadenhergang zueinander im Einklang stünden. Durch die Havarie und durch ausgebliebene Maßnahmen zur Konservierung – das unterbliebene Spülen der Yacht mit Süßwasser nach deren Bergung sowie die unterbliebene Konservierung und Teilzerlegung der Elektrik und Antriebe – sei es zu einem Totalschaden gekommen. Ursächlich für den Schaden sei ein technischer Defekt. Darüber hinaus habe nautisches Fehlverhalten des Führers zu dem gegenständlichen Schaden geführt.
15Die Beklagte lehnte mit Schreiben der H GmbH vom 22.10.2009 (Anlage K14) die Erbringung von Leistungen ab und führte zur Begründung aus, dass der konstruktive Totalverlust auf einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht zurückzuführen sei, die Yacht vor Beginn ihrer Inbetriebnahme mit diversen technischen Mängeln behaftet und daher fahruntüchtig gewesen sei und der Schiffsführer als Repräsentant der Klägerin den Versicherungsfall durch sein Verhalten „zumindest“ grob fahrlässig herbeigeführt habe. Die Klägerin trat dem vorgerichtlich durch ihre Prozessbevollmächtigten entgegen. Bereits unter dem 14.10.2009 hatte sie für das Wrack einen Betrag in Höhe von 7.500,00 € erlöst.
16Mit ihrer Klage hat die Klägerin erstinstanzlich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 584.100,00 € nebst Jahreszinsen von 6 % seit dem 01.06.2009 begehrt, wobei es sich bei der geltend gemachten Hauptforderung um die bedungene Versicherungssumme handelt, von dem die Klägerin den erlösten Restwert in Abzug gebracht hat.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 18.11.2011 (GA I 219 ff.) Bezug genommen.
18Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens X2 nebst ergänzender Stellungnahme und alsdann mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
19Der Klägerin stehe gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 12 AB-Sach ’95 zu. Denn der Schiffsführer, der Zeuge C, habe den Schaden an der Yacht „zumindest“ grob fahrlässig verursacht, so dass die Beklagte gem. „§ 82 Abs. 3 VVG n.F. i.V.m. §§ 9 Nr. 1 d), Nr. 4, 12 Nr. 2 VB-Kasko ’05“ leistungsfrei sei. Nach § 81 Abs. 2 VVG – so das Landgericht weiter – sei der Versicherer berechtigt, im Falle grob fahrlässiger Schadensverursachung seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Im vorliegenden Fall könne dahinstehen, ob der Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt worden sei. Denn die grobe Fahrlässigkeit wiege hier so schwer, dass ein vollständiger Leistungsausschluss gerechtfertigt sei. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme sei das Gericht von grober Fahrlässigkeit überzeugt. Diese Überzeugung gründe auf das Gutachten des Sachverständigen X2 wie auch das Parteigutachten X. Letzteres sei zwar kein Beweismittel im eigentlichen Sinne, aber gleichwohl im Rahmen der Beweiswürdigung heranzuziehen und zu berücksichtigen. Das Gericht übersehe hierbei nicht, dass das Gutachten X2 allein aufgrund seiner inhaltlichen Mängel nicht geeignet sei, Grundlage voller richterlicher Überzeugung zu sein. Zusammen mit dem Gutachten X sei das Gutachten X2 aber auch ohne mündliche Anhörung des Sachverständigen ausreichend und die Einholung eines „Obergutachtens“ nicht geboten. Dafür sei maßgeblich, dass das Gutachten X2 in vollem Umfang das Gutachten X stütze. Ungeachtet der sehr knapp gehaltenen bzw. teilweise fehlenden Begründung sei jedenfalls bei einer Gesamtschau beider Gutachten die Annahme grober Fahrlässigkeit gerechtfertigt. Der Sachverständige X habe den Sachverhalt mit großer Sorgfalt aufgearbeitet und seine Untersuchungsergebnisse anschaulich dargestellt. Dabei habe er sich auch mit den von der Klägerin im vorliegenden Klageverfahren inhaltsgleich vorgebrachten Einwendungen auseinander gesetzt. Auch der Sachverständige X2 habe sich damit – wenn auch sehr knapp – auseinander gesetzt.
20Die grobe Fahrlässigkeit des Schiffsführers ergebe sich aus folgenden Gesichtspunkten:
21Der Schiffsführer sei trotz der ihm bekannten früheren Mängel der Steuerungsanlage der Yacht mit voller Geschwindigkeit auf die Felsspitze des Kaps zugefahren. In einer E-Mail vom 13.09.2007 habe der Schiffsführer selbst angegeben, dass es zu fünf Ausfällen des Lenksystems gekommen und er froh sei, dass die Mitreisenden und er die Fahrt heil überstanden hätten. Zu weiteren Ausfällen der Lenkung sei es am 14./15.09.2007 und 21.08.2008 gekommen. Zwar seien im Winter 2008/09 Reparaturen vorgenommen worden. Aber nach erstmaliger Nutzung im April 2009 habe am 31.05.2009 noch nicht gesagt werden können, ob die Yacht wirklich funktionsfähig sei. Insofern habe der Schiffsführer mit einem erneuten Ausfall der Lenkung rechnen müssen. Wenn der Schiffsführer erklärt habe, er habe die Maximalgeschwindigkeit der Yacht testen wollen, so sei es nicht nachvollziehbar, dass er dies in einer engen Bucht unter Kurs auf eine Felsspitze versucht habe.
22Die Ausführungen der Klägerin zu einem Kursversatz durch aufkommenden Wind oder Strömung seien nicht überzeugend.
23Auch das Verhalten des Schiffsführers unmittelbar vor der Kollision sei nicht nachvollziehbar. Es sei nicht erklärlich, weshalb der Schiffsführer nicht zuvor die Geschwindigkeit des Motors zurück genommen oder die Motoren sogar abgeschaltet habe, obschon er dies – wie von ihm selbst angegeben – in Erwägung gezogen habe. Die Vermutung der Klägerin, dass die Kollision auch bei Ausschalten des Motors durch ein sog. Ausgleiten nicht habe verhindert werden können, sei durch die Untersuchungen des Sachverständigen X – auch ohne mathematische Bremswegberechnung – widerlegt.
24Die Annahme grober Fahrlässigkeit sei auch nicht durch ein sog. Augenblicksversagen ausgeschlossen.
25Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts sowie Rechtsfehler bei der Tatsachenfeststellung durch das Landgericht rügt und ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter verfolgt. Sie macht im Wesentlichen geltend:
26Das Urteil leide darunter, dass in erster Instanz zwar die richtigen Beweisfragen gestellt, diese aber nicht vollständig beantwortet worden seien. Die Gutachtenlage, auf die sich das Landgericht gestützt habe, sei unzureichend. Es sei bereits fraglich, ob der Sachverständige X2 hinreichend kundig sei. Denn er verfüge nicht über hinreichende Erfahrungen mit Hochgeschwindigkeitsgleitbooten, weil er lange Jahre Hafenschlepper gefahren habe, die langsame Verdrängerboote seien. Zudem sei es nicht zulässig, die im Gutachten X2 auch nach Ansicht des Landgerichts vorhandenen Lücken durch einen Rückgriff auf das von der Beklagten eingeholte Parteigutachten zu schließen. Zu Unrecht habe das Landgericht deshalb den Antrag der Klägerin auf Einholung eines Obergutachtens abgelehnt.
27Zudem habe das Landgericht verkannt, dass das Verhalten des Schiffsführers unmittelbar vor der Kollision gerade nicht geklärt sei. Die Klägerin habe dazu auch nicht konkret vortragen können, weil der Schiffsführer durch den Unfall das Erinnerungsvermögen an das Geschehen verloren habe. Es könne deshalb von der Klägerin nicht vorgetragen werden, ob der Schiffsführer den Versuch unternommen habe, das Boot über die Maschinen zu steuern, die Drehzahl der beiden Motoren zu drosseln oder die Maschinen vollständig zu stoppen.
28Zudem habe das Landgericht zu Unrecht die notwendigen Beweise dazu, dass im Winter 2008/09 die erforderlichen Reparaturen erfolgreich durchgeführt worden seien, nicht erhoben. Das belege auch der Umstand, dass die ##### nach den Arbeiten wieder Herstellergarantie gewährt habe. Insbesondere sei es nicht nachvollziehbar, weshalb ein Nutzer auf die Funktionsfähigkeit des Bootes nicht habe vertrauen dürfen, wenn dieses repariert worden sei und nach erfolgten Probefahrten eine Garantie erhalten habe.
29Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei auch die Wahl des Kurses an sich nicht zu beanstanden. Daraus könne deshalb keinerlei Fahrlässigkeitsvorwurf abgeleitet werden. Überdies seien die gewählten Kurse von 080° bzw. 070° von vornherein geeignet, die Kollision zu vermeiden. Im Übrigen sei eine 2,1 km weite Bucht – anders als das Landgericht gemeint habe – nicht räumlich beengt.
30Auch der Umstand, dass das Boot mit Vollgeschwindigkeit gefahren worden sei, begründe den Vorwurf der groben Sorgfaltswidrigkeit nicht. Denn im seegangsgeschützten Buchtbereich bei guter Sicht und kaum Welle sei dies nicht zu beanstanden.
31Unzutreffend sei das Landgericht auch davon ausgegangen, dass aufkommender Wind für die Kollision keine Bedeutung erlangt habe. Zudem sei bei einem Vollgleiter zu berücksichtigen, dass das Boot bei schneller Fahrt aus dem Wasser herauskomme und deshalb eine um 25 % größere Windangriffsfläche biete. Es sei deshalb durchaus als windanfällig zu bezeichnen.
32Wenn man von einer fehlerhaften Reaktion des Schiffsführers auf das Geschehen ausginge, so handele es sich um ein Augenblicksversagen. Das zeige sich darin, dass der in Todesangst handelnde und über das Heck des Schiffes springende Zeuge C mit dem Auftreten einer solchen Krisensituation nicht habe rechnen müssen.
33Schließlich zeige das Schadensbild an den beiden Propellern des Schiffes, dass der Backbordpropeller drehend mit dem Hindernis kollidiert sein müsse, der Steuerbordpropeller hingegen im Stillstand. Das spreche dafür, dass der Schiffsführer versucht habe, über eine Drehzahldifferenz der beiden Propeller das Schiff zu steuern.
34In rechtlicher Hinsicht sei zu berücksichtigen, dass im Falle einer Leistungskürzung aufgrund grober Fahrlässigkeit eine sorgfältige Abwägung der maßgeblichen Gesichtspunkte des Einzelfalls notwendig sei. Daran fehle es.
35Die Klägerin und ihr Streithelfer beantragen,
36unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 584.100,00 € nebst Zinsen in Höhe von 6 % p.a. seit dem 01.06.2009 zu zahlen.
37Die Beklagte beantragt,
38die Berufung zurückzuweisen.
39Sie verteidigt – unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – die angefochtene Entscheidung, wobei sie auch im Berufungsrechtszug die Unzulässigkeit der Klage wegen aus ihrer Sicht fehlender Rechts- und Parteifähigkeit der Klägerin rügt.
40Sie macht ergänzend geltend, dass es sich bei der Yacht um ein besonders leichtes Rennboot handele, das nur einen geringen Auslauf habe. Durch eine Betätigung des Notstopps sei es deshalb ohne weiteres möglich gewesen, die Kollision zu vermeiden. Wenn man die volle Geschwindigkeit eines Bootes testen wolle, so könne man dies auf hoher See tun, nicht aber auf einem Kurs, der auf einen Felsen gerichtet sei.
41Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen X2, durch uneidliche Vernehmung des Zeugen C sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens Y vom 28.08.2014, das der Sachverständige im Senatstermin am 20.05.2015 mündlich erläutert hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk vom 26.04.2013 (GA II 382 ff.), das Gutachten des Sachverständigen Y vom 28.08.2014 sowie die Sitzungsniederschrift vom 20.05.2015 Bezug genommen.
42Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen.
43II.
44Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sie hat auch in der Sache – mit Ausnahme eines Teils der geltend gemachten Zinsen – Erfolg und führt insoweit zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
451.)
46Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Zulässigkeit der Klage die fehlende Parteifähigkeit der Klägerin nicht entgegen.
47Selbst wenn die Klägerin – wie die Beklagte erstinstanzlich behauptet hat – ihren Verwaltungssitz in Deutschland hätte, wäre sie rechtsfähig und damit im Sinne von § 50 Abs. 1 ZPO parteifähig. Bereits das Landgericht hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit Verwaltungssitz im Inland zwar nicht als Aktiengesellschaft rechtsfähig sei, sie aber nach höchstrichterlicher Rechtsprechung als rechtsfähige Personengesellschaft deutschen Rechts, nämlich als offene Handelsgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts, zu behandeln sei, die keiner Eintragung in ein deutsches Register bedürfen (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2008, II ZR 158/06, juris, Rn. 23, BGHZ 178, 192 = NJW 2009, 289 – Trabrennbahn unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 01.07.2002, II ZR 380/00, BGHZ 151, 204 = NJW 2002, 3539). Wenn eine solche Gesellschaft in Deutschland am Geschäftsverkehr teilnimmt, wäre es nicht hinnehmbar, ihr nicht die Möglichkeit zu geben, Rechte zu begründen und klageweise geltend zu machen (BGH, Urt. v. 27.10.2008, a.a.O.). Dass die Klägerin (auch) in Deutschland am Geschäftsverkehr teilnimmt, folgt ohne Weiteres bereits aus dem Abschluss des in Rede stehenden, nach deutschem Recht zu beurteilenden Versicherungsvertrages im Inland.
482.)
49Die Klage ist auch ganz überwiegend begründet.
50a)
51Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus Anlass des streitgegenständlichen Schadenereignisses der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 584.100,00 € aus § 1 Satz 1 VVG in der ab dem 01.01.2008 geltenden Fassung (zur Anwendbarkeit vgl. Art. 1 Abs. 1 EGVVG) i.V.m. § 2 Nr. 9 AB-Sach ’95 i.V.m. §§ 1, 2, 6, 10 Nr. 2 lit. a) B VB-Kasko ’05 zu. Hiernach hat der Versicherer im Falle des Totalverlustes der versicherten Sache durch eine versicherte Gefahr den Versicherungswert – der als feste Taxe gilt – abzüglich vorhandener und durch Verkauf erzielbarer Restwerte ohne Anrechnung einer bedungenen Selbstbeteiligung zu ersetzen.
52aa)
53In dem Schadenereignis hat sich eine versicherte Gefahr, nämlich ein Unfall im Sinne von § 2 Nr. 9 AB-Sach ’95 verwirklicht. Denn als Unfall in diesem Sinne gilt ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis. Soweit die Beklagte geltend macht, dass der Zeuge C als Repräsentant der Klägerin den Schaden vorsätzlich herbeigeführt habe, stünde dies für sich genommen nicht der Verwirklichung einer versicherten Gefahr entgegen. Denn die Unfreiwilligkeit des Schadenereignisses gehört nicht zum Begriff des Unfalls (vgl. BGH, Urt. v. 05.02.1981, IVa ZR 58/80, VersR 1981, 450; Stadler, in: Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl. 2010, AKB A.2.3.1 Rn. 25 mit weiteren Nachweisen). Der Kasko-Versicherer hat daher die Freiwilligkeit des Schadensereignisses im Rahmen der Berufung auf den subjektiven Risikoausschluss gem. § 81 Abs. 1 VVG darzulegen und zu beweisen.
54bb)
55Eine vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit der Beklagten folgt weder aus § 3 Nr. 4 lit. a) und b) B VB-Kasko ’05 bzw. § 138 VVG noch aus § 81 VVG.
56(1)
57Soweit sich die Beklagte erstinstanzlich auf Leistungsfreiheit wegen des „Risikoausschlusses“ gem. § 3 Nr. 4 lit. a) und b) B VB-Kasko ’05 bzw. vorgerichtlich auf den Haftungsausschluss gem. § 138 VVG berufen hat, hat sie bereits nicht ausreichend dargelegt bzw. bewiesen, dass sich die Yacht im maßgeblichen Zeitpunkt des Fahrtantritts (vgl. insoweit Koller, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 138 VVG Rn. 1 a.E.) in einem nicht fahrtüchtigen Zustand befunden hat bzw. der Zeuge C als Repräsentant der Klägerin einen derartigen Zustand kannte oder kennen musste. Die Klägerin hat unwiderlegt und von der Beklagten auch nicht bestritten dargetan, dass die Yacht im Winterlager 2008/09 durch ein drittes Unternehmen generalüberholt worden sei und sich im Rahmen einer hierbei durchgeführten Testfahrt in Ansehung des Steuerungssystems keine Auffälligkeiten ergeben hätten. Es ist daher bereits nicht ersichtlich, aufgrund welcher Umstände sich dem Zeugen C etwaig bei Fahrtantritt (latent) vorhandene Mängel des Steuerungssystems hätten aufdrängen müssen. Insoweit bedarf es keiner Entscheidung durch den Senat, welche Rechtsfolgen sich aus einem Verstoß gegen die Bestimmung, bei der es sich um eine sog. verhüllte Obliegenheit handelt (vgl. BGH, Urt. v. 18.05.2011, IV ZR 165/09, juris, Rn. 30 f., VersR 2011, 1048 zu § 132 Abs. 1 VVG a.F.), ergeben würden.
58(2)
59Eine Leistungsfreiheit der Beklagten folgt auch nicht aus § 81 Abs. 1 VVG.
60Nach dieser Bestimmung wird der Versicherer von seiner Verpflichtung zur Leistung an den Versicherungsnehmer frei, wenn er den Vollbeweis für das vorsätzliche Herbeiführen eines Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer bzw. – dem gleichgestellt – seines Repräsentanten führt (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH, Urt. v. 01.10.1975, VIII ZR 130/74, BGHZ 65, 118, 121; Urt. v. 31.10.1984, IVa ZR 33/83, VersR 1985, 78, 79; Urt. v. 19.12.1984, IVa ZR 159/82, VersR 1985, 330, 331; Senat, Urt. v. 15.03.1985, 20 U 259/84, VersR 1986, 567; Urt. v. 02.10.1987, 20 U 365/86, r+s 1988, 221). Hierbei bedarf es in Anwendung des § 286 Abs. 1 ZPO für den erforderlichen Vollbeweis zwar keiner von allen Zweifeln freien Überzeugung des Gerichts; es genügt vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (grundlegend BGH, Urt. v. 17.02.1970, III ZR 139/67, BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 94). Die Behauptung der Beklagten, der Zeuge C habe den Schaden vorsätzlich herbeigeführt, erschöpft sich indessen in einer bloßen Mutmaßung der Beklagten, ohne dass für sie greifbare Anhaltspunkte bestünden. Die Beklagte hat daher die tatsächlichen Voraussetzungen des subjektiven Risikoausschlusses weder dargelegt noch bewiesen. Im Gegenteil erscheint eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls angesichts des vom Zeugen C geschilderten Unfallhergangs, namentlich seinem von der Beklagten nicht widerlegten Überbordgehen während der Fahrt, gänzlich fernliegend.
61(3)
62Die Beklagte ist auch nicht berechtigt, gem. § 81 Abs. 2 VVG ihre Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Zeugen C entsprechenden Verhältnis zu kürzen, weil der Zeuge als Repräsentant der Klägerin den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Denn – entgegen der Auffassung des Landgerichts – hat die Beklagte auch den Nachweis der subjektiven Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 VVG nicht geführt.
63Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt hierbei für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes persönliches Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einhergeht. Vielmehr erscheint ein solcher Vorwurf nur dann als gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urt. v. 10.05.2011, VI ZR 196/109, juris, Rn. 10, mit weiteren Nachweisen, VersR 2011, 916). Hiernach ist es in aller Regel erforderlich, nicht nur zur objektiven Schwere der Pflichtwidrigkeit, sondern auch zur subjektiven (personalen) Seite konkrete Feststellungen zu treffen (BGH, a.a.O., mit weiteren Nachweisen). Den Beweis für diesen Verschuldensmaßstab hat im Rahmen des § 81 Abs. 2 VVG der Versicherer zu führen (vgl. statt aller Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 81 VVG Rn. 67).
64An diesen Grundsätzen gemessen kann ein grob fahrlässiges Verhalten des Zeugen C als Bootsführer und Repräsentant der Klägerin hier nicht festgestellt werden.
65Der Zeuge C hat entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht schon deshalb grob fahrlässig gehandelt, weil er die Motoryacht mit höherer Geschwindigkeit gefahren ist, obwohl es an der Yacht zu einem früheren Zeitpunkt zu Ausfällen im Bereich der Steuerung gekommen war. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass eine Reparatur der Steuerung vor der Fahrt erfolgt war. Der Zeuge C durfte deshalb davon ausgehen, dass sich das Steuerungssystem im Rahmen einer durchgeführten Testfahrt als ordnungsgemäß funktionierend herausgestellt hatte. Es gab für den Zeugen C aufgrund der durchgeführten Reparatur keine Veranlassung, an der Funktionstauglichkeit der Steuerung zu zweifeln. Dass der Zeuge auf die ordnungsgemäß durchgeführt Reparatur vertraut und das Boot sodann bestimmungsgemäß in Gebrauch genommen hat, stellt kein (grob) fahrlässiges Verhalten dar.
66Der Zeuge hat auch nicht bereits dadurch (grob) fahrlässig gehandelt, dass er im Bereich der F3 mit höherer Geschwindigkeit gefahren ist. Insoweit hat der dem Senat aus zahlreichen Verfahren als erfahrener Sachverständiger für Unfallrekonstruktionen bekannte Sachverständige Y ausgeführt, dass auch eine Vollgasfahrt in dem fraglichen Gebiet problemlos möglich gewesen sei.
67Soweit der Zeuge C, wie er bei seiner Aussage vor dem Senat erklärt hat, tatsächlich mit einer Höchstgeschwindigkeit von 35 kn fuhr, ist nach dem Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen Y davon auszugehen, dass der Zeuge C, nachdem er den Ausfall der Steuerung bemerkte, jedenfalls Abwehrmaßnahmen eingeleitet hatte, die auch zu einer Reduzierung der Geschwindigkeit der Yacht geführt haben müssen. Denn der Sachverständige Y hat überzeugend und nachvollziehbar dargelegt, dass es nach seinen Erfahrungen als Unfallsachverständiger an der fraglichen Yacht zu deutlich größeren Schäden gekommen wäre, wenn diese mit ca. 31 kn, entsprechend ca. 57 km/h, auf den Felsen aufgeprallt wäre. Die 57 km/h ergäben sich bei einer vermuteten Ausgangsgeschwindigkeit von 35 kn, ca. 65 km/h, wenn man davon ausgehe, dass zunächst die Aufprallgeschwindigkeit durch den Streifschaden gebremst worden sei. Der Sachverständige Y hat dazu ausgeführt, zwar wisse er nicht konkret, wie der Bereich ausgesehen habe, über den das Boot gerutscht sei. Es nehme aber keine große Energie auf, wenn die Schraube bei diesem Rutschen beschädigt werde. Er gehe davon aus, dass das Boot erst kurz vor dem endgültigen Halt über ein Hindernis gerutscht sei, da das ihm vorliegende Kartenmaterial nicht erkennen lasse, dass die Gewässer vor dem Felsen in größerem Umfang flach gewesen seien.
68Anhand der festgestellten Schäden der Yacht sei von einer Auflaufgeschwindigkeit von ca. 16-22 kn, ca. 30-40 km/h, auszugehen. Ob die Auflaufgeschwindigkeit darauf zurückzuführen sei, dass der Zeuge C nach Bemerken des Ausfalls der Steuerung Abwehrmaßnahmen eingeleitet habe oder ob er von vornherein mit geringerer Geschwindigkeit gefahren sei, könne man demgegenüber nicht mehr feststellen.
69Ausgehend von der vom Zeugen C geschilderten Ausgangsgeschwindigkeit hätte der Zeuge C bereits 12-15 Sekunden nach dem Ausfall der Steuerung den Abwehrhandlungen einleiten müssen, um einen Aufprall der Yacht zu verhindern. Ob derartiges von einem erfahrenen Schiffsführer im Grundsatz erwartet werden kann, ist nicht entscheidend. Denn selbst ein objektiv gegebener Fahrfehler müsste über einen alltäglichen Fehler, der jedem Fahrer unterlaufen kann, hinausgehen, um den Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu begründen (Senat, Urt. v. 31.08.1990, 20 U 57/90, juris, Rn. 9, r+s 1991, 186). Einem mit hoher Geschwindigkeit auf ein Hindernis zufahrenden Fahrer ist aber zuzubilligen, sich aus Schreck oder Angst nicht wie ein „Idealfahrer“ zu verhalten, so dass ein subjektiv schwerer Schuldvorwurf bei einem schlichten Fahrfehler nicht angebracht erscheint.
70Auch wenn daher ein möglicher Fahrfehler oder eine mögliche Fehlentscheidung des Zeugen C nach dem Bemerken des Ausfalls der Steuerung nicht ausgeschlossen werden kann, kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, dass der Zeuge hier eine schweren, subjektiv vorwerfbaren Fahrfehler begangen hat.
71Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Sachverständige nicht sicher feststellen konnte, ob der Zeuge C das Boot tatsächlich überhaupt mit Vollgeschwindigkeit gefahren hat, bevor es zur kritischen Situation und der nachfolgenden Kollision gekommen ist. Denn ein solcher Unfallhergang kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme – wie ausgeführt – gerade nicht festgestellt werden. Diese Unerweislichkeit geht zu Lasten der beweisbelasteten Beklagten.
72cc)
73Die Beklagte kann sich schließlich auch nicht auf vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit gem. § 82 Abs. 3 VVG berufen.
74Denn der Klägerin fällt – mit Blick auf das unterbliebene Spülen der Yacht mit Süßwasser nach deren Bergung sowie die unterbliebene Konservierung und Teilzerlegung der Elektrik und Antriebe – keine Verletzung der Schadenminderungsobliegenheiten gem. § 82 Abs. 1, Abs. 2 VVG zur Last. Die Beklagte war bereits nach Bergung des Wracks am 01.06.2009 durch die E-Mail des Sachverständigen X vom 02.06.2009 darüber informiert worden, dass ggf. eine Konservierung zur Schadenminderung erforderlich sein könnte. Sie verfügte daher bereits am 02.06.2009 über genau jene Kenntnisse, die auch die Klägerin selbst haben konnte, ohne eine Veranlassung zu sehen, der Klägerin eine Weisung zur Bergung oder Konservierung der Yacht zu erteilen. Der Zeuge C hat zudem im Senatstermin am 12.04.2013 bekundet, dass er bei der Fa. Y2 angerufen und diese ihm erklärt habe, dass der Motor wegen der verbogenen Welle ohnehin nicht mehr reparaturwürdig sei. Dem ist die Beklagte nicht entgegen getreten. Insoweit ist eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit nicht ersichtlich.
75dd)
76Auch der Höhe nach begegnet der in der Hauptsache verfolgte Anspruch keinen Bedenken.
77Zwar ist nach § 8 Nr. 5 lit. a) AB-Sach ’95 die sog. Neuwertspitze nur geschuldet, soweit und sobald der Versicherungsnehmer innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um im Falle des Totalverlustes eine gleichwertige Sache in neuwertigem Zustand wiederzubeschaffen. Die Parteien haben diese Klausel zur Entschädigungsberechnung durch die besondere Regelung in § 10 Nr. 1 B VB-Kasko ’05 jedoch ausdrücklich abbedungen.
78b)
79In Ansehung der von der Klägerin begehrten Vertragszinsen steht ihr ein Anspruch aus § 12 Nr. 2 AB-Sach ’95 zu.
80Hiernach ist die Entschädigung seit Anzeige des Schadens – die unstreitig am 31.05.2009 erfolgt ist – mit 1 % unter Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zu verzinsen, mindestens mit 4 % und höchstens mit 6 % p.a., soweit nicht aus anderen Gründen ein höherer Zins zu entrichten ist. Soweit die Klägerin hierbei den festgelegten (Höchst-) Zinssatz von 6 % p.a. begehrt, unterlag die Klage der teilweisen Abweisung.
81Da an die Stelle des Diskontsatzes der Deutschen Bundesbank, soweit dieser als Bezugsgröße für Zinsen und andere Leistungen in Rechtsvorschriften galt, mit Wirkung vom 01.01.2002 der Basiszins gem. § 247 BGB getreten ist (vgl. Art. 229 § 7 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB), war die Bezugsgröße in § 12 Nr. 2 AB-Sach ’95 – im Wege ergänzender Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) – entsprechend anzupassen.
82Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 101, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
83Eine Zulassung der Revision ist in Ermangelung der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht veranlasst. Die Rechtssache weist weder grundsätzliche Bedeutung auf noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer seit Mai 2008 bestehenden Fahrzeugvollversicherung für seinen PKW geltend. Das Fahrzeug wurde bei einem Verkehrsunfall am 13. Juli 2008 gegen 7.15 Uhr beschädigt, als es in einer leichten Linkskurve nach links von der Fahrbahn abkam und gegen einen Laternenpfahl prallte. Eine dem Kläger um 8.40 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 2,70 Promille. Im Strafverfahren wurde der Kläger wegen fahrlässigen Vollrauschs verurteilt. Er ließ das Fahrzeug reparie- ren und nimmt die Beklagte abzüglich der Selbstbeteiligung von 300 € auf Zahlung von 6.422,43 € nebst außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie Zinsen in Anspruch. Er behauptet, er könne sich nicht mehr an den Vorfall erinnern und wisse nicht, ob er das Fahrzeug geführt habe. Jedenfalls sei er schuldunfähig gewesen. Auch komme eine vollständige Leistungskürzung nach § 81 Abs. 2 VVG nicht in Betracht.
- 2
- Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 4
- I. Dieses hält einen Anspruch des Klägers für nicht gegeben, weil dieser den Versicherungsfall gemäß § 81 Abs. 2 VVG grob fahrlässig herbeigeführt habe. Die Fahrereigenschaft des Klägers stehe aufgrund der von der Beklagten in der Berufungsinstanz vorgetragenen und unstreitig gebliebenen Umstände fest. Der dem Kläger nach § 827 BGB obliegende Beweis, dass er den Unfall in schuldunfähigem Zustand verursacht habe, sei nicht geführt. Aus dem gemäß § 411a ZPO verwerteten Sachverständigengutachten ergebe sich, dass der Gutachter einen Vollrausch des Klägers zwar nicht ausgeschlossen habe, ihn aber auch nicht sicher habe feststellen können. Bei der vom Sachverständigen ermittelten Blutalkoholkonzentration im Unfallzeitpunkt von 3,18 Promille sei zu berücksichtigen, dass im Strafverfahren bei der Rückrechnung ein möglichst hoher Wert habe errechnet werden müssen. Selbst wenn man von einem derartigen Wert ausgehe, folge hieraus nach den Feststellungen des Sachverständigen keine Schuldunfähigkeit. Auch das für grobe Fahrlässigkeit in subjektiver Hinsicht erforderliche gesteigerte Verschulden sei gegeben. Bei der auf dieser Grundlage vorzunehmenden Quotenbildung nach § 81 Abs. 2 VVG sei eine Kürzung um 100% zulässig. Dem stehe der Wortlaut der Norm nicht entgegen. Auch sei es mit dem Ziel des Gesetzes, die Kürzungsquote am individuellen Verschulden zu orientieren , vereinbar, in Fällen, in denen die grobe Fahrlässigkeit fast so schwer wiege wie vorsätzliches Handeln, eine vollständige Leistungskürzung vorzunehmen. Beim Führen eines Kraftfahrzeugs in absolut fahruntüchtigem Zustand sei eine Kürzung um 100% gerechtfertigt, da es sich um ein besonders gefahrträchtiges Verhalten handele.
- 5
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
- 6
- 1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht sich die Überzeugung gebildet, dass der Kläger den Unfall als Fahrer des PKW selbst herbeigeführt hat.
- 7
- a) Hierbei hat es sich im Wesentlichen auf die Aussage der im Strafverfahren vernommenen Zeugin S. gestützt, deren Angaben die Beklagte zur Grundlage ihres Vortrags im Berufungsverfahren gemacht hatte. Es hat dazu festgestellt, dass dieser Vortrag unstreitig geblieben ist. Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Gemäß § 314 ZPO liefert der Tatbestand des Urteils Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Hierzu gehört die tatbestandliche Darstellung im Rahmen der Urteilsgründe , die an die Stelle des früheren förmlichen Tatbestandes des Berufungsurteils gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO getreten ist (BGH, Urteil vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434 Rn. 11). Dieser Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll, nicht jedoch durch den Inhalt der Schriftsätze entkräftet werden. Selbst bei einem Widerspruch zwischen ausdrücklichen tatbestandlichen Feststellungen und in Bezug genommenem Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze gehen die tatbestandlichen Feststellungen vor. Eine etwaige Unrichtigkeit derartiger tatbestandlicher Darstellungen im Berufungsurteil kann nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO behoben werden (BGH, Urteile vom 1. Dezember 2008 - II ZR 102/07, BGHZ 179, 71 Rn. 16; vom 8. Januar 2007 aaO). Daran fehlt es hier.
- 8
- b) Ohne Erfolg macht die Revision ferner geltend, die tatrichterliche Würdigung verstoße gegen § 286 ZPO. Das Revisionsgericht hat diese lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie den Sachvortrag und die Beweisergebnisse vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteil vom 22. November 2006 - IV ZR 21/05, VersR 2007, 1429 Rn. 11). Revisionsgerichtlich nachprüfbar ist weiter, ob der Tatrichter seine Anforderungen an den Grad der richterlichen Überzeugungsbildung überspannt hat. Ferner muss das Urteil im Fall des Indizienbeweises die erforderliche zusammenfassende Würdigung und Gesamtschau erkennen lassen. Hier hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass die Zeugin S. nur den Kläger nach dem Unfall an dem Fahrzeug sah, als er mit Bettzeug hantierte und telefonierte. Ferner bemerkte sie, dass der Kläger sich noch einmal in das Fahrzeug setzte und vergeblich versuchte, den Motor zu starten, bevor er sich vom Fahrzeug entfernte. Irgendwelche anderen Personen in unmittelbarer Nähe des verunfallten Fahrzeugs sind weder von der Zeugin S. noch von den übrigen Zeugen wahrgenommen worden.
- 9
- Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe den Inhalt der beigezogenen Ermittlungsakte gehörswidrig unberücksichtigt gelassen, ist nicht ersichtlich, welcher entscheidungserhebliche Vortrag oder Beweisantritt übergangen worden sein sollte. Der Polizeibeamte N. hat im Strafverfahren lediglich angegeben, als der Kläger ihm zu Fuß auf der Straße entgegen gekommen sei, seien dort noch mehrere andere Leute unterwegs gewesen. Ein Anhaltspunkt dafür, dass einer dieser Unbekannten das Fahrzeug statt des Klägers geführt hat, besteht nicht und wird auch vom Kläger nicht geltend gemacht. Auf die Angabe des Zeugen N. , der weitere Zeuge D. S. habe erklärt, nach dem Unfall hätten sich mindestens zwei Personen an dem Fahrzeug des Klägers zu schaffen gemacht, kommt es schon deshalb nicht an, weil der Zeuge D. S. dies in seiner Vernehmung vor dem Strafgericht nicht bestätigt hat. Bei der Gesamtwürdigung der Umstände hat es das Berufungsgericht im Rahmen der tatrichterlichen Überzeugungsbildung für unerheblich gehalten, dass die Zeugin S. den Unfall weder unmittelbar gesehen noch gehört, sondern erst anschließend aus dem Fenster geschaut und den Kläger alleine mit den Fahrzeugschlüsseln am Auto stehen gesehen hat. Wenn das Berufungsgericht sich trotz der theoretischen Möglichkeit, dass auch ein Dritter das Fahrzeug geführt haben könnte, die Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Klägers gebildet hat, ist das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
- 10
- 2. Demgegenüber hält die weitere Auffassung des Berufungsgerichts , der Kläger habe den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 11
- a) Zutreffend geht das Berufungsgericht zunächst davon aus, dass das Führen eines Kraftfahrzeugs in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand grundsätzlich objektiv und subjektiv als grob fahrlässig anzusehen ist (Senatsurteil vom 22. Februar 1989 - IVa ZR 274/87, VersR 1989, 469 unter 4). Auch im Versicherungsvertragsrecht gilt, dass ein Kraftfahrer mit einem Blutalkoholgehalt von 1,1 Promille und höher absolut fahruntüchtig ist (Senatsurteil vom 9. Oktober 1991 - IV ZR 264/90, VersR 1991, 1367 unter II 3).
- 12
- aa) Richtig wird ferner erkannt, dass die Regelung des § 827 Satz 1 BGB entsprechend anzuwenden ist, den Versicherungsnehmer also die Darlegungs- und Beweislast für eine behauptete Unzurechnungsfähigkeit im Zeitpunkt der Herbeiführung des Versicherungsfalles trifft. Das entsprach bereits der Rechtsprechung des Senats zu § 61 VVG a.F. (Senatsurteile vom 29. Oktober 2003 - IV ZR 16/03, VersR 2003, 1561 unter II 2 a; vom 22. Februar 1989 aaO unter 3; vom 23. Januar 1985 - IVa ZR 128/83, VersR 1985, 440 f.). Entsprechendes gilt auch für die Neuregelung des § 81 VVG, der an die Stelle von § 61 VVG a.F. getreten ist und lediglich das Alles-oder-Nichts-Prinzip im Falle der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles abgeschafft hat (MünchKomm -VVG/Looschelders, § 81 Rn. 90; Bruck/Möller/Baumann, VVG 9. Aufl. § 81 Rn. 53; Schwintowski/Brömmelmeyer/Kloth/Neuhaus, VVG 2. Aufl. § 81 Rn. 89 f.; Looschelders/Pohlmann/Schmidt-Kessel, VVG § 81 Rn. 39; a.A. Prölss in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 81 Rn. 34).
- 13
- bb) Fehlerhaft ist hingegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe nicht den ihm obliegenden Beweis geführt, dass er das Kraftfahrzeug in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit geführt hat. Hierbei hat es wesentlichen Vortrag des Klägers sowie in Betracht zu ziehende Indizien nicht berücksichtigt. Der Kläger hat mehrfach unter Beweisantritt eines Sachverständigengutachtens vorgetragen, er habe im Unfallzeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von 3,18 Promille aufgewiesen. Das Berufungsgericht legt nicht dar, aufgrund welcher ihm zukommender Sachkunde es davon ausgeht, dass die Blutalkoholkonzentration deutlich niedriger gelegen hat; konkrete Werte werden von ihm nicht genannt. Auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. P. im Strafverfahren kann es sich schon deshalb nicht stützen, weil Gutachten zur Berechnung eingeschränkter oder vollständiger Schuldunfähigkeit nach §§ 20, 21 StGB im Strafverfahren auf anderer Bewertungsgrundlage als im Zivilverfahren erstellt werden. Abgesehen davon hat auch der Sachverständige im Strafverfahren ausgeführt, beim Kläger habe eine Blutalkoholkonzentration von 2,70 Promille vorgelegen, was nach erfolgter Rückrechnung auf den Unfallzeitpunkt einen Wert von 3,18 Promille ergebe.
- 14
- cc) Dabei stellt eine Blutalkoholkonzentration ab 3,00 Promille lediglich ein Anzeichen für Schuldunfähigkeit dar (vgl. OLG Frankfurt VersR 2000, 883; OLG Köln VersR 1995, 205; OLG Hamm VersR 1992, 818 f.; Halm/Kreuter/Schwab/Stomper, AKB 2008 Rn. 1310). Einen allgemeinen Wert für eine Schuldunfähigkeit infolge Alkoholkonsums gibt es nicht (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1966 - II ZR 156/64, VersR 1967, 125 unter IV bei Werten von 2,5 Promille und weniger). Vielmehr sind sämtliche Indizien zu berücksichtigen wie Angaben des Fahrers gegenüber der Polizei und dem Arzt anlässlich der Blutentnahme, Alkohol- gewöhnung, physische und psychische Konstitution des Fahrers, die an den Tag gelegte Fahrweise, Zeit, Menge und Art der Nahrungsaufnahme.
- 15
- Diese umfassende Würdigung hat das Berufungsgericht unterlassen. Es hat ohne nähere Erläuterung angenommen, der Sachverständige habe der Schuldunfähigkeit entgegenstehende Anhaltspunkte gewonnen. Der Gutachter hat im Strafverfahren ausgeführt, die Blutalkoholkonzentration von 3,18 Promille weise auf eine hochgradige alkoholische Beeinflussung zum Unfallzeitpunkt hin. Das werde auch dadurch bestätigt, dass der Kläger sich nach dem Unfall ausschließlich für den Schaden an seinem Auto interessiert habe. Lediglich der Umstand, dass der Kläger nach Angaben der Zeugin S. am Unfallort telefonierte, kann nach Auffassung des Sachverständigen gegen einen Vollrausch sprechen. Er ist dann zu dem Ergebnis gekommen, ein Vollrausch könne nicht ausgeschlossen werden. Das war für die Feststellungen im Strafverfahren und eine Verurteilung wegen Vollrauschs nach § 323a StGB ausreichend, kann aber für das zivilrechtliche Verfahren nicht genügen.
- 16
- Deshalb wäre das Berufungsgericht verpflichtet gewesen, dem Beweisantrag des Klägers hinsichtlich seiner Schuldunfähigkeit im Unfallzeitpunkt nachzugehen, da eine Reihe weiterer - vom Berufungsgericht nicht in Erwägung gezogener - Indizien vorliegt, die Anhaltspunkte für eine derartige Schuldunfähigkeit begründen können. So wird in dem Blutentnahmeprotokoll vom 13. Juli 2008 der - nach eigenen Angaben nicht alkoholgewöhnte - Kläger mit näherer Begründung als deutlich unter Alkoholeinfluss stehend beschrieben. Weiter hat der Polizeibeamte H. vor dem Strafgericht ausgesagt, der Kläger sei schwer zu verstehen gewesen und habe erheblich unter Alkohol gestanden. Der Poli- zeibeamte N. hat angegeben, der Kläger sei aus seiner Sicht als volltrunken und "direkt als hilflos" zu bezeichnen gewesen.
- 17
- b) Das Berufungsgericht ist anders als das Landgericht und ohne weitere Begründung davon ausgegangen, grob fahrlässiges Handeln des Klägers liege noch nicht darin, dass er keine hinreichenden Maßnahmen getroffen habe, um sich selbst eine Fahrt in alkoholisiertem Zustand unmöglich zu machen. Sollte das Berufungsgericht nach durchgeführter Beweisaufnahme zu dem Ergebnis kommen, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt schuldunfähig war, so wird es erneut zu prüfen haben, ob der Kläger den Versicherungsfall durch ein zeitlich früheres Verhalten grob fahrlässig herbeigeführt hat, als er sich noch in schuldfähigem Zustand befand. Da die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 81 Abs. 2 VVG lediglich an einen Erfolg, nämlich die Herbeiführung des Versicherungsfalles , nicht dagegen an ein bestimmtes Verhalten, etwa das Führen des Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand, anknüpft, kann auf ein zeitlich vorangehendes Verhalten des Versicherungsnehmers abgestellt werden, durch das der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt wird (vgl. auch BGH, Urteil vom 22. August 1996 - 4 StR 217/96, BGHSt 42, 235, 236 f. für den Fall der fahrlässigen Tötung im Straßenverkehr). Rechnet der Versicherungsnehmer schon vor Trinkbeginn oder jedenfalls in einem noch schuldfähigen Zustand damit, dass er später unter Alkoholeinfluss mit seinem Kraftfahrzeug fahren und dabei möglicherweise einen Unfall herbeiführen werde, oder musste er damit rechnen und verschließt er sich dem grob fahrlässig, so setzt der Vorwurf der schuldhaften Herbeiführung des Versicherungsfalles bereits zu diesem früheren Zeitpunkt ein. Dazu bedarf es weder des Rückgriffs auf die Rechtsfigur der actio libera in causa (so noch Senatsurteil vom 22. Februar 1989 - IVa ZR 274/87, VersR 1989, 469 unter 4; OLG Hamm r+s 2001, 55 f.; MünchKomm-VVG/Looschelders aaO Rn. 90-92; Staudinger/Oechsler, BGB [2009], § 827 Rn. 27) noch des Rechtsgedankens des § 827 Satz 2 BGB (BGH, Urteil vom 6. Juli 1967 - II ZR 16/65, VersR 1967, 944 unter III; OLG Köln VersR 1995, 205; Bruck/Möller/Baumann aaO Rn. 53; Looschelders /Pohlmann/Schmidt-Kessel aaO Rn. 39; Veith, VersR 2008, 1580, 1581 f.; vgl. ferner Halm/Kreuter/Schwab/Stomper aaO Rn. 1309).
- 18
- Maßgeblich ist vielmehr, ob und welche Vorkehrungen ein Versicherungsnehmer , der mit einem PKW unterwegs ist und beabsichtigt, Alkohol zu trinken, getroffen hat, um zu verhindern, dass er eine Fahrt in alkoholisiertem Zustand antritt oder fortsetzt, in dessen Verlauf es später zum Eintritt des Versicherungsfalles kommt (vgl. OLG Hamm VersR 1988, 369 f.; Staudinger/Oechsler aaO Rn. 24). Hierzu wird unter anderem der Vortrag des Klägers zu berücksichtigen sein, er habe auf dem Musikfestival in dem PKW schlafen wollen, weshalb er auch Schlafzeug mitgenommen sowie die Rücksitze umgeklappt habe. Weiter wird im Rahmen eines derartigen Pflichtenverstoßes zu prüfen sein, ob der Kläger alle ihm zumutbaren Vorsichtsmaßnahmen ausgeschöpft hat.
- 19
- c) Kann der Kläger den ihm obliegenden Beweis einer völligen Schuldunfähigkeit nicht führen, wird das Berufungsgericht ferner zu beachten haben, dass die Gründe für die erhebliche Beeinträchtigung des Bewusstseins noch unterhalb der Schwelle völliger Unzurechnungsfähigkeit , den Vorwurf grober Fahrlässigkeit jedenfalls im Sinne eines auch subjektiv unentschuldbaren Verhaltens entfallen oder zumindest abmildern lassen können (Senatsurteile vom 29. Oktober 2003 aaO unter II 2 c; vom 22. Februar 1989 aaO unter 4; vom 23. Januar 1985 aaO). Den Versicherer trifft unbeschadet einer entsprechenden Anwendung des § 827 Satz 1 BGB die Beweislast auch für die subjektiven Voraussetzun- gen grober Fahrlässigkeit (Senatsurteile vom 29. Oktober 2003 und vom 23. Januar 1985 aaO). Zwar kann diese trotz erheblich eingeschränkter Einsichts- und Hemmungsfähigkeit zu bejahen sein, wenn ganz elementare Verhaltensregeln verletzt werden, deren Einhaltung auch in diesem Zustand unbedingt erwartet werden muss. So verhält es sich in der Regel bei einer Trunkenheitsfahrt (Senatsurteil vom 22. Februar 1989 aaO). Allerdings können im Einzelfall Anhaltspunkte dafür gegeben sein, dass unterhalb der Schwelle völliger Unzurechnungsfähigkeit eine erhebliche Beeinträchtigung des Bewusstseins im Sinne einer Verminderung der Einsichts- oder Hemmungsfähigkeit vorgelegen hat, die den Vorwurf grober Fahrlässigkeit entfallen lässt.
- 20
- 3. Sollte der Kläger nach den noch zu treffenden Feststellungen den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt haben, so findet für den Umfang des Anspruchs § 81 Abs. 2 VVG Anwendung. Diese durch das Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631) zum 1. Januar 2008 eingeführte Bestimmung besagt, dass der Versicherer bei grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers berechtigt ist, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Anders als die Regelung des § 61 VVG a.F., wonach der Versicherer sowohl bei vorsätzlicher als auch bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles vollständig von der Leistung befreit ist, differenziert § 81 VVG nunmehr zwischen vorsätzlichem und grob fahrlässigem Verhalten des Versicherungsnehmers. Während es nach § 81 Abs. 1 VVG im Falle des vorsätzlichen Verhaltens bei der völligen Leistungsfreiheit des Versicherers bleibt, ist bei grober Fahrlässigkeit nach § 81 Abs. 2 VVG das bisherige Alles-oder-Nichts-Prinzip zugunsten einer Quotierung abgeschafft worden.
- 21
- a) Umstritten ist, ob der Versicherer berechtigt ist, seine Leistung auf Null zu kürzen, oder ob dem Versicherungsnehmer in jedem Fall zumindest ein quotaler Anspruch zusteht. Die hierzu bisher ergangene Rechtsprechung der Instanzgerichte lässt eine vollständige Leistungskürzung seitens des Versicherers auch bei grober Fahrlässigkeit in Einzelfällen zu und nimmt dies überwiegend bei der Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit an (OLG Stuttgart NJW-RR 2011, 185, 186 f.; OLG Hamm VersR 2011, 206; LG Münster VersR 2011, 487 f.; LG Oldenburg r+s 2010, 461, 462; LG Tübingen ZfS 2010, 394 f.; AG Bühl SVR 2009, 424 f.; AG Bitterfeld-Wolfen vom 19. August 2010 - 7 C 1001/09, juris). Das entspricht der herrschenden Auffassung im Schrifttum (MünchKomm -VVG/Looschelders aaO Rn. 125; Bruck/Möller/Baumann aaO Rn. 127; HK-VVG/Karczewski, § 81 Rn. 99; ders. in Festschrift 300 Jahre Oberlandesgericht Celle, 2011, S. 303, 313 f.; Looschelders/Pohlmann/ Schmidt-Kessel aaO Rn. 85; Schwintowski/Brömmelmeyer/Kloth/ Neuhaus aaO Rn. 62; Stiefel/Maier/Halbach, AKB 18. Aufl. § 81 Rn. 27; Schimikowski, Versicherungsvertragsrecht 4. Aufl. Rn. 266; Burmann /Heß/Stahl, Versicherungsrecht im Straßenverkehr 2. Aufl. Rn. 571; Nugel, Kürzungsquoten nach dem VVG Rn. 7; ders. MDR 2010, 597; jurisPR -VerkR 24/2010 Anm. 2 zum Berufungsurteil des OLG Dresden vom 15. September 2010; anders noch in MDR 2008, 1320, 1323 f.; Rixecker, ZfS 2009, 5, 6 f.; 2007, 15, 16; Looschelders, VersR 2008, 1, 6; Veith, VersR 2008, 1580, 1583 f.; Franz, VersR 2008, 298, 304 f.; Weidner/ Schuster, r+s 2007, 363, 364; Günther, r+s 2009, 492, 495 f.; Günther/ Spielmann, r+s 2008, 133, 141 f.; Wenker, jurisPR-VerkR 5/2011 Anm. 2 zu LG Oldenburg, Urteil vom 24. September 2010; so auch Felsch, r+s 2007, 485, 492 zu § 28 VVG; ders. in HK-VVG § 28 Rn. 160). Auch der sogenannte "Goslarer Orientierungsrahmen" geht für die Fälle alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit von einer Leistungskürzung um 100% aus (ZfS 2010, 12, 14).
- 22
- b) Die Gegenansicht vertritt die Auffassung, bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles komme ein vollständiger Wegfall der Leistungspflicht des Versicherers nicht in Betracht (KG VersR 2011, 487; Marlow, VersR 2007, 43, 45; Marlow/Spuhl, Das Neue VVG kompakt 3. Aufl. S. 157 f.; Schimikowski/Höra, Das neue Versicherungsvertragsgesetz S. 148; Rokas, VersR 2008, 1457, 1462; Kerst, VW 2010, 501; Halm/Kreuter/Schwab/Stomper aaO Rn. 1096-1100). Der Begriff der Leistungskürzung in § 81 Abs. 2 VVG beinhalte, dass schon begrifflich ein gewisser Restanspruch des Versicherungsnehmers verbleiben müsse. Eine vollständige Leistungsfreiheit sei vom Gesetzgeber ausdrücklich nur für den Fall vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles in § 81 Abs. 1 VVG vorgesehen worden. Der Absicht des Gesetzgebers habe es gerade entsprochen, im Bereich der groben Fahrlässigkeit das Alles -oder-Nichts-Prinzip abzuschaffen. Dies dürfe nicht durch die Zulassung einer Leistungskürzung auf Null unterlaufen werden. In Ausnahmefällen , in denen das Verschulden des Versicherungsnehmers als vorsatznah zu bezeichnen sei, komme eine Leistungskürzung von 90% oder mehr in Betracht.
- 23
- c) Die überwiegende Auffassung trifft zu. § 81 Abs. 2 VVG steht einer vollständigen Leistungskürzung seitens des Versicherers in Einzelfällen nicht entgegen.
- 24
- aa) Zunächst lässt sich aus dem Wortlaut des § 81 VVG nicht entnehmen , dass eine Leistungskürzung auf Null in Fällen grober Fahrläs- sigkeit nicht möglich wäre. Absatz 1 der Vorschrift bestimmt, dass der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeigeführt hat. Nach Absatz 2 ist der Versicherer, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat, berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Die Vorschrift enthält mithin keine Regelung dahingehend, dass eine vollständige Leistungsfreiheit des Versicherers nur bei vorsätzlichem Handeln des Versicherungsnehmers möglich ist, bei grober Fahrlässigkeit dagegen immer mindestens eine Restquote zuzusprechen wäre.
- 25
- bb) Auch die Entstehungsgeschichte von § 81 Abs. 2 VVG belegt nicht, dass ein vollständiger Wegfall der Leistungspflicht des Versicherers in Einzelfällen nicht in Betracht käme. So heißt es im Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 19. April 2004 auf S. 70: "Die Überlegungen, die Abschaffung des Alles-oder-NichtsPrinzips führe zur Rechtsunsicherheit und sei mit dem Präventionsgedanken sowie den Interessen der sorgfältigen Mitglieder der Versichertengemeinschaft nicht vereinbar, sind im Ergebnis nicht durchschlagend. … Dem berechtig- ten Interesse, das subjektive und das moralische Risiko zu begrenzen, wird schließlich dadurch Rechnung getragen, dass die Quotelung im Einzelfall auch zur vollständigen Leistungsfreiheit des Versicherers führen kann."
- 26
- Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 20. Dezember 2006 wird in der Begründung zwar diese Möglichkeit vollständiger Leistungskürzung nicht ausdrücklich erwähnt, wenn es dort heißt (BT-Drucks. 16/3945 S. 80): "Bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles soll wie in dem Fall einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung (§ 28 Abs. 2 VVG-E) oder Gefahrerhöhung (§ 26 Abs. 1 VVG-E) das Alles-oder-nichts-Prinzip durch eine Quotelung ersetzt werden, um im Einzelfall Entscheidungen zu ermöglichen, die den jeweiligen Schutzinteres- sen des Versicherungsnehmers Rechnung tragen …. Der Umfang der Leistungspflicht bestimmt sich daher nach dem Grad des Verschuldens. Für das Ausmaß der Leistungsfreiheit des Versicherers ist entscheidend, ob die grobe Fahrlässigkeit im konkreten Fall nahe beim bedingten Vorsatz oder aber eher im Grenzbereich zur einfachen Fahrlässigkeit liegt."
- 27
- Hieraus kann aber nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber anders als der Kommissionsbericht die Möglichkeit einer vollständigen Leistungskürzung bei grober Fahrlässigkeit ausschließen wollte.
- 28
- cc) Vielmehr spricht umgekehrt die Systematik des Gesetzes dafür , dass der Gesetzgeber sich der Problematik bewusst war. So enthielt der Entwurf zu der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten in § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG zunächst die Regelung, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit "nur" leistungsfrei ist, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Aus dieser Formulierung hätte der Schluss gezogen werden können, dass im Falle einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG eine vollständige Leistungsfreiheit ausscheidet. Im Anschluss an Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren ist sodann auf Initiative des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages das Wort "nur" gestrichen worden. Diesbezüglich heißt es in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 16/5862 S. 99): "Zu § 28 Abs. 2 Der Zusatz des Wortes 'nur' ist überflüssig und soll deshalb gestrichen werden. Dies entspricht auch der Fassung des § 81 Abs. 1, der ebenfalls die Leistungsfreiheit des Versicherers betrifft. In Anbetracht der inhaltlichen Parallelen soll die Formulierung in beiden Bestimmungen weitgehend identisch sein."
- 29
- Das lässt allein den Schluss zu, dass der Gesetzgeber, da es an einer entsprechenden einschränkenden Regelung in § 81 Abs. 1 VVG fehlt, eine vollständige Leistungskürzung bei grober Fahrlässigkeit nicht ausschließen wollte (hierzu auch Bruck/Möller/Baumann aaO Rn. 127; Nugel aaO Rn. 10-12; Rixecker, ZfS 2009, 1, 6 f.).
- 30
- dd) Auch der Sinn und Zweck der Abschaffung des Alles-oderNichts -Prinzips in § 81 Abs. 2 VVG zwingt nicht dazu, eine vollständige Leistungsfreiheit des Versicherers in Einzelfällen für nicht zulässig zu erachten. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Schweregrad der groben Fahrlässigkeit sich dem Vorsatz annähert, so dass eine Leistungskürzung auf Null gerechtfertigt ist. Der Unterschied zur Leistungsfreiheit bei Vorsatz bleibt dennoch bestehen. Nach § 81 Abs. 1 VVG ist der Versicherer bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles kraft Gesetzes von der Verpflichtung zur Leistung frei. Bei grober Fahrlässigkeit ist demgegenüber eine Abwägung erforderlich, die zu unterschiedlichen Quotierungen, im Einzelfall auch zu einer Kürzung auf Null führen kann (Bruck/Möller/Baumann aaO Rn. 127). Umgekehrt kann in besonders gelagerten Fällen eine Leistungskürzung vollständig entfallen (Bruck/Möller/Baumann aaO Rn. 128; Nugel aaO Rn. 16; Looschelders , VersR 2008, 1, 6).
- 31
- ee) Die Gegenauffassung, die jede Kürzung auf Null selbst in gravierenden Fällen grober Fahrlässigkeit ablehnt, lässt ihrerseits Kürzungen bis 99% zu (vgl. Halm/Kreuter/Schwab/Stomper aaO Rn. 1097; Kerst aaO; Marlow/Spuhl aaO S. 158). Sie veranlasst damit die Praxis zu gekünstelt wirkenden Quotenbildungen, um das Verdikt einer vollständigen Leistungskürzung zu vermeiden.
- 32
- ff) Eine Leistungskürzung des Versicherers auf Null ist allerdings nur in besonderen Ausnahmefällen möglich (Nugel aaO Rn. 15; MünchKomm -VVG/Looschelders aaO § 81 Rn. 125; Rixecker, ZfS 2009, 5, 6 f.). Das kann etwa in Betracht kommen bei der Herbeiführung des Versicherungsfalles im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit, da sich derartige Fälle in der Regel im Grenzgebiet zwischen grober Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz bewegen (Rixecker aaO). Das Führen eines Kraftfahrzeugs in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt (Senatsurteile vom 22. Februar 1989 aaO unter 4; vom 23. Januar 1985 aaO). Bei den meisten Kraftfahrern pflegen die Einsichtsfähigkeit und die Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, in Bezug auf die Trunkenheitsfahrt auch bei einem hohen Grad der Alkoholisierung noch vorhanden zu sein. Entsprechend lagen den bisherigen Gerichtsentscheidungen zu § 81 Abs. 2 VVG, die eine vollständige Leistungskürzung gebilligt haben, durchweg Sachverhalte zugrunde, bei denen der Versicherungsfall durch den Versicherungsnehmer im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit herbeigeführt wurde (OLG Stuttgart NJW-RR 2011, 185; LG Münster VersR 2011, 487 f.; LG Tübingen ZfS 2010, 394 f.; LG Oldenburg r+s 2010, 461; AG Bühl SVR 2009, 424 f.; AG Bitterfeld -Wolfen aaO).
- 33
- Allerdings ist immer eine Abwägung der Umstände des Einzelfalles erforderlich, so dass nicht pauschal in jedem Fall absoluter Fahruntüchtigkeit eine Leistungskürzung auf Null vorzunehmen ist. Hat der Versicherungsnehmer entlastende Umstände vorgetragen, die den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit jedenfalls im subjektiven Bereich in milderem Licht erscheinen lassen und kann der Versicherer diese nicht ausräumen , so kommt nur eine anteilige Kürzung und keine vollständige Leistungsfreiheit in Betracht. Das wird das Berufungsgericht zu beachten haben , wenn nach Erhebung der erforderlichen Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Klägers und zur groben Fahrlässigkeit der Umfang der Kürzung nach § 81 Abs. 2 VVG zu prüfen sein sollte.
Dr. Karczewski Lehmann
Vorinstanzen:
LG Chemnitz, Entscheidung vom 26.02.2010 - 4 O 1277/09 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 15.09.2010- 7 U 466/10 -