Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 05. Mai 2014 - 1 Vollz (Ws) 158/14


Gericht
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, soweit der Betroffene sich gegen die Zurückweisung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung bezüglich seiner Anträge auf Zurücksetzung des Arbeitsentgelts auf den vorigen Stand und auf Erstattung von Differenzbeträgen richtet.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen.
Soweit die Rechtsbeschwerde zulässig ist, wird sie als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last (§ 121 Abs. 2 StVollzG).
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
1
Gründe
2I.
3Der Betroffene wehrt sich gegen die Berechnung seines Arbeitsentgelts für Gefangenenarbeit nach einer neuen Berechnungsgrundlage, welche zu einem verringerten Einkommen führt.
4Nach den Feststellungen des angefochtenen Beschlusses ist der Betroffene seit dem Jahr 2011 im Eigenbetrieb „Schneiderei“ der JVA X beschäftigt. Bis Juni 2013 wurde er zu Unrecht im Leistungslohn geführt, obwohl er Arbeiten im Zeitlohn verrichtete. Nach einer Neuberechnung des Lohnes (Einordnung Leistungsstufe 5, Zulage 14 %) erhält er seitdem nur noch etwa 312 Euro monatlich vergütet; vorher waren es etwa 500 Euro.
5Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer seine Anträge „das Arbeitsentgelt auf den vorigen Stand zurückzusetzen“, die Differenzbeträge zu erstatten und die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festzustellen, als unbegründet zurückgewiesen. Die Strafvollstreckungskammer führt aus, dass der Betroffene nur einen Anspruch auf rechtmäßige Bezahlung habe und die Anstalt sogar verpflichtet gewesen sei, eine rechtswidrige Verwaltungspraxis zu korrigieren. Auf Ver-trauensschutz könne sich der Betroffene nicht berufen. Das gleichzeitig gestellte Prozesskostenhilfegesuch hat die Strafvollstreckungskammer ebenfalls zurückgewiesen.
6Gegen den Beschluss wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde und beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren. Er meint, die Entscheidung verstoße gegen den Vertrauensschutz- und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Auch die Prozesskostenhilfe sei zu Unrecht verweigert worden.
7II.
8Die Rechtsbeschwerde ist teilweise zulässig.
91.
10Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe richtet, ist es allerdings unzulässig, da die Ablehnung des PKH-Gesuchs unanfechtbar ist (vgl. nur: OLG Hamm, Beschl. v. 04.12.2012 – III – 1 Vollz(Ws) 672/12).
112.
12Auch soweit sich das Rechtsmittel gegen die Zurückweisung des Antrages auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme richtet ist es unzulässig, da schon der zu Grunde liegende Antrag auf gerichtliche Entscheidung unzulässig war, was vom Rechtsbeschwerdegericht als Verfahrensvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen ist. Hinsichtlich des Feststellungsantrages liegt kein Feststellungsinteresse vor, da der Betroffene über seine Verpflichtungsanträge hinreichend Rechtsschutz erhalten kann.
133.
14Die Rechtsbeschwerde ist im Übrigen zulässig. Sie war zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, da – soweit ersichtlich – zum Widerruf einer Einstufung der Bezahlungsweise nach dem Leistungslohn und Umgruppierung in den Zeitlohn und zu den damit verbundenen Fragen des Vertrauensschutzes noch keine obergerichtlichen Entscheidungen vorliegen.
15III.
16Die Rechtsbeschwerde ist – soweit sie zulässig ist – unbegründet.
17Der Senat sieht – möglicherweise in Abweichung von der Strafvollstreckungskammer – das Begehren des Betroffenen nicht darauf gerichtet, dass dieser die konkrete Berechnung der neuen Vergütung im Zeitlohn angreift, sondern darauf, dass er sich gegen die Umstufung seiner Tätigkeit von einer (mit höheren Verdienstmöglichkeiten verbundenen) Leistungslohntätigkeit in eine (mit minderen Verdienstmöglichkeiten verbundenen) Zeitlohntätigkeit wendet.
18Die Vergütung von Gefangenenarbeit kann im Zeitlohnsystem oder im Leistungslohnsystem erfolgen (Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 43 Rdn. 8). Ist die Einstufung der Tätigkeit eines Gefangenen einmal erfolgt, so handelt es sich, wenn sie – bei gleichbleibendem Charakter der Tätigkeit – nunmehr umgestuft wird in die jeweils andere Entlohnungsart, weil die Fehlerhaftigkeit der vorherigen Einstufung erkannt wurde, um eine Rücknahme einer begünstigenden Maßnahme, welche rechtlich entsprechend § 14 StVollzG i.V.m. § 48 VwVfG – insbesondere den dort genannten Vertrauensschutzgesichtspunkten - zu bewerten ist (vgl. KG Berlin NStZ 2002, 336; BVerfG NStZ 1994, 100; Arloth a.a.O. § 14 Rdn. 5).
19Da es sich bei der Rücknahme einer begünstigenden Maßnahme um eine Ermessensentscheidung handelt, kann der Senat nicht sein Ermessen an die Stelle der Strafvollzugsanstalt stellen, sondern deren Entscheidung nur auf Ermessensfehler überprüfen. Nach den Feststellungen im angefochtenen Beschluss hat die Vollzugsbehörde Vertrauensschutzbelange des Betroffen in ihre Erwägungen einbezogen, nämlich der Art, dass ausdrücklich eine Rückzahlung in der Vergangenheit eingetretener Überzahlungen nicht erfolgen soll. Dass darüber hinaus dem Vertrauen des Betroffenen ein höheres Gewicht eingeräumt werden müsste als dem öffentlichen Interesse an der Rückkehr zu einer rechtmäßigen Verwaltungspraxis, ist nicht erkennbar. Die Einstufung in die Lohnart beinhaltet als solche keine einmalige oder laufende Geldleistung (vgl. § 48 Abs. 2 S. 1 VwVfG) und begründet als solche auch noch nicht einmal einen bestimmten Gehaltsanspruch, sondern nur einen Anspruch auf eine bestimmte Abrechnungsmodalität. Dass der Betroffene irgendwelche Dispositionen im Hinblick auf die bisherige Einstufung getroffen hätte, ist nicht erkennbar. Ohne, dass es darauf entscheidend ankäme, ist darauf hinzuweisen, dass noch nicht einmal erkennbar ist, ob nicht der Betroffene selbst von der Unrechtmäßigkeit der bisherigen Abrechnungspraxis wusste.
20IV.
21Mangels Aussicht auf Erfolg in der Hauptsache war auch des Prozesskostenhilfegesuch für die Rechtsbeschwerdeinstanz zurückzuweisen (§ 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. § 114 ZPO).

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(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind.
(2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen. Hat sich die Maßnahme vor einer Entscheidung nach Absatz 1 in anderer Weise als durch Zurücknahme des Antrags erledigt, so entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen nach billigem Ermessen.
(3) Bei erstinstanzlichen Entscheidungen des Gerichts nach § 119a fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last. Absatz 2 Satz 2 gilt nicht im Falle des § 115 Abs. 3.
(4) Im übrigen gelten die §§ 464 bis 473 der Strafprozeßordnung entsprechend.
(5) Für die Kosten des Verfahrens nach den §§ 109ff. kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 43 Abs. 2 übersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Kommt die Behörde in den Fällen des § 114 Absatz 2 Satz 2 sowie des § 115 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 der ihr in der einstweiligen Anordnung oder im Beschluss auferlegten Verpflichtung nicht nach, gilt § 172 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Im Übrigen sind die Vorschriften der Strafprozessordnung und die auf der Grundlage des § 32a Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 Nummer 6, des § 32b Absatz 5 und des § 32f Absatz 6 der Strafprozessordnung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend anzuwenden, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt.
(2) Auf die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.