Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 11. Feb. 2016 - I-20 W 14/16
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18.01.2016 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragsgegner zu tragen.
1
Gründe:
2I.
3Durch Beschluss vom 23.09.2015 hat das Landgericht auf Antrag der Antragstellerin ohne Anhörung der Antragsgegner die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens im Wege des selbständigen Beweisverfahrens zur Klärung der Frage angeordnet, ob auf einem näher bezeichneten Messestand der Antragsgegnerin zu 1) Software vorhanden ist, die der Software „X“ der Antragstellerin in konkret benannten Punkten gleicht. Zugleich hat das Landgericht die Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet, bestimmte Maßnahmen im Zuge der Besichtigung durch den Sachverständigen zu dulden und bestimmte Gegenstände an den Sachverständigen herauszugeben sowie eigenmächtige Veränderungen näher bezeichneten Gegenständen zu unterlassen. Namentlich benannte anwaltliche Vertreter der Antragstellerin hat das Landgericht zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diesen und den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner wurde das unter dem 20.11.2015 erstattete, am 27.11.2015 bei Gericht eingegangene Sachverständigengutachten zugeleitet, letzteren mit dem Zusatz, dass Gelegenheit bestehe, zu Geheimhaltungsinteressen der Antragsgegner vorzutragen. Diese legten am 11.12.2015 Widerspruch gegen den Beschluss vom 23.09.2015 ein und beantragten mit Schriftsatz vom gleichen Tage, das Gutachten einstweilen nicht an die Antragstellerin herauszugeben. Diese hatte die Herausgabe fast zeitgleich unter Hinweis darauf, dass sie das Gutachten benötige, um an anderer Stelle ihre rechtlichen Interessen in gebotener Weise wahrzunehmen, beantragt. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 18.01.2016 angeordnet, dass der Antragstellerin das Gutachten zur Kenntnis gegeben wird. Der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde der Antragsgegner hat es nicht abgeholfen.
4II.
5Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
6Der Senat lässt an dieser Stelle ausdrücklich offen, ob der vielfach vertretenen Ansicht zu folgen ist, wonach die Frage der Aushändigung eines im selbständigen Beweisverfahren erstellten Gutachtens an den Antragsteller unabhängig von der Frage zu beurteilen ist, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer solchen Beweiserhebung vorlagen, wenn mit der Anordnung der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens die Anordnung von begleitenden Maßnahmen im Wege der einstweiligen Verfügung erfolgt ist. Die in diesem Zusammenhang von diversen mit Patentstreitigkeiten betrauten Gerichten vertretene Trennung der als solcher gemäß § 490 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht angreifbaren Anordnung des selbständigen Beweisverfahrens von der gleichzeitig erlassenen einstweiligen Verfügung (vgl. BGH GRUR 2010, 318 Rdnr. 14 – Lichtbogenschnürung), deren Gegenstand sich mit der Besichtigung durch den Sachverständigen erledigt haben soll (so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.07.2015 – I-2 W 13/15 – BeckRS 2016, 01681; a.A.: OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.04.2005 – 3 W 482/05 – Rdnr. 11, wonach der Verfügungsanspruch aus § 809 BGB erst nach Durchführung der Besichtigung und Erstellung des Gutachtens als erfüllt angesehen wurde, ein Aushändigungsanspruch aber nicht streitgegenständlich war), erscheint nicht zweifelsfrei. Eine solche Trennung blendet aus, dass die verschiedenen Regelungsinhalte einer entsprechenden Anordnung (selbständiges Beweisverfahren, Besichtigungsverfügung, Aushändigung des Gutachtens) derart miteinander verknüpft sind, dass der eine ohne den anderen nicht denkbar, insbesondere nicht durchführbar und deshalb keine Konstellation gegeben ist, die mit der durch § 490 Abs. 2 Satz 2 ZPO geregelten vergleichbar ist. Im Übrigen bestehen Bedenken auch und gerade im Hinblick auf das Verfassungsgebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), dessen Verletzung unter den Voraussetzungen des § 321a ZPO sogar die Fortsetzung eines an sich schon rechtskräftig beendeten Verfahrens gebietet. Dem Antragsgegner, der zu den Voraussetzungen des Erlasses einer solchen kombinierten Anordnung nicht angehört worden ist, bleibt nach der geschilderten Ansicht zur Verhinderung der Aushändigung des Gutachtens nur, Geheimhaltungsinteressen geltend zu machen. Ansonsten wird das Gutachten, gleichgültig ob es eine Schutzrechtsverletzung bestätigt oder nicht, an den Antragsteller ausgehändigt und dies auch dann, wenn er die Kosten des Verfügungsverfahrens tragen muss, weil sich nachträglich herausgestellt hat, dass die Voraussetzungen für die Anordnung nicht vorlagen. Den Antragsgegner in diesem Fall auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach § 945 ZPO zu verweisen, ist unbefriedigend, weil eine von der Gegenseite erlangte Kenntnis nicht rückgängig gemacht werden kann. Ebenso unbefriedigend ist es, den Antragsteller darüber zu informieren, dass er zwar berechtigte Ansprüche hat, diese aber nicht mit Hilfe des erlangten Gutachtens durchsetzen kann, da letzteres einem Beweisverwertungsverbot unterliegt (so auch KG GRUR-RR 2001, 118 (119)).
7Selbst wenn man davon ausgeht, dass vor einer Aushändigung des Gutachtens an den Antragsteller die Einwendungen des Antragsgegners gegen die Anordnung als solche zu prüfen sind, können die Antragsgegner mit ihrem Begehren vorliegend aber nicht durchdringen. Denn ein Antragsgegner, der solche Einwendungen geltend machen will, ist darauf zu verweisen, diese zeitnah nach Erlangung der Kenntnis von der Anordnung, im Regelfall nach der ihn überraschenden Besichtigung durch Erhebung des Widerspruchs vorzubringen, damit hierüber zeitnah, möglichst noch vor Vorlage des Gutachtens entschieden werden kann. Ob auch hier die 2-Wochen-Frist einschlägig ist, die der Gesetzgeber im Rahmen der Rüge nach § 321a ZPO normiert hat, kann dahinstehen. Denn die Antragsgegner haben in jedem Fall zu lange zugewartet. Auf den Beschluss vom 23.09.2015 ist noch an demselben Tag die Besichtigung erfolgt. Gleichwohl haben die Antragsgegner erst am 11.12.2015 Widerspruch eingelegt, nachdem ihnen das Gutachten vom 20.11.2015 Anfang Dezember zugegangen war. Die Antragsgegner haben damit ca. 2,5 Monate nach Kenntniserlangung von den Anordnungen mit der Geltendmachung ihrer Einwendungen zugewartet. Dies ist zu lang. Bei einer unverzüglichen Einlegung des Widerspruchs hätte über ihn zu diesem Zeitpunkt schon entschieden sein können. Veranlassung, vor Erhebung des Widerspruchs das Gutachten abzuwarten, bestand nicht, da die geltend gemachten Einwendungen gegen den Beschluss vom 23.09.2015 mit dem Ergebnis der Begutachtung nichts zu tun haben. Es dem Antragsgegner zu ermöglichen, durch eine Verzögerung der Widerspruchserhebung die Herausgabe des Gutachtens zu verzögern, widerspricht der in der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorgesehenen Beschleunigungsmaxime.
8Geheimhaltungsinteressen im Sinne des § 101a Abs. 3 Satz 2 UrhG werden nicht geltend gemacht.
9III.
10Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht durch Beschluss.
(2) In dem Beschluss, durch welchen dem Antrag stattgegeben wird, sind die Tatsachen, über die der Beweis zu erheben ist, und die Beweismittel unter Benennung der zu vernehmenden Zeugen und Sachverständigen zu bezeichnen. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.
Wer gegen den Besitzer einer Sache einen Anspruch in Ansehung der Sache hat oder sich Gewissheit verschaffen will, ob ihm ein solcher Anspruch zusteht, kann, wenn die Besichtigung der Sache aus diesem Grunde für ihn von Interesse ist, verlangen, dass der Besitzer ihm die Sache zur Besichtigung vorlegt oder die Besichtigung gestattet.
(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht durch Beschluss.
(2) In dem Beschluss, durch welchen dem Antrag stattgegeben wird, sind die Tatsachen, über die der Beweis zu erheben ist, und die Beweismittel unter Benennung der zu vernehmenden Zeugen und Sachverständigen zu bezeichnen. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.
(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn
- 1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.
Erweist sich die Anordnung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt oder wird die angeordnete Maßregel auf Grund des § 926 Abs. 2 oder des § 942 Abs. 3 aufgehoben, so ist die Partei, welche die Anordnung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel oder dadurch entsteht, dass er Sicherheit leistet, um die Vollziehung abzuwenden oder die Aufhebung der Maßregel zu erwirken.
(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn
- 1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.
(1) Wer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Vorlage einer Urkunde oder Besichtigung einer Sache in Anspruch genommen werden, die sich in seiner Verfügungsgewalt befindet, wenn dies zur Begründung von dessen Ansprüchen erforderlich ist. Besteht die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer in gewerblichem Ausmaß begangenen Rechtsverletzung, erstreckt sich der Anspruch auch auf die Vorlage von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen. Soweit der vermeintliche Verletzer geltend macht, dass es sich um vertrauliche Informationen handelt, trifft das Gericht die erforderlichen Maßnahmen, um den im Einzelfall gebotenen Schutz zu gewährleisten.
(2) Der Anspruch nach Absatz 1 ist ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist.
(3) Die Verpflichtung zur Vorlage einer Urkunde oder zur Duldung der Besichtigung einer Sache kann im Wege der einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 bis 945 der Zivilprozessordnung angeordnet werden. Das Gericht trifft die erforderlichen Maßnahmen, um den Schutz vertraulicher Informationen zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die einstweilige Verfügung ohne vorherige Anhörung des Gegners erlassen wird.
(4) § 811 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie § 101 Abs. 8 gelten entsprechend.
(5) Wenn keine Verletzung vorlag oder drohte, kann der vermeintliche Verletzer von demjenigen, der die Vorlage oder Besichtigung nach Absatz 1 begehrt hat, den Ersatz des ihm durch das Begehren entstandenen Schadens verlangen.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)