Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 25. Feb. 2014 - I-1 U 56/13
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels des Beklagten das am 18. April 2013 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.829,73 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. März 2010 zu zahlen.
Der Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger von Sachverständigenkosten i.H.v. 1.788,22 € freizustellen.
Zudem wird der Beklagte verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 899,40 € brutto freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
2Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache mit dem Hauptantrag im vollen Umfang Erfolg.
3Er macht zu Recht geltend, dass das Landgericht seine Anspruchsberechtigung zu Unrecht im Umfang von 20 % gekürzt hat. Zwar ist in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend dargelegt, der Kläger könne nicht nachweisen, dass sich der Kreuzungszusammenstoß am 18. Oktober 2009 für seinen Fahrer, den Zeugen Y., als ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 StVG darstellte. Jedoch fällt die von dem klägerischen Pkw ausgegangene Betriebsgefahr in Anbetracht der groben Vorfahrtverletzung des Versicherungsnehmers der Beklagten, des Zeugen K., nicht mehr in einer eine anteiligen Eigenhaftung begründenden Weise ins Gewicht.
4Darüber hinaus bestandet der Kläger zu Recht, dass wegen der nachgewiesenen Reparatur seines unfallgeschädigten Pkw Mercedes Benz CLK 500 das Landgericht zu Unrecht eine Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des klagegegenständlichen Nutzungsausfallschadens verneint hat. Zudem gilt es, eine offenbare Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils zu korrigieren. Obwohl das Landgericht dem Kläger das Recht zuerkannt hat, hinsichtlich der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten Freistellung in der Höhe eines angenommenen Gebührenanspruchs von 775,65 € zu verlangen, hat eine derartige Leistungsverpflichtung keinen Eingang in den Tenor gefunden. Zudem muss sich der Freistellungsanspruch auf einen höheren Gebührenbetrag als durch das Landgericht angenommen, nämlich auf die Summe von 899,40 € beziehen, da der dem Kläger zustehende Schadensersatzanspruch einen größeren Umfang annimmt als durch das Landgericht festgesetzt.
5Dem Rechtsmittel des Beklagten bleibt indes der Erfolg versagt.
6Seine Einwendungen gegen die durch das Landgericht angenommenen anspruchsbegründenden Voraussetzungen einer Schadensersatzforderung auf der Rechtsgrundlage der §§ 7, 17, 18 StVG in Verbindung mit § 115 VVG sind im Ergebnis unbegründet. Dies gilt sowohl hinsichtlich der durch das Landgericht bejahten Authentizität des Schadensereignisses im Sinne des zufälligen Zusammenstoßes zweier Verkehrsteilnehmer in einer Vorfahrtsituation als auch im Hinblick auf die feststehende Kompatibilität der dabei eingetretenen Fahrzeugschäden. Der Beklagte bleibt für die Richtigkeit seiner Behauptung beweisfällig, bei dem streitgegenständlichen Vorfall handele es sich um einen Fall der Unfallmanipulation, aufgrund dessen der Kläger in die Beschädigung seines Fahrzeuges zum Zwecke der Begehung eines Versicherungsbetruges eingewilligt habe.
7Entgegen dem Rechtsmittelvorbringen des Beklagten lässt sich nach dem unfallanalytischen Gutachten auch nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass den Zeugen Y. ein Mitverschulden an der Entstehung des Kreuzungszusammenstoßes mit der Folge einer allenfalls 50 %igen Anspruchsberechtigung des Klägers trifft. Es gibt keine hinreichend sichere Tatsachengrundlage für die Annahme, dass sich der Zeuge in der verkehrsberuhigten Zone mit einer solch überhöhten Ausgangsgeschwindigkeit genähert hat, dass diese sich mit unfallursächlich ausgewirkt hat und dass der Zeuge bei Einhaltung des zulässigen Annäherungstempos von 7 km/h den Unfall hätte vermeiden können.
8Letztlich gehen auch die durch den Beklagten erhobenen Einwendungen gegen die Höhe des ersatzfähigen Fahrzeugschadens fehl. Vielmehr macht der Kläger mit seiner Berufung zu Recht geltend, dass diese den Umfang erreichen, der sich aus dem durch ihn vorgelegten Kfz-Schadensgutachten des Sachverständigenbüros E.-T. (12.614,73 € netto) ergeben. Entgegen der Annahme des Landgerichts ist der Kläger nicht gehalten, sich mit dem geringeren Reparaturkostenbetrag von 9.951,68 € netto abfinden zu lassen, der sich aus dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. T. vom 27. Oktober 2011 ergibt. Denn dieser Betrag beruht nicht auf den maßgeblichen Verrechnungsansätzen einer, bezogen auf den klägerischen Pkw Mercedes Benz CLK 500, markengebundenen Fachwerkstatt, sondern auf den durch den Sachverständigen ermittelten durchschnittlichen Verrechnungssätzen ortsansässiger Karosseriefachwerkstätten.
9Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:
10I.
111 )
12Gemäß § 529 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinne ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen (BGH NJW 2006, 152 mit Hinweis auf BGHZ 159, 254, 258).
132 )
14Derartige Zweifel sind in Bezug auf die Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil – was die Anspruchsberechtigung des Klägers dem Grunde nach anbelangt – nicht gegeben. Die insoweit durch die Beklagte gegen die Richtigkeit der landgerichtlichen Beweiswürdigung vorgebrachten Einwendungen gehen fehl. Entgegen der Begründung der angefochtenen Entscheidung ist der Kläger allerdings im Umfang von 100 % anspruchsberechtigt - und zwar bezogen auf alle Schadenspositionen, die Gegenstand seines Hauptantrages sind (Instandsetzungskosten, Kostenpauschale sowie Nutzungsausfallentschädigung).
153 )
16Der Beklagte beanstandet zu Unrecht, dass nach der Feststellung des Landgerichts der Kläger der aktivlegitimierte Eigentümer des Pkw Mercedes Benz CLK 500 mit dem amtlichen Kennzeichen WES - ist, der durch das Kollisionsereignis vom 18. Oktober 2009 geschädigt wurde.
17a )
18Die Eigentümerstellung des Klägers ergibt sich aus dem in Fotokopie vorgelegten Kaufvertrag vom 30. Juni 2009 (Bl. 76 d.A.) in Verbindung mit der Aussage des Voreigentümers, des Zeugen D.. Dieser hat anlässlich seiner Vernehmung im Termin vom 16. August 2012 (Bl. 312 ff. d.A.) den Kaufvertrag als seinerzeit durch ihn ausgefüllt wiedererkannt; er konnte den Familiennamen des Klägers mit dem Kauf des in Rede stehenden Fahrzeuges in Verbindung bringen. Darüber hinaus wusste er zu berichten, dass als Käufer „ein älterer Herr“ erschienen war, der von mindestens einer weiteren jüngeren Person begleitet wurde. Bei dieser Person handelte es sich um den Zeugen Y., wie sich aus dessen Aussage im Termin vom 16. August 2012 ergibt (Bl. 302 d.A.).
19b )
20Zwar steht nach der weiteren Darstellung dieses Zeugen auch fest, dass der Kläger selbst als ein gesundheitlich schwer angeschlagener älterer Mann (Gehirntumor-Operation, Alzheimer-Erkrankung) den seinerzeit für sich erworbenen Pkw zwischenzeitlich nicht mehr nutzen kann. Deshalb hat der Zeuge Y. den Wagen nunmehr zu seiner alleinigen Verfügung. Er nutzt ihn u.a. auch für familiäre Zwecke, insbesondere um den Kläger zu Arztterminen zu bringen und diesen mit Medikamenten zu versorgen. Diese Sachlage ändert indes nichts daran, dass der Kläger entsprechend der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief, Bl. 77 d.A.) Eigentümer des Wagens geblieben ist.
214 )
22Darüber hinaus ist erwiesen, dass es zu der angegebenen Zeit an dem angegebenen Ort, und zwar im Kreuzungsbereich Zechenstraße/Steinstraße in Dinslaken, zu der Kollision zwischen dem durch den Zeugen Y. gesteuerten klägerischen Pkw Mercedes Benz CLK 500 und dem seitens des Zeugen K. geführten Pkw Mercedes Benz C 200 gekommen ist und dass dabei die Fahrzeugschäden mit dem klagegegenständlichen Instandsetzungsaufwand entstanden sind.
23a )
24Über das Schadensereignis verhält sich die durch den Zeugen W.udtke gefertigte Unfallmitteilung (Bl. 5 d.A.) in Verbindung mit der ebenfalls durch diesen verfassten Unfallanzeige vom 18. Oktober 2009 (Bl. 38 d.A.). Der Zeuge hat bei seiner Befragung im Termin vom 28. März 2013 (Bl. 341 ff. d.A.) angegeben, sich noch gut an das Schadensereignis erinnern zu können, weil dies als spektakulär in seinem Gedächtnis geblieben ist. Er hat anschaulich bekundet, dass vom Erscheinungsbild her, insbesondere wegen der Anstoßwucht, ihn der Zusammenstoß mehr an einen Unfall auf einer Landstraße als an einen solchen in einer verkehrsberuhigten Zone erinnerte. Darüber hinaus hat er in Übereinstimmung mit dem Klagevorbringen bekundet, dass aus der Annäherungsperspektive des Zeugen K. für diesen die Einsichtsmöglichkeit nach rechts in die Zechenstraße, aus der sich der klägerische Pkw näherte, wegen eines rechts dicht am Kreuzungsbereich geparkten Pkw eines Anwohners eingeschränkt war.
25b )
26Überdies steht auch nach den Bekundungen der Zeugen Y. sowie K. außer Zweifel, dass sie im Kreuzungsbereich zusammengestoßen sind. Aus der Aussage des Zeugen K. ergeben sich nachvollziehbar die Einzelheiten, wie es zu dem durch ihn verschuldeten Unfall kommen konnte. Als Fahranfänger war er mit überhöhter Geschwindigkeit, die der Sachverständige Dipl.-Ing. T. in seinem Gutachten vom 27. Oktober 2011 mit 28 bis 33 km/h eingegrenzt hat, von der Steinstraße kommend auf die Kreuzung mit der Zechenstraße zugefahren. Dies obwohl Fahrzeugführer in dem dortigen verkehrsberuhigten Bereich nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen (Zeichen 325.1 in Abschnitt 4 der Anlage 3 zur Straßenverkehrsordnung). Schrittgeschwindigkeit ist mit einem Maximaltempo in der Größenordnung von 7 km/h in Verbindung zu bringen.
27c )
28Die Tatsache, dass sich der Zeuge K. mit mindestens dem Vierfachen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit angenähert hatte, erklärt die Verwunderung des Zeugen W.. Dieser hatte sich darüber erstaunt gezeigt, dass nach seiner Erinnerung der Pkw K. erst in Höhe einer der Unfallstelle gegenüber liegenden Hauswand zum Stillstand gekommen war. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem Lichtbild Nr. 4 im Gutachten T. vom 27. Oktober 2011. Darüber hinaus hat der Zeuge K. stimmig geschildert, wegen des vorerwähnten rechtsseitig geparkten Pkw erst sehr spät den von rechts kommenden vorfahrtberechtigten Zeugen Y. mit dem klägerischen Pkw wahrgenommen zu haben. Der Zeuge K. hatte die Vorfahrtregelung „rechts vor links“ (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StVO) zu beachten. Das Ausmaß der ihm anzulastenden grob fahrlässigen Pflichtverletzung wird durch den Umstand unterstrichen, dass er nach seinen Worten bei der Annäherung an die Unfallkreuzung „ein bisschen an dem Handy gespielt“ hatte „und deswegen vielleicht auch nicht so aufmerksam war“ (Bl. 338 d.A.). Das leichtfertige Annäherungsverhalten des Zeugen K. erscheint auf den ersten Blick verwunderlich. Es wird aber letztlich auf dem Hintergrund der Tatsache nachvollziehbar, dass er seiner Darstellung gemäß in seiner Eigenschaft als Fahranfänger erst eine sehr begrenzte Fahrpraxis hatte.
295 )
30Der Beklagte dringt nicht mit seinem Einwand durch, das Landgericht habe entgegen ihrer Anregung nicht die Unfallbeteiligten in einem Termin vernommen und so die Möglichkeit vereitelt, den Zeugen potentielle Widersprüchlichkeiten in ihren Aussagen vorzuhalten. Nach der Terminplanung des Landgerichts war beabsichtigt, in der Sitzung vom 16. August 2012 die Zeugin Y. sowie K. in Anwesenheit des Sachverständigen T. zu den Einzelheiten des Schadensereignisses zu befragen. Eine solche umfassende Beweiserhebung ist daran gescheitert, dass der Zeuge K. zum Termin nicht erschienen ist. Verfahrensrechtlich ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht zunächst den erschienen Zeugen Y. zur Sache befragt und dem Sachverständigen Gelegenheit gegeben hat, gezielte Fragen an den Zeugen zu richten. Die noch ausstehende Vernehmung des Zeugen K. ist dann im Termin vom 28. März 2013 nachgeholt worden (Bl. 337 ff. d.A.).
316 )
32Den Ausführungen des Sachverständigen T. in seinem Gutachten vom 27. Oktober 2011 gemäß ist erwiesen, dass die bei dem Kreuzungszusammenstoß auf der Fahrerseite des klägerischen Pkw eingetretenen Schäden kompatibel zu denjenigen sind, die sich frontseitig an dem durch den Zeugen K. gesteuerten Fahrzeug eingestellt hatten.
33a )
34Zusammenfassend hat der Sachverständige in seinem Gutachten dargelegt, der kollisionsbedingte Eintritt der Fahrzeugbeeinträchtigungen sei als plausibel anzusehen (S. 21 des Gutachtens). Er hat dies durch die zeichnerische Rekonstruktion der Anstoßkonfiguration sowie durch die zeichnerische und bildliche Wiedergabe der Fahrzeugschäden anschaulich dargestellt. Die Feststellungen des Sachverständigen beruhen auf Erkenntnissen, die er bei der Gegenüberstellung der Schadensanlagen an den Fahrzeugen gewonnen hat (S. 14-16 des Gutachtens). Bei diesem Abgleich hat er insbesondere Anstoßhöhen und Schadensintensitäten als kompatibel ermittelt.
35b )
36Unbegründet ist die Kritik der Beklagten an der Darlegung im angefochtenen Urteil, der Sachverständige habe plausibel und nachvollziehbar ausgeführt, die Verteilung von Glassplittern der zerstörten Fahrerseitenscheibe des Pkw Mercedes Benz CLK 500 könne durchaus durch den Unfall verursacht worden sein; das Schadensbild spreche nicht für eine anderweitige Verursachung (Bl. 6 UA; Bl. 317 d.A.). Bei seiner Anhörung im Termin vom 16. August 2012 hat der Sachverständige überzeugend unter Vorlage einer Fotosequenz ausgeführt, dass die Splitter des zerschlagenen Glases in alle Richtungen fliegen und dass im Zuge dessen auch die konkrete Möglichkeit besteht, dass Splitterteile auf die Motorhaube gelangen (Bl. 308 d.A.).
37c )
38Zwar vermochte der Sachverständige seine Feststellungen nicht mit letzter Gewissheit zu treffen, was er bei seiner Anhörung im Termin vom 16. August 2012 eingeräumt hat (Bl. 310 d.A.). Dies ist jedoch auf die Tatsache zurückzuführen, dass er die unfallbeteiligten Fahrzeuge nicht in ihrem originären unfallgeschädigten Zustand besichtigen konnte, sondern er für seine Kollisionsanalyse auf Lichtbildmaterial angewiesen war. Nach dem Erfahrungswissen des Senats müssen sich Sachverständige für eine Unfallanalyse in vielen Fällen auf das Lichtbildmaterial der Kollisionsschäden beschränken, weil der originäre Zustand nicht mehr zu besichtigen ist, ohne dass dieser Umstand jedoch einen negativen Einfluss auf die sachliche Richtigkeit und Zuverlässigkeit der gutachterlichen Ausführungen hat.
39d )
40Das Berufungsvorbringen der Beklagten vermittelt den Eindruck, als müsse der Kläger für den Eintritt der streitigen Kollisionsbeschädigungen die Überzeugung absoluter Gewissheit herbeiführen. Ein solches Gewissheitspostulat läuft aber auf eine Überspannung der Beweisanforderung hinaus. Der Richter muss sich vielmehr mit einer persönlichen Gewissheit begnügen, welche den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (Zöller/Greger, Kommentar zur ZPO, 30. Aufl., § 268, Rdnr. 19 mit Hinweis auf BGH NJW 1993, 935, 937 und zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung sowie durch Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass der Kläger den ihm obliegenden Beweis geführt hat.
41II.
42Zum Unfallhergang macht der Kläger zu Recht geltend, dass ihm kein Mitverschulden des Zeugen Y. an der Entstehung des Kreuzungszusammenstoßes in dem durch das Landgericht festgesetzten Umfang von 20 % anspruchsmindernd angelastet werden kann. Insbesondere lässt sich keine Erhöhung der von dem klägerischen
43Pkw ausgegangenen Betriebsgefahr durch eine deutliche Überschreitung der zulässigen Ausgangsgeschwindigkeit feststellen. Erst recht verfängt nicht die Argumentation der Beklagten, die Anspruchsberechtigung des Klägers sei wegen des Mitverschuldens des Zeugen Y. auf 50 % oder auf einen noch geringeren Umfang reduziert. Zwar war das Unfallereignis für den Zeugen Y. zweifellos kein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 StVG. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass die von dem durch ihn gesteuerten Fahrzeug ausgegangene Betriebsgefahr so groß war, dass sie bei der Abwägung aller unfallursächlichen Umstände in Anbetracht der grob verkehrswidrigen und leichtfertigen Vorfahrtverletzung seines Unfallgegners Karatas noch anspruchsmindernd ins Gewicht fällt. Die Beklagte ist deshalb im Umfang von 100 % zum Ausgleich der unfallbedingten Vermögenseinbußen des Klägers verpflichtet.
441 )
45Entsprechend der Geschwindigkeitsangabe des Zeugen K., die Eingang in die polizeiliche Unfallaufnahme gefunden hat (30 km/h), hat der Sachverständige T. in seinem Gutachten vom 27. Oktober 2011 die Kollisionsgeschwindigkeit für den durch den Zeugen gesteuerten Pkw mit 28 bis 33 km/h ermittelt (S. 18 des Gutachtens). Am Kollisionsort haben sich keine Bremsspuren der unfallbeteiligten Fahrzeuge gefunden. Auch der Zeuge K. hat nichts von einer vorkollisionären Abbremsung seines Pkw Mercedes Benz C 200 berichtet. Er war nach seiner Darstellung so mit seinem Mobiltelefon beschäftigt, dass er dem Verkehrsgeschehen bei der Annäherung an die Unfallkreuzung nicht die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet hatte. In überzeugender Weise ist der Sachverständige deshalb zu der Feststellung gelangt, der Zeuge K. habe wegen dessen Unaufmerksamkeit, einer Sichtbehinderung wegen des rechtsseitigen geparkten Fahrzeuges in Verbindung mit einer deutlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (7 km/h) auf die rechtsseitige Annäherung des Zeugen Y. nicht mehr reagieren können. Deshalb ist die ermittelte Kollisionsgeschwindigkeit von 28-30 km/h mit dem - ungebremsten – Annäherungstempo des Zeugen gleichzusetzen (S. 18 des Gutachtens).
462 )
47Anhand der Unfallschäden hat der Sachverständige keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch den vorfahrtberechtigten Zeugen Y. gefunden (S. 18 des Gutachtens). Nach der abschließenden Beurteilung des Sachverständigen zum Unfallablauf wäre nur dann eine Vermeidbarkeit des Zusammenstoßes für den Zeugen gegeben gewesen, wenn dieser nicht darauf hätte vertrauen dürfen, dass ein sich ihm von links annäherndes Fahrzeug seine Vorfahrt beachten werde (S. 19 des Gutachtens). Einen solchen Vertrauenstatbestand durfte der Zeuge indes für sich in Anspruch nehmen.
48a )
49Es gilt auch an einer nicht durch Verkehrszeichen geregelten Kreuzung der Vertrauensgrundsatz. Es darf sich also der in sie Hineinfahrende grundsätzlich darauf verlassen, dass ein etwa von links Kommender seine Vorfahrt beachten werde (Senat, Urteil vom 26. November 2013, Az.: I-1 U 1/13 mit Hinweis auf Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 14, Rdnr. 175, dort mit Hinweis auf BGH, NJW 1985, 2752). Den Vorfahrtberechtigten trifft kein Vorwurf, wenn er in der Zeit unmittelbar vor der Kollision nicht nach links schaut, weil er seinerseits den Vorrang von Fahrzeugen berücksichtigen muss, die sich eventuell aus der anderen Richtung – aus seiner Sicht von rechts – der Einmündung nähern (Senat a.a.O. mit Hinweis auf OLG Karlsruhe, NZV 2012, 229). Das Verhalten des Zeugen Y. wäre nur dann anders zu beurteilen, wenn man generell bei Kreuzungen mit der Regelung „rechts vor links“ eine Verpflichtung der Kraftfahrer annähme, anzuhalten, um auch auf denkbare Vorfahrtverletzungen von nicht bevorrechtigten Kraftfahrzeugen achten zu können. Eine solche Verpflichtung gibt es jedoch nach den Regelungen der Straßenverkehrsordnung nicht. Ein derartiges Verhalten ist im Straßenverkehr auch nicht üblich und nicht zu erwarten. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Höchstgeschwindigkeit für die beteiligten Fahrzeuge auf 30 km/h begrenzt ist (Senat a.a.O.). Erst recht gelten diese Grundsätze, wenn – wie im vorliegenden Fall – in einer Straßenführung mit Verkehrsberuhigung die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 7 km/h begrenzt ist.
50b )
51Es lässt sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der Zeuge Y. mit einem wesentlich höheren Tempo auf die Kreuzung zugefahren ist. In seinem Gutachten hat der Sachverständige verdeutlicht, dass sich aus den eingetretenen Fahrzeugschäden keine Rückschlüsse auf die Ausgangsgeschwindigkeit des Pkw Mercedes Benz CLK 500 ziehen lassen (S. 18 des Gutachtens). Es ist auch eine senatsbekannte Tatsache, dass Fahrzeugschäden in aller Regel keine unmittelbaren Rückschlüsse auf Geschwindigkeiten zulassen - es sei denn, der Sachverständige bedient sich einer Analyse unter Verwertung von sog. EES-Werten aus vergleichbaren Crashsituationen. Eine solche Analyse hat der Sachverständige T. indes nicht vorgenommen. Richtig ist darüber hinaus die weitere Darlegung des Sachverständigen, dass sich das Ausgangstempo eines Kraftfahrzeuges nur dann eingrenzen lässt, wenn dessen nachkollisionären Endposition bekannt ist und sich somit ermitteln lässt, welche Wegstrecke es vom Ort des Zusammenstoßes aus noch zurückgelegt hat (S. 18 des Gutachtens). Die Endstellung des klägerischen Pkw ist indes weder aufgrund der polizeilichen Unfallaufnahme noch im Hinblick auf die Zeugenaussagen gesichert. Dies hat der Sachverständige bei seiner Anhörung im Termin vom 16. August 2012 noch einmal hervorgehoben (Bl. 308 d.A.).
52c )
53Der Senat lässt nicht außer Acht, dass der Sachverständige bei seiner Anhörung bezüglich des Ausgangstempos des Zeugen Y. Angaben gemacht hat, die in Widerspruch zu seinen früheren schriftlichen Darlegungen stehen. Er meinte nämlich, er könne wegen einer durch den Zeugen Y. für das klägerische Fahrzeug beschriebenen Drehbewegung als auch aufgrund der Art der eingetretenen Schäden die Schlussfolgerung ziehen, dass das Ausgangstempo des Pkw Mercedes Benz „durchaus vergleichbar hoch wie die Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeuges gewesen sein kann, die ja mit etwa 30 km/h zugrunde gelegt wird‘‘ (Bl. 311 d.A.). Eine solche Feststellung vermag der Senat jedoch auf der Grundlage der eher spekulativen Ausführungen des Sachverständigen, der sich bei seiner Befragung im Termin vom 16. August 2012 nicht sonderlich souverän zeigte, nicht zu treffen. Es ist vielmehr der früheren, schriftlich dargelegten Erkenntnis des Sachverständigen zu folgen, dass keine Anhaltspunkte für eine deutlich oberhalb des zulässigen Höchsttempos (Schrittgeschwindigkeit) liegenden Ausgangsgeschwindigkeit des klägerischen Fahrzeuges bestehen (S. 18 des Gutachtens).
54aa )
55Denn anlässlich der Anhörung des Sachverständigen war die für die Ermittlung der Ausgangsgeschwindigkeit des Pkw Mercedes Benz CLK 500 wesentliche nachkollisionäre Endposition des Wagens weiterhin unbekannt. Die durch den Sachverständigen im Termin als Erkenntnisgrundlage herangezogene Äußerung des Zeugen Y., der durch ihn gesteuerte Wagen habe eine Drehbewegung in dem Sinne erfahren, dass das „Auto so etwas nach links herübergezogen stand; es stand etwas schräg auf der Kreuzung“ (Bl. 305 d.A.) ist zu unpräzise, um daraus gesicherte unfallanalytische Erkenntnisse abzuleiten. So ist insbesondere unbekannt, in welchem ungefähren Winkelstellungsausmaß der Wagen „schräg auf der Kreuzung“ gestanden haben soll. Überdies hatte der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausweislich der Unfallrekonstruktionszeichnung (S. 16) ohnehin schon eine leichte Schrägstellung des klägerischen Pkw gegen den Uhrzeigersinn als Anstoßkonstellation berücksichtigt.
56bb )
57Darüber hinaus ist von Bedeutung, dass der Zeuge K. bei seiner Befragung im Termin vom 28. März 2013 bekundet hat, er habe aus seiner Fahrtrichtung gesehen „das andere Auto mehr… nach rechts und nach hinten verschoben“ – und zwar, bezogen auf die Unfallzeichnung des Sachverständigen, fast bis zu der Höhe der auf der gegenüber liegenden Straßenseite geparkten Autos (Bl. 340 d.A.). Eine solche Beschreibung lässt sich nicht mit der Darstellung des Zeugen Y. in Übereinstimmung bringen, dass durch ihn gesteuerte Fahrzeug habe kollisionsbedingt „so etwas nach links herübergezogen“ gestanden.
58cc )
59Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Sachverständige am Ende seiner Befragung im Termin vom 16. August 2012 hervorgehoben hat, alle durch ihn mündlich geäußerten Überlegungen seien „in gewisser Weise hypothetisch“, weil man nur versuchen könne, „aus den Spuren mehr oder weniger sicher etwas zum Ablauf herauszulesen“ (Bl. 311 d.A.). Nicht zuletzt diese Klarstellung macht deutlich, dass es für die Feststellung einer deutlich überhöhten Ausgangsgeschwindigkeit des Zeugen Y. keine hinreichende Tatsachengrundlage gibt.
603 )
61Der rechtliche Ursachenzusammenhang zwischen der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und einem Verkehrsunfall ist zu bejahen, wenn bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Verkehrssituation der Unfall vermeidbar gewesen wäre (BGH, Urteil vom 25. März 2003, Az.: VI ZR 161/02, Leitsatz 1; DAR 2003, 308). Auch wenn die Annäherungsgeschwindigkeit des Zeugen Y. entsprechend der schriftlichen Darlegung des Sachverständigen etwas – aber eben nicht deutlich – oberhalb des zulässigen Höchsttempos von 7 km/h gelegen hat, lässt sich der vorgenannte rechtliche Ursachenzusammenhang zu Lasten des Klägers nicht feststellen. Insbesondere ist, bezogen auf die Wahrnehmbarkeit durch den Zeugen Y., der Eintritt der kritischen Verkehrssituation erst sehr spät, also kurz vor dem Zusammenstoß der Fahrzeuge, anzusetzen. Zum einen war für ihn der Vertrauensgrundsatz einschlägig, dass der von links aus der Steinstraße kommende Verkehr sein Vorfahrtsrecht beachten werde. Darüber hinaus ergab sich für ihn eine Sichtbehinderung wegen des auf der Zechenstraße dicht am Kreuzungsbereich abgestellten Fahrzeuges eines Anwohners.
624 )
63Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats führen geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitungen des Vorfahrtberechtigten in der Regel nicht zu dessen anteiliger Mithaftung im Falle eines Kreuzungszusammenstoßes. Zwar mag die von dem klägerischen Pkw ausgegangene Betriebsgefahr wegen einer Ausgangsgeschwindigkeit von etwas mehr als 7 km/h etwas erhöht gewesen sein. Dies ändert jedoch nichts daran, dass bei der Abwägung aller unfallursächlichen Umstände gemäß §§ 17, 18 StVG für die Annahme einer anteiligen Mithaftung des Klägers kein Raum ist. Bei einem gewöhnlichen Vorfahrtverstoß ist in der Regel von der Alleinhaftung des Wartepflichtigen auszugehen (Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 12. Aufl., Vorbemerkung zu Rdnr. 9). Dem entspricht die ständige Rechtsprechung des Senats. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass das Annäherungsverhalten des Zeugen K. als Führerscheinneuling aus den dargelegten Gründen in hohem Maße leichtfertig war. Er hat mit einer deutlich überhöhten Ausgangsgeschwindigkeit, die etwa das Vierfache des zulässigen Höchsttempos ausmachte, grob fahrlässig nicht auf das Vorfahrtrecht des sich ihm von rechts nähernden Verkehrs geachtet, weil er seinem Mobiltelefon größere Aufmerksamkeit schenkte als der Verkehrssituation unmittelbar vor ihm.
64III.
65Der Beklagte dringt nicht mit dem Einwand durch, bei dem Kollisionsgeschehen habe es sich um einen zwischen den Beteiligten abgesprochenen gestellten Unfall gehandelt.
661 )
67Einerseits weist er zu Recht darauf hin, dass eine entsprechende richterliche Überzeugungsbildung keine mathematisch lückenlose Gewissheit voraussetzt, die bei einem Indizienbeweis ohnehin kaum zu erlangen ist. Es genügt vielmehr eine Gewissheit, welche Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Eine solche Gewissheit, vermag der Senat- ebenso wenig wie das Landgericht - indes nicht zu gewinnen.
682 )
69Sicherlich weisen einige Verdachtsmomente in Richtung Unfallmanipulation. Zu erwähnen ist, dass es sich bei dem klägerischen Pkw um ein Fahrzeug der Luxusklasse handelt, mit dessen fachgerechter Instandsetzung in einer markengebundenen Fachwerkstatt ein erheblicher Kostenaufwand verbunden ist. Der Wagen ist weniger als zwei Monate vor dem Schadensereignis vom 18. Oktober 2009 auf den Kläger zugelassen worden und er hat unwidersprochen vorgetragen, sich im Sommer des Folgejahres 2010 wieder von dem Fahrzeug getrennt zu haben (Bl. 74 d.A.). Es handelt sich um einen Dunkelheitsunfall mit eindeutiger Sach- und Rechtslage zu Lasten des Zeugen K., der auch nie in Abrede gestellt hat, durch sein Alleinverschulden die Kollision herbeigeführt zu haben. Zudem waren die Kollisionsbeteiligten einander nicht gänzlich unbekannt – man kannte sich zumindest oberflächlich von zufälligen Alltagsbegegnungen im selben Stadtteil Lohberg.
703 )
71Es darf andererseits nicht außer Acht gelassen werden, dass zahlreiche gewichtige Gesichtspunkte gegen die Annahme einer Unfallmanipulation aufgrund einer Absprache zwischen den Zeugen Y. und K. unter Einbeziehung des Klägers sprechen.
72a )
73Zunächst lässt sich die Feststellung eines nicht authentischen Unfallgeschehens nicht auf die Aussage des Zeugen W. stützen, für ihn habe sich ein für die Örtlichkeit ganz ungewöhnliches Unfallbild ergeben, so dass er sich gefragt habe, ob der auf der Kreuzung erfolgte Zusammenstoß „wirklich ganz unfreiwillig war“ (Bl. 343 d.A.). Für den Zeugen ergab sich ein Eindruck der Ungewöhnlichkeit aus der Wucht, mit welcher die Fahrzeuge zusammengestoßen waren („Vom Erscheinungsbild erinnerte mich das mehr an einen Unfall auf einer Landstraße, denn an einen in der verkehrsberuhigten Zone.“). Die Heftigkeit des Zusammenstoßes erklärt sich jedoch schlüssig aus der überhöhten Annäherungsgeschwindigkeit des Zeugen K., der das in dem verkehrsberuhigten Bereich zulässige Höchsttempo etwa um das Vierfache überschritten hatte. Ausweislich der durch den Sachverständigen in sein Gutachten übernommenen Lichtbilder hatten sich in dem durch den Zeugen K. gesteuerten Pkw Mercedes Benz der Fahrerairbag und an dem klägerischen Pkw Mercedes Benz CLK 500 der linke Seitenairbag geöffnet. Die Heftigkeit des Kollisionsanstoßes ist aber ein Umstand, der eher gegen die Annahme einer Unfallmanipulation spricht. Eine solche vollzieht sich gewöhnlich in einem niedrigeren Geschwindigkeitsbereich, um das Verletzungsrisiko für die Beteiligten gering zu halten. Folgt man der Aussage des Zeugen Y., hatte er sich aufprallbedingt eine leicht blutende Kopf- und Fingerverletzung zugezogen. Die Richtigkeit dieser Aussage kann im Hinblick darauf nicht von der Hand gewiesen werden, dass infolge des Zusammenstoßes die Scheibe auf der Beifahrerseite des klägerischen Pkw zersprungen war.
74b )
75Die für einen verkehrsberuhigten Bereich hohe und eher untypische Ausgangsgeschwindigkeit des Zeugen K. von 28 bis 33 km/h erklärt sich plausibel aus dem Umstand, dass er ein Fahranfänger war, der mangels hinreichender Fahrpraxis offenkundig noch recht unbekümmert in eine straßenverkehrstypische Gefahrensituation hineinfuhr. Darüber hinaus ergaben sich für ihn wegen seiner schuldhaften Unfallalleinverursachung nachteilige Konsequenzen, weil er nicht nur ein Bußgeld bezahlen müsste, sondern er als Inhaber eines Führerscheins auf Probe auch noch gegen eine Gebühr von 300,-- € an einem sogenannten Aufbauseminar teilnehmen musste. Dies hat er bei seiner Befragung im Termin vom 28. März 2013 glaubhaft bekundet (Bl. 339 d.A.). Bei seinem Pkw Mercedes Benz C 200 handelte es sich nicht um das klassenniedrige, in die Jahre gekommene und kaum noch werthaltige Fahrzeug, welches in Fällen der Unfallmanipulation auf der Seite des Schädigers in Regel zum Einsatz kommt. Der Zeuge K. gibt an, das Fahrzeug zuvor schadensfrei von einem Mercedeshändler auf Abzahlung gekauft zu haben. Die Lichtbilder von dem unfallgeschädigten Pkw Mercedes Benz C 200, die Eingang in das Gutachten des Sachverständigen gefunden haben, vermitteln in der Tat den Eindruck eines gut erhaltenen und noch werthaltigen Fahrzeuges, welches eigentlich zu schade für einen Einsatz in einer Unfallmanipulationsangelegenheit ist (S. 10 des Gutachtens).
76c )
77Den am Fahrzeug des Karatas eingetretenen Schaden hat die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Vollkaskoversicherer des Fahrzeuges unstreitig bereits drei Wochen nach dem Kollisionsereignis reguliert. Offensichtlich ging sie seinerzeit selbst nicht von einem gestellten Unfall aus, der zwingend ihre Leistungsfreiheit gemäß § 81 Abs. 1 VVG zur Folge hätte.
78d )
79Gegen die Annahme einer Unfallmanipulation spricht weiterhin die Tatsache, dass sich das fragliche Geschehen nicht an einem abgelegenen Ort ereignet hat, an welchem nicht mit dem Erscheinen unbeteiligter Zeugen zu rechnen war. Der Umstand, dass es für das Unfallereignis tatsächlich keinen neutralen Augenzeugen gibt, erscheint eher zufällig. Denn das streitige Geschehen hat sich inmitten eines dicht besiedelten Wohngebietes zugetragen, wie auch die durch den Sachverständigen von der Kreuzung Steinstraße/Zechenstraße aufgenommenen Lichtbilder verdeutlichen (S. 12 des Gutachtens). Nach der Erinnerung des Zeugen W. hatten sich nach dem Kollisionsgeschehen ganz schnell sehr viele Schaulustige an dem Kollisionsort versammelt, deren Anzahl er auf fast 200 schätzte.
80e )
81Darüber hinaus kann dem Kläger nicht angelastet werden, den Umstand verschwiegen zu haben, dass sein Fahrzeug im Oktober des Jahres 2006 einen erheblichen Vorschaden erlitten hatte und dass das durch ihn eingeholte Schadensgutachten des Sachverständigenbüros EN-Team vom 21. Oktober 2009 die Laufleistung des Pkw Mercedes Benz CLK 500 fälschlicherweise mit 115.572 km auswies, während sie tatsächlich – wie unstreitig ist – um fast 100.000 km höher lag. Der Zeuge D. hat bei seiner Befragung im Termin vom 16. August 2012 glaubhaft bekundet, entsprechend der Eintragung im Kaufvertrag dem Kläger den Wagen als ein unfallfreies Fahrzeug verkauft zu haben (Bl. 313 d.A.). Den ebenfalls in den Kaufvertrag mit 111.000 km übernommenen Laufleistungsstand habe man, so der Zeuge weiter, gemeinsam vom Tacho abgelesen (Bl. 313 d.A.). In Anbetracht dieser Sachlage konnte der Kläger in Bezug auf Vorschäden und Laufleistung des Wagens keine besseren Kenntnisse als diejenigen haben, die ihm der Zeuge D. vermittelt hatte und die Eingang in den Kaufvertrag gefunden hatten.
824 )
83Selbst wenn entgegen den obigen Ausführen der Zeuge Y. zusammen mit dem Zeugen K. entsprechend der Behauptung der Beklagten gezielt den fraglichen Fahrzeugzusammenstoß herbeigeführt hätte, liefe eine derartige Feststellung nicht zwangsläufig auf eine klageabweisende Entscheidung hinaus.
84a )
85Denn es ist zu berücksichtigen, dass der Zeuge Y. zum Schadenszeitpunkt nicht Eigentümer des durch ihn gesteuerten Fahrzeuges war, sondern die Eigentümerstellung fiel – wie bereits dargelegt – dem Kläger zu. In den Fällen fehlender Personenidentität zwischen Fahrzeugeigentümer und dem Unfallmanipulanten gilt im Ausgangspunkt Folgendes: Die Einwilligung des Berechtigten – hier des Klägers – ist sozusagen höchstpersönlicher Natur. Die Regeln über die Stellvertretung oder die versicherungsrechtliche Figur des Repräsentanten können nicht – jedenfalls nicht ohne Weiteres – herangezogen werden (Senat, Urteil vom 26. November 2013, Az.: I – 1 U 1/13 mit Hinweis auf Eggert in Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrechts, 5. Aufl., Teil 14 Rdnr. 116 mit Rechtsprechungsnachweisen).
86b )
87Die entscheidende Frage geht dahin, ob sich von der als Unfallmanipulant festgestellten Person aufgrund eins kollusiven Zusammenwirkens eine Brücke zu dem angeblich gutgläubigen Eigentümer des Fahrzeuges schlagen lässt. Auch insoweit geltend keine Anscheinsbeweisgrundsätze. Vielmehr ist anhand der gesamten Faktenlage in lebensnaher Betrachtung zu klären, ob der Eigentümer in das Geschehen eingebunden war oder ob es sich hinter seinem Rücken abgespielt hat, er also gutgläubig gewesen ist (Senat a.a.O. mit Hinweis auf Eggert a.a.O., Rdnr. 117).
88c )
89Für die Annahme der Gutgläubigkeit des Klägers spricht die Aussage seines Sohnes, des Zeugen Y., dass sein Vater nach einer Gehirntumor-Operation sowie nach dem Auftreten einer Alzheimer Erkrankung sich in einem schlechten körperlichen Zustand befindet. Die Annahme, dass er sich als kranker Man in einem fortgeschrittenen Alter zusammen mit dem Zeugen Y. und K. auf eine Unfallmanipulation eingelassen haben soll, erscheint eher fernliegend.
90IV.
91Ohne Erfolg bleiben darüber hinaus die Einwendungen, welche der Beklagte gegen die Höhe der klagegegenständlichen Fahrzeuginstandsetzungskosten vorbringt. Hingegen macht der Kläger mit seinem Rechtsmittel zu Recht geltend, dass die Ersatzverpflichtung der Beklagten nicht auf den durch das Landgericht zuerkannten Ausgangsbetrag von 9.951,68 € netto begrenzt ist. Denn er muss sich nicht darauf verweisen lassen, seinen ersatzfähigen Fahrzeugschaden entsprechend der Vorgabe des Sachverständigen T. in dessen Gutachten vom 27. Oktober 2011 nach Maßgabe der Verrechnungssätze ortsansässiger Karosseriefachwerkstätten abzurechnen. Vielmehr ist für die Bemessung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten der Betrag von 12.614,73 € netto maßgeblich, der sich aus dem durch den Kläger überreichten Schadensgutachten des Sachverständigenbüros E.-T. vom 13. November 2009 ergibt und der auf den Verrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt (,,Mercedes B., Dinslaken‘‘) beruht. Dieser Feststellung steht nicht der Umstand entgegen, dass es sich bei dem klägerischen Pkw Mercedes Benz CLK 500 um ein Fahrzeug fortgeschrittenen Alters mit dem Erstzulassungsdatum 24. Juni 2004 handelt.
921 )
93Das Landgericht hat sich bei der Bemessung des ersatzfähigen Instandsetzungsaufwands von den Ausführungen des Sachverständigen T. im Gutachten vom 27. Oktober 2011 leiten lassen. Darin ist unter Berücksichtigung aller wertbildenden Faktoren einschließlich des Fahrzeugalters, der Laufleistung sowie des Vorhandenseins von Vorschäden der Wiederbeschaffungswert des Pkw Mercedes Benz CLK 500 mit 18.900,-- € brutto ausgewiesen (S. 20 des Gutachtens). Diese Wertbestimmung erachtet auch der Senat als für die Schadensabrechnung maßgeblich. Da die Reparaturkosten – wie noch darzulegen sein wird – im Umfang von 12.614,73 € netto ersatzfähig sind, was dem für die Vergleichsbetrachtung heranzuziehenden Bruttobetrag von 15.011,53 € entspricht, liegt entgegen der Mutmaßung der Beklagten kein Fall eines wirtschaftlichen Totalschadens vor.
942 )
95Den Restwert des klägerischen Pkw im verunfallten Zustand hat der Sachverständige mit 9.000,-- € beziffert. Bringt man diesen Betrag von dem Bruttowiederbeschaffungswert (18.900,-- €) in Abzug, ergibt sich ein Wiederbeschaffungsaufwand von 9.900,-- €. Folglich ist die Feststellung zu treffen, dass der für die Vergleichsbetrachtung maßgebliche Bruttobetrag der ersatzfähigen Instandsetzungskosten (15.011,53 €) einen Fahrzeugschaden darstellt, der in dem Bereich zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und Wiederbeschaffungswert angesiedelt ist.
963 )
97In einem solchen Fall ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine fiktive Abrechnung auf Netto-Reparaturkostenbasis möglich, wenn das Fahrzeug nach Versetzung in einen verkehrssicheren Zustand in der Regel für mindestens sechs Monate weiter benutzt wird (BGH NJW 2008, 1941). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt.
98a )
99Entgegen der Begründung der angefochtenen Entscheidung bleibt der Kläger nicht hinsichtlich der Instandsetzung des Fahrzeuges nach dem Schadensfall vom 18. Oktober 2009 darlegungs- und beweisfällig. Er hatte sich bereits in seinem vorprozessualen Schreiben vom 12. November 2009 an die Beklagte darauf berufen, er habe zwischenzeitlich sein Fahrzeug reparieren lassen und die Zusendung einer Reparaturbestätigung in Aussicht gestellt, sobald diese vorliege (Bl. 9 d.A.). Die Überlassung der Reparaturbestätigung im Original folgte als Anlage zu dem vorprozessualen klägerischen Schreiben vom 30. November 2009 (Bl. 15 d.A.). Die Bestätigung ist durch das Sachverständigenbüro E.-T. ausgestellt worden. Darüber verhält sich „das Nachgutachten“ vom 13. November 2009 („Die Nachbesichtigung hat ergeben, dass das Fahrzeug instand gesetzt wurde und sich in einem fahrbereiten Zustand befindet.“; Bl. 14 d.A.).
100b )
101Darüber hinaus ist das erstinstanzliche Vorbringen des Klägers unwidersprochen geblieben, demzufolge er den Pkw Mercedes Benz CLK 500 im Sommer 2010 wieder verkauft hat (Bl. 74 d.A.). Nach der Bekundung des Zeugen Y. ist davon auszugehen, dass er bis dahin den Wagen seines Vaters für die bei seiner Vernehmung beschriebenen Gebrauchszwecke genutzt hatte. Die Tatsache, dass der Kläger selbst aus Alters- und Krankheitsgründen sein Fahrzeug nicht in Gebrauch genommen hatte, ist für seine Ersatzberechtigung irrelevant. Trotz persönlicher Fahruntauglichkeit kann nämlich ein Entschädigungsanspruch bestehen bleiben, wenn der Geschädigte das Fahrzeug aufgrund einer vor dem Unfall getroffenen Vereinbarung einem Dritten – etwa einem Angehörigen, einem Ehepartner oder einer sonstigen nahestehenden Person – unentgeltlich zur Nutzung überlassen hatte und der Dritte es in der Zeit nach dem Unfall tatsächlich benutzt hätte. Diese Senatsrechtsprechung zur Ersatzfähigkeit eines Nutzungsausfallschadens im Falle der Fahruntauglichkeit des unfallgeschädigten Fahrzeugeigentümers bei einer Fremdnutzung seines Wagens (zuletzt Urteil vom 30. Juli 2013, Az.: I – 1 U 231/12 mit Hinweis auf BGH NJW 1973, 33; BGH NJW 1975, 933; OLG Köln, VersR 1977, 937 sowie KG DAR 2006, 151) ist auf die durch den Bundesgerichtshof postulierte sechsmonatige Halte- und Gebrauchsfrist zum Nachweis des Integritätsinteresses des geschädigten Fahrzeugeigentümers (BGH NJW 2007, 67) zu übertragen. Das Vorbringen des Klägers in seiner Berufungsbegründung, er habe das Fahrzeug noch mindestens bis Mitte Mai benutzt (Bl. 376), ist im Sinne der Überlassung des Fahrzeuggebrauchs zugunsten seines Sohnes, des Zeugen Y., zu verstehen.
1024 )
103Das Kfz-Schadensgutachten des Sachverständigenbüros E.-T. vom 13. November 2009 mit dem klagegegenständlichen Instandsetzungsbetrag von 12.614,73 € netto und die Reparaturkostenaufstellung im schriftlichen Gutachten des Sachverständigen T. vom 27. Oktober 2010, die mit einem Nettobetrag von 9.951,68 € abschließt, unterscheiden sich bezüglich des Differenzbetrages unstreitig dadurch, dass der Zeuge L., der seinerzeit für den Kläger den verunfallten Pkw Mercedes Benz CLK 500 begutachtet hatte, für die Reparaturkalkulation die Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt („Mercedes B., Dinslaken“) zugrunde gelegt hat. Dies folgt aus der Aussage des Zeugen im Termin vom 28. März 2013, als er mit der Kostenaufstellung des gerichtlich bestellten Sachverständigen konfrontiert wurde (Bl. 345 d.A.). Hingegen liegen der Aufstellung als Anlage zum Gutachten T. die Verrechnungsansätze ortsansässiger Karosseriefachwerkstätten zugrunde (S. 22 des Gutachtens). Sonstige qualitative Unterschiede bestehen zwischen der privatgutachterlichen Instandsetzungskalkulation und derjenigen des gerichtlich bestellten Sachverständigen – davon ist mangels eines gegenteiligen Parteivortrages und gegenteiliger Feststellung des Landgerichts auszugehen – nicht. In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ist ausgeführt, es sei für die Bestimmung des ersatzfähigen Reparaturkostenaufwandes von der Aufwandsermittlung des Sachverständigen T. auszugehen, weil diese „gemäß der neueren Rechtsprechung“ erstellt sei (Bl. 8 UA; Bl. 319 d.A.). Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
104a )
105Der Geschädigte darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt erzielt hat (BGH Urteil vom 14. Mai 2013, Az.: VI ZR 320/12 Rdnr. 8 – zitiert nach Juris – mit Hinweis auf BGH, Urteil vom 29. April 2003, BGHZ 155, 1; „Porsche-Urteil“ und weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
106b )
107Der Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten besteht unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (BGH a.a.O. mit Hinweis auf BGHZ 66, 239, 241 sowie BGHZ 155, 1, 3). Allerdings ist unter Umständen ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder „freien“ Fachwerkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (BGH a.a.O. mit Hinweis auf BGH DAR 2010, 457; BGH DAR 2010, 512 sowie BGH DAR 2010, 509 und BGH DAR 2010, 577).
108c )
109Folglich trifft die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die durch den Sachverständigen T. aufgezeigte Reparaturmöglichkeit in ortsansässigen Karosseriefachwerkstätten nicht nur für den Kläger mühelos und ohne Weiteres zugänglich ist, sondern dass die Instandsetzung in einer Alternativwerkstatt vom Qualitätsstandard her derjenigen in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Erst wenn die Beklagte dieser Darlegungs- und Beweislast Genüge getan hätte, wäre es nach der maßgeblichen Darlegungs- und Beweislastverteilung Sache des Klägers, Umstände aufzuzeigen, die für ihn eine Reparatur außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen. Der Einwand der Beklagten, der Kläger hätte seinen Pkw Mercedes Benz CLK 500 kostengünstiger in einer der durch den Sachverständigen bezeichneten Karosseriefachwerkstätten reparieren lassen können und müssen, betrifft den Mitverschuldenseinwand gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB. Für dessen tatbestandliche Voraussetzungen ist der Schädiger darlegungs- und beweisbelastet.
110d )
111Der Kläger beanstandet in seiner Berufungsbegründung zu Recht, dass die Beklagte ihm keine konkrete andere Werkstatt benannt hat, die ihm ohne Weiteres zugänglich wäre und vom Qualitätsstandard her mit der Mercedes-Benz-Vertragswerkstatt Becker in Dinslaken gleichwertig sein soll. In diesem Zusammenhang genügt auch nicht der Hinweis der Beklagten auf die gutachterlichen Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen.
112aa )
113Offen bleibt schon, welche ortsansässigen Karosseriefachwerkstätten der Sachverständige in seinem Gutachten vom 27. Oktober 2011 anspricht. So ist im Ansatz unklar, ob sich die Ortsansässigkeit auf den Wohnsitz des Klägers in Dinslaken oder auf den Sitz des Sachverständigen in Duisburg bezieht.
114bb )
115Darüber hinaus ist es bezüglich einer behaupteten Gleichwertigkeit notwendig zu behaupten und gegebenenfalls zu beweisen, dass Herstellervorgaben und Qualitätsstandards durch Schulungen bekannt sind und ordnungsgemäß umgesetzt werden. Es muss für den Geschädigten im Ergebnis nachvollziehbar und darstellbar sein, dass die Werkstatt, an die er verwiesen werden soll, genau die gleiche Arbeit leisten kann und dieselben Ergebnisse in Qualität und Quantität erzielen wird, wie eine vom Hersteller autorisierte markengebundene Fachwerkstatt. Darlegungs- und beweisbelastet für die Gleichwertigkeit ist im Rahmen des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB und mit dem Maßstab des § 287 ZPO der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer. Es ist also substantiierter Sachvortrag und gegebenenfalls die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich, um den Vollbeweis der Gleichwertigkeit der alternativen Reparaturmöglichkeit zu erbringen (Ullmann, NZV 2010, 489, 491 mit Hinweis auf BGH, Urteil vom 13. Juli 2010, AZ: VI ZR 259/09). Der Darlegungslast der Beklagten ist nicht durch die pauschale Ausführung im Gutachten des Sachverständigen T. Genüge getan, nicht näher bezeichnete ortsansässige Karosseriefachwerkstätten könnten das Fahrzeug sach- und fachgerecht nach Herstellervorgabe reparieren (Bl. 19 des Gutachtens).
116V.
117Unbegründet sind die Einwendungen, welche die Beklagte gegen die Richtigkeit des durch den Sachverständigen zugrunde gelegten Wiederbeschaffungswertes des klägerischen Pkw zum Unfallzeitpunkt in Höhe von 18.900,-- € brutto vorbringt. Es verfängt in diesem Zusammenhang nicht die Argumentation, der Pkw Mercedes Benz CLK 500 sei bereits aufgrund eines Unfallereignisses vom 15. Oktober 2006 einem Totalschaden ausgesetzt gewesen und eine fachgerechte Instandsetzung dieses Vorschadens werde in Abrede gestellt.
118Zunächst ist klarzustellen, dass entgegen der Darstellung in der Berufungsbegründung der Beklagten der frühere Eintritt eines Totalschadens keineswegs unstreitig ist. Der Kläger hatte bereits in erster Instanz geltend gemacht, sein Fahrzeug habe zwar am 15. Oktober 2006 einen hohen Reparaturschaden erlitten, der sich jedoch nicht als Totalschaden herausgestellt habe (Bl. 74 d.A.). Es ist von der Richtigkeit dieses Vorbringens auszugehen. Gleiches gilt hinsichtlich der Richtigkeit des weiteren Klagevortrages, der Vorschaden sei vollständig und fachgerecht beseitigt worden.
1191 a )
120Der Kläger hat eine Aufstellung der Mercedes Benz Fachwerkstatt L. A vorgelegt (Bl. 79 d.A.), die eine tabellarische Darstellung sämtlicher Wartungs- und Reparaturarbeiten für den klägerischen Pkw in der Zeit von Juni 2004 bis Januar 2009 umfasst (Bl. 79 d.A.). Seinerzeit war Fahrzeugeigentümerin und Auftraggeberin der aufgelisteten Arbeiten eine E. G. G. & Co. KG. In der Aufstellung findet sich neben dem Datum des 17. Oktober 2006 die Eintragung eines Rechnungsbetrages in Höhe von 11.511,32 €. Dieser Betrag betrifft, wie eine entsprechende Kennzeichnung in der Spalte „Unfall“ erkennen lässt, die Beseitigung eines Unfallschadens. Stimmig dazu ist das durch die Beklagte mit ihrer Berufungsbegründung überreichte Kfz-Schadensgutachten L. vom 20. Oktober 2006, das die Beseitigung eines Unfallschadens mit einem Kostenaufwand von 11.755,32 € brutto zum Gegenstand hat (Bl. 393 ff. d.A.). Zwar enthält das Gutachten L. keine Angabe über den damaligen Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges. Da darin jedoch die Laufleistung des Fahrzeuges mit 111.063 km angegeben ist und da im Oktober 2006 der klägerische Pkw Mercedes Benz CLK 500 noch nicht einmal 2 ½ Jahre alt war, ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass der frühere Reparaturkostenbetrag von weniger als 12.000,-- € brutto ganz deutlich unter dem damaligen Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges lag. Dies hat auch der Zeuge L. bei seiner Vernehmung im Termin vom 28. März 2013 so bestätigt (Bl. 346 d.A.).
121b )
122Darüber hinaus hat der Zeuge L. glaubhaft angegeben, er habe bei seiner Untersuchung des am 15. Oktober 2006 unfallgeschädigten klägerischen Fahrzeuges nichts gefunden, was auf den Eintritt eines früheren Totalschadens oder eines erheblichen Vorschadens hindeutete. Konfrontiert mit dem Vorschadensereignis vom 15. Oktober 2006 hat der Zeuge dann plausibel ausgeführt, er könne sich nur vorstellen, dass eine ordnungsgemäße Reparatur in einer Fachfirma durchgeführt worden sei; wenn dies der Fall sei, könne man solche Schäden hinterher in der Regel nicht mehr erkennen (Bl. 345 d.A.). Im Hinblick auf die Rechnung der L. A. vom 17. Januar 2006 über 11.511,32 € erweist sich die Vermutung des Zeugen L. hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Beseitigung des Vorschadens in einer Fachwerkstatt als richtig.
123c )
124Im Ergebnis bleibt also das Vorschadensereignis vom 15. Oktober 2006 ohne Einfluss auf die Richtigkeit der Angabe des Wiederbeschaffungswerts im Gutachten T. vom 27. Oktober 2011. Der Sachverständige ist, wie er bei seiner Anhörung dargelegt hat, zu Recht von der Annahme ausgegangen, es seien frühere Schäden fachgerecht repariert worden (Bl. 309 d.A.).
1252 )
126Darüber hinaus begegnet es keinen Bedenken, dass der Sachverständige, wie er ebenfalls bei seiner Anhörung klar gestellt hat, den Kilometerstand für die Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts zugrunde legte, der sich im Umfang von 212.377 km anlässlich der elektronischen Auslegung des Zählwerkes durch die B. G. am 2. Februar 2010 ergeben hatte (Bl. 16 d.A.). Ohne Erfolg zieht die Beklagte die Richtigkeit der Laufleistungsangabe in Zweifel, die Eingang in das Gutachten gefunden hat.
127a )
128Ausweislich der Aufstellung der L. A. wies der Pkw Mercedes Benz CLK 500 am vorletzten erfassten Tag, nämlich am 5. November 2008, eine Laufleistung von 201.801 km auf (Bl. 79 d.A.). Wie die Zulassungsbescheinigung Teil II erkennen lässt, wurde der Zeuge D. am 15. Januar 2009 als neuer Inhaber des Fahrzeugbries eingetragen (Bl. 77 d.A.). Bei seiner Befragung hat der Zeuge D. glaubhaft bekundet, mit dem durch ihn übernommenen Pkw Mercedes Benz CLK 500 nicht so recht zufrieden gewesen zu sein. Dieser habe zu laute Motorengeräusche entwickelt und habe zu viel Treibstoff verbraucht. Deshalb sei er, der Zeuge, „gar nicht so viel mit dem Auto gefahren“; er habe stattdessen von dem Auto seiner Eltern Gebrauch gemacht (Bl. 312, 313 d.A.).
129b )
130Da der Pkw Mercedes Benz CLK 500 bereits am 1. September 2009 auf den Kläger zugelassen wurde, der Voreigentümer D. den Wagen also nur 6 ½ Monate in seinem Besitz und nur sparsam davon Gebrauch gemacht hatte, ist es ohne Weiteres nachvollziehbar, dass sich bei der elektronischen Auslesung der Laufzeitanzeige am 2. Februar 2010 eine Laufleistung von nicht mehr als 212.377 km herausstellte. Die Beklagte dringt folglich nicht mit dem Einwand durch, der durch den Sachverständigen T. in Ansatz gebrachte Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges von 18.900,-- € sei auch deswegen unrealistisch, weil der Sachverständige eine zu geringe Laufleistung des Wagens berücksichtigt habe.
131VI.
1321 )
133In Anbetracht der nachgewiesenen Instandsetzung des Unfallschadens vom 18. Oktober 2009 hat der Kläger auch Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens, für den ausweislich des Gutachtens des Sachverständigenbüros E.-T. vom 21. Oktober 2009 eine Reparaturdauer von 10 Kalendertagen in Ansatz zu bringen ist. Der darin ausgewiesene Tagessatz der Nutzungsausfallentschädigung von 119,-- € begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Wegen des Alters des Wagens von mehr als fünf, aber noch nicht erreichten zehn Jahren ergibt sich unter Berücksichtigung der Fahrzeugleistungsdaten bei Zugrundelegung der aktuellen Nutzungsausfallentschädigungstabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch eine Einordnung in die Gruppe K, welcher ein Tagessatz von 119,-- € entspricht.
1342 )
135Der Kläger hat folglich Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung von1.190,-- € (10 Tage zu je 119,-- €). Rechnet man die Kostenpauschale von 25,-- €, die ersatzfähige Reparatursumme (12.614,73 € netto) ebenso wie die Kostenpauschale von 25,-- € hinzu, macht die begründete Zahlungsforderung des Klägers die Summe von 13.829,73 € aus.
1363 )
137Eines Eingehens auf den durch den Kläger hilfsweise in geringerer Höhe gestellten Zahlungsantrag, der u.a. auch die streitigen Postionen Minderwert (1.400,-- €) sowie Kilometerstandermittlung der Firma B. G. (101,15 €) betrifft, bedarf es daher nicht.
1384 )
139Entsprechend der Tenorierung des Landgerichts hat der Kläger auch Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlich angefallenen Sachverständigenkosten in Höhe von 1.788,22 €. Entgegen dem Berufungsvorbringen der Beklagten kommt in Anbetracht der Anspruchsberechtigung des Klägers zu 100 % eine Kürzung der Sachverständigenkosten nicht in Betracht.
1405 )
141Obwohl das Landgericht dem Kläger in den Entscheidungsgründen zu Recht einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten wegen der vorgerichtlichen Inanspruchnahme seiner Prozessbevollmächtigten zuerkannt hat (Bl. 9 UA; Bl. 320 d.A.), hat die entsprechende Leistungsverpflichtung der Beklagten keinen Eingang in den Tenor des angefochtenen Urteils gefunden. Diese im Sinne des § 319 Abs. 1 ZPO offenbare Unrichtigkeit ist zu korrigieren. Da sich die Anspruchsberechtigung des Klägers jedoch antragsgemäß auf den vollen Betrag von 13.829,73 € bezieht, ist der durch das Landgericht ermittelte gebührenrechtliche Freistellungsbetrag von 775,64 € nicht hinreichend. Vielmehr hat die Freistellungsverpflichtung der Beklagten entsprechend der Berechnung des Klägers in seiner Klageschrift nach dem maßgeblichen Gegenstandswert von 15.617,95 € auf der Grundlage einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer einen Betrag von 899,40 € zum Gegenstand.
142VII.
143Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
144Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713.
145Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt 15.617,95 €, davon entfällt auf die Berufung des Klägers ein Anteil von 5.848,39 € und auf das Rechtsmittel der Beklagten ein solcher von 9.769,56 €.
146Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 25. Feb. 2014 - I-1 U 56/13
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(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander.
(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.
(4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier oder durch ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird.
(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.
(3) Benutzt jemand das Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen worden ist.
(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander.
(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.
(4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier oder durch ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird.
(1) In den Fällen des § 7 Abs. 1 ist auch der Führer des Kraftfahrzeugs zum Ersatz des Schadens nach den Vorschriften der §§ 8 bis 15 verpflichtet. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht ist.
(2) Die Vorschrift des § 16 findet entsprechende Anwendung.
(3) Ist in den Fällen des § 17 auch der Führer eines Kraftfahrzeugs zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so sind auf diese Verpflichtung in seinem Verhältnis zu den Haltern und Führern der anderen beteiligten Kraftfahrzeuge, zu dem Tierhalter oder Eisenbahnunternehmer die Vorschriften des § 17 entsprechend anzuwenden.
(1) Der Dritte kann seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen,
- 1.
wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt oder - 2.
wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist oder - 3.
wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist.
(2) Der Anspruch nach Absatz 1 unterliegt der gleichen Verjährung wie der Schadensersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer beginnt; sie endet jedoch spätestens nach zehn Jahren von dem Eintritt des Schadens an. Ist der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht. Die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung des Anspruchs gegen den Versicherer wirken auch gegenüber dem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer und umgekehrt.
(1) An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt. Das gilt nicht,
- 1.
wenn die Vorfahrt durch Verkehrszeichen besonders geregelt ist (Zeichen 205, 206, 301, 306) oder - 2.
für Fahrzeuge, die aus einem Feld- oder Waldweg auf eine andere Straße kommen.
(1a) Ist an der Einmündung in einen Kreisverkehr Zeichen 215 (Kreisverkehr) unter dem Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) angeordnet, hat der Verkehr auf der Kreisfahrbahn Vorfahrt. Bei der Einfahrt in einen solchen Kreisverkehr ist die Benutzung des Fahrtrichtungsanzeigers unzulässig.
(2) Wer die Vorfahrt zu beachten hat, muss rechtzeitig durch sein Fahrverhalten, insbesondere durch mäßige Geschwindigkeit, erkennen lassen, dass gewartet wird. Es darf nur weitergefahren werden, wenn übersehen werden kann, dass wer die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert wird. Kann das nicht übersehen werden, weil die Straßenstelle unübersichtlich ist, so darf sich vorsichtig in die Kreuzung oder Einmündung hineingetastet werden, bis die Übersicht gegeben ist. Wer die Vorfahrt hat, darf auch beim Abbiegen in die andere Straße nicht wesentlich durch den Wartepflichtigen behindert werden.
(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander.
(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.
(4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier oder durch ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 19. Mai 1998 auf einer Landstraße im Bereich der Gemeinde D. geltend, bei dem er als Motorradfahrer von dem ihm entgegenkommenden Beklagten zu 1 (künftig: der Beklagte), der mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw nach links in eine Autobahnauffahrt abbiegen wollte, beim Abbiegevorgang erfaßt und schwer verletzt wurde. Vor der Annäherung an die Unfallstelle durchfuhr der Kläger eine ansteigende Linkskurve. Der Beklagte hatte sich vor dem Abbiegen auf eine hierzu bestimmte Linksabbiegespur eingeordnet. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine vom Sachverständigen ermittelte Geschwindigkeit von 120 bis 150 km/h sei für den Unfall nicht mitursächlich gewesen, weil er auch bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h den Unfall nicht mehr hätte vermeiden können, als die Vorfahrtsverletzung durch den Beklagten für ihn erkennbar geworden sei. Vorher habe er keine Veranlassung gehabt, seine Geschwindigkeit zu reduzieren, sondern darauf vertrauen können, daß der Beklagte sein Vorfahrtsrecht beachten werde. Vorprozessual bezahlte die Beklagte zu 2 an den Kläger 120.000 DM, von denen sie in der Klageerwiderung 80.000 DM auf den Schmerzensgeldanspruch und 40.000 DM auf die Sachschäden des Klägers verrechnete. Das Landgericht hat dem Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 DM zuerkannt, den Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Sachschäden dem Grunde nach zu 80 % für gerechtfertigt erklärt und festgestellt , daß die Beklagten dem Kläger zum Ersatz seiner zukünftigen immateriellen Schäden zu 100 % sowie seiner zukünftigen materiellen Schäden zu 80 %verpflichtet sind, soweit kein Forderungsübergang auf Sozialversicherungsträger stattfindet. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat es das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und festgestellt, daß die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden zu 2/3 und sämtliche immateriellen Schäden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 1/3 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter, soweit das Berufungsgericht zu seinem Nachteil erkannt hat.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der Verkehrsunfall vom 19. Mai 1998 von beiden Fahrzeugführern schuldhaft mitverursacht worden sei. Die unfallursächliche schuldhafte Vorfahrtsverletzung des Beklagten stehe zu Recht außer Streit. Aber auch den Kläger treffe ein Mitverschulden an der Entstehung des Unfalls, da er die an der Unfallstelle zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mindestens 20 km/h überschritten habe und dies als kausal für das Unfallgeschehen zu bewerten sei. Zwar sei nach dem eingeholten Gutachten der Unfall auch bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h nicht zu vermeiden gewesen, wenn man eine Reaktion des Klägers erst zu dem Zeitpunkt verlange, in dem er habe erkennen können, daß der Unfallgegner ihm die Vorfahrt nicht gewähren und in seine Fahrspur hineinfahren werde. Jedoch sei im Hinblick auf das dem Kläger erkennbare Verkehrsgeschehen eine frühere Reaktion von ihm zu fordern gewesen. Im Regelfall dürfe der Vorfahrtbe-rechtigte auf die Beachtung seines Vorfahrtsrechts vertrauen. In der konkreten Situation hätten jedoch besondere Umstände vorgelegen, aufgrund derer der Kläger schon im Zeitpunkt des ersten Sichtkontakts mit einer Vorfahrtsverletzung durch den Beklagten habe rechnen müssen, falls er seine überhöhte Geschwindigkeit beibehalte, so daß er schon aus diesem Grunde spätestens zu diesem Zeitpunkt seine Geschwindigkeit auf 100 km/h hätte reduzieren müssen. Er habe nämlich aufgrund der Besonderheiten der Unfallörtlichkeit damit rechnen müssen, daß er im Falle einer weiteren Annäherung mit seiner überhöhten Geschwindigkeit vom Beklagten nicht rechtzeitig wahrgenommen, dieser seine Geschwindigkeit falsch einschätzen und abbiegen werde. Ein frühzeitiges Verlangsamen sei vom Kläger umso mehr zu fordern gewesen, als er nach eigenem Bekunden die Stelle gekannt und gewußt habe, daß es dort schon viele gleichartige Unfälle gegeben habe. Deshalb könne er sich vorliegend nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen. Hätte der Kläger seine Geschwindigkeit beim ersten Sichtkontakt zum Pkw des Beklagten auf 100 km/h verringert, so wäre der Unfall bei der vom Sachverständigen angenommenen Abbiegegeschwindigkeit des Pkw des Beklagten von 18 km/h vermieden worden. Bei der Abwägung der Verursachungsanteile liege die entscheidende Unfallursache im Vorfahrtverstoß des Beklagten. Sein Verschulden wiege allerdings deshalb nicht allzu schwer, weil zu seinen Gunsten davon auszugehen sei, daß sich der Kläger mit 150 km/h der Unfallstelle genähert und deshalb erst direkt vor dem Anfahrtbeginn für den Beklagten sichtbar geworden sei. Da die Geschwindigkeit des Klägers für den Beklagten nicht sofort erkennbar gewesen sei, sei darin, daß er den begonnenen Abbiegevorgang nicht wieder abgebrochen habe, noch keine grobe Fahrlässigkeit zu sehen. Unter Berücksichtigung der erhöhten Betriebsgefahr beim Linksabbiegen sei eine Haftungsquote von 2/3 zu Lasten des Beklagten angemessen.
Auf dieser Grundlage sei bei Abwägung aller Gesichtspunkte, namentlich des beiderseitigen Ausmaßes der Unfallverursachung und der Schwere der vom Kläger erlittenen Unfallverletzungen, ein Schmerzensgeld von 80.000 DM angemessen. Die Zahlung der Beklagten zu 2 habe deshalb das Schmerzensgeld und alle vom Kläger geltend gemachten materiellen Schäden abgegolten, weshalb nur noch die Haftung beider Beklagten für zukünftige Schäden des Klägers im Raum stehe.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Beklagte , für dessen Haftpflicht die Beklagte zu 2 einzustehen hat, den Verkehrsunfall und den daraus entstandenen Schaden des Klägers schuldhaft dadurch verursacht hat, daß er entgegen § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO nach links abbog, ohne den entgegenkommenden Kläger durchfahren zu lassen, der sein Vorrecht nicht deshalb verloren hatte, weil er mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr (Senatsurteile vom 11. Januar 1977 - VI ZR 268/74 - VersR 1977, 524, 525 und vom 21. Januar 1986 - VI ZR 35/85 - VersR 1986, 579). 2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , der Kläger habe durch Überschreiten der außerhalb geschlossener Ortschaften nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 c StVO vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mindestens 20 km/h den Unfall schuldhaft mitverursacht.a) Allerdings kann ein späterer Unfall einer Geschwindigkeitsüberschreitung nicht allein schon deshalb zugerechnet werden, weil das Fahrzeug bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit erst später an die Unfallstelle gelangt wäre, vielmehr muß sich in dem Unfall gerade die auf das zu schnelle Fahren zurückzuführende erhöhte Gefahrenlage aktualisieren. Der rechtliche Ursachenzusammenhang zwischen Geschwindigkeitsüberschreitung und Unfall ist zu bejahen, wenn bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Verkehrssituation der Unfall vermeidbar gewesen wäre (vgl. Senatsurteile vom 22. Dezember 1959 - VI ZR 215/58 - VersR 1960, 183, 184; vom 27. November 1962 - VI ZR 240/61 - VersR 1963, 165, 166; vom 11. Januar 1977 - VI ZR 268/74 - aaO und vom 7. April 1987 - VI ZR 30/86 - VersR 1987, 821, 822; vgl. auch BGHSt 33, 61, 63 f. m.w.N.).
b) Die kritische Verkehrslage beginnt für einen Verkehrsteilnehmer dann, wenn die ihm erkennbare Verkehrssituation konkreten Anhalt dafür bietet, daß eine Gefahrensituation unmittelbar entstehen kann (vgl. Senatsurteile vom 27. November 1962 - VI ZR 240/61 - aaO; vom 11. Januar 1977 - VI ZR 268/74 - aaO; vom 25. September 1990 - VI ZR 19/90 - VersR 1990, 1366, 1367 und vom 5. Mai 1992 - VI ZR 262/91 - VersR 1992, 890; vgl. auch VGS BGHZ 14, 232, 239 = BGHSt 7, 118, 124; BGH, Urteil vom 26. Juli 1963 - 4 StR 258/63 - VRS 25, 262, 263 f.; BGHSt 24, 31, 34 m.w.N.; BGH, Urteil vom 21. März 1978 - 4 StR 683/77 - VRS 54, 436, 437; BGHSt 33, 61, 63 ff.; OLG Celle VRS 63, 72, 73; OLG Köln VRS 70, 373, 374 f.; OLG Frankfurt JR 1994, 77, 78 m. Anm. Lange; OLG Düsseldorf VRS 88, 268 f.; OLG Köln VersR 2001, 1577, 1578; OLG Karlsruhe VRS 100, 460, 461). Für einen vorfahrtsberechtigten Verkehrsteilnehmer ist dies in Bezug auf seinen Vorrang zwar nicht bereits der Fall, wenn nur die abstrakte, stets gegebene Gefahr eines Fehlverhaltens anderer besteht, vielmehr müssen erkennbare Umstände eine bevorstehende Verletzung seines Vorrechts nahelegen. Von Bedeutung sind hierbei neben der
Fahrweise des Wartepflichtigen alle Umstände, die sich auf dessen Fahrweise auswirken können, also auch die Fahrweise des Bevorrechtigten selbst. Gibt er dem Wartepflichtigen durch einen Verkehrsverstoß Anlaß, die Wartepflicht - namentlich infolge einer Fehleinschätzung der Verkehrslage - zu verletzen, so kann die kritische Verkehrslage bereits vor der eigentlichen Vorfahrtsverletzung eintreten.
c) Nach diesen Grundsätzen durfte das Berufungsgericht aufgrund der von ihm im vorliegenden Fall getroffenen Feststellungen ohne Rechtsfehler davon ausgehen, daß der Kläger bereits beim ersten möglichen Sichtkontakt zum Pkw des Beklagten konkret damit rechnen mußte, daß der Beklagte sein Vorfahrtsrecht verletzen könnte. Die überhöhte Geschwindigkeit des Klägers war auch im Hinblick auf die Besonderheit der Unfallörtlichkeit geeignet, den Beklagten die Verkehrslage falsch einschätzen zu lassen und ihn zu veranlassen, noch vor dem Kläger abzubiegen, obgleich ihm dies nicht mehr gefahrlos möglich war (vgl. VGS BGHZ 14, 232, 234 = BGHSt 7, 118, 120). Das Berufungsgericht hat sich verfahrensfehlerfrei aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens und der diesem beigefügten Lichtbilder die Überzeugung gebildet, daß der vor einem Wald auf seinem Motorrad aus einer ansteigenden Kurve sich nähernde Kläger für den Beklagten als schmale Silhouette nur schwer erkennbar war. Zwar habe der Beklagte während der Entschlußdauer zum Anfahren den Kläger erstmals sehen, jedoch noch nicht dessen gefahrene Geschwindigkeit erkennen können, wofür er nochmals einige Sekunden benötigt habe. Dies hätte sich auch der Kläger sagen und deshalb damit rechnen müssen , daß der Pkw, der sich für ihn erkennbar auf der Linksabbiegerspur befand, den Abbiegevorgang einleiten und durchführen werde. Hiergegen ist aus Rechtsgründen auch deshalb nichts zu erinnern, weil der Kläger - worauf das Berufungsgericht mit Recht abhebt (vgl. BGHSt 15,
191, 193) - nach seinem eigenen Vortrag wußte, daß es an der späteren Unfall- stelle zuvor bereits viele Unfälle infolge falschen Linksabbiegens gegeben hatte.
d) Entgegen der Auffassung der Revision kann sich der Kläger vorliegend - was die Vermeidbarkeit des Verkehrsunfalls anbelangt - nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf zwar ein Verkehrsteilnehmer, der sich selbst regelgerecht verhält, grundsätzlich darauf vertrauen, daß andere Verkehrsteilnehmer ebenfalls die Verkehrsregeln einhalten, z.B. sein Vorfahrtsrecht beachten (vgl. Senatsurteile vom 15. Mai 1973 - VI ZR 62/72 - VersR 1973, 765, 766 und vom 3. Dezember 1991 - VI ZR 98/91 - VersR 1992, 203, 204; VGS BGHZ 14, 232, 235 f. = BGHSt 7, 118, 122; BGH, Urteil vom 19. September 1974 - III ZR 73/72 - VersR 1975, 37, 38 m.w.N.; BGHSt 9, 92, 93 f.; BGHSt 12, 81, 83; BGHSt 13, 169, 172 f.). Der Vertrauensgrundsatz kommt jedoch regelmäßig demjenigen nicht zugute, der sich selbst über die Verkehrsregeln hinwegsetzt (Senatsurteil vom 15. November 1966 - VI ZR 57/65 - VersR 1967, 157, 158; vom 15. Mai 1973 - VI ZR 62/72 - aaO und vom 3. Dezember 1991 - VI ZR 98/91 - aaO; BGH, Urteile vom 19. September 1974 - III ZR 73/72 - aaO S. 38 f. m.w.N.; vom 21. Februar 1985 - III ZR 205/83 – VersR 1985, 637, 639 und vom 6. Februar 1958 - 4 StR 687/57 - bei juris; BGHSt 9, 92, 93 f.; BGHSt 13, 169, 172 f.; BGHSt 15, 191, 193; OLG Frankfurt JR 1994, 77 mit Anm. Lampe; OLG Karlsruhe VRS 100, 460, 461). Dies gilt freilich nicht uneingeschränkt. Dient eine Verkehrsregel nur dem Schutz vor bestimmten Gefahren des Straßenverkehrs, so zeigt ein Verkehrsverstoß gegen diese Regel nur die Vorhersehbarkeit derjenigen Gefahr an, zu deren Abwehr die verletzte Vorschrift bestimmt ist. Dem-
entsprechend büßt der Verletzer den Schutz des Vertrauensgrundsatzes nur gegenüber solchen Verkehrsteilnehmern ein, die an dem Verkehrsvorgang beteiligt sind, dessen typischen Gefahren die verletzte Vorschrift begegnen soll (BGH, Urteil vom 19. September 1974 - III ZR 73/72 - aaO m.w.N.). Die vom Kläger übertretene allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Landstraßen schützt jeden Verkehrsteilnehmer; sie dient insbesondere auch dazu, Quer- und Kreuzungsverkehr ohne die aus hohen Geschwindigkeiten drohenden besonderen Gefahren zu ermöglichen (vgl. Senatsurteile vom 11. Januar 1977 - VI ZR 268/74 - aaO; vom 14. Februar 1984 - VI ZR 229/82 - VersR 1984, 440 und vom 25. September 1990 - VI ZR 19/90 - aaO; vgl. auch VGS BGHZ 14, 232, 234 und 238 = BGHSt 7, 118, 120 f. und 126; BGHSt 33, 61, 65; OLG Koblenz VersR 1990, 1021 mit Nichtannahmebeschluß des Senats vom 20. März 1990 - VI ZR 204/89). Indem der Kläger die zulässige Höchstgeschwindigkeit an der ihm wegen einschlägiger Unfälle bekannten Stelle um - wovon insoweit zu seinen Gunsten auszugehen ist - 20 km/h überschritt, durfte er sich auf ein regelgerechtes Verkehrsverhalten des Beklagten nicht mehr verlassen.
c) Im Ergebnis mit Recht geht das Berufungsgericht ferner davon aus, daß der Kläger den Unfall bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hätte vermeiden können. aa) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht sei ohne konkrete Feststellungen hinsichtlich der angenommenen Abbiegegeschwindigkeit des Beklagten verfahrensfehlerhaft von einem rechnerischen Mittelwert von 18 km/h ausgegangen, hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat diese Geschwindigkeit nicht lediglich unterstellt, sondern hat sich aufgrund der Angaben des Sachverständigen in Verbindung mit den sonstigen Umständen des vorliegen-
den Falles in tatrichterlicher Würdigung verfahrensfehlerfrei eine entsprechende Überzeugung gebildet, indem es darauf hinweist, daß es weder gegenteiligen Vortrag der Parteien, noch Spuren auf der Fahrbahn noch sonstige Anhaltspunkte für eine andere als die vom Sachverständigen angenommene mittlere Abbiegegeschwindigkeit gebe, etwa infolge eines Bremsvorgangs. bb) Darüber hinaus käme dem Kläger vorliegend entgegen der Annahme des Berufungsgerichts im Rahmen der Vermeidbarkeitsprüfung keine Zeit für eine Verringerung der Geschwindigkeit auf 100 km/h bei Beginn der kritischen Verkehrslage zugute. Anders als bei der Verletzung einer situationsbedingten Beschränkung der zulässigen Geschwindigkeit, etwa nach § 3 Abs. 2 a StVO, bei der erst das Vorliegen bestimmter Umstände eine Verminderung der Geschwindigkeit unter das bis dahin zulässige Maß gebietet (vgl. Senatsurteil vom 23. April 2002 - VI ZR 180/01 - VersR 2002, 911, 912 m.w.N.) und dem verkehrsgerecht Fahrenden deshalb bei Eintritt der kritischen Verkehrslage eine Reaktions- und Bremszeit zuzubilligen ist, ist der Verkehrsteilnehmer, der die allgemein zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet, ständig gehalten, seine Geschwindigkeit auf das zulässige Maß zu reduzieren. Deswegen besteht für diesen das rechtmäßige Alternativverhalten, welches (fiktiv) der Kausalitätsprüfung zugrunde zu legen ist, nicht in einem sofortigen Abbremsen auf die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit, sondern in der Einhaltung dieser Geschwindigkeit bereits bei Beginn der kritischen Verkehrslage (vgl. Senatsurteil vom 11. Januar 1977 - VI ZR 268/74 - aaO; BGHSt 33, 61, 63 f.). Diese Betrachtungsweise ist auch deshalb geboten, weil ansonsten die haftungsrechtliche Zurechnung eines Schadens zu einer Geschwindigkeitsüberschreitung desto eher entfiele, je stärker die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten wurde. Hiernach folgt aus den Feststellungen des Berufungsgerichts für den vorliegenden Fall, daß der Kläger den Unfall erst recht hätte vermeiden können,
wenn er bereits zum Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Verkehrslage nicht schneller als 100 km/h gefahren wäre. 3. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich die vom Berufungsgericht vorgenommene Haftungsverteilung.
a) Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB oder des § 17 StVG ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1988 - VI ZR 283/87 - VersR 1988, 1373 und vom 5. März 2002 - VI ZR 398/00 - VersR 2002, 613, 615 f.; jeweils m.w.N.; BGH, Urteile vom 20. Juli 1999 - X ZR 139/96 - NJW 2000, 217, 219 m.w.N. und vom 14. September 1999 - X ZR 89/97 - NJW 2000, 280, 281 f.). In erster Linie ist hierbei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (Senatsurteil vom 20. Januar 1998 - VI ZR 59/97 - VersR 1998, 474, 475 m.w.N.). Die Abwägung kann nicht schematisch erfolgen. Sie ist aufgrund aller festgestellten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Diese Maßstäbe hat das Berufungsgericht nicht verkannt.
b) Die Revision rügt insoweit erfolglos, das Berufungsgericht habe das Verhalten des Beklagten zu Unrecht nicht als grob fahrlässig gewertet. Die tatrichterliche Beurteilung, ob dem Schädiger der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen ist, ist mit der Revision ebenfalls nur beschränkt angreifbar. Der Nachprüfung unterliegt, ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Verschuldensgrades wesentliche Umstände
außer Betracht gelassen hat (vgl. etwa Senatsurteil vom 30. Januar 2001 - VI ZR 49/00 - VersR 2001, 985; BGHZ 145, 337, 340 jeweils m.w.N.). Daß das Berufungsgericht nach den getroffenen Feststellungen ein grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten verneint hat, läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet läßt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Zwar beging der Beklagte einen objektiv schweren Verkehrsverstoß, indem er abbog und dadurch das Vorrecht des Klägers verletzte, was bei verkehrsgerechtem Verhalten des Klägers angesichts des Schutzcharakters des § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO zugunsten des Gegenverkehrs ein starkes Anzeichen für ein schweres Verschulden ergeben hätte. Jedoch begegnet die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte könne die Verkehrslage diesbezüglich lediglich fahrlässig falsch eingeschätzt haben, nach den getroffenen Feststellungen keinen rechtlichen Bedenken. Insoweit konnte das Berufungsgericht im Rahmen der vom Sachverständigen im Bereich zwischen 120 bis 150 km/h angegebenen Geschwindigkeit des Klägers zugunsten des Beklagten ohne Rechtsfehler davon ausgehen, daß der Kläger mit einer Geschwindigkeit von 150 km/h fuhr, als der Beklagte seinen Abbiegevorgang einleitete. Denn die Tatsachen, aus denen sich eine grobe Fahrlässigkeit des Beklagten ergeben könnte, stehen zur Beweislast des Klägers. Eine Fehleinschätzung des Wartepflichtigen hat das Berufungsgericht angesichts einer derartigen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht für ausgeschlossen erachten müssen.
III.
Nach alledem muß der Revision der Erfolg versagt bleiben. Das Berufungsurteil ist lediglich nach § 319 Abs. 1 ZPO von Amts wegen durch den Senat (BGH, Urteil vom 10. Juli 1991 - IV ZR 155/90 - NJW-RR 1991, 1278 m.w.N.) entsprechend den diesbezüglich eindeutigen Entscheidungsgründen dahin zu berichtigen, daß sich der Feststellungsausspruch nur auf zukünftige materielle und immaterielle Schäden des Klägers bezieht und die Klage im übrigen abgewiesen wird.Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr
(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander.
(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.
(4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier oder durch ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird.
(1) In den Fällen des § 7 Abs. 1 ist auch der Führer des Kraftfahrzeugs zum Ersatz des Schadens nach den Vorschriften der §§ 8 bis 15 verpflichtet. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht ist.
(2) Die Vorschrift des § 16 findet entsprechende Anwendung.
(3) Ist in den Fällen des § 17 auch der Führer eines Kraftfahrzeugs zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so sind auf diese Verpflichtung in seinem Verhältnis zu den Haltern und Führern der anderen beteiligten Kraftfahrzeuge, zu dem Tierhalter oder Eisenbahnunternehmer die Vorschriften des § 17 entsprechend anzuwenden.
(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.
(2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger macht nach einem Verkehrsunfall den ihm entstandenen Fahrzeugschaden geltend. Der beklagte Versicherer ist unstreitig eintrittspflichtig. Der Kläger hat eine Reparatur in Eigenregie durchgeführt. Er hat den Schaden gegenüber der Beklagten fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abgerechnet. Die Beklagte hat den Schadensbetrag aufgrund eines eigenen Prüfgutachtens um 1.197,22 € gekürzt (davon entfallen 107,40 € auf fiktive Verbringungskosten). Vorprozessual hat sie den Kläger auf günstigere Stundenverrechnungssätze von Referenzwerkstätten verwiesen, ohne diese konkret zu benennen. In erster Instanz hat sie sodann konkrete Werkstätten benannt, die unstreitig zu den von der Beklagten angesetzten Kosten repariert hätten.
- 2
- Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger noch im vorliegenden Rechtsstreit auf die preisgünstigeren Referenzwerkstätten verwiesen werden konnte, ferner über die Ersatzfähigkeit der geltend gemachten fiktiven Verbringungskosten.
- 3
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Verweisung des Schädigers bzw. seines Haftpflichtversicherers auf kostengünstigere Referenzwerkstätten im Fall der fiktiven Schadensabrechnung noch im Rechtsstreit möglich. Eine Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Geschädigten sei weder im Allgemeinen ersichtlich noch im vorliegenden Fall vorgetragen. Der Kläger trage bereits nicht vor, dass er sich bei einem Hinweis der Beklagten zu einem vor Durchführung der Reparatur gelegenen Zeitpunkt zu einem abweichenden Vorgehen bei der Schadensbehebung entschieden hätte.
- 5
- Der Anspruch auf fiktive Verbringungskosten bestehe bereits deshalb nicht, weil der Kläger dazu weder in erster Instanz noch im Berufungsverfahren substantiiert vorgetragen habe.
II.
- 6
- Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
- 7
- 1. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Schädiger den Geschädigten , der fiktiv abrechnet, noch im Rechtsstreit auf günstigere Reparaturmöglichkeiten in einer Referenzwerkstatt verweisen kann, ist nicht zu beanstanden.
- 8
- a) Der Geschädigte darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Senatsurteile vom 29. April 2003 - VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 4 - Porsche-Urteil; vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rn. 7 f. - VW-Urteil; vom 22. Juni 2010 - VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn. 6 - Audi-Quattro-Urteil; vom 22. Juni 2010 - VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn. 6 - Mercedes-A 170-Urteil). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht grundsätzlich ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (vgl. z.B. Senatsurteile vom 23. März 1976 - VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 241; vom 29. April 2003 - VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 3). Allerdings ist unter Umständen ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder "freien" Fachwerkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt un- zumutbar machen (Senatsurteile vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09, aaO Rn. 12 ff. - VW-Urteil; vom 23. Februar 2010 - VI ZR 91/09, VersR 2010, 923 Rn. 9, 11 - BMW-Urteil; vom 22. Juni 2010 - VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn. 7 - Audi-Quattro-Urteil; vom 22. Juni 2010 - VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn. 7 - Mercedes-A 170-Urteil; vom 13. Juli 2010 - VI ZR 259/09, VersR 2010, 1380 Rn. 7 - Mercedes-A 140-Urteil).
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- b) Hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem der Verweis spätestens erfolgen muss, bestehen unterschiedliche Auffassungen. Vertreten wird etwa, der KfzHaftpflichtversicherer könne den Unfallgeschädigten bei fiktiver Abrechnung des Unfallschadens an einem fünf Jahre alten Fahrzeug auch noch zu einem späteren Zeitpunkt, der mehrere Wochen nach dem Unfall liege, und zu dem das Fahrzeug bereits repariert worden sei, auf eine von ihm konkret benannte und dem Geschädigten zumutbare und zugängliche, technisch gleichwertige, aber kostengünstigere Reparaturmöglichkeit verweisen, es sei denn, der Geschädigte habe das Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren lassen (z.B. OLG Braunschweig, Urteil vom 27. Juli 2010 - 7 U 51/08, juris Rn. 18). Zum Teil wird es für ausreichend gehalten, dass im Fall der fiktiven Schadensberechnung der Schädiger auch noch erstmals im Prozess auf eine günstigere Werkstatt verweist (LG Frankfurt, Urteil vom 19. Januar 2011 - 2-16 S 121/10, juris; LG Stuttgart, Urteil vom 19. Juli 2010 - 4 S 48/10, juris Rn. 14; AG Flensburg, Urteil vom 8. Januar 2013 - 62 C 131/12, juris Rn. 8 ff.; AG Nordhorn, Urteil vom 19. Juni 2012 - 3 C 1596/11, juris Rn. 28 ff.). Die Möglichkeit , erst im Prozess auf freie Werkstätten zu verweisen, wird von anderen abgelehnt, wobei u.a. darauf abgestellt wird, der Verweis müsse in dem Zeitpunkt bekannt sein, in dem der Geschädigte gewöhnlich seine Dispositionsentscheidung treffe, also zeitnah nach dem Unfall (vgl. LG Kiel, Urteil vom 25. November 2011 - 1 S 37/11, juris Rn. 23 ff.; LG Frankenthal, Urteil vom 7. März 2012 - 2 S 180/11, juris Rn. 7 ff.; AG Hechingen, Urteil vom 28. Juni 2012 - 2 C 416/11, juris Rn. 16 ff.; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Juni 2008 - I-1 U 246/07, DAR 2008, 523, 525; Nugel, jurisPR-VerkR 18/2008 Anm. 1).
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- c) Nach Ansicht des erkennenden Senats ist der Verweis noch im Rechtsstreit möglich, soweit dem nicht prozessuale Gründe, wie die Verspätungsvorschriften , entgegenstehen.
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- Für den Geschädigten, der fiktiv abrechnet, ist es im Prinzip unerheblich, ob und wann der Versicherer auf die alternative Reparaturmöglichkeit verweist. Dem steht nicht entgegen, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen. Entscheidend ist, dass in solchen Fällen der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln ist. Der Geschädigte disponiert dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf dieser objektiven Grundlage zufrieden gibt. Hinweise der Schädigerseite auf Referenzwerkstätten dienen hier nur dazu, der in dem vom Geschädigten vorgelegten Sachverständigengutachten vorgenommenen Abrechnung entgegenzutreten.
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- 2. Die Revision greift das Berufungsurteil hinsichtlich der fiktiven Verbringungskosten nur mit grundsätzlichen Erwägungen an. Damit kann sie keinen Erfolg haben.
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- Sie stellt das Berufungsurteil nicht in Frage, soweit dort ausgeführt ist, der Kläger habe zu den Verbringungskosten in den Tatsacheninstanzen nicht ansatzweise substantiiert vorgetragen. Ohne Erfolg macht sie geltend, der Kläger habe auf die fehlende Substantiierung seines Vortrags gemäß § 139 ZPO hingewiesen werden müssen. Die Beklagte hatte bereits in der Klageerwiderung zu den Verbringungskosten vorgetragen. Im Hinblick darauf und auf die aufgrund zahlreicher Fundstellen ersichtliche Rechtslage (vgl. etwa OLG Düsseldorf , Urteil vom 16. Juni 2008 - 1 U 246/07, DAR 2008, 523, 526; Urteil vom 6. März 2012 - 1 U 108/11, Schaden-Praxis 2012, 324, 325; LG Kiel, Urteil vom 15. Februar 2010 - 1 S 107/09, DAR 2010, 270; LG Dortmund, Urteil vom 28. November 2008 - 17 S 68/08, ZfS 2009, 265, 266; AG Ansbach, Urteil vom 15. Juni 2009 - 2 C 1085/08, Schaden-Praxis 2010, 190; AG Nürnberg, Urteil vom 24. Juli 2009 - 35 C 785/09, Schaden-Praxis 2010, 190; MünchKomm BGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 372; Eggert, Verkehrsrecht aktuell 2007, 141, 144) waren die Vorinstanzen zu einem Hinweis nicht verpflichtet. Galke Zoll Wellner Diederichsen von Pentz
AG Bremerhaven, Entscheidung vom 11.10.2011 - 52 C 922/11 -
LG Bremen, Entscheidung vom 31.05.2012 - 6 S 323/11 -
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.
(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.