Tatbestand

Das AG hat den Betr. vom Vorwurf der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 54 km/h freigesprochen, weil es aufgrund eines Vergleichs des Messbilder mit dem Betr. zu der Überzeugung gelangte, dass dieser nicht als Fahrer des Tatfahrzeugs in Betracht komme.

Die gegen den Freispruch eingelegte Rechtsbeschwerde der StA führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung des Sache.

Gründe

I.

Die statthafte (§ 79 I 1 Nr. 3 OWiG) und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde der StA hat mit der Sachrüge - zumindest vorläufigen – Erfolg, so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht mehr bedarf. Die angefochtene Entscheidung unterliegt der Aufhebung, weil die Darstellung der Gründe schon nicht den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil (§ 267 V 1 StPO i.V.m. § 71 I OWiG) genügt und im Übrigen die Beweiswürdigung grundlegende Rechtsfehler aufweist.

1. Kann sich ein Gericht nicht von der Täterschaft eines Betr. überzeugen, ist zunächst der ihm zur Last gelegte Vorwurf aufzuzeigen. Sodann muss in einer geschlossenen Darstellung dargelegt werden, welchen Sachverhalt das Gericht als festgestellt erachtet. Erst auf dieser Grundlage ist zu erörtern, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können. Dies hat so vollständig und genau zu geschehen, dass das Rechtsbeschwerdegericht in der Lage ist nachzuprüfen, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 24.05.2017 – 2 StR 219/16; 16.06.2016 – 1 StR 50/16 [jeweils bei juris]; 18.05.2016 – 2 StR 7/16 = wistra 2016, 401 und vom 05.02.2013 – 1 StR 405/12 = NJW 2013, 1106 = NStZ 2013, 334; OLG Bamberg, Beschluss vom 13.02.2017 – 3 Ss OWi 68/17 = BA 54, 208; Urt. v. 12.11.2014 – 3 OLG 8 Ss 136/14 = OLGSt StPO § 267 Nr 27, jew. m.w.N.). Lassen sich ausnahmsweise überhaupt keine Feststellungen treffen, was im vorliegenden Verfahren aber von vornherein fern liegt, so ist auch dies in den Urteilsgründen unter Angabe der relevanten Beweismittel darzulegen (vgl. BGH, Urt. v. 10.07.1980 – 4 StR 303/80 = NJW 1980, 2423 = MDR 1980, 949; OLG Bamberg, Beschl. vom 28.09.2017 – 3 Ss OWi 1330/17 [bei juris]).

2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Denn es wird nicht mitgeteilt, welche Feststellungen getroffen werden konnten. Vielmehr beschränkt sich das Tatgericht auf die bloße Schilderung eines Geschwindigkeitsverstoßes und den Hinweis, es könne nicht festgestellt werden, wer der Fahrer gewesen sei, der Betr. sei es jedenfalls nicht gewesen. In diesem Zusammenhang fehlt bereits die Mitteilung, ob und ggf. wie der Betr. sich zu dem Tatvorwurf eingelassen hat. Ferner wären vor allem Feststellungen dazu erforderlich gewesen, ob der Betr. ggf. Eigentümer, Besitzer oder Halter des Fahrzeugs war, mit dem der Geschwindigkeitsverstoß begangen wurde. Denn gerade diesen Umständen käme im Rahmen der gebotenen, vom AG allerdings unterlassenen Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls durchaus ein beachtlicher Indizwert insbesondere unter Berücksichtigung einer etwaigen Einlassung und deren Plausibilität zu (OLG Bamberg a.a.O.). Aufgrund dieses Darstellungsmangels kann der Senat schon im Ansatz nicht prüfen, ob nicht auch Indizien vorhanden sind, die bei der erforderlichen Gesamtschau für eine Täterschaft des Betr. gesprochen hätten. Das AG blendet diese Gesichtspunkte aber von vornherein völlig aus und verstellt sich so den Blick auf eine sorgfältige, dem Tatrichter obliegende Beweiswürdigung, bei der im Rahmen einer Gesamtschau alle für und gegen die Täterschaft des Betr. sprechenden Umstände zu berücksichtigen wären.

3. Von dieser Gesamtwürdigung war das AG auch nicht etwa deshalb enthoben, weil es zu der Überzeugung gelangt war, dass der Betr. nicht der Fahrer gewesen sei, zumal die diesem Ergebnis zugrunde liegende Beweiswürdigung für sich genommen ebenfalls grundlegende Rechtsfehler aufweist. Das AG hat seine Überzeugung auf einen Abgleich des Betr. mit den Messbildern, auf die es gemäß § 46 I OWiG i.V.m. § 267 I 3 StPO in den Urteilsgründen verwiesen hat, gestützt. Sein Ergebnis, dass der Betr. nicht der Fahrer gewesen sei, hat es aber allein damit begründet, dass auf den Messbildern zwar lediglich die Augenpartie und der Mund „uneingeschränkt“ und der „noch erahnbare“ Haaransatz „bedingt“ erkennbar gewesen seien; diese stimmten jedoch mit der Erscheinung des Betr. nicht überein. Hinzu komme, dass der Betr. Brillenträger sei, während der Fahrer auf dem Messfoto keine Brille trage. Allein aufgrund dieser Feststellungen ist das AG zu der Erkenntnis gelangt, dass der Betr. als Fahrer „auszuschließen“ sei. Diese Begründung ist von vornherein nicht tragfähig, weil die Beweiswürdigung auch insoweit lückenbehaftet ist.

a) Das AG zieht schon nicht in Erwägung, dass eine Aussage über die Identität des Betr. mit dem Fahrer bzw. deren positiver Ausschluss, zu dem das AG gelangt ist, deswegen auf einer unsicheren Tatsachenbasis beruht, weil auf den Lichtbildern nach eigener Einschätzung des AG nur wenige Teile des Gesichtes erkennbar sind.

b) Ebenso ist es nicht haltbar, wenn das AG lediglich auf wenige Merkmale (Augenpartie und Nase sowie den nach eigener Einschätzung lediglich „erahnbaren“ Haaransatz) abhebt. Die vom AG gezogene Schlussfolgerung, auf Grund dieser Merkmale sei der Betr. als Fahrer auszuschließen, stellt schon einen Verstoß gegen Denkgesetze dar, weil sich aus einem nur „erahnbahren“ Merkmal nach der Logik ein verlässlicher Schluss auf die Nichtidentität verbietet.

c) Ungeachtet dieser Unzulänglichkeiten ist die Beweiswürdigung aber auch deshalb lückenhaft, weil das AG überhaupt nicht in seine Überlegungen einstellt, dass die vermeintlichen, aufgrund einer bloßen Inaugenscheinnahme konstatierten Abweichungen von Augenpartie und Nase für einen Laien ohne Sachkunde auf dem Gebiet der Anthropologie keine verlässliche Aussage zulassen. Bereits durch technische Einflüsse wie etwa die Brennweite der Kamera, den Abstand zwischen Kamera und Abgebildetem, die Linseneigenschaften, die Beleuchtung und dergleichen mehr kann es für den Betrachter ohne besondere Sachkunde zu scheinbaren Unähnlichkeiten kommen (vgl. hierzu eingehend Buck/Krumholz[Hrsg.]-Rösing, Sachverständigenbeweis im Verkehrs- und Strafrecht, 2. Aufl. S. 302 f.). Ferner können die Ernährung und die Lebensweise ebenso wie Krankheiten zu einer kurzfristigen Beeinflussung der Weichteildicken führen (vgl. Rösing a.a.O. S. 304). Aber auch den sich geradezu aufdrängenden Gesichtspunkt, dass schon durch geringfügige Veränderungen der Mimik sich vermeintliche Unähnlichkeiten einzelner Gesichtspartien ergeben können, hat das AG nicht bedacht, sondern es ist vorschnell und ohne kritische Hinterfragung dieser Selbstverständlichkeiten zu der Überzeugung gelangt, dass der Betr. nicht der Fahrer gewesen sei. Es hat damit eine Sachkunde für sich in Anspruch genommen, über die es erkennbar nicht verfügte.

d) Schließlich ist der Hinweis darauf, der Betr. sei „Brillenträger“, während der Fahrer auf dem Messfoto keine Brille trage, von vornherein verfehlt. Entgegen der Auffassung des AG kommt dem kein Indizwert zu, weil es sich nicht um ein dauerhaftes Merkmal, sondern um einen äußeren Umstand handelt, der jederzeit veränderbar ist.

III.

Auf die Rechtsbeschwerde der StA ist daher das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 353 StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG). Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das AG zurückverwiesen (§ 79 VI OWiG). Der Senat hält es für sachgerecht, dass eine andere Abteilung mit diesem Verfahren befasst wird. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass das AG zur Frage der Identifizierung sachverständige Hilfe in Anspruch nehmen sollte und im Rahmen seiner Aufklärungspflicht (§ 71 I OWiG i.V.m. § 244 II StPO) zu ermitteln haben wird, ob der Betr. zur Tatzeit ggf. Eigentümer, Halter oder Besitzer des Fahrzeugs war. […]

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Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

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BGH 2 StR 7/16

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Tenor Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 30. Juni 2015, soweit es den Angeklagten         B.       betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 219/16
vom
24. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:240517U2STR219.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Mai 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Dr. Grube, Schmidt,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt , Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Marburg vom 23. November 2015 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes einer Präzisionsschleuder zu einer Geldstrafe verurteilt und ihn vom Vorwurf des Totschlags freigesprochen. Gegen den Freispruch richtet sich die auf die Sachbeschwerde gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, ist unbegründet.

I.

2
1. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten einen Totschlag zur Last.
3
Am 12. Oktober 2014 habe gegen 5.40 Uhr in der R. in M. aus nicht näher geklärtem Anlass eine Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und den Zeugen S. und W. einerseits sowie dem später getöteten Ho. und den Zeugen Sc. , Hü. , T. und D. andererseits stattgefunden. Der erste tätliche Angriff sei durch den Zeugen S. gegen den Zeugen Sc. ausgeführt worden. An der Auseinandersetzung habe sich sodann der Zeuge Hü. aktiv beteiligt, während die Zeugen T. , D. und W. versucht hätten, die Kontrahenden zu trennen. Gleichzeitig oder kurz darauf seien einige Meter entfernt der Angeklagte und Ho. aneinander geraten. Dabei habe der Angeklagte ein Taschenmesser gezogen, dieses geöffnet und dem unbewaffneten Gegner einen gezielten Stich ins Herz versetzt. Trotz der tödlichen Verletzung habe Ho. ein bewegliches Verkehrsschild aus seiner Halterung genommen und sei mit diesem, die Stange quer vor der Brust haltend, auf den Angeklagten zugegangen. Dieser habe ihm die Stange entrissen und damit auf ihn eingeschlagen. Ho. sei daraufhin zusammengebrochen und wenig später im Krankenhaus verstorben.
4
2. Nach den Feststellungen des Landgerichts nahm der Angeklagte am 11. Oktober 2014 als Verbindungsstudent an einer Feier im Verbindungshaus teil und trank erhebliche Mengen Alkohol. Danach hielt er sich in der Gaststätte „D. “ auf, wo er die Zeugen S. und W. traf. Gemeinsam suchten sie die Kellerbar „R. “ auf, die in den frühen Morgenstunden auch von Ho. und dessen Bekannten Sc. , E. , T. , K. , D. und Hü. besucht wurde. Im Verlauf des Aufenthalts in der Kellerbar kam es dazu, dass einer aus der Gruppe um den Geschädigten auf der Toilette dem Angeklagten dessen Einstecktuch aus der Anzugjacke wegnahm und dieses im Scherz einem anderen als Ersatz für Toilettenpapier anbot; der Angeklagte erhielt das Einstecktuch aber kurz darauf zurück.
5
Nachdem alle Personen die Kellerbar gegen 5.40 Uhr verlassen hatten, kam es auf der Straße erneut zu einem Streit um das Einstecktuch. Die Zeugen Sc. , T. und Hü. sprachen den Angeklagten auf den Vorfall auf der Gaststättentoilette an. Der Zeuge Hü. nahm dem Angeklagten erneut das Einstecktuch weg und entfernte sich. Der Zeuge S. und der Angeklagte folgten ihm, worauf es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Zeugen Sc. und S. kam. Kurz danach kam es ohne feststellbaren Grund zu einer weiteren körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Zeugen Hü. und S. , in die sich die Zeugen T. , D. und W. einmischten. Auch der Angeklagte näherte sich dieser Gruppe. Bevor er diese erreichte, lief Ho. auf ihn zu und beschimpfte ihn. Der Angeklagte wurde dabei zurückgedrängt und mindestens einmal getreten. Die Zeugen E. und K. versuchten vergeblich, den aggressiv auftretenden Ho. zu beruhigen. Der Angeklagte wich zwei Meter zurück. Danach kam es zu einer weiteren körperlichen Auseinandersetzung mit Ho. , in deren Verlauf der Angeklagte diesem mit seinem mitgeführten Schweizer Taschenmesser den tödlichen Stich in die Brust versetzte.
6
Die genaue Abfolge der Einzelakte konnte das Gericht nicht feststellen. Ho. nahm jedenfalls die Stange eines mobilen Verkehrsschildes mit einer Länge von drei Metern aus dessen Halterung, hielt die Stange quer vor sich und bewegte sich so auf den Angeklagten zu. In dieser Situation erfolgte der Messerstich, wobei nicht zu klären war, ob der Stich vor oder nach dem Einsatz der Stange erfolgte. Das Landgericht vermochte nicht auszuschließen, dass Ho. mit der Stange des Verkehrsschilds in der Hand auf den Angeklagten zulief, um ihn damit zu verletzen, worauf der Angeklagte ihm in die Brust stach, um sich zu verteidigen.
7
Das Landgericht hat den Messereinsatz als Totschlag gewertet, der - im Zweifel zugunsten des Angeklagten - durch Notwehr gerechtfertigt sei.

II.

8
Die Revision ist unbegründet.
9
1. Das Urteil genügt den formalen Anforderungen gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an eine freisprechende Entscheidung.
10
Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, müssen nach der Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die das Tatgericht für erwiesen erachtet. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen zur Verurteilung notwendige weitere Feststellungen nicht getroffen werden konnten (vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 2014 - 1 StR 722/13, NStZ-RR 2014, 220, und vom 5. November 2014 - 1 StR 394/14). Bei einem Freispruch wegen Notwehr müssen auch dessen Tatsachengrundlagen dargestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2017 - 1 StR 486/16). Nur so ist das Revisionsgericht in der Lage nachzuprüfen, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht.
11
Diesen formalen Anforderungen genügen die Gründe des angefochtenen Urteils. Das Landgericht hat nach Wiedergabe des Anklagevorwurfs diejenigen Feststellungen mitgeteilt, die es sicher treffen konnte. Außerdem hat es erklärt, weshalb ihm weiter gehende Feststellungen im Sinne des Anklagevorwurfs nicht möglich waren.
12
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Es hat keine überzogenen Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt. Vielmehr hat es erläutert, warum die Einlassung des Angeklagten, der sich auf Notwehr berufen hat, nicht zu widerlegen sei. Angesichts der erheblichen Alkoholisierung aller Beteiligten zur Tatzeit und deren Ablenkung durch das übrige Geschehen vermochte kein Zeuge belastbare Angaben im Sinne des Anklagevorwurfs zu machen. Auch der Augenzeuge des Kerngeschehens E. hat zuletzt erklärt, dass er „keine Reihenfolge festlegen“ könne.Andererseits wurde die Notwehrbehauptung des Angeklagten teilweise bestätigt, so dass dem Landgericht nicht entgegengehalten werden kann, es habe überspannte Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt. Danach ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht im Zweifel zugunsten des Angeklagten von einem Sachverhalt im Sinne seiner Einlassung ausgegangen ist.
13
Eine Lücke in den Beweisgründen liegt nicht darin, dass das Landgericht nicht näher erläutert hat, inwieweit Ho. dem Angeklagten körperlich überlegen war. Es hat jedenfalls festgestellt, dass dieser größer war als der Angeklagte. Hinzu kommt, dass der Angeklagte stärker alkoholisiert war, während Ho. durch den vorherigen Konsum von Amphetamin in seiner physischen Leistungsfähigkeit gestärkt, zugleich aber nach den Ausführungen des sachverständig beratenen Landgerichts aggressiver als sonst üblich war.
14
Der Hinweis des Landgerichts darauf, Ho. habe aus einer zahlenmäßig überlegenen Gruppe heraus gehandelt, weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf.
15
Schließlich ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Erkennbarkeit des vorangegangenen Alkohol- und Amphetaminkonsums durch Ho. für den Angeklagten verneint hat. Es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass er dies erkennen konnte und tatsächlich erkannt hat.
16
3. Auf der Grundlage der vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Mindestfeststellungen ist dessen rechtliche Wertung nicht zu beanstanden.
17
a) Eine in einer Notwehrlage verübte Tat ist gemäß § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt , wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung steht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2016 - 5 StR 138/16, JR 2016, 598, 599 mit Anm. Erb). Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt werden. Danach kann auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz einer Waffe durch Notwehr gerechtfertigt sein. Der Angegriffene muss auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel nur zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unzweifelhaft ist und ihm genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht. Die mildere Einsatzform muss im konkreten Fall eine so hohe Erfolgsaussicht haben, dass dem Angegriffenen das Risiko eines Fehlschlags und der damit verbundenen Verkürzung seiner Verteidigungsmöglichkeiten zugemutet werden kann. Angesichts der geringen Kalkulierbarkeit des Fehlschlagrisikos dürfen an die in einer zugespitzten Situation zu treffende Entscheidung für oder gegen eine weniger gefährliche Verteidigungshandlung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Können keine sicheren Feststellungen zu Einzelheiten des Geschehens getroffen werden, darf sich dies nicht zu Lasten des Angeklagten auswirken (BGH aaO).
18
Hatte der körperlich überlegene Ho. den stärker alkoholisierten Angeklagten zuerst zurückgedrängt, beleidigt und getreten und war Ho. danach mit der Eisenstange in der Hand auf den Angeklagten zugegangen, ohne dass andere Personen aus seiner Gruppe ihn beruhigen konnten, so war für den Angeklagten keine ausreichende Zeit und Gelegenheit vorhanden, um in zumutbarer Weise ein milderes Mittel zu wählen, das in gleicher Weise geeignet gewesen wäre, den Angriff sicher abzuwehren. Der Umstand , dass der Angeklagte letztlich die Stange in seinen Besitz gebracht hatte, spricht nicht gegen einen solchen Ablauf; dies konnte die Folge einer Schwächung seines Gegners durch tödliche Verletzung gewesen sein.
19
Soweit die Beschwerdeführerin meint, Ho. hätte mit der vor der Brust gehaltenen Metallstange dem Angeklagten allenfalls geringfügige Verletzungen beibringen können, weshalb sein Messerstich keine erforderliche Verteidigungshandlung gewesen sei, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat nicht ausschließen können, dass mit der drei Meter langen Metallstange aus der Sicht des Angeklagten ein gefährlicher Angriff auf ihn geführt werden konnte.
20
b) Die Rechtfertigung des Totschlags durch Notwehr führt dazu, dass auch eine Beteiligung des Angeklagten an einer Schlägerei mangels Vorwerfbarkeit dieser einzigen Beteiligungshandlung gemäß § 231 Abs. 2 StGB nicht in Betracht kommt. Die Rechtfertigungswirkung der Notwehr erstreckt sich in der vorliegenden Konstellation auf eine Beteiligung an einer Schlägerei (vgl. BGH, Urteil vom 24. August 1993 - 1 StR 380/93, BGHSt 39, 305, 308), denn weiter gehende Beteiligungshandlungen liegen nicht vor.
Appl Krehl Eschelbach Grube Schmidt

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 50/16
vom
16. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:160616U1STR50.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 14. Juni 2016 in der Sitzung am 16. Juni 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum
und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Mosbacher, Dr. Bär,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 14. Juni 2016 – als Verteidiger, Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 14. Juni 2016 – als Vertreter der Nebenklägerin, Justizobersekretärin – in der Verhandlung vom 14. Juni 2016 –, Justizangestellte – bei der Verkündung am 16. Juni 2016 – als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 29. September 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB) in drei tatmehrheitlichen Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung (§ 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB), aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Nebenklägerin mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Die zugelassene Anklage legt dem Angeklagten zur Last, als Adoptivvater die am 22. August 1993 in Kamerun geborene Nebenklägerin C. in drei Fällen sexuell missbraucht und sich dadurch jeweils des sexuel- len Missbrauchs einer Schutzbefohlenen, in einem Fall zudem in Tateinheit mit Vergewaltigung, strafbar gemacht zu haben.
3
a) Im Dezember 2007 sei der Angeklagte mit der damals vierzehnjährigen Nebenklägerin zu deren Großeltern ins Heilbad H. gefahren. Die Mutter und die Geschwister der Nebenklägerin sollten nachkommen. Am Abend des Ankunftstages habe sich der Angeklagte ins Bett der Nebenklägerin gelegt und ihr gesagt, er wolle ihr etwas über ihre leibliche Mutter erzählen. Er habe sie dann zunächst über dem T-Shirt an Rücken und Po gestreichelt, bevor er unter ihr T-Shirt gegriffen und sie über Rücken, Po und Brust gestreichelt habe. Der Angeklagte habe die Nebenklägerin auch aufgefordert, ihn zu streicheln; sie sei aber schockiert gewesen und wie gelähmt liegen geblieben. Er habe dann ihre Schlafhose ausgezogen, sie an der Scheide gestreichelt und ihre Brüste geküsst. Auch habe er die Hand der Nebenklägerin über der Hose auf seinen erigierten Penis geführt. Schließlich habe der dann auf dem Rücken liegende Angeklagte die Nebenklägerin auf sich hinaufgezogen, um dann mit Bewegungen von unten an ihrem Geschlechtsteil zu reiben.
4
b) Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Februar 2008 habe der Angeklagte spät abends die Nebenklägerin in ihrem Zimmer im Dachgeschoss des Familienhauses in F. aufgesucht. Er habe die Nebenklägerin umarmt und sie dabei den Rücken herunter bis zum Po gestreichelt; sodann habe er seine Hand auf ihre Brust gelegt.
5
c) Zu einem ebenfalls nicht genauer bestimmbaren Zeitpunkt „um den“ 20. Mai 2008 sei der Angeklagte wiederum abends in das Zimmer der Nebenklägerin gekommen und habe sich zu ihr ins Bett gelegt. Er habe sie dann am ganzen Körper, auch zwischen den Beinen und an der Brust, gestreichelt. Die Nebenklägerin habe dieses Mal den Entschluss gefasst, sich zu wehren, ihren Körper anzuspannen und die Oberschenkel zusammenzudrücken. Als die Nebenklägerin der Aufforderung des Angeklagten, ihre Beine „auseinanderzuma- chen“, nicht nachgekommen sei, habe er ihre Beine mit der Hand auseinander- gedrückt. Er habe dann in den Slip der Nebenklägerin gegriffen und ihr an das Geschlechtsteil gefasst. Der Angeklagte sei dabei mit einem Finger für einen Zeitraum von zehn bis 30 Sekunden in das Genital der Nebenklägerin eingedrungen. Hierbei habe die Nebenklägerin nicht unerhebliche Schmerzen sowie Angst verspürt. Sodann habe sich der Angeklagte, der seine Unterhose anbehalten habe, auf die Nebenklägerin gelegt und habe mit seinem Becken Aufund Abbewegungen zwischen den Beinen der Nebenklägerin vorgenommen, wodurch diese seine Erektion verspürt habe. Während er auf ihr gelegen habe, habe der Angeklagte versucht, sie zu küssen, was die Nebenklägerin durch Drehen des Kopfes auf die Seite verhindert habe.
6
2. Das Landgericht konnte sich nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit davon überzeugen, dass es zu den angeklagten sexuellen Handlungen gekommen ist. Es hat den Angeklagten deshalb aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

II.


7
Die gemäß § 395 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 401 Abs. 1 Satz 1 StPO zulässige Revision der Nebenklägerin hat Erfolg; der Freispruch hält einer sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
8
1. Die angefochtene Entscheidung unterliegt schon deshalb der Aufhebung , weil sie den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil nicht genügt.
9
a) Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die der Tatrichter für erwiesen hält. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können (vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13; vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12 Rn. 25; vom 3. März 2010 – 2 StR 427/09, NStZ-RR 2010, 182; vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512, 513 und vom 21. Oktober 2003 – 1 StR 544/02, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 13 mwN). Nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlichen bedenkenfreien Erwägungen beruht (vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13; vom 5. Februar 2013 – 1 StR 405/12, NStZ 2013, 334; vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12 Rn. 25; vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 236/11; vom 17. Mai 1990 – 4 StR 208/90, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4 und vom 26. September 1989 – 1 StR 299/89, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2).
10
b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Denn es wird schon nicht zusammenhängend mitgeteilt, welche Feststellungen getroffen werden konnten. Das Landgericht teilt lediglich mit, dass es sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit von den angeklagten Sexualstraftaten überzeugen konnte. Feststellungen dazu, welchen Sachverhalt das Landgericht für erwiesen hält, enthalten die Urteilsgründe – abgesehen von den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten und vom Lebenslauf der Nebenklägerin – nicht.
11
c) Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil. Denn die Urteilsgründe ermöglichen dem Senat nicht die Nachprüfung, auf welcher tatsächlichen Grundlage das Landgericht den Grundsatz „in dubio pro reo“ angewendet hat. Insbesondere bleibt offen, ob das Landgericht die von der Nebenklägerin erho- benen und detailreich geschilderten Tatvorwürfe insgesamt für erfunden hält oder ob es sich von einem abweichenden Geschehensablauf überzeugt hat, den es lediglich nicht für strafbar hält. Feststellungen hierzu waren schon deshalb nicht entbehrlich, weil der Angeklagte in seiner in den Urteilsgründen wiedergegebenen Einlassung selbst eingeräumt hatte, sich einmal zu der Nebenklägerin ins Bett gelegt zu haben, wenn auch ohne sexuelle Handlungen und lediglich zu dem Zweck, ihr Familienfotos zu zeigen (UA S. 15).
12
Der Umstand, dass der Angeklagte „sich zu einem 14-jährigen Mädchen ins Bett“ gelegt habe, war ausgehend von den Urteilsgründen nach den über- einstimmenden Angaben der Zeuginnen M. , der Adoptivmutter der Nebenklägerin, und der Psychotherapeutin D. auch Gegenstand eines zwischen beiden geführten Gesprächs im Mai 2008 (UA S. 22 f., 28, 29) und führte in Anwesenheit der Zeugin M. zu einer Entschuldigung des Angeklagten bei der Nebenklägerin (UA S. 43). Ob das Landgericht diesen Sachverhalt, der für die weitere Beweiswürdigung von erheblicher Bedeutung ist, für erwiesen hält, lassen die Urteilsgründe offen. Für die Anwendung des Zweifelssatzes bestand daher keine ausreichende Grundlage. Er greift erst nach abgeschlossener Beweiswürdigung ein (vgl. BGH, Urteil vom 2. September 2009 – 2 StR 229/09, NStZ 2010, 102, 103; Meyer-Goßner in MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 261 Rn. 26 mwN).
13
2. Auch im Übrigen hält die Beweiswürdigung revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand.
14
a) Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Er- kenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178). Denn es obliegt dem Tatrichter, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 11. November 2015 – 1 StR 235/15, wistra 2016, 78; vom 1. Juli 2008 – 1 StR 654/07 und vom 23. Juli 2007 – 2 StR 150/08, wistra 2008, 398; jeweils mwN). Solche Rechtsfehler liegen hier indes vor.
15
b) Im Ansatz zutreffend stützt das Landgericht seine Überzeugungsbildung auf eine Gesamtwürdigung der vorliegenden Beweisumstände (UA S. 5, 14). Es berücksichtigt dabei insbesondere, dass es sich bei der Nebenklägerin um die einzige unmittelbare Tatzeugin handelt, deren Angaben es deshalb im Hinblick auf das Bestreiten des Angeklagten einer eingehenden Aussageanalyse unterzieht. Die Umstände, dass die Nebenklägerin die verfahrensgegenständlichen Taten erst im Alter von 19 Jahren während eines streitigen Trennungs - und Ehescheidungsverfahrens des Angeklagten und seiner Ehefrau M. zur Anzeige brachte und dass auch seine Töchter L. und Ma. Ende 2014 bzw. im Mai 2015 detaillierte Tatvorwürfe (UA S. 64) sexueller Übergriffe gegen ihn erhoben, nimmt das Landgericht ebenfalls in den Blick (UA S. 5, 55 ff.).
16
c) Die Beweiswürdigung ist jedoch lückenhaft.
17
Die Urteilsgründe lassen die gebotene inhaltliche Auseinandersetzung mit der Einlassung des Angeklagten vermissen. Das Landgericht beschränkt sich insoweit auf die bloße Wiedergabe seiner Einlassung (UA S. 15 – 17), ohne erkennen zu lassen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang es dieser Einlassung folgt. Einer näheren Auseinandersetzung mit der Einlassung des die Tatvorwürfe bestreitenden Angeklagten hätte es jedoch bedurft. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen außer nicht widerlegbaren, aber auch durch nichts gestützten Angaben des Angeklagten keine Anhaltspunkte bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR327/14 Rn. 37, NStZ-RR 2015, 83 mwN). Dies gilt umso mehr, wenn, wie hier, erhebliche Indizien – darunter signifikante Realkennzeichen in der Aussage der Nebenklägerin (UA S. 19, 62 ff.) – für die Richtigkeit der Tatvorwürfe sprechen und zudem der Angeklagte selbst eingeräumt hat, sich einmal zur Nebenklägerin ins Bett gelegt zu haben (UA S. 15).
18
d) Die Beweiswürdigung enthält daneben weitere Rechtsfehler, die besorgen lassen, dass das Landgericht an die Bildung seiner Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten überspannte Anforderungen gestellt hat.
19
aa) Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die von seinen leiblichen Töchtern L. und Ma. gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe, sie sexuell missbraucht zu haben. Das Landgericht erkennt zwar an, dass diese Vorwürfe ein weiteres Indiz für die Erlebnisbasiertheit der Tatschilderungen der Nebenklägerin sind. Es misst diesem Indiz jedoch nur einen geminderten Beweiswert bei, weil seine beiden Töchter vor ihren Angaben gegenüber ihrer Mutter bzw. der Zeugin He. als Verfahrensbeteiligte im Sorgerechtsstreit ihrer Eltern nicht – wie es aber bei einer Einvernahme durch die Polizei oder einen Richter der Fall gewesen wäre – eindringlich über die unbedingte Wahrheitspflicht belehrt worden seien (UA S. 64). Der Schluss des Landgerichts, dass die Angaben der Töchter aus diesem Grund einen geminderten Beweiswert haben, ist indes nicht nachvollziehbar und deshalb rechtsfehlerhaft.
20
bb) Nicht tragfähig begründet ist auch die Wertung des Landgerichts, die Angabe der Tochter des Angeklagten L. , die Bilder von möglichen sexuellen Übergriffen durch den Angeklagten seien ihr erst im Herbst 2014 ganz plötzlich gekommen, sei wenig plausibel und schwer nachvollziehbar (UA S. 65). Das Landgericht hält es in diesem Zusammenhang für „auffällig“, dass L. in der Mitte des Jahres 2013 von der Mutter und den Geschwistern zum Angeklagten nach F. gezogen sei und bei diesem bis zum Oktober 2014 ganz allein gewohnt habe (UA S. 65).
21
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn es ist nicht mit Tatsachen belegt, dass zwischen L. und dem Angeklagten in F. überhaupt enger Kontakt bestanden hat. Vielmehr kam es nach den Feststellungen des Landgerichts ab März 2013 zwischen den Eheleuten wieder zu einer Annäherung, sodass der Angeklagte zum 5. März 2013 in der Wohnung seiner Ehefrau in H. eine Nebenwohnung begründete unter gleichzeitiger Beibehaltung seines Hauptwohnsitzes in F. (UA S. 9, 10). Der Angeklagte gab ausweislich der Darstellung in den Urteilsgründen dazu an, dass er in den eineinhalb Jahren zwischen März 2013 und Ende 2014 mit seiner Ehefrau wieder zusammengelebt habe (UA S. 15). Wo sich der Angeklagte in diesem Zeitraum tatsächlich aufgehalten hat, bleibt offen. Der Umzug in die Wohnung des Angeklagten in F. zur Wahrnehmung einer Ausbildungsstelle in einem Hotel am Münchner Flughafen rechtfertigt für sich allein jeden- falls keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin L.
Raum Graf Jäger Mosbacher Bär

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 30. Juni 2015, soweit es den Angeklagten         B.       betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der (banden- und gewerbsmäßigen) Untreue in 16 Fällen freigesprochen. Dagegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2

1. Dem Angeklagten liegt zur Last, als stellvertretender Filialleiter einer Commerzbank Niederlassung in Gr.         im kollusiven Zusammenwirken mit den ebenfalls angeklagten Kreditvermittlern Ma.          und M.     in 16 Fällen Kredite in einer Größenordnung von bis zu 50.000 Euro auf Grund gefälschter Bonitätsunterlagen ausgereicht zu haben. Diese Kredite sind - was der Angeklagte zumindest für möglich gehalten habe - zum überwiegenden Teil alsbald notleidend geworden.

3

2. Das Landgericht hat sich von der Täterschaft des Angeklagten nicht überzeugen können. Es hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt:

4

Der Angeklagte war seit 1999 bei der Commerzbank AG angestellt und seit dem 1. Mai 2001 als stellvertretender Filialleiter in deren Niederlassung in Gr.         tätig. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte der Abschluss von Konsumenten- bzw. Ratenkreditverträgen mit Privatkunden. Betriebsintern galt der Angeklagte als "verkaufsstarker Mitarbeiter" der über "starke Zuführerbindungen" verfügte. Bei "Zuführern" handelte es sich um Kreditvermittler bzw. Kreditmakler, die Privatkunden gegen Provisionszahlungen den Abschluss von Kreditverträgen mit der Bank vermittelten. Zu diesen "Zuführern" gehörten u.a. die Mitangeklagten M.       und Ma.        . Bei den von den "Zuführern" vermittelten Kreditinteressenten handelte es sich überwiegend um Ausländer, die über kein oder nur geringes Einkommen verfügten und schon von daher nicht kreditwürdig waren. Um gleichwohl die mit einer Kreditvergabe einhergehenden Provisionen zu vereinnahmen, fälschten die "Zuführer" oder von ihnen beauftragte Dritte Lohn- und Gehaltsnachweise entsprechend. Auch im Übrigen passten die "Zuführer" die tatsächlichen Umstände den ihnen durch den Angeklagten bekannten bankinternen Prüfungskriterien an, z. B. indem sie Selbständige als Angestellte oder Verheiratete als Ledige erscheinen ließen. Die so manipulierten Antragsunterlagen wurden dem Angeklagten ausgehändigt, der unter Missachtung diverser weiterer bankinterner Prüfungs- und Arbeitsanweisungen die Darlehen vergab, teilweise ohne die Kunden überhaupt jemals persönlich gesehen zu haben.

5

Für den Abschluss der Ratenkreditverträge wurde ein standardisierter Vordruck verwendet. Darin vorgesehene Rubriken waren u.a. Angaben zum jeweiligen Darlehenszweck und Angaben zum monatlichen Einkommen. Ebenso gab es die Rubriken "Angaben zum Beschäftigungsverhältnis" und "Legitimationsprüfung". Diese Rubriken wurden u.a. auf der Grundlage der vorgelegten Einkommensnachweise von dem jeweiligen Kreditsachbearbeiter ausgefüllt. Im Zeitraum zwischen November 2008 und Juni 2009 schloss der Angeklagte als Vertreter der Commerzbankfiliale Gr.           in zumindest 16 Fällen Kreditverträge, denen falsche bzw. gefälschte Bonitätsunterlagen zugrunde lagen. Dazu im Einzelnen:

- Am 26. Mai 2009 schloss der Angeklagte mit dem seit August 2008 in Deutschland aufenthältlichen arbeitslosen irakischen Staatsbürger H.       einen Ratenkreditvertrag über 49.860 Euro. Der Commerzbank lagen dabei falsche Lohn-/Gehaltsabrechnungen vor, ausweislich derer H.       bei dem Unternehmen "G.       Gebäudereinigung" mit einem monatlichen Bruttolohn von 3.975 Euro beschäftigt war. Als Darlehenszweck war "KFZ-Neukauf" angegeben, in den Kreditunterlagen hatte der Angeklagte vermerkt "AG (= Arbeitgeber) tel. geprüft". Den Kreditvertrag hatte H.       in einem Eiscafe in Gr.         auf Vorlage des mitangeklagten "Zuführers" M.       unterzeichnet, unmittelbar bevor er sich in die Bank begab, die ihm überlassenen Unterlagen dort abgab und sich 20.000 Euro in bar aushändigen ließ. Dazu, an wen die restliche Darlehenssumme ausgezahlt wurde und ob Darlehensrückzahlungen erfolgt sind, enthält das Urteil - im Gegensatz zur Anklageschrift - keine Feststellungen (Fall II 2a der Urteilsgründe = Fall 1 der Anklage).

- Am 30. April 2009 schloss der Angeklagte mit der seit März 2008 in Deutschland aufenthältlichen arbeitslosen irakischen Staatsbürgerin Mad.      einen Ratenkreditvertrag über 50.000 Euro ab. Der Commerzbank lagen dabei falsche Lohn-/Gehaltsabrechnungen vor, ausweislich derer Mad.       mit einem monatlichen Bruttoarbeitslohn von 4.160 Euro bei einer "O.           GmbH" in Ha.      beschäftigt war. Als Darlehenszweck war wiederum "KFZ-Neukauf" angegeben, in den Kreditunterlagen war vermerkt "über die Identität des AG wurde sich im Voraus rückversichert/tel. bestätigt". Den Kreditbetrag in Höhe von 50.000 Euro hat die der deutschen Sprache nicht mächtige Mad.      niemals erhalten. Vielmehr erfolgte die Auszahlung auf ein Konto der Firma "G.       Gebäudereinigung", deren wirtschaftlicher Inhaber mit dem irakischen Staatsbürger Ak.      ein ebenfalls mitangeklagter "Zuführer" war, gegen den die Strafkammer aber die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hat (Fall II 2b der Urteilsgründe = Fall 2 der Anklageschrift).

- Am 19. Mai 2009 schloss der Angeklagte mit       A.    einen Ratenkreditvertrag über 49.860 Euro. Der Commerzbank lagen dabei Lohn-/Gehaltsabrechnungen vor, ausweislich derer A.    bei dem Unternehmen "G.      Gebäudereinigung" mit einem monatlichen Bruttoarbeitslohn von 3.989,68 Euro beschäftigt war. Als Darlehenszweck war "KFZ-Neukauf" angegeben, in den Kreditunterlagen hatte der Angeklagte vermerkt "tel. Rückspr. mit AG i.O.". Dazu, ob       A.   tatsächlich bei der Fa. "G.     Gebäudereinigung" angestellt war, wann und an wen die Darlehenssumme ausgezahlt wurde und ob Darlehensrückzahlungen erfolgt sind, enthält das Urteil - im Gegensatz zur Anklageschrift - keine Feststellungen (Fall II 2c der Urteilsgründe = Fall 3 der Anklageschrift).

- Am 4. Juni 2009 schloss der Angeklagte mit        K.     einen Ratenkreditvertrag über 49.980 Euro. Der Commerzbank lagen dabei Lohn-/Gehaltsabrechnungen vor, ausweislich derer K.     bei dem Unternehmen "       P.     " in Ha.       mit einem monatlichen Bruttoarbeitslohn von 3.890 Euro beschäftigt war. Dazu, ob K.         tatsächlich bei der Firma "      P.      " angestellt war, wann und an wen die Darlehenssumme ausgezahlt wurde und ob Darlehensrückzahlungen erfolgt sind, enthält das Urteil - im Gegensatz zur Anklageschrift - keine Feststellungen (Fall II 2d der Urteilsgründe = Fall 4 der Anklageschrift).

- Die weiteren 12 angeklagten Fälle folgen einem ähnlichen Schema.

6

3. Das Landgericht hatte zunächst die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht Rostock das Hauptverfahren gegen den Angeklagten B.      eröffnet. Nach durchgeführter Hauptverhandlung hat die Strafkammer nunmehr den Angeklagten B.       aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Ihm sei die fehlende Kreditwürdigkeit der Kreditnehmer weder positiv bekannt gewesen, noch habe er mit einer solchen auch nur gerechnet und diese billigend in Kauf genommen.

7

Der Angeklagte hat sich bis auf Angaben zur Vergabe eines Privatkredits an den mitangeklagten "Zuführer" M.      nicht zur Sache eingelassen. Der Zeuge Pö.      , Direktor der Commerzbankfiliale in Gr.      , habe - so das Landgericht - bestätigt, dass es sich bei Konsumentenkrediten um ein "schlankes schnelles Massengeschäft" gehandelt habe, bei dem die jeweiligen Sachbearbeiter grundsätzlich auf die Richtigkeit der ihnen vorgelegten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen vertraut hätten. Bei guten Zielerreichungen habe es jährlich Sonderausschüttungen gegeben, ein guter Mitarbeiter habe dabei schon 7.000 Euro erzielen können.

8

Um eines solch geringen finanziellen Vorteils willen - so die Strafkammer - hätte der Angeklagte niemals seine angesehene Stellung in der Bank aufs Spiel gesetzt. Zwar habe der Angeklagte regelmäßig gegen bankinterne Weisungen verstoßen, indem er das Regionalprinzip (= Kreditvergabe nur an Kunden aus dem Einzugsbereich der Filiale Gr.        ) ignoriert und verbotswidrig "Zuführergeschäfte" getätigt habe. Dabei habe es sich jedoch nur um Verstöße gegen formale Prinzipien gehandelt, die nichts über die mit dem Vertragsschluss verbundenen Risiken besagen und kein Indiz für einen bedingten Vorsatz darstellen würden. Auch aus den Mängeln und Ungereimtheiten der vorgelegten Lohn-/und Gehaltsbescheinigungen könne nicht auf einen zumindest bedingten Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich der Fälschung dieser Unterlagen geschlossen werden. Es habe sich nicht um plumpe, sogleich als solche erkennbare Fälschungen gehandelt. Vermeintlich offensichtliche Ungereimtheiten, wie z.B. ein für die angegebene Tätigkeit zu hoher Lohn, ließen sich nur anhand von Kenntnissen über die genaue Tätigkeit des Beschäftigten und das in diesem Bereich übliche Lohnniveau erkennen. Es sei nicht Aufgabe des Angeklagten gewesen, im Rahmen der Vergabe von Ratenkrediten Einkommensnachweise so zu prüfen, wie Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft dies bei strafrechtlichen Ermittlungen zu tun pflegen. Im Übrigen habe der Angeklagte die einzelnen Gehaltsbescheinigungen durchaus kritisch geprüft, wie seine diversen Vermerke "AG tel. geprüft", "über die Identität des AG wurde sich im Voraus rückversichert/tel. bestätigt", "tel. Rückspr. mit AG i.O." und "Arbeitgeber hinterfragt" belegten. Dabei sei es ohne Weiteres plausibel, dass der Angeklagte von den jeweiligen Arbeitgebern, hinter denen z.B. bei der "G.       Gebäudereinigung" der "Zuführer" Ak.       gesteckt habe, bewusst hinters Licht geführt worden sei.

II.

9

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

10

1. Das angefochtene Urteil genügt bereits aus formalen Gründen nicht den an ein freisprechendes Erkenntnis zu stellenden Anforderungen. Kann sich ein Gericht nicht von der Täterschaft eines Angeklagten überzeugen, ist zunächst der Anklagevorwurf aufzuzeigen (BGHSt 37, 22). Sodann muss in einer geschlossenen Darstellung dargelegt werden, welchen Sachverhalt das Gericht als festgestellt erachtet. Erst danach ist zu erörtern, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können (BGH NJW 2013, 1106). Dies hat nach der Aufgabe, welche die Urteilsgründe erfüllen sollen, so vollständig und genau zu geschehen, dass das Revisionsgericht in der Lage ist nachzuprüfen, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (vgl. Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 29. Aufl., Rn. 621 ff.).

11

Bereits daran fehlt es hier.

12

Die Strafkammer leitet die Urteilsgründe mit den von ihr getroffenen Feststellungen ein (UA 4-29), die in entscheidenden Punkten hinter dem erst später ausführlich mitgeteilten Anklagevorwurf (UA 29-50) zurückbleiben. So weisen die Feststellungen zu den einzelnen Vertragsabschlüssen gravierende Lücken auf:

- In den Fällen II 2 a, c, d, m, n und p der Urteilsgründe fehlen - anders als in der Anklageschrift - Feststellungen dazu, ob überhaupt und gegebenenfalls an wen in welcher Höhe die Kreditbeträge ausgezahlt worden sind.

- In den Fällen II 2 c, d, m, n und p der Urteilsgründe fehlen Feststellungen, ob und inwiefern die vorgelegten Einkommensnachweise echt oder gefälscht waren.

- In den Fällen II 2 a, c, d, e, f, h, i, k, l, m, n und o der Urteilsgründe fehlen Feststellungen, ob und in welchem Umfang die Kreditnehmer Darlehensrückzahlungen geleistet haben.

- Nach der Anklageschrift wiesen in den Fällen II 2 a, b, c, d, e, i und k der Urteilsgründe die vorgelegten Lohnbescheinigungen die Kreditnehmer - trotz eines bescheinigten Bruttoeinkommens von jeweils um die 4.000 Euro - als "Geringverdiener" aus, worauf das Urteil nicht eingeht.

13

Aufgrund der Lückenhaftigkeit der vom Landgericht getroffenen Feststellungen unterliegt das angefochtene Urteil bereits deshalb der Aufhebung.

14

2. Darüber hinaus ist auch die Beweiswürdigung durchgreifend rechtsfehlerhaft.

15

a) Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht überwinden kann, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters, dem allein es obliegt, sich unter dem Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht kann demgegenüber nur prüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. August 2015 - 3 StR 226/15, juris Rn. 5). Lückenhaft ist die Würdigung der Beweise insbesondere dann, wenn das Urteil nicht erkennen lässt, dass der Tatrichter alle Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, in seine Überlegungen einbezogen und dabei nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 2015 - 3 StR 635/14, juris Rn. 3).

16

b) Nach diesen Maßstäben hält die Beweiswürdigung des Landgerichts revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Insbesondere fehlt es an einer umfassenden Gesamtabwägung aller gegen eine Gutgläubigkeit des Angeklagten sprechende Beweisanzeichen.

17

aa) So hat die Strafkammer nicht bedacht, dass die Auszahlung der Darlehenssumme in Höhe von 50.000 Euro im Fall II 2b der Urteilsgründe nach den Feststellungen überhaupt nicht an die angeblich bei der "O.                 GmbH" in Ha.            beschäftigte Kreditnehmerin, sondern auf ein Konto der "G.       Gebäudereinigung" erfolgt war, deren wirtschaftlicher Inhaber der vormals Mitangeklagte Ak.      war. Nach der Anklageschrift erfolgte auch in den Fällen II 2 a und c der Urteilsgründe die Auszahlung des überwiegenden Teils der Kreditsumme nicht an die Kreditnehmer, sondern auf ein Kontokorrentkonto der       Reinigungsservice Ltd (UA 31) bzw. der "G.     " (UA 33). Mit dieser Merkwürdigkeit setzt sich die Strafkammer - nicht zuletzt aufgrund der Lückenhaftigkeit ihrer Feststellungen - nicht auseinander.

18

bb) Ebenso wenig nachvollziehbar ist die Bewertung, der Angeklagte habe die Fälschungen der Gehaltsnachweise nicht erkannt. Dass die teils erst kurze Zeit in Deutschland aufenthältlichen und der deutschen Sprache kaum mächtigen, angeblich in verschiedenen Niedriglohnsektoren (Reinigungsgewerbe, Zeitarbeitsfirma, Gastronomie) beschäftigten Kreditnehmer durchweg um die 4.000 Euro monatlich verdienten, hätte einer eingehenden Erörterung bedurft. Hinzu kommt, dass die Kreditnehmer ausweislich der Anklageschrift - womit sich das Urteil nicht auseinandersetzt - in den Lohnbescheinigungen ausdrücklich als "Geringverdiener" bezeichnet wurden (Fälle II 2 a, b, c, d, e, i, k der Urteilsgründe, UA 31, 32, 33, 34, 35, 40, 42).

19

Soweit die Strafkammer ausführt, die Vermerke des Angeklagten, wonach er die Arbeitgeber und die Beschäftigungsverhältnisse überprüft habe (Fälle II 2 a-d, k der Urteilsgründe), sprächen für seine Gutgläubigkeit, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Vermutung des Landgerichts, der Angeklagte B.      sei selbst bei seinen Nachforschungen bei der "G.      Gebäudereinigung" von dem in die Manipulationen eingeweihten Ak.      und dessen Mitarbeitern entsprechend getäuscht worden, bietet z.B. keine Erklärung im Fall II 2b der Urteilsgründe. Dazu hat der Angeklagte in den Kreditunterlagen vermerkt: "Über die Identität des AG wurde sich im Voraus rückversichert/tel. bestätigt". Naheliegend kann dieser Vermerk jedoch nur wider besseres Wissen erfolgt sein, weil die Kreditnehmerin tatsächlich nicht bei dem angegebenen Arbeitgeber "O.              GmbH" in Ha.       arbeitete (UA 12) und ein solches Unternehmen nach dem in den Urteilsgründen wiedergegebenen Inhalt der Anklageschrift überhaupt nicht existierte (UA 32).

20

Darüber hinaus sind die Ausführungen des Landgerichts, was eine mögliche Erkennbarkeit der Fälschungen anbelangt, in sich widersprüchlich. Bezogen auf vorsätzliches Handeln des Mitangeklagten M.     heißt es auf UA 71:

21

"Gegen die Annahme, M.      könnte von dem Kreditnehmer getäuscht worden sein, d. h. im Hinblick auf die Authentizität der letztlich bei der Com-merzbank vorgelegten Lohn-/Gehaltsabrechnungen gutgläubig gewesen sein, sprechen zudem die Ähnlichkeiten im äußeren Erscheinungsbild der gefälschten Bescheinigungen. Dass die aus unterschiedlichen Ländern stammenden und an verschiedenen Orten in Deutschland lebenden Kreditnehmer nur zufällig ähnlich aussehende Lohn-/und Gehaltsabrechnungen ge- bzw. verfälscht haben könnten, schließt die Kammer aus."

22

Warum diese Ähnlichkeiten im äußeren Erscheinungsbild nicht auch dem Angeklagten B.      aufgefallen sein müssen, erläutert die Strafkammer nicht.

23

cc) Schließlich greift auch die Argumentation der Strafkammer zu kurz, das bewusste Zuwiderhandeln gegen bankinterne Anweisungen bei der Kreditvergabe lasse, weil es sich nur um rein formelle Vorgaben handele, nicht auf ein bedingt vorsätzliches Handeln schließen.

24

Das von der Commerzbank im Oktober 2008 verfügte Verbot von Zuführergeschäften verbunden mit einer "Zuführerwarndatei" und die Beschränkung auf regionale Kreditnehmer basierte - für den Angeklagten als stellvertretender Filialleiter ohne Weiteres erkennbar - auf schlechten Erfahrungen mit der bisherigen Geschäftspraxis und verfolgte eine Reduzierung des Ausfallrisikos bei der Kreditvergabe. Indem sich der Angeklagte über diese Vorgaben und Prinzipien hinweggesetzt hat, hat er nicht nur reine Formalien außer Acht gelassen, sondern er ist bewusst ein höheres Kreditrisiko eingegangen, als dies von seinem Arbeitgeber vorgegeben war.

Fischer                                Appl                           Krehl

                 Eschelbach                           Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 405/12
vom
5. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Anstiftung zum Mord u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
5. Februar 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Dr. Graf,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 13. März 2012 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen tateinheitlich begangener Waffendelikte in Tatmehrheit mit Brandstiftung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Traunstein vom 22. März 2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die im genannten Urteil ausgesprochenen Rechtsfolgen aufrechterhalten. Von dem Vorwurf der versuchten Anstiftung zum Mord hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft die Aufhebung des Freispruchs. Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

I.

2
1. Dem Angeklagten ist mit der Anklage vorgeworfen worden, aus der Untersuchungshaft heraus einen Auftrag zur Ermordung des D. erteilt zu haben. Hintergrund soll gewesen sein, dass der Angeklagte den in einem umfangreichen Betrugsverfahren Mitbeschuldigten D. töten lassen wollte, um ihn daran zu hindern, auszusagen. Er habe beabsichtigt, diese Tat für 10.000 € von dem ihm als Scharfschützenbekannten K. ausführen zu lassen. Rechtsanwalt B. , dem damaligen Verteidiger des Angeklagten soll am 20. April 2010 mitgeteilt worden sein, dass D. aus der Haft entlassen worden sei. Daraufhin habe Rechtsanwalt B. den Angeklagten am 20. oder 21. April 2010 in der Untersuchungshaft besucht. Hierbei soll der Plan des Angeklagten zur Tötung des D. besprochen worden sein. Rechtsanwalt B. soll sich bereit erklärt haben, den Auftrag zur Ermordung des D. weiterzuleiten und am 21. April 2010 einen Aktenvermerk gefertigt haben, indem er festhielt: „K. soll für 10.000 den D. verramma, er erledigt die Geschichte“. Entsprechend dem Tatplan des Angeklagten soll Rechtsanwalt B. den Vermerk sodann an die Ehefrau des Angeklagten weitergeleitet haben. Diese soll den Tötungsauftrag jedoch nicht wie geplant weitergegeben haben, da ihr der Plan zu weit gegangen sei.
3
2. Das Landgericht hat zur Begründung des Freispruchs ausgeführt, es habe nicht feststellen können, dass die Planung und Vorstellung des Angeklagten von der Tat schon so weit gediehen war, wie es zur Strafbarkeit gemäß § 30 StGB erforderlich sei. Zwar bedeute „verramma“ im bayrischen Sprachgebrauch jemanden zu töten, es sei aber völlig offen, ob der als Täter vom Angeklagten in Aussicht genommene K. zu dieser Tat überhaupt bereit gewesen wäre, auch die näheren Umstände der Tatausführung seien ungeklärt gewesen.

II.

4
Das Urteil hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
5
1. Die angefochtene Entscheidung unterliegt schon deswegen der Aufhebung , weil sie nicht den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil genügt. Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die der Tatrichter für erwiesen hält (BGH, Urteil vom 4. Juli 1991 - 4 StR 233/91, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 7; BGH, Urteil vom 27. Juli 2000 - 4 StR 185/00). Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können. Nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (BGH, Urteil vom 26. September 1989 - 1 StR 299/89, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2; BGH, Urteil vom 17. Mai 1990 - 4 StR 208/90, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Denn es wird schon nicht zusammenhängend mitgeteilt, welche Feststellungen getroffen werden konnten. Heißt es zunächst noch, bekannt sei nur der Aktenvermerk von Rechtsanwalt B. , über Gespräche stehe nichts fest, finden sich bei den würdigenden Ausführungen doch noch ansatzweise weitere Feststellungen. So wird in der Beweiswürdigung zugrunde gelegt, dass die Weiterleitung des Aktenvermerks an die Ehefrau des Angeklagten auf dessen Aufforderung gegenüber Rechtsanwalt B. zurückgeht. An späterer Stelle ist sogar ausgeführt , dass der Aktenvermerk auf Anweisung des Angeklagten von Rechtsanwalt B. geschrieben wurde. Dies steht jedoch in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zu der vorangestellten Erkenntnis, über eventuelle Gespräche stehe nichts fest. Damit bleibt für das Revisionsgericht offen, von welchen Kontakten zwischen dem Angeklagten und Rechtsanwalt B. hin- sichtlich des geplanten „verramma“ das Landgericht letztlich für seine Würdi- gung ausgegangen ist. Die Beurteilung, ob der Versuch der Anstiftung bereits konkretisiert genug war, hängt aber maßgeblich hiervon ab. Einer Überprüfung der tatrichterlichen Wertung ist schon damit der Boden entzogen. Hier tritt noch hinzu, dass die Angaben des gesondert Verfolgten B. , auf die sich die Feststellungen zu dem Herrühren des Vermerksinhalts offensichtlich gründen, nicht mitgeteilt werden.
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2. Auch im Übrigen erweist sich die Beweiswürdigung als rechtsfehlerhaft. Denn die Auseinandersetzung mit den festgestellten objektiven Umständen bleibt lückenhaft. So werden im Rahmen der Beweiswürdigung zwei weitere , seinem Besuch in der Untersuchungshaft nachfolgende Schreiben des Rechtsanwalts B. erwähnt, in denen er dem Angeklagten mitteilt, an den K. sei noch nicht herangetreten worden, dies sei im Moment auch nicht erforderlich und dass dem D. „etwas mehr als nur die Fresse poliert wer- de bei passender Gelegenheit“. Inwieweit diese Schreiben Rückschlüsse auf frühere Gespräche betreffend den D. erlauben, bleibt unerörtert.
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3. Zudem begegnen die Ausführungen der Strafkammer zur Frage der hinreichenden Konkretisierung der in Aussicht genommenen Tat durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ausgehend von der zutreffenden Annahme, dass die Bestimmungshandlung und der Vorsatz sich auf eine hinreichend konkretisierte Tat richten müsse, wird dies maßgeblich deswegen verneint, da „völlig offen“sei, ob der Anzustiftende K. „überhaupt bereit gewesen wäre“, die Tat auszuführen. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Der Tatbestand der versuch- ten Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB knüpft allein an die abstrakte Gefährlichkeit des Tatverhaltens an, die darin liegt, dass derjenige, der einen anderen zur Begehung eines Verbrechens auffordert, Kräfte in Richtung auf das angegriffene Rechtsgut in Bewegung setzt, über die er nicht mehr die volle Herrschaft behält (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 1951 - 1 StR 3/51, BGHSt 1, 305, 309 zu § 49a StGB aF; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1997 - 2 StR 239/97, BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Bestimmen 3). Deswegen genügt es bereits, dass der Täter es für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, dass der Aufgeforderte die Aufforderung ernst nehmen und durch sie zur Tat bestimmt werden könnte (BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 - 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99; BGH, Urteil vom 27. Juli 2000 - 4 StR 185/00). Dass der Angeklagte davon ausgegangen sein müsste, dass K. zur Tötung eines Menschen für 10.000 € „ohne weiteres bedingungslos bereit gewesen wäre“- wie es die Strafkammer im Anschluss an die Erwägungen zur mangelnden tatsächlichen Bereitschaft des K. noch prüft und verneint - ist hierfür nicht erforderlich.

III.

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Da die wenigen getroffenen Feststellungen keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte von dem Versuch der Anstiftung rechtswirksam zurückgetreten ist, war der Freispruch aufzuheben. Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Nack Rothfuß Graf Cirener Radtke

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.