Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 23. Feb. 2016 - 1 Ws 615/15
Gericht
Principles
Gründe
Oberlandesgericht Bamberg
1 Ws 615/15
Beschluss
vom 23. 2. 2016
Zum Sachverhalt:
Die StA legte dem von RA R zunächst als Wahlverteidiger verteidigten Angekl. A mit Anklageschrift vom 11.12.2014 zur Last, zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt kurz vor dem 08.10.2013 gegen ein in der Höhe unbekanntes, von dem anderweitig Verfolgten T bezahltes Entgelt ein Paket mit 1.519,8 g Marihuana über einen Paketdienst an einen tatsächlich nicht existenten Adressaten in D. versandt zu haben, wobei das Paket nach dem Tatplan des Angekl. und des T von diesem im Rahmen seiner Tätigkeit als Paketausfahrer übernommen werden sollte. Das Paket wurde jedoch noch vor Übergabe an T sichergestellt. Die Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden beruhten auf den Ermittlungen im Rahmen eines gegen den anderweitig Verfolgten T geführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens. Im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung bei dem anderweitig Verfolgten T ergaben sich Hinweise darauf, dass A der Absender des Päckchens war. Der anderweitig Verfolgte T. wurde wegen dieses Sachverhalts mit Urteil des AG vom 15.01.2015, rechtskräftig seit 23.01.2015, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen und wegen einer weiteren Tat sowie unter Einbeziehung weiterer Strafen aus einer vorausgegangenen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren mit Bewährung verurteilt. Mit Beschluss vom 15.01.2015 bestellte das AG dem Angekl. A im vorliegenden Verfahren RA R als Pflichtverteidiger. In der Hauptverhandlung am 23.02.2015 erklärte RA R als Pflichtverteidiger zunächst, dass sich sein Mandant nur zur Beziehung zu T, nicht aber zur Tat selbst äußern wolle. Daraufhin gab der A u. a. an, er kenne den anderweitig Verfolgten T seit 10 Jahren und habe ihm 8.000 EUR geliehen. Auf Vorhalt des bei dem anderweitig Verfolgten T sichergestellten Zettels äußerte sich A dahingehend, dass es sich um seine neue Telefonnummer gehandelt habe. Seinem Vater sei es damals nicht so gut gegangen. Hierzu erklärte RA R: „Herr T hatte ein freundschaftliches Verhältnis zum Vater des Angeklagten“. Der anderweitig Verfolgte T gab als Zeuge an, er wisse nicht, von wem er das Paket erhalten habe. Die Person kenne er nicht. Er habe eine Telefonnummer von einem Angehörigen bekommen, zu dem er sich allerdings nicht äußern möchte. Unter dieser Nummer habe er angerufen und 1,5 kg Marihuana bestellt. A habe ihm 8.000 EUR geliehen. Die Überweisung über 1.700 EUR sei die letzte Rate der 8.000 EUR gewesen. Auf Frage von RA R gab er an, er habe die Stimme nicht gekannt. Es sei nicht A gewesen; auch habe er sich mit A nicht über Drogen unterhalten. Nach dieser Zeugenaussage setzte das AG die Hauptverhandlung aus. Der Zeuge T wurde wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage vorläufig festgenommen. Im Anschluss daran erging Haftbefehl. Im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung anlässlich eines Haftprüfungstermins am 05.03.2015 erklärte der Zeuge T, dass er das Marihuana doch bei A bestellt habe und die 1.700 EUR eine Anzahlung für das bestellte Marihuana gewesen seien. Auf Frage, ob die letzte Aussage vor Gericht abgesprochen gewesen sei, räumte T ein, dass dies zutreffend sei. A sei am Wochenende vor der Gerichtsverhandlung bei ihm gewesen und man hätte die Aussage besprochen bzw. vorbereitet. Insbesondere entspreche seine frühere Einlassung, wonach ihm ein Angehöriger die Telefonnummer gegeben habe, nicht der Wahrheit. Man sei davon ausgegangen, mit der Lüge durchzukommen, da ja gegenüber Angehörigen ein Zeugnisverweigerungsrecht bestehe. Am Samstagabend seien dann A und T zum Verteidiger des A ins Hotel gefahren. R habe man dann erzählt, was T aussagen werde und man habe von R wissen wollen, ob das so glaubwürdig klinge. R habe geantwortet, dass er sich das überlegen müsse. R sei dann am Sonntagabend zu T nach Hause gekommen, wo die beabsichtigte Aussage des T genau besprochen worden sei. Mit Urteil des AG vom 23.07.2015, rechtskräftig seit 31.07.2015, wurde der anderweitig Verfolgte T wegen falscher uneidlicher Aussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten mit Bewährung verurteilt. Im vorliegenden Verfahren verurteilte das AG den A am 13.08.2015 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten. Nach den Urteilsfeststellungen räumte A die Tat ein während der als Zeuge gehörte T angab, er habe anlässlich der Hauptverhandlung am 23.02.2015 deswegen die Unwahrheit gesagt, weil er ein schlechtes Gewissen gehabt habe, da er A in das Rauschgiftgeschäft hineingezogen habe. Er habe deshalb am Wochenende vor dem Hauptverhandlungstermin mit A besprochen, was er als Zeuge aussagen solle. Anschließend habe man die angedachte Aussage dem R als Verteidiger des A vorgetragen. Dieser habe dann geäußert, das könne man so machen. Gegen dieses Urteil legten sowohl die StA als auch A Berufung ein. Die StA hatte bereits mit Verfügung vom 30.03.2015 ein Ermittlungsverfahren gegen RA R wegen Beihilfe zur falschen uneidlichen Aussage eingeleitet. Unter dem 21.10.2015 erhob sie Anklage wegen Beihilfe zur falschen uneidlichen Aussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung zum AG. Mit Beschluss vom 25.11.2015 ließ das AG die Anklage zur Hauptverhandlung zu, eröffnete das Hauptverfahren und bestimmte Termin für die Hauptverhandlung auf den 01.03.2016. Die StA hat am 21.10.2015 unter Bezugnahme auf die gegen A erhobene Anklage gegenüber dem LG beantragt, RA R von der Mitwirkung im Berufungsverfahren gemäß § 138a I Nr. 3 StPO auszuschließen. Mit Verfügung vom 05.11.2015 leitete das LG die Akte über die StA dem Senat zur Entscheidung über den Antrag auf Ausschluss des Verteidigers zu. Nach einem Hinweis des Senats vom 17.11.2015 stellte die StA unter dem 14.12.2015 einen nachgebesserten Ausschließungsantrag, den das LG mit Beschluss vom 17.12.2015 dem Senat zur Entscheidung vorlegte. Der Ausschließungsantrag erwies sich als zulässig und begründet und führte zum Ausschluss von R von der weiteren Mitwirkung als Verteidiger im Strafverfahren
Aus den Gründen:
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(1) Die Entscheidungen nach den §§ 138a und 138b trifft das Oberlandesgericht. Werden im vorbereitenden Verfahren die Ermittlungen vom Generalbundesanwalt geführt oder ist das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof anhängig, so entscheidet der Bundesgerichtshof. Ist das Verfahren vor einem Senat eines Oberlandesgerichtes oder des Bundesgerichtshofes anhängig, so entscheidet ein anderer Senat.
(2) Das nach Absatz 1 zuständige Gericht entscheidet nach Erhebung der öffentlichen Klage bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens auf Vorlage des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist, sonst auf Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Vorlage erfolgt auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft. Soll ein Verteidiger ausgeschlossen werden, der Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ist, so ist eine Abschrift des Antrages der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 oder die Vorlage des Gerichts dem Vorstand der zuständigen Rechtsanwaltskammer mitzuteilen. Dieser kann sich im Verfahren äußern.
(3) Das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, kann anordnen, daß die Rechte des Verteidigers aus den §§ 147 und 148 bis zur Entscheidung des nach Absatz 1 zuständigen Gerichts über die Ausschließung ruhen; es kann das Ruhen dieser Rechte auch für die in § 138a Abs. 4 und 5 bezeichneten Fälle anordnen. Vor Erhebung der öffentlichen Klage und nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens trifft die Anordnung nach Satz 1 das Gericht, das über die Ausschließung des Verteidigers zu entscheiden hat. Die Anordnung ergeht durch unanfechtbaren Beschluß. Für die Dauer der Anordnung hat das Gericht zur Wahrnehmung der Rechte aus den §§ 147 und 148 einen anderen Verteidiger zu bestellen. § 142 Absatz 5 bis 7 gilt entsprechend.
(4) Legt das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, gemäß Absatz 2 während der Hauptverhandlung vor, so hat es zugleich mit der Vorlage die Hauptverhandlung bis zur Entscheidung durch das nach Absatz 1 zuständige Gericht zu unterbrechen oder auszusetzen. Die Hauptverhandlung kann bis zu dreißig Tagen unterbrochen werden.
(5) Scheidet der Verteidiger aus eigenem Entschluß oder auf Veranlassung des Beschuldigten von der Mitwirkung in einem Verfahren aus, nachdem gemäß Absatz 2 der Antrag auf Ausschließung gegen ihn gestellt oder die Sache dem zur Entscheidung zuständigen Gericht vorgelegt worden ist, so kann dieses Gericht das Ausschließungsverfahren weiterführen mit dem Ziel der Feststellung, ob die Mitwirkung des ausgeschiedenen Verteidigers in dem Verfahren zulässig ist. Die Feststellung der Unzulässigkeit steht im Sinne der §§ 138a, 138b, 138d der Ausschließung gleich.
(6) Ist der Verteidiger von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen worden, so können ihm die durch die Aussetzung verursachten Kosten auferlegt werden. Die Entscheidung hierüber trifft das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist.
(1) In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. Über den Antrag ist spätestens vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm zu entscheiden.
(2) Unabhängig von einem Antrag wird dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, in den Fällen der notwendigen Verteidigung ein Pflichtverteidiger bestellt, sobald
- 1.
er einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorgeführt werden soll; - 2.
bekannt wird, dass der Beschuldigte, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist, sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet; - 3.
im Vorverfahren ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte, insbesondere bei einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm, nicht selbst verteidigen kann, oder - 4.
er gemäß § 201 zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert worden ist; ergibt sich erst später, dass die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, so wird er sofort bestellt.
(1) Die Bestellung des Pflichtverteidigers endet mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens einschließlich eines Verfahrens nach den §§ 423 oder 460.
(2) Die Bestellung kann aufgehoben werden, wenn kein Fall notwendiger Verteidigung mehr vorliegt. In den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 5 gilt dies nur, wenn der Beschuldigte mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung aus der Anstalt entlassen wird. Beruht der Freiheitsentzug in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 5 auf einem Haftbefehl gemäß § 127b Absatz 2, § 230 Absatz 2 oder § 329 Absatz 3, soll die Bestellung mit der Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls, spätestens zum Schluss der Hauptverhandlung, aufgehoben werden. In den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 soll die Bestellung mit dem Ende der Vorführung aufgehoben werden, falls der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt wird.
(3) Beschlüsse nach Absatz 2 sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.
Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.
(1) Ein Verteidiger ist von der Mitwirkung in einem Verfahren auszuschließen, wenn er dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig ist, daß er
- 1.
an der Tat, die den Gegenstand der Untersuchung bildet, beteiligt ist, - 2.
den Verkehr mit dem nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten dazu mißbraucht, Straftaten zu begehen oder die Sicherheit einer Vollzugsanstalt erheblich zu gefährden, oder - 3.
eine Handlung begangen hat, die für den Fall der Verurteilung des Beschuldigten Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei wäre.
(2) Von der Mitwirkung in einem Verfahren, das eine Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches zum Gegenstand hat, ist ein Verteidiger auch auszuschließen, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß er eine der in Absatz 1 Nr. 1 und 2 bezeichneten Handlungen begangen hat oder begeht.
(3) Die Ausschließung ist aufzuheben,
- 1.
sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, jedoch nicht allein deshalb, weil der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt worden ist, - 2.
wenn der Verteidiger in einem wegen des Sachverhalts, der zur Ausschließung geführt hat, eröffneten Hauptverfahren freigesprochen oder wenn in einem Urteil des Ehren- oder Berufsgerichts eine schuldhafte Verletzung der Berufspflichten im Hinblick auf diesen Sachverhalt nicht festgestellt wird, - 3.
wenn nicht spätestens ein Jahr nach der Ausschließung wegen des Sachverhalts, der zur Ausschließung geführt hat, das Hauptverfahren im Strafverfahren oder im ehren- oder berufsgerichtlichen Verfahren eröffnet oder ein Strafbefehl erlassen worden ist.
(4) Solange ein Verteidiger ausgeschlossen ist, kann er den Beschuldigten auch in anderen gesetzlich geordneten Verfahren nicht verteidigen. In sonstigen Angelegenheiten darf er den Beschuldigten, der sich nicht auf freiem Fuß befindet, nicht aufsuchen.
(5) Andere Beschuldigte kann ein Verteidiger, solange er ausgeschlossen ist, in demselben Verfahren nicht verteidigen, in anderen Verfahren dann nicht, wenn diese eine Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches zum Gegenstand haben und die Ausschließung in einem Verfahren erfolgt ist, das ebenfalls eine solche Straftat zum Gegenstand hat. Absatz 4 gilt entsprechend.
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.