Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 01. Apr. 2016 - 1 Ws 111/16

bei uns veröffentlicht am01.04.2016

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Gründe

Zum Sachverhalt:

Mit Beschlüssen vom 04.09.2015 ordnete der Ermittlungsrichter jeweils den dinglichen Arrest in das Vermögen des Besch. sowie in das Gesellschaftsvermögen der KS-Vertriebsservice GmbH über 1,5 Mio. € (gesamtschuldnerisch) zur Sicherung von Verfallsansprüchen an. Auf die Beschwerde des Besch. hob das LG seine Arrestbeschlüsse am 08.02.2016 auf. Hiergegen legte die StA unter dem 10.02.2016 weitere Beschwerde ein. Das LG half hierauf mit Beschluss vom 10.02.2016 ohne vorherige Anhörung des Besch. der weiteren Beschwerde ab, hob seinen Beschluss vom 08.02.2016 auf und verwarf nunmehr die Beschwerden des Besch. Gegen diese Abhilfeentscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Besch. vom 19.02.2016, welcher das LG nicht abgeholfen hat. Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

Aus den Gründen:

Die nach § 310 I Nr. 3 StPO statthafte (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt StPO 59. Aufl. § 310 Rn. 11) und auch im Übrigen zulässige (§ 306 I StPO) weitere Beschwerde erweist sich in der Sache als unbegründet.

1. Soweit die angefochtene Entscheidung ohne vorherige Anhörung des Besch. ergangen ist, ist das rechtliche Gehör jedenfalls mit dem Abhilfeverfahren nachgeholt worden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 33 Rn. 15 ff.).

2. Zu der Frage, ob auch der StA das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde zusteht, wenn das Beschwerdegericht - wie hier - eine erstinstanzliche Arrestanordnung über einen Betrag von mehr als 20.000 € aufhebt, bestehen insbesondere in der Rspr. unterschiedliche Meinungen (verneinend u. a. OLG München, Urt. v. 06.07.2011 - 1 Ws 545/11 = wistra 2011, 400 und OLG Hamburg, Beschl. v. 19.05.2015 - 2 Ws 75/15 [bei juris] einerseits, bejahend u. a. OLG Braunschweig, Beschl. v. 05.05.2014 - 1 Ws 103/14 = wistra 2014, 327 andererseits). Diskutiert wird die Frage unter dem Gesichtspunkt der Auslegung der Vorschrift nach dem Wortlaut, nach der Gesetzessystematik, nach der Gesetzgebungsgeschichte und schließlich unter dem Gesichtspunkt der teleologischen Auslegung. Der Senat schließt sich der Auffassung an, welche die Möglichkeit der weiteren Beschwerde für die StA bejaht.

a) Der Wortlaut des Gesetzes ist letztlich nicht eindeutig. Rein sprachlich ist die „Anordnung des dinglichen Arrestes“ auch betroffen bei der Frage, ob ein solcher erstmalig angeordnet wird, nicht erst bei der Frage, ob ein bereits angeordneter dinglicher Arrest bestehen bleibt. Die im Vergleich zu § 310 I Nrn. 1 und 2 StPO abweichende Formulierung zwingt auch nicht zu einem anderen sprachlichen Verständnis: So ist der Begriff der „Verhaftung“ in der StPO als ein Oberbegriff anzusehen: § 112 I StPO spricht von der Anordnung der Untersuchungshaft; § 117 I StPO von der Aufhebung des Haftbefehls oder von dessen Außervollzugsetzung. § 118 III StPO spricht von der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft. § 305 S. 2 StPO spricht - deutlicher und letztlich konsequent - von „Entscheidungen über Verhaftungen“, welche dort aus denselben Gründen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 305 Rn. 6) von der Einschränkung der Anfechtbarkeit des § 305 S. 1 StPO ausgenommen sind. Wenn somit „Verhaftung“ als Oberbegriff für diese Entscheidungen u. a. die Anordnung der Untersuchungshaft in § 112 I StPO meint und zugleich nach allgemeiner Meinung die Entscheidung, die Untersuchungshaft nicht anzuordnen, der weiteren Beschwerde unterliegt, ist nicht nachvollziehbar, warum bei § 310 I Nr. 3 StPO dann sprachlich zwischen Fällen der Anordnung und Fällen der Nicht-Anordnung unterschieden werden soll. Schließlich - und dies legt auch gerade die Gesetzgebungshistorie nahe (dazu sogleich unten) - muss beim dinglichen Arrest unterschieden werden zwischen dessen Anordnung und Maßnahmen in dessen Vollziehung, was eine Klarstellung erfordert, die zu leisten die gewählte Formulierung geeignet ist.

b) Zwar ist § 310 StPO als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Denn die Vorschrift folgt einem strengen Enumerationsprinzip. Damit ist zwar eine erweiternde Auslegung auf andere strafprozessuale Maßnahmen über den Wortlaut der Vorschrift hinaus unzulässig, nicht aber eine Auslegung innerhalb eines dort genannten Regelungsgegenstandes. Dies gilt insbesondere nach den Grundsätzen der allgemeinen Rechtsmittellehre, welche Auslegungsmöglichkeiten zulässt, wenn der Wortlaut einer Vorschrift nicht entgegensteht. Mangels entgegenstehenden Wortlautes des § 310 StPO ist der Raum für die vom Senat vorgenommene Auslegung eröffnet. Asymmetrisch statthafte Rechtsmittel sind in der StPO tatsächlich eine Ausnahmeerscheinung, welche grundsätzlich der ausdrücklichen Festlegung bedürfen (OLG Braunschweig a. a. O.). Dies belegt bereits der rein empirische Befund. Ein Rückgriff auf ein Argument unmittelbar aus § 296 I StPO ist dazu nicht notwendig (und als solcher wohl auch alleine nicht durchschlagend, vgl. OLG Hamburg a. a. O.). § 296 StPO bringt jedoch den allgemeinen Gedanken zum Ausdruck, dass die StA, die als Strafverfolgungsbehörde Aufgaben der staatlichen Rechtspflege erfüllt (Meyer-Goßner/Schmitt vor § 296 Rn. 16), grundsätzlich stets (ebenfalls) Rechtsmittel einlegen können soll.

c) Der Wille des Gesetzgebers lässt nicht eindeutig erkennen, dass er ausschließlich dem Arrestbetroffenen die weitere Beschwerde unter den weiteren Voraussetzungen (Wertgrenze) eröffnen wollte.

aa) Dies war zwar das Motiv, aber nicht das erkennbar ausschließliche Ziel (OLG Braunschweig, a. a. O.) und hindert nicht eine Auslegung zugunsten der StA. Es liegt in der Tat nahe, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung Ausführungen gemacht hätte, wenn er wesentliche Unterschiede zwischen § 310 I Nrn. 1 und 2 StPO einerseits und § 310 I Nr. 3 andererseits hätte machen, insbesondere besondere Rechtsfolgen mit der unterschiedlichen Formulierung hätte verbinden wollen. Die Entstehungsgeschichte (vgl. OLG Hamburg a. a. O.) legt zwar auf den ersten Blick nahe, dass die Vorschrift des § 310 I Nr. 3 StPO vornehmlich auf die Initiative der Bundesrechtsanwaltskammer zurückgeht. Diese hatte eine Erweiterung des § 310 StPO auf Sicherstellungen i. S. d. § 111b StPO angeregt, um zu gewährleisten, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der vorläufigen Sicherstellung eingehalten werden. Der Gesetzgeber hat dann die Statthaftigkeit des Rechtsmittels der weiteren Beschwerde auf die Anordnung des dinglichen Arrests nach § 111d I StPO über einen Betrag von mehr als 20.000 € erweitert, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass dem Betroffenen mit einer Arrestierung oftmals erhebliche Vermögenswerte entzogen werden, was insbesondere bei Firmenvermögen den Fortbestand des Unternehmens und damit die wirtschaftliche Existenz sowohl des Betroffenen als auch der Firmenangehörigen (Arbeitnehmer) in Frage stellen kann.

bb) Diese gesetzgeberischen Motive zwingen indes nicht zu einer einschränkenden Auslegung des § 310 I Nr. 3 StPO. Dies gebietet auch der Wortlaut nicht. Vielmehr spricht ein Vergleich mit den Ausnahmeregelungen in § 310 I Nrn. 1 und 2 StPO dafür, die Anfechtungsmöglichkeit der StA auch in Fällen wie den vorliegenden zuzulassen (vgl. in diesem Sinne auch KK/Zabeck StPO 7. Aufl. § 310 Rn. 13). Im Übrigen erscheint fraglich, ob der Gesetzgeber, der ersichtlich dem Vorschlag der Bundesrechtsanwaltskammer, Sicherstellungen im Sinne des § 111b StPO einzubeziehen, nicht folgen wollte, hier statt „eine Anordnung des dinglichen Arrestes [...] betreffen“ hätte formulieren können „einen dinglichen Arrest [...] betreffen“. In diesem Falle wäre nämlich zweifelhaft geblieben, ob auch Maßnahmen in Vollziehung eines solchen Arrests der weiteren Beschwerde unterliegen sollen. Insoweit vermag das Argument, die Formulierung „Anordnung des dinglichen Arrestes“ hätte sonst keine eigenständige Bedeutung (vgl. OLG Hamburg a. a. O. unter Bezugnahme auf OLG München, Beschl. v. 12.11.2007 - 2 Ws 942/07 = NJW 2008, 389 = wistra 2008, 78 = StV 2008, 241 = NStZ 2008, 423), nicht zu überzeugen.

d) Auch eine teleologische Auslegung gebietet keine Reduktion der Vorschrift auf eine Anfechtungsmöglichkeit allein für den Betroffenen. Denn dieses Auslegungsergebnis müsste dann konsequenterweise ebenso für § 310 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 StPO gelten, bei denen es für den Betroffenen um den Schutz seines (noch gewichtigeren) Freiheitsgrundrechts geht. Insoweit herrscht aber nach der ganz überwiegenden und gefestigten Meinung ein anderes Verständnis dieser Vorschriften vor. In diesen Fällen sind die Maßnahmen nicht nur mit tiefgreifenden Grundrechtsbeeinträchtigungen für den Betroffenen verbunden, sondern dienen im Fall des Vorliegens ihrer Voraussetzungen auch der Sicherung gewichtiger Allgemeininteressen (OLG Braunschweig a. a. O.). Dies trifft gleichermaßen auf den dinglichen Arrest zur Gewinnabschöpfung und vor allem zur Sicherung von Opferinteressen zu, insbesondere bei größeren Beträgen.

3. Da die weitere Beschwerde der StA auch ansonsten zulässig war (§ 306 I StPO), durfte das LG die Abhilfeentscheidung gemäß § 306 II StPO zulässigerweise treffen.

4. Die Abhilfeentscheidung ist auch in der Sache nicht zu beanstanden, weshalb das LG die Arrestbeschlüsse des Ermittlungsrichters zu Recht bestätigt hat. [wird ausgeführt].

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 01. Apr. 2016 - 1 Ws 111/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 01. Apr. 2016 - 1 Ws 111/16

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 01. Apr. 2016 - 1 Ws 111/16 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 310 Weitere Beschwerde


(1) Beschlüsse, die von dem Landgericht oder von dem nach § 120 Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständigen Oberlandesgericht auf die Beschwerde hin erlassen worden sind, können durch weitere Beschwerde angefochten werden, wenn sie 1. eine Ver

Strafprozeßordnung - StPO | § 111b Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung oder Unbrauchbarmachung


(1) Ist die Annahme begründet, dass die Voraussetzungen der Einziehung oder Unbrauchbarmachung eines Gegenstandes vorliegen, so kann er zur Sicherung der Vollstreckung beschlagnahmt werden. Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, so soll die B

Strafprozeßordnung - StPO | § 305 Nicht der Beschwerde unterliegende Entscheidungen


Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, unterliegen nicht der Beschwerde. Ausgenommen sind Entscheidungen über Verhaftungen, die einstweilige Unterbringung, Beschlagnahmen, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaub

Strafprozeßordnung - StPO | § 296 Rechtsmittelberechtigte


(1) Die zulässigen Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen stehen sowohl der Staatsanwaltschaft als dem Beschuldigten zu. (2) Die Staatsanwaltschaft kann von ihnen auch zugunsten des Beschuldigten Gebrauch machen.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 01. Apr. 2016 - 1 Ws 111/16 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 01. Apr. 2016 - 1 Ws 111/16 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 19. Mai 2015 - 2 Ws 75/15

bei uns veröffentlicht am 19.05.2015

Tenor Die weitere Beschwerde des Finanzamtes für Prüfungsdienste und Strafsachen vom 9. März 2015 gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 20, vom 19. Dezember 2014, wird auf Kosten der Beschwerdeführerin verworfen. Gründe

Referenzen

Tenor

Die weitere Beschwerde des Finanzamtes für Prüfungsdienste und Strafsachen vom 9. März 2015 gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 20, vom 19. Dezember 2014, wird auf Kosten der Beschwerdeführerin verworfen.

Gründe

I.

1

Mit Schriftsatz vom 7. November 2014 hat das Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen in Hamburg bei dem Amtsgericht Hamburg den Erlass eines dinglichen Arrests gegen den Beschuldigten in Höhe von 150.702,90 € als Rückgewinnungshilfe zugunsten des Finanzamtes wegen eines Verdachts der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO beantragt.

2

Durch Beschluss vom 26. November 2014 hat das Amtsgericht Hamburg den Antrag zurückgewiesen, wogegen das Finanzamt mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2014, ergänzend begründet durch Schriftsatz vom 16. Dezember 2014, Beschwerde eingelegt hat. Das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer 20, hat diese Beschwerde durch Beschluss vom 19. Dezember 2014 als unbegründet verworfen.

3

Mit Schriftsatz vom 9. März 2015 hat die Beschwerdeführerin weitere Beschwerde gegen die landgerichtliche Entscheidung eingelegt.

4

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg hat beantragt, die weitere Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 7. April 2015 ergänzend Stellung genommen.

II.

5

Das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin bleibt ohne Erfolg.

6

Die weitere Beschwerde ist vorliegend gemäß § 310 StPO bereits unstatthaft. Der begehrte Entscheidungsgegenstand – die erstmalige Anordnung eines qualifizierten dinglichen Arrestes nach entsprechender Ablehnung durch das Amtsgericht sowie ablehnender Beschwerdeentscheidung durch das Landgericht – zählt nicht zu den in § 310 Abs. 1 StPO abschließend aufgezählten Fällen, in denen die weitere Beschwerde ausnahmsweise eröffnet ist; vielmehr bewendet es vorliegend bei der gesetzlichen Regel des § 310 Abs. 2 StPO.

7

Im Einzelnen:

8

1. In Rechtsprechung und Literatur ist seit Einführung des § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO durch das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom 24. Oktober 2006 (BGBl. I, S. 2350, 2352) umstritten, ob diese neue Regelung nur gegen die Anordnung des dinglichen Arrestes die Möglichkeit einer weiteren Beschwerde eröffnet (so OLG München in NJW 2008, 389, 390, und Beschluss vom 6. Juli 2011, Az.: 1 Ws 545/11 – zitiert nach juris –; OLG Oldenburg NStZ-RR 2011, 282; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg NJW 2008, 1830, 1831, nicht tragend; Meyer-Goßner/Schmitt § 310 Rn. 9; BeckOK-StPO/Cirener § 310 Rn. 9; KMR-Plöd § 310 Rn. 8; Theile StV 2009, 161, 162; Pfordte StV 2008, 243, 244; sowie eine weitere Beschwerde der Strafverfolgungsbehörden generell ablehnend LR/Matt § 310 Rn. 18ff, 21), oder ob eine weitere Beschwerde auch im Falle der Aufhebung oder – wie vorliegend – der Bestätigung der Ablehnung eines dinglichen Arrestes zulässig ist (so OLG Celle StV 2009, 120, 121; KG Berlin NStZ 2011, 175, 176; OLG Thüringen NStZ-RR 2011, 278; OLG Braunschweig, Beschluss vom 5. Mai 2014, Az.: 1 Ws 103/14 – zitiert nach juris –: jedenfalls dann, wenn ein zunächst angeordneter dinglicher Arrest im Beschwerdeverfahren aufgehoben wurde; KK-StPO/ Zabeck § 310 Rn. 13; HK-Rautenberg § 310 Rn. 9; SSW-Hoch § 310 Rn. 21, 22; SK-Frisch § 310 Rn. 30). Der Senat hat diese Frage bisher offengelassen (StV 2009, 122, 124).

9

2. Jedenfalls in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden, in der sowohl das Amtsgericht als auch auf die hiergegen eingelegte Beschwerde das Landgericht einen Antrag der Strafverfolgungsbehörde auf Erlass eines dinglichen Arrests zurückgewiesen haben, mithin zu keinem Zeitpunkt eine Anordnung des dinglichen Arrests im Sinne des § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO erlassen worden ist, erachtet der Senat bereits aufgrund des Wortlauts eine weitere Beschwerde als unstatthaft; dieses Ergebnis wird überdies durch eine systematische, historische und teleologische Auslegung der Norm belegt.

10

a. Schon der Wortlaut des § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO ergibt, dass der Strafverfolgungsbehörde eine weitere Rechtsmittelmöglichkeit zu versagen ist, wenn – wie vorliegend – eine „Anordnung“ eines dinglichen Arrests zu keinem Zeitpunkt verfahrensgegenständlich geworden ist.

11

§ 310 Abs. 1 StPO eröffnet das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde für einzelne Verfahrensgegenstände, die – durch den Gesetzgeber redaktionell besonders hervorgehoben durch die Ziffern 1 bis 3 – konkret benannt und hierdurch enumerativ bestimmt werden. § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO eröffnet die weitere Beschwerde gegen Beschlüsse, wenn sie „eine Anordnung des dinglichen Arrests nach § 111b Abs. 2 in Verbindung mit § 111d über einen Betrag von mehr als 20.000 € betreffen“. Dieser Gesetzeswortlaut korrespondiert mit der Vorschrift des § 111d Abs. 1 S. 1 StPO, wonach zur Sicherung bestimmter Forderungen „der dingliche Arrest“ „angeordnet“ werden kann, sowie mit § 111e Abs. 1 S. 1 StPO, wonach „zu der Anordnung […] des Arrests […] das Gericht“ sowie bei Gefahr im Verzug auch die Staatsanwaltschaft befugt ist. Jede dieser gesetzlichen Vorschriften differenziert zwischen der Maßnahme selber (dinglicher Arrest) und der sie erlassenden Entscheidung (Anordnung).

12

Mit dieser sprachlichen Differenzierung unterscheidet sich § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO deutlich von den Wendungen in § 310 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO, wonach eine weitere Beschwerde gegen Beschlüsse statthaft ist, wenn sie „eine Verhaftung“ oder „eine einstweilige Unterbringung“ „betreffen“. Hier benennt der Gesetzgeber gerade nicht die Beschlüsse, mit denen die jeweiligen Freiheitsbeschränkungen (Haft- oder Unterbringungsbefehl) erlassen bzw. „angeordnet“ werden, sondern umschreibt – deutlich allgemeiner gehalten und damit zugleich umfassender – bestimmte freiheitsentziehende Maßnahmen als Verfahrensgegenstand.

13

Die Bedeutung dieser sprachlichen Abweichung zu § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO wird auch nicht dadurch wieder eingeschränkt, dass die Anordnung des Arrestes nur „betroffen“ sein muss. Soweit hierzu angeführt wird, „betroffen“ sei die Anordnung eines Arrests auch durch deren Aufhebung oder Ablehnung (so noch Senat a.a.O.; KG Berlin a.a.O.; OLG Celle a.a.O.; einschränkend OLG Braunschweig a.a.O.), berücksichtigt dieses Auslegungsverständnis nicht hinreichend den konkreten Bezug dessen, was betroffen sein muss, nämlich die unter den Ziffern 1 bis 3 konkret ausformulierten und durch die Nummerierung in ihrer Bedeutung besonders hervorgehobenen Verfahrensgegenstände. Eine Überlagerung des Begriffs der „Anordnung“ durch das Ausreichenlassen eines bloßen Betroffensein würde die unterschiedlichen Wendungen der unter den jeweiligen Ziffern genannten Maßnahmen so stark relativieren, dass dem Begriff der „Anordnung“ keine eigenständige Bedeutung mehr zukäme (vgl. OLG München NJW 2008, 389, 390). Ein sachlicher Grund hierfür ist nicht zu erkennen.

14

b. Nichts anderes ergibt sich aus der systematischen, historischen und teleologischen Auslegung.

15

aa. Gesetzessystematisch ist zu berücksichtigen, dass es sich bei § 310 Abs. 1 Nrn. 1 – 3 StPO um Ausnahmeregelungen handelt (vgl. § 310 Abs. 2 StPO), die für einige wenige konkret genannte Verfahrensgegenstände den Grundsatz durchbrechen, dass jede Entscheidung, gegen die eine Beschwerde gegeben ist, nur einmal von einer höheren Instanz überprüft wird. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist die weitere Beschwerde nur ausnahmsweise zulässig (KK-StPO/Zabeck § 310 Rn. 1); der Beschwerdeführer, dessen Rechtsmittel erfolglos war, kann das nächsthöhere Gericht grundsätzlich auch dann nicht anrufen, wenn er erstmals durch die Beschwerdeentscheidung beschwert ist (Meyer-Goßner/Schmitt § 310 Rn. 1 m.w.N.). Als Ausnahmevorschrift ist § 310 Abs. 1 StPO folglich eng auszulegen (BGH a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rn. 4; LR-Matt a.a.O. Rn. 2; SSW-Hoch a.a.O. Rn. 8).

16

Dies spricht ebenfalls dafür, der Strafverfolgungsbehörde in der vorliegenden Fallgestaltung, in welcher der bisherige Verfahrensgang nicht zu der vom Wortlaut geforderten „Anordnung des dinglichen Arrests“ geführt hat, eine weitere Rechtsmittelmöglichkeit zu versagen.

17

Soweit hiergegen angeführt wird, der Strafprozessordnung seien asymmetrische Rechtsmittel grundsätzlich fremd, schließlich eröffne § 296 Abs. 1 StPO sowohl dem Beschuldigten als auch der Staatsanwaltschaft eine Anfechtungsmöglichkeit (KG Berlin a.a.O.; SSW-Hoch a.a.O. Rn. 22), nimmt dies nur unzureichend in den Blick, dass § 296 Abs. 1 StPO an das jeweils „zulässige Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen“ anknüpft, mithin dieses gerade nicht eröffnet, sondern voraussetzt. Das eingelegte Rechtsmittel muss also statthaft sein, d.h. das Gesetz muss überhaupt eine Anfechtung gestatten; dies ist gerade nicht der Fall, wenn – wie vorliegend – der gesetzlich vorgesehene Instanzenzug bereits erschöpft ist, das Gesetz die Anfechtung der fraglichen Entscheidung ausdrücklich einer Anfechtung entzieht oder sie jedenfalls für ein bestimmtes Prozesssubjekt für unanfechtbar erklärt (HK-Rautenberg § 296 Rn. 11). Insoweit stellt § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO eine die Anfechtbarkeit beschränkende Bestimmung dar (hierzuTheile StV 2009, 161, 162; vgl. auch OLG München NJW 2008, 398, 391; OLG Oldenburg a.a.O., 283).

18

bb. Die Entstehungsgeschichte führt zu keiner anderen Bewertung.

19

In dem ursprünglichen Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten war eine Änderung des § 310 StPO nicht vorgesehen (BT-Drucks. 16/700). Erst die im Gesetzgebungsverfahren beteiligte Bundesrechtsanwaltskammer hatte u.a. eine Erweiterung des Rechtsbehelfs der weiteren Beschwerde gemäß § 310 StPO „auf Sicherstellungen im Sinne des § 111b StPO“ angeregt, um zu gewährleisten, „dass die gesetzlichen Voraussetzungen der vorläufigen Sicherstellung eingehalten werden“ (BRAK-Stellungnahme-Nr. 21/2006, Juni 2006, S. 9; vgl. hierzu auch KG Berlin a.a.O.). Die von der Bundesrechtsanwaltskammer vorgeschlagene Formulierung sah sogar eine weitere Beschwerde des Beschuldigten gegen Beschlüsse vor, „sofern sie Verhaftungen, einstweilige Unterbringung oder die Sicherstellung von Vermögensgegenständen (§ 111b StPO) betreffen“.

20

Der Gesetzgeber, dem der Meinungsstand (vgl. die Darstellung bei LR-Matt, § 310 Rn. 18ff) zur Berechtigung der Einlegung einer weiteren Beschwerde zulasten eines Beschuldigten durch die Staatsanwaltschaft bekannt war, hat daraufhin § 310 StPO durch die - von § 310 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO abweichende - FormulierungAnordnung des dinglichen Arrests“ (Hervorhebung durch den Senat) schließlich erweitert und zudem die jeweils zulässigen Verfahrensgegenstände durch die Ziffern 1 bis 3 redaktionell hervorgehoben. Mit dieser gesetzlichen Neuregelung sollte schließlich dem Aspekt Rechnung getragen werden, „dass dem Betroffenen mit einer Arrestierung oftmals erhebliche Vermögenswerte entzogen werden, was insbesondere bei Firmenvermögen den Fortbestand des Unternehmens und damit die wirtschaftliche Existenz sowohl des Betroffenen als auch der Firmenangehörigen (Arbeitnehmer) in Frage stellen kann“; dem Gesetzgeber schien es daher angemessen, „dem Betroffenen jedenfalls bei einem Arrest über mehr als 20.000 € das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde zu eröffnen“ (BT-Drucks. 16/2021, S. 6).

21

cc. Schließlich erbringt auch die teleologische Auslegung des § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO angesichts der Gesetzgebungsgeschichte keinen über den Wortlaut hinausgehenden Anwendungsbereich.

22

Sinn und Zweck des § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO besteht allein darin, dem Betroffenen ergänzenden Rechtsschutz zu gewähren (s.o. II.2.b)bb)), da er – grundrechtlich bedeutsam nach Art. 12, 14 GG – in seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit beträchtlich, unter Umständen sogar existentiell, eingeschränkt sein kann (Senat a.a.O.; BVerfG a.a.O.; vgl. auch BT-Drucks. 16/2021, S. 6, und BRAK-Stellungnahme-Nr. 21/2006, S. 3f).

23

c. Nach alldem hat es hier bei der gesetzlichen Regel des § 310 Abs. 2 StPO sein Bewenden.

III.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.

Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, unterliegen nicht der Beschwerde. Ausgenommen sind Entscheidungen über Verhaftungen, die einstweilige Unterbringung, Beschlagnahmen, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, das vorläufige Berufsverbot oder die Festsetzung von Ordnungs- oder Zwangsmitteln sowie alle Entscheidungen, durch die dritte Personen betroffen werden.

(1) Beschlüsse, die von dem Landgericht oder von dem nach § 120 Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständigen Oberlandesgericht auf die Beschwerde hin erlassen worden sind, können durch weitere Beschwerde angefochten werden, wenn sie

1.
eine Verhaftung,
2.
eine einstweilige Unterbringung oder
3.
einen Vermögensarrest nach § 111e über einen Betrag von mehr als 20 000 Euro
betreffen.

(2) Im übrigen findet eine weitere Anfechtung der auf eine Beschwerde ergangenen Entscheidungen nicht statt.

(1) Die zulässigen Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen stehen sowohl der Staatsanwaltschaft als dem Beschuldigten zu.

(2) Die Staatsanwaltschaft kann von ihnen auch zugunsten des Beschuldigten Gebrauch machen.

(1) Beschlüsse, die von dem Landgericht oder von dem nach § 120 Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständigen Oberlandesgericht auf die Beschwerde hin erlassen worden sind, können durch weitere Beschwerde angefochten werden, wenn sie

1.
eine Verhaftung,
2.
eine einstweilige Unterbringung oder
3.
einen Vermögensarrest nach § 111e über einen Betrag von mehr als 20 000 Euro
betreffen.

(2) Im übrigen findet eine weitere Anfechtung der auf eine Beschwerde ergangenen Entscheidungen nicht statt.

(1) Ist die Annahme begründet, dass die Voraussetzungen der Einziehung oder Unbrauchbarmachung eines Gegenstandes vorliegen, so kann er zur Sicherung der Vollstreckung beschlagnahmt werden. Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, so soll die Beschlagnahme angeordnet werden. § 94 Absatz 3 bleibt unberührt.

(2) Die §§ 102 bis 110 gelten entsprechend.