Schleswig-Holsteinisches Landesverfassungsgericht Urteil, 27. Jan. 2017 - LVerfG 5/15

ECLI:ECLI:DE:LVGSH:2017:0127.LVERFG5.15.0A
bei uns veröffentlicht am27.01.2017

Tenor

§ 7 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 und § 9 Absatz 1 des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein vom 10. Dezember 2014 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 473) sind mit Artikel 57 Absatz 1 der Landesverfassung unvereinbar.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die verfassungswidrige Rechtslage spätestens bis zum 31. Dezember 2020 durch eine Neuregelung zu beseitigen. Bis dahin bleiben die vorgenannten Bestimmungen weiter anwendbar.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen verschiedene Vorschriften des als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom 10. Dezember 2014 (GVOBl S. 473) verkündeten Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein (Finanzausgleichsgesetz – FAG –; im Folgenden: FAG 2014). Nach Maßgabe dieses Gesetzes stellt das Land den Gemeinden, Kreisen und Ämtern im übergemeindlichen Finanzausgleich Finanzmittel zur Ergänzung ihrer eigenen Einnahmekraft zur Verfügung.

I.

2

1. In Schleswig-Holstein fallen den Gemeinden, Kreisen und Ämtern, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist, die durch die Erfüllung ihrer Aufgaben entstehenden Ausgaben oder Aufwendungen und Auszahlungen zur Last (§ 1 Abs. 2 FAG 2014). Da deren hieraus resultierender Finanzbedarf nicht allein durch ihre Einbeziehung in das System der vertikalen Steuerertragsaufteilung nach Art. 106 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 bis 8 des Grundgesetzes (GG) gleichmäßig gedeckt werden kann, muss ihre Finanzkraft durch finanzielle Zuweisungen ergänzt werden. Die Gemeinden, Kreise und Ämter erhalten vor diesem Hintergrund vom Land Finanzzuweisungen zur Ergänzung ihrer eigenen Einnahmen oder Erträge und Einzahlungen im Wege des kommunalen Finanzausgleichs. Insoweit regelt die Landesverfassung (LV):

Artikel 57

Kommunaler Finanzausgleich

(1) Um die Leistungsfähigkeit der steuerschwachen Gemeinden und Gemeindeverbände zu sichern und eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben auszugleichen, stellt das Land im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Wege des Finanzausgleichs Mittel zur Verfügung, durch die eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen gewährleistet wird.

(2) Werden die Gemeinden oder Gemeindeverbände durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verordnung zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet, so sind dabei Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. Führen diese Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden oder Gemeindeverbände, so ist dafür ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen.

Artikel 54

Kommunale Selbstverwaltung

(1) Die Gemeinden sind berechtigt und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, in ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen, soweit die Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen.

(2) Die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit die gleichen Rechte und Pflichten.

(3) Das Land sichert durch seine Aufsicht die Durchführung der Gesetze. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(4) Durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verordnung können die Gemeinden und Gemeindeverbände zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet werden.

3

2. Das zum Gegenstand der kommunalen Verfassungsbeschwerde gemachte Gesetz zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom 10. Dezember 2014 stellt eine Neukonzeption des kommunalen Finanzausgleichs dar. Im August 2012 begann insoweit ein umfangreicher Prozess zur grundlegenden Reform des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, der maßgeblich im Beirat für den kommunalen Finanzausgleich (vgl. § 36 FAG in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung vom 7. März 2011, GVOBl S. 76; jetzt § 29 FAG 2014) sowie in einer unterhalb des Beirats gegründeten Arbeitsgruppe „Kommunaler Finanzausgleich“ stattfand und an dem Vertreterinnen und Vertreter des Innenministeriums, des Finanzministeriums, der kommunalen Landesverbände und – mit Gaststatus – des Landesrechnungshofs teilnahmen. Allein zwischen Ende August 2012 und Ende November 2013 fanden insgesamt 24 Sitzungen der Arbeitsgruppe und sieben Sitzungen des Beirats statt. Im Zuge der Vorbereitung des Reformprozesses holte das Innenministerium zudem ein Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung (NIW) zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein ein. Gegenstand des Gutachtens war die sachgerechte prozentuale Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf die verschiedenen kommunalen Aufgabenträger

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 1).

Dieses Gutachten wurde im November 2013 hinsichtlich mehrerer im Beratungsprozess entstandener Fragestellungen erweitert

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Ergänzende gutachterliche Stellungnahme zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, November 2013).

4

Im Gesetzentwurf der Landesregierung zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom 4. März 2014 heißt es dazu unter anderem:

A. Problem

Der kommunale Finanzausgleich bedarf einer gründlichen Überprüfung und Neuordnung. (…) Der kommunale Finanzausgleich ist (…) ein historisch gewachsenes System. Eingeführt 1955, wurde er 1970 grundlegend verändert und das Gesetz neu gefasst. Seitdem hat es unzählige weitere Änderungen gegeben. Typischerweise wird das Finanzausgleichsgesetz, das FAG 2014, jedes Jahr geändert. Viele der Anpassungen der letzten Jahre und Jahrzehnte hatten kleinere Auswirkungen, manche auch sehr große. Immer aber wurden lediglich eine oder mehrere einzelne Stellschrauben des komplexen Regelwerks betrachtet und verändert. Offen blieb daher zuletzt, ob die Finanzausstattung der einzelnen Kommunen noch in geeigneter Weise der kommunalen Wirklichkeit folgte. Eine vertiefte Betrachtung war geboten, ob der kommunale Finanzausgleich insgesamt noch schlüssig und zeitgemäß ist. Dringend erforderlich war deshalb eine umfassende Gesamtschau. Zum Beispiel war zu untersuchen, ob das Verhältnis der Gemeindeaufgaben zu den Aufgaben der Kreise und kreisfreien Städte noch angemessen berücksichtigt wird. Auch die Maßstäbe für die Mittelverteilung innerhalb dieser großen Blöcke gehörten auf den Prüfstand. (…)

B. Lösung

Der kommunale Finanzausgleich wird gründlich, umfassend, sachgerecht und nach intensivem und langem Dialog mit der kommunalen Familie neu geordnet. Er wird transparent, effizient und besser erklär- und nachvollziehbar. Das bietet die Chance, bei vielen Kommunen eine höhere Akzeptanz zu finden. Die großen Städte wie auch der ländliche Raum mit seinen vielen kleineren Gemeinden werden gestärkt. (…) (Landtags-Drucksache 18/1659, S. 2 ff.).

5

Der Gesetzentwurf wurde nach erster Lesung federführend dem Innen- und Rechtsausschuss sowie mitberatend dem Finanzausschuss überwiesen. Im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren gingen zahlreiche Stellungnahmen ein, es wurden schriftliche und mündliche Anhörungen durchgeführt, eine Vielzahl von Änderungsanträgen bearbeitet sowie ein Ergänzungsgutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung hinsichtlich der Teilschlüsselmassenbildung

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Aktualisierung der Teilschlüsselmassen im Rahmen der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, Oktober 2014)

eingeholt. Durch nicht datierten Vermerk des Innenministeriums wurde zudem der Soziallastenfaktor nach § 9 Abs. 4 FAG 2014-Entwurf neu ermittelt

(https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/K/kommunales/nzen/Downloads​/FAG/​.?__blob=&v=1),

was letztlich ebenfalls Eingang in den Gesetzestext fand.

6

Die beiden Ausschüsse schlossen die Beratung in gemeinsamer Sitzung am 5. November 2014 ab und empfahlen dem Landtag mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU, FDP und PIRATEN, den Gesetzentwurf der Landesregierung in der aus der Drucksache 18/2399 ersichtlichen Fassung anzunehmen. Der Landtag nahm den Gesetzentwurf in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung in seiner Sitzung vom 13. November 2014 mit 35 zu 33 Stimmen an. Das Gesetz wurde am 10. Dezember 2014 ausgefertigt, im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 30. Dezember 2014 veröffentlicht und trat am 1. Januar 2015 in Kraft. Zur Umsetzung des Gesetzes folgte für das Haushaltsjahr 2015 unter dem 22. Januar 2015 und für das Haushaltsjahr 2016 unter dem 18. Januar 2016 ein entsprechender Erlass des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten.

7

Im Rahmen des vorliegenden verfassungsgerichtlichen Verfahrens hat die Landesregierung zuletzt ein Gutachten des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln (FiFo) zur Verteilungssymmetrie im vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleich Schleswig-Holsteins vom 23. Mai 2016 eingeholt

(Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Verteilungssymmetrie im vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleich Schleswig-Holsteins, 23. Mai 2016).

8

3. Die für das Verfahren bedeutsamen Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes 2014 lauten in der Fassung vom 10. Dezember 2014 im Zusammenhang:

§ 3

Finanzausgleichsmasse

(1) Das Land stellt für die in § 4 bezeichneten Zuweisungen jährlich eine Finanzausgleichsmasse in Höhe von 17,83 % (Verbundsatz) der Verbundgrundlagen nach Absatz 2 zur Verfügung. Der Verbundsatz wird angepasst, wenn sich das Belastungsverhältnis zwischen dem Land einerseits und den Gemeinden, Kreisen und Ämtern andererseits wesentlich verändert. In den Jahren 2015 bis 2018 wird die Finanzausgleichsmasse für die Konsolidierungshilfen nach § 11 jährlich um 15 Millionen Euro erhöht. Zudem wird die Finanzausgleichsmasse um 11,5 Millionen Euro für die Zuweisungen für Infrastrukturlasten nach § 15 Absatz 4 erhöht.

(2) Die Verbundgrundlagen umfassen

1. das dem Land zustehende Aufkommen aus der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer (Artikel 106 Absatz 3 und Artikel 107 Absatz 1 des Grundgesetzes) unter Berücksichtigung der Zuweisungen des Landes nach § 25 Absatz 1 und § 26 Absatz 1,

2. das Aufkommen aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Grunderwerbsteuer, der Biersteuer und der Rennwett- und Lotteriesteuern mit Ausnahme der Totalisatorsteuer (Landessteuern nach Artikel 106 Absatz 2 des Grundgesetzes),

3. den dem Land zustehenden Kompensationsbetrag für die Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund (Artikel 106b des Grundgesetzes),

4. die Einnahmen des Landes aus den Ergänzungszuweisungen des Bundes (Artikel 107 Absatz 2 Satz 3 des Grundgesetzes),

5. die Einnahmen des Landes aus den Zuweisungen im Länderfinanzausgleich (Artikel 107 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes).

Hat das Land im Länderfinanzausgleich Zahlungen zu leisten, ermäßigen sich die Verbundgrundlagen um diesen Betrag.

(3) Die Finanzausgleichsmasse wird für jedes Haushaltsjahr nach den Ansätzen im Landeshaushaltsplan festgesetzt. Eine Änderung der Ansätze durch Nachtragshaushaltspläne wird für den Finanzausgleich des laufenden Haushaltsjahres nicht berücksichtigt.

(4) Ein Unterschied zwischen den Ansätzen im ursprünglichen Landeshaushaltsplan und den Ist-Einnahmen wird spätestens bei der Finanzausgleichsmasse des nächsten Haushaltsjahres berücksichtigt, das dem Zeitpunkt der Feststellung der Ist-Einnahmen folgt. Bei einem Doppelhaushalt erfolgt die Berücksichtigung des Unterschiedes spätestens bei der Finanzausgleichsmasse des übernächsten Haushaltsjahres.

§ 4

Verwendung der Finanzausgleichsmasse

(1) Die Finanzausgleichsmasse wird, soweit sie nicht für Zuweisungen nach Absatz 2 benötigt wird, verwendet für

1. Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft nach den §§ 5 bis 7 sowie eine Finanzzuweisung an die Gemeinde Helgoland nach § 8 mit einem Anteil von 35,11 %,

2. Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten nach § 9 mit einem Anteil von 49,33 %,

3. Schlüsselzuweisungen an die Zentralen Orte zum Ausgleich übergemeindlicher Aufgaben nach § 10 mit einem Anteil von 15,56 %.

Die erste Regelüberprüfung der Aufteilung findet vor dem Finanzausgleichsjahr 2016 statt. Sie wird auf dem Referenzzeitraum der Jahre 2010 bis 2013 basieren. Die weiteren Regelüberprüfungen sollen spätestens alle vier Jahre stattfinden. Dabei wird der entsprechende Referenzzeitraum zugrunde gelegt.

(2) Aus der Finanzausgleichsmasse werden jährlich bereitgestellt für

1. die Konsolidierungshilfen nach § 11

60,0 Millionen Euro in den Jahren 2015 bis 2018,

2. die Fehlbetragszuweisungen nach § 12

30,0 Millionen Euro in den Jahren 2015 bis 2018 sowie

50,0 Millionen Euro ab dem Jahr 2019,

3. die Sonderbedarfszuweisungen nach § 13

5,0 Millionen Euro,

4. die Zuweisungen für Theater und Orchester nach § 14

37,809 Millionen Euro im Jahr 2015,

38,376 Millionen Euro im Jahr 2016,

38,952 Millionen Euro im Jahr 2017 sowie

39,536 Millionen Euro im Jahr 2018,

5. a) die Zuweisungen für Straßenbau nach § 15 Absätze 1 bis 3

24,0 Millionen Euro,

b) die Zuweisungen für Infrastrukturlasten nach § 15 Absatz 4

11,5 Millionen Euro,

6. die Zuweisungen zur Förderung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen nach § 16

5,353 Millionen Euro,

7. die Zuweisungen zur Förderung des Büchereiwesens nach § 17

7,423 Millionen Euro im Jahr 2015,

7,534 Millionen Euro im Jahr 2016,

7,647 Millionen Euro im Jahr 2017 sowie

7,762 Millionen Euro im Jahr 2018,

8. die Zuweisungen zur Förderung von Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen nach § 18

70,0 Millionen Euro

(Vorwegabzüge). Werden für Vorwegabzüge bereitgestellte Mittel nicht benötigt, sind sie im Folgejahr den Mitteln nach Absatz 1 zuzuführen, sofern im Einzelfall nichts Abweichendes bestimmt wird.

§ 5

Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden

zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft

(1) Jede Gemeinde erhält eine Schlüsselzuweisung zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft (Gemeindeschlüsselzuweisung), wenn ihre Steuerkraftmesszahl (§ 7) hinter ihrer Ausgangsmesszahl (§ 6) zurückbleibt.

(2) Die Gemeindeschlüsselzuweisung beträgt 70 % der Differenz zwischen Ausgangsmesszahl und Steuerkraftmesszahl (Schlüsselzahl).

(3) Erreicht die Summe aus .Gemeindeschlüsselzuweisung und Steuerkraftmesszahl einer Gemeinde nicht 80 % der Ausgangsmesszahl, wird die Gemeindeschlüsselzuweisung um den Differenzbetrag erhöht (Mindestgarantie). Erreicht die Summe aus Gemeindeschlüsselzuweisung, Erhöhung auf die Mindestgarantie und Steuerkraftmesszahl einer Gemeinde nicht 85 % der Ausgangsmesszahl, wird die Gemeindeschlüsselzuweisung um 70 % des Differenzbetrages erhöht.

(4) Eine Gemeinde,

1. in die eine oder mehrere Gemeinden eingegliedert werden (Eingemeindung),

2. die durch Zusammenschluss mehrerer Gemeinden entsteht (Vereinigung) oder

3. in die Teile einer aufgeteilten Gemeinde eingehen (Auflösung),

erhält in den drei Finanzausgleichsjahren nach der Gebietsänderung abweichend von Absatz 1 und 2 eine Gemeindeschlüsselzuweisung in Höhe der Summe der Gemeindeschlüsselzuweisungen, die die beteiligten Gemeinden bei getrennter Betrachtung auf Basis der Steuerkraftmesszahlen und der Einwohnerzahlen (§30) im Jahr der Gebietsänderung erhalten hätten, sofern dies für die neugebildete Gemeinde im jeweiligen Finanzausgleichsjahr günstiger ist. Im Falle einer Auflösung wird die Steuerkraftmesszahl der aufgeteilten Gemeinde anteilig nach der übergegangenen Einwohnerzahl zum Zeitpunkt der Gebietsänderung berücksichtigt. Erfolgt die Gebietsänderung zum 1. Januar eines Jahres, gilt die Regelung nach Satz 1 für das Finanzausgleichsjahr der Änderung und die beiden folgenden Finanzausgleichsjahre.

§ 7

Ermittlung der Steuerkraftmesszahl

(1) Die Steuerkraftmesszahl einer Gemeinde wird ermittelt, indem die Steuerkraftzahlen der Grundsteuern, der Gewerbesteuer, des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer, des Gemeindeanteils an der Umsatzsteuer und der Zuweisung des Landes an die Gemeinden nach § 25 zusammengezählt werden.

(2) Als Steuerkraftzahlen werden angesetzt

1. bei der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben sowie bei der Grundsteuer von den Grundstücken die Messbeträge, multipliziert mit 92 % des gewogenen Durchschnitts des Hebesatzes für die Grundsteuer von den Grundstücken, der für den kreisangehörigen Bereich im vergangenen Jahr ermittelt wurde, mindestens jedoch 260 %,

2. bei der Gewerbesteuer die Messbeträge, multipliziert mit 92 % des gewogenen Durchschnitts des Hebesatzes für die Gewerbesteuer, der für den kreisangehörigen Bereich im vergangenen Jahr ermittelt wurde, mindestens jedoch 310 %, vermindert um den für die Ermittlung der Gewerbesteuerumlage maßgeblichen Prozentsatz, der im vorvergangenen Jahr Anwendung gefunden hat,

3. bei dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer das Ist-Aufkommen im Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres,

4. bei dem Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer das Ist-Aufkommen im Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres,

5. bei der Zuweisung des Landes an die Gemeinden nach § 25 der Zuweisungsbetrag für den Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres.

Der Faktor, der sich aus der anteiligen Berücksichtigung des gewogenen Durchschnitts des Hebesatzes nach Satz 1 Nummer 1 und 2 ergibt, wird auf einen vollen Prozentsatz abgerundet.

(3) Als Messbeträge werden die Messbeträge der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, die Messbeträge der Grundsteuer von den Grundstücken und die Messbeträge der Gewerbesteuer angesetzt, die sich ergeben, wenn das Ist-Aufkommen dieser Steuern im Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres durch den Hebesatz des vergangenen Jahres für diese Steuern geteilt wird.

(4) Lassen sich Messbeträge nach Absatz 3 für eine Steuer nicht feststellen, weil eine Gemeinde sie nicht erhoben hat, kann das für Inneres zuständige Ministerium die Steuerkraftzahl festsetzen. Sie ist für jede Steuer nach dem Landesdurchschnitt je Einwohnerin oder Einwohner der kreisangehörigen Gemeinden im vergangenen Finanzausgleichsjahr zu bemessen.

(5) Werden in einer Verbandssatzung oder in einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung nach den §§ 5 und 18 des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Februar 2003 (GVOBl. Schl.-H. S. 122), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 22. Februar 2013 (GVOBl. Schl.-H. S. 72), Bestimmungen über die Aufteilung des Grundsteueraufkommens oder des Gewerbesteueraufkommens getroffen, können diese bei der Ermittlung der Steuerkraftmesszahl berücksichtigt werden, wenn sie mindestens für die Dauer von fünf Jahren gelten.

§ 9

Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte

zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten

(1) Jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt erhält eine Schlüsselzuweisung zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten, wenn die Umlagekraftmesszahl nach Absatz 3 vermindert um die Soziallastenmesszahl nach Absatz 4 (integrierte Messzahl) hinter der Ausgangsmesszahl nach Absatz 2 zurückbleibt. Die Schlüsselzuweisung zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten beträgt 85 % der Differenz zwischen der Ausgangsmesszahl und der integrierten Messzahl (Schlüsselzahl).

(2) Die Ausgangsmesszahl wird ermittelt, indem die Einwohnerzahl der Gemeinden des Kreises oder der kreisfreien Stadt (§ 30) mit einem einheitlichen Grundbetrag vervielfältigt wird. Dieser für die Kreise und kreisfreien Städte einheitliche Grundbetrag ist durch das für Inneres zuständige Ministerium jährlich so festzusetzen, dass der Betrag nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 für Schlüsselzuweisungen verwendet wird.

(3) Die Umlagekraftmesszahl des Kreises oder der kreisfreien Stadt wird ermittelt, indem die Umlagegrundlagen mit dem gewogenen Durchschnitt der Umlagesätze für die Kreisumlage (§ 31 Absatz 3) des vorvergangenen Jahres vervielfältigt werden. Die Umlagegrundlagen des Kreises ergeben sich aus der Summe der für die kreisangehörigen Gemeinden ermittelten Steuerkraftmesszahlen (§ 7) zuzüglich ihrer Gemeindeschlüsselzuweisungen (§ 5) und abzüglich ihrer Zahlungen in die Finanzausgleichsumlage (§ 21). Die Umlagegrundlagen der kreisfreien Stadt ergeben sich aus ihrer Steuerkraftmesszahl zuzüglich ihrer Gemeindeschlüsselzuweisung und abzüglich ihrer Zahlungen in die Finanzausgleichsumlage.

(4) Die Soziallastenmesszahl des Kreises oder der kreisfreien Stadt wird ermittelt, indem die Anzahl der Personen, die im Durchschnitt des vorvergangenen Jahres im Gebiet des Kreises oder der kreisfreien Stadt in Bedarfsgemeinschaften nach dem zweiten Buch des Sozialgesetzbuches lebten (§ 31 Absatz 4), mit 3.411 Euro vervielfältigt wird.

§ 10

Schlüsselzuweisungen an die Zentralen Orte

zum Ausgleich übergemeindlicher Aufgaben

(1) Zentrale Orte erhalten Schlüsselzuweisungen für die Wahrnehmung von Aufgaben für die Einwohnerinnen und Einwohner ihres Verflechtungsbereichs. Übergemeindliche Aufgaben sind in den Zentralen Orten zu erfüllen.

(2) Zentrale Orte im Sinne dieses Gesetzes sind die Gemeinden, die durch die Verordnung nach § 24 Absatz 3 des Landesplanungsgesetzes vom 27. Januar 2014 (GVOBl. Schl.-H. S. 8) als Zentrale Orte und Stadtrandkerne, soweit letztere nicht Ortsteil eines Zentralen Ortes sind, festgelegt sind. Maßgebend für die Zahlung der Zuweisungen an die Zentralen Orte sind die Verhältnisse am 1. Januar des Finanzausgleichsjahres.

(3) Von den nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bereitgestellten Mitteln werden verwendet für Zuweisungen an

1. die Oberzentren 56,3 %

2. die anderen Zentralen Orte 43,7 %.

(4) Die Mittel nach Absatz 3 Nummer 1 werden auf die Oberzentren im Verhältnis ihrer Einwohnerzahlen (§ 30 Absatz 1) aufgeteilt.

(5) Die Mittel nach Absatz 3 Nummer 2 werden so auf die anderen Zentralen Orte verteilt, dass die Zuweisung für

1. ein Mittelzentrum im Verdichtungsraum und ein Unterzentrum mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums 60,0 %,

2. ein Unterzentrum und einen Stadtrandkern I. Ordnung mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums 30,0 %,

3. einen ländlichen Zentralort und einen Stadtrandkern I. Ordnung 15,0 %,

4. einen Stadtrandkern II. Ordnung 7,5 %

der Zuweisung für ein Mittelzentrum beträgt, das nicht im Verdichtungsraum liegt.

(6) Sind Gemeinden nach der Verordnung nach § 24 Absatz 3 des Landesplanungsgesetzes vom 27. Januar 2014 (GVOBl. Schl.-H. S. 8) gemeinsam als Zentraler Ort oder Stadtrandkern eingestuft, wird die Zuweisung auf die Gemeinden aufgeteilt. Gehören die Gemeinden einem Kreis an und unterliegen der Kommunalaufsicht der Landrätin oder des Landrats, entscheidet diese oder dieser über die Aufteilung der Zuweisung. In allen anderen Fällen entscheidet das für Inneres zuständige Ministerium.

(7) Gemeinsame Zentrale Orte oder Stadtrandkerne nach Absatz 6 erhalten nach erfolgter gemeinsamer Einstufung in den drei folgenden Finanzausgleichsjahren eine Zuweisung mindestens in Höhe des Betrages, die den beteiligten Gemeinden ohne gemeinsame Einstufung zugestanden hätte. Absatz 6 gilt entsprechend.

(8) Zentrale Orte und Stadtrandkerne nach Absatz 2 oder 6 erhalten nach erfolgter Abstufung in den drei folgenden Finanzausgleichsjahren eine Zuweisung mindestens in Höhe des Betrages, die der Gemeinde oder den beteiligten Gemeinden ohne Abstufung zugestanden hätte. Dies gilt entsprechend

1. für den Wegfall von Einstufungen,

2. bei einer Eingliederung einer Gemeinde in eine andere Gemeinde (Eingemeindung),

3. bei einem Zusammenschluss einer oder mehrerer Gemeinden zu einer neuen Gemeinde (Vereinigung).

In den Fällen von Nummer 2 und 3 erhält der jeweilige Rechtsnachfolger die Zuweisung.

9

4. Bereits vor Eingang der verfahrensgegenständlichen kommunalen Verfassungsbeschwerde am 2. Dezember 2015 wurde durch das Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2015 vom 17. Juni 2015 (GVOBl S. 163) § 3 Abs. 2 Nr. 1 FAG für das Jahr 2015 dahingehend modifiziert, dass bei den Verbundgrundlagen auch die vom Bund zur Entlastung von Ländern und Kommunen im Zusammenhang mit der Aufnahme, Unterbringung, Versorgung und Gesundheitsversorgung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern bereit gestellten Mittel zu berücksichtigen sind.

10

Eine weitere Änderung erfuhr das Gesetz durch das Haushaltsbegleitgesetz 2016 vom 16. Dezember 2015 (GVOBl S. 500), mit dem die Finanzausgleichsmasse um Einzelbeträge für die Förderung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen erhöht (§ 3 Abs. 1 Satz 5 FAG 2014), die zunächst nur für 2015 erfolgte Modifizierung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 FAG 2014 endgültig in das Finanzausgleichsgesetz übernommen sowie § 4 FAG 2014 in mehrfacher Hinsicht abgeändert wurden. Alle vorgenannten Änderungen wurden von den Beschwerdeführern nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

11

5. Das Finanzausgleichsystem des FAG 2014 besteht im Grundsatz aus drei zentralen Elementen: die Bestimmung des insgesamt aus dem Landeshaushalt zur Verfügung gestellten Betrages, das heißt der sogenannten Finanzausgleichsmasse, in § 3 FAG 2014 (sogenanntevertikale Dimension des Finanzausgleichs), die nicht zweckgebundene Verteilung eines Großteils der Finanzausgleichsmasse auf die verschiedenen kommunalen Körperschaften über § 4 Abs. 1, §§ 5 bis 10 FAG 2014 (sogenanntehorizontale Dimension) sowie die zweckgebundene Verteilung eines geringeren Betrages nach § 4 Abs. 2, §§ 11 ff. FAG 2014 (sogenannte paternalistische Dimension).

12

a) § 3 FAG 2014 steuert denvertikalen Finanzausgleich über die Bildung der Finanzausgleichsmasse. Die Effektivität des kommunalen Finanzkraftausgleichs wird vor allem durch die Höhe der als Verteilungsmasse insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzausgleichsmasse bestimmt, da ein hohes Finanzausgleichsvolumen insgesamt gesehen zu einer Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung führt. Die Höhe der Finanzausgleichsmasse ist dabei determiniert durch die in § 3 Abs. 2 FAG 2014 vorgegebenen Verbundgrundlagen und den in § 3 Abs. 1 FAG 2014 vorgegebenen Verbundsatz von 17,83 %. Nach § 3 Abs. 3 FAG 2014 wird die Finanzausgleichsmasse für jedes Haushaltsjahr im Landeshaushaltsplan festgesetzt. Mit Haushaltsgesetz 2015 vom 11. Dezember 2014 (GVOBl S. 440) hat der Landtag die Finanzausgleichsmasse im Rahmen des Haushalts des Landes für das Haushaltsjahr 2015 auf 1.526.587.900 Euro festgesetzt sowie mit Haushaltsgesetz 2016 vom 16. Dezember 2015 (GVOBl S. 474) für das Jahr 2016 auf 1.505.620.800 Euro.

13

b) § 4 FAG 2014 definiert in seinem Absatz 2 die für diepaternalistische Dimension des Finanzausgleichs zur Verfügung stehenden Teilbeträge und steuert in seinem Absatz 1 zentral die Binnenaufteilung der Finanzausgleichsmasse im horizontalen Finanzausgleich.

14

Dabei wird in § 4 Abs. 2 FAG 2014 festgelegt, welche absoluten Beträge jährlich zweckgebunden für Konsolidierungshilfen, Fehlbetragszuweisungen, Theater und Orchester, Straßenbau und Infrastrukturlasten, Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen, für die Förderung des Büchereiwesens sowie für Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen zu verwenden sind. Die individuelle Verteilung der Vorwegabzugsbeträge nach § 4 Abs. 2 FAG 2014 erfolgt nach §§ 11 ff. FAG 2014. Diese Vorwegabzüge – die im Jahr 2015 ungefähr 10 % der Finanzausgleichsmasse ausmachten – werden von der Finanzausgleichsmasse subtrahiert. Nur die verbleibende Differenz wird sodann zweckungebunden auf die kommunalen Körperschaften verteilt.

15

Für die Verteilung der nicht nach Absatz 2 verteilten Mittel werden gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 drei sogenannte Teilschlüsselmassen gebildet. Nach der hier verfahrensgegenständlichen Fassung des Finanzausgleichsgesetzes wurden 35,11 % als „Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft“ (Nr. 1), 49,33 % als „Schlüsselzuweisung an die Kreise und kreisfreie Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten“ (Nr. 2) und 15,56 % als Schlüsselzuweisung „an die zentralen Orte zum Ausgleich übergemeindlicher Aufgaben“ (Nr. 3) verteilt. Das Gesetz folgt dabei dem sogenannten „Zwei-Ebenen-Modell“, nach dem keine spezifischen Teilschlüsselmassen für Körperschaften, sondern für Aufgabenträger gebildet werden. In der Konsequenz erhalten insbesondere kreisfreie Städte Zuweisungen aus allen drei genannten Teilschlüsselmassen, da sie sowohl Gemeindeaufgaben als auch Kreisaufgaben sowie zentralörtliche Aufgaben wahrnehmen.

16

Nach Abzug der Zweckzuweisungen gemäß § 4 Abs. 2 FAG 2014 verblieben im Jahr 2015 für zweckungebundene Schlüsselzuweisungen 1.275.502,90 Euro, welche entsprechend den Schlüsselzuweisungssätzen des § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 für Gemeinden in Höhe von 447.829.100 Euro, für Kreise und kreisfreie Städte in Höhe von 629.205.600 Euro und für übergemeindliche Aufgaben in Höhe von 198.468.200 Euro eingeplant wurden.

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c) Ob und in welcher Höhe individuelle Gemeinden, Kreise oder kreisfreie Städte Schlüsselzuweisungen aus den derart festgestellten Teilschlüsselmassen erhalten, ergibt sich für Gebietskörperschaften mit Gemeindeaufgaben aus §§ 5 bis 8 FAG 2014, für Gebietskörperschaften mit Kreisaufgaben aus § 9 i.V.m. § 7 FAG 2014 und für Gebietskörperschaften mit zentralörtlichen Funktionen aus § 10 FAG 2014. Die individuelle Verteilung der Vorwegabzugsbeträge nach § 4 Abs. 2 FAG 2014 richtet sich nach §§ 11 ff. FAG 2014.

18

aa) Die Zuteilung von Schlüsselzuweisungen aus der Teilmasse für Kreisaufgaben wird nach § 9 FAG 2014 anhand von mehreren Messzahlen ermittelt: der Umlagekraftmesszahl, der aus den Parametern Personen in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II und Vervielfältigungsfaktor 3.411 Euro zusammengesetzten Soziallastenmesszahl, der aus den Parametern Einwohnerzahl und Grundbetrag zusammengesetzten Ausgangsmesszahl sowie ergänzend dem Erstattungsschlüssel in Höhe von 85 %. In einer rechnerischen Formel lässt sich der dem Gesetz zu entnehmende Mechanismus wie folgt darstellen:

Schlüsselzuweisung =

[(Einwohnerzahl x Grundbetrag) = Ausgangsmesszahl

(Umlagekraftmesszahl – = Soziallastenmesszahl)] x 0,85

19

Der Umlagekraftmesszahl kommt dabei die Aufgabe zu, die Ertragskraft der jeweils betroffenen Körperschaften abzubilden. Sie ergibt sich für die kreisfreien Städte maßgeblich aus deren jeweiligen Steuerkraftmesszahlen (§ 9 Abs. 3 Satz 3 FAG 2014), für die Kreise aus dem Produkt von Umlagegrundlagen und durchschnittlichen Umlagesätzen (§ 9 Abs. 3 Satz 1 FAG 2014). Die Umlagegrundlagen ergeben sich wiederum maßgeblich aus den Steuerkraftmesszahlen der kreisangehörigen Gemeinden (§ 9 Abs. 3 Satz 2 FAG 2014). Um insoweit zu verhindern, dass Gemeinden bewusst einen niedrigen und damit in der regionalen Konkurrenz niederlassungsfördernden Grund- beziehungsweise Gewerbesteuerhebesatz festlegen und die Steuereinbußen über den Kommunalfinanzausgleich kompensieren, wird bei der Festlegung der Steuerkraftzahlen jedoch nicht auf die jeweils tatsächlichen Steuereinnahmen abgestellt, sondern auf den in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 im Einzelnen definierten durchschnittlichen Hebesatz. Grundlage für die Bemessung der Schlüsselzuweisung ist damit nicht das tatsächliche Steueraufkommen, sondern ein fiktives Steuerausschöpfungspotential („Hebesatzanspannungs-potential“). Datengrundlage bei der Ermittlung dieses Durchschnitts sind die für den kreisangehörigen Bereich landesweit ermittelten Hebesätze des Vorjahres.

20

Der Soziallastenmesszahl kommt die Aufgabe zu, die Belastung der jeweiligen Körperschaft mit soziallastenbedingten Kosten abzubilden. § 9 Abs. 4 FAG 2014 definiert die Soziallastenmesszahl insoweit als Multiplikation der Zahl der in Bedarfsgemeinschaften von Grundsicherung für Arbeitsuchende lebenden Personen im Kreis-/ Stadtgebiet mit einem festgeschriebenen Betrag von 3.411 Euro (im Folgenden: Vervielfältigungsfaktor). Der Vervielfältigungsfaktor wurde aus dem Quotienten der durchschnittlichen Zuschussbedarfe für Soziallasten in den Jahren 2009 bis 2012 in den kommunalen Haushalten (778.051.902 Euro) und der durchschnittlichen Zahl an Personen in Bedarfsgemeinschaften im selben Betrachtungszeitraum (228.121,23) errechnet (vgl. ministerieller Vermerk, oben 2., Rn. 6).

21

Die Ausgangsmesszahl ergibt sich aus der Multiplikation der jeweiligen Einwohnerzahl mit einem Grundbetrag. Dieser wird jährlich neu festgesetzt, und zwar so, dass die Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben insgesamt stets vollständig ausgeschöpft und an die Zuweisungsempfänger verteilt wird. Die Höhe des Grundbetrages ist damit keine selbständige Größe, sondern wie in einem System kommunizierender Röhren abhängig von den übrigen Parametern. Ist beispielsweise die Teilschlüsselmasse schlecht dotiert, reduziert sich entsprechend der Grundbetrag. Ist die Teilschlüsselmasse hingegen gut dotiert, erhöht sich der Grundbetrag.

22

bb) Die Verteilung der Teilschlüsselmasse für Gemeindeaufgaben erfolgt nach einem ähnlichen Mechanismus, welcher sich aus §§ 5 ff. FAG 2014 ergibt. Auch hier wird die bereits genannte Steuerkraftmesszahl nach § 7 FAG 2014 einer Ausgangsmesszahl (§ 6 FAG 2014) gegenübergestellt. Die Höhe der jeweiligen Zuweisung beträgt dann im Grundsatz 70 % des Differenzbetrages (§ 5 Abs. 2 FAG 2014). Im Unterschied zum Regelungsansatz für Kreisaufgaben existieren hier neben der Steuerkraftmesszahl und der in die Ausgangsmesszahl integrierten Einwohnerzahl keine weiteren Parameter, insbesondere kein Ansatz für Soziallasten.

II.

23

Mit ihrer am 2. Dezember 2015 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Rechts auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 54 Abs. 1 und 2 LV, des interkommunalen Gleichbehandlungsgebots (Art. 54 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 3 LV, Art. 3 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 GG) sowie des Anspruchs auf angemessene Finanzausstattung aus Art. 57 LV beziehungsweise auf die Gewährleistung einer Mindestfinanzausstattung aus Art. 57 i.V.m. Art. 54 Abs. 1 und 2 LV. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen Folgendes aus:

24

1. Die erhobene kommunale Verfassungsbeschwerde sei nach Art. 51 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 47 Landesverfassungsgerichtsgesetz (LVerfGG) zulässig. Insbesondere seien sie beschwerdebefugt. Soweit sie eine Verletzung ihres Anspruchs auf Mindestausstattung rügten, müssten sie hierfür keine Einzelheiten zu ihrer Haushaltslage oder zu Beschränkungen bei der Aufgabenerfüllung darlegen, zumal sie substantiell grundsätzliche Ausstattungs- und Verteilungsmängel geltend machten. Lediglich hilfsweise wiesen sie darauf hin, dass sich durch die angegriffenen Regelungen ihre strukturelle Haushaltslage erheblich verschlechtere. Auf Basis der im Regierungsentwurf verwerteten Daten des Finanzausgleichs 2014 ergäben sich für sie im Vergleich zu der Rechtslage vor der angegriffenen Reform Gesamtverluste an Schlüsselzuweisungen in Höhe von rund 7,2 Millionen Euro (Nordfriesland), rund 5,2 Millionen Euro (Ostholstein) und rund 5,3 Millionen Euro (Schleswig-Flensburg). Hinzu kämen weitere Verluste an Schlüsselzuweisungen in teilweise zweistelliger Millionenhöhe durch verschiedene Fehler im angegriffenen Gesetz. Auch tatsächlich habe sich das strukturelle Ergebnis bei ihnen für das Haushaltsjahr 2015 im Vergleich zum Haushaltsjahr 2014 erheblich verschlechtert. Die Kreise Ostholstein und Schleswig-Flensburg seien zudem Konsolidierungskreise. Weitere Einsparmöglichkeiten bestünden nicht. Für Nordfriesland habe das Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten im Haushaltserlass vom 12. Mai 2015 festgehalten, dass dessen dauernde Leistungsfähigkeit nicht gegeben sei. Nordfriesland habe sich ein eigenes Konsolidierungsprogramm gegeben.

25

In Folge der angegriffenen Reform des kommunalen Finanzausgleichs seien die Beschwerdeführer nicht mehr aufgabenangemessen ausgestattet. Vergliche man die reformbedingten Verluste an Schlüsselzuweisungen mit den Salden der Beschwerdeführer aus laufender Verwaltungstätigkeit in den Jahren 2010 bis 2014 (Nordfriesland: zwischen rund -5,6 Millionen Euro und rund 1,2 Millionen Euro; Ostholstein: zwischen rund -5,3 Millionen Euro und rund 8,4 Millionen Euro; Schleswig-Flensburg: zwischen rund -1,3 Millionen Euro und rund 12,1 Millionen Euro) zeige sich unmittelbar, dass durch die verringerten Schlüsselzuweisungen die Spielräume zur Wahrnehmung von freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben beseitigt beziehungsweise stark reduziert würden. Dabei sei der Anteil der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben am Haushaltsvolumen insgesamt bereits vor der Reform in den Jahren 2010 bis 2014 gering gewesen (Nordfriesland: zwischen 2,11 und 2,39 %, Ostholstein: zwischen 0,5 und 1,0 %; Schleswig-Flensburg: zwischen 0,54 und 1,16 %). Die aufgrund der Reform eintretenden finanziellen Verluste seien deutlich höher als die Beträge, die sie insgesamt für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben aufgebracht hätten. Ohnehin könne aber bei einer Quote von unter 1 % freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben am gesamten Aufgabenportfolio materiell nicht mehr von der Wahrnehmung kommunaler Selbstverwaltung gesprochen werden. In der Literatur würden 5 bis 10 % als notwendiges Selbstverwaltungsvolumen diskutiert.

26

Hinsichtlich des behaupteten Verstoßes gegen das interkommunale Gleichbehandlungsgebot meinen die Beschwerdeführer, durch die nachfolgenden Ausführungen sei hinreichend dargestellt, dass sie durch § 9 Abs. 1 FAG 2014 sowie durch die § 9 i.V.m. § 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 im Vergleich zu den kreisfreien Städten gleichheitswidrig behandelt würden und dass die Ungleichbehandlung willkürlich erfolge. Darüberhinausgehende Darlegungen seien nicht erforderlich.

27

2. Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet.

28

a) Aus Art. 54 Abs.1 und 2 LV in Verbindung mit Art. 57 Abs. 1 LV folge ein gegen das Land gerichteter Anspruch der Kommunen auf eine aufgabenangemessene Finanzausstattung, deren Kern in einer unantastbaren und nicht unter dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit des Landes stehenden Mindestfinanzausstattung bestehe. Mit der Mindestfinanzausstattung sei gemeint, dass die Kommunen einen finanziellen Spielraum haben müssten, um neben den pflichtigen „Fremd- und Selbstverwaltungsaufgaben“ noch freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen zu können. Ob eine Verletzung des Mindestausstattungsanspruches vorliege, sei im Wege wertender Betrachtung im Einzelfall zu ermitteln.

29

Daneben müssten dem Land und den Kommunen die jeweils verfügbaren Finanzmittel gleichermaßen aufgabengerecht zukommen. Nur dieses sogenannte Gebot der vertikalen Verteilungssymmetrie stehe unter dem Leistungsfähigkeitsvorbehalt des Landes. Zudem müsse der Gesetzgeber bei der (horizontalen) Verteilung der Finanzmittel das interkommunale Gleichbehandlungsgebot berücksichtigen, welches im Selbstverwaltungsrecht der Kommunen nach Art. 54 Abs. 1 und 2 LV in Verbindung mit dem rechtsstaatlich determinierten Gleichheitssatz (Art. 3 LV i.V.m. Art. 3 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) sowie in Art. 57 LV wurzele.

30

Außerdem bestünden Mindestanforderungen an das Gesetzgebungsverfahren. Der Gesetzgeber müsse den Bedarf realitätsgerecht und nachvollziehbar erheben, und zwar sowohl bezogen auf den vertikalen wie bezogen auf den horizontalen Finanzausgleich. Diese Erhebung müsse sich auf die beiden Parameter Aufgabenbelastung und Finanzkraft beziehen. Mit der Bedarfsermittlungspflicht verbunden sei zudem die Pflicht des Gesetzgebers, die wesentlichen Ergebnisse seiner Ermittlungen und seine hierauf fußenden Erwägungen durch eine Aufnahme in die Gesetzgebungsmaterialien transparent zu machen (Transparenzgebot). Durch ein Nachschieben von Gründen erst im verfassungsgerichtlichen Verfahren könne er hingegen seinen Darlegungspflichten nicht genügen. Zuletzt bestehe eine Beobachtungs- und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht.

31

b) Gemessen an den so definierten Anforderungen verstoße das angegriffene Gesetz in mehrfacher Hinsicht gegen die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein.

32

aa) So sei bereits die der Gesetzeskonzeption zugrunde liegende Sachverhaltsermittlung ungenügend. Eine aufgabenbezogene Bedarfserhebung habe nicht stattgefunden. Insbesondere das eingeholte Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung gehe unzulässigerweise ausschließlich von dem tatsächlichen kommunalen Ausgabenverhalten und nicht von den objektiven Erfordernissen der zur Erfüllung gegebenen Aufgaben aus. Zudem seien die gutachterlich herangezogenen statistischen Rechenwerke wegen der laufenden Umstellung von der Kameralistik auf die Doppik ungeeignet. Fehlerhaft seien auch die durch den Übergang auf das reine Zwei-Ebenen-Modell erforderlich gewordene Abgrenzung der Gemeinde- von den Kreisaufgaben sowie die Bestimmung der überörtlichen Aufgaben. Nicht nachvollziehbar seien des Weiteren die verwandten Zahlenwerke. Zuletzt sei es unzulässig, im Rahmen der Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs aufgelaufene Verschuldung und Kassenkredite einzubeziehen. Da diese im kreisfreien Raum größer seien als im ländlichen Bereich, der in der Vergangenheit weniger Kredite aufgenommen habe, würde letzterer benachteiligt.

33

bb) Bereits die in § 3 FAG 2014 definierte Finanzausgleichssumme sei daher fehlerhaft bestimmt und im Ergebnis zu niedrig bemessen. Die Wertung des Gesetzgebers, die kommunale Finanzsituation sei auskömmlich, sei unzutreffend. Die in der Gesetzesbegründung zum Beleg hierfür genannten Indizien seien in mehrfacher Hinsicht unzureichend. So sei etwa der zugrunde gelegte Referenzzeitraum für die Kostenschätzungen deutlich zu kurz bemessen. Zudem seien die Steuerkraft der Gemeinden nach § 7 FAG 2014 ebenso wie die Umlagekraft der Kreise nach § 9 FAG 2014 willkürlich abgebildet worden.

34

cc) § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FAG 2014 verletze die Beschwerdeführer in ihrem Anspruch auf Mindestausstattung. Die Finanzausgleichsmasse zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten sei unangemessen niedrig bemessen. Dies ergebe sich zum einen aus dem Umstand, dass die Finanzausgleichsmasse insgesamt zu niedrig dotiert sei. Unabhängig davon sei die Höhe dieser Teilschlüsselmasse fehlerhaft lediglich nach den Ausgaben und nicht bedarfsgerecht erhoben worden. Zudem liege ein Systembruch bei der Bedarfsermittlung dieser Teilschlüsselmasse vor, weil die seinerzeitige durchschnittliche Belastung aus der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung von 115 Millionen Euro vor dem Hintergrund der vollständigen Übernahme dieser Kosten ab 2014 vom Bund herausgerechnet worden sei, während andere, ebenfalls absehbare Änderungen nicht berücksichtigt worden seien.

35

Des Weiteren sei der Anteil zentralörtlicher Aufgaben in § 4 Abs. 1 FAG 2014 zulasten der Teilmasse für Kreisaufgaben zu hoch angesetzt. Während das Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung einen Zuschussbedarf für übergemeindliche Aufgaben in Höhe von 146,15 Millionen Euro ansetze, würden in 2015 über § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FAG 202,7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Eine weitere Verzerrung ergebe sich aus der Berücksichtigung der Zinslasten bei der Bedarfserhebung der verschiedenen Aufgabenträger. Dies bevorzuge einseitig die kreisfreien Städte mit ihrem hohen Schuldenstand.

36

dd) § 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 verletzte das interkommunale Gleichheitsgebot. Die dort enthaltenen fiktiven Hebesätze seien der Höhe nach willkürlich festgelegt worden. Der Gesetzgeber dürfe Gruppen von Gemeinden, zwischen denen in Bezug auf ihr Steuerausschöpfungspotential wesentliche Unterschiede bestünden, nicht gleich behandeln. Zumindest aber müsse sichergestellt werden, dass die fiktiven Hebesätze tatsächlich auf der Basis des Durchschnitts erhoben würden. Hieran gemessen stelle sich die angegriffene Regelung schon deshalb als willkürlich dar, weil keine gestuften, sondern einheitliche Hebesätze definiert worden seien. Durch die Verwendung einheitlicher Hebesätze würden die Realsteuerkraftzahlen der kreisangehörigen Gemeinden unrealistisch hoch dargestellt, während die Realsteuerkraftzahlen der kreisfreien Gemeinden unrealistisch niedrig eingeschätzt würden. Willkürlich sei weiter, dass die Hebesätze des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 allein auf der Grundlage der tatsächlichen Hebesätze des kreisangehörigen Bereichs zu errechnen seien, während die tatsächlichen Hebesätze des kreisfreien Raumes unberücksichtigt blieben. Dasselbe gelte für die Multiplikation des gewogenen Durchschnitts der Hebesätze mit dem Faktor 92 %. Hierdurch ergäben sich weitere erhebliche Verschiebungen zwischen den betroffenen Kommunalgruppen zugunsten der kreisfreien Städte in Höhe von rund 16 Millionen Euro.

37

Die willkürliche Festsetzung der Hebesätze des § 7 FAG 2014 betreffe sie, die Beschwerdeführer, konkret, da die Hebesätze nach § 7 Abs. 2 Satz 1 FAG 2014 über § 9 Abs. 3 FAG 2014 die für die Verteilung der ihnen zustehenden Kreisschlüsselzuweisungen maßgebliche Umlagekraftmesszahl mitbestimmten. Auf der Grundlage gruppenspezifischer Durchschnittswerte gebildeter Hebesätze stünden sie um rund 3,4 Millionen Euro (Ostholstein), rund 1,6 Millionen Euro (Nordfriesland) beziehungsweise rund 3,5 Millionen Euro (Schleswig-Flensburg) besser. Die Finanzausgleichsleistungen der Kreise seien gegenüber denen der kreisfreien Städte um ca. 34 % zu niedrig.

38

ee) In § 9 Abs. 1 FAG 2014 werde die Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben durch die Minderung der die Finanzkraft abbildenden Umlagekraftmesszahl über die Soziallastenmesszahl zum Nachteil der Kreise willkürlich verteilt. Indikatoren für die Finanzkraft würden so sachwidrig mit Indikatoren für den aufgabenbezogenen finanziellen Bedarf (Ausgangsmesszahl) vermischt. Dies bewirke, dass der Bedarf für Soziallasten doppelt und damit im Vergleich zu den anderen Bedarfen überproportional und asymmetrisch berücksichtigt werde. Im wirtschaftlichen Ergebnis fielen die Schlüsselzuweisungen an die kommunale Gruppe mit höheren Soziallasten – faktisch die kreisfreien Städte – damit unangemessen hoch aus, während die Schlüsselzuweisungen an die andere Gruppe – faktisch die Kreise – unangemessen niedrig ausfielen, und zwar für die Beschwerdeführer in Höhe von 13,7 Millionen Euro (Nordfriesland), 3,6 Millionen Euro (Ostholstein) und eine Million Euro (Schleswig-Flensburg).

39

Schließlich hätte der Gesetzgeber neben den Bedarfsfaktoren Einwohner und Soziallasten weitere Bedarfsfaktoren, wie etwa die Fläche, zumindest in Erwägung ziehen müssen.

40

Die Beschwerdeführer beantragen wörtlich,

festzustellen, dass die Regelungen des § 9 Abs. 1, §§ 9 i.V.m. 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2, §§ 9 i.V.m. 3, 4 Abs. 1 Nr. 2 sowie § 9 i.V.m. §§ 10, 4 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein (Finanzausgleichsgesetz – FAG) vom 10. Dezember 2014, in Kraft getreten am 1. Januar 2015, die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Selbstverwaltung aus Art. 54 Abs. 1 und 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein in Verbindung mit Art. 57 Abs. 1 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein und dem rechtsstaatlich determinierten Gleichheitssatz (Art. 3 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein i.V.m. Art. 3 Abs. 1, 28 Abs. 1 des Grundgesetzes) verletzen und nichtig sind.

III.

41

1. Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat von einer Stellungnahme abgesehen.

42

2. Nach Auffassung der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung sind die von den Beschwerdeführern angegriffenen Regelungen verfassungskonform.

43

a) Art. 57 Abs. 1 LV sei als Gebot der Verteilungsgerechtigkeit und Verteilungssymmetrie zu verstehen, so dass es auf das ausgewogene Verhältnis der möglichst weitgehend aufgabenangemessenen Finanzausstattung des Landes und der Kommunen ankomme. Die Grunddaten der finanziellen Entwicklung beider Ebenen müssten – soweit vergleichbar – in etwa parallel verlaufen. Dies schließe ein, dass in Situationen finanzieller Restriktionen auch das Land Spar- und Konsolidierungsanstrengungen unternehmen müsse. Von der Leistungsfähigkeit des Landes losgelöste, „absolute“ Rechtspositionen der Kommunen seien hiermit unvereinbar.

44

Bei der Ausgestaltung des Finanzausgleichs seien zudem das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung sowie das Gebot der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit zu beachten. Grundsätzlich stehe es dem Gesetzgeber frei, von einem selbst gesetzten System mit hinreichenden Gründen abzuweichen. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle sei insoweit auf eine Evidenzkontrolle begrenzt.

45

Verfahrensbezogene Pflichten träfen den Gesetzgeber im Übrigen bei der Ausgestaltung des Finanzausgleichs nicht. Insbesondere sei er weder verpflichtet, „wissenschaftlich“ vorzugehen, noch müsse er begründen, warum er ein Gesetz mit einem bestimmten Inhalt erlassen habe.

b) Gemessen an diesen Maßstäben sei das angegriffene Gesetz in keiner Hinsicht zu beanstanden.

46

aa) Der Gesetzgeber habe die teilweise neue Technik der Verteilung der Finanzausgleichsmasse ausführlich beschrieben. Grundlage hierfür sei eine detaillierte und genaue Ermittlung der kommunalen Aufgaben und Ausgaben über einen für prognostische Betrachtungen ausreichend langen Zeitraum gewesen. Eine stärker aufgabenbezogene Betrachtung könne schon aufgrund des Wortlauts des Art. 57 Abs. 1 LV nicht verlangt werden. In die Bestimmung der erforderlichen Ausgaben flössen zudem derart viele Gestaltungs-, Ermessens- und Einschätzungsfaktoren ein, dass lediglich plausible, rational nachvollziehbare Erwägungen gefordert seien. Da es verschiedene Methoden der Bedarfserhebung gebe, stehe dem Gesetzgeber insoweit ein Spielraum zu.

47

bb) Entsprechend stehe die in § 3 FAG 2014 zum Ausdruck kommende vertikale Finanzverteilung im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben.

48

Sowohl die Einnahmenentwicklung als auch die Auskömmlichkeit der kommunalen Finanzausstattung seien ermittelt und begründet worden. Ergänzend sei darauf zu verweisen, dass der bis 2014 negative Finanzierungssaldo des Landes im Jahr 2015 +256 Millionen Euro betragen habe, während sich der Finanzierungssaldo der Gemeinden und Gemeindeverbände seit 2011 stetig von -40 Euro/ Einwohner auf -8 Euro/ Einwohner verbessert habe. Der Befund der vertikal auskömmlichen Dotierung des Finanzausgleichs werde außerdem durch das im Verfassungsgerichtsverfahren eingeholte Gutachten des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln vom 23. Mai 2016 (zur „Verteilungssymmetrie im vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleich Schleswig-Holsteins“) belegt.

49

Es liege im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, den vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleichs nach dem Verbundquotenmodell zu organisieren. Im Übrigen werde diese Methode in den Folgejahren – verglichen mit der vorherigen Rechtslage – zu erhöhten Einnahmen der Kommunen führen.

50

cc) Bei der Ermittlung der in § 4 FAG 2014 enthaltenen Verteilungsquoten habe sich der Gesetzgeber gestützt auf das umfangreiche Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung ein umfassendes Bild über die Einnahmen- und aufgabenbezogene Ausgabensituation der Kommunen verschafft. Das Gutachten habe sich mit der Abgrenzung und Bewertung der in § 4 FAG 2014 vorgesehenen zentralörtlichen Aufgaben ausführlich befasst; die von ihm herangezogenen Kriterien für die Zentralörtlichkeit einer Aufgabe entsprächen anerkannten finanzwissenschaftlichen Grundsätzen. Die Bewertung des Bedarfs für zentralörtliche Aufgaben sei ebenfalls gutachterlich fundiert und plausibel begründet.

51

In der Herausnahme der Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung aus den Daten zur Ermittlung der durchschnittlichen Finanzbedarfe liege kein Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit, da bei diesen – anders als bei den anderen von den Beschwerdeführern angeführten künftigen Änderungen – festgestanden habe, dass der Bund ab 2014 diese Kosten übernehmen werde.

52

dd) Fiktive Hebesätze wie in § 7 Abs. 2 Satz 1 FAG 2014 würden in allen Finanzausgleichssystemen verwendet. Eine Verpflichtung, differenziert gewogene Hebesätze in Anlehnung an die Größe der Gemeinden oder an andere Kriterien – etwa an den Standort oder die Lage – zu bestimmen, bestehe nicht. Denn es gebe derzeit kein kohärentes Theoriedesign zur Abbildung nachweisbarer Hebesatzpotentiale. Die kreisfreien Städte würden weder durch die Datengrundlagen noch durch den angesetzten Faktor gegenüber den Kreisen „relativ arm“ gerechnet, da die Ermittlung der Schlüsselzuweisungen nicht an kommunale Gruppen, sondern an Aufgaben anknüpfe. Im Übrigen hätten die kreisfreien Städte höhere Soziallasten zu tragen.

53

ee) Die Einführung des Soziallastenindikators in § 9 FAG 2014 sei sowohl dem Grundsatz nach als auch in der konkreten Ausgestaltung verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Ermittlung der aus Finanzkraft und Soziallastenmesszahl bestehenden integrierten Messzahl stelle eine besondere Technik zur Ermittlung der Belastung aus den sozialen Aufgaben der Kreise und kreisfreien Städte dar und liege in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Es sei im Finanzausgleichssystem nicht unüblich, bereits auf der Finanzkraftseite Faktoren für Finanzbedarfe zu berücksichtigen. Zudem würden dabei alle Kommunen gleich behandelt und es sei sowohl eine Nivellierung als auch eine Vertauschung der Finanzkraftreihenfolge ausgeschlossen.

54

Das Fehlen eines Flächenansatzes korrespondiere schlüssig mit dem Verzicht auf eine sogenannte Einwohnerwertung. Der Gesetzgeber habe sich dafür entschieden, – behauptete – Kosten der Agglomeration nicht zu berücksichtigen, so dass er auch – behauptete – Kosten der Deglomeration unberücksichtigt lassen könne. Der Gesamtmechanismus sei so weniger streitanfällig und kompliziert, ohne an Genauigkeit einzubüßen. Aufgrund welcher konkreten Umstände bei der Erfüllung der jeweiligen Aufgabe aus dem Verhältnis von Einwohnerzahl und Fläche überproportional hohe Kosten entstehen könnten, erschließe sich im Übrigen nicht.

55

c) Abschließend weist die Landesregierung darauf hin, dass die Beschwerdeschrift, insbesondere in den Anlagen 3, 5 bis 7 und 9, nicht nachvollziehbare Zahlen und Rechenschritte enthalte. Die von den beschwerdeführenden Kreisen genannten Zahlen zu ihrer eigenen Finanzlage entsprächen zudem nicht dem neuesten Stand. Für den Kreis Nordfriesland läge mittlerweile der Jahresabschluss 2015 vor. Das Haushaltsjahr 2015 habe mit einem Überschuss von rund 3 Millionen Euro geschlossen. Ursprünglich sei mit einem Defizit von rund 5 Millionen Euro gerechnet worden. Der Kreis Ostholstein habe das Haushaltsjahr 2014 mit einem Überschuss von rund 11 Millionen Euro abgeschlossen. Das Jahr 2015 werde er nach eigenen Angaben mit einem Überschuss von rund 7 Millionen Euro abschließen. 2015 seien sämtliche Defizite der Vergangenheit abgebaut worden. Der Kreis Schleswig-Flensburg sei mit der Vorlage seiner Jahresabschlüsse in Rückstand.

56

3. Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag, der Städteverband Schleswig-Holstein und der Schleswig-Holsteinische Landkreistag haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

57

a) Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag rügt, wie die Beschwerdeführer, dass der Finanzausgleich insgesamt nicht auskömmlich dotiert sei, obwohl bereits während des Gesetzgebungsverfahrens eindeutige Indizien für die mangelhafte Finanzausstattung der Kommunen vorgelegen hätten und er ausdrücklich um Prüfung gebeten habe.

58

Leidtragende der Reform seien im Ergebnis in besonderem Maße die Gemeinden mit einer besonders geringen Steuerkraft von weniger als 500 Euro pro Einwohner. Die Erhöhung der Nivellierungssätze in § 7 Abs. 2 Satz Nr. 1 und 2 FAG 2014 habe zu einer weiteren Benachteiligung der kreisangehörigen Gemeinden zugunsten der Kreise geführt.

59

Soweit es um die Verteilung der Schlüsselzuweisungen für Gemeindeaufgaben gehe, sei bei der horizontalen Verteilung eine vertiefte Befassung mit gemeindlichen Aufgaben verfassungsrechtlich nicht geschuldet. Die Verteilung anhand der Parameter Steuerkraft und Einwohnerzahl habe sich bewährt. Es sei zulässig, bei der Aufteilung der Teilschlüsselmassen Zuschussbedarfe durch eine typisierende Betrachtung der Ausgaben zu ermitteln, da die Kommunen über das Ob (bei freiwilligen Aufgaben) und das Wie der Aufgabenerfüllung selbst entscheiden dürften.

60

Problematisch sei hingegen der gewählte Verteilungsmechanismus für die Teilmasse für zentralörtliche Aufgaben. Hier sei es bei der Ausgestaltung des § 10 FAG 2014 zu einer Beeinflussung des Ergebnisses durch das Ausgabenverhalten einzelner Kommunen gekommen. Zudem würden die Theater der kreisfreien Städte über eine Kombination von Vorwegabzug und Zuweisungen für zentralörtliche Aufgaben doppelt finanziert. Die Zuschussbedarfe für Berufsschulen seien unvertretbar gewichtet. Ferner seien die einheitlichen Hebesätze des § 7 Abs. 2 Satz 1 FAG 2014 zu kritisieren. Demgegenüber sei die Nichtberücksichtigung der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung geboten gewesen, um nicht bereits bei Inkrafttreten des Gesetzes offensichtlich unzutreffende Daten zugrunde gelegt zu haben. Eine derart sicher absehbare Kostenentlastung habe es bei keinem anderen Aufgabenbereich von vergleichbarem Gewicht gegeben.

61

b) Der Städteverband Schleswig-Holstein hebt in seiner Stellungnahme hervor, dass die Kommunen in Schleswig-Holstein seit Jahren strukturell unterfinanziert seien. Die Finanzprobleme konzentrierten sich bei den kreisfreien Städten, auf die allein knapp 2/3 aller aufgelaufenen Defizite entfielen, obwohl sie nur rund 22 % der Gesamtbevölkerung stellten. Den kreisfreien Städten fehle weitgehend die Möglichkeit zur Eigenfinanzierung. Daneben zeige sich, dass aber auch viele weitere Städte im kreisangehörigen Raum strukturell unterfinanziert seien. Besondere Disparitäten ergäben sich in Bezug auf die Möglichkeit zur Eigenfinanzierung Zentraler Orte im ländlichen Raum. Im Gegensatz hierzu zeige sich bei den Kreisen eine weitgehend stabile Haushaltsentwicklung. Der Finanzausgleich könne nicht einmal eine Mindestfinanzausstattung sicherstellen, die alle Städte und Gemeinden in die Lage versetze, ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen, ohne weitere Defizite aufzubauen.

62

Der Verfassung sei ein solcher Anspruch auf Mindestausstattung zu entnehmen, bei dem die Finanzkraft des Landes unerheblich sei. Erst jenseits dieses Kernbereichs spiele die Leistungsfähigkeit des Landes eine Rolle. Das Beispiel der Krankenhausfinanzierung zeige, dass ein bereits auf den Mindestausstattungsanspruch durchschlagender Leistungsfähigkeitsvorbehalt mit den Aufgaben- und Ausgabenverpflichtungen unvereinbar sei. Im Übrigen habe das Land im Jahr 2015 einen Überschuss von 187 Millionen Euro erwirtschaftet, während die Kommunen per Saldo mit einem Defizit von 22,3 Millionen Euro abgeschlossen hätten. Bereits dies indiziere einen Verstoß gegen die kommunale Mindestfinanzierungsgarantie.

63

Bezogen auf den horizontalen Finanzausgleich sei jedoch kein Verstoß gegen das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung oder der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit festzustellen. Aufgrund des sehr heterogenen Aufgabenbestandes der verschiedenen Kommunen bedürfe es eines politischen Einschätzungsspielraumes. Vor diesem Hintergrund sei gerade bei der Regelung über den Soziallastenausgleich und beim Gewicht der paternalistischen Dimension des Finanzausgleichs ein Verfassungsverstoß nicht zu erkennen. Im Übrigen sei das Verfahren „vorbildhaft geführt“ worden. Insbesondere sei die Neubemessung der Teilschlüsselmassen in § 4 FAG 2014 ebenso wie die Nichteinbeziehung der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung positiv zu bewerten. Dass Zuschussbedarfe für Theater und Orchester doppelt angerechnet worden seien, sei nicht zu erkennen. Nur teilweise überzeuge hingegen der gewählte Zentrale-Orte-Ansatz in § 10 FAG 2014, insoweit wäre es vorteilhafter gewesen, den Status Quo vor der Reform beizubehalten.

64

c) Der Schleswig-Holsteinische Landkreistag erklärt, sich den Vortrag der drei Beschwerdeführer zu Eigen zu machen. Er beanstandet, dass das der Neukonzeption des Finanzausgleichs zugrunde liegende Gutachten ausschließlich von Ausgaben und nicht von Aufgaben ausgehe. Auf diesem Wege seien verhaltensgeprägte Werte und nicht objektivierte, notwendige Aufwendungen für Aufgaben Ausgangspunkt aller Überlegungen. Es hätte einer Bestandsaufnahme der tatsächlichen Kosten und ihrer Objektivierung durch ein anerkanntes Statistikverfahren bedurft. Derartige Verfahren seien verfügbar, etwa das Standardkostenmodell, ein Benchmarking, die Regressionsanalyse oder die Korridorbereinigung.

65

Unzulässig sei die Ausgestaltung der Schlüsselzuweisungen an Kreise und kreisfreie Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten nach § 9 FAG 2014. Im Prinzip werde so der typisierte Aufwand in Form der Ausgangsmesszahl mit der typisierten Finanzkraft in Form der Umlagekraftmesszahl beziehungsweise der Steuerkraftmesszahl verglichen. Durch den Abzug des typisierten Sozialaufwandes von der Ertragsseite – und nicht von der Aufwandsseite – werde dieses System durchbrochen. In der Folge werde dem vollen Aufwand in Form der Ausgangsmesszahl ein künstlich und damit systemwidrig und willkürlich verringerter Ertrag gegenübergestellt. Dadurch erhielten die Soziallasten ein doppeltes Gewicht.

66

Zu weiteren Verzerrungen führe der Umstand, dass die Ausgangsmesszahl und die Steuerkraftmesszahl nicht nach gleichen Kriterien bestimmt würden. Denn über die fiktiven Hebesätze nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 würden die Einnahmemöglichkeiten der kreisfreien Städte nur zu 73,32 %, die der Kreise aber zu 100 % angerechnet. Der einheitliche Nivellierungssatz sowohl für kreisfreie Städte als auch kreisangehörige Gemeinden trotz sehr unterschiedlicher tatsächlicher Steuerkraft führe im Ergebnis zu einer unterschiedlichen Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmekraft. Damit verstoße der Gesetzgeber gegen das Gleichbehandlungsgebot.

67

Zuletzt zeigten die Zahlen der Vierteljahresstatistik 2015, dass der ländliche Raum benachteiligt werde, indem er von der an sich positiven Entwicklung weniger profitiert habe als der städtische Raum. Die kreisfreien Städte hätten sich bei gleichzeitiger Rückführung der Kassenkredite um 10,6 % nur mit 3 % am Kreditmarkt neu verschulden müssen. Der ländliche Raum habe hingegen 10,8 % an neuen Kreditmarktmitteln bei gleichzeitiger Rückführung der Kassenkredite um 12,4 % benötigt.

B.

68

Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist nur bezogen auf § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 9 Abs. 1 und Abs. 4 FAG 2014 zulässig, im Übrigen unzulässig (I.). Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie, mit Ausnahme des § 9 Abs. 4 FAG 2014, begründet (II.).

I.

69

Die innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 LVerfGG erhobene Verfassungsbeschwerde ist nur zu § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und zu § 9 Abs. 1 und Abs. 4 FAG 2014 und insoweit nur unter dem Gesichtspunkt der gerügten Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgebots zulässig, im Übrigen unzulässig.

70

1. Die Beschwerdeführer sind nur in dem soeben aufgezeigten Umfang beschwerdebefugt. Das Erfordernis der Beschwerdebefugnis folgt aus § 47 LVerfGG. Erforderlich ist hiernach, dass die Beschwerdeführer einen Sachverhalt darlegen (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG), aufgrund dessen eine Verletzung ihrer verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie zumindest möglich erscheint

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 -, LVerfGE 23, 361 ff., Rn. 28 = SchlHA 2012, 431 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 30; Beschluss vom 17. Juni 2016 - LVerfG 3/15 u.a. -, NordÖR 2016, 294 ff. = ZNER 2016, 354 ff. = NVwZ-RR 2016, 801 ff., Juris Rn. 22 m.w.N.; vgl.: BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985
- 2 BvR 1808/82 u.a. -, BVerfGE 71, 25 ff., Juris Rn. 31 ff.).

71

Die Gemeinden und Gemeindeverbände müssen hierfür substantiiert darlegen, durch die angegriffene Regelung in ihren verfassungsmäßig geschützten Rechten (a) unmittelbar (b), selbst (c) und gegenwärtig betroffen zu sein

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 - Rn. 28, a.a.O., Juris Rn. 30; Beschluss vom 17. Juni 2016 - LVerfG 3/15 u.a. -, a.a.O., Juris Rn. 22 m.w.N.).

72

a) Das Landesverfassungsgericht entscheidet nach Art. 51 Abs. 2 Nr. 4 LV, § 3 Nr. 4 LVerfGG in Verbindung mit § 47 LVerfGG über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen der Verletzung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung nach Art. 54 Abs. 1 und 2 LV durch ein Landesgesetz. Eine kommunale Verfassungsbeschwerde kann im Grundsatz aber auch auf eine Verletzung von Art. 57 Abs. 1 LV gestützt werden.

73

Der Wortlaut der insoweit maßgeblichen Art. 51 Abs. 2 Nr. 4 LV, § 3 Nr. 4 LVerfGG spricht zwar zunächst gegen letzteres. Beide Bestimmungen ermöglichen Verfassungsbeschwerden wegen der Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 54 Abs. 1 und 2 LV. Art. 57 LV hingegen ist als beschwerdefähige Rechtsposition nicht aufgeführt.

74

Jedoch können auch Rechtspositionen aus anderen Verfassungsbestimmungen als Art. 54 Abs. 1 und 2 LV Prüfungsmaßstab im Verfahren über die kommunale Verfassungsbeschwerde sein, soweit sie nach ihrem Inhalt geeignet sind, das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen

(Groth, in: Caspar/ Ewer/ Nolte/ Waack, Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, Kommentar, 2006, Art. 49, Rn. 20; vgl. zu Art. 28 Abs. 2 GG: BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04 -, BVerfGE 119, 331 ff., Juris Rn. 125 ff.; sowie jeweils für ihren Verfassungsraum: VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 95 f.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 18. März 2010 - VerfGH 52/08 -, ThürVGRspr 2011, 153 ff., Juris Rn. 27).

75

Dies ist bei den sich aus Art. 57 Abs. 1 LV ergebenden Rechtspositionen der Fall. Sie finden sich systematisch im selben Abschnitt wie Art. 54 LV und dienen nach Inhalt und Begründung ausschließlich dazu, den kommunalen Selbstverwaltungsanspruch zu sichern, zu konkretisieren und mit Leben zu erfüllen. Entgegenstehende Anhaltspunkte ergeben sich des Weiteren nicht aus der Genese der entsprechenden Verfassungsbestimmungen. Insbesondere ist aus den Materialien zur Verfassungsreform vom 2. Dezember 2014 (GVOBl 344) kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass die kommunalen Rechtspositionen des Art. 57 Abs. 1 LV nicht beschwerdefähig sein könnten.

76

b) Das Kriterium der Unmittelbarkeit steht der Beschwerdebefugnis vorliegend nicht entgegen. Im Kontext von Kommunalverfassungsbeschwerden gegen Gesetze kommt dieser Voraussetzung nur dann Bedeutung zu, wenn es zur Umsetzung des angegriffenen Gesetzes einer Verordnung bedarf. Bedarf das Gesetz hingegen – wie hier – der Umsetzung durch Verwaltungsakt, hindert dies die Beschwerdebefugnis nicht

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 -, a.a.O., Juris Rn. 29; vgl. weiter: BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985
- 2 BvR 1808/82 -, BVerfGE 71, 25 ff., Juris Rn. 31; LVerfG Mecklenburg - Vorpommern, Urteil vom 18. Dezember 2003 - LVerfG 13/02 -, NordÖR 2004, 237 ff., Juris Rn. 39; VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, a.a.O., Juris Rn. 110; VerfGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, GVBl Hessen 2013, 535 ff., Juris Rn. 62).

77

Eine hiervon abweichende Rechtsprechung ist nur in den Bundesländern festzustellen, in denen die kommunale Verfassungsbeschwerde – anders als in Schleswig-Holstein – nicht nur auf Rechtsnormen beschränkt, sondern gegen jegliche Rechtsakte eröffnet ist

(vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. Oktober 1995 - VGH N 4/93 -, AS RP-SL 25, 194 ff., Juris Rn 46 ff.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 6. Juni 2002 - VerfGH 14/98 -, NVwZ-RR 2003, 249 ff., Juris Rn. 143 ff.).

78

c) Die Beschwerdeführer haben jedoch zu der weiteren Voraussetzung der Selbstbetroffenheit nicht durchgehend hinreichend substantiiert (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG) vorgetragen. Insoweit ist im Ausgangspunkt zu verlangen, dass es aufgrund des Vortrages der beschwerdeführenden Kommune zumindest möglich erscheint, dass diese durch die jeweils angegriffene Norm selbst in beschwerdefähigen eigenen Rechten beeinträchtigt ist

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 - Rn. 28, a.a.O., Juris Rn. 30; Beschluss vom 17. Juni 2016 - LVerfG 3/15 u.a. -, a.a.O., Juris Rn. 22 f.).

79

Dieses Erfordernis grenzt die Kommunalverfassungsbeschwerde insbesondere zur abstrakten Normenkontrolle ab

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, a.a.O., Juris Rn 101).

80

Die Beschwerdeführer müssen dabei für jede einzelne angegriffene einfachgesetzliche Norm darlegen, wie diese sie konkret und individuell in welchem geltend gemachten Recht betrifft. Es bedarf mithin bezogen auf jede angegriffene Norm einer substantiiert darzulegenden Verbindung zwischen dem abstrakten Norminhalt und der konkreten Beeinträchtigung des eigenen Rechtsstatus

(Beschluss vom 17. Juni 2016 - LVerfG 3/15 u.a. -, a.a.O., Juris Rn. 23 m.w.N.; vgl. weiter: BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01 -, BVerfGK 10, 365 ff., Juris Rn. 16; LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Januar 2015 - LVG 77/10 - Juris Rn. 46).

81

Der Inhalt der geforderten Darlegung individueller Betroffenheit durch die jeweils angegriffenen gesetzlichen Regelungen hängt dabei sehr wesentlich davon ab, auf welche verfassungsrechtlich verbürgten Rechte sich die Beschwerdeführer beziehen. Die Darlegung muss eine Verletzung gerade des geltend gemachten Rechts mit seinem jeweils spezifischen Gewährleistungsgehalt konkret möglich erscheinen lassen. Es macht für die gebotene Darstellung eigener Betroffenheit damit einen Unterschied, ob geltend gemacht wird, dass eine konkrete Bestimmung des angegriffenen Gesetzes gegen den Anspruch auf angemessene beziehungsweise Mindestfinanzausstattung verstößt oder aber gegen das interkommunale Gleichbehandlungsgebot

(vgl. LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011
- LVerfG 10/10 -, NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 43; David, DVBl 2012, 1498).

82

aa) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe haben die Beschwerdeführer hier nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass eine Verletzung ihrer Rechte durch § 3 FAG 2014 jedenfalls möglich erscheint, und zwar weder in Bezug auf Art. 57 Abs. 1 LV noch in Bezug auf Art. 54 Abs. 1 und 2 LV.

83

(1) Art. 57 Abs. 1 LV () und Art. 54 Abs. 1 und 2 LV () enthalten dabei eigenständig nebeneinander bestehende Gewährleistungsgehalte.

84

(a) Art. 57 Abs. 1 LV normiert umfassende Vorgaben für die Ausgestaltung des schleswig-holsteinischen kommunalen Finanzausgleichs. Dabei ist zwischen dessen Aussagegehalt zum vertikalen und zum horizontalen Finanzausgleich zu trennen. Art. 57 Abs. 1 LV normiert in vertikaler Hinsicht einen dynamischen, an die Höhe der allgemeinen Finanzausstattung des Landes gekoppelten kommunalen Anspruch auf angemessene Partizipation der kommunalen Ebene an der naturgemäß schwankenden Finanzausstattung des Landes (). Komplettiert wird dieser Anspruch auf angemessene Finanzausstattung im Hinblick auf die horizontale Verteilung der Finanzausgleichsmasse durch finanzausgleichsspezifische Ausformungen insbesondere des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 57 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 LV, Art. 3
Abs. 1 GG (). Hinzu kommen allgemeine Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten ().

85

(aa) Nach Art. 57 Abs. 1 LV stellt das Land im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Wege des Finanzausgleichs Mittel zur Verfügung, durch die eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen gewährleistet wird. Ziel soll dabei sein, die Leistungsfähigkeit der steuerschwachen Gemeinden und Gemeindeverbände zu sichern und eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben auszugleichen. Hieraus folgt, dass die Kommunen in angemessenem Umfang an den Einnahmen des Landes zu beteiligen sind. Art. 57 Abs. 1 LV nimmt damit das Verhältnis der Finanzausstattung des Landes zur Finanzausstattung der kommunalen Ebene in den Blick und normiert das Gebot der Verteilungssymmetrie zwischen beiden Ebenen. Er konkretisiert damit – als finanzverfassungsrechtliche Kehrseite der staatsorganisatorischen Zugehörigkeit der Kommunen zu den Ländern –

(BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 -, BVerfGE 86, 148 ff., Juris Rn. 272 f.)

die (Letzt-)Verantwortung des Landes für die Finanzausstattung der Kommunen.

86

Für ein derartiges, auf das Gebot der Verteilungssymmetrie fokussiertes, Verständnis spricht schon der Wortlaut mit seiner Gegenüberstellung von Leistungsfähigkeit der kommunalen Ebene einerseits und Leistungsfähigkeit des Landes andererseits. Bereits danach bestehen die Hauptfunktionen des kommunalen Finanzausgleichs darin, die Finanzmittel der Kommunen (vertikal) aufzustocken, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können (fiskalische Funktion), sowie die Finanzkraftunterschiede zwischen den Kommunen (horizontal) auszugleichen (redistributive Funktion). Ausdrücklich bestätigt wird dies durch die Entstehungsgeschichte der aktuellen Fassung des Art. 57 Abs. 1 LV. Den derzeitigen Wortlaut nahm der Schleswig-Holsteinische Landtag in 2. Lesung am 19. Mai 2010 an. Vorangegangen war ein entsprechender Änderungsantrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/ DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW. In diesem wurde zugleich die Begründung neu gefasst. Sie stellt nun ausdrücklich klar,

dass für den kommunalen Finanzausgleich auch der Grundsatz der Verteilungssymmetrie im Sinne einer Verteilungsgerechtigkeit zwischen dem Land sowie den Gemeinden und Gemeindeverbänden gilt (Landtags-Drucksache 17/546, S. 3 f.).

87

Das Gebot der Verteilungssymmetrie fordert eine gerechte und gleichmäßige Verteilung der im Land insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel auf die kommunale Ebene einerseits und die Landesebene andererseits. Dabei ist die Finanzausstattung beider Ebenen gleichermaßen in den Blick zu nehmen, so etwa der Umstand, dass das Land Schleswig-Holstein derzeit unverändert (neben Berlin, Bremen, dem Saarland, Sachsen-Anhalt) jährliche Finanzzuweisungen nach dem Konsolidierungshilfengesetz vom 10. August 2009 (BGBl I S. 2702, 2705) erhält und zu entsprechenden Konsolidierungsleistungen verpflichtet ist (§ 2 Konsolidierungshilfengesetz). Reichen die verfügbaren Mittel nicht aus, ist eine ausgewogene Aufteilung der Mangellage auf Land und Kommunen durch eine beiderseitige Reduzierung der zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben zur Verfügung stehenden Mittel geboten

(vgl. für die Parallelbestimmungen anderer Flächenländer: StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 2/05 -, NdsMBl. 2008, 488 ff., Juris Rn 68; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 49 ff.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, LVerfGE 22, 547 ff., Juris Rn. 82 ff.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, DVBl 2012, 432 ff., Juris Rn. 25; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, GVBl Hessen 2013, 535 ff., Juris Rn. 92 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 53).

88

(bb) Für die horizontale Ebene des kommunalen Finanzausgleichs weist das in Art. 57 Abs. 1 LV enthaltene Gebot, „eine unterschiedliche Belastung“ der Kommunen „mit Ausgaben auszugleichen“, dem Gesetzgeber die Aufgabe der angemessenen Mittelverteilung innerhalb der kommunalen Ebene zu.

89

Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der hier verfahrensgegenständlichen Bestimmungen des horizontalen Finanzausgleichs – ebenfalls – ein weiter Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zukommt. Das Verfassungsgericht hat insbesondere nicht zu prüfen, ob der Normgesetzgeber die „bestmögliche“ oder „gerechteste“ Lösung gewählt hat. In Respektierung der politischen Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers ist auch nicht zu prüfen, ob die Regelung notwendig oder gar unabweisbar ist. Der Gesetzgeber darf innerhalb gewisser Grenzen im Rahmen der Gemeindefinanzierung ihm zweckmäßig Erscheinendes verfolgen

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, NdsVBl 2010, 236 ff., Juris Rn. 63; VerfGH Sachsen, Urteil vom 26. August 2010 - Vf. 129-VIII-09 -, Juris Rn. 110; VerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 - , NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 50 ff.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. Mai 2016 - VGH N 22/15 -, KommJur 2016, 309 ff., Juris Rn. 54; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016
- VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff. Juris Rn. 54).

90

Grenzen des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraumes ergeben sich allerdings aus dem Gebot interkommunaler Gleichbehandlung sowie – eng damit verknüpft – dem Gebot der Systemgerechtigkeit und dem Nivellierungs- beziehungsweise Übernivellierungsverbot. Ob – und gegebenenfalls welche – weiteren Gestaltungsgrenzen sich aus dem Gedanken der Aufgabengerechtigkeit

(Urteil vom 27. Januar 2017 - LVerfG 4/15 -, Rn. 122).

ergeben, kann hingegen wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit für das vorliegende Verfahren dahinstehen.

91

Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot und das Gebot der Systemgerechtigkeit stellen sich auch als direkte Ausprägung des im Rechtsstaatsprinzip verankerten objektiven Willkürverbots in Verbindung mit dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht dar

(vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 -, BVerfGE 83, 363 ff., Juris Rn. 99; BVerwG, Urteil vom 25. März 1998 - 8 C 11.97 -, BVerwGE 106, 280 ff., Juris Rn. 24; VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 96; VerfGH Sachsen, Urteil vom 26. August 2010 - Vf. 129-VIII-09 -, Juris Rn. 111; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 51; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 9/12 -,
NVwZ-RR 2014, 707, Juris Rn. 34; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 2015 - VerfGH 24/12 -, NWVBl 2015, 336 ff., Juris Rn. 39).

92

Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, ob das rechtsstaatliche Willkürverbot und seine vorgenannten Ausprägungen im Kontext der Prüfung von Normen des horizontalen Finanzausgleichs in Art. 57 Abs. 1 LV aufgehen oder einen selbständigen verfassungsrechtlichen Maßstab bilden. Die zu diesen allgemeinen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen entwickelten Maßgaben sind jedenfalls als integrierte Bestandteile des Art. 57 Abs. 1 LV bei der Überprüfung der angegriffenen Regelungen heranzuziehen

(so ausführlich für den dortigen Verfassungsraum: StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, a.a.O., Juris Rn. 83 ff.).

93

Das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung verbietet es dem Gesetzgeber, bei der Finanzmittelverteilung bestimmte Gebietskörperschaften oder Gebietskörperschaftsgruppen sachwidrig zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot steht willkürlichen Ausgestaltungen des Verteilungssystems entgegen. Es ist verletzt, wenn für die getroffene Regelung jeder sachliche Grund fehlt. Nicht verletzt ist es hingegen, wenn sich der Gesetzgeber auf eine nachvollziehbare und vertretbare Einschätzung stützen kann

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, a.a.O., Juris Rn. 83 ff.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, a.a.O., Juris Rn. 51 m.w.N.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, AS RP-SL 41, 29 ff., Juris Rn. 68; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, a.a.O.).

94

Das Gebot der Systemgerechtigkeit erfordert, dass die vom Gesetzgeber gewählten Maßstäbe, nach denen der Finanzausgleich erfolgen soll, nicht in Widerspruch zueinander stehen und nicht ohne einleuchtenden Grund verlassen werden. Zwar obliegt es der Entscheidung des Gesetzgebers, nach welchem System er eine bestimmte Materie ordnen will. Weicht er vom selbst bestimmten System ab, kann das jedoch einen Gleichheitsverstoß indizieren

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, a.a.O., Juris Rn. 87 f.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, a.a.O.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. Mai 2016 - VGH N 22/15 -, KommJur 2016, 309 ff., Juris Rn. 56; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016
- VerfGH 19/13 -, a.a.O., Rn. 56; vgl. zum Gebot der Systemgerechtigkeit außerhalb von Verfahren zum kommunalen Finanzausgleich: BVerfG, Urteil vom 23. Januar 1990 - 1 BvL 44/86 -, BVerfGE 81, 156 ff., Juris Rn. 170; Beschlüsse vom 19. Oktober 1982 - 1 BvL 39/80 -, BVerfGE 61, 138 ff., Juris Rn. 37 und vom 6. November 1984 - 2 BvL 16/83 -, BVerfGE 68, 237 ff., Juris Rn. 41).

95

Das Nivellierungs- beziehungsweise Übernivellierungsverbot besagt, dass der Finanzausgleich vorhandene Finanzkraftunterschiede der Kommunen durch die Gewährung von Landesmitteln mildern, sie aber nicht völlig abbauen soll. Erst recht darf die tatsächliche Finanzkraftreihenfolge der Kommunen durch den Ausgleich nicht umgekehrt werden

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 - Rn. 61 m.w.N., SchlHA 2012, 431 ff. = LVerfGE 23, 361 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 66).

96

(cc) Zuletzt unterliegt der Gesetzgeber einer Beobachtungs- und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht bei seiner Finanzausgleichsgesetzgebung. Erforderlich ist eine Überprüfung der Stimmigkeit des kommunalen Finanzierungssystems in angemessenen Abständen, unter besonderer Berücksichtigung eventueller Veränderungen der Aufgabenzuschnitte, der Aufgabenverteilung zwischen kommunaler Ebene und Landesebene sowie der für die Aufgabenerfüllung anfallenden Kosten. Der Gesetzgeber darf sich vor diesem Hintergrund nicht darauf beschränken, einmal festgesetzte Werte, Größenordnungen und Prozentzahlen in den folgenden Finanzausgleichsgesetzen fortzuschreiben, ohne sich erneut ihrer sachlichen Eignung zu vergewissern

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999
- VfBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff., Juris Rn. 93, StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, GVBl Hessen 2013, 535 ff., Juris Rn. 116 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016
- VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 57).

97

(b) Der Regelungsgehalt des Art. 54 Abs. 1 LV beschränkt sich im Kontext des kommunalen Finanzausgleichs auf eine Betrachtung allein der kommunalen Finanzausstattung und dort auf das Verhältnis der für Pflichtaufgaben und für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben zur Verfügung stehenden Mittel

(für ihren jeweiligen Verfassungsraum mit vergleichbarer Abgrenzung zwischen Anspruch auf angemessene Finanzausstattung im Land-Kommunen-Vergleich einerseits und Mindestanspruch andererseits: VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 116 ff.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 82; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 98 ff.; wohl auch: StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 84 ff., 95; VerfGH Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 -, SächsVBl 2001, 61 ff., Juris Rn. 58, 83; zustimmend: Schmitt, DÖV 2013, 452 <455>; Henneke, DÖV 2013, 825, <834>; Duve/ Neumeister, DÖV 2016, 848 <849>).

98

Durch Art. 54 Abs. 1 LV wird die kommunale Mindestausstattung gewährleistet, mit der die Lebensfähigkeit jedenfalls der kommunalen Ebene als solcher garantiert ist. Den Kommunen müssen gemäß Art. 54 Abs. 1 LV Mittel in einem Umfang zur Verfügung stehen, die es ihnen ermöglichen, neben den Pflichtaufgaben noch ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben zu erledigen

(von Mutius, in: von Mutius/ Wuttke/ Hübner, Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 46 Rn. 11; vgl. zu Art. 28 Abs. 2 GG: BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 -, BVerwGE 145, 378 ff., Juris Rn. 18 ff.; sowie zu den entsprechenden Bestimmungen anderer Bundesländer: StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 86; VerfGH Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 -, SächsVBl 2001, 61 ff., Juris Rn. 82 ff.; VerfGH Saarland, Urteil vom 13. März 2006 - LV 2/05 -, AS RP-SL 34, 1 ff., Juris Rn. 93; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris Rn. 203; StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 02/05 -, NdsVBl 2008, 152 ff., Juris Rn. 54 und 62; VerfGH Thüringen, Urteil vom 18. März 2010 - VerfGH 52/08 -, ThürVGRspr 2011, 153 ff., Juris Rn. 33 f.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. Januar 2012 - LVerfG 33/10 -, Juris Rn. 101).

99

Hintergrund ist, dass das in Art. 54 Abs. 1 und 2 LV verbürgte Selbstverwaltungsrecht die sogenannte Finanzhoheit als ein Kernelement der kommunalen Selbstverwaltung umfasst. Diese garantiert die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 - Rn. 34, SchlHA 2012, 431 ff. = LVerfGE 23, 361 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 36; aus der Literatur statt aller: Tettinger/ Schwarz, in: von Mangoldt/ Klein/ Starck, Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 244 m.w.N.).

100

Die so verstandene, verfassungsmäßig verbürgte kommunale Finanzhoheit bedingt die Gewährleistung einer kommunalen Mindestausstattung. Denn ohne hinreichende finanzielle Ausstattung zur Erledigung nicht nur der pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben verbliebe den Kommunen keine substantielle Hoheit in Bezug auf die Finanzen. Wie das Selbstverwaltungsrecht wäre die Finanzhoheit nicht hinreichend davor geschützt, zu einer letztlich leeren Hülle ohne tatsächlich nennenswerte materielle Befugnisse absinken zu können.

101

(2) Bezogen auf eine Verletzung der Rechte der Beschwerdeführer aus Art. 57 Abs. 1 LV durch § 3 FAG 2014 ist eine Beschwerdebefugnis nicht dargelegt.

102

Im Ausgangspunkt ist bezüglich einer möglichen Verletzung in Rechten aus Art. 57 Abs. 1 LV erforderlich, dass Beschwerdeführer nachvollziehbar darlegen, inwieweit die angegriffene Norm dazu führt, dass der vertikale Finanzausgleich hinter den verfassungsrechtlichen Vorgaben einer „angemessenen Finanzausstattung“ zurückbleibt, mithin also das Symmetriegebot verletzt. Aus dem Vortrag muss sich nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG zumindest die Möglichkeit einer Verletzung des Symmetriegebots ergeben

(so für den dortigen Verfassungsraum: VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 38).

103

Ob darüber hinaus konkreter Vortrag zu den Auswirkungen dieser Verletzung des Symmetriegebots auf den eigenen Haushalt beziehungsweise die eigene Aufgabenerfüllung zu erwarten ist,

(vgl. VerfGH Thüringen, Urteil vom 18. März 2010 - VerfGH 52/08 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - VfGBbg 68/11 -, LKV 2013, 554 ff., Juris Rn. 43 ff.; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. Januar 2015 - LVG 77/10 - Juris Rn. 44 ff.),

oder nicht

(vgl. VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007
- Vf. 15-VII-05 -, a.a.O., Juris Rn. 168; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 38),

kann jedenfalls an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Denn vorliegend ist bereits die erste der oben genannten Voraussetzungen nicht gewahrt.

104

Durch die Beschwerdeschrift wird schon nicht hinreichend nachvollziehbar eine Verletzung des Symmetriegebots auf der generellen, abstrakten Ebene (Höhe der Finanzausgleichsmittel insgesamt) aufgezeigt. Zwar beziehen sich die Beschwerdeführer auch auf das Symmetriegebot des Art. 57 Abs. 1 LV. In der Sache tragen sie jedoch durchgängig nur zu der Behauptung vor, sie seien in ihrem Anspruch auf Mindestausstattung verletzt, könnten also das ihnen zustehende Minimum an Selbstverwaltungsaufgaben nicht mehr erfüllen. Es finden sich ausschließlich Ausführungen zur angeblich fehlenden Möglichkeit, noch freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen zu können. Irgendwie geartete Symmetriebetrachtungen werden nicht angestellt. Die Beschwerdeführer leisten weder eine vergleichende Betrachtung der Finanzkräfte von Land und Kommunen noch der jeweiligen Aufgabenbelastung oder des entstehenden Finanzierungssaldos. Die erforderlichen symmetriebezogenen Aussagen werden auch nicht dadurch obsolet, dass der Gesetzesbegründung selbst keine umfassende Symmetriebetrachtung zu entnehmen ist, an die der Vortrag der Beschwerdeführer anknüpfen könnte. Den Beschwerdeführern steht eine Reihe von öffentlich zugänglichen Dokumenten zur Verfügung, anhand derer eigene symmetriebezogene Aussagen getätigt werden könnten. Wie umfassend und ins Detail gehend der Vortrag hierzu im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit sein muss, kann aus den Gründen vollständig fehlender Darlegungen dahinstehen. Nichts anderes folgt im Übrigen aus dem Umstand, dass bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts zu Art. 57 Abs. 1 LV ergangen ist. Die Beschwerdeführer haben selbst ausdrücklich das Symmetriegebot als im Rahmen des Art. 57 Abs. 1 LV relevant identifiziert, so dass auch in einem ersten Verfahren zu Art. 57 Abs. 1 LV zumindest grundlegender Vortrag hierzu erwartet werden kann.

105

(3) Auch eine Verletzung des Art. 54 Abs. 1 und 2 LV und der darin gewährleisteten Mindestausstattung durch § 3 FAG 2014 haben die Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert geltend gemacht.

106

(a) Im Hinblick auf die Anforderungen an die Substantiierungspflicht gelten dabei die zu Art. 57 Abs. 1 LV entwickelten Ansätze nicht unmittelbar entsprechend, da sich die Norminhalte von Art. 54 Abs. 1 und 2 LV und Art. 57 Abs. 1 LV grundlegend unterscheiden (siehe oben (1), Rn. 83).

107

Für die Darlegung der Beschwerdebefugnis von Kommunen bezüglich einer Verletzung des Anspruchs auf finanzielle Mindestausstattung aus Art. 54 Abs. 1 und 2 LV gilt ein strenger Maßstab. Notwendig ist die Darlegung jeder beschwerdeführenden Kommune, dass sie selbst infolge verfassungswidriger Ausgestaltung des Finanzausgleichs über keine hinreichende Mindestfinanzausstattung (mehr) verfügt, mithin in ihrer Fähigkeit zur Erledigung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsangelegenheiten beeinträchtigt ist. Hierfür muss sie ihre konkrete Haushaltslage aufzeigen und einschlägige Einschränkungen des Selbstverwaltungsrechts erläutern. Die beschwerdeführende Kommune muss konkret darlegen, dass sie infolge der Minderung ihrer eigenen Einnahmen oder Kürzung der Zuweisungen die ihr obliegenden Aufgaben nicht im erforderlichen Mindestmaß erfüllen kann. Insofern genügt nicht die Darlegung verminderter Mittelzuflüsse. Es muss ein faktischer Kompetenzentzug im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben nach dem Sachvortrag zumindest möglich erscheinen

(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01 -, BVerfGK 10, 365 ff., Juris Rn. 21 zu einer den schleswig-holsteinischen Kommunalfinanzausgleich betreffenden Kommunalverfassungsbeschwerde; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985 - 2 BvR 1808/82 -, BVerfGE 71, 25 ff., Juris Rn. 36; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - VfGBbg 68/11 -, LKV 2013, 554 ff., Juris Rn. 44; VerfGH Thüringen, Beschluss vom 18. Juni 2014 - VerfGH 22/13 -, Juris Rn. 71; LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Januar 2015 - LVG 77/10 -, Juris Rn. 45; Leisner-Egensperger, DÖV 2010, 705 <707>).

108

Erforderlich ist entsprechend eine Darlegung des Gesamtumfangs von Einnahmen und Ausgaben (etwa durch Vorlage des Haushaltsplanes oder – sollte dies wegen der Jahresfrist in § 47 Abs. 2 LVerfGG nicht möglich sein – jedenfalls der Vorberichte)

(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01 -, a.a.O., Juris Rn. 23; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013, - VfBbg 68/11 -, a.a.O., Juris Rn. 44 f.; VerfGH Thüringen, Beschluss vom 18. Juni 2014, - VerfGH 22/13 -, a.a.O., Juris Rn. 70 ff.; LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Januar 2015 - LVG 77/10 -, a.a.O., Juris Rn. 48).

109

In einem weiteren Schritt wird es regelmäßig der Darlegung der Auswirkungen der angegriffenen Norm auf die Fähigkeit zur Erledigung von freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben im Einzelnen bedürfen

(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01-, a.a.O., Juris Rn. 25; VerfGH Thüringen, Beschluss vom 18. Juni 2014, - VerfGH 22/13 -, a.a.O., Juris Rn. 70 ff.).

110

Dies setzt regelmäßig nachvollziehbaren Vortrag voraus, inwieweit die Erfüllung der pflichtigen Aufgaben noch gesichert ist und in welchem Umfang Finanzmittel für freiwillige Aufgaben erforderlich sind sowie in welcher Weise sich die Kommune insoweit durch die jeweilige Finanzausstattung beengt sieht

(vgl. VerfGH Thüringen, 18. Januar 2014 - VerfGH 22/13 -, a.a.O., Juris Rn. 70 ff.; LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Januar 2015, - LVG 77/10 -, a.a.O., Juris Rn. 46 ff.).

111

Welche weiteren Anforderungen zu stellen sind, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Erforderlich kann etwa eine Darlegung zur Prüfung der Erschließung neuer Einnahmemöglichkeiten (etwa im Gebührenhaushalt) beziehungsweise von Einsparpotentialen oder zu eventuellen Mehreinnahmen aufgrund des angegriffenen Gesetzes sein

(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01-, a.a.O., Juris Rn. 23 ff.; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013, - VfBbg 68/11 -, a.a.O., Juris Rn. 44 f.).

112

Dabei ist zwischen Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und – wie hier – von Kreisen zu differenzieren. Insbesondere Kreise können sich nicht auf die Darstellung der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben beschränken, sondern müssen umfassend zu den pflichtigen Aufgaben vortragen. Denn anders als bei den Gemeinden sind Kreise nur dahingehend geschützt, dass überhaupt ein Mindestbestand an kreiskommunalen Aufgaben des eigenen Wirkungskreises verbleibt; sie sind anders als die Gemeinden nicht allzuständig im örtlichen Wirkungskreis

(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007- 2 BvR 2215/01 -, a.a.O., Juris Rn. 25 ff.).

113

Mit diesen Vorgaben setzt sich das Gericht im Übrigen nicht in Widerspruch zu den Landesverfassungsgerichten, die die Beschwerdebefugnis bereits dann für gegeben halten, wenn abstrakt Ausstattungs- und Verteilungsmängel substantiiert dargelegt werden. Denn hierbei handelt es sich um die Landesverfassungsgerichte, die ihren jeweiligen Landesverfassungen keine im Verhältnis zum Symmetriegebot eigenständige Gewährleistung der Mindestausstattung entnehmen

(vgl. insbesondere VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 40).

114

Es erschiene in der Tat widersprüchlich, unter dieser Prämisse im Rahmen der Zulässigkeit von Beschwerdeführern zu verlangen, eine konkrete Unterschreitung einer Mindestausstattung darzustellen. Eine vergleichbare Sachlage liegt für den schleswig-holsteinischen Verfassungsraum jedoch nicht vor.

115

Gegen die obigen Ausführungen spricht zuletzt nicht die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 LVerfGG. Dabei kann dahinstehen, ob die vorgenannte Frist im Zusammenspiel mit den Anforderungen an die Darlegungslast dazu führen kann, dass gegen Änderungen des Finanzausgleichsgesetzes, welche in Zeiten einer gut dotierten Finanzausgleichsmasse vorgenommen werden, faktisch kein Rechtsschutz nach §§ 47 f. LVerfGG bestehen könnte. Denn in keinem Fall stünde es dem Landesverfassungsgericht zu, allein wegen der Existenz der gesetzlich normierten Jahresfrist des § 47 Abs. 2 LVerfGG die ebenfalls gesetzlich normierten Anforderungen zur Beschwerdebefugnis und deren Darlegung wertungsmäßig zu korrigieren und hierdurch im praktischen Ergebnis die Unterscheidung zwischen abstrakter Normenkontrolle und kommunaler Verfassungsbeschwerde zu nivellieren. Zudem unterfällt das Finanzausgleichsgesetz naturgemäß regelmäßigen Änderungen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 FAG 2014), so dass auch insoweit die Gefahr einer Rechtsschutzlücke gering erscheint.

116

(b) Gemessen daran reicht der vorliegende Vortrag der Beschwerdeführer zur Begründung der Beschwerdebefugnis bezogen auf Art. 54 Abs. 1 und 2 LV nicht aus. Es fehlen tragfähige Ausführungen zu der Frage, um welchen konkreten Betrag sich ihre Haushaltslage in Folge der angegriffenen Reform verändert hat () und inwieweit sie hierdurch konkret in der Erfüllung welcher freiwilligen beziehungsweise pflichtigen Aufgaben beeinträchtigt werden (). Dies gilt auch im Hinblick auf den Umstand, dass es sich vorliegend um eine Erstentscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts über den schleswig-holsteinischen kommunalen Finanzausgleich handelt ().

117

(aa) Für keinen der Beschwerdeführer ist hinreichend dargelegt, dass sich die jeweilige Haushaltslage gerade in Folge der angegriffenen Gesetzesreform nachteilig verändert hat. Vielmehr sind die Schlüsselzuweisungen nach Inkrafttreten der Reform im Jahr 2015 in absoluten Beträgen höher ausgefallen als im Vorjahr.

118

Für Nordfriesland wird zwar eine sich erheblich verschlechternde Haushaltslage für 2015 vorgetragen (strukturelles Ergebnis 2014: - 1.424; strukturelles Ergebnis 2015: - 5.093). Aus den Haushaltsdaten im Einzelnen (Anlage 10 A) folgt jedoch, dass dies nicht Folge einer reformbedingt reduzierten Schlüsselzuweisung ist. Im Gegenteil ist die Schlüsselzuweisung von 22.213.000 Euro im Jahr 2014 auf 25.471.000 Euro im Jahr 2015 angestiegen. Ursache des verschlechterten strukturellen Ergebnisses sind ansteigende Ausgaben im Jahr 2015 (264.433.000 Euro im Jahr 2014; 273.925.000 Euro im Jahr 2015 = + 3,58 %). Bei dieser Sachlage steigender Einnahmen und noch stärker steigender Ausgaben wäre es in besonderem Maße angezeigt gewesen, darzustellen, ob tatsächlich alle verfügbaren Einsparpotentiale ausgeschöpft worden sind. Hierzu fehlt schlüssiger Vortrag. Soweit diesbezüglich auf steigende Kosten im Bereich Soziales und Jugend verwiesen wird, genügt dies jedenfalls in der vorliegenden Form nicht. Nach der vom Beschwerdeführer zu 1. vorgelegten Übersicht beträgt der Anstieg in diesem Bereich von 2014 auf 2015 rund 6.700.000 Euro und erklärt damit die vorliegende Ausgabensteigerung nur zum Teil. Zudem ergeben sich aus den für alle Beschwerdeführer vorgetragenen, sehr heterogenen Daten zu diesem Kostenbereich weitere Fragestellungen in Bezug auf Erforderlichkeit und Einsparpotentiale. Jedenfalls sind die Schwankungen in den Kostensteigerungen in diesem Bereich zwischen 8,4 % (Ostholstein) und 24 % (Nordfriesland) nicht selbsterklärend und werden nicht weiter erläutert.

119

Gleiches gilt für Ostholstein. Hier ist ein Anstieg der Schlüsselzuweisung für 2015 zu verzeichnen (36.065.000 Euro im Jahr 2014; 40.413.000 Euro im Jahr 2015). Dieser Anstieg wird allerdings durch überproportionale Steigerungen der Ausgaben überdeckt (236.388.000 Euro im Jahr 2014; 254.946.00 Euro in 2015 = + 7,85 %). Weshalb dennoch eine durch die Reform des Finanzausgleichsgesetzes bedingte konkrete eigene Gefährdung der kommunalen Aufgabenerfüllung vorliegen soll, wird ebenso wenig hinreichend dargelegt. Auch hier vermag der Verweis auf steigende Kosten im Bereich Soziales und Jugend jedenfalls nicht ohne weiteres zu genügen. Nach der vom Beschwerdeführer zu 2. vorgelegten Übersicht beträgt der Anstieg in diesem Bereich von 2014 auf 2015 rund 6.900.000 Euro und erklärt damit die vorgetragene Ausgabensteigerung nur zum Teil.

120

Dasselbe gilt für den Kreis Schleswig-Flensburg. Hier ergibt sich ein Anstieg der Schlüsselzuweisung für 2015 (38.647.000 Euro im Jahr 2014; 43.773.000 Euro in 2015) bei gleichzeitigem weitergehenden Anstieg der Ausgaben (305.983.000 Euro im Jahr 2014 zu 322.175.000 Euro im Jahr 2015 = + 5,29 %). Weshalb dennoch eine durch die Reform des Finanzausgleichsgesetzes bedingte konkrete Gefährdung der kommunalen Aufgabenerfüllung vorliegen soll, wird ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Hier vermag der Verweis auf steigende Kosten im Bereich Soziales und Jugend ebenfalls nicht ohne weiteres zu genügen. Nach der vom Beschwerdeführer zu 3. vorgelegten Übersicht beträgt der Anstieg in diesem Bereich von 2014 auf 2015 rund 9.000.000 Euro und erklärt damit die vorgetragene Ausgabensteigerung ebenfalls nur zum Teil.

121

(bb) Des Weiteren hat keiner der Beschwerdeführer hinreichend substantiiert dargelegt, inwieweit er durch die vorgetragenen Verschlechterungen in der angemessenen Erfüllung welcher konkreten pflichtigen und freiwilligen Aufgaben gefährdet sein soll. Erforderlich ist hierzu, dass der jeweilige Beschwerdeführer darlegt, reformbedingt nunmehr erstmals in der konkreten Aufgabenerfüllung
– näher benannter Aufgaben – konkret eingeschränkt zu sein. Alternativ könnte er darlegen, dass seine Fähigkeit zur Aufgabenerfüllung – im Einzelnen bezeichneter Aufgaben – bereits in der Vergangenheit gravierend eingeschränkt war und diese Einschränkung durch die Mehreinnahmen in keinem Fall behoben wurde. Zu beidem fehlt vorliegend für alle Beschwerdeführer nachvollziehbarer Vortrag. Die bloße Behauptung, die Aufwendungen für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben seien bereits seit längerem jeweils unter fünf Prozent der Ausgaben des Verwaltungshaushalts gesunken, eignet sich alleine nicht. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 – 2 BvR 2215/01 – (BVerfGK 10, 365 ff., Juris Rn. 25) überzeugend ausgeführt:

Aber auch der vom Beschwerdeführer verwendete Anteil der Aufwendungen für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben an den bereinigten Ausgaben des Verwaltungshaushalts eignet sich nicht, um einen Spielraum bei der Aufgabenerledigung oder dessen Fehlen zu kennzeichnen. Träfe es zu, dass ein gewisser Anteil - nach Auffassung des Beschwerdeführers: fünf Prozent - der Ausgaben des Verwaltungshaushalts für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben zur Verfügung stehen muss, um eine finanzielle Mindestausstattung der Kommune annehmen zu können, dann würde sie durch rigorose Ausgabenkürzungen - etwa bei den Personal- und Betriebskosten und den zu diesen Aufwendungen geleisteten Zuschüssen an Dritte - ihren garantierten Spielraum für die Erledigung freiwilliger Aufgaben einengen statt erweitern. Mit der Senkung der Ausgaben des Verwaltungshaushaltes sinkt nämlich auch der nach einem bestimmten Anteil berechnete Betrag, den der Beschwerdeführer als für die Erledigung freiwilliger Aufgaben garantiert ansehen möchte .

122

(cc) Zuletzt kann dahinstehen, ob die beschriebenen Anforderungen zumindest für die hier vorliegende Erstentscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts über den kommunalen Finanzausgleich zugunsten der Beschwerdeführer abgeschwächt werden können. Hierfür könnte sprechen, dass für die Beschwerdeführer in Ermangelung vorausgegangener Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts schwer einzuschätzen ist, zu welchen Gesichtspunkten substantiiert vorzutragen ist

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999
- VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff., Juris Rn. 77).

123

Im Ergebnis greift dies aber jedenfalls bezogen auf Art. 54 Abs. 1 und 2 LV nicht durch. Dass die Geltendmachung einer fehlenden Mindestausstattung im Rahmen der Beschwerdebefugnis regelmäßig gewissen Mindestanforderungen an den Vortrag unterliegt, ist gängige Rechtsprechung der Mehrheit der Landesverfassungsgerichte und Gegenstand aktueller Analysen in der Rechtswissenschaft

(vgl. etwa Henneke, Die Kommunen in der Finanzverfassung des Bundes und der Länder, 2012, S. 446 ff.; Leisner-Egensperger, DÖV, 2010, 705 ff.).

124

Insbesondere für einen aus Schleswig-Holstein stammenden Antrag lag zudem einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor

(BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01 -, a.a.O., Juris Rn. 21 ff.).

125

Grundlegende Ausführungen zu den angesprochenen Fragen durften daher erwartet werden. Dies gilt umso mehr, als dass die Beschwerdebefugnis hier nicht an hochgradig ausdifferenzierten Maßstäben scheitert.

126

bb) Bezogen auf § 4 FAG 2014 ist hinsichtlich Art. 57 Abs. 1 LV zur konkreten Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten nicht hinreichend vorgetragen (<1>). Gleiches gilt für Art. 54 Abs. 1 und 2 LV (<2>).

127

(1) Unter dem Gesichtspunkt der Beschwerdebefugnis und der hierauf bezogenen Substantiierungspflicht (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG) ist von den Beschwerdeführern für die horizontale Dimension des Art. 57 Abs. 1 LV zu verlangen, dass in einem ersten Schritt hinreichend nachvollziehbar zumindest die Möglichkeit einer Verletzung der Grenzen des gesetzgeberischen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraumes aufgezeigt wird. Des Weiteren bedarf es konkreten Vortrages, inwieweit sich diese jeweils dargelegte Verletzung auf den eigenen Haushalt beziehungsweise auf die eigene Aufgabenerfüllung auswirkt; eine konkrete Auswirkung muss aufgrund des Vortrages zumindest möglich erscheinen. Letzteres ergibt sich erneut aus dem Grundsatz, dass die vorliegenden Verfahren der kommunalen Verfassungsbeschwerde nicht den Regeln der abstrakten Normenkontrolle unterliegen. Hieraus folgt, dass es stets der Rückkopplung möglicher abstrakter Verfassungsverstöße an eine konkrete und eigene Betroffenheit bedarf

(vgl. VerfGH Thüringen, Urteil vom 18. März 2010 - VerfGH 52/08 -, ThürVGRspr 2011, 153 ff., Juris Rn. 41 f.; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - VfGBbg 68/11 -, LKV 2013, 554 ff., Juris Rn. 44 ff.; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. Januar 2015
- LVG 77/10 -, Juris Rn. 44 ff.).

128

Diesen Maßstäben wird der Vortrag der Beschwerdeführer in Bezug auf § 4 FAG 2014 nicht gerecht. Dabei kann offen gelassen werden, ob durch die Beschwerdeführer mit Blick auf § 4 FAG 2014 überhaupt hinreichend deutlich Art. 57 Abs. 1 LV in seinen horizontalen Ausprägungen als verletzt gerügt wurde. Denn selbst wenn man annimmt, dass entgegen der expliziten Benennung nur des Anspruches auf „Mindestfinanzausstattung“ als Prüfungsmaßstab (wohl) auch eine Verletzung insbesondere des interkommunalen Gleichbehandlungsgebotes und des Gebotes der Systemgerechtigkeit geltend gemacht worden sein könnte, ist die Möglichkeit einer derartigen Verletzung jedenfalls nicht den Anforderungen des § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG entsprechend dargelegt.

129

Soweit die Beschwerdeführer rügen, bei der Bemessung der Größe der Teilschlüsselmassen sei es zu einer Benachteiligung der Kreisebene insofern gekommen, als dass der künftige Wegfall der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung einseitig zu ihren Lasten berücksichtigt worden sei, ebenfalls absehbare Kostensteigerungen (beispielsweise durch Tarifabschlüsse) hingegen ausgeklammert worden seien, wird daraus nicht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ersichtlich. Die Darlegungen der Beschwerdeführer reichen insoweit nicht aus, um einen Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit als hinreichend möglich erscheinen zu lassen. Der Vortrag allein, bereits die Nichtberücksichtigung der Kosten der Grundsicherung an sich stelle einen „willkürlichen“ Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit dar, vermag keine hinreichende Möglichkeit einer Verletzung dieses Gebotes zu begründen. Denn für die erfolgte Nichtberücksichtigung an sich gibt es im Hinblick auf den feststehenden Wegfall dieser Kostenposition einen unmittelbar nachvollziehbaren und im Gesetzgebungsverfahren dargelegten, jedenfalls vertretbaren Grund. Der Gesetzgeber ist nicht gezwungen, bei der Verteilungsentscheidung Kostenpositionen zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Gesetzes nicht mehr existieren. Möglich erschiene ein Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit vor diesem Hintergrund allenfalls, wenn der Gesetzgeber nur bei den Kosten der Grundsicherung derart vorgegangen wäre, bei anderen und vergleichbaren künftigen Entwicklungen dies hingegen zulasten der Beschwerdeführer unterlassen hätte. Hierzu fehlt es jedoch an Vortrag, der ein derartiges Vorgehen zumindest als möglich erscheinen lassen könnte. Soweit die Beschwerdeführer beispielhaft auf die Nichtberücksichtigung der Tarifabschlüsse der vergangenen Jahre verweisen, genügt dies nicht. Denn es ist weder dargelegt noch selbsterklärend, dass die Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung von Tarifabschlüssen irgendeine signifikante Auswirkung auf das prozentuale Verhältnis der Teilschlüsselmassen des § 4 FAG 2014 zueinander haben könnte. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass die Träger der Kreisaufgaben insoweit unter einer stärkeren Kostenentwicklung zu leiden hätten als die Träger der gemeindlichen Aufgaben. Nur in diesem Fall wäre aber ein Einfluss auf die Teilschlüsselmassenbildung nach § 4 FAG 2014 überhaupt denkbar. Zudem fehlt es insoweit auch an individualisierbarem Vortrag zur Relevanz dieser angeblichen Ungleichbehandlung für die Beschwerdeführer selbst. Dass gerade die Beschwerdeführer stärker als andere Aufgabenträger unter entsprechenden Kostenentwicklungen leiden und daher vom gesetzgeberischen Vorgehen individuell betroffen sind, ist nicht vorgetragen und nicht selbsterklärend.

130

Soweit die Beschwerdeführer rügen, der Anteil der Teilschlüsselmasse für zentrale Orte nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FAG 2014 sei zulasten der anderen Teilschlüsselmassen zu hoch angesetzt, vermag dies ebenfalls nicht die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 57 Abs. 1 LV in seiner horizontalen Dimension zu begründen. Die Beschwerdeführer vergleichen hierzu die gutachterlich ermittelten Zuschussbedarfe für zentralörtliche Aufgaben (Tabelle
4-2 des Gutachtens des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus 2013) mit der Schätzung des Gesetzgebers der für das Jahr 2015 konkret zur Verfügung stehenden Teilschlüsselmasse für zentralörtliche Aufgaben und stellen eine angebliche Überdotierung der zentralörtlichen Aufgaben in 2015 fest. Dieser Vergleich ist schon in sich nicht schlüssig, da auf der einen Seite mit den Zahlen aus Tabelle 4-2 des Gutachtens des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung Zuschussbedarfe in Euro je Einwohner (90,32 beziehungsweise 55,83 Euro/ Einwohner – und nicht, wie die Beschwerdeführer irrtümlich meinen, Zuschussbedarfe in Millionen Euro) mit einer absoluten Zahl aus der Schätzung für 2015 (202,70 Millionen Euro) auf der anderen Seite verglichen werden, was methodisch unzulässig ist. Hinzu kommt, dass der Vergleich aber auch dann keine Möglichkeit einer Rechtverletzung aufzeigen könnte, wenn er sich durchgängig auf absolute und damit überhaupt vergleichbare Zahlenwerte stützte und zudem diese Zahlen zeigten, dass die Schlüsselmasse im Jahr 2015 mit mehr Mitteln dotiert war als im Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung zugrunde gelegt. Denn dass die Teilschlüsselmasse in Zeiten höheren Steueraufkommens besser dotiert ist als in den vorherigen Zeiträumen, welche dem zitierten Gutachten zugrunde liegen (2009 bis 2011), ist logische Folge der prozentualen Anbindung der Teilschlüsselmassen an die Finanzausgleichsmasse insgesamt. Plausible Rückschlüsse auf eine willkürlich oder systemfremd zu hohe Dotierung der Teilschlüsselmasse ergeben sich hieraus nicht. Mit gleicher Argumentation ließe sich eine „Überfinanzierung“ der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben begründen – denn auch diese Teilschlüsselmasse beruht in ihrem prozentualen Gewicht im vorgenannten Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung auf ermittelten durchschnittlichen Zuschussbedarfen in Höhe von 426 Millionen Euro (vgl. Tabelle 5-4), während laut der von den Beschwerdeführern genannten Schätzung für 2015 erheblich mehr, nämlich 642,50 Millionen Euro eingeplant werden können.

131

Zu keiner anderen Bewertung führt der Vortrag zur angeblich unzulässigen Berücksichtigung der Zinslasten zugunsten der kreisfreien Städte und zulasten der Kreisebene. Diesbezüglich fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Darlegung, inwieweit gerade die Beschwerdeführer von diesem angeblichen Erhebungsfehler individuell betroffen sind. Konkrete Ausführungen zur Zinsbelastung der Beschwerdeführer finden sich ebenso wenig wie ansatzweise Vergleiche zur Zinsbelastung der Beschwerdeführer im Vergleich etwa zum Landesschnitt oder zur Ebene der kreisfreien Städte.

132

Zuletzt lassen sich auch außerhalb der vorgenannten spezifischen Ausführungen der Beschwerdeführer zu § 4 FAG 2014 keine weiteren Darlegungen finden, aus denen sich den dargestellten Anforderungen entsprechend die Möglichkeit einer Verletzung des Art. 57 Abs. 1 LV in seiner horizontalen Dimension durch § 4 FAG 2014 ergeben könnte. Deshalb kann offengelassen werden, ob es überhaupt Sache des Landesverfassungsgerichts sein kann, außerhalb des eigentlichen Vortrages zu § 4 FAG 2014 möglicherweise einschlägige weitere Argumentationsstränge aus dem übrigen Vortrag der Beschwerdeführer zusammenzutragen.

133

Soweit die Beschwerdeführer rügen, es habe durchgehend (und damit wohl auch für § 4 FAG 2014) an einer Erhebung der tatsächlich notwendigen Ausgaben statt der bloßen Bezugnahme auf „Ist-Ausgaben“ gefehlt, sind die Anforderungen ebenfalls nicht gewahrt. Denn jedenfalls fehlt es an Ausführungen, inwieweit gerade die Beschwerdeführer konkret und individuell durch das gerügte Abstellen auf Ist-Ausgaben statt auf „notwendige“ Ausgaben sachwidrig benachteiligt werden. Irgendwelche konkreten Divergenzen zwischen notwendigen und Ist-Ausgaben aus dem eigenen Ausgabenverhalten, zumal zulasten der Beschwerdeführer, werden nicht ansatzweise dargelegt.

134

Kein hinreichender Vortrag liegt weiter in der Behauptung, die dem Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung zugrunde gelegten Zahlenwerke seien wegen der Umstellung von der Kameralistik auf die Doppik untauglich. Selbst wenn derartige Umstellungsprobleme bestanden haben sollten, ist hiermit alleine nicht die hinreichende Möglichkeit einer Rechtsverletzung dargelegt. Denn in jedem Fall stand der Gesetzgeber vor der Aufgabe, einen verfassungsgemäßen Kommunalfinanzausgleich unter Verwendung der verfügbaren Datengrundlagen sicherzustellen. Dass der Gesetzgeber mit den vorhandenen – wenn auch möglicherweise nicht optimalen – Zahlenwerken arbeiten musste, legt insoweit einen rechtserheblichen Verfahrensfehler nicht nahe. Ein Verstoß gegen die sich aus Art. 57 Abs. 1 LV ergebenden Grundsätze wäre vor diesem Hintergrund nur möglich, wenn der Gesetzgeber im konkreten Umgang mit diesem gegebenenfalls bestehenden Problem möglicherweise gerade die Beschwerdeführer oder die Kreisebene als solche benachteiligte. Derartiges ist aber nicht nachvollziehbar dargelegt.

135

Nicht durchzugreifen vermögen schließlich die abstrakten Ausführungen der Beschwerdeführer zur angeblich fehlerhaften Abgrenzung der Gemeinde- und Kreisaufgaben bei den kreisfreien Städten. Jedenfalls fehlt es – erneut in Abgrenzung zur abstrakten Normenkontrolle – an Vortrag zur Relevanz der gerügten Erhebungsfehler für die Beschwerdeführer. Insbesondere ist nicht dargelegt, ob der angebliche Verstoß eine Mittelverschiebung zulasten der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben – und damit zumindest mittelbar nachteilig für die Beschwerdeführer – bewirkt haben soll. Vielmehr ergibt sich aus den „Schlüssigkeitserwägungen“ der Beschwerdeführer selbst, dass durch die angeblichen Erhebungsfehler sogar eine Überdotierung der Teilmasse für Kreisaufgaben erfolgt sein könnte, die sich nach den dortigen Erwägungen dann zugunsten der Beschwerdeführer auswirken würde. Denn wenn – wie von den Beschwerdeführern dargelegt – die Kreisaufgaben bei den kreisfreien Städten um den Faktor 1,8 überbewertet worden sein sollten, so würde sich dies zugunsten der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben und damit zugunsten der Beschwerdeführer auswirken.

136

(2) Soweit eine Verletzung des Anspruchs auf Mindestausstattung aus Art. 54 Abs. 1 und 2 LV durch § 4 FAG 2014 geltend gemacht wird, greift dies nicht durch. Es fehlt insoweit an substantiiertem Vortrag der Beschwerdeführer. Auf die obigen Ausführungen zur Selbstbetroffenheit durch die Bestimmung des § 3 FAG 2014 wird Bezug genommen (siehe oben aa) (3), Rn. 105 ff.).

137

cc) Zu bejahen ist hingegen die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführer hinsichtlich § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014. Die Beschwerdeführer legen den Anforderungen entsprechend hinreichend substantiiert dar, dass für den ländlichen und den städtischen Raum trotz struktureller Unvergleichlichkeit einheitliche Hebesätze gebildet werden, und beanstanden nachvollziehbar, dass bei der Bildung dieser einheitlichen Hebesätze die Daten der kreisfreien Städte zulasten der Kreise ausgeblendet würden. Für jeden Beschwerdeführer wird dabei konkret nachvollziehbar dargelegt, welche Abweichungen sich für die Beschwerdeführer bei der von ihnen begehrten Berechnung ergäben. Auf die auf Seite 94 der Beschwerdeschrift enthaltene Tabelle sowie auf Anlage 6 C des Beschwerdeschriftsatzes wird verwiesen. Sie rügen dabei ausdrücklich eine Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgebotes.

138

dd) Hinsichtlich § 9 Abs. 1 und 4 FAG 2014 kann sinngemäß auf die Ausführungen zu § 7 FAG 2014 verwiesen werden. Die Beschwerdeführer beanstanden im Hinblick auf § 9 Abs. 1 FAG hinreichend nachvollziehbar das Fehlen eines Flächenparameters sowie im Hinblick auf § 9 Abs. 1 und 4 FAG 2014 die Einstellung der Soziallastenmesszahl zu ihren Lasten im Rahmen der Berechnung der Höhe der Schlüsselzuweisungen für Kreise und kreisfreie Städte. Für jeden Beschwerdeführer wird konkret nachvollziehbar dargelegt, welche Abweichungen sich für ihn bei der begehrten Berechnung ergäben. Auf die auf Seite 83 der Beschwerdeschrift enthaltene Tabelle sowie auf Anlage 5 hierzu wird verwiesen. Im Rahmen ihrer Ausführungen zu § 9 FAG 2014 beziehen sich die Beschwerdeführer insoweit ausdrücklich auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes. Vortrag, der gegen § 9 Abs. 2 und 3 FAG 2014 gerichtet wäre, liegt hingegen nicht vor.

139

ee) Bezogen auf § 10 FAG 2014 ist weder für Art. 57 Abs. 1 LV (<1>) noch für Art. 54 Abs. 1 und 2 LV die konkrete Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten hinreichend vorgetragen (<2>).

140

(1) Zwar ist eine Verletzung von Art. 57 Abs. 1 LV in seiner horizontalen Dimension durch § 10 FAG 2014 nicht von vornherein ausgeschlossen. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass dieser Einwand bezogen auf § 10 FAG 2014 überhaupt erhoben worden ist. Die Ausführungen der Beschwerdeführer beziehen sich durchgehend lediglich auf die Höhe der Teilschlüsselmasse für zentralörtliche Aufgaben insgesamt. Diese Frage ist in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FAG 2014 verortet und betrifft nur diese Bestimmung. In § 10 FAG 2014 ist hingegen die Binnenverteilung innerhalb der als zentralörtlich eingestuften Gemeinden geregelt. Vortrag, der einen Verstoß dieser Bestimmung gegen Art. 57 Abs. 1 LV zum Gegenstand hat, liegt nicht vor.

141

(2) Hinsichtlich Art. 54 Abs.1 und 2 LV ist auf die obigen Ausführungen zu § 3 FAG zu verweisen (siehe oben aa) (3), Rn. 105 ff.).

142

2. Soweit die kommunale Verfassungsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Beschwerdebefugnis zulässig ist, steht ihr nicht der, im schleswig-holsteinischen Verfassungsprozessrecht ohnehin allenfalls eingeschränkt geltende

(Urteil vom 3. September 2012 - 1/12 -, Rn. 29, LVerfGE 23, 361 ff. = SchlHA 2012, 431 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 31; Beschluss vom 17. Juni 2016 - LVerfG 3/15 u.a. -, NordÖR 2016, 294 ff. = ZNER 2016, 354 ff. = NVwZ-RR 2016, 801 ff., Juris Rn. 21 m.w.N.),

Subsidiaritätsgrundsatz entgegen. Ob insoweit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts Brandenburg zu folgen ist, wonach kommunale Verfassungsbeschwerden unzulässig sein sollen, wenn die Beschwerdeführer nicht zuvor versucht hätten, ihre angeblich unzulängliche Finanzausstattung durch Zahlungen aus dem hierfür vorgesehenen Ausgleichsfonds zu verbessern

(vgl. VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013
- VfGBbg 68/11 -, LKV 2013, 554 ff., Juris Rn. 46),

bedarf keiner Entscheidung. Dieser Ansatz könnte allenfalls auf Art. 54 Abs. 1 und 2 LV gestützten Verfassungsbeschwerden entgegenstehen, jedenfalls aber nicht den hier allein zulässigen Rügen einer Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgebotes.

143

3. Bedenken hinsichtlich des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses bestehen nicht. Soweit der niedersächsische Staatsgerichtshof erwogen hat, Beschwerden dann wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses zurückzuweisen, wenn in den streitgegenständlichen Jahren jedenfalls im Ergebnis durch das Verfahren keine Verbesserung mehr eintreten kann, weil die zugrunde liegenden Zuweisungsfestsetzungsbescheide bereits bestandskräftig wurden

(vgl. StGH Niedersachen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 2/05 -, NdsMBl 2008, 488 ff., Juris Rn. 49),

wird dem nicht gefolgt. Denn praktisch dürften dann Beschwerdeführer in keinem Fall – und zwar auch nicht im Falle des Obsiegens – eine Änderung der bereits ergangenen Festsetzungsbescheide erreichen können. Bisher hat – soweit ersichtlich – noch kein Landesverfassungsgericht ein Gesetz über den kommunalen Finanzausgleich ex tunc aufgehoben, sondern stets die Fortgeltung binnen einer Mehrjahresfrist, verbunden mit der Aufforderung zur Nachbesserung, ausgesprochen, und zwar gerade um die landesweite Rückabwicklung aller bereits ergangenen Festsetzungsbescheide zu vermeiden. Folgte man vor diesem Hintergrund dem Ansatz des niedersächsischen Staatsgerichtshofs, forderte man mithin von den Beschwerdeführern die Einlegung eines Rechtsbehelfes, der entgegen dem eigenen Obersatz absehbar nie sein „konkretes praktisches Ziel“, nämlich die rückwirkende Neufestsetzung der begehrten Zuweisung, erreichen kann.

144

Zuletzt lässt der Umstand zwischenzeitlicher (Teil-)Änderungen des streitgegenständlichen Finanzausgleichsgesetzes das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen. Die allein zulässigerweise angegriffenen § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2, und § 9 FAG 2014 sind von den genannten Gesetzesänderungen nicht betroffen.

II.

145

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise begründet. Zwar bestehen keine Bedenken gegen die formelle Verfassungsmäßigkeit des verfahrensgegenständlichen Finanzausgleichsgesetzes (1.). Die zulässigerweise angegriffenen Vorschriften der § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie § 9 Abs. 1 FAG 2014 – nicht § 9 Abs. 4 FAG – verletzten die Beschwerdeführer in ihren Rechten aus Art. 57 Abs. 1 LV (2.). Ob daneben ihre Rechte aus Art. 54 Abs. 1 und 2 LV verletzt sind, kann dahinstehen (3.).

146

1. Bedenken hinsichtlich der formellen Verfassungsmäßigkeit des angegriffenen Gesetzes bestehen nicht. Verfahrensfehler im Gesetzgebungsprozess sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

147

Dies gilt auch für die Beteiligung der kommunalen Ebene im Gesetzgebungsverfahren. Andere Verfassungsgerichte haben den jeweils einschlägigen Landesverfassungen zwar formelle Beteiligungsrechte entnommen

(StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 90 ff.; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris Rn. 213; a.A.: LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11. Mai 2006 - LVerfG 1/05 -, LVerfGE 17, 297 ff., Juris Rn. 126; StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 02/05 -, NdsMBl 2008, ff., Juris Rn. 70; offen gelassen: StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn.173).

148

Für eine entsprechende Auslegung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein bestehen allerdings keine Anhaltspunkte. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Verfassungsreform vom 2. Dezember 2014 (GVOBl 344), in deren Rahmen keine Beteiligungsrechte aufgenommen wurden. Ferner ist zumindest fraglich, ob das Argument der vorgenannten Verfassungsgerichtshöfe, es sei unmöglich, auf anderem Wege einen Schutz der finanziellen Ausstattungsansprüche zu gewährleisten, (noch) greift. Denn in einer ganzen Reihe von Bundesländern (insb. Hessen, Niedersachsen, Thüringen) wurden mittlerweile von den jeweiligen Verfassungsgerichten praktikable Vorgaben für die gesetzgeberische Entscheidungsfindung und die Sachverhaltsermittlung eingefordert und in der Folge hierzu Modelle der Umsetzung entwickelt. Die Einführung der in § 29 FAG 2014 vorgesehenen, umfassenden kommunalen Beteiligungsrechte („Beirat für den kommunalen Finanzausgleich“) stellt sich vor diesem Hintergrund als autonome gesetzgeberische Entscheidung dar; von Verfassungs wegen erforderlich sind derartige Beteiligungsrechte nicht.

149

2. Die angegriffenen Vorschriften über die der Ermittlung der Steuerkraftzahlen zugrunde liegenden fiktiven Hebesätze in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 (a) sowie über die Berechnung der Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte in § 9 FAG 2014 (b) verletzen die Beschwerdeführer in ihren aus Art. 57 Abs. 1 LV fließenden Rechten.

150

a) Die in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 enthaltenen Regelungen zur Ermittlung der den Steuerkraftzahlen zugrunde liegenden fiktiven Hebesätze verletzen die Beschwerdeführer in ihren aus Art. 57 Abs. 1 LV herrührenden Rechten, insbesondere in dem hierin integrierten Gebot der Systemgerechtigkeit.

151

aa) Keine Verletzung des Gebotes der Systemgerechtigkeit oder des interkommunalen Gleichbehandlungsgebotes vermag das Gericht dabei allerdings in der Verwendung undifferenzierter fiktiver Hebesätze an sich zu erblicken. Maßgeblich ist dabei erneut nicht, ob der Normgesetzgeber die bestmögliche oder gerechteste Lösung gewählt hat. Vor dem Hintergrund des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes prüft das Gericht nur, ob der vorliegende Verzicht auf die Bildung von typisierenden Untergruppen nachvollziehbar und vertretbar ist.

152

Die Verwendung fiktiver Hebesätze ist dabei für sich betrachtet vertretbar. Das Land darf verhindern, dass sich eine Gemeinde durch besonders niedrige Hebesätze selbst „bedürftig macht“, um entweder Leistungen aus Landesmitteln zu erhalten oder einer Umlage zu entgehen

(Urteil vom 3. September 2012 - 1/12 - Rn. 40, LVerfGE 23, 361 ff., Rn. 28 = SchlHA 2012, 431 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 30; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 1968 - 2 BvL 2/61 -, BVerfGE 23, 353 ff., Juris Rn. 47 ff.; BVerwG, Urteil vom 25. März 1998 - 8 C 11.97 -, BVerwGE 106, 280 ff., Juris Rn. 26; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Juli 1998 - VerfGH 16/96 u.a. -, NWVBl 1998, 390 ff., Juris Rn. 109; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Juni 2006 - LVG 7/05 -, LVerfGE 17, 410 ff., Juris Rn. 134; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 118 ff.; VerfG Brandenburg, Urteil vom 6. August 2013 - VfGBbg 53/11 -, DVBl 2013, 1180 ff., Juris Rn. 86 f.; Leisner-Egensperger, DÖV 2010, 705 <711>; Droege, NWVBl 2013, 41 <42>).

153

Es besteht dabei auch keine verfassungsrechtlich unterlegte Pflicht des Gesetzgebers, bei der Ausbildung der fiktiven Sätze nach weiteren Kriterien (etwa Lage oder Größe der Kommunen) zu differenzieren. Ausgangspunkt der verfassungsgerichtlichen Kontrolle ist dabei erneut ein gesetzgeberischer Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung des Kommunalfinanzausgleichs. Das Gericht prüft vor diesem Hintergrund lediglich, ob der Gesetzgeber mit dem Verzicht auf ausdifferenzierte Hebesätze seinen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum verlassen hat. Dies ist nicht der Fall.

154

Die gesetzgeberische Entscheidung, unter Verweis auf das Fehlen einer wissenschaftlich unumstrittenen Methode von einer Staffelung abzusehen, stellt sich jedenfalls nicht als unvertretbar dar. Tatsächlich ist es der Finanzwissenschaft bis heute nicht gelungen, eine allseits akzeptierte und hinreichend handhabbare, das heißt nicht übermäßig komplexe Methode eventueller Staffelungen von anzusetzenden Hebesätzen zu entwickeln. Insbesondere die Tauglichkeit der etwa denkbaren Parameter „Gemeindegröße“ oder „Industrialisierungsgrad“ zur realitätsnäheren Abbildung der Anspannungspotenziale der Hebesätze wird uneinheitlich bewertet. Auch eine mögliche Differenzierung nach Kernstädten, Umlandbereichen und ländlichem Raum findet keine uneingeschränkte Zustimmung

(vgl. VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Juli 1998 - VerfGH 16/96 u.a. -, a.a.O., Juris Rn. 116; Droege, NWVBl 2013, 41 <43>).

155

Selbst die Verfechter der Vorzugswürdigkeit gestaffelter Hebesätze gehen vor diesem Hintergrund davon aus, dass – aus ihrer Sicht – Staffelungen zwar vorzugswürdiger seien, dass der Gesetzgeber insoweit aber von Verfassungs wegen dazu nicht zwingend angehalten sei

(vgl. Droege, NWVBl 2013, 41 <43>, a.A.: Henneke, in: Henneke/ Pünder/ Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 25 Rn. 39).

156

bb) Als jedenfalls anhand der Gesetzesbegründung nicht nachvollziehbar und damit willkürlich stellt sich hingegen die in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 festgeschriebene Ermittlung der jeweiligen durchschnittlichen Hebesätze allein auf der Grundlage der tatsächlichen Hebesätze des kreisangehörigen Bereiches dar, während die tatsächlichen Hebesätze des kreisfreien Raumes nach der Regelung vollständig unberücksichtigt bleiben sollen.

157

Entscheidungsmaßstab ist das Willkürverbot, hier insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit. Aus diesem folgt, dass der Verfassung zwar keine konkrete Herangehensweise zu entnehmen ist, der der Gesetzgeber zu folgen hätte, dass der Gesetzgeber aber von dem selbst gewählten System
– hier der Hebesatzberechnung als landesweitem Durchschnittswert – nicht ohne nachvollziehbaren Grund abweichen darf.

158

Für die konkrete Hebesatzbildung sind jedoch keine gesetzgeberischen Erwägungen erkennbar, die die Ausklammerung der Daten der kreisfreien Städte aus der ansonsten durchgehenden Hebesatzberechnung auf Basis aller Gemeinden des Landes als zumindest vertretbar erscheinen lassen könnte. Weshalb hier bei der Definition eines im Übrigen landeseinheitlichen Durchschnitts die Daten der kreisfreien Städte vollständig ausgeblendet werden, erschließt sich nicht aus dem Gesetz selbst und ist auch weder in der Gesetzesbegründung noch in den veröffentlichten Materialien oder im Verfahren näher begründet. Die Herangehensweise steht dabei auch in einem nicht nachvollziehbarem Gegensatz zu der gesetzgeberischen Grundentscheidung für das sogenannte Zwei-Säulen-Modell, welches eine Differenzierung nach Art der Körperschaft (hier: zwischen kreisangehörigen Gemeinden und kreisfreien Städten) gerade nicht vorsieht.

159

Auch im Vergleich mit der Rechtslage in anderen Bundesländern erscheint die gewählte Regelung begründungsbedürftig. In den Parallelregelungen der Länder mit fiktivem Hebesatz und vergleichbarer Regelungstechnik basiert die Durchschnittsberechnung auf den Daten aller Kommunen, das heißt auch der kreisfreien Städte

(vgl. etwa: § 9 Abs. 4 Brandenburgisches Finanzausgleichsgesetz vom 29. Juni 2004 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. März 2016 ; § 8 Sächsisches Finanzausgleichsgesetz vom 21. Januar 2013 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2016 ).

Zugunsten der schleswig-holsteinischen Regelung kann nicht angenommen werden, dass es sich um den Fall einer Typisierung oder Pauschalisierung handeln könnte, die für sich gesehen noch zu tolerieren sein könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass die im selbstgewählten System an sich folgerichtige Einbeziehung auch der Werte der kreisfreien Städte einen irgendwie gearteten Mehraufwand bedeutet hätte, der das Abweichen von dem ansonsten konsequent angewandten System der Hebesatzberechnung rechtfertigen könnte. Soweit daneben weitere, möglicherweise vertretbare Gründe für die getroffene Regelung vorliegen sollten, sind diese jedenfalls bis nicht transparent gemacht worden.

160

Vor dem Hintergrund der damit ohnehin erforderlichen Neufassung der Bestimmungen zur Ermittlung der Hebesätze des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 kann dahinstehen, ob sich die – ebenfalls von den Beschwerdeführern angegriffene – Gewichtung des gewogenen Durchschnitts der Hebesätze mit dem Faktor 92 % als willkürlich darstellt. Dahingestellt bleiben kann insoweit insbesondere, ob die in der Gesetzesbegründung hierzu dokumentierte Überlegung ausreicht. Dort ist als Grund für die Erhöhung des Faktors von vormals 90 % auf 92 % angegeben, dass derart ein Gleichlauf der in den zugrunde liegenden Gutachten in die Berechnungen eingestellten Beträge mit den letztlich nach Berücksichtigung aller Reformergebnisse einzustellenden Beträgen (Vergleichsjahr 2014) hergestellt würde. Ohne die Korrektur würde das Umlagevolumen im Vergleichsjahr 2014 um 12,6 Millionen Euro geringer ausfallen, als im Gutachtenergebnis zugrunde gelegt.

161

c) Eine Verletzung von Art. 57 Abs. 1 LV durch § 9 FAG 2014 vermag das Gericht nur im Hinblick auf fehlende Erwägungen zur Einführung eines Parameters zur Erfassung rauminduzierter Bedarfe zu erblicken (bb). Im Übrigen sind keine Verletzungen von Art. 57 Abs. 1 LV festzustellen (aa).

162

aa) Die sich aus Art. 57 Abs. 1 LV ergebenden Anforderungen werden durch die Einführung des in § 9 FAG 2014 enthaltenen Soziallastenparameters nicht verletzt.

163

(1) Durchgreifende Einwände gegen die Einführung eines Parameters für Soziallasten an sich bestehen nicht. Die Etablierung eines derartigen Parameters stellt sich jedenfalls als vertretbar dar. Der Gesetzgeber hat sich eingehend mit den Vor- und Nachteilen eines derartigen Parameters auseinandergesetzt. Auf die ausführlichen Ausführungen in dem Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus Juli 2013 wird Bezug genommen

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 59 ff.).

164

Gründe, die dort dokumentierten Erwägungen als willkürlich oder nicht mehr vertretbar einzustufen, liegen nicht vor. Im Übrigen wird in der Rechtsprechung anderer Landesverfassungsgerichte – dort ebenfalls vor dem Hintergrund entsprechender Gutachten – eine derartige Regelung für grundsätzlich zulässig erachtet

(vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012
- VGH N 3/11 -, AS RP-SL 41, 29 ff., Juris Rn. 79 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 24/13 -, Gemeindehaushalt 2016, 163 ff., Juris Rn. 66 ff.).

165

(2) Keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Vorbehalte bestehen des Weiteren hinsichtlich der Gewichtung dieses zulässigerweise neu eingeführten Parameters. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht festzustellen, dass der Gesetzgeber insoweit seinen Gestaltungsspielraum überschritten hätte. Gegenstand verfassungsgerichtlicher Kontrolle ist des Weiteren die Frage, welches Gewicht diesem Parameter bei der Verteilungsentscheidung zukommt, wobei dies zumindest willkürfrei und vertretbar gelöst werden muss

(vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012
- VGH N 3/111 -, a.a.O., Juris Rn. 79 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 24/13 -, a.a.O., Juris Rn. 69 ff.).

166

Dies ist hier geschehen, und zwar sowohl bezogen auf die absolute Höhe des die Soziallasten maßgeblich determinierenden Vervielfältigungsfaktors als auch bezogen auf das Gewicht der sich hieraus in Verbindung mit der Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften ergebenden Soziallastenmesszahl im Gesamtsystem.

167

Die absolute Höhe des die Soziallasten wiedergebenden Vervielfältigungsfaktors von 3.411 Euro ist nicht willkürlich gegriffen, sondern beruht nachvollziehbar auf der Zusammenschau der im ganzen Land Schleswig-Holstein anfallenden Zuschussbedarfe für soziale Lasten im Bemessungszeitraum, welche nach dem in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Erstgutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung 56,7 % der Zuschussbedarfe insgesamt ausmachten, und der ministeriell erhobenen Anzahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften von Empfängern von Grundsicherung für Arbeitsuchende.

168

Auch das relative Gewicht der Soziallastenmesszahl im Gesamtsystem des § 9 FAG 2014 erweist sich jedenfalls als nicht willkürlich. Dabei ist vorab festzustellen, dass sich bereits aus der gesetzlichen Konzeption ergibt, dass der Soziallastenmesszahl keine über die Jahre statische, etwa feste prozentuale Gewichtung zukommen soll. Insbesondere wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens offenkundig die zunächst erwogene Bildung von prozentual festgeschriebenen Teilmassen für Soziallasten einerseits und sonstige Ausgaben andererseits aufgegeben. Stattdessen wurde ein Modell gewählt, in dem die Gewichtung des Soziallastenfaktors im Verhältnis zu den anderen Parametern schwankt. Zur Veranschaulichung dieser Modellbildung sei auf die im Folgenden nochmals wiedergegebene Formel verwiesen:

Schlüsselzuweisung =

[(Einwohnerzahl x Grundbetrag) = Ausgangsmesszahl

(Umlagekraftmesszahl – = Soziallastenmesszahl)] x 0,85

169

Setzt man in diese bei gleichbleibender Zahl an Personen in Bedarfsgemeinschaften etwa eine hohe Teilschlüsselmasse – und damit im Ergebnis auch einen hohen Grundbetrag – ein, ergibt sich eine im Verhältnis zur (betragsmäßig festgeschriebenen) Soziallastenmesszahl hohe Ausgangsmesszahl. Setzt man hingegen eine geringe Teilschlüsselmasse – und damit einen niedrigen Grundbetrag – an, schwindet die Bedeutung der Ausgangsmesszahl im Verhältnis zur (gleichbleibenden) Soziallastenmesszahl. Entsprechend schwankt das faktische Gewicht der Soziallastenmesszahl gegenüber dem Gewicht der Ausgangsmesszahl jährlich in Abhängigkeit von der Größe der anderen Parameter. Ist zum Beispiel die Teilschlüsselmasse – etwa rezessionsbedingt – schlecht dotiert, kommt der Soziallastenmesszahl ein größeres Gewicht zu; ist die Teilschlüsselmasse gut dotiert, schwindet das Gewicht der Soziallastenmesszahl.

170

Diese Ausgestaltung ist vertretbar. Ihr liegt die nicht zu beanstandende Einschätzung des Gesetzgebers zugrunde, dass es sich beim Vervielfältigungsfaktor um eine empirisch verhältnismäßig statische und wenig wandlungsanfällige Größe handelt, die entsprechend absolut festgeschrieben werden kann. Diese Einschätzung wird auch vom eingeholten Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung gestützt, in dem die Gutachter nachvollziehbar darlegen, dass sich die soziallastenbedingten Kosten ganz überwiegend unmittelbar aus den gesetzlichen Vorgaben erklären und entsprechend stabil sind

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 61, 3. und 4. Absatz).

171

Allerdings birgt der gebildete Mechanismus das Potential, dass in Zeiten steuereinnahmebedingt schlechter Ausstattung der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben die Gewichtung des Soziallastenparameters über Gebühr steigt und es dann zu einer Sicherstellung der Deckung soziallastenbedingter Kosten auf Kosten der anderen, ebenfalls pflichtigen Aufgaben, kommt. Infolge der Regelungssystematik würden dann nämlich die Soziallasten weiterhin in vollem Umfang berücksichtigt, während die übrigen kommunalen Angelegenheiten vergleichsweise unterfinanziert blieben. Im Ergebnis würden so erheblich mehr als die gutachterlich festgelegten 56,7 % der Teilschlüsselmasse über den Soziallastenfaktor verteilt. Wie ein derartiger Zustand im Hinblick auf das Konnexitätsprinzip (Art. 57 Abs. 2 LV) zu beurteilen wäre, kann jedoch für dieses Verfahren dahinstehen. Denn jedenfalls in den Finanzausgleichsjahren 2015 und 2016 wurden wegen einer Dotierung der Finanzausgleichsmasse, die im Vergleich zur der dem Gesetzentwurf zugrunde liegenden Prognose überdurchschnittlich ausgestattet war, wesentlich weniger als 56,7 % der Teilschlüsselmasse über den Soziallastenfaktor verteilt. Insoweit besteht aber eine besondere Beobachtungspflicht des Gesetzgebers.

172

Aus diesen Ausführungen folgt zugleich, dass der Vorwurf der Beschwerdeführer wie des Landkreistages, die Schlüsselzuweisungen an die Körperschaften mit vielen Personen in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II fielen überproportional hoch aus, währendwegen der Begrenztheit der insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel (§§ 3, 4 Abs. 1 Nr. 2 FAG 2014) – die Schlüsselzuweisungen an die andere Gruppe unangemessen niedrig ausfielen, nicht zutrifft. Wie aufgezeigt ist in Folge der gewählten Ausgestaltung derzeit sogar das Gegenteil der Fall: Wegen der gegenwärtigen Dotierung der Teilschlüsselmasse mit höheren Beträgen als im Gesetzgebungsverfahren zugrunde gelegt, werden relativ mehr Mittel über die Ausgangsmesszahl – und nicht über die Soziallastenmesszahl – verteilt, als dies einer Verteilung mit zwei Sonderansätzen mit einer festgeschriebenen Gewichtung von 56,7 beziehungsweise 43,3 % entspräche. Richtig ist allenfalls, dass nach dem gewählten System Körperschaften mit einem hohen Anteil an Personen in Bedarfsgemeinschaften verhältnismäßig höhere Schlüsselzuweisungen erhalten als Körperschaften mit einem geringeren Anteil. Solange aber – wie derzeit – die Gewichtung des diesem Mechanismus zugrunde liegenden Soziallastenparameters vertretbar ist, ist dies für sich genommen nicht zu beanstanden. Denn, wie in dem der Gesetzesfassung zugrunde liegenden Gutachten nachvollziehbar dargelegt, korrelieren mit der Zahl an Personen, die Leistungen nach dem SGB II benötigen, auch in erheblichem Maße höhere Kosten.

173

Unzutreffend ist weiter die Behauptung der Beschwerdeführer, dass der Bedarf für Soziallasten „doppelt, und damit im Vergleich zu anderen Bedarfen überproportional und asymmetrisch“ berücksichtigt werde, da der Bedarf für Soziallasten einerseits „bereits in der Ausgangsmesszahl abgebildet“ sei, dann aber erneut durch Abzug von der Umlagekraftmesszahl herangezogen werde und derart auf der Einnahmenseite die Finanzkraft der Kommunen erneut mindere.

174

Dieser Argumentation liegt die intuitiv naheliegende, aber im Ergebnis unzutreffende Vorstellung zugrunde, der Mechanismus des § 9 FAG 2014 bestehe aus einer „Ausgabenseite“ und einer „Einnahmenseite“. Auf der „Ausgabenseite“ (dargestellt durch die Ausgangsmesszahl) gingen alle tatsächlichen Bedarfe in die Berechnung ein und würden sodann mit der Einnahmenseite zur Ermittlung des Defizits gespiegelt. Diese Vorstellung von der Wirkweise des § 9 FAG 2014 übersieht jedoch, dass die Ausgangsmesszahl nicht den kommunalen „Bedarf“ wiedergibt, sondern über die Determinierung durch den Grundbetrag lediglich eine bloße Recheneinheit darstellt. Die Ausgangsmesszahl ergibt sich aus der Multiplikation der jeweiligen Einwohnerzahl mit dem Grundbetrag. Die Ausgangsmesszahl hat damit nichts mit irgendwie gearteten „tatsächlichen kommunalen Bedarfen“ zu tun. Durch sie wird nur bewirkt, dass die jeweiligen Einwohnerzahlen in die Berechnungsgleichung eingehen sowie dass – über den vollständig von den anderen Parametern abhängigen Grundbetrag – sichergestellt ist, dass die sich ergebenden Schlüsselzuweisungen die hierfür verfügbare Teilschlüsselmasse voll ausschöpfen, aber nicht übersteigen. Die Ausgangsmesszahl ist damit keine echte „Bedarfsgröße“, sondern vielmehr eine reine Recheneinheit mit den Parametern Einwohnerzahl und Grundbetrag, wobei der Grundbetrag nicht durch irgendwie geartete Bedarfe für wie auch immer geartete Aufgabenbereiche unterlegt ist. Anschaulich wird dies, wenn man sich vor Augen hält, dass die Höhe des Grundbetrages und damit auch der Ausgangsmesszahl (auch) abhängig ist von der Höhe der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben. Sinkt die Teilschlüsselmasse in einem gegebenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr, sinkt damit qua Definition auch der Grundbetrag und damit die Ausgangsmesszahl. Mit den kommunalen Bedarfen hat dies aber offensichtlich nichts zu tun: Nur weil die Teilschlüsselmasse sinkt, vermindern sich nicht auch die kommunalen Bedarfe. Bereits dies verdeutlicht, dass die Ausgangsmesszahl Bedarfe nicht widerspiegelt und nicht beansprucht, dies zu tun

(zur vergleichbaren Situation in Nordrhein-Westfalen: „Der Grundbetrag (…) ist eine rechnerische Hilfsgröße und wird so festgelegt, dass die zu verteilende Schlüsselmasse vollständig ausgeschöpft wird. (…) Die Ausgangsmesszahl ist somit eine unechte Bedarfsgröße und darf daher nicht als Maß für die von einer Kommune zur Deckung der tatsächlichen Ausgaben benötigten Finanzmittel missverstanden werden“ (Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Gutachten zur Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Nordrhein-Westfalen, 2013, S. 23 ff.).

175

Entsprechend trägt die (ebenso im Schriftsatz des Landkreistages vertretene) Grundannahme nicht, der Bedarf für Soziallasten sei in der Ausgangsmesszahl „bereits abgebildet“ und werde daher „doppelt“ in Ansatz gebracht. Da die Ausgangsmesszahl keine Bedarfe und dementsprechend keine Sozialkostenbedarfe widerspiegelt, findet folglich auch keine doppelte Einbeziehung der Sozialkostenbedarfe statt. Diese gehen nur einmal (und das wie alle anderen Parameter mit einer Reduktion auf 85 %) in die Gesamtrechnung ein.

176

Vor diesem Hintergrund ist eine Verletzung des Verbots der Nivellierung beziehungsweise Übernivellierung durch § 9 FAG 2014 ebenfalls nicht erkennbar.

177

Nicht durchgreifend ist weiter der Vortrag der Beschwerdeführer zu angeblich unzutreffenden Zahlen im Gesetzgebungsverfahren. Gemessen an den obigen Feststellungen nicht nachvollziehbare Daten vermag das Gericht in den maßgeblichen Gesetzgebungsmaterialien nicht festzustellen. Die Darlegungen der Beschwerdeführer beruhen auf einer Formelbildung, die nicht geeignet ist, den gesetzgeberisch vorgegebenen Zuweisungsmechanismus abzubilden. Denn entgegen der Gesetzeskonzeption unterwirft die von den Beschwerdeführern gebildete Formel auch die Schlüsselzahl einer Multiplikation mit dem Faktor 0,85 und kommt daher notwendigerweise zu unzutreffenden Ergebnissen. Tatsächlich ist derartiges im Gesetz jedoch an keiner Stelle vorgesehen.

178

bb) Jedoch stellt sich § 9 Abs. 1 FAG im Hinblick auf die gesetzgeberische Behandlung rauminduzierter Kosten als verfassungswidrig dar. Art. 57 Abs. 1 LV ist zwar insoweit keine Aussage dahingehend zu entnehmen, dass etwaige rauminduzierte Kosten der Aufgabenerfüllung – vor allem denkbare Mehrkosten der Aufgabenerledigung auf ausgedehnter Fläche oder aber etwaige Kosten aufgrund sonstiger naturräumlicher Besonderheiten (wie etwa in Schleswig-Holstein mehrfach gegebene Insellagen) – auf jeden Fall einer gesonderten Erhebung bedürfen. Maßstab der Prüfung ist vielmehr nur, ob der hier vorliegende Verzicht auf die Erhebung etwaiger raumbedingter Kosten sachlich zumindest vertretbar war.

179

In der einschlägigen landesverfassungsrechtlichen Rechtsprechung sowie in der veröffentlichten wissenschaftlichen Literatur wird insoweit nachvollziehbar davon ausgegangen, dass erhebliche Gründe für die Annahme sprechen, dass insbesondere Fläche ein kostenerhebliches Kriterium sein könnte, etwa hinsichtlich der Straßenbaulast, aber auch bezüglich zahlreicher anderer Kreisaufgaben (beispielsweise Naturschutz, Landwirtschaftswesen, Veterinärwesen, Abfallwirtschaft, Rettungswesen, ÖPNV)

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 146 f.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 127 ff.; Henneke, NdsVBl 2013, 121 <126>, Wohltmann, Der Landkreis 2016, 501 <530>; weiterführend: Kirchhof/ Meyer, Kommunaler Finanzausgleich im Flächenbundesland, 1996).

Dieser Befund wird nicht zuletzt auch von dem zugrunde liegenden Gutachten selbst nahe gelegt. Das Gutachten geht davon aus, dass bestimmte Kostenarten im ländlichen Raum stärker ins Gewicht fallen als im Verdichtungsraum:

Die Zuschussbedarfe der Gemeindeebene sind vor allem in der allgemeinen Verwaltung höher als in den kreisfreien Städten. Dies liegt sehr wahrscheinlich an der stärker dezentralen Verwaltungsstruktur im kreisangehörigen Raum (Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 16)

Dass gleiches für Insellagen gilt, liegt schon im Hinblick auf die Erreichbarkeit und den deshalb für die dortige Aufgabenerledigung erhöhten Aufwand nahe.

180

Hieraus folgt im Rahmen der von dem Gericht allein durchzuführenden Vertretbarkeitsprüfung, dass der Gesetzgeber zumindest eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Problematik schuldet. Auf die Berücksichtigung des Parameters Raum kann er nur dann verzichten, wenn er hierfür nachvollziehbare Gründe erhoben und dokumentiert hat

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 16. Mai 2001 - StGH 6/99 -, NdsVBl 2001, 184 ff., Juris Rn. 140; wohl auch BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 u.a. -, BVerfGE 86, 148 ff., Juris Rn. 317 ff.).

181

Vorliegend befassen sich allerdings weder das zugrunde liegende Gutachten noch die Gesetzesbegründung eingehend mit der Materie. Im Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung ist eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein Flächenindikator erforderlich ist, nicht enthalten. Auch die Gesetzesbegründung zeigt, dass eine substantielle Auseinandersetzung mit dem evtl. gegebenen Erfordernis der Einführung eines konkreten Flächenparameters nicht stattgefunden hat. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich vielmehr, dass man sich mit dieser Fragestellung allein deshalb nicht auseinandersetzte, um den Finanzausgleich nicht weiter zu verkomplizieren. Insoweit heißt es in der Gesetzesbegründung:

Es werden keine zusätzlichen Verteilungskriterien für Fläche bei den Kreisen oder für Bildungsaufwand bei den Gemeinden eingeführt. Solche Kriterien machten den Finanzausgleich komplizierter, ohne dass die Verteilungswirkung den kommunalen Bedarfen notwendigerweise besser gerecht würde. (…). Auch das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung empfiehlt, über den Soziallastenansatz auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte hinaus mit weiteren Nebenansätzen zurückhaltend umzugehen (Landtags-Drucksache 18/1659, S. 47).

182

Diese Erwägung allein vermag jedoch keine hinreichende Begründung für die Nichtberücksichtigung abzugeben. Denn ob der in sich vertretbare Gesichtspunkt, die gesetzliche Regelung möglichst nicht weiter zu verkomplizieren, trägt, lässt sich nur in Abwägung mit den damit einhergehenden Nachteilen im Hinblick auf das Gebot einer dem interkommunalen Gleichbehandlungsgebot genügenden Ausgestaltung des Finanzausgleichs beantworten. Diese Abwägung erfordert jedoch, dass sich der Gesetzgeber die für einen Flächenansatz sprechenden Gesichtspunkte und die Ausgestaltungsmöglichkeiten zumindest im Ansatz vergegenwärtigt.

183

Für das Erfordernis einer substantiellen Auseinandersetzung mit der Frage der Berücksichtigung rauminduzierter Bedarfe spricht dabei im Übrigen die Argumentation der Landesregierung in dem vorliegenden Verfahren. Diese meint, dass eine Berücksichtigung von Deglomerationskosten nur dann erforderlich sei, wenn auch Agglomerationskosten berücksichtigt würden

(so wohl auch VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18 Mai 2006
- VfGBbg 39/04 -, LKV 2006, 505 ff.).

Letzteres sei in Schleswig-Holstein aber nicht der Fall.

184

Dem vermag das Gericht nicht zu folgen. Entgegen den Ausführungen der Landesregierung sind Agglomerationseffekte durchaus berücksichtigt. Denn in seiner praktischen Wirkung stellt die Teilschlüsselmasse für Zentrale Orte (bis hinab zum Unterzentrum, vgl. § 10 FAG 2014) einen Indikator für Agglomerationseffekte dar. Dem kann nicht durchgreifend entgegengehalten werden, dass § 10 FAG 2014 nicht formell an die Bevölkerungsdichte anknüpft, sondern an Maßstäbe des Landesplanungsrechts. Denn im Ergebnis werden auch hier – wenn auch mit anderer Regelungstechnik – Agglomerationseffekte zur Mittelverteilung herangezogen. Dies zeigt sich schon bei Betrachtung der Ergebnisse der Verteilung der Teilschlüsselmasse nach § 10 FAG 2014. Hiernach werden etwa im Finanzausgleichsjahr 2016 über 70 % der Teilschlüsselmasse für zentralörtliche Aufgaben an die vier Oberzentren (Kiel, Lübeck, Flensburg, Neumünster) sowie die vierzehn Mittelzentren (Brunsbüttel, Heide, Mölln, Husum, Eutin, Elmshorn, Eckernförde, Rendsburg, Schleswig, Bad Segeberg, Kaltenkirchen, Itzehoe, Bad Oldesloe) vergeben. Nur ca. 6 % der Teilschlüsselmasse erreichen hingegen ländliche Zentralorte beziehungsweise Stadtrandkerne I. Ordnung, nur ca. 4% Stadtrandkerne II. Ordnung

(Erlass Kommunaler Finanzausgleich 2016 des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten, 18. Januar 2016, Anlage 5 und 8).

185

Die Verknüpfung der Einstufung als Ober- und Mittelzentrum mit Agglomerationseffekten ist dabei nicht zu verkennen. Auch insoweit bestünde hier hinreichend Grund für eine fundierte Entscheidung, ob nicht im Flächenland Schleswig-Holstein begleitend auch die Einführung eines Flächen- oder sonstwie raumbezogenen Indikators geboten erscheint.

186

Entsprechend ist insoweit die Verfassungswidrigkeit von § 9 Abs. 1 FAG 2014 festzustellen, bei dessen Regelung es der vertieften gesetzgeberischen Auseinandersetzung mit der Frage nach einem ergänzenden flächenabhängigen weiteren Parameter bedurft hätte. Einer darüber hinausgehenden Feststellung der Verfassungswidrigkeit der in § 9 Abs. 4 FAG 2014 enthaltenen Einzelregelungen bedarf es hingegen aus den vorgenannten Gründen nicht.

187

3. Im Übrigen gibt das vorliegende Verfahren keinen Anlass, eine Überprüfung der zulässigerweise angegriffenen §§ 7 und 9 FAG 2014 auch anhand des Art. 54 Abs. 1 und 2 LV vorzunehmen. Offen gelassen werden kann damit sowohl, ob die durch Art. 54 Abs. 1 und 2 LV gewährleistete Mindestausstattung (wie der Anspruch auf angemessene Ausstattung aus Art. 57 Abs. 1 LV) unter Leistungsfähigkeitsvorbehalt steht

(für den dortigen Verfassungsraum ablehnend: VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 82; VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007
- VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 116 ff., sowie für Art. 28 GG: BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 -, BVerwGE 145, 378 ff, , Juris Rn. 20 ff.; a.A. für den dortigen Verfassungsraum: StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008
- StGH 2/05 -, NdsVBl 2008, 152 ff., Juris Rn. 54 und 62; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 41 ff.; LVerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, AS RP-SL 41, 29 ff., Juris Rn. 23; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. Februar 2012
- LVerfG 37/10 -, NordÖR 2012, 235 ff., Juris Rn. 97 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 127 ff.),

als auch, ob Art. 54 Abs. 1 und 2 LV einen individuell justiziablen Mindestausstattungsanspruch jeder einzelnen Kommune oder lediglich eine institutionelle Garantie bezogen auf die Gesamtheit der Kommunen enthält

(lediglich institutionelle Garantie: VerfGH NRW, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 38; wohl auch: VerfGH Bayern, Entscheidung vom 6. Februar 2007 - Vf. 14-VII-04 - VerfGHE BY 60, 30 ff., Juris Rn. 47; auch individueller Mindestanspruch: VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff, Juris Rn. 112, LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11. Mai 2006 - LVerfG 1/05 -, LVerfGE 17, 297, Juris Rn. 110; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 194; von Mutius, in: von Mutius/ Wuttke/ Hübner, Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 49 Rn. 13; weiterführend: Volkmann, DÖV 2001, 497 <504>).

188

Im Hinblick auf die §§ 7 und 9 FAG 2014 enthält Art. 54 Abs. 1 und 2 LV jedenfalls keine Anforderungen, die zur Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen führen könnten – und zwar auch dann nicht, wenn Art. 54 Abs. 1 und 2 LV einen individuell justiziablen Mindestausstattungsanspruch enthalten sollte. Diesen Mindestausstattungsanspruch müsste der Gesetzgeber in Bezug auf Art. 54 Abs. 1 und 2 LV nicht notwendigerweise über eine ausnahmslos jedem Einzelfall gerecht werdende Ausgestaltung der Verteilungsbestimmungen der §§ 5 ff. FAG 2014 sicherstellen. Denn dann wären die in dem komplexen System des Finanzausgleichs zwingend notwendigen Generalisierungen und Pauschalisierungen zur Ermittlung der jeweils erforderlichen Finanzmittel erschwert bis unmöglich, zumal in Schleswig-Holstein mit seiner Vielzahl mit Blick auf Ausgabenbelastungen, Einnahmemöglichkeiten und spezifischen örtlichen Rahmenbedingungen höchst unterschiedlich strukturierter Kommunen. Die Gewährleistung der individuellen Mindestausstattung müsste dann allerdings über einen gesonderten Mechanismus zum Ausgleich sich gegebenenfalls aus dem Gesamtsystem der §§ 5 ff. FAG 2014 ergebender Unterfinanzierungen sichergestellt werden

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999
- VfGBbg 28/98 -, a.a.O., Juris Rn. 112).

189

Ein solcher Mechanismus ist in Schleswig-Holstein über § 12 FAG gegeben, der von den Beschwerdeführern weder nach Höhe noch mit Blick auf seinen Regelungsinhalt angegriffen wird. Gemäß § 12 FAG 2014 können Gemeinden und Kreise, die ihren Haushalt nicht durch eigene Mittel und durch allgemeine Finanzzuweisungen nach dem Finanzausgleichsgesetz ausgleichen können, Fehlbetragszuweisungen erhalten. Die Bestimmung lautet auszugsweise wie folgt:

§ 12

Fehlbetragszuweisungen

(1) Gemeinden und Kreise die ihren Haushalt nicht durch eigene Mittel und durch allgemeine Finanzzuweisungen nach diesem Gesetz ausgleichen können, können Fehlbetragszuweisungen zum Ausgleich von unvermeidlichen Fehlbeträgen oder Jahresfehlbeträgen der abgelaufenen Haushaltsjahre erhalten. ln Ausnahmefällen können Fehlbetragszuweisungen zum Ausgleich eines voraussichtlichen unvermeidlichen Fehlbetrages oder Jahresfehlbetrages des laufenden Haushaltsjahres gewährt werden.

(2) Bei der Feststellung des unvermeidlichen Fehlbetrages oder Jahresfehlbetrages müssen diejenigen Beträge außer Ansatz bleiben, die durch Ausgaben oder Aufwendungen entstanden sind, die nicht als unbedingt notwendig anerkannt werden können, oder die durch eigene Einnahmen oder Erträge abgedeckt werden können, wenn alle Einnahme- oder Ertragsquellen in zumutbarem Umfang ausgeschöpft werden. Davon abweichend werden bei den Kreisen und Städten, die der Kommunalaufsicht des für Inneres zuständigen Ministeriums unterstehen, jeweils zwei Drittel der bis zum Ende des Jahres 2014 aufgelaufenen Fehlbeträge oder Jahresfehlbeträge sowie der ab 2015 entstehenden neuen Fehlbeträge oder Jahresfehlbeträge als unvermeidlich anerkannt.

(3) Gemeinden und Kreisen können Fehlbetragszuweisungen aus den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bereitgestellten Mitteln gewährt werden, wenn der in dem Haushaltsjahr entstandene oder voraussichtlich entstehende unvermeidliche Fehlbetrag oder Jahresfehlbetrag mindestens 80.000 Euro beträgt. Über die Bewilligung der Fehlbetragszuweisungen entscheidet das für Inneres zuständige Ministerium. Vor der Entscheidung sollen die Landesverbände der Gemeinden und Kreise gehört werden.

(4) Kreisangehörigen Gemeinden, die der Kommunalaufsicht der Landrätin oder des Landrats unterstehen, können aus eigenen Mitteln des Kreises Fehlbetragszuweisungen gewährt werden, wenn der in dem Haushaltsjahr entstandene oder voraussichtlich entstehende unvermeidliche Fehlbetrag oder Jahresfehlbetrag weniger als 80.000 Euro beträgt. Über die Bewilligung der Fehlbetragszuweisungen entscheidet der jeweilige Kreis. Zur Finanzierung der Fehlbetragszuweisungen nach Satz 1 stellt jeder Kreis einen Betrag in Höhe von mindestens 0,5 % seiner Einnahmen oder Erträge aus den Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten (§ 9 Absatz 1) und der Kreisumlage (§ 19 Absatz 2) bereit.

(5) - (6) […]

III.

190

§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie § 9 Abs. 1 FAG 2014 verstoßen danach gegen Art. 57 Abs. 1 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein. Dies führt jedoch nicht zur beantragten Nichtigkeit dieser Vorschriften, sondern zur Erklärung ihrer Unvereinbarkeit mit der Landesverfassung. Sie bleiben weiter anwendbar. Der Gesetzgeber ist bis zum 31. Dezember 2020 zu einer verfassungsmäßigen Neuregelung verpflichtet.

191

Die Verfassungswidrigkeit gesetzlicher Vorschriften führt im Regelfall zwar zu deren Nichtigkeit (§ 42 Satz 1, vgl. auch § 46 Satz 2 und § 48 LVerfGG). Aus-nahmsweise sind die Vorschriften jedoch nur für unvereinbar mit der Landesverfassung zu erklären

(Urteil vom 26. Februar 2010 - LVerfG 1/09 -, SchlHA 2010, 131 = NordÖR 2010, 155 ff. = VR 2011, 65 ff., Juris Rn. 106).

192

Eine derartige Ausnahmesituation liegt hier vor. Eine – rückwirkende –Nichtigerklärung kommt schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht in Betracht. Hierdurch würden die bereits erfolgten Festsetzungen von Gemeinde- und Kreisschlüsselzuweisungen nach §§ 5 ff., 9 FAG 2014 ihre Rechtsgrundlage verlieren.

193

Auch die bloße Unvereinbarkeitserklärung hätte allerdings grundsätzlich zur Folge, dass die betroffenen Normen in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang nicht mehr angewendet werden dürfen. Ausnahmsweise sind verfassungswidrige Vorschriften aber ganz oder teilweise weiter anzuwenden, wenn die Besonderheit der für verfassungswidrig erklärten Norm es aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere aus solchen der Rechtssicherheit, notwendig macht, die verfassungswidrige Vorschrift als Regelung für die Übergangszeit fortbestehen zu lassen, damit in dieser Zeit nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige

(Urteil vom 26. Februar 2010 - LVerfG 1/09 -, a.a.O., Juris Rn. 108).

194

So liegt es hier. Ohne weitere Anwendung der fraglichen Bestimmungen wären neue Festsetzungen über Zuweisungen an die kommunalen Aufgabenträger bis zum Abschluss des nunmehr erforderlichen Gesetzgebungsverfahrens nicht mehr möglich. Ein derartiges sofortiges Außerkrafttreten der angegriffenen Vorschriften wäre mit einer geordneten Finanz- und Haushaltswirtschaft unvereinbar. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung darf der kommunale Finanzausgleich auf der Grundlage der bestehenden Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes, auch soweit sie verfassungswidrig sind, weiterhin durchgeführt werden.

195

Für die Neuregelung steht dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. Dezember 2020 zur Verfügung. Zwar kommt als angemessene Frist zur Beseitigung der verfassungswidrigen Rechtslage grundsätzlich die Dauer einer Legislaturperiode in Betracht

(Urteil vom 26. Februar 2010 - LVerfG 1/09 - Rn. 106, a.a.O., Juris Rn. 113).

Vor dem Hintergrund der im Jahr 2017 neu anlaufenden Legislaturperiode sowie unter Berücksichtigung der erheblichen Bedeutung einer verfassungskonformen Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs für alle schleswig-holsteinischen Kommunen ist jedoch ein kürzerer Zeitraum angemessen. Der gewählte Zeitraum erscheint insoweit erforderlich, aber auch ausreichend, um die zur Feststellung des finanziellen Mindestbedarfs der Kommunen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und im Gesetzgebungsverfahren umzusetzen.

IV.

196

Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 33 Abs. 4 LVerfGG). Eine Entscheidung über die Vollstreckung entfällt (§ 34 LVerfGG).

V.

197

Das Urteil ist einstimmig ergangen.


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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 28


(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben,

Finanzausgleichsgesetz - FinAusglG 2005 | § 1 Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer


(1) Das Aufkommen der Umsatzsteuer wird auf Bund, Länder und Gemeinden nach folgenden Prozentsätzen aufgeteilt:BundLänderGemeindenab 202052,8139835145,190072541,99594395. (2) Die im Folgenden genannten Beträge verändern die Anteile des Bundes, de

Finanzausgleichsgesetz - FinAusglG 2005 | § 9 Einwohnerzahl


(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat. (2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen de

Finanzausgleichsgesetz - FinAusglG 2005 | § 12 Feststellung der Umsatzsteueranteile


Das Bundesministerium der Finanzen stellt nach Ablauf des Ausgleichsjahres die endgültige Höhe der Länderanteile an der Umsatzsteuer durch Rechtsverordnung fest, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

Finanzausgleichsgesetz - FinAusglG 2005 | § 7 Einnahmen der Länder aus Steuern und Förderabgabe


(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen 1. aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;2. aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgese

Finanzausgleichsgesetz - FinAusglG 2005 | § 10 Bemessung der Zu- und Abschläge


(1) Die Höhe des Zuschlags, der einem Land zu gewähren ist, beträgt 63 Prozent des Betrags, um den die Ausgleichsmesszahl dieses Landes seine Finanzkraftmesszahl übersteigt. (2) Die Höhe des Abschlags, der von einem Land zu erheben ist, beträgt 63 P

Finanzausgleichsgesetz - FinAusglG 2005 | § 5 Abschläge und Zuschläge zum Zweck des Finanzkraftausgleichs


(1) Abschläge werden von den Ländern erhoben, deren Finanzkraftmesszahl im Ausgleichsjahr ihre Ausgleichsmesszahl übersteigt. (2) Zuschläge werden den Ländern gewährt, deren Finanzkraftmesszahl im Ausgleichsjahr ihre Ausgleichsmesszahl nicht erreich

Finanzausgleichsgesetz - FinAusglG 2005 | § 6 Finanzkraftmesszahl, Ausgleichsmesszahl


(1) Die Finanzkraftmesszahl eines Landes ist die Summe der Einnahmen des Landes nach § 7 und der Steuereinnahmen seiner Gemeinden nach § 8. (2) Die Ausgleichsmesszahl eines Landes ist die Summe der beiden Messzahlen, die zum Ausgleich der Einnahmen

Finanzausgleichsgesetz - FinAusglG 2005 | § 3 Verteilung der Gewerbesteuerumlage unter den Ländern


Die Gewerbesteuerumlage steht den Ländern insoweit zu, als die Gewerbesteuer in dem Gebiet des einzelnen Landes vereinnahmt wird.

Finanzausgleichsgesetz - FinAusglG 2005 | § 4 Finanzkraftausgleich


Der Verteilung der Umsatzsteuer unter den Ländern ist ein angemessener Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraftverhältnisse hinzuzurechnen. Zu diesem Zweck erfolgt die Verteilung der Umsatzsteuer gemäß § 2 nach der Hinzurechnung von Zuschlägen zu

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Tenor § 3 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, § 4 Absatz 1 Satz 1, § 7 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 und § 9 Absatz 1 des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein vom 10. Dezember 2014 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 473)

Schleswig-Holsteinisches Landesverfassungsgericht Beschluss, 17. Juni 2016 - LVerfG 3/15

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Tenor Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Gründe A. 1 Die Beschwerdeführerin, eine im Kreis Dithmarschen gelegene Gemeinde, wendet sich mit ihrer Verfassun

Schleswig-Holsteinisches Landesverfassungsgericht Urteil, 26. Feb. 2010 - LVerfG 1/09

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Tenor Die Amtsordnung für Schleswig-Holstein in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Februar 2003 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 112), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. März 2009 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 93), ist mittlerweil
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Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 10. Okt. 2017 - B 5 K 15.701

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Tenor 1. Der Bescheid des Beklagten vom 26. März 2014 wird aufgehoben. 2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 v.H. des zu vollstreckenden Betr

Schleswig-Holsteinisches Landesverfassungsgericht Beschluss, 15. März 2017 - LVerfG 2/17

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Tenor Die Nichtanerkennungsbeschwerde wird verworfen. Gründe A. 1 Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Ablehnung der Anerkennung als Partei für die Wahl zum 19. Landtag von Schleswig-Holstein. 2 Die Beschwerdeführerin wurde am 28

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(1) Das Aufkommen der Umsatzsteuer wird auf Bund, Länder und Gemeinden nach folgenden Prozentsätzen aufgeteilt:

BundLänderGemeinden
ab 202052,8139835145,190072541,99594395.

(2) Die im Folgenden genannten Beträge verändern die Anteile des Bundes, der Länder und Gemeinden nach Absatz 1:

Kalender-
jahr
BundLänderGemeinden
2020minus
20 533 717 472
Euro

15 858 934 915
Euro

4 674 782 557
Euro
2021minus
17 142 407 683
Euro

12 988 407 683
Euro

4 154 000 000
Euro
2022minus
15 008 682 590
Euro

12 608 682 590
Euro

2 400 000 000
Euro
2023minus
9 892 407 683
Euro

7 492 407 683
Euro

2 400 000 000
Euro
2024minus
10 080 407 683
Euro

7 680 407 683 Euro
Euro

2 400 000 000
Euro
2025minus
9 705 407 683
Euro

7 305 407 683
Euro

2 400 000 000
Euro
2026minus
9 705 407 683
Euro

7 305 407 683
Euro

2 400 000 000
Euro
ab 2027minus
9 517 407 683
Euro

7 117 407 683
Euro

2 400 000 000
Euro.

(2a) Zur finanziellen Beteiligung der Länder an der Bekämpfung der durch die Starkregenfälle und das Hochwasser im Juli 2021 verursachten Schäden und dem Wiederaufbau erhöhen sich die in Absatz 2 genannten Beträge für den Bund um jeweils 233 333 333 Euro in den Jahren von 2021 bis 2050; die in Absatz 2 genannten Beträge für die Länder verringern sich entsprechend um jeweils 233 333 333 Euro in den Jahren von 2021 bis 2050.

(3) Diese Aufteilung der Umsatzsteuer gilt jeweils für alle Beträge, die während der Geltungsdauer des Beteiligungsverhältnisses vereinnahmt oder erstattet werden.

(4) (weggefallen)

(5) Zum Ausgleich für Belastungen der Länder aus dem KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz vom 19. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2696) und aus der Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch durch die Artikel 1 und 2 des Gesetzes vom 19. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2696) verringern sich die in Absatz 2 genannten Beträge für den Bund im Jahr 2020 um 993 Millionen Euro, in den Jahren 2021 und 2022 um jeweils 1 993 Millionen Euro, im Jahr 2023 um 1 884 Millionen Euro und im Jahr 2024 um 1 993 Millionen Euro; die in Absatz 2 genannten Beträge für die Länder erhöhen sich entsprechend im Jahr 2020 um 993 Millionen Euro, in den Jahren 2021 und 2022 um jeweils 1 993 Millionen Euro, im Jahr 2023 um 1 884 Millionen Euro und im Jahr 2024 um 1 993 Millionen Euro.

(6) Um den finanziellen Lasten der Länder, die ihnen aus der Umsetzung des Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche für die Jahre 2021 und 2022“ im eigenen Zuständigkeitsbereich entstehen, Rechnung zu tragen, verringern sich die in Absatz 2 genannten Beträge für den Bund im Jahr 2021 um weitere 430 Millionen Euro und im Jahr 2022 um weitere 860 Millionen Euro; die in Absatz 2 genannten Beträge für die Länder erhöhen sich entsprechend im Jahr 2021 um weitere 430 Millionen Euro und im Jahr 2022 um weitere 860 Millionen Euro.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

Die Gewerbesteuerumlage steht den Ländern insoweit zu, als die Gewerbesteuer in dem Gebiet des einzelnen Landes vereinnahmt wird.

Der Verteilung der Umsatzsteuer unter den Ländern ist ein angemessener Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraftverhältnisse hinzuzurechnen. Zu diesem Zweck erfolgt die Verteilung der Umsatzsteuer gemäß § 2 nach der Hinzurechnung von Zuschlägen zu und Abschlägen von der Finanzkraft.

Die Gewerbesteuerumlage steht den Ländern insoweit zu, als die Gewerbesteuer in dem Gebiet des einzelnen Landes vereinnahmt wird.

Der Verteilung der Umsatzsteuer unter den Ländern ist ein angemessener Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraftverhältnisse hinzuzurechnen. Zu diesem Zweck erfolgt die Verteilung der Umsatzsteuer gemäß § 2 nach der Hinzurechnung von Zuschlägen zu und Abschlägen von der Finanzkraft.

Die Gewerbesteuerumlage steht den Ländern insoweit zu, als die Gewerbesteuer in dem Gebiet des einzelnen Landes vereinnahmt wird.

Der Verteilung der Umsatzsteuer unter den Ländern ist ein angemessener Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraftverhältnisse hinzuzurechnen. Zu diesem Zweck erfolgt die Verteilung der Umsatzsteuer gemäß § 2 nach der Hinzurechnung von Zuschlägen zu und Abschlägen von der Finanzkraft.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Die Höhe des Zuschlags, der einem Land zu gewähren ist, beträgt 63 Prozent des Betrags, um den die Ausgleichsmesszahl dieses Landes seine Finanzkraftmesszahl übersteigt.

(2) Die Höhe des Abschlags, der von einem Land zu erheben ist, beträgt 63 Prozent des Betrags, um den die Finanzkraftmesszahl dieses Landes seine Ausgleichsmesszahl übersteigt. Soweit die Höhe des Abschlags eines Landes seinen nach § 2 ermittelten Anteil übersteigt, ist der Unterschiedsbetrag von diesem Land aufzubringen.

Der Verteilung der Umsatzsteuer unter den Ländern ist ein angemessener Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraftverhältnisse hinzuzurechnen. Zu diesem Zweck erfolgt die Verteilung der Umsatzsteuer gemäß § 2 nach der Hinzurechnung von Zuschlägen zu und Abschlägen von der Finanzkraft.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Die Finanzkraftmesszahl eines Landes ist die Summe der Einnahmen des Landes nach § 7 und der Steuereinnahmen seiner Gemeinden nach § 8.

(2) Die Ausgleichsmesszahl eines Landes ist die Summe der beiden Messzahlen, die zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 und zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 getrennt festgestellt werden. Die Messzahlen ergeben sich aus den auszugleichenden Einnahmen je Einwohner der Ländergesamtheit, vervielfacht mit der Einwohnerzahl des Landes; hierbei sind die nach § 9 gewerteten Einwohnerzahlen zugrunde zu legen.

(1) Abschläge werden von den Ländern erhoben, deren Finanzkraftmesszahl im Ausgleichsjahr ihre Ausgleichsmesszahl übersteigt.

(2) Zuschläge werden den Ländern gewährt, deren Finanzkraftmesszahl im Ausgleichsjahr ihre Ausgleichsmesszahl nicht erreicht.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

Die Gewerbesteuerumlage steht den Ländern insoweit zu, als die Gewerbesteuer in dem Gebiet des einzelnen Landes vereinnahmt wird.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

Der Verteilung der Umsatzsteuer unter den Ländern ist ein angemessener Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraftverhältnisse hinzuzurechnen. Zu diesem Zweck erfolgt die Verteilung der Umsatzsteuer gemäß § 2 nach der Hinzurechnung von Zuschlägen zu und Abschlägen von der Finanzkraft.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

Die Gewerbesteuerumlage steht den Ländern insoweit zu, als die Gewerbesteuer in dem Gebiet des einzelnen Landes vereinnahmt wird.

Der Verteilung der Umsatzsteuer unter den Ländern ist ein angemessener Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraftverhältnisse hinzuzurechnen. Zu diesem Zweck erfolgt die Verteilung der Umsatzsteuer gemäß § 2 nach der Hinzurechnung von Zuschlägen zu und Abschlägen von der Finanzkraft.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Die Höhe des Zuschlags, der einem Land zu gewähren ist, beträgt 63 Prozent des Betrags, um den die Ausgleichsmesszahl dieses Landes seine Finanzkraftmesszahl übersteigt.

(2) Die Höhe des Abschlags, der von einem Land zu erheben ist, beträgt 63 Prozent des Betrags, um den die Finanzkraftmesszahl dieses Landes seine Ausgleichsmesszahl übersteigt. Soweit die Höhe des Abschlags eines Landes seinen nach § 2 ermittelten Anteil übersteigt, ist der Unterschiedsbetrag von diesem Land aufzubringen.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

Der Verteilung der Umsatzsteuer unter den Ländern ist ein angemessener Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraftverhältnisse hinzuzurechnen. Zu diesem Zweck erfolgt die Verteilung der Umsatzsteuer gemäß § 2 nach der Hinzurechnung von Zuschlägen zu und Abschlägen von der Finanzkraft.

(1) Die Höhe des Zuschlags, der einem Land zu gewähren ist, beträgt 63 Prozent des Betrags, um den die Ausgleichsmesszahl dieses Landes seine Finanzkraftmesszahl übersteigt.

(2) Die Höhe des Abschlags, der von einem Land zu erheben ist, beträgt 63 Prozent des Betrags, um den die Finanzkraftmesszahl dieses Landes seine Ausgleichsmesszahl übersteigt. Soweit die Höhe des Abschlags eines Landes seinen nach § 2 ermittelten Anteil übersteigt, ist der Unterschiedsbetrag von diesem Land aufzubringen.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

A.

1

Die Beschwerdeführerin, eine im Kreis Dithmarschen gelegene Gemeinde, wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen § 18 Abs. 2 und 3 sowie § 18a Abs. 1 Landesplanungsgesetz (LaplaG) in der Fassung vom 22. Mai 2015 (GVOBl S. 132). Sie sieht durch diese Vorschriften ihr Recht auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 54 Abs. 1 der Landesverfassung (LV) und Art. 28 Abs. 2 sowie Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verletzt.

I.

2

Durch die Teilfortschreibung des Regionalplanes für den Planungsraum IV (Schleswig-Holstein Süd-West, Kreise Dithmarschen und Steinburg) zur Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung im Jahre 2012 wurden unter Ziffer 5.8.2 bestimmte Räume Dithmarschens als „charakteristische Landschaftsräume“ mit der Folge der Unzulässigkeit der Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung bewertet. Hiervon war auch das Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin betroffen. Nachdem das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht durch Urteile vom 20. Januar 2015 (u.a. -1 KN 6/13 -, NordÖR 2015, 261 ff. = ZUR 2015, 498 ff.) die Teilfortschreibungen der Regionalpläne für die Planungsräume I und III in Normenkontrollverfahren für unwirksam erklärt hat, ist der Normenkontrollantrag der Beschwerdeführerin gegen die Teilfortschreibung des Regionalplans für den Planungsraum IV übereinstimmend für erledigt erklärt worden.

3

Aufgrund der genannten Urteile des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Januar 2015 erachtete die Landesregierung eine Neuplanung für erforderlich. Zur Absicherung dieser Neuplanung beschloss der Schleswig-Holsteinische Landtag am 22. Mai 2015 mit dem Windenergieplanungssicherstellungsgesetz eine Änderung des Landesplanungsgesetzes, die am 5. Juni 2015 in Kraft trat (GVOBl S. 132). Durch Artikel 1 des Gesetzes wurden in § 18 LaplaG in Absatz 1 die Worte „im Einzelfall“ nach dem Wort „Maßnahmen“ sowie die Absätze 2 und 3 neu eingefügt und außerdem die nach Artikel 2 des Gesetzes am 6. Juni 2017 außer Kraft tretende Vorschrift des § 18a LaplaG.

4

§§ 18, 18a LaplaG lauten in der seitdem geltenden Fassung wie folgt:

§18

Untersagung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen, Anpassung an
Ziele der Raumordnung

(1) Die Landesplanungsbehörde kann raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen im Einzelfall nach Maßgabe des § 14 ROG untersagen.

(2) Abweichend von § 14 Absatz 2 ROG kann die Landesplanungsbehörde gegenüber den in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen auch bestimmen, dass raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen zur Windenergienutzung sowie Entscheidungen über deren Zulässigkeit in einzelnen Planungsräumen befristet allgemein untersagt sind. Die Untersagung ist zulässig, wenn sich ein Raumordnungsplan in Aufstellung befindet, in dem als Ziel der Raumordnung eine räumliche Konzentration der Windenergienutzung bei gleichzeitigem Ausschluss an anderer Stelle im Planungsraum vorgesehen ist, und zu befürchten steht, dass Planungen und Maßnahmen zur Windenergienutzung außerhalb der dafür zukünftig vorgesehenen Gebiete die Verwirklichung der vorgesehenen Ziele der Raumordnung unmöglich machen oder wesentlich erschweren würden. Die Dauer der Untersagung beträgt bis zu zwei Jahre. Die Landesplanungsbehörde kann die Untersagung um ein weiteres Jahr verlängern. Die Landesplanungsbehörde kann allgemein für räumlich abgegrenzte Gebiete des Planungsraums oder im Einzelfall gegenüber den in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen Befreiungen von der Untersagung nach Satz 1 zulassen, wenn und soweit raumbedeutsame Planungen oder Maßnahmen nicht befürchten lassen, dass die Verwirklichung der in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert wird.

(3) Vorhaben, die vor dem Eintritt der Wirksamkeit der Untersagung genehmigt worden sind, sowie Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung werden von der Untersagung nicht berührt.

(4) Die Landesplanungsbehörde kann verlangen, dass die Trägerder Bauleitplanung ihre Flächennutzungspläne und Bebauungspläne an die Ziele der Raumordnung anpassen.

5

§ 18a

Vorläufige Unzulässigkeit von Windkraftanlagen und Ausnahmen

(1) Die Landesplanungsbehörde hat unverzüglich Verfahren zur Neuaufstellung von Raumordnungsplänen oder zur Fortschreibung bestehender Raumordnungspläne einzuleiten, mit denen Ziele und Grundsätze der Raumordnung zur räumlichen Steuerung der Errichtung von raumbedeutsamen Windkraftanlagen für alle Planungsräume aufgestellt werden. Zur Sicherung dieser Planung sind bis zum 5. Juni 2017 raumbedeutsame Windkraftanlagen im gesamten Landesgebiet vorläufig unzulässig.

(2) Die Landesplanungsbehörde kann allgemein für räumlich abgegrenzte Gebiete des Planungsraums oder im Einzelfall gegenüber den in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen Ausnahmen von der Unzulässigkeit nach Absatz 1 zulassen, wenn und soweit raumbedeutsame Windkraftanlagen nach dem jeweiligen Stand der in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung nicht befürchten lassen, dass sie die Verwirklichung dieser Ziele unmöglich machen oder wesentlich erschweren.

(3) § 18 Absatz 2 bleibt unberührt. § 18 Absatz 3 gilt entsprechend.

6

In der Gesetzesbegründung (Landtags-Drucksache 18/2983 ) heißt es unter anderem:

(...) Durch die dauerhafte Änderung des Landesplanungsgesetzes in § 18 Abs. 2 soll eine ausdrückliche Ermächtigung geschaffen werden, die vorläufige Untersagung nach § 14 Abs. 2 ROG nicht nur individuell gegenüber einzelnen Planungen und Maßnahmen, sondern generell für bestimmte Planungsräume oder das Landesgebiet auszusprechen. Nachdem das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht die Fortschreibungen der Regionalpläne für zwei Planungsräume für unwirksam erklärt hat, mit denen Ziele der Raumordnung für eine raumverträgliche Steuerung und Konzentration von Windkraftanlagen aufgestellt wurden, ist unabhängig von der Frage der Rechtskraft dieser Urteile eine Neuplanung ratsam. Mit § 18a des Landesplanungsgesetzes soll diese Neuplanung abgesichert werden, indem das Gesetz die vorläufige Unzulässigkeit raumbedeutsamer Windkraftanlagen für den im Gesetz bestimmten Zeitraum feststellt. Angesichts der Bedeutung, der Zahl und des Umfangs der betroffenen Planungen und Maßnahmen erscheint hierfür eine gesetzliche Regelung sachgerecht, um eine Entscheidung dieser Tragweite nicht allein der Verwaltung aufzuerlegen. (S. 4)

(...) Der Entwurf enthält eine das Bundesrecht ergänzende und insoweit davon abweichende allgemeine Regelung, die es der Landesplanungsbehörde zukünftig erlaubt, raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen nicht nur jeweils individuell, sondern ihrer Art nach generell zu untersagen, wenn und solange dies erforderlich ist, um die Neuaufstellung von Zielen der Raumordnung zu schützen. Um den Eingriff möglichst gering zu halten, werden der Landesplanungsbehörde Befreiungsmöglichkeiten eröffnet, aufgrund derer sie während der Neuaufstellung der Pläne solche Planungen und Maßnahmen von der generellen Untersagung ausnehmen kann, die sich nach den sich konkretisierenden Planungen oder wegen der Besonderheiten des Einzelfalls schon vorzeitig als mit den zukünftigen Zielen vereinbar erweisen. Darüber hinaus enthält der Entwurf die Feststellung der vorläufigen Unzulässigkeit raumbedeutsamer Windkraftanlagen im gesamten Landesgebiet, mit der die Neuaufstellung von Zielen der Raumordnung zur Steuerung der Windenergie gesichert werden soll. Hiervon werden Ausnahmen ausdrücklich zugelassen. (S. 5)

Zur Begründung, möglichen Alternativen und Gesetzesfolgen wird insbesondere ausgeführt:

Alternativ könnte auf die Regelungen verzichtet werden. Die Landesplanung könnte dann von § 14 Abs. 2 ROG und § 18 Abs. 1 LaplaG in der geltenden Fassung Gebrauch machen, um dieselbe Regelungswirkung herbeizuführen. Bei umfassenden Neuplanungen wäre damit allerdings aufgrund des nicht eindeutigen Bundesrechts ein erheblicher Verwaltungsaufwand für individuelle Untersagungen verbunden, der durch die Möglichkeit einer generellen Untersagung vereinfacht wird. (...) Das Gesetz schafft keine in der Sache neuen Aufgaben und Befugnisse, sondern ermöglicht es der Landesplanungsbehörde, anstelle einer Vielzahl individueller Untersagungen gemäß § 14 Abs. 2 ROG generelle Untersagungen mit der Möglichkeit von Ausnahmen auszusprechen. Dadurch erhält die Landesplanungsbehörde die Möglichkeit, bei einer Vielzahl von zu untersagenden Planungen und Maßnahmen ihren Verwaltungsaufwand zu verringern, indem sie das Verhältnis zwischen Ausnahme und Regel umkehrt. Für Bürger und Wirtschaft sind damit keine schwereren Eingriffe verbunden, als sie auch nach dem bisherigen Recht zulässig wären. § 18a LaplaG (neu) konkretisiert den nach § 14 Abs. 2 ROG individual möglichen Eingriff der Untersagung durch eine gesetzliche Anordnung der vorläufigen Unzulässigkeit aller derzeit noch im Genehmigungsverfahren anhängiger Windkraftanlagen. Um unerwünschte Folgen dieser generellen Untersagung abzumildern wird ausdrücklich auf die Ausnahmemöglichkeiten verwiesen (...). (S. 5 f.)

7

In einem Runderlass des Ministerpräsidenten, Staatskanzlei, - Landesplanungsbehörde - zur Teilfortschreibung des Landesentwicklungsplanes Schleswig-Holstein 2010 und Teilaufstellung der Regionalpläne (Sachthema Windenergie) für die Planungsräume I bis III vom 23. Juni 2015 - StK LPW - Az. 500.99 (ABl 2015, S. 772 ff.) wird unter anderem die Nichtanwendbarkeit der Teilfortschreibung 2012 des Regionalplanes für den Planungsraum IV (Kreise Dithmarschen und Steinburg) festgestellt. Des Weiteren trifft er Aussagen zur Anwendung der Neuregelungen in §§ 18, 18a LaplaG.

II.

8

Die beschwerdeführende Gemeinde trägt vor, sie wolle die Entwicklung von Windparkprojekten auf dem Gemeindegebiet fördern. Dort befinde sich bereits östlich der in unmittelbarer Nähe gelegenen Bundesautobahn A 23 ein Windenergiepark. Nunmehr solle dieser auch westlich der Autobahn um drei oder vier Anlagen erweitert werden. Eine Betreibergesellschaft sei vorhanden.

9

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde macht die Gemeinde geltend, § 18 Abs. 2 und Abs. 3 sowie § 18a Abs. 1 LaplaG seien mit Art. 54 LV sowie Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 3 GG unvereinbar. § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG greife unmittelbar und in unzulässiger Weise in ihre kommunale Planungshoheit ein, indem die Vorschrift den Gemeinden kategorisch untersage, Bauleitplanung zu Gunsten der Windenergie zu betreiben. Den Gemeinden bliebe keinerlei substantieller Raum mehr für eine konkretisierende Fach- und Bauleitplanung zu Gunsten der Windenergie, wenn die Errichtung von Windenergieanlagen für die Dauer von zunächst zwei Jahren ausgeschlossen sei.

10

Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie sei eine institutionelle Garantie, die als solche nicht beseitigt und auch nicht substantiell beschränkt werden dürfe. Neben der Planungshoheit treffe die Gemeinde auch eine Planungspflicht, die sie - die Beschwerdeführerin - verpflichte, der Windenergie in ihrem Gemeindegebiet Raum zu verschaffen. Das Totalverbot des neuen Landesplanungsgesetzes hindere sie daran. Hieran ändere auch der Ausnahmevorbehalt in § 18a Abs. 2 LaplaG nichts. Nach dem Vorbehalt des Gesetzes obliege es dem Gesetzgeber, selbst zu regeln, unter welchen Voraussetzungen raumbedeutsame Anlagen in den Außenbereichen (nach § 35 Baugesetzbuch) zuzulassen seien. Der Runderlass vom 23. Juni 2015 greife zur Zulassung von Ausnahmen über §18a Abs. 2 LaplaG in den verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich der kommunalen Planungshoheit und Selbstverwaltungsgarantie ein und widerspreche in entscheidenden Punkten der höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere im Hinblick auf die weichen Tabukriterien, namentlich die vorgesehenen Abstandsregelungen.

11

Der „streitbefangene“ Runderlass vom 23. Juni 2015 kollidiere mit §§ 35, 249 Abs. 3 BauGB und sei daher gemäß Art. 31 GG nichtig. Die Länderöffnungsklausel ermächtige die Länder lediglich zu Abstandsregelungen durch Landesgesetze, nicht aber durch bloße Verwaltungserlasse. Auch genüge der Planungserlass dem rechtsstaatlichen Gebot hinreichender Bestimmtheit nicht, da dieser den Begriff des charakteristischen Landschaftsraums nicht definiere. Schließlich verstoße der Erlass gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG.

12

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

festzustellen, dass § 18 Abs. 2 und 3 LaplaG sowie §18a Abs. 1 LaplaG in der Fassung vom 22. Mai 2015 (GVOBl S. 132) mit Art. 54 LV, Art. 28 Abs. 2 und Art. 3 GG unvereinbar sind.

III.

13

1. Die Landesregierung hält die kommunale Verfassungsbeschwerde bereits für unzulässig, jedenfalls für unbegründet.

14

Die Beschwerdeführerin sei durch den Beschwerdegegenstand nicht selbst und unmittelbar betroffen. § 18 Abs. 3 LaplaG betreffe den Bestand bereits abgeschlossener und umgesetzter Planungen und könne daher nicht in die gemeindliche Planungshoheit eingreifen. § 18a LaplaG entfalte keine unmittelbare Wirkung für die kommunale Bauleitplanung, denn kommunale Bauleitpläne zur Steuerung der Windenergienutzung blieben formell zulässig. Bereits nach seinem Wortlaut komme § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG lediglich befristet untersagende Wirkung für raumbedeutsame Windkraftanlagen - und damit für konkrete Vorhaben im Sinne des Raumordnungsrechts - zu, nicht hingegen für die gemeindliche Planung zur Steuerung solcher Vorhaben. Der Beschwerdeführerin bleibe es unbenommen, weiterhin Bauleitplanung zur Steuerung der Windenergienutzung zu betreiben. Sie gehe damit zwar das Risiko ein, dass sich ihre Planung gegebenenfalls nicht verwirklichen lasse. Dies folge jedoch nicht aus § 18a LaplaG, sondern vielmehr aus § 1 Abs. 4 BauGB, § 4 ROG und § 18 Abs. 4 LaplaG, da hiernach Bauleitpläne an geänderte Regionalpläne anzupassen seien. Die Untersagungswirkung des § 18 Abs. 2 LaplaG schließlich trete nicht unmittelbar kraft Gesetzes ein, sondern benötige einen Vollzugsakt in Form einer Untersagungsverfügung der Landesplanungsbehörde.

15

Des Weiteren sei eine Beeinträchtigung der kommunalen Planungshoheit nicht substantiiert dargelegt worden. Zu § 18 Abs. 2 und Abs. 3 LaplaG fehlten jegliche Ausführungen. Da § 18 Abs. 2 LaplaG dieselbe Wirkung wie § 14 Abs. 2 ROG habe, nur dass die Untersagung nach § 18 Abs. 2 LaplaG allgemein und nicht nur individuell ausgesprochen werden könne, hätte dargelegt werden müssen, inwieweit sich aus der Vorschrift ein unverhältnismäßiger Eingriff ergeben könne. Eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Rechtfertigungsfähigkeit von Eingriffen in die Planungshoheit finde ebenfalls nicht statt. Geltend gemacht werde lediglich, dass aufgrund § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG gegenwärtig keine auf Windenergie bezogene Bauleitplanung durchgeführt werden könne, was unzutreffend sei, da § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG derartige Planungen nicht erfasse. Vielmehr werde ausschließlich die Zulassung von raumbedeutsamen Windenergieanlagen temporär untersagt. Dass eine Bauleitplanung zum jetzigen Zeitpunkt unter Umständen wenig sinnvoll sei, beruhe nicht auf § 18a Abs. 1 LaplaG, sondern auf dem Umstand der Neuaufstellung der Regionalpläne.

16

Darüber hinaus sei die Verfassungsbeschwerde aber auch unbegründet, weil die durch § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG bewirkte temporäre Untersagung der Errichtung raumbedeutsamer Windkraftanlagen - eine die Planungshoheit beeinträchtigende Wirkung unterstellt - zur Sicherung der Landesplanung offensichtlich gerechtfertigt wäre.

17

2. Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag führt in seiner Stellungnahme im Wesentlichen aus, er habe die angegriffene Änderung des Landesplanungsgesetzes begrüßt. Sie habe im Prinzip die gleiche Wirkung wie eine planungssichernde Veränderungssperre, die durch die zeitliche Befristung der Unzulässigkeit von Windkraftanlagen bis zum 5. Juni 2017 deutlich begrenzt sei. § 18a LaplaG stelle im Ergebnis, insbesondere mit Blick auf die Ausnahmemöglichkeiten des Absatzes 2, den Zustand teilweise wieder her, wie er bei Geltung des Landesentwicklungsplanes beziehungsweise der Regionalpläne bestanden habe. Die angegriffene Vorschrift des § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG entfalte in erster Linie eine unmittelbare Wirkung für die zuständigen Genehmigungsbehörden des Landes. Gemeindliche Bauleitplanung werde dadurch nicht ausgeschlossen. Sie unterliege ohnehin seit den Urteilen des Oberverwaltungsgerichts vom 20. Januar 2015 dem Risiko der Vergeblichkeit, da das Land durch den Runderlass vom 23. Juni 2015 erklärt habe, auch künftig landesplanerisch den Windkraftausbau steuern zu wollen. Bis zum Abschluss dieser Landesplanung laufe eine Bauleitplanung der Gemeinden Gefahr, dass sie den künftigen landesplanerischen Feststellungen widerspreche und damit nicht wirksam sein könne.

B.

18

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

19

Das Landesverfassungsgericht entscheidet nach Art. 51 Abs. 2 Nr. 4 LV, § 3Nr. 4 Landesverfassungsgerichtsgesetz (LVerfGG) in Verbindung mit §47 LVerfGG über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen der Verletzung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung nach Art. 54 Abs. 1 und 2 LV durch ein Landesgesetz.

20

Die beschwerdeführende Gemeinde macht eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 54 LV sowie Art. 28 Abs. 2 und Art. 3 GG geltend. Prüfungsmaßstab ist gemäß Art. 51 Abs. 2 Nr. 4 LV, § 47 Abs. 1 LVerfGG jedoch allein Art. 54 Abs. 1 und 2 LV. Zudem können nur Landesgesetze, nicht aber der in der Beschwerdebegründung als ebenfalls „streitbefangen“ bezeichnete Runderlass vom 23. Juni 2015 Gegenstand der kommunalen Verfassungsbeschwerde sein.

21

In Bezug auf die gemäß Artikel 2 des Windenergieplanungssicherstellungsgesetzes am 5. Juni 2015 in Kraft getretenen Änderungen des Landesplanungsgesetzes ist zwar die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 LVerfGG mit der am 4. November 2015 beim Landesverfassungsgericht eingegangenen Beschwerdeschrift eingehalten. Auch verlangt das Landesverfassungsgerichtsgesetz keine Erschöpfung des Rechtsweges vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 -, LVerfGE 23, 361-381 = SchlHA 2012, 431-437 = NVwZ-RR 2012, 913-917, Rn. 29).

22

Allerdings muss die Beschwerdeführerin einen Sachverhalt darlegen, aufgrund dessen eine Verletzung ihrer Selbstverwaltungsgarantie möglich erscheint (I.). Die Gemeinde muss durch die angegriffene Regelung selbst, unmittelbar und gegenwärtig betroffen sein (II.)

(vgl. zum Ganzen Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 -, a.a.O., Rn. 28 m.w.N.).

Der Vortrag muss schlüssig sein und eine Verletzung des geltend gemachten Rechts - hier der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 54 Abs. 1 LV - als möglich erscheinen lassen.

I.

23

Grundsätzlich erfordert die nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG notwendige Begründung einer kommunalen Verfassungsbeschwerde unter anderem die hinreichend substantiierte Darlegung der Beschwerdebefugnis, das heißt die Darlegung, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Selbstverwaltung aus Art. 54 Abs. 1 LV verletzt sein kann. Die Beschwerdeschrift muss darstellen, dass die angegriffene Norm auf sie Anwendung findet, wie sie sich auf sie und das von ihr in Anspruch genommene Verfassungsrecht auswirkt und insbesondere, dass ihre Rechtsposition unmittelbar rechtlich und nicht nur mittelbar faktisch betroffen ist

(vgl. Hömig, in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/ Klein/ Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz - Kommentar - Band 2, § 92 BVerfGG Rn. 23 m.w.N. <2011 >).

Dabei ist hinsichtlich jeder angegriffenen Norm konkret darzulegen, wie sie das geltend gemachte Recht - hier die kommunale Selbstverwaltungsgarantie - betrifft

(i.d.S. auch LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Januar 2015 - LVG 77/10 -, Juris Rn. 46 .

24

Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die behauptete Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie durch § 18 Abs. 2 und Abs. 3 sowie § 18a Abs. 1 Satz 1 LaplaG nicht erfüllt. Denn die Beschwerdebegründung geht lediglich auf § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG ein, während § 18 Abs. 2 und Abs. 3 sowie § 18a Abs. 1 Satz 1 LaplaG nur im Antrag selbst Erwähnung finden.

25

Zur Erfüllung des Darlegungserfordernisses genügt es nicht, in einem Schriftsatz pauschal auf einen Aufsatz (von Bringewat in NordÖR 2016, 240 ff.) Bezug zu nehmen, der die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelungen in §§ 18, 18a LaplaG nicht nur im Hinblick auf die Planungshoheit der Gemeinden in den Blick nimmt. Darüber hinaus ist der Schriftsatz erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 LVerfGG eingegangen.

26

Ausführungen zu § 18 Abs. 2 LaplaG wären jedoch insofern besonders naheliegend - und erforderlich - gewesen, und zwar innerhalb der Jahresfrist, als die Vorschrift - abgesehen davon, dass sie im Gegensatz zu § 14 Abs. 2 ROG nicht lediglich eine individuelle, sondern eine allgemeine Untersagung ermöglicht - gleichlautend mit § 14 Abs. 2 ROG ist. Im Übrigen hätte sich die Beschwerdeschrift damit auseinandersetzen müssen, dass sich die nach § 18 Abs. 2 LaplaG mögliche Untersagung - anders als diejenige nach § 14 ROG - lediglich auf raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen zur Windenergienutzung (und nicht auf raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen im Allgemeinen) bezieht und darüber hinaus § 18 Abs. 2 Satz 5 LaplaG - anders als § 14 ROG - eine Befreiungsregelung vorsieht, die unter Umständen geeignet sein könnte, eventuelle Beeinträchtigungen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie zu kompensieren.

27

Eine rechtliche Betroffenheit der Beschwerdeführerin in ihrem Selbstverwaltungsrecht in Gestalt der Planungshoheit kann sich aus § 18 Abs. 3 LaplaG nicht ergeben. Die Vorschrift betrifft ausschließlich Genehmigungsverfahren für raumbedeutsame Windkraftanlagen, nicht jedoch Planungsverfahren und hat mithin keine Auswirkungen auf die Planungshoheit der Beschwerdeführerin. Sie stellt eine Bestandsschutzregelung für Vorhaben und Anlagen dar, für die bereits eine Genehmigung ergangen ist (vgl. Landtags-Drucksache 18/2983 , S. 8). Vor diesem Hintergrund wäre eine gleichwohl behauptete Beschwerdebefugnis in Bezug auf § 18 Abs. 3 LaplaG gesondert darzulegen gewesen, zumal die Beschwerdeführerin ausschließlich einen Eingriff in ihre Planungshoheit rügt.

28

Ähnliches gilt für § 18a Abs. 1 Satz 1 LaplaG, dessen Adressat die Landesplanungsbehörde ist und nicht die Gemeinde. Die Landesplanungsbehörde - und nicht die Gemeinde - wird verpflichtet, unverzüglich Verfahren zur Neuaufstellung von Raumordnungsplänen oder zur Fortschreibung bestehender Raumordnungspläne einzuleiten, mit denen Ziele und Grundsätze der Raumordnung zur räumlichen Steuerung der Errichtung von raumbedeutsamen Windkraftanlagen für alle Planungsräume aufgestellt werden. Hier hätte dargestellt werden müssen, wie sich diese nicht an die Gemeinden adressierte Regelung auf die Planungshoheit der Gemeinden auswirken kann.

II.

29

Die Beschwerdebegründung enthält zwar Ausführungen zu § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG. Jedoch fehlt der Beschwerdeführerin gleichwohl die Beschwerdebefugnis. Sie kann durch die Vorschrift nicht unmittelbar in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht in Gestalt der Planungshoheit aus Art. 54 Abs. 1 LV betroffen sein, weil die Vorschrift nicht die Bauleitplanung der Gemeinden regelt.

30

1. Nach Art. 54 Abs. 1 LV sind die Gemeinden berechtigt und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, in ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen, soweit die Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen. Die Vorschrift sichert den Gemeinden damit, ebenso wie Art. 28 Abs. 2 GG, einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich

(vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 - 2 BvK 1/00 -, BVerfGE 103, 332 ff., Juris Rn. 89).

Das kommunale Selbstverwaltungsrecht schützt über die gemeindliche Planungshoheit auch das Recht der Gemeinde, eigenverantwortlich ihr territoriales Gebiet zu beplanen, so dass Eingriffe des Gesetzgebers in die Planungshoheit der Gemeinden grundsätzlich das kommunale Selbstverwaltungsrecht verletzen können.

31

2. Die Beschwerdeführerin sieht sich durch § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG in ihrer Planungshoheit verletzt. § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG kann aber nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte nicht als planungsrechtliche Vorschrift verstanden werden. Die zu den neuen Regelungen in §§ 18, 18a LaplaG ergangenen Erlasse der Landesregierung stehen diesem Ergebnis nicht entgegen.

32

a) Bereits die Überschrift sowie die systematische Stellung des § 18a LaplaG sprechen dagegen, dass § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG die Planungshoheit von Gemeinden unmittelbar betrifft. Denn während § 18 LaplaG bereits nach seiner Überschrift - sowie nach seinem Inhalt - auch (raumbedeutsame) Planungen betrifft, regelt § 18a LaplaG nach seiner Überschrift nur die „vorläufige (Un-)Zulässigkeit von Windkraftanlagen und Ausnahmen“, betrifft also ausschließlich das Genehmigungsverfahren.

33

Dies verdeutlicht auch der Wortlaut des § 18a LaplaG - insbesondere des § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG. Denn hiernach sind „(z)ur Sicherung dieser Planung (...) bis zum 5. Juni 2017 raumbedeutsame Windkraftanlagen im gesamten Landesgebiet vorläufig unzulässig.“ Dies spricht - neben der systematischen Stellung des § 18a LaplaG im Verhältnis zu § 18 LaplaG - dafür, dass es sich mit Ausnahme des Absatzes 1 Satz 1 bei § 18a LaplaG um eine genehmigungsrechtliche und nicht planungsrechtliche Vorschrift handelt, die die Zulässigkeit von Windkraftanlagen, nicht hingegen die Planung derselben und damit die Planungshoheit der Gemeinden betrifft.

34

b) Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Entstehungsgeschichte des § 18a LaplaG. Zwar folgt aus der Gesetzesbegründung (Landtags-Drucksache 18/2983 ), dass der Gesetzgeber offensichtlich davon ausgeht, dass §18a LaplaG die Regelung des §18 Abs. 2 LaplaG vorwegnimmt und damit auch die Planung betrifft. So heißt es in der Gesetzesbegründung (S. 9 unter 4.) unter anderem:

§ 18a LaplaG nimmt als gesetzliche Regelung die Anwendung des neuen § 18 Abs. 2 durch die Landesplanungsbehörde auf die in § 18a Abs. 1 Satz 1 LaplaG und unter A. I. dieser Begründung genannte Neuplanung vorweg.

35

§ 18 Abs. 2 LaplaG ermöglicht nach seinem Satz 1 aber nicht ausschließlich die (befristete allgemeine) Untersagung von Planungen, sondern auch die Untersagung von raumbedeutsamen „Maßnahmen zur Windenergienutzung sowie Entscheidungen über deren Zulässigkeit in einzelnen Planungsräumen“. Es handelt sich bei § 18 Abs. 2 LaplaG sowohl um eine planungsrechtliche als auch um eine genehmigungsrechtliche Vorschrift. Liest man die Gesetzesbegründung vor diesem Hintergrund, bleibt die Planungshoheit der Gemeinden unberührt und es geht im Einklang mit dem Wortlaut und der Systematik des § 18a LaplaG nur um die vorläufige Unzulässigkeit von Windkraftanlagen, deren allgemeine Anordnung durch die Landesplanungsbehörde § 18 Abs. 2 LaplaG ermöglicht und die durch § 18a LaplaG (vom Gesetzgeber) vorweggenommen worden ist.

36

Dementsprechend werden in der weiteren Gesetzesbegründung (Landtags-Drucksache 18/2983 S. 9 unter 4.) zu § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG ausschließlich dessen Auswirkungen auf das „jeweilige Genehmigungsverfahren der einzelnen Windkraftanlage“ beschrieben, nicht aber solche auf die Bauleitplanung von raumbedeutsamen Windkraftanlagen durch die Gemeinden:

Zur Sicherung dieser Planung sind zunächst für einen Zeitraum von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes raumbedeutsame Windenergieanlagen gemäß § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG vorläufig unzulässig. Das Gesetz trifft keine Regelung über das jeweilige Genehmigungsverfahren der einzelnen Windkraftanlage, sondern normiert nur deren zeitlich begrenzte, raumordnerische Unzulässigkeit. Die Wirkung ist an diejenige einer baurechtlichen Veränderungssperre angelehnt und trifft keine Aussage über die endgültige raumordnerische Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Anlage. Diese Aussage bleibt den schlussabgewogenen Raumordnungsinstrumenten der Landesplanung vorbehalten.

37

c) Diesen Gedanken aus der Gesetzesbegründung nimmt der gemeinsame Beratungserlass der Staatskanzlei, des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten und des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein vom 2. Februar 2016 (veröffentlicht auf der Internetseite der Landesregierung) auf Seite 7 unter 5. auf. Darin geht es um die „Sinnhaftigkeit“, nicht aber um eine etwaige Unzulässigkeit einer Bauleitplanung:

Die Gemeinden können in der Phase, in der WKA gemäß § 18a LaplaG unzulässig sind und nur in Ausnahmefällen zugelassen werden können, Bauleitplanungen zur gemeindlichen Steuerung der Windenergienutzung nur noch unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll auf den Weg bringen oder bereits begonnene Planungen weiterbetreiben. (...)

Weiter heißt es auf Seite 8 des Erlasses:

Die Landesplanungsbehörde empfiehlt daher, eine bereits begonnene Bauleitplanung nicht vor Neuaufstellung der Teilregionalpläne Wind weiterzuführen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung von der gemeindlichen Planung berührt werden und die Verwirklichung der zukünftigen Ziele damit unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde.

Insofern wird auf die Regelung des § 1 Abs. 4 BauGB abgestellt, nach der Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen sind. Auch später in Kraft tretende Ziele der Raumordnung lösen, sofern sie nicht bereits als sonstige Erfordernisse der Raumordnung in der Abwägung als in Aufstellung befindlich zu berücksichtigen waren, eine Anpassungspflicht im Sinne einer Planänderung aus

(Runkel in: Ernst/ Zinkahn/ Bielenberg/ Krautzberger, Baugesetzbuch, § 1 Abs. 4, Rn. 69 <2009>; Battis in: Battis/ Krautzberger/ Löhr, Baugesetzbuch, 13. Aufl. 2016, § 1 Rn. 32; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 4. April 2012 -1 LB 7/12 -, NordÖR 2013, 518, Juris Rn. 53; vgl. auch § 4 ROG, § 18 Abs. 4 LaplaG).

38

Dass eine Bauleitplanung zum jetzigen Zeitpunkt unter Umständen wenig sinnvoll ist, beruht nicht auf § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG, sondern auf dem Umstand der Neuaufstellung der Regionalpläne, mit denen Ziele und Grundsätze der Raumordnung zur räumlichen Steuerung der Errichtung von raumbedeutsamen Windkraftanlagen festgelegt werden sollen. Bis zum Inkrafttreten der neuen Regionalpläne haben diese zwar keine Bindungswirkung

(vgl. Battis, a.a.O., § 1 Rn. 40; sowie OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. November 2015 - OVG 10 A 7.13-, BauR 2016, 617, Juris Rn. 55),

ihre in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung sind aber als öffentlicher Belang von der Gemeinde nach § 1 Abs. 7 BauGB in die Abwägung einzustellen und zu berücksichtigen, sobald sie inhaltlich hinreichend konkretisiert sind und zu erwarten ist, dass sie sich zu verbindlichen, den Wirksamkeitsanforderungen genügenden Zielfestlegungen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG verfestigen

(vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2005 - 4 C 5/04 -, BVerwGE 122, 364 ff., Juris Ls. 2, Juris Rn. 27 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. November 2015 - OVG 10 A 7.13 -, a.a.O., Juris Rn. 56 m.w.N.).

39

Den Gedanken der Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB nimmt zwar auch der Runderlass vom 23. Juni 2015 (StK LPW - 500.99; ABl S. 772 <777>) auf, spricht aber zugleich § 18a LaplaG Wirkungen in Bezug auf die Aufstellung gemeindlicher Bauleitpläne zu, wenn es dort unter VI. heißt

Für die gemeindliche Bauleitplanung besteht die bundesrechtlich normierte Pflicht zur zwingenden Beachtung der Ziele der Raumordnung gemäß § 1 Abs. 4 Baugesetzbuch (...). Dies schließt auch die Pflicht zur Anpassung geltender Bauleitpläne ein. Ansonsten erfasst § 18a LaplaG auch die Aufstellung von gemeindlichen Bauleitplanungen.

Ähnlich könnte der gemeinsame Beratungserlass vom 2. Februar 2016 verstanden werden, nach dem die Landesplanungsbehörden auch für Bauleitplanverfahren der Gemeinden Ausnahmeprüfungen gemäß § 18a Abs. 2 LaplaG durchführen:

5.1 Prüfung der Ausnahmezulässigkeit im Rahmen der gemeindlichen Bauleitplanung

Eine gemeindliche Bauleitplanung wird auf Ausnahmefähigkeit gemäß § 18a Abs. 2 LaplaG geprüft. Denn nach § 18a Abs. 2 LaplaG kann die Landesplanungsbehörde gegenüber den in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen Ausnahmen von der generellen Unzulässigkeit raumbedeutsamer Windkraftanlagen zulassen. Zu den in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen zählen auch die planenden Gemeinden (...). § 18a nimmt als gesetzliche Regelung die Anwendung des neuen § 18 Abs. 2 LaplaG vorweg, um die Neuplanung der Landesplanungsbehörde zu sichern (vgl. Landtags-Drucksache 18/2983, Begründung zur Art. 1 Nr. 2). Da § 18 Abs. 2 Satz 1 ausdrücklich „raumbedeutsame Planungen“ der in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen zur Windenergienutzung erfasst, ist davon auszugehen, dass auch die Regelung in § 18a Abs. 2 LaplaG raumbedeutsame Planungen zur Windenergienutzung und damit die Bauleitplanung der Gemeinden in Bezug auf raumbedeutsame Windkraftanlagen umfasst. (...)

40

Die genannten Auswirkungen des § 18a LaplaG werden in den beiden Erlassen zwar nur auf § 18a Abs. 2 LaplaG und nicht auf § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG bezogen. Allerdings können die Ausführungen auch dahingehend verstanden werden, dass zur Sicherung der Neuplanung nach § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG nicht nur raumbedeutsame Windkraftanlagen bis zum 5. Juni 2017 vorläufig unzulässig sind, sondern gleichermaßen Bauleitplanungen, mit denen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung raumbedeutsamer Windkraftanlagen geschaffen werden sollen, wie dies die von der Beschwerdeführerin beigefügte Stellungnahme der Landesplanungsbehörde (nach den Vorgaben des § 11 LaplaG) im Rahmen ihrer Beteiligung im Aufstellungsverfahren für die Bauleitplanung einer anderen Gemeinde ausdrücklich festhält.

41

Indes kommt weder dieser Stellungnahme noch den Erlassen, sollten sie entsprechend gemeint gewesen sein, und dem in diese Richtung deutbaren Kostenbeschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 10. September 2015 - 6 A 190/13 - (SchlHA 2016, 194 ff.) eine unmittelbare Rechtswirkung in Bezug auf eine von der Beschwerdeführerin beabsichtigte Bauleitplanung zu. Erlasse stellen bloße norminterpretierende Auslegungshilfen für die an der Bauleitplanung und dem Baugenehmigungsverfahren beteiligten Behörden dar. Allein rechtlich ausschlaggebend ist indes die Gesetzeslage nach §18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG. Danach sind bis zum 5. Juni 2017 raumbedeutsame Windkraftanlagen im gesamten Landesgebiet vorläufig unzulässig; dass dies auch für die Planung derselben gilt, hat der Gesetzgeber nicht geregelt.

C.

42

In Folge der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde hat sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt.

43

Der Antrag gibt dem Gericht jedoch Anlass zu folgendem Hinweis:

44

Das Landesverfassungsgericht kann nach § 30 Abs. 1 LVerfGG „im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln“. Dieser Zustand ist der Sachverhalt, der die verfassungsrechtliche Meinungsverschiedenheit in der Hauptsache ausgelöst hat

(BVerfG, Beschlüsse vom 23. Juni 1958 - 2 BvQ 3/58 -, BVerfGE 8, 42 ff., Juris Rn. 8; vom 19. Dezember 1967 - 2 BvQ 2/67 -, BVerfGE 23, 42 ff., Juris Rn. 38; Graßhof in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/ Klein/ Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz - Kommentar -, Band 1, § 32 BVerfGG Rn. 168 <2002>).

45

Bei dem Verfahren über eine einstweilige Anordnung handelt es sich um ein Nebenverfahren in einem Verfassungsrechtsstreit; zwischen Haupt- und Nebenverfahren besteht eine innere Sachbezogenheit

(BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1971 - 1 BvR 96/71 -, BVerfGE 31, 87 ff., Juris Rn. 9).

Deshalb setzt der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich ein entsprechendes Hauptsacheverfahren voraus und ist auf die vorläufige Sicherung der Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der nachfolgenden verfassungsgerichtlichen Entscheidung gerichtet

(BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 1994 - 2 BvR 2760/93 u.a. -, BVerfGE 91, 70 ff., Juris Rn. 13; Graßhof, a.a.O, § 32 BVerfGG Rn. 1).

Die Sicherungsanordnung kann sich nur auf das im Hauptsacheverfahren verfolgte Ziel beziehen

(BVerfG, Beschluss vom 31. März 1992- 1 BvR 720/90 -, BVerfGE 86, 46 ff., Juris Rn. 11; Graßhof, a.a.O., §32 BVerfGG Rn. 159).

46

Diese Voraussetzung war hier schon nicht erfüllt, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf eine andere Begründung als die kommunale Verfassungsbeschwerde gestützt worden ist. Er ist primär mit wirtschaftlichen Nachteilen eines - nicht näher genannten - Anlagenbetreibers von vier Windkraftanlagen begründet worden, die diesen infolge geplanter Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes beträfen, wenn er wegen § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG die Genehmigung dieser Anlagen nicht mehr in diesem Jahr erhielte. Demgegenüber ist die Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen darauf gestützt, § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG greife dadurch in unzulässiger Weise in die Planungshoheit der Gemeinden ein, dass diesen kategorisch untersagt werde, Bauleitplanung zu Gunsten der Windenergie zu betreiben.

D.

47

Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 33 Abs. 4 LVerfGG). Eine Entscheidung über die Vollstreckung entfällt (§ 34 LVerfGG).

48

Der Beschluss ist einstimmig ergangen.


(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

A.

1

Die Beschwerdeführerin, eine im Kreis Dithmarschen gelegene Gemeinde, wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen § 18 Abs. 2 und 3 sowie § 18a Abs. 1 Landesplanungsgesetz (LaplaG) in der Fassung vom 22. Mai 2015 (GVOBl S. 132). Sie sieht durch diese Vorschriften ihr Recht auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 54 Abs. 1 der Landesverfassung (LV) und Art. 28 Abs. 2 sowie Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verletzt.

I.

2

Durch die Teilfortschreibung des Regionalplanes für den Planungsraum IV (Schleswig-Holstein Süd-West, Kreise Dithmarschen und Steinburg) zur Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung im Jahre 2012 wurden unter Ziffer 5.8.2 bestimmte Räume Dithmarschens als „charakteristische Landschaftsräume“ mit der Folge der Unzulässigkeit der Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung bewertet. Hiervon war auch das Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin betroffen. Nachdem das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht durch Urteile vom 20. Januar 2015 (u.a. -1 KN 6/13 -, NordÖR 2015, 261 ff. = ZUR 2015, 498 ff.) die Teilfortschreibungen der Regionalpläne für die Planungsräume I und III in Normenkontrollverfahren für unwirksam erklärt hat, ist der Normenkontrollantrag der Beschwerdeführerin gegen die Teilfortschreibung des Regionalplans für den Planungsraum IV übereinstimmend für erledigt erklärt worden.

3

Aufgrund der genannten Urteile des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Januar 2015 erachtete die Landesregierung eine Neuplanung für erforderlich. Zur Absicherung dieser Neuplanung beschloss der Schleswig-Holsteinische Landtag am 22. Mai 2015 mit dem Windenergieplanungssicherstellungsgesetz eine Änderung des Landesplanungsgesetzes, die am 5. Juni 2015 in Kraft trat (GVOBl S. 132). Durch Artikel 1 des Gesetzes wurden in § 18 LaplaG in Absatz 1 die Worte „im Einzelfall“ nach dem Wort „Maßnahmen“ sowie die Absätze 2 und 3 neu eingefügt und außerdem die nach Artikel 2 des Gesetzes am 6. Juni 2017 außer Kraft tretende Vorschrift des § 18a LaplaG.

4

§§ 18, 18a LaplaG lauten in der seitdem geltenden Fassung wie folgt:

§18

Untersagung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen, Anpassung an
Ziele der Raumordnung

(1) Die Landesplanungsbehörde kann raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen im Einzelfall nach Maßgabe des § 14 ROG untersagen.

(2) Abweichend von § 14 Absatz 2 ROG kann die Landesplanungsbehörde gegenüber den in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen auch bestimmen, dass raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen zur Windenergienutzung sowie Entscheidungen über deren Zulässigkeit in einzelnen Planungsräumen befristet allgemein untersagt sind. Die Untersagung ist zulässig, wenn sich ein Raumordnungsplan in Aufstellung befindet, in dem als Ziel der Raumordnung eine räumliche Konzentration der Windenergienutzung bei gleichzeitigem Ausschluss an anderer Stelle im Planungsraum vorgesehen ist, und zu befürchten steht, dass Planungen und Maßnahmen zur Windenergienutzung außerhalb der dafür zukünftig vorgesehenen Gebiete die Verwirklichung der vorgesehenen Ziele der Raumordnung unmöglich machen oder wesentlich erschweren würden. Die Dauer der Untersagung beträgt bis zu zwei Jahre. Die Landesplanungsbehörde kann die Untersagung um ein weiteres Jahr verlängern. Die Landesplanungsbehörde kann allgemein für räumlich abgegrenzte Gebiete des Planungsraums oder im Einzelfall gegenüber den in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen Befreiungen von der Untersagung nach Satz 1 zulassen, wenn und soweit raumbedeutsame Planungen oder Maßnahmen nicht befürchten lassen, dass die Verwirklichung der in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert wird.

(3) Vorhaben, die vor dem Eintritt der Wirksamkeit der Untersagung genehmigt worden sind, sowie Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung werden von der Untersagung nicht berührt.

(4) Die Landesplanungsbehörde kann verlangen, dass die Trägerder Bauleitplanung ihre Flächennutzungspläne und Bebauungspläne an die Ziele der Raumordnung anpassen.

5

§ 18a

Vorläufige Unzulässigkeit von Windkraftanlagen und Ausnahmen

(1) Die Landesplanungsbehörde hat unverzüglich Verfahren zur Neuaufstellung von Raumordnungsplänen oder zur Fortschreibung bestehender Raumordnungspläne einzuleiten, mit denen Ziele und Grundsätze der Raumordnung zur räumlichen Steuerung der Errichtung von raumbedeutsamen Windkraftanlagen für alle Planungsräume aufgestellt werden. Zur Sicherung dieser Planung sind bis zum 5. Juni 2017 raumbedeutsame Windkraftanlagen im gesamten Landesgebiet vorläufig unzulässig.

(2) Die Landesplanungsbehörde kann allgemein für räumlich abgegrenzte Gebiete des Planungsraums oder im Einzelfall gegenüber den in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen Ausnahmen von der Unzulässigkeit nach Absatz 1 zulassen, wenn und soweit raumbedeutsame Windkraftanlagen nach dem jeweiligen Stand der in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung nicht befürchten lassen, dass sie die Verwirklichung dieser Ziele unmöglich machen oder wesentlich erschweren.

(3) § 18 Absatz 2 bleibt unberührt. § 18 Absatz 3 gilt entsprechend.

6

In der Gesetzesbegründung (Landtags-Drucksache 18/2983 ) heißt es unter anderem:

(...) Durch die dauerhafte Änderung des Landesplanungsgesetzes in § 18 Abs. 2 soll eine ausdrückliche Ermächtigung geschaffen werden, die vorläufige Untersagung nach § 14 Abs. 2 ROG nicht nur individuell gegenüber einzelnen Planungen und Maßnahmen, sondern generell für bestimmte Planungsräume oder das Landesgebiet auszusprechen. Nachdem das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht die Fortschreibungen der Regionalpläne für zwei Planungsräume für unwirksam erklärt hat, mit denen Ziele der Raumordnung für eine raumverträgliche Steuerung und Konzentration von Windkraftanlagen aufgestellt wurden, ist unabhängig von der Frage der Rechtskraft dieser Urteile eine Neuplanung ratsam. Mit § 18a des Landesplanungsgesetzes soll diese Neuplanung abgesichert werden, indem das Gesetz die vorläufige Unzulässigkeit raumbedeutsamer Windkraftanlagen für den im Gesetz bestimmten Zeitraum feststellt. Angesichts der Bedeutung, der Zahl und des Umfangs der betroffenen Planungen und Maßnahmen erscheint hierfür eine gesetzliche Regelung sachgerecht, um eine Entscheidung dieser Tragweite nicht allein der Verwaltung aufzuerlegen. (S. 4)

(...) Der Entwurf enthält eine das Bundesrecht ergänzende und insoweit davon abweichende allgemeine Regelung, die es der Landesplanungsbehörde zukünftig erlaubt, raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen nicht nur jeweils individuell, sondern ihrer Art nach generell zu untersagen, wenn und solange dies erforderlich ist, um die Neuaufstellung von Zielen der Raumordnung zu schützen. Um den Eingriff möglichst gering zu halten, werden der Landesplanungsbehörde Befreiungsmöglichkeiten eröffnet, aufgrund derer sie während der Neuaufstellung der Pläne solche Planungen und Maßnahmen von der generellen Untersagung ausnehmen kann, die sich nach den sich konkretisierenden Planungen oder wegen der Besonderheiten des Einzelfalls schon vorzeitig als mit den zukünftigen Zielen vereinbar erweisen. Darüber hinaus enthält der Entwurf die Feststellung der vorläufigen Unzulässigkeit raumbedeutsamer Windkraftanlagen im gesamten Landesgebiet, mit der die Neuaufstellung von Zielen der Raumordnung zur Steuerung der Windenergie gesichert werden soll. Hiervon werden Ausnahmen ausdrücklich zugelassen. (S. 5)

Zur Begründung, möglichen Alternativen und Gesetzesfolgen wird insbesondere ausgeführt:

Alternativ könnte auf die Regelungen verzichtet werden. Die Landesplanung könnte dann von § 14 Abs. 2 ROG und § 18 Abs. 1 LaplaG in der geltenden Fassung Gebrauch machen, um dieselbe Regelungswirkung herbeizuführen. Bei umfassenden Neuplanungen wäre damit allerdings aufgrund des nicht eindeutigen Bundesrechts ein erheblicher Verwaltungsaufwand für individuelle Untersagungen verbunden, der durch die Möglichkeit einer generellen Untersagung vereinfacht wird. (...) Das Gesetz schafft keine in der Sache neuen Aufgaben und Befugnisse, sondern ermöglicht es der Landesplanungsbehörde, anstelle einer Vielzahl individueller Untersagungen gemäß § 14 Abs. 2 ROG generelle Untersagungen mit der Möglichkeit von Ausnahmen auszusprechen. Dadurch erhält die Landesplanungsbehörde die Möglichkeit, bei einer Vielzahl von zu untersagenden Planungen und Maßnahmen ihren Verwaltungsaufwand zu verringern, indem sie das Verhältnis zwischen Ausnahme und Regel umkehrt. Für Bürger und Wirtschaft sind damit keine schwereren Eingriffe verbunden, als sie auch nach dem bisherigen Recht zulässig wären. § 18a LaplaG (neu) konkretisiert den nach § 14 Abs. 2 ROG individual möglichen Eingriff der Untersagung durch eine gesetzliche Anordnung der vorläufigen Unzulässigkeit aller derzeit noch im Genehmigungsverfahren anhängiger Windkraftanlagen. Um unerwünschte Folgen dieser generellen Untersagung abzumildern wird ausdrücklich auf die Ausnahmemöglichkeiten verwiesen (...). (S. 5 f.)

7

In einem Runderlass des Ministerpräsidenten, Staatskanzlei, - Landesplanungsbehörde - zur Teilfortschreibung des Landesentwicklungsplanes Schleswig-Holstein 2010 und Teilaufstellung der Regionalpläne (Sachthema Windenergie) für die Planungsräume I bis III vom 23. Juni 2015 - StK LPW - Az. 500.99 (ABl 2015, S. 772 ff.) wird unter anderem die Nichtanwendbarkeit der Teilfortschreibung 2012 des Regionalplanes für den Planungsraum IV (Kreise Dithmarschen und Steinburg) festgestellt. Des Weiteren trifft er Aussagen zur Anwendung der Neuregelungen in §§ 18, 18a LaplaG.

II.

8

Die beschwerdeführende Gemeinde trägt vor, sie wolle die Entwicklung von Windparkprojekten auf dem Gemeindegebiet fördern. Dort befinde sich bereits östlich der in unmittelbarer Nähe gelegenen Bundesautobahn A 23 ein Windenergiepark. Nunmehr solle dieser auch westlich der Autobahn um drei oder vier Anlagen erweitert werden. Eine Betreibergesellschaft sei vorhanden.

9

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde macht die Gemeinde geltend, § 18 Abs. 2 und Abs. 3 sowie § 18a Abs. 1 LaplaG seien mit Art. 54 LV sowie Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 3 GG unvereinbar. § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG greife unmittelbar und in unzulässiger Weise in ihre kommunale Planungshoheit ein, indem die Vorschrift den Gemeinden kategorisch untersage, Bauleitplanung zu Gunsten der Windenergie zu betreiben. Den Gemeinden bliebe keinerlei substantieller Raum mehr für eine konkretisierende Fach- und Bauleitplanung zu Gunsten der Windenergie, wenn die Errichtung von Windenergieanlagen für die Dauer von zunächst zwei Jahren ausgeschlossen sei.

10

Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie sei eine institutionelle Garantie, die als solche nicht beseitigt und auch nicht substantiell beschränkt werden dürfe. Neben der Planungshoheit treffe die Gemeinde auch eine Planungspflicht, die sie - die Beschwerdeführerin - verpflichte, der Windenergie in ihrem Gemeindegebiet Raum zu verschaffen. Das Totalverbot des neuen Landesplanungsgesetzes hindere sie daran. Hieran ändere auch der Ausnahmevorbehalt in § 18a Abs. 2 LaplaG nichts. Nach dem Vorbehalt des Gesetzes obliege es dem Gesetzgeber, selbst zu regeln, unter welchen Voraussetzungen raumbedeutsame Anlagen in den Außenbereichen (nach § 35 Baugesetzbuch) zuzulassen seien. Der Runderlass vom 23. Juni 2015 greife zur Zulassung von Ausnahmen über §18a Abs. 2 LaplaG in den verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich der kommunalen Planungshoheit und Selbstverwaltungsgarantie ein und widerspreche in entscheidenden Punkten der höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere im Hinblick auf die weichen Tabukriterien, namentlich die vorgesehenen Abstandsregelungen.

11

Der „streitbefangene“ Runderlass vom 23. Juni 2015 kollidiere mit §§ 35, 249 Abs. 3 BauGB und sei daher gemäß Art. 31 GG nichtig. Die Länderöffnungsklausel ermächtige die Länder lediglich zu Abstandsregelungen durch Landesgesetze, nicht aber durch bloße Verwaltungserlasse. Auch genüge der Planungserlass dem rechtsstaatlichen Gebot hinreichender Bestimmtheit nicht, da dieser den Begriff des charakteristischen Landschaftsraums nicht definiere. Schließlich verstoße der Erlass gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG.

12

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

festzustellen, dass § 18 Abs. 2 und 3 LaplaG sowie §18a Abs. 1 LaplaG in der Fassung vom 22. Mai 2015 (GVOBl S. 132) mit Art. 54 LV, Art. 28 Abs. 2 und Art. 3 GG unvereinbar sind.

III.

13

1. Die Landesregierung hält die kommunale Verfassungsbeschwerde bereits für unzulässig, jedenfalls für unbegründet.

14

Die Beschwerdeführerin sei durch den Beschwerdegegenstand nicht selbst und unmittelbar betroffen. § 18 Abs. 3 LaplaG betreffe den Bestand bereits abgeschlossener und umgesetzter Planungen und könne daher nicht in die gemeindliche Planungshoheit eingreifen. § 18a LaplaG entfalte keine unmittelbare Wirkung für die kommunale Bauleitplanung, denn kommunale Bauleitpläne zur Steuerung der Windenergienutzung blieben formell zulässig. Bereits nach seinem Wortlaut komme § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG lediglich befristet untersagende Wirkung für raumbedeutsame Windkraftanlagen - und damit für konkrete Vorhaben im Sinne des Raumordnungsrechts - zu, nicht hingegen für die gemeindliche Planung zur Steuerung solcher Vorhaben. Der Beschwerdeführerin bleibe es unbenommen, weiterhin Bauleitplanung zur Steuerung der Windenergienutzung zu betreiben. Sie gehe damit zwar das Risiko ein, dass sich ihre Planung gegebenenfalls nicht verwirklichen lasse. Dies folge jedoch nicht aus § 18a LaplaG, sondern vielmehr aus § 1 Abs. 4 BauGB, § 4 ROG und § 18 Abs. 4 LaplaG, da hiernach Bauleitpläne an geänderte Regionalpläne anzupassen seien. Die Untersagungswirkung des § 18 Abs. 2 LaplaG schließlich trete nicht unmittelbar kraft Gesetzes ein, sondern benötige einen Vollzugsakt in Form einer Untersagungsverfügung der Landesplanungsbehörde.

15

Des Weiteren sei eine Beeinträchtigung der kommunalen Planungshoheit nicht substantiiert dargelegt worden. Zu § 18 Abs. 2 und Abs. 3 LaplaG fehlten jegliche Ausführungen. Da § 18 Abs. 2 LaplaG dieselbe Wirkung wie § 14 Abs. 2 ROG habe, nur dass die Untersagung nach § 18 Abs. 2 LaplaG allgemein und nicht nur individuell ausgesprochen werden könne, hätte dargelegt werden müssen, inwieweit sich aus der Vorschrift ein unverhältnismäßiger Eingriff ergeben könne. Eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Rechtfertigungsfähigkeit von Eingriffen in die Planungshoheit finde ebenfalls nicht statt. Geltend gemacht werde lediglich, dass aufgrund § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG gegenwärtig keine auf Windenergie bezogene Bauleitplanung durchgeführt werden könne, was unzutreffend sei, da § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG derartige Planungen nicht erfasse. Vielmehr werde ausschließlich die Zulassung von raumbedeutsamen Windenergieanlagen temporär untersagt. Dass eine Bauleitplanung zum jetzigen Zeitpunkt unter Umständen wenig sinnvoll sei, beruhe nicht auf § 18a Abs. 1 LaplaG, sondern auf dem Umstand der Neuaufstellung der Regionalpläne.

16

Darüber hinaus sei die Verfassungsbeschwerde aber auch unbegründet, weil die durch § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG bewirkte temporäre Untersagung der Errichtung raumbedeutsamer Windkraftanlagen - eine die Planungshoheit beeinträchtigende Wirkung unterstellt - zur Sicherung der Landesplanung offensichtlich gerechtfertigt wäre.

17

2. Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag führt in seiner Stellungnahme im Wesentlichen aus, er habe die angegriffene Änderung des Landesplanungsgesetzes begrüßt. Sie habe im Prinzip die gleiche Wirkung wie eine planungssichernde Veränderungssperre, die durch die zeitliche Befristung der Unzulässigkeit von Windkraftanlagen bis zum 5. Juni 2017 deutlich begrenzt sei. § 18a LaplaG stelle im Ergebnis, insbesondere mit Blick auf die Ausnahmemöglichkeiten des Absatzes 2, den Zustand teilweise wieder her, wie er bei Geltung des Landesentwicklungsplanes beziehungsweise der Regionalpläne bestanden habe. Die angegriffene Vorschrift des § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG entfalte in erster Linie eine unmittelbare Wirkung für die zuständigen Genehmigungsbehörden des Landes. Gemeindliche Bauleitplanung werde dadurch nicht ausgeschlossen. Sie unterliege ohnehin seit den Urteilen des Oberverwaltungsgerichts vom 20. Januar 2015 dem Risiko der Vergeblichkeit, da das Land durch den Runderlass vom 23. Juni 2015 erklärt habe, auch künftig landesplanerisch den Windkraftausbau steuern zu wollen. Bis zum Abschluss dieser Landesplanung laufe eine Bauleitplanung der Gemeinden Gefahr, dass sie den künftigen landesplanerischen Feststellungen widerspreche und damit nicht wirksam sein könne.

B.

18

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

19

Das Landesverfassungsgericht entscheidet nach Art. 51 Abs. 2 Nr. 4 LV, § 3Nr. 4 Landesverfassungsgerichtsgesetz (LVerfGG) in Verbindung mit §47 LVerfGG über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen der Verletzung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung nach Art. 54 Abs. 1 und 2 LV durch ein Landesgesetz.

20

Die beschwerdeführende Gemeinde macht eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 54 LV sowie Art. 28 Abs. 2 und Art. 3 GG geltend. Prüfungsmaßstab ist gemäß Art. 51 Abs. 2 Nr. 4 LV, § 47 Abs. 1 LVerfGG jedoch allein Art. 54 Abs. 1 und 2 LV. Zudem können nur Landesgesetze, nicht aber der in der Beschwerdebegründung als ebenfalls „streitbefangen“ bezeichnete Runderlass vom 23. Juni 2015 Gegenstand der kommunalen Verfassungsbeschwerde sein.

21

In Bezug auf die gemäß Artikel 2 des Windenergieplanungssicherstellungsgesetzes am 5. Juni 2015 in Kraft getretenen Änderungen des Landesplanungsgesetzes ist zwar die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 LVerfGG mit der am 4. November 2015 beim Landesverfassungsgericht eingegangenen Beschwerdeschrift eingehalten. Auch verlangt das Landesverfassungsgerichtsgesetz keine Erschöpfung des Rechtsweges vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 -, LVerfGE 23, 361-381 = SchlHA 2012, 431-437 = NVwZ-RR 2012, 913-917, Rn. 29).

22

Allerdings muss die Beschwerdeführerin einen Sachverhalt darlegen, aufgrund dessen eine Verletzung ihrer Selbstverwaltungsgarantie möglich erscheint (I.). Die Gemeinde muss durch die angegriffene Regelung selbst, unmittelbar und gegenwärtig betroffen sein (II.)

(vgl. zum Ganzen Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 -, a.a.O., Rn. 28 m.w.N.).

Der Vortrag muss schlüssig sein und eine Verletzung des geltend gemachten Rechts - hier der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 54 Abs. 1 LV - als möglich erscheinen lassen.

I.

23

Grundsätzlich erfordert die nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG notwendige Begründung einer kommunalen Verfassungsbeschwerde unter anderem die hinreichend substantiierte Darlegung der Beschwerdebefugnis, das heißt die Darlegung, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Selbstverwaltung aus Art. 54 Abs. 1 LV verletzt sein kann. Die Beschwerdeschrift muss darstellen, dass die angegriffene Norm auf sie Anwendung findet, wie sie sich auf sie und das von ihr in Anspruch genommene Verfassungsrecht auswirkt und insbesondere, dass ihre Rechtsposition unmittelbar rechtlich und nicht nur mittelbar faktisch betroffen ist

(vgl. Hömig, in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/ Klein/ Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz - Kommentar - Band 2, § 92 BVerfGG Rn. 23 m.w.N. <2011 >).

Dabei ist hinsichtlich jeder angegriffenen Norm konkret darzulegen, wie sie das geltend gemachte Recht - hier die kommunale Selbstverwaltungsgarantie - betrifft

(i.d.S. auch LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Januar 2015 - LVG 77/10 -, Juris Rn. 46 .

24

Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die behauptete Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie durch § 18 Abs. 2 und Abs. 3 sowie § 18a Abs. 1 Satz 1 LaplaG nicht erfüllt. Denn die Beschwerdebegründung geht lediglich auf § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG ein, während § 18 Abs. 2 und Abs. 3 sowie § 18a Abs. 1 Satz 1 LaplaG nur im Antrag selbst Erwähnung finden.

25

Zur Erfüllung des Darlegungserfordernisses genügt es nicht, in einem Schriftsatz pauschal auf einen Aufsatz (von Bringewat in NordÖR 2016, 240 ff.) Bezug zu nehmen, der die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelungen in §§ 18, 18a LaplaG nicht nur im Hinblick auf die Planungshoheit der Gemeinden in den Blick nimmt. Darüber hinaus ist der Schriftsatz erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 LVerfGG eingegangen.

26

Ausführungen zu § 18 Abs. 2 LaplaG wären jedoch insofern besonders naheliegend - und erforderlich - gewesen, und zwar innerhalb der Jahresfrist, als die Vorschrift - abgesehen davon, dass sie im Gegensatz zu § 14 Abs. 2 ROG nicht lediglich eine individuelle, sondern eine allgemeine Untersagung ermöglicht - gleichlautend mit § 14 Abs. 2 ROG ist. Im Übrigen hätte sich die Beschwerdeschrift damit auseinandersetzen müssen, dass sich die nach § 18 Abs. 2 LaplaG mögliche Untersagung - anders als diejenige nach § 14 ROG - lediglich auf raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen zur Windenergienutzung (und nicht auf raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen im Allgemeinen) bezieht und darüber hinaus § 18 Abs. 2 Satz 5 LaplaG - anders als § 14 ROG - eine Befreiungsregelung vorsieht, die unter Umständen geeignet sein könnte, eventuelle Beeinträchtigungen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie zu kompensieren.

27

Eine rechtliche Betroffenheit der Beschwerdeführerin in ihrem Selbstverwaltungsrecht in Gestalt der Planungshoheit kann sich aus § 18 Abs. 3 LaplaG nicht ergeben. Die Vorschrift betrifft ausschließlich Genehmigungsverfahren für raumbedeutsame Windkraftanlagen, nicht jedoch Planungsverfahren und hat mithin keine Auswirkungen auf die Planungshoheit der Beschwerdeführerin. Sie stellt eine Bestandsschutzregelung für Vorhaben und Anlagen dar, für die bereits eine Genehmigung ergangen ist (vgl. Landtags-Drucksache 18/2983 , S. 8). Vor diesem Hintergrund wäre eine gleichwohl behauptete Beschwerdebefugnis in Bezug auf § 18 Abs. 3 LaplaG gesondert darzulegen gewesen, zumal die Beschwerdeführerin ausschließlich einen Eingriff in ihre Planungshoheit rügt.

28

Ähnliches gilt für § 18a Abs. 1 Satz 1 LaplaG, dessen Adressat die Landesplanungsbehörde ist und nicht die Gemeinde. Die Landesplanungsbehörde - und nicht die Gemeinde - wird verpflichtet, unverzüglich Verfahren zur Neuaufstellung von Raumordnungsplänen oder zur Fortschreibung bestehender Raumordnungspläne einzuleiten, mit denen Ziele und Grundsätze der Raumordnung zur räumlichen Steuerung der Errichtung von raumbedeutsamen Windkraftanlagen für alle Planungsräume aufgestellt werden. Hier hätte dargestellt werden müssen, wie sich diese nicht an die Gemeinden adressierte Regelung auf die Planungshoheit der Gemeinden auswirken kann.

II.

29

Die Beschwerdebegründung enthält zwar Ausführungen zu § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG. Jedoch fehlt der Beschwerdeführerin gleichwohl die Beschwerdebefugnis. Sie kann durch die Vorschrift nicht unmittelbar in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht in Gestalt der Planungshoheit aus Art. 54 Abs. 1 LV betroffen sein, weil die Vorschrift nicht die Bauleitplanung der Gemeinden regelt.

30

1. Nach Art. 54 Abs. 1 LV sind die Gemeinden berechtigt und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, in ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen, soweit die Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen. Die Vorschrift sichert den Gemeinden damit, ebenso wie Art. 28 Abs. 2 GG, einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich

(vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 - 2 BvK 1/00 -, BVerfGE 103, 332 ff., Juris Rn. 89).

Das kommunale Selbstverwaltungsrecht schützt über die gemeindliche Planungshoheit auch das Recht der Gemeinde, eigenverantwortlich ihr territoriales Gebiet zu beplanen, so dass Eingriffe des Gesetzgebers in die Planungshoheit der Gemeinden grundsätzlich das kommunale Selbstverwaltungsrecht verletzen können.

31

2. Die Beschwerdeführerin sieht sich durch § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG in ihrer Planungshoheit verletzt. § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG kann aber nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte nicht als planungsrechtliche Vorschrift verstanden werden. Die zu den neuen Regelungen in §§ 18, 18a LaplaG ergangenen Erlasse der Landesregierung stehen diesem Ergebnis nicht entgegen.

32

a) Bereits die Überschrift sowie die systematische Stellung des § 18a LaplaG sprechen dagegen, dass § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG die Planungshoheit von Gemeinden unmittelbar betrifft. Denn während § 18 LaplaG bereits nach seiner Überschrift - sowie nach seinem Inhalt - auch (raumbedeutsame) Planungen betrifft, regelt § 18a LaplaG nach seiner Überschrift nur die „vorläufige (Un-)Zulässigkeit von Windkraftanlagen und Ausnahmen“, betrifft also ausschließlich das Genehmigungsverfahren.

33

Dies verdeutlicht auch der Wortlaut des § 18a LaplaG - insbesondere des § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG. Denn hiernach sind „(z)ur Sicherung dieser Planung (...) bis zum 5. Juni 2017 raumbedeutsame Windkraftanlagen im gesamten Landesgebiet vorläufig unzulässig.“ Dies spricht - neben der systematischen Stellung des § 18a LaplaG im Verhältnis zu § 18 LaplaG - dafür, dass es sich mit Ausnahme des Absatzes 1 Satz 1 bei § 18a LaplaG um eine genehmigungsrechtliche und nicht planungsrechtliche Vorschrift handelt, die die Zulässigkeit von Windkraftanlagen, nicht hingegen die Planung derselben und damit die Planungshoheit der Gemeinden betrifft.

34

b) Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Entstehungsgeschichte des § 18a LaplaG. Zwar folgt aus der Gesetzesbegründung (Landtags-Drucksache 18/2983 ), dass der Gesetzgeber offensichtlich davon ausgeht, dass §18a LaplaG die Regelung des §18 Abs. 2 LaplaG vorwegnimmt und damit auch die Planung betrifft. So heißt es in der Gesetzesbegründung (S. 9 unter 4.) unter anderem:

§ 18a LaplaG nimmt als gesetzliche Regelung die Anwendung des neuen § 18 Abs. 2 durch die Landesplanungsbehörde auf die in § 18a Abs. 1 Satz 1 LaplaG und unter A. I. dieser Begründung genannte Neuplanung vorweg.

35

§ 18 Abs. 2 LaplaG ermöglicht nach seinem Satz 1 aber nicht ausschließlich die (befristete allgemeine) Untersagung von Planungen, sondern auch die Untersagung von raumbedeutsamen „Maßnahmen zur Windenergienutzung sowie Entscheidungen über deren Zulässigkeit in einzelnen Planungsräumen“. Es handelt sich bei § 18 Abs. 2 LaplaG sowohl um eine planungsrechtliche als auch um eine genehmigungsrechtliche Vorschrift. Liest man die Gesetzesbegründung vor diesem Hintergrund, bleibt die Planungshoheit der Gemeinden unberührt und es geht im Einklang mit dem Wortlaut und der Systematik des § 18a LaplaG nur um die vorläufige Unzulässigkeit von Windkraftanlagen, deren allgemeine Anordnung durch die Landesplanungsbehörde § 18 Abs. 2 LaplaG ermöglicht und die durch § 18a LaplaG (vom Gesetzgeber) vorweggenommen worden ist.

36

Dementsprechend werden in der weiteren Gesetzesbegründung (Landtags-Drucksache 18/2983 S. 9 unter 4.) zu § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG ausschließlich dessen Auswirkungen auf das „jeweilige Genehmigungsverfahren der einzelnen Windkraftanlage“ beschrieben, nicht aber solche auf die Bauleitplanung von raumbedeutsamen Windkraftanlagen durch die Gemeinden:

Zur Sicherung dieser Planung sind zunächst für einen Zeitraum von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes raumbedeutsame Windenergieanlagen gemäß § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG vorläufig unzulässig. Das Gesetz trifft keine Regelung über das jeweilige Genehmigungsverfahren der einzelnen Windkraftanlage, sondern normiert nur deren zeitlich begrenzte, raumordnerische Unzulässigkeit. Die Wirkung ist an diejenige einer baurechtlichen Veränderungssperre angelehnt und trifft keine Aussage über die endgültige raumordnerische Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Anlage. Diese Aussage bleibt den schlussabgewogenen Raumordnungsinstrumenten der Landesplanung vorbehalten.

37

c) Diesen Gedanken aus der Gesetzesbegründung nimmt der gemeinsame Beratungserlass der Staatskanzlei, des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten und des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein vom 2. Februar 2016 (veröffentlicht auf der Internetseite der Landesregierung) auf Seite 7 unter 5. auf. Darin geht es um die „Sinnhaftigkeit“, nicht aber um eine etwaige Unzulässigkeit einer Bauleitplanung:

Die Gemeinden können in der Phase, in der WKA gemäß § 18a LaplaG unzulässig sind und nur in Ausnahmefällen zugelassen werden können, Bauleitplanungen zur gemeindlichen Steuerung der Windenergienutzung nur noch unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll auf den Weg bringen oder bereits begonnene Planungen weiterbetreiben. (...)

Weiter heißt es auf Seite 8 des Erlasses:

Die Landesplanungsbehörde empfiehlt daher, eine bereits begonnene Bauleitplanung nicht vor Neuaufstellung der Teilregionalpläne Wind weiterzuführen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung von der gemeindlichen Planung berührt werden und die Verwirklichung der zukünftigen Ziele damit unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde.

Insofern wird auf die Regelung des § 1 Abs. 4 BauGB abgestellt, nach der Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen sind. Auch später in Kraft tretende Ziele der Raumordnung lösen, sofern sie nicht bereits als sonstige Erfordernisse der Raumordnung in der Abwägung als in Aufstellung befindlich zu berücksichtigen waren, eine Anpassungspflicht im Sinne einer Planänderung aus

(Runkel in: Ernst/ Zinkahn/ Bielenberg/ Krautzberger, Baugesetzbuch, § 1 Abs. 4, Rn. 69 <2009>; Battis in: Battis/ Krautzberger/ Löhr, Baugesetzbuch, 13. Aufl. 2016, § 1 Rn. 32; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 4. April 2012 -1 LB 7/12 -, NordÖR 2013, 518, Juris Rn. 53; vgl. auch § 4 ROG, § 18 Abs. 4 LaplaG).

38

Dass eine Bauleitplanung zum jetzigen Zeitpunkt unter Umständen wenig sinnvoll ist, beruht nicht auf § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG, sondern auf dem Umstand der Neuaufstellung der Regionalpläne, mit denen Ziele und Grundsätze der Raumordnung zur räumlichen Steuerung der Errichtung von raumbedeutsamen Windkraftanlagen festgelegt werden sollen. Bis zum Inkrafttreten der neuen Regionalpläne haben diese zwar keine Bindungswirkung

(vgl. Battis, a.a.O., § 1 Rn. 40; sowie OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. November 2015 - OVG 10 A 7.13-, BauR 2016, 617, Juris Rn. 55),

ihre in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung sind aber als öffentlicher Belang von der Gemeinde nach § 1 Abs. 7 BauGB in die Abwägung einzustellen und zu berücksichtigen, sobald sie inhaltlich hinreichend konkretisiert sind und zu erwarten ist, dass sie sich zu verbindlichen, den Wirksamkeitsanforderungen genügenden Zielfestlegungen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG verfestigen

(vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2005 - 4 C 5/04 -, BVerwGE 122, 364 ff., Juris Ls. 2, Juris Rn. 27 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. November 2015 - OVG 10 A 7.13 -, a.a.O., Juris Rn. 56 m.w.N.).

39

Den Gedanken der Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB nimmt zwar auch der Runderlass vom 23. Juni 2015 (StK LPW - 500.99; ABl S. 772 <777>) auf, spricht aber zugleich § 18a LaplaG Wirkungen in Bezug auf die Aufstellung gemeindlicher Bauleitpläne zu, wenn es dort unter VI. heißt

Für die gemeindliche Bauleitplanung besteht die bundesrechtlich normierte Pflicht zur zwingenden Beachtung der Ziele der Raumordnung gemäß § 1 Abs. 4 Baugesetzbuch (...). Dies schließt auch die Pflicht zur Anpassung geltender Bauleitpläne ein. Ansonsten erfasst § 18a LaplaG auch die Aufstellung von gemeindlichen Bauleitplanungen.

Ähnlich könnte der gemeinsame Beratungserlass vom 2. Februar 2016 verstanden werden, nach dem die Landesplanungsbehörden auch für Bauleitplanverfahren der Gemeinden Ausnahmeprüfungen gemäß § 18a Abs. 2 LaplaG durchführen:

5.1 Prüfung der Ausnahmezulässigkeit im Rahmen der gemeindlichen Bauleitplanung

Eine gemeindliche Bauleitplanung wird auf Ausnahmefähigkeit gemäß § 18a Abs. 2 LaplaG geprüft. Denn nach § 18a Abs. 2 LaplaG kann die Landesplanungsbehörde gegenüber den in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen Ausnahmen von der generellen Unzulässigkeit raumbedeutsamer Windkraftanlagen zulassen. Zu den in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen zählen auch die planenden Gemeinden (...). § 18a nimmt als gesetzliche Regelung die Anwendung des neuen § 18 Abs. 2 LaplaG vorweg, um die Neuplanung der Landesplanungsbehörde zu sichern (vgl. Landtags-Drucksache 18/2983, Begründung zur Art. 1 Nr. 2). Da § 18 Abs. 2 Satz 1 ausdrücklich „raumbedeutsame Planungen“ der in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen zur Windenergienutzung erfasst, ist davon auszugehen, dass auch die Regelung in § 18a Abs. 2 LaplaG raumbedeutsame Planungen zur Windenergienutzung und damit die Bauleitplanung der Gemeinden in Bezug auf raumbedeutsame Windkraftanlagen umfasst. (...)

40

Die genannten Auswirkungen des § 18a LaplaG werden in den beiden Erlassen zwar nur auf § 18a Abs. 2 LaplaG und nicht auf § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG bezogen. Allerdings können die Ausführungen auch dahingehend verstanden werden, dass zur Sicherung der Neuplanung nach § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG nicht nur raumbedeutsame Windkraftanlagen bis zum 5. Juni 2017 vorläufig unzulässig sind, sondern gleichermaßen Bauleitplanungen, mit denen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung raumbedeutsamer Windkraftanlagen geschaffen werden sollen, wie dies die von der Beschwerdeführerin beigefügte Stellungnahme der Landesplanungsbehörde (nach den Vorgaben des § 11 LaplaG) im Rahmen ihrer Beteiligung im Aufstellungsverfahren für die Bauleitplanung einer anderen Gemeinde ausdrücklich festhält.

41

Indes kommt weder dieser Stellungnahme noch den Erlassen, sollten sie entsprechend gemeint gewesen sein, und dem in diese Richtung deutbaren Kostenbeschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 10. September 2015 - 6 A 190/13 - (SchlHA 2016, 194 ff.) eine unmittelbare Rechtswirkung in Bezug auf eine von der Beschwerdeführerin beabsichtigte Bauleitplanung zu. Erlasse stellen bloße norminterpretierende Auslegungshilfen für die an der Bauleitplanung und dem Baugenehmigungsverfahren beteiligten Behörden dar. Allein rechtlich ausschlaggebend ist indes die Gesetzeslage nach §18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG. Danach sind bis zum 5. Juni 2017 raumbedeutsame Windkraftanlagen im gesamten Landesgebiet vorläufig unzulässig; dass dies auch für die Planung derselben gilt, hat der Gesetzgeber nicht geregelt.

C.

42

In Folge der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde hat sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt.

43

Der Antrag gibt dem Gericht jedoch Anlass zu folgendem Hinweis:

44

Das Landesverfassungsgericht kann nach § 30 Abs. 1 LVerfGG „im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln“. Dieser Zustand ist der Sachverhalt, der die verfassungsrechtliche Meinungsverschiedenheit in der Hauptsache ausgelöst hat

(BVerfG, Beschlüsse vom 23. Juni 1958 - 2 BvQ 3/58 -, BVerfGE 8, 42 ff., Juris Rn. 8; vom 19. Dezember 1967 - 2 BvQ 2/67 -, BVerfGE 23, 42 ff., Juris Rn. 38; Graßhof in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/ Klein/ Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz - Kommentar -, Band 1, § 32 BVerfGG Rn. 168 <2002>).

45

Bei dem Verfahren über eine einstweilige Anordnung handelt es sich um ein Nebenverfahren in einem Verfassungsrechtsstreit; zwischen Haupt- und Nebenverfahren besteht eine innere Sachbezogenheit

(BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1971 - 1 BvR 96/71 -, BVerfGE 31, 87 ff., Juris Rn. 9).

Deshalb setzt der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich ein entsprechendes Hauptsacheverfahren voraus und ist auf die vorläufige Sicherung der Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der nachfolgenden verfassungsgerichtlichen Entscheidung gerichtet

(BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 1994 - 2 BvR 2760/93 u.a. -, BVerfGE 91, 70 ff., Juris Rn. 13; Graßhof, a.a.O, § 32 BVerfGG Rn. 1).

Die Sicherungsanordnung kann sich nur auf das im Hauptsacheverfahren verfolgte Ziel beziehen

(BVerfG, Beschluss vom 31. März 1992- 1 BvR 720/90 -, BVerfGE 86, 46 ff., Juris Rn. 11; Graßhof, a.a.O., §32 BVerfGG Rn. 159).

46

Diese Voraussetzung war hier schon nicht erfüllt, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf eine andere Begründung als die kommunale Verfassungsbeschwerde gestützt worden ist. Er ist primär mit wirtschaftlichen Nachteilen eines - nicht näher genannten - Anlagenbetreibers von vier Windkraftanlagen begründet worden, die diesen infolge geplanter Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes beträfen, wenn er wegen § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG die Genehmigung dieser Anlagen nicht mehr in diesem Jahr erhielte. Demgegenüber ist die Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen darauf gestützt, § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG greife dadurch in unzulässiger Weise in die Planungshoheit der Gemeinden ein, dass diesen kategorisch untersagt werde, Bauleitplanung zu Gunsten der Windenergie zu betreiben.

D.

47

Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 33 Abs. 4 LVerfGG). Eine Entscheidung über die Vollstreckung entfällt (§ 34 LVerfGG).

48

Der Beschluss ist einstimmig ergangen.


Die Gewerbesteuerumlage steht den Ländern insoweit zu, als die Gewerbesteuer in dem Gebiet des einzelnen Landes vereinnahmt wird.

Tenor

§ 3 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, § 4 Absatz 1 Satz 1, § 7 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 und § 9 Absatz 1 des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein vom 10. Dezember 2014 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 473) sind mit Artikel 57 Absatz 1 der Landesverfassung unvereinbar. Dies gilt auch für die nachfolgenden Änderungen.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die verfassungswidrige Rechtslage spätestens bis zum 31. Dezember 2020 durch eine Neuregelung zu beseitigen. Bis dahin bleiben die vorgenannten Bestimmungen weiter anwendbar.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragstellerinnen wenden sich gegen verschiedene Vorschriften des als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom 10. Dezember 2014 (GVOBl S. 473) verkündeten Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein (Finanzausgleichsgesetz – FAG –; im Folgenden: FAG 2014). Nach Maßgabe dieses Gesetzes stellt das Land den Gemeinden, Kreisen und Ämtern im übergemeindlichen Finanzausgleich Finanzmittel zur Ergänzung ihrer eigenen Einnahmekraft zur Verfügung.

I.

2

1. In Schleswig-Holstein fallen den Gemeinden, Kreisen und Ämtern, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist, die durch die Erfüllung ihrer Aufgaben entstehenden Ausgaben oder Aufwendungen und Auszahlungen zur Last (§ 1 Abs. 2 FAG 2014). Da deren hieraus resultierender Finanzbedarf nicht allein durch ihre Einbeziehung in das System der vertikalen Steuerertragsaufteilung nach Art. 106 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 bis 8 des Grundgesetzes (GG) gleichmäßig gedeckt werden kann, muss ihre Finanzkraft durch finanzielle Zuweisungen ergänzt werden. Die Gemeinden, Kreise und Ämter erhalten vor diesem Hintergrund vom Land Finanzzuweisungen zur Ergänzung ihrer eigenen Einnahmen oder Erträge und Einzahlungen im Wege des kommunalen Finanzausgleichs. Insoweit regelt die Landesverfassung (LV):

Artikel 57

Kommunaler Finanzausgleich

(1) Um die Leistungsfähigkeit der steuerschwachen Gemeinden und Gemeindeverbände zu sichern und eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben auszugleichen, stellt das Land im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Wege des Finanzausgleichs Mittel zur Verfügung, durch die eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen gewährleistet wird.

(2) Werden die Gemeinden oder Gemeindeverbände durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verordnung zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet, so sind dabei Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. Führen diese Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden oder Gemeindeverbände, so ist dafür ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen.

Artikel 54

Kommunale Selbstverwaltung

(1) Die Gemeinden sind berechtigt und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, in ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen, soweit die Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen.

(2) Die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit die gleichen Rechte und Pflichten.

(3) Das Land sichert durch seine Aufsicht die Durchführung der Gesetze. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(4) Durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verordnung können die Gemeinden und Gemeindeverbände zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet werden.

3

2. Das zum Gegenstand der abstrakten Normenkontrolle gemachte Gesetz zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom 10. Dezember 2014 stellt eine Neukonzeption des kommunalen Finanzausgleichs dar. Im August 2012 begann insoweit ein umfangreicher Prozess zur grundlegenden Reform des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, der maßgeblich im Beirat für den kommunalen Finanzausgleich (vgl. § 36 FAG in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung vom 7. März 2011, GVOBl S. 76; jetzt § 29 FAG 2014) sowie in einer unterhalb des Beirats gegründeten Arbeitsgruppe „Kommunaler Finanzausgleich“ stattfand und an dem Vertreterinnen und Vertreter des Innenministeriums, des Finanzministeriums, der kommunalen Landesverbände und – mit Gaststatus – des Landesrechnungshofs teilnahmen. Allein zwischen Ende August 2012 und Ende November 2013 fanden insgesamt 24 Sitzungen der Arbeitsgruppe und sieben Sitzungen des Beirats statt. Im Zuge der Vorbereitung des Reformprozesses holte das Innenministerium zudem ein Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung (NIW) zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein ein. Gegenstand des Gutachtens war die sachgerechte prozentuale Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf die verschiedenen kommunalen Aufgabenträger

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 1).

Dieses Gutachten wurde im November 2013 hinsichtlich mehrerer im Beratungsprozess entstandener Fragestellungen erweitert

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Ergänzende gutachterliche Stellungnahme zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, November 2013).

4

Im Gesetzentwurf der Landesregierung zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom 4. März 2014 heißt es dazu unter anderem:

A. Problem

Der kommunale Finanzausgleich bedarf einer gründlichen Überprüfung und Neuordnung. (…) Der kommunale Finanzausgleich ist (…) ein historisch gewachsenes System. Eingeführt 1955, wurde er 1970 grundlegend verändert und das Gesetz neu gefasst. Seitdem hat es unzählige weitere Änderungen gegeben. Typischerweise wird das Finanzausgleichsgesetz, das FAG 2014, jedes Jahr geändert. Viele der Anpassungen der letzten Jahre und Jahrzehnte hatten kleinere Auswirkungen, manche auch sehr große. Immer aber wurden lediglich eine oder mehrere einzelne Stellschrauben des komplexen Regelwerks betrachtet und verändert. Offen blieb daher zuletzt, ob die Finanzausstattung der einzelnen Kommunen noch in geeigneter Weise der kommunalen Wirklichkeit folgte. Eine vertiefte Betrachtung war geboten, ob der kommunale Finanzausgleich insgesamt noch schlüssig und zeitgemäß ist. Dringend erforderlich war deshalb eine umfassende Gesamtschau. Zum Beispiel war zu untersuchen, ob das Verhältnis der Gemeindeaufgaben zu den Aufgaben der Kreise und kreisfreien Städte noch angemessen berücksichtigt wird. Auch die Maßstäbe für die Mittelverteilung innerhalb dieser großen Blöcke gehörten auf den Prüfstand. (…)

B. Lösung

Der kommunale Finanzausgleich wird gründlich, umfassend, sachgerecht und nach intensivem und langem Dialog mit der kommunalen Familie neu geordnet. Er wird transparent, effizient und besser erklär- und nachvollziehbar. Das bietet die Chance, bei vielen Kommunen eine höhere Akzeptanz zu finden. Die großen Städte wie auch der ländliche Raum mit seinen vielen kleineren Gemeinden werden gestärkt. (…) (Landtags-Drucksache 18/1659, S. 2 ff.).

5

Der Gesetzentwurf wurde nach erster Lesung federführend dem Innen- und Rechtsausschuss sowie mitberatend dem Finanzausschuss überwiesen. Im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren gingen zahlreiche Stellungnahmen ein, es wurden schriftliche und mündliche Anhörungen durchgeführt, eine Vielzahl von Änderungsanträgen bearbeitet sowie ein Ergänzungsgutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung hinsichtlich der Teilschlüsselmassenbildung

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Aktualisierung der Teilschlüsselmassen im Rahmen der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, Oktober 2014)

eingeholt. Durch nicht datierten Vermerk des Innenministeriums wurde zudem der Soziallastenfaktor nach § 9 Abs. 4 FAG 2014-Entwurf neu ermittelt

(https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/K/kommunales/nzen/Downloads​/FAG/​.?__blob=&v=1),

was letztlich ebenfalls Eingang in den Gesetzestext fand.

6

Die beiden Ausschüsse schlossen die Beratung in gemeinsamer Sitzung am 5. November 2014 ab und empfahlen dem Landtag mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU, FDP und PIRATEN, den Gesetzentwurf der Landesregierung in der aus der Drucksache 18/2399 ersichtlichen Fassung anzunehmen. Der Landtag nahm den Gesetzentwurf in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung in seiner Sitzung vom 13. November 2014 mit 35 zu 33 Stimmen an. Das Gesetz wurde am 10. Dezember 2014 ausgefertigt, im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 30. Dezember 2014 veröffentlicht und trat am 1. Januar 2015 in Kraft. Zur Umsetzung des Gesetzes folgte für das Haushaltsjahr 2015 unter dem 22. Januar 2015 und für das Haushaltsjahr 2016 unter dem 18. Januar 2016 ein entsprechender Erlass des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten.

7

Im Rahmen des vorliegenden verfassungsgerichtlichen Verfahrens hat die Landesregierung zuletzt ein Gutachten des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln (FiFo) zur Verteilungssymmetrie im vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleich Schleswig-Holsteins vom 23. Mai 2016 eingeholt

(Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Verteilungssymmetrie im vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleich Schleswig-Holsteins, 23. Mai 2016).

8

3. Die für das Verfahren bedeutsamen Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes 2014 lauten in der Fassung vom 10. Dezember 2014 im Zusammenhang:

§ 3

Finanzausgleichsmasse

(1) Das Land stellt für die in § 4 bezeichneten Zuweisungen jährlich eine Finanzausgleichsmasse in Höhe von 17,83 % (Verbundsatz) der Verbundgrundlagen nach Absatz 2 zur Verfügung. Der Verbundsatz wird angepasst, wenn sich das Belastungsverhältnis zwischen dem Land einerseits und den Gemeinden, Kreisen und Ämtern andererseits wesentlich verändert. In den Jahren 2015 bis 2018 wird die Finanzausgleichsmasse für die Konsolidierungshilfen nach § 11 jährlich um 15 Millionen Euro erhöht. Zudem wird die Finanzausgleichsmasse um 11,5 Millionen Euro für die Zuweisungen für Infrastrukturlasten nach § 15 Absatz 4 erhöht.

(2) Die Verbundgrundlagen umfassen

1. das dem Land zustehende Aufkommen aus der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer (Artikel 106 Absatz 3 und Artikel 107 Absatz 1 des Grundgesetzes) unter Berücksichtigung der Zuweisungen des Landes nach § 25 Absatz 1 und § 26 Absatz 1,

2. das Aufkommen aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Grunderwerbsteuer, der Biersteuer und der Rennwett- und Lotteriesteuern mit Ausnahme der Totalisatorsteuer (Landessteuern nach Artikel 106 Absatz 2 des Grundgesetzes),

3. den dem Land zustehenden Kompensationsbetrag für die Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund (Artikel 106b des Grundgesetzes),

4. die Einnahmen des Landes aus den Ergänzungszuweisungen des Bundes (Artikel 107 Absatz 2 Satz 3 des Grundgesetzes),

5. die Einnahmen des Landes aus den Zuweisungen im Länderfinanzausgleich (Artikel 107 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes).

Hat das Land im Länderfinanzausgleich Zahlungen zu leisten, ermäßigen sich die Verbundgrundlagen um diesen Betrag.

(3) Die Finanzausgleichsmasse wird für jedes Haushaltsjahr nach den Ansätzen im Landeshaushaltsplan festgesetzt. Eine Änderung der Ansätze durch Nachtragshaushaltspläne wird für den Finanzausgleich des laufenden Haushaltsjahres nicht berücksichtigt.

(4) Ein Unterschied zwischen den Ansätzen im ursprünglichen Landeshaushaltsplan und den Ist-Einnahmen wird spätestens bei der Finanzausgleichsmasse des nächsten Haushaltsjahres berücksichtigt, das dem Zeitpunkt der Feststellung der Ist-Einnahmen folgt. Bei einem Doppelhaushalt erfolgt die Berücksichtigung des Unterschiedes spätestens bei der Finanzausgleichsmasse des übernächsten Haushaltsjahres.

§ 4

Verwendung der Finanzausgleichsmasse

(1) Die Finanzausgleichsmasse wird, soweit sie nicht für Zuweisungen nach Absatz 2 benötigt wird, verwendet für

1. Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft nach den §§ 5 bis 7 sowie eine Finanzzuweisung an die Gemeinde Helgoland nach § 8 mit einem Anteil von 35,11 %,

2. Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten nach § 9 mit einem Anteil von 49,33 %,

3. Schlüsselzuweisungen an die Zentralen Orte zum Ausgleich übergemeindlicher Aufgaben nach § 10 mit einem Anteil von 15,56 %.

Die erste Regelüberprüfung der Aufteilung findet vor dem Finanzausgleichsjahr 2016 statt. Sie wird auf dem Referenzzeitraum der Jahre 2010 bis 2013 basieren. Die weiteren Regelüberprüfungen sollen spätestens alle vier Jahre stattfinden. Dabei wird der entsprechende Referenzzeitraum zugrunde gelegt.

(2) Aus der Finanzausgleichsmasse werden jährlich bereitgestellt für

1. die Konsolidierungshilfen nach § 11

60,0 Millionen Euro in den Jahren 2015 bis 2018,

2. die Fehlbetragszuweisungen nach § 12

30,0 Millionen Euro in den Jahren 2015 bis 2018 sowie

50,0 Millionen Euro ab dem Jahr 2019,

3. die Sonderbedarfszuweisungen nach § 13

5,0 Millionen Euro,

4. die Zuweisungen für Theater und Orchester nach § 14

37,809 Millionen Euro im Jahr 2015,

38,376 Millionen Euro im Jahr 2016,

38,952 Millionen Euro im Jahr 2017 sowie

39,536 Millionen Euro im Jahr 2018,

5. a) die Zuweisungen für Straßenbau nach § 15 Absätze 1 bis 3

24,0 Millionen Euro,

b) die Zuweisungen für Infrastrukturlasten nach § 15 Absatz 4

11,5 Millionen Euro,

6. die Zuweisungen zur Förderung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen nach § 16

5,353 Millionen Euro,

7. die Zuweisungen zur Förderung des Büchereiwesens nach § 17

7,423 Millionen Euro im Jahr 2015,

7,534 Millionen Euro im Jahr 2016,

7,647 Millionen Euro im Jahr 2017 sowie

7,762 Millionen Euro im Jahr 2018,

8. die Zuweisungen zur Förderung von Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen nach § 18

70,0 Millionen Euro

(Vorwegabzüge). Werden für Vorwegabzüge bereitgestellte Mittel nicht benötigt, sind sie im Folgejahr den Mitteln nach Absatz 1 zuzuführen, sofern im Einzelfall nichts Abweichendes bestimmt wird.

§ 5

Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft

(1) Jede Gemeinde erhält eine Schlüsselzuweisung zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft (Gemeindeschlüsselzuweisung), wenn ihre Steuerkraftmesszahl (§ 7) hinter ihrer Ausgangsmesszahl (§ 6) zurückbleibt.

(2) Die Gemeindeschlüsselzuweisung beträgt 70 % der Differenz zwischen Ausgangsmesszahl und Steuerkraftmesszahl (Schlüsselzahl).

(3) Erreicht die Summe aus Gemeindeschlüsselzuweisung und Steuerkraftmesszahl einer Gemeinde nicht 80 % der Ausgangsmesszahl, wird die Gemeindeschlüsselzuweisung um den Differenzbetrag erhöht (Mindestgarantie). Erreicht die Summe aus Gemeindeschlüsselzuweisung, Erhöhung auf die Mindestgarantie und Steuerkraftmesszahl einer Gemeinde nicht 85 % der Ausgangsmesszahl, wird die Gemeindeschlüsselzuweisung um 70 % des Differenzbetrages erhöht.

(4) Eine Gemeinde,

1. in die eine oder mehrere Gemeinden eingegliedert werden (Eingemeindung),

2. die durch Zusammenschluss mehrerer Gemeinden entsteht (Vereinigung) oder

3. in die Teile einer aufgeteilten Gemeinde eingehen (Auflösung),

erhält in den drei Finanzausgleichsjahren nach der Gebietsänderung abweichend von Absatz 1 und 2 eine Gemeindeschlüsselzuweisung in Höhe der Summe der Gemeindeschlüsselzuweisungen, die die beteiligten Gemeinden bei getrennter Betrachtung auf Basis der Steuerkraftmesszahlen und der Einwohnerzahlen (§30) im Jahr der Gebietsänderung erhalten hätten, sofern dies für die neugebildete Gemeinde im jeweiligen Finanzausgleichsjahr günstiger ist. Im Falle einer Auflösung wird die Steuerkraftmesszahl der aufgeteilten Gemeinde anteilig nach der übergegangenen Einwohnerzahl zum Zeitpunkt der Gebietsänderung berücksichtigt. Erfolgt die Gebietsänderung zum 1. Januar eines Jahres, gilt die Regelung nach Satz 1 für das Finanzausgleichsjahr der Änderung und die beiden folgenden Finanzausgleichsjahre.

§ 7

Ermittlung der Steuerkraftmesszahl

(1) Die Steuerkraftmesszahl einer Gemeinde wird ermittelt, indem die Steuerkraftzahlen der Grundsteuern, der Gewerbesteuer, des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer, des Gemeindeanteils an der Umsatzsteuer und der Zuweisung des Landes an die Gemeinden nach § 25 zusammengezählt werden.

(2) Als Steuerkraftzahlen werden angesetzt

1. bei der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben sowie bei der Grundsteuer von den Grundstücken die Messbeträge, multipliziert mit 92 % des gewogenen Durchschnitts des Hebesatzes für die Grundsteuer von den Grundstücken, der für den kreisangehörigen Bereich im vergangenen Jahr ermittelt wurde, mindestens jedoch 260 %,

2. bei der Gewerbesteuer die Messbeträge, multipliziert mit 92 % des gewogenen Durchschnitts des Hebesatzes für die Gewerbesteuer, der für den kreisangehörigen Bereich im vergangenen Jahr ermittelt wurde, mindestens jedoch 310 %, vermindert um den für die Ermittlung der Gewerbesteuerumlage maßgeblichen Prozentsatz, der im vorvergangenen Jahr Anwendung gefunden hat,

3. bei dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer das Ist-Aufkommen im Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres,

4. bei dem Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer das Ist-Aufkommen im Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres,

5. bei der Zuweisung des Landes an die Gemeinden nach § 25 der Zuweisungsbetrag für den Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres.

Der Faktor, der sich aus der anteiligen Berücksichtigung des gewogenen Durchschnitts des Hebesatzes nach Satz 1 Nummer 1 und 2 ergibt, wird auf einen vollen Prozentsatz abgerundet.

(3) Als Messbeträge werden die Messbeträge der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, die Messbeträge der Grundsteuer von den Grundstücken und die Messbeträge der Gewerbesteuer angesetzt, die sich ergeben, wenn das Ist-Aufkommen dieser Steuern im Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres durch den Hebesatz des vergangenen Jahres für diese Steuern geteilt wird.

(4) Lassen sich Messbeträge nach Absatz 3 für eine Steuer nicht feststellen, weil eine Gemeinde sie nicht erhoben hat, kann das für Inneres zuständige Ministerium die Steuerkraftzahl festsetzen. Sie ist für jede Steuer nach dem Landesdurchschnitt je Einwohnerin oder Einwohner der kreisangehörigen Gemeinden im vergangenen Finanzausgleichsjahr zu bemessen.

(5) Werden in einer Verbandssatzung oder in einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung nach den §§ 5 und 18 des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Februar 2003 (GVOBl. Schl.-H. S. 122), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 22. Februar 2013 (GVOBl. Schl.-H. S. 72), Bestimmungen über die Aufteilung des Grundsteueraufkommens oder des Gewerbesteueraufkommens getroffen, können diese bei der Ermittlung der Steuerkraftmesszahl berücksichtigt werden, wenn sie mindestens für die Dauer von fünf Jahren gelten.

§ 9

Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte

zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten

(1) Jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt erhält eine Schlüsselzuweisung zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten, wenn die Umlagekraftmesszahl nach Absatz 3 vermindert um die Soziallastenmesszahl nach Absatz 4 (integrierte Messzahl) hinter der Ausgangsmesszahl nach Absatz 2 zurückbleibt. Die Schlüsselzuweisung zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten beträgt 85 % der Differenz zwischen der Ausgangsmesszahl und der integrierten Messzahl (Schlüsselzahl).

(2) Die Ausgangsmesszahl wird ermittelt, indem die Einwohnerzahl der Gemeinden des Kreises oder der kreisfreien Stadt (§ 30) mit einem einheitlichen Grundbetrag vervielfältigt wird. Dieser für die Kreise und kreisfreien Städte einheitliche Grundbetrag ist durch das für Inneres zuständige Ministerium jährlich so festzusetzen, dass der Betrag nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 für Schlüsselzuweisungen verwendet wird.

(3) Die Umlagekraftmesszahl des Kreises oder der kreisfreien Stadt wird ermittelt, indem die Umlagegrundlagen mit dem gewogenen Durchschnitt der Umlagesätze für die Kreisumlage (§ 31 Absatz 3) des vorvergangenen Jahres vervielfältigt werden. Die Umlagegrundlagen des Kreises ergeben sich aus der Summe der für die kreisangehörigen Gemeinden ermittelten Steuerkraftmesszahlen (§ 7) zuzüglich ihrer Gemeindeschlüsselzuweisungen (§ 5) und abzüglich ihrer Zahlungen in die Finanzausgleichsumlage (§ 21). Die Umlagegrundlagen der kreisfreien Stadt ergeben sich aus ihrer Steuerkraftmesszahl zuzüglich ihrer Gemeindeschlüsselzuweisung und abzüglich ihrer Zahlungen in die Finanzausgleichsumlage.

(4) Die Soziallastenmesszahl des Kreises oder der kreisfreien Stadt wird ermittelt, indem die Anzahl der Personen, die im Durchschnitt des vorvergangenen Jahres im Gebiet des Kreises oder der kreisfreien Stadt in Bedarfsgemeinschaften nach dem zweiten Buch des Sozialgesetzbuches lebten (§ 31 Absatz 4), mit 3.411 Euro vervielfältigt wird.

§ 10

Schlüsselzuweisungen an die Zentralen Orte zum Ausgleich übergemeindlicher Aufgaben

(1) Zentrale Orte erhalten Schlüsselzuweisungen für die Wahrnehmung von Aufgaben für die Einwohnerinnen und Einwohner ihres Verflechtungsbereichs. Übergemeindliche Aufgaben sind in den Zentralen Orten zu erfüllen.

(2) Zentrale Orte im Sinne dieses Gesetzes sind die Gemeinden, die durch die Verordnung nach § 24 Absatz 3 des Landesplanungsgesetzes vom 27. Januar 2014 (GVOBl. Schl.-H. S. 8) als Zentrale Orte und Stadtrandkerne, soweit letztere nicht Ortsteil eines Zentralen Ortes sind, festgelegt sind. Maßgebend für die Zahlung der Zuweisungen an die Zentralen Orte sind die Verhältnisse am 1. Januar des Finanzausgleichsjahres.

(3) Von den nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bereitgestellten Mitteln werden verwendet für Zuweisungen an

1. die Oberzentren 56,3 %

2. die anderen Zentralen Orte 43,7 %.

(4) Die Mittel nach Absatz 3 Nummer 1 werden auf die Oberzentren im Verhältnis ihrer Einwohnerzahlen (§ 30 Absatz 1) aufgeteilt.

(5) Die Mittel nach Absatz 3 Nummer 2 werden so auf die anderen Zentralen Orte verteilt, dass die Zuweisung für

1. ein Mittelzentrum im Verdichtungsraum und ein Unterzentrum mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums 60,0 %,

2. ein Unterzentrum und einen Stadtrandkern I. Ordnung mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums 30,0 %,

3. einen ländlichen Zentralort und einen Stadtrandkern I. Ordnung 15,0 %,

4. einen Stadtrandkern II. Ordnung 7,5 %

der Zuweisung für ein Mittelzentrum beträgt, das nicht im Verdichtungsraum liegt.

(6) Sind Gemeinden nach der Verordnung nach § 24 Absatz 3 des Landesplanungsgesetzes vom 27. Januar 2014 (GVOBl. Schl.-H. S. 8) gemeinsam als Zentraler Ort oder Stadtrandkern eingestuft, wird die Zuweisung auf die Gemeinden aufgeteilt. Gehören die Gemeinden einem Kreis an und unterliegen der Kommunalaufsicht der Landrätin oder des Landrats, entscheidet diese oder dieser über die Aufteilung der Zuweisung. In allen anderen Fällen entscheidet das für Inneres zuständige Ministerium.

(7) Gemeinsame Zentrale Orte oder Stadtrandkerne nach Absatz 6 erhalten nach erfolgter gemeinsamer Einstufung in den drei folgenden Finanzausgleichsjahren eine Zuweisung mindestens in Höhe des Betrages, die den beteiligten Gemeinden ohne gemeinsame Einstufung zugestanden hätte. Absatz 6 gilt entsprechend.

(8) Zentrale Orte und Stadtrandkerne nach Absatz 2 oder 6 erhalten nach erfolgter Abstufung in den drei folgenden Finanzausgleichsjahren eine Zuweisung mindestens in Höhe des Betrages, die der Gemeinde oder den beteiligten Gemeinden ohne Abstufung zugestanden hätte. Dies gilt entsprechend

1. für den Wegfall von Einstufungen,

2. bei einer Eingliederung einer Gemeinde in eine andere Gemeinde (Eingemeindung),

3. bei einem Zusammenschluss einer oder mehrerer Gemeinden zu einer neuen Gemeinde (Vereinigung).

In den Fällen von Nummer 2 und 3 erhält der jeweilige Rechtsnachfolger die Zuweisung.

§ 14

Zuweisungen für Theater und Orchester

(1) Die Landeshauptstadt Kiel, die Hansestadt Lübeck und die Gemeinden und Kreise, die an der Schleswig-Holsteinischen Landestheater und Sinfonieorchester GmbH beteiligt sind, erhalten aus den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bereitgestellten Mitteln Zuweisungen zu den Betriebskosten oder zu den Finanzierungsanteilen an den Betriebskosten der Theater und Orchester.

(2) Über die Bewilligung der Zuweisungen entscheidet das für Kultur zuständige Ministerium.

§ 15

Zuweisungen für Straßenbau und weitere Infrastrukturlasten

(1) Von den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5a bereitgestellten Mitteln erhalten die kreisangehörigen Gemeinden als Träger der Straßenbaulast für Gemeindestraßen Zuweisungen in Höhe von 3,6 Millionen Euro für die Unterhaltung und Instandsetzung sowie den Um- und Ausbau von Gemeindestraßen. Die Zuweisungen fließen den Kreisen schlüsselmäßig zu. Den Verteilungsschlüssel bestimmt das für Verkehr zuständige Ministerium. Die Landesverbände der Gemeinden und Kreise sind vorher zu hören. Die Verwendung der Zuweisungen kann auf die Unterhaltung und Instandsetzung sowie den Um- und Ausbau von Gemeindeverbindungsstraßen beschränkt werden. Die Kreise entscheiden über die Verteilung der Zuweisungen an die Gemeinden.

(2) Von den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5a bereitgestellten Mitteln erhalten ferner

1. die Kreise und kreisfreien Städte als Träger der Straßenbaulast für Kreisstraßen

3.400 Euro,

2. die Gemeinden als Träger der Straßenbaulast für Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen

4.900 Euro

für die Unterhaltung und Instandsetzung je Kilometer dieser Straßen oder Ortsdurchfahrten. Falls die Mittel von den Trägern der Straßenbaulast nicht in vollem Umfang für Unterhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen in Anspruch genommen werden, können sie für den Bau und Ausbau des unter den Nummern 1 und 2 genannten Straßennetzes verwandt werden.

(3) Die verbleibenden Mittel nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5a werden verwendet für

1. den Bau und Ausbau der in Absatz 2 genannten Straßen,

2. Deckenbaumaßnahmen der in Absatz 2 genannten Straßen,

3. den Bau und Ausbau von Gemeindestraßen, soweit sie nach § 2 Nummer 1 des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes Schleswig-Holstein vom 15. Dezember 2006 (GVOBI. Schi.-H. S. 358) gefördert werden, sowie von anderen verkehrswichtigen kommunalen Straßenbaumaßnahmen,

4. Maßnahmen des ruhenden Verkehrs, soweit sie nach § 2 Nummer 3 und 4 des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes Schleswig-Holstein vom 15. Dezember 2006 (GVOBI. Schi.-H. S. 358) gefördert werden, sowie

5. Kreuzungsmaßnahmen nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. März 1971 (BGBI. I S. 337), zuletzt geändert durch Artikel 281 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBI. I S. 2407), soweit Gemeinden und Kreise als Baulastträger der kreuzenden Straße Kostenanteile zu tragen haben.

Die Mittel werden den Trägern der Straßenbaulast auf Antrag bis zur Höhe von 85 % ihrer tatsächlichen Aufwendungen gewährt; andere Zuweisungen aus öffentlichen Haushalten, die nicht in diesem Gesetz geregelt sind, sind auf die Höchstgrenze anzurechnen. Über die Höhe der Zuweisungen entscheidet das für·Verkehr zuständige Ministerium.

(4) Von den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5b bereitgestellten Mitteln erhalten die Kreise und kreisfreien Städte Zuweisungen für Maßnahmen in den Bereichen Straßenerhaltung, ÖPNV einschließlich Barrierefreiheit und Breitbandförderung in Abstimmung mit der Breitbandförderung des Landes. Die Aufteilung der Mittel erfolgt nach der Länge des jeweiligen Kreisstraßennetzes im jeweils vorvergangenen Jahr als Grundlage der Berechnung der Zuweisungen nach Absatz 2.

§ 16

Zuweisungen zur Förderung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen

(1) Die Kreise und kreisfreien Städte erhalten aus den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 bereitgestellten Mitteln Zuweisungen zur Förderung

1. von Personal-, Sach- und Mietkosten von Frauenhäusern,

2. der regionalen Koordination des Kooperations- und Interventionskonzeptes bei häuslicher Gewalt sowie

3. von Frauenberatungsstellen.

(2) Statt der Mietkosten nach Absatz 1 Nummer 1 können für Kredite zur Finanzierung von Gebäuden für Frauenhäuser die tatsächlich gezahlten Zinsen und Tilgungen in vergleichbarer Höhe berücksichtigt werden.

(3) Zwischen dem Land und den jeweiligen Kreisen und kreisfreien Städten kann in Vereinbarungen geregelt werden, dass das Land die Zuweisungen nach Absatz 1 mit Wirkung für die Kommunen leistet und ihre Verwendung prüft.

(4) Über die Bewilligung der Zuweisungen entscheidet das für Soziales zuständige Ministerium.

§ 17

Zuweisungen zur Förderung des Büchereiwesens

(1) Die Gemeinden, Kreise und Ämter, die Mitglieder des Büchereivereins Schleswig-Holstein sind, erhalten aus den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 bereitgestellten Mitteln Zuweisungen zur Förderung des Büchereiwesens.

(2) Über die Bewilligung der Zuweisungen entscheidet das für Kultur zuständige Ministerium.

§ 18

Zuweisungen zur Förderung von Kindertageseinrichtungen und Tagespflegesteilen

(1) Die Kreise und kreisfreien Städte erhalten aus den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 8 bereitgestellten Mitteln Zuweisungen zur Betreuung und Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen nach § 25 Absatz 1 des Kindertagesstättengesetzes vom 12. Dezember 1991 (GVOBI. Schl.-H. S. 651 ), zuletzt geändert durch Artikel 2 Nummer 13 des Gesetzes vom 12. November 2014 (GVOBI. Schl.-H. S. 328), und in Tagespflegesteilen nach § 30 des Kindertagesstättengesetzes.

(2) Über die Bewilligung der Zuweisungen entscheidet das für Soziales zuständige Ministerium. Bei der Verteilung an die einzelnen Kreise und kreisfreien Städte berücksichtigt es insbesondere die Zahl der betreuten Kinder vom vollendeten dritten Lebensjahr in Kindertageseinrichtungen und öffentlich geförderter Kindertagespflege, die Dauer der Betreuung sowie den Anteil der Kinder aus überwiegend nicht deutschsprechenden Familien im vergangenen Jahr.

(3) Die Kreise und kreisfreien Städte können den Anteil der Zuweisung für die Betreuung von Schulkindern sowohl an Träger von Kindertageseinrichtungen (Horte) als auch an Träger von Betreuungsangeboten an Schulen mit Primarstufe und von offenen Ganztagsschulen weiterleiten.

9

4. Bereits vor Eingang des verfahrensgegenständlichen Antrags wurde durch das Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2015 vom 17. Juni 2015 (GVOBl S. 163) § 3 Abs. 2 Nr. 1 FAG für das Jahr 2015 dahingehend modifiziert, dass bei den Verbundgrundlagen auch die vom Bund zur Entlastung von Ländern und Kommunen im Zusammenhang mit der Aufnahme, Unterbringung, Versorgung und Gesundheitsversorgung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern bereit gestellten Mittel zu berücksichtigen sind.

10

Eine weitere Änderung erfuhr das Gesetz durch das Haushaltsbegleitgesetz 2016 vom 16. Dezember 2015 (GVOBl S. 500), mit dem die Finanzausgleichsmasse um Einzelbeträge für die Förderung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen erhöht (§ 3 Abs. 1 Satz 5 FAG 2014), die zunächst nur für 2015 erfolgte Modifizierung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 FAG 2014 endgültig in das Finanzausgleichsgesetz übernommen sowie § 4 FAG 2014 in mehrfacher Hinsicht abgeändert wurden. Alle vorgenannten Änderungen wurden von den Antragstellerinnen nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

11

5. Das Finanzausgleichsystem des FAG 2014 besteht im Grundsatz aus drei zentralen Elementen: die Bestimmung des insgesamt aus dem Landeshaushalt zur Verfügung gestellten Betrages, das heißt der sogenannten Finanzausgleichsmasse, in § 3 FAG 2014 (sogenanntevertikale Dimension des Finanzausgleichs), die nicht zweckgebundene Verteilung eines Großteils der Finanzausgleichsmasse auf die verschiedenen kommunalen Körperschaften über § 4 Abs. 1, §§ 5 bis 10 FAG 2014 (sogenanntehorizontale Dimension) sowie die zweckgebundene Verteilung eines geringeren Betrages nach § 4 Abs. 2, §§ 11 ff. FAG 2014 (sogenannte paternalistische Dimension).

12

a) § 3 FAG 2014 steuert denvertikalen Finanzausgleich über die Bildung der Finanzausgleichsmasse. Die Effektivität des kommunalen Finanzkraftausgleichs wird vor allem durch die Höhe der als Verteilungsmasse insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzausgleichsmasse bestimmt, da ein hohes Finanzausgleichsvolumen insgesamt gesehen zu einer Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung führt. Die Höhe der Finanzausgleichsmasse ist dabei determiniert durch die in § 3 Abs. 2 FAG 2014 vorgegebenen Verbundgrundlagen und den in § 3 Abs. 1 FAG 2014 vorgegebenen Verbundsatz von 17,83 %. Nach § 3 Abs. 3 FAG 2014 wird die Finanzausgleichsmasse für jedes Haushaltsjahr im Landeshaushaltsplan festgesetzt. Mit Haushaltsgesetz 2015 vom 11. Dezember 2014 (GVOBl S. 440) hat der Landtag die Finanzausgleichsmasse im Rahmen des Haushalts des Landes für das Haushaltsjahr 2015 auf 1.526.587.900 Euro festgesetzt sowie mit Haushaltsgesetz 2016 vom 16. Dezember 2015 (GVOBl S. 474) für das Jahr 2016 auf 1.505.620.800 Euro.

13

b) § 4 FAG 2014 definiert in seinem Absatz 2 die für diepaternalistische Dimension des Finanzausgleichs zur Verfügung stehenden Teilbeträge und steuert in seinem Absatz 1 zentral die Binnenaufteilung der Finanzausgleichsmasse im horizontalen Finanzausgleich.

14

Dabei wird in § 4 Abs. 2 FAG 2014 festgelegt, welche absoluten Beträge jährlich zweckgebunden für Konsolidierungshilfen, Fehlbetragszuweisungen, Theater und Orchester, Straßenbau und Infrastrukturlasten, Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen, für die Förderung des Büchereiwesens sowie für Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen zu verwenden sind. Die individuelle Verteilung der Vorwegabzugsbeträge nach § 4 Abs. 2 FAG 2014 erfolgt nach §§ 11 ff. FAG 2014. Diese Vorwegabzüge – die im Jahr 2015 ungefähr 10 % der Finanzausgleichsmasse ausmachten – werden von der Finanzausgleichsmasse subtrahiert. Nur die verbleibende Differenz wird sodann zweckungebunden auf die kommunalen Körperschaften verteilt.

15

Für die Verteilung der nicht nach Absatz 2 verteilten Mittel werden gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 drei sogenannte Teilschlüsselmassen gebildet. Nach der hier verfahrensgegenständlichen Fassung des Finanzausgleichsgesetzes wurden 35,11 % als „Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft“ (Nr. 1), 49,33 % als „Schlüsselzuweisung an die Kreise und kreisfreien Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten“ (Nr. 2) und 15,56 % als Schlüsselzuweisung „an die zentralen Orte zum Ausgleich übergemeindlicher Aufgaben“ (Nr. 3) verteilt. Das Gesetz folgt dabei dem sogenannten „Zwei-Ebenen-Modell“, nach dem keine spezifischen Teilschlüsselmassen für Körperschaften, sondern für Aufgabenträger gebildet werden. In der Konsequenz erhalten insbesondere kreisfreie Städte Zuweisungen aus allen drei genannten Teilschlüsselmassen, da sie sowohl Gemeindeaufgaben als auch Kreisaufgaben sowie zentralörtliche Aufgaben wahrnehmen.

16

Nach Abzug der Zweckzuweisungen gemäß § 4 Abs. 2 FAG 2014 verblieben im Jahr 2015 für zweckungebundene Schlüsselzuweisungen 1.275.502,90 Euro, welche entsprechend den Schlüsselzuweisungssätzen des § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 für Gemeinden in Höhe von 447.829.100 Euro, für Kreise und kreisfreie Städte in Höhe von 629.205.600 Euro und für übergemeindliche Aufgaben in Höhe von 198.468.200 Euro eingeplant wurden.

17

c) Ob und in welcher Höhe individuelle Gemeinden, Kreise oder kreisfreie Städte Schlüsselzuweisungen aus den derart festgestellten zweckungebundenen Teilschlüsselmassen erhalten, ergibt sich für Gebietskörperschaften mit Gemeindeaufgaben aus §§ 5 bis 8 FAG 2014 (aa), für Gebietskörperschaften mit Kreisaufgaben aus § 9 i.V.m. § 7 FAG 2014 (bb) und für Gebietskörperschaften mit zentralörtlichen Funktionen aus § 10 FAG 2014 (cc). Die individuelle Verteilung der Vorwegabzugsbeträge nach § 4 Abs. 2 FAG 2014 richtet sich nach §§ 11 ff. FAG 2014.

18

aa) Die Verteilung der Teilschlüsselmasse für Gemeindeaufgaben erfolgt nach Maßgabe der §§ 5 ff. FAG 2014. Hiernach wird einer Steuerkraftmesszahl (§ 7 FAG 2014) eine Ausgangsmesszahl (§ 6 FAG 2014) gegenübergestellt. Die Höhe der jeweiligen Zuweisung beträgt dann im Grundsatz 70 % des Differenzbetrages (§ 5 Abs. 2 FAG 2014).

19

Der Steuerkraftmesszahl kommt in dieser Gleichung die Aufgabe zu, die Ertragskraft der Gemeinde abzubilden. Um zu verhindern, dass Gemeinden bewusst einen niedrigen und damit in der regionalen Konkurrenz niederlassungsfördernden Grund- beziehungsweise Gewerbesteuerhebesatz festlegen und die Steuereinbußen über den Kommunalfinanzausgleich kompensieren, wird bei der Festlegung der Steuerkraftmesszahlen nicht auf die jeweils tatsächlichen Steuereinnahmen abgestellt, sondern auf den in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 im Einzelnen definierten durchschnittlichen Hebesatz. Grundlage für die Bemessung der Schlüsselzuweisung ist damit nicht das tatsächliche Steueraufkommen, sondern ein fiktives Steuerausschöpfungspotential („Hebesatzanspannungspotential“). Datengrund-lage bei der Ermittlung dieses Durchschnitts sind die für den kreisangehörigen Bereich landesweit ermittelten Hebesätze des Vorjahres.

20

Die Ausgangsmesszahl ergibt sich aus der Multiplikation der jeweiligen Einwohnerzahl mit einem Grundbetrag nach § 6 FAG 2014. Dieser wird jährlich neu festgesetzt, und zwar so, dass die Teilschlüsselmasse für Gemeindeaufgaben insgesamt stets vollständig ausgeschöpft und an die Zuweisungsempfänger verteilt wird. Die Höhe des Grundbetrages ist damit keine selbständige Größe, sondern wie in einem System kommunizierender Röhren abhängig von den übrigen Parametern. Ist beispielsweise die Teilschlüsselmasse schlecht dotiert, reduziert sich entsprechend der Grundbetrag. Ist die Teilschlüsselmasse hingegen gut dotiert, erhöht sich der Grundbetrag.

21

bb) Auch die Zuteilung von Schlüsselzuweisungen aus der Teilmasse für Kreisaufgaben wird nach § 9 FAG 2014 anhand von mehreren Messzahlen ermittelt: der Umlagekraftmesszahl, der aus den Parametern Personen in Bedarfsgemeinschaften nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und Vervielfältigungsfaktor in Höhe von 3.411 Euro zusammengesetzten Soziallastenmesszahl, der aus den Parametern Einwohnerzahl und Grundbetrag zusammengesetzten Ausgangsmesszahl sowie ergänzend dem Erstattungsschlüssel in Höhe von 85 %. In einer rechnerischen Formel lässt sich der dem Gesetz zu entnehmende Mechanismus wie folgt darstellen:

Schlüsselzuweisung =

[(Einwohnerzahl x Grundbetrag) = Ausgangsmesszahl

(Umlagekraftmesszahl – nach SGB II x 3.411 Euro> = Soziallastenmesszahl)] x 0,85

22

Der Umlagekraftmesszahl kommt dabei die Aufgabe zu, die Ertragskraft der jeweils betroffenen Körperschaft abzubilden. Sie ergibt sich für die kreisfreien Städte maßgeblich aus deren jeweiligen Steuerkraftmesszahlen (§ 9 Abs. 3 Satz 3 FAG 2014), für die Kreise aus dem Produkt von Umlagegrundlagen und durchschnittlichen Umlagesätzen (§ 9 Abs. 3 Satz 1 FAG 2014). Die Umlagegrundlagen ergeben sich wiederum aus den Steuerkraftmesszahlen der kreisangehörigen Gemeinden (§ 9 Abs. 3 Satz 2 FAG 2014).

23

Der Soziallastenmesszahl kommt die Aufgabe zu, die Belastung der jeweiligen Körperschaft mit soziallastenbedingten Kosten abzubilden. § 9 Abs. 4 FAG 2014 definiert die Soziallastenmesszahl insoweit als Multiplikation der Zahl der in Bedarfsgemeinschaften von Grundsicherung für Arbeitsuchende lebenden Personen im Kreis-/ Stadtgebiet mit einem festgeschriebenen Betrag von 3.411 Euro (im Folgenden: Vervielfältigungsfaktor). Der Vervielfältigungsfaktor wurde aus dem Quotienten der durchschnittlichen Zuschussbedarfe für Soziallasten in den Jahren 2009 bis 2012 in den kommunalen Haushalten (778.051.902 Euro) und der durchschnittlichen Zahl an Personen in Bedarfsgemeinschaften im selben Betrachtungszeitraum (228.121,23) errechnet (vgl. ministerieller Vermerk, oben 2., Rn. 6).

24

Die Ausgangsmesszahl ergibt sich – wie bei den Gemeindeaufgaben – aus der Multiplikation der jeweiligen Einwohnerzahl mit einem Grundbetrag. Dieser Grundbetrag für die Berechnung der Zuweisungen nach § 9 FAG 2014 wird jährlich neu festgesetzt, und zwar ebenfalls so, dass die Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben insgesamt stets vollständig ausgeschöpft und an die Zuweisungsempfänger verteilt wird. Die Höhe dieses Grundbetrages ist damit ebenfalls keine selbständige Größe, sondern vollständig abhängig von den übrigen Parametern.

25

cc) Die Verteilung der Schlüsselmasse für zentralörtliche Aufgaben ist in § 10 FAG 2014 geregelt. Hiernach folgt die Einstufung der Gemeinden als „Zentrale Orte“ im Sinne des Finanzausgleichsgesetzes dem Landesplanungsrecht, namentlich der Verordnung nach § 24 Abs. 3 des Landesplanungsgesetzes vom 27. Februar 2014 (GVOBl S. 8). 56,3 % der Teilschlüsselmasse werden gemäß § 10 Abs. 3 FAG 2014 an die derart definierten Oberzentren vergeben, wobei die Mittel zwischen diesen nach Maßgabe der Einwohnerzahl aufgeteilt werden (§ 10 Abs. 3 FAG 2014). Die verbleibenden 43,7 % der Teilschlüsselmasse sind für die übrigen Zentralorte bestimmt und werden nach § 10 Abs. 5 FAG 2014 quotenmäßig mit absteigendem Umfang an die verschiedenen Zentralorte verteilt, beginnend bei den Mittelzentren außerhalb von Verdichtungsräumen bis hinab zu den Stadtrandkernen II. Ordnung. § 10 Abs. 6 bis 8 FAG 2014 enthalten weitere Spezialregelungen, insbesondere für Gemeinsame Zentrale Orte.

II.

26

1. Die Antragstellerinnen beantragen,

§ 2 Abs. 2, § 3, § 4, § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 2, § 9, § 10, §§ 14 bis 18 des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein vom 10. Dezember 2014 (FAG 2014), verkündet als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom 10. Dezember 2014 (GVOBl S. 473), wegen Verstoßes gegen Art. 54 und 57 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein für nichtig zu erklären.

27

2. Zur Begründung ihrer Anträge stellen die Antragstellerinnen zunächst die aus ihrer Sicht maßgeblichen verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs dar und führen sodann hieran anknüpfend zur Verfassungswidrigkeit des Finanzausgleichsgesetzes in vertikaler sowie horizontaler Hinsicht aus.

28

a) Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Maßstäbe meinen die Antragstellerinnen – nach einleitenden Ausführungen zu Art. 28 Abs. 2 und Art. 106 GG –, dass den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften ein Anspruch auf „angemessene Finanzausstattung“ zustehe. Dieser beinhalte in seinem Kernbereich einen subjektiven Anspruch jeder einzelnen kommunalen Selbstverwaltungskörperschaft auf „finanzielle Mindestausstattung“. Dieser Mindestausstattungsanspruch stelle eine absolute, unantastbare und abwägungsfeste Untergrenze der kommunalen Finanzausstattung dar. Er sei verletzt, wenn den Kommunen nur noch die Wahrnehmung der pflichtigen Aufwendungen möglich sei, ohne ihnen einen Bereich eigenbestimmter Mittelverwendung zu belassen. Dieser Anspruch stehe nicht unter einem Leistungsfähigkeitsvorbehalt des Landes. Soweit das Land nicht in der Lage sei, den Mindestanspruch zu gewährleisten, könne es – anders als die Kommunen – die finanziellen Lasten der kommunalen Ebene durch Verringerung von Aufgaben oder Herabsetzung von Standards mildern.

29

Darüber hinausgehend gebiete die kommunale Selbstverwaltungsgarantie in ihrem Randbereich, die Kommunen in angemessenem Umfang an den Einnahmen des Landes zu beteiligen. Angesprochen sei hiermit das Gebot der Verteilungssymmetrie. Nur hinsichtlich dieses Randbereichs greife der Leistungsfähigkeitsvorbehalt des Art. 57 Abs. 1 LV. Das Gebot der Verteilungssymmetrie gebiete insbesondere eine umfassende Erhebung von Einnahmen und Ausgaben beider staatlicher Ebenen sowie eine wertende Korrektur der so ermittelten Ergebnisse.

30

Aus Art. 54 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 1 LV folge eine mehrfache Begrenzung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit bei der Normierung des kommunalen Finanzausgleichs. Zum einen ergebe sich eine Pflicht des Gesetzgebers, die Angemessenheit der zur Verfügung gestellten Mittel anhand der wahrgenommenen Aufgaben zu ermitteln. Des Weiteren setze das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung der Ausgestaltungsfreiheit objektive Grenzen. Erforderlich sei insbesondere eine willkürfreie Aufteilung der zur Verfügung gestellten Mittel nach einheitlichen und sachlich vertretbaren Maßstäben. Ergänzt werde dies durch das Gebot der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit. Zudem träfen den Gesetzgeber prozedurale Pflichten, insbesondere die Pflicht zur umfassenden und transparenten Tatsachenermittlung unter Einbeziehung finanzwissenschaftlichen Sachverstandes. Der Gesetzgeber müsse die Aufgabenbelastung und die Finanzkraft der Kommunen sowie – im Randbereich – die finanzielle Leistungskraft des Landes berücksichtigen und die sich ergebenden Belange gegeneinander abwägen. Dabei müsse er zwischen dem Bedarf für Pflichtaufgaben einerseits und für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben andererseits differenzieren. Jedenfalls für die pflichtigen Selbstverwaltungs-aufgaben müsse der Bedarf realitätsgerecht ermittelt werden. Für die freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben könne hingegen ein angemessener zusätzlicher Betrag vorgesehen werden.

31

b) Nach diesen Maßstäben genüge die Bestimmung der Finanzausgleichsmasse in § 3 Abs. 1 FAG 2014 nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Es fehle bereits grundlegend an einer finanzwissenschaftlichen Ergründung der Auskömmlichkeit der zur Verfügung gestellten Mittel. Soweit in dem vorbereitenden Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung für die verschiedenen Gruppen der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften Zuschussbedarfe erhoben worden seien, entspreche dies den Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung nicht. Ermittelt worden seien nur die getätigten Ausgaben ohne Berücksichtigung von unterlassenen Investitionen oder unwirtschaftlichen Ausgaben. Zudem habe das Gutachten nur die horizontale Verteilung zum Gegenstand gehabt. Auch seien die so ermittelten Ausgaben in keiner Weise den Aufgaben oder finanziellen Mitteln des Landes gegenübergestellt worden. Die Gesetzesbegründung sei ebenfalls unzureichend und teilweise widersprüchlich, etwa indem dort zwar die dramatische Entwicklung der Finanzen zumindest einiger kommunaler Selbstverwaltungskörperschaften angesprochen werde, nicht aber die nötigen Konsequenzen, nämlich eine Anhebung der Finanzausgleichsleistungen, gezogen würden. Schließlich differenzierten weder die Gesetzesbegründung noch das zugrunde liegende Gutachten zwischen freiwilligen und pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben.

32

Das in § 4 FAG 2014 angelegte Verhältnis von Zweck- zu Schlüsselzuweisungen verstoße gleichfalls gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen. Für das Jahr 2015 seien (basierend auf der Steuerschätzung vom November 2013) etwa 10 % der Verbundmasse über Zweckzuweisungen gebunden. Hierdurch – sowie durch die reine Anzahl der zweckgebundenen Zuweisungstatbestände – würden die Kommunen im Übermaß in ihrem Selbstverwaltungsrecht beeinträchtigt. Das Ausmaß der Beeinträchtigung steige dabei durch den Umstand an, dass regelmäßig Komplementärmittel der kommunalen Finanzhoheit entzogen würden.

33

c) Die in vertikaler Hinsicht bestehenden Verfahrensmängel schlügen auf die horizontale Verteilung der Finanzausgleichsmasse in § 4 Abs. 1 FAG 2014 durch. Die Verteilung der Finanzausgleichsmasse auf die drei Schlüsselmassen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 sei aber auch in sich fehlerhaft. Dem in dem Gesetzentwurf unterstellten Finanzbedarf der Kommunen liege ausdrücklich eine rein ausgabenbasierte und keine aufgabenorientierte Erhebung zugrunde, obwohl die tatsächlichen Ausgaben kein geeigneter Indikator für den objektiven Bedarf seien. Des Weiteren habe die gesetzgeberische Vorgehensweise nach dem Zwei-Säulen-Modell eine Abschichtung der Haushalte der kreisfreien Städte nach gemeindlichen Aufgaben und Kreisaufgaben erforderlich gemacht; es existiere jedoch keine abschließende Zuordnung einzelner Aufgaben zur Kreis- oder Gemeindeebene. Zudem unterschieden sich Gemeindeaufgaben in großen Gemeinden hinsichtlich Qualität und Quantität von denen im ländlichen Raum.

34

Zu § 10 FAG 2014 habe es ebenfalls keine Erhebung der tatsächlichen Aufgaben der Zentralen Orte gegeben. Das zugrunde liegende Gutachten greife wiederum nur auf Ausgaben und Zuschussbedarfe zurück. Die planerische Einordnung eines bestimmten Raumes sage wenig über den Bestand der tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben aus. Zudem würden die so definierten Kategorien vom Gesetzgeber selbst nicht durchgehalten, etwa wenn die Kosten der Schülerbeförderung ausgeklammert würden. Das Beispiel der Krankenhäuser zeige, dass eine klare Abgrenzung zwischen zentralörtlichen Aufgaben und Kreisaufgaben schwierig sei. Denkbare positive Auswirkungen einzelner Aufgaben würden nicht berücksichtigt.

35

Die Zusammenfassung von Kreisen und kreisfreien Städten in einer Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben verletze das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung, weil diese Teilschlüsselmasse nach Kriterien verteilt werde, welche die kreisfreien Städte strukturell bevorzugten. Während die kreisfreien Städte durch die Berücksichtigung von Soziallasten privilegiert würden, werde der kostentreibende Faktor Fläche zugunsten der Kreise nicht berücksichtigt. Vielmehr habe es der Gesetzgeber ausdrücklich abgelehnt, flächeninduzierte Bedarfe in den Blick zu nehmen. Die Unvergleichbarkeit der Aufgabenerfüllung von Kreisen einerseits und kreisfreien Städten andererseits mache eine derartige Erhebung jedoch erforderlich.

36

Die Systematik und Gewichtung des Soziallastenansatzes des § 9 Abs. 1 FAG 2014 verstoße gleichfalls gegen das interkommunale Gleichbehandlungsgebot. Durch die gewählte Ausgestaltung würden die Soziallasten stets vollständig befriedigt, während alle anderen Bedarfe lediglich in Höhe von 85 % Berücksichtigung fänden. Zudem liege ein Systembruch vor, da mit den Soziallasten ein einzelnes ausgabenbezogenes Element bereits auf der Ebene der Einnahmen berücksichtigt werde. Insgesamt komme den Soziallasten durch die gewählte Ausgestaltung eine überproportionale Bedeutung für die innere Verteilung zu, da eine unterschiedliche Wertigkeit zwar verschiedener, aber allesamt pflichtiger Aufgaben zugrunde gelegt werde.

37

Bei den Vorgaben für die Ermittlung verschiedener Messzahlen habe der Gesetzgeber mehrfach gegen das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung verstoßen:

38

So benachteilige die in § 9 Abs. 3 FAG 2014 enthaltene Definition der Umlagekraftmesszahl die Kreise faktisch, indem sie die Städte „arm rechne“. Die Finanzkraft der Kreise und kreisfreien Städte werde nach § 9 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 7 Abs. 2 FAG 2014 maßgeblich von den auf 92 % nivellierten Grundsteuer- beziehungsweise Gewerbesteuermessbeträgen mitbestimmt. Die Ergebnisse entsprächen im Falle der Kreise weitgehend den tatsächlichen Einnahmen der Kreise. Die Einnahmen der Städte seien jedoch zu deren Gunsten unrealistisch schwach gewichtet. Denn die Hebesätze der kreisfreien Städte seien üblicherweise höher als die Hebesätze im kreisangehörigen Raum, so dass es durch die gewählte Methodik bewusst zu einer Unterbewertung der tatsächlichen Steuereinnahmen der kreisfreien Städte komme.

39

Zudem werde bei der Bildung der durchschnittlichen Hebesätze nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 nicht zwischen ländlichen und abgelegenen Räumen einerseits und zentralen, insbesondere städtischen Räumen andererseits differenziert. Hierdurch würden die kreisfreien Städte mit ihren hohen Hebesätzen bevorzugt. Der sich aus der Spreizung zwischen Nivellierung und Realität ergebende Effekt werde dabei durch die zu niedrige Ansetzung der Mindesthebesätze noch verstärkt. Eine weitere Benachteiligung der kreisangehörigen Gemeinden ergebe sich in diesem Zusammenhang schließlich aus den Vorgaben zur Bestimmung des maßgeblichen Durchschnitts der Hebesätze. Dieser Durchschnitt werde allein auf der Basis der Hebesätze der kreisangehörigen Gemeinden – und damit unter Ausblendung der (regelmäßig höheren) Hebesätze der kreisfreien Städte – gebildet. Dies begünstige erneut die kreisfreien Städte, deren tatsächlich höheres Steueraufkommen in der Folge teilweise unberücksichtigt bleibe.

40

Weiterhin liege eine Ungleichbehandlung der Gemeinde- und Kreisaufgaben bezogen auf die Ausgleichsquoten nach § 5 Abs. 2 beziehungsweise § 9 Abs. 1 Satz 2 FAG 2014 vor. Während bei den Gemeindeaufgaben nur ein Differenzausgleich in Höhe von 70 % erfolge (§ 5 Abs. 2 FAG 2014), betrage der Ausgleich bei den Kreisaufgaben 85 % (§ 9 Abs. 1 FAG 2014).

41

Die hinter den Positionen in § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 (Theater und Orchester), Nr. 6 (Frauenhäuser) und Nr. 7 (Büchereien) FAG 2014 stehenden Bedarfe seien zugunsten der Zentralen Orte „doppelt“ berücksichtigt. Durch die dementsprechende Verringerung der für Schlüsselzuweisungen zur Verfügung stehenden Beträge wirke sich dies zulasten der übrigen Körperschaften aus.

42

Bezogen auf das Gebot der Systemgerechtigkeit rügen die Antragstellerinnen zwei Verletzungen:

43

Ein Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit liege zum einen darin, dass die Aufteilung der Schlüsselmassen zwar grundsätzlich basierend auf den Zuschussbedarfen der Jahre 2009 bis 2011 berechnet worden sei. Abweichend hiervon seien die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung außer Betracht gelassen worden, da diese ab 2014 vollständig vom Bund übernommen würden. Demgegenüber seien vergleichbare künftige Entlastungen auf anderer Ebene unberücksichtigt geblieben, etwa die Entlastung der Gemeinden beim Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten für unter Dreijährige. Ebenso seien feststehende Mehrbelastungen im Tarif der öffentlich Beschäftigten außer Betracht geblieben.

44

Zum anderen bevorzuge die Abschaffung der bisherigen Umlage nach § 4 des Ausführungsgesetzes zum Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches systemwidrig die kreisfreien Städte. Denn der Wegfall der Umlage werde zwar durch eine entsprechende Erhöhung des Schlüsselzuweisungsbetrages für Kreisaufgaben „kompensiert“. An dieser Schlüsselzuweisungsgruppe (und damit auch an der Erhöhung) partizipierten aber auch die kreisfreien Städte, obwohl bei diesen zuvor keine Umlage existierte, deren Wegfall zu kompensieren sein könnte.

III.

45

1. Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat von einer Stellungnahme abgesehen.

46

2. Nach Auffassung der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung sind die von den Antragstellerinnen angegriffenen Regelungen verfassungskonform.

47

a) Art. 57 Abs. 1 LV sei als Gebot der Verteilungsgerechtigkeit und Verteilungssymmetrie zu verstehen, so dass es auf das ausgewogene Verhältnis der möglichst weitgehend aufgabenangemessenen Finanzausstattung des Landes und der Kommunen ankomme. Die Grunddaten der finanziellen Entwicklung beider Ebenen müssten – soweit vergleichbar – in etwa parallel verlaufen. Dies schließe ein, dass in Situationen finanzieller Restriktionen auch das Land Spar- und Konsolidierungsanstrengungen unternehmen müsse. Von der Leistungsfähigkeit des Landes losgelöste, „absolute“ Rechtspositionen der Kommunen seien hiermit unvereinbar.

48

Bei der Ausgestaltung des Finanzausgleichs seien zudem das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung sowie das Gebot der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit zu beachten. Grundsätzlich stehe es dem Gesetzgeber frei, von einem selbst gesetzten System mit hinreichenden Gründen abzuweichen. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle sei insoweit auf eine Evidenzkontrolle begrenzt.

49

Verfahrensbezogene Pflichten träfen den Gesetzgeber im Übrigen bei der Ausgestaltung des Finanzausgleichs nicht. Insbesondere sei er weder verpflichtet, „wissenschaftlich“ vorzugehen, noch müsse er begründen, warum er ein Gesetz mit einem bestimmten Inhalt erlassen habe.

50

b) Gemessen an diesen Maßstäben sei das angegriffene Gesetz nicht zu beanstanden.

51

aa) Der Gesetzgeber habe die teilweise neue Technik der Verteilung der Finanzausgleichsmasse ausführlich beschrieben. Grundlage hierfür sei eine detaillierte und genaue Ermittlung der kommunalen Aufgaben und Ausgaben über einen für prognostische Betrachtungen ausreichend langen Zeitraum gewesen. Eine stärker aufgabenbezogene Betrachtung könne schon aufgrund des Wortlauts des Art. 57 Abs. 1 LV nicht verlangt werden. In die Bestimmung der erforderlichen Ausgaben flössen zudem derart viele Gestaltungs-, Ermessens- und Einschätzungsfaktoren ein, dass lediglich plausible, rational nachvollziehbare Erwägungen gefordert seien. Da es verschiedene Methoden der Bedarfserhebung gebe, stehe dem Gesetzgeber insoweit ein Spielraum zu. Der Gefahr, zu großzügiges Finanzgebaren unkritisch als Bedarf zu übernehmen beziehungsweise den Bedarf wegen finanzieller Engpässe zu niedrig anzusetzen, sei das Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung durch Durchschnittswerte aus den Daten einer Vielzahl von Kommunen und durch eine intensive Quer- und Längsschnittbetrachtung der Ist-Zuschussbedarfe je Einwohner begegnet.

52

bb) Dementsprechend stehe die in § 3 FAG 2014 zum Ausdruck kommende vertikale Finanzverteilung im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben.

53

Sowohl die Einnahmenentwicklung als auch die Auskömmlichkeit der kommunalen Finanzausstattung seien ermittelt und begründet worden. Ergänzend sei darauf zu verweisen, dass der bis 2014 negative Finanzierungssaldo des Landes im Jahr 2015 +256 Millionen Euro betragen habe, während sich der Finanzierungssaldo der Gemeinden und Gemeindeverbände seit 2011 stetig von -40 Euro/ Einwohner auf -8 Euro/ Einwohner verbessert habe. Der Befund der vertikal auskömmlichen Dotierung des Finanzausgleichs werde außerdem durch das im Verfassungsgerichtsverfahren eingeholte Gutachten des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln vom 23. Mai 2016 (zur „Verteilungssymmetrie im vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleich Schleswig-Holsteins“) belegt.

54

Es liege im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, den vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleichs nach dem Verbundquotenmodell zu organisieren. Im Übrigen werde diese Methode in den Folgejahren – verglichen mit der vorherigen Rechtslage – zu erhöhten Einnahmen der Kommunen führen.

55

Verfassungsrechtlich unproblematisch sei die Zusammensetzung der Finanzausgleichsmasse aus ungebundenen Schlüssel- und (gebundenen) Zweckzuweisungen; hierbei handele es sich um eine geläufige Regelungstechnik des kommunalen Finanzausgleichs. Zudem seien die Zuweisungstatbestände begrenzt und mit einer Höhe von 10 % ebenso unbedenklich wie die Kombination von Festbeträgen und prozentual festgelegten Beträgen.

56

cc) Bei der Ermittlung der in § 4 FAG 2014 enthaltenen Verteilungsquoten habe sich der Gesetzgeber gestützt auf das umfangreiche Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung ein umfassendes Bild über die Einnahmen- und aufgabenbezogene Ausgabensituation der Kommunen verschafft. Die Grundentscheidung des § 4 FAG für das Zwei-Ebenen-Modell sei nicht zu beanstanden und würde auch in anderen Bundesländern (Baden-Württemberg, Brandenburg, Niedersachsen und Thüringen) praktiziert. Durch diese Vorgehensweise würden Ausgabenbedarfe bei einzelnen Aufgaben verortet und hierdurch Vergleichbarkeit hergestellt. Der Einwand der Unvergleichbarkeit von Gemeindeaufgaben im ländlichen und im städtischen Raum sei ohne Grundlage. Das Gutachten habe sich mit der Abgrenzung und Bewertung der in § 4 FAG 2014 vorgesehenen zentralörtlichen Aufgaben ausführlich befasst; die von ihm herangezogenen Kriterien für die Zentralörtlichkeit einer Aufgabe entsprächen anerkannten finanzwissenschaftlichen Grundsätzen. Die Bewertung des Bedarfs für zentralörtliche Aufgaben sei ebenfalls gutachterlich fundiert und plausibel begründet.

57

In der Herausnahme der Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung aus den Daten zur Ermittlung der durchschnittlichen Finanzbedarfe liege kein Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit, da bei diesen – anders als bei den anderen von den Antragstellerinnen angeführten künftigen Änderungen – festgestanden habe, dass der Bund ab 2014 diese Kosten übernehmen werde.

58

Durch die Berücksichtigung der wegfallenden Kosten der Unterkunft der Arbeitsuchenden (§ 22 Abs. 1 und 7 SGB II) bei der Ermittlung der Quoten des § 4 FAG 2014 sei erstmals überhaupt Systemgerechtigkeit zwischen den Kreisen und den kreisfreien Städten hergestellt worden. Denn zuvor hätten die kreisfreien Städte die Kosten allein getragen, während die Kreise über die Umlage anteilig Rückgriff bei den Gemeinden hätten nehmen können. Die Gemeinden würden gleichfalls nicht benachteiligt, da die Verringerung der gemeindlichen Teilschlüsselmasse geringer ausfalle als die Ersparnis der Gemeinden durch Wegfall der Kreisumlage.

59

Die nach §§ 14, 16 f. FAG 2014 berücksichtigten Aufgaben seien nicht „doppelt“ bedacht worden, wie sich aus dem Ergänzungsgutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus November 2013, dort Seite 6 ergebe.

60

dd) Im Hinblick auf § 5 Abs. 2 FAG 2014 und die im Vergleich zu § 9 Abs. 1 Satz 2 FAG 2014 unterschiedlichen Ausgleichswerte finde keine Ungleich-, sondern eine Gleichbehandlung der einzelnen Kommunen bei der Ermittlung der Schlüsselzuweisungen aus derselben,aufgabenbezogenen Teilschlüsselmasse statt. Auch wenn es verfassungsrechtlich keine unterschiedliche Wertigkeit der verschiedenen Aufgaben gebe, sei der Gesetzgeber nicht gehindert, mit Blick auf verschiedene Aufgaben unterschiedliche Ausgleichswerte vorzusehen, zumal dann, wenn bestimmte Aufgaben relativ oder absolut besondere Belastungen verursachten.

61

ee) Fiktive Hebesätze wie in § 7 Abs. 2 Satz 1 FAG 2014 würden in allen Finanzausgleichssystemen verwendet. Eine Verpflichtung, differenziert gewogene Hebesätze in Anlehnung an die Größe der Gemeinden oder an andere Kriterien
– etwa an den Standort oder die Lage – zu bestimmen, bestehe nicht. Denn es gebe derzeit kein kohärentes Theoriedesign zur Abbildung nachweisbarer Hebesatzpotentiale. Die angesetzten fiktiven Mindesthebesätze (260 beziehungsweise 310 %) seien in der Höhe nicht zu beanstanden. Sie lägen deutlich unter den tatsächlichen Durchschnittssätzen.

62

Die kreisfreien Städte würden weder durch die Datengrundlagen noch durch den angesetzten Faktor gegenüber den Kreisen „relativ arm“ gerechnet, da die Ermittlung der Schlüsselzuweisungen nicht an kommunale Gruppen, sondern an Aufgaben anknüpfe. Im Übrigen hätten die kreisfreien Städte höhere Soziallasten zu tragen.

63

ff) Die Einführung des Soziallastenindikators in § 9 FAG 2014 sei sowohl dem Grundsatz nach als auch in der konkreten Ausgestaltung verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Ermittlung der aus Finanzkraft und Soziallastenmesszahl bestehenden integrierten Messzahl stelle eine besondere Technik zur Ermittlung der Belastung aus den sozialen Aufgaben der Kreise und kreisfreien Städte dar und liege in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Es sei im Finanzausgleichssystem nicht unüblich, bereits auf der Finanzkraftseite Faktoren für Finanzbedarfe zu berücksichtigen. Zudem würden dabei alle Kommunen gleich behandelt und es sei sowohl eine Nivellierung als auch eine Vertauschung der Finanzkraftreihenfolge ausgeschlossen.

64

Das Fehlen eines Flächenansatzes korrespondiere schlüssig mit dem Verzicht auf eine sogenannte Einwohnerwertung. Der Gesetzgeber habe sich dafür entschieden, – behauptete – Kosten der Agglomeration nicht zu berücksichtigen, so dass er auch – behauptete – Kosten der Deglomeration unberücksichtigt lassen könne. Der Gesamtmechanismus sei so weniger streitanfällig und kompliziert, ohne an Genauigkeit einzubüßen. Aufgrund welcher konkreten Umstände bei der Erfüllung der jeweiligen Aufgabe aus dem Verhältnis von Einwohnerzahl und Fläche überproportional hohe Kosten entstehen könnten, erschließe sich im Übrigen nicht.

65

Nicht zu überzeugen vermöge die Übertragung der Kritik an § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 auf das Verhältnis von Kreisen zu kreisfreien Städten. Die Antragstellerinnen könnten nicht zu Recht behaupten, dass bei der Berechnung der Umlagekraftmesszahlen die kreisfreien Städte „arm gerechnet“ würden, während die Einkommenssituation der Kreise realitätsnah abgebildet werde. Denn bei der Umlagekraft der Kreise würden die Steuereinnahmen der kreisangehörigen Gemeinden nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 berücksichtigt. Im Übrigen müssten sich die kreisfreien Städte nach § 9 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 eine Kreisumlage anrechnen lassen, die sie gar nicht erzielten.

66

3. Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag, der Städteverband Schleswig-Holstein und der Schleswig-Holsteinische Landkreistag haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

67

a) Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag rügt, dass der Finanzausgleich insgesamt nicht auskömmlich dotiert sei, obwohl bereits während des Gesetzgebungsverfahrens eindeutige Indizien für die mangelhafte Finanzausstattung der Kommunen vorgelegen hätten und er ausdrücklich um Prüfung gebeten habe.

68

Leidtragende der Reform seien im Ergebnis in besonderem Maße die Gemeinden mit einer besonders geringen Steuerkraft von weniger als 500 Euro pro Einwohner. Die Erhöhung der Nivellierungssätze in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 habe zu einer weiteren Benachteiligung der kreisangehörigen Gemeinden zugunsten der Kreise geführt.

69

Soweit es um die Verteilung der Schlüsselzuweisungen für Gemeindeaufgaben gehe, sei bei der horizontalen Verteilung eine vertiefte Befassung mit gemeindlichen Aufgaben verfassungsrechtlich nicht geschuldet. Die Verteilung anhand der Parameter Steuerkraft und Einwohnerzahl habe sich bewährt. Es sei zulässig, bei der Aufteilung der Teilschlüsselmassen Zuschussbedarfe durch eine typisierende Betrachtung der Ausgaben zu ermitteln, da die Kommunen über das Ob (bei freiwilligen Aufgaben) und das Wie der Aufgabenerfüllung selbst entscheiden dürften.

70

Problematisch sei hingegen der gewählte Verteilungsmechanismus für die Teilmasse für zentralörtliche Aufgaben. Hier sei es bei der Ausgestaltung des § 10 FAG 2014 zu einer Beeinflussung des Ergebnisses durch das Ausgabeverhalten einzelner Kommunen gekommen. Zudem würden die Theater der kreisfreien Städte über eine Kombination von Vorwegabzug und Zuweisungen für zentralörtliche Aufgaben doppelt finanziert. Die Zuschussbedarfe für Berufsschulen seien unvertretbar gewichtet. Ferner seien die einheitlichen Hebesätze des § 7 Abs. 2 Satz 1 FAG 2014 zu kritisieren. Demgegenüber sei die Nichtberücksichtigung der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung geboten gewesen, um nicht bereits bei Inkrafttreten des Gesetzes offensichtlich unzutreffende Daten zugrunde gelegt zu haben. Eine derart sicher absehbare Kostenentlastung habe es bei keinem anderen Aufgabenbereich von vergleichbarem Gewicht gegeben.

71

b) Der Städteverband Schleswig-Holstein hebt in seiner Stellungnahme hervor, dass die Kommunen in Schleswig-Holstein seit Jahren strukturell unterfinanziert seien. Die Finanzprobleme konzentrierten sich bei den kreisfreien Städten, auf die allein knapp 2/3 aller aufgelaufenen Defizite entfielen, obwohl sie nur rund 22 % der Gesamtbevölkerung stellten. Den kreisfreien Städten fehle weitgehend die Möglichkeit zur Eigenfinanzierung. Daneben zeige sich, dass viele Städte im kreisangehörigen Raum strukturell unterfinanziert seien. Besondere Disparitäten ergäben sich in Bezug auf die Möglichkeit zur Eigenfinanzierung Zentraler Orte im ländlichen Raum. Im Gegensatz hierzu zeige sich bei den Kreisen eine weitgehend stabile Haushaltsentwicklung. Der Finanzausgleich könne nicht einmal eine Mindestfinanzausstattung sicherstellen, die alle Städte und Gemeinden in die Lage versetze, ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen, ohne weitere Defizite aufzubauen.

72

Der Verfassung sei ein solcher Anspruch auf Mindestausstattung zu entnehmen, bei dem die Finanzkraft des Landes unerheblich sei. Erst jenseits dieses Kernbereichs spiele die Leistungsfähigkeit des Landes eine Rolle. Das Beispiel der Krankenhausfinanzierung zeige, dass ein bereits auf den Mindestausstattungsanspruch durchschlagender Leistungsfähigkeitsvorbehalt mit den Aufgaben- und Ausgabenverpflichtungen unvereinbar sei. Im Übrigen habe das Land im Jahr 2015 einen Überschuss von 187 Millionen Euro erwirtschaftet, während die Kommunen per Saldo mit einem Defizit von 22,3 Millionen Euro abgeschlossen hätten. Bereits dies indiziere einen Verstoß gegen die kommunale Mindestfinanzierungsgarantie.

73

Bezogen auf den horizontalen Finanzausgleich sei jedoch kein Verstoß gegen das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung oder der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit festzustellen. Aufgrund des sehr heterogenen Aufgabenbestandes der verschiedenen Kommunen bedürfe es eines politischen Einschätzungsspielraumes. Vor diesem Hintergrund sei gerade bei der Regelung über den Soziallastenausgleich und beim Gewicht der paternalistischen Dimension des Finanzausgleichs ein Verfassungsverstoß nicht zu erkennen. Im Übrigen sei das Verfahren „vorbildhaft geführt“ worden. Insbesondere sei die Neubemessung der Teilschlüsselmassen in § 4 FAG 2014 ebenso wie die Nichteinbeziehung der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung positiv zu bewerten. Dass Zuschussbedarfe für Theater und Orchester doppelt angerechnet worden seien, sei nicht zu erkennen. Nur teilweise überzeuge hingegen der gewählte Zentrale-Orte-Ansatz in § 10 FAG 2014; insoweit wäre es vorteilhafter gewesen, den Status Quo vor der Reform beizubehalten.

74

c) Der Schleswig-Holsteinische Landkreistag beanstandet, dass das der Neukonzeption des Finanzausgleichs zugrunde liegende Gutachten ausschließlich von Ausgaben und nicht von Aufgaben ausgehe. Auf diesem Wege seien verhaltensgeprägte Werte und nicht objektivierte, notwendige Aufwendungen für Aufgaben Ausgangspunkt aller Überlegungen. Es hätte einer Bestandsaufnahme der tatsächlichen Kosten und ihrer Objektivierung durch ein anerkanntes Statistikverfahren bedurft. Derartige Verfahren seien verfügbar, etwa das Standardkostenmodell, ein Benchmarking, die Regressionsanalyse oder die Korridorbereinigung.

75

Unzulässig sei die Ausgestaltung der Schlüsselzuweisungen an Kreise und kreisfreie Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten nach § 9 FAG 2014. Im Prinzip werde so der typisierte Aufwand in Form der Ausgangsmesszahl mit der typisierten Finanzkraft in Form der Umlagekraftmesszahl beziehungsweise der Steuerkraftmesszahl verglichen. Durch den Abzug des typisierten Sozialaufwandes von der Ertragsseite – und nicht von der Aufwandsseite – werde dieses System durchbrochen. In der Folge werde dem vollen Aufwand in Form der Ausgangsmesszahl ein künstlich und damit systemwidrig und willkürlich verringerter Ertrag gegenübergestellt. Dadurch erhielten die Soziallasten ein doppeltes Gewicht.

76

Zu weiteren Verzerrungen führe der Umstand, dass die Ausgangsmesszahl und die Steuerkraftmesszahl nicht nach gleichen Kriterien bestimmt würden. Denn über die fiktiven Hebesätze nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 würden die Einnahmemöglichkeiten der kreisfreien Städte nur zu 73,32 %, die der Kreise aber zu 100 % angerechnet. Der einheitliche Nivellierungssatz sowohl für kreisfreie Städte als auch kreisangehörige Gemeinden trotz sehr unterschiedlicher tatsächlicher Steuerkraft führe im Ergebnis zu einer unterschiedlichen Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmekraft. Damit verstoße der Gesetzgeber gegen das Gleichbehandlungsgebot.

77

Zuletzt zeigten die Zahlen der Vierteljahresstatistik 2015, dass der ländliche Raum benachteiligt werde, indem er von der an sich positiven Entwicklung weniger profitiert habe als der städtische Raum. Die kreisfreien Städte hätten sich bei gleichzeitiger Rückführung der Kassenkredite um 10,6 % nur mit 3 % am Kreditmarkt neu verschulden müssen. Der ländliche Raum habe hingegen 10,8 % an neuen Kreditmarktmitteln bei gleichzeitiger Rückführung der Kassenkredite um 12,4 % benötigt.

B.

78

Der Antrag ist zulässig (I.), aber nur teilweise begründet (II.).

I.

79

Der Antrag ist gemäß Art. 51 Abs. 2 Nr. 2 LV i.V.m. § 3 Nr. 2, §§ 39 ff. Landesverfassungsgerichtsgesetz (LVerfGG) zulässig.

80

Für die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags ist es ohne Belang, dass das verfahrensgegenständliche Finanzausgleichsgesetz zwischenzeitlich in Teilbereichen abgeändert wurde. Zwar führen die Änderungen dazu, dass das Gericht nunmehr in Teilen über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes entscheidet, welches zum Zeitpunkt der Entscheidung so nicht mehr wirksam ist. Maßgeblich ist insoweit allerdings, ob trotz Teiländerung ein objektives Interesse an der Klärung der aufgeworfenen Fragen bestehen bleibt

(vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999 - 2 BvF 1/94 -, BVerfGE 100, 249 ff., Juris Rn. 36; VerfGH Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 -, SächsGVBl 2001, 61 ff., Juris Rn. 55).

81

Ein derartiges objektives Interesse ist im Kontext von Normen eines Finanzausgleichsgesetzes dann anzunehmen, wenn – wie hier – der Regelungsgehalt des angegriffenen Gesetzes lediglich leicht modifiziert wird, die Grundkonzeption jedoch für die nachfolgenden Fassungen gleich bleibt

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff., Juris Rn. 78; für Verfassungsbeschwerden: VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Mai 2006 - VfGBbg 39/04 -, BeckRS 2006, 23349. Im Ergebnis ebenso: VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007
- Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris Rn. 170).

So verhält es sich hier. Die geänderten Vorschriften der § 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 4 FAG 2014 lassen die angegriffene Grundkonzeption des Finanzausgleichs-gesetzes unberührt.

II.

82

Der Antrag ist nur teilweise begründet. Die zulässigerweise angegriffenen Vorschriften der § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 9 Abs. 1 FAG 2014 sind verfassungswidrig. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.

83

1. Bedenken hinsichtlich der formellen Verfassungsmäßigkeit des angegriffenen Gesetzes bestehen nicht. Verfahrensfehler im Gesetzgebungsprozess sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

84

Dies gilt auch für die die Beteiligung der kommunalen Ebene im Gesetzgebungsverfahren. Andere Verfassungsgerichte haben den jeweils einschlägigen Landesverfassungen zwar formelle Beteiligungsrechte entnommen

(StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 90 ff.; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris
Rn. 213; a.A.: LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11. Mai 2006 - LVerfG 1/05 -, LVerfGE 17, 297 ff., Juris Rn. 126; StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 02/05 -, NdsMBl 2008, ff., Juris Rn. 70; offen gelassen: StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 173).

85

Für eine entsprechende Auslegung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein bestehen allerdings keine Anhaltspunkte. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Verfassungsreform vom 2. Dezember 2014 (GVOBl 344), in deren Rahmen keine Beteiligungsrechte aufgenommen wurden. Ferner ist zumindest fraglich, ob das Argument der vorgenannten Verfassungsgerichtshöfe, es sei unmöglich, auf anderem Wege einen Schutz der finanziellen Ausstattungsansprüche zu gewährleisten, (noch) greift. Denn in einer ganzen Reihe von Bundesländern (insbesondere Hessen, Niedersachsen, Thüringen) wurden mittlerweile von den jeweiligen Verfassungsgerichten praktikable Vorgaben für die gesetzgeberische Entscheidungsfindung und die Sachverhaltsermittlung eingefordert und in der Folge hierzu Modelle der Umsetzung entwickelt. Die Einführung der in § 29 FAG 2014 vorgesehenen, umfassenden kommunalen Beteiligungsrechte („Beirat für den kommunalen Finanzausgleich“) stellt sich vor diesem Hintergrund als autonome gesetzgeberische Entscheidung dar; von Verfassungs wegen erforderlich sind derartige Beteiligungsrechte nicht.

86

2. Im Hinblick auf die materielle Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Bestimmungen ist zwischen den jeweils als verletzt gerügten Art. 57 Abs. 1 LV (a) und Art. 54 Abs. 1 LV (b) zu differenzieren. Die beiden Verfassungsnormen enthalten eigenständig nebeneinander bestehende Gewährleistungsgehalte.

87

a) Art. 57 Abs. 1 LV normiert umfassende Vorgaben für die Ausgestaltung des schleswig-holsteinischen kommunalen Finanzausgleichs. Dabei ist zwischen dessen Aussagegehalt zum vertikalen und zum horizontalen Finanzausgleich zu trennen. Art. 57 Abs. 1 LV normiert in vertikaler Hinsicht einen dynamischen, an die Höhe der allgemeinen Finanzausstattung des Landes gekoppelten kommunalen Anspruch auf angemessene Partizipation der kommunalen Ebene an der naturgemäß schwankenden Finanzausstattung des Landes (aa). Komplettiert wird dieser Anspruch auf angemessene Finanzausstattung im Hinblick auf die horizontale Verteilung der Finanzausgleichsmasse durch finanzausgleichs-spezifische Ausformungen insbesondere des allgemeinen Gleichbehandlungs-grundsatzes aus Art. 57 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 LV, Art. 3 Abs. 1 GG (bb). Hinzu kommen allgemeine Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten (cc).

88

aa) Bezogen auf die vertikale Dimension des Finanzausgleichs enthält Art. 57 Abs. 1 LV das Gebot der Verteilungssymmetrie zwischen der Landesebene und der kommunalen Ebene.

89

(1) Nach Art. 57 Abs. 1 LV stellt das Land im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Wege des Finanzausgleichs Mittel zur Verfügung, durch die eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen gewährleistet wird. Ziel soll dabei sein, die Leistungsfähigkeit der steuerschwachen Gemeinden und Gemeindeverbände zu sichern und eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben auszugleichen. Hieraus folgt, dass die Kommunen in angemessenem Umfang an den Einnahmen des Landes zu beteiligen sind. Art. 57 Abs. 1 LV nimmt damit das Verhältnis der Finanzausstattung des Landes zur Finanzausstattung der kommunalen Ebene in den Blick und normiert das Gebot der Verteilungssymmetrie zwischen beiden Ebenen. Er konkretisiert damit – als finanzverfassungsrechtliche Kehrseite der staatsorganisatorischen Zugehörigkeit der Kommunen zu den Ländern –

(BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 -, BVerfGE 86, 148 ff., Juris Rn. 272 f.)

die (Letzt-)Verantwortung des Landes für die Finanzausstattung der Kommunen.

90

Für ein derartiges, auf das Gebot der Verteilungssymmetrie fokussiertes, Verständnis spricht schon der Wortlaut mit seiner Gegenüberstellung von Leistungsfähigkeit der kommunalen Ebene einerseits und Leistungsfähigkeit des Landes andererseits. Bereits danach bestehen die Hauptfunktionen des kommunalen Finanzausgleichs darin, die Finanzmittel der Kommunen (vertikal) aufzustocken, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können (fiskalische Funktion), sowie die Finanzkraftunterschiede zwischen den Kommunen (horizontal) auszugleichen (redistributive Funktion). Ausdrücklich bestätigt wird dies durch die Entstehungsgeschichte der aktuellen Fassung des Art. 57 Abs. 1 LV. Den derzeitigen Wortlaut nahm der Schleswig-Holsteinische Landtag in 2. Lesung am 19. Mai 2010 an. Vorangegangen war ein entsprechender Änderungsantrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW. In diesem wurde zugleich die Begründung neu gefasst. Sie stellt nun ausdrücklich klar,

dass für den kommunalen Finanzausgleich auch der Grundsatz der Verteilungssymmetrie im Sinne einer Verteilungsgerechtigkeit zwischen dem Land sowie den Gemeinden und Gemeindeverbänden gilt (Landtags-Drucksache 17/546, S. 3 f.).

91

Das Gebot der Verteilungssymmetrie fordert eine gerechte und gleichmäßige Verteilung der im Land insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel auf die kommunale Ebene einerseits und die Landesebene andererseits. Dabei ist die Finanzausstattung beider Ebenen gleichermaßen in den Blick zu nehmen, so etwa der Umstand, dass das Land Schleswig-Holstein derzeit unverändert (neben Berlin, Bremen, dem Saarland, Sachsen-Anhalt) jährliche Finanzzuweisungen nach dem Konsolidierungshilfengesetz vom 10. August 2009 (BGBl I S. 2702, 2705) erhält und zu entsprechenden Konsolidierungsleistungen verpflichtet ist (§ 2 Konsolidierungshilfengesetz). Reichen die verfügbaren Mittel nicht aus, ist eine ausgewogene Aufteilung der Mangellage auf Land und Kommunen durch eine beiderseitige Reduzierung der zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben zur Verfügung stehenden Mittel geboten

(vgl. für die Parallelbestimmungen anderer Flächenländer: StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 2/05 -, NdsMBl 2008, 488 ff., Juris Rn 68; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, NordÖR 2011, 391 ff., Juris
Rn. 49 ff.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, LVerfGE 22, 547 ff., Juris Rn. 82 ff.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, DVBl 2012, 432 ff., Juris Rn. 25; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, GVBl Hessen 2013, 535 ff., Juris Rn. 92 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 53).

92

(2) Ausgangspunkt der weiteren verfassungsrechtlichen Auslegung des Art. 57 Abs. 1 LV in vertikaler Hinsicht ist der Umstand, dass die darin enthaltenen prägenden Begriffe der „Angemessenheit“ und der „Leistungsfähigkeit des Landes“ dem Gesetzgeber bei der Umsetzung des Symmetriegebots nach Art. 57 Abs. 1 LV in der vertikalen Dimension einen weiten Einschätzungsspielraum belassen. Verfassungsgerichtlich überprüfbar ist dementsprechend nur die Frage, ob der Gesetzgeber sich bei der gefundenen Regelung innerhalb seines weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraumes bewegt hat oder aber dessen – im Folgenden zu bestimmenden – Grenzen überschritten hat

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 125 ff.; StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 2/05 -, NdsMBl 2008, 488 ff., Juris Rn 68; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011
- LVerfG 10/10 -, NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 47; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 112).

93

(a) Eine verfassungsgerichtliche Überprüfung des vom Gesetzgeber für richtig befundenen Ergebnisses kommt nicht in Betracht (). Die verfassungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich auf die Wahrung von Verfahrens-, insbesondere Sachverhaltsermittlungs- und Abwägungspflichten ().

94

(aa) Eine Ergebniskontrolle, das heißt eine inhaltliche Überprüfung, ob die konkret festgesetzte Finanzausgleichsmasse der Höhe nach „angemessen“ oder (mit Blick auf den Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum) jedenfalls „eindeutig unangemessen“ ist, scheidet aus. Das Landesverfassungsgericht trägt damit dem Umstand Rechnung, dass das Ergebnis der Festlegung der Finanzausgleichsmasse zu einem großen Teil Ausdruck politischer Wertungen ist, die sich direkter gerichtlicher Überprüfung entziehen. Hinzu kommt, dass sich die „angemessene“ Ausstattung nicht durch konkret bestimmbare Maßstäbe, Parameter, Kennziffern, Beträge oder Quoten quasi objektiv-wissenschaftlich festlegen lässt. Die verfassungsgerichtlichen Kontrollmöglichkeiten stoßen schließlich bei Berücksichtigung des Erfordernisses schwieriger Prognosen über den Umfang von Einnahmen, Ausgaben und Aufgaben an ihre Funktionsgrenze

(vgl. StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 95; VerfGH Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 -, SächsVBl 2001, 61 ff., Juris
Rn. 83 f.; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007
- Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris Rn. 209 ff.; StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 2/05 -, NdsMBl 2008, 488 ff., Juris Rn. 69; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 14 ff., Juris Rn. 83).

95

(bb) Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass jedwede verfassungsgerichtliche Kontrolle der vertikalen Ausgestaltung des Finanzausgleichs entfiele. Verfassungsrechtlich geboten und möglich ist jedenfalls eine gerichtliche Überprüfung, ob dem Gesetzgeber bei der Ermittlung der Grundlagen seiner Berechnungen, seinen Prognosen und seinen Wertungen Fehler unterlaufen sind, die mit den Gewährleistungen des Art. 57 Abs. 1 LV nicht zu vereinbaren sind. Dasselbe gilt für die Frage, ob der Gesetzgeber den maßgeblichen Sachverhalt vertretbar ermittelt hat

(vgl. VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007
- Vf. 15-VII-05 -, a.a.O., Juris Rn. 212 ff.; StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 2/05 -, a.a.O., Juris Rn. 69; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, a.a.O., Juris Rn. 83; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016
- VerfGH 24/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 46 ff.).

96

Einer derartigen Konkretisierung der sich aus Art. 57 Abs. 1 LV ergebenden Anforderungen für das Verfahren der Ausgestaltung des vertikalen Finanzausgleichs stehen im Ergebnis nicht die verschiedentlich erhobenen Einwände gegen derartige Vorgaben für das „innere Gesetzgebungsverfahren“ entgegen, wie sie etwa vom ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts anlässlich seiner Entscheidung zum Asylbewerberleistungsgesetz oder aus der Rechtswissenschaft unter Verweis auf den politischen Charakter des Gesetzgebungsverfahrens geäußert wurden

(BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 -, BVerfGE 132, 134 ff., Juris Rn. 70 f; dabei in deutlicher Abgrenzung zur vorherigen Entscheidung desselben Senats vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 -, BVerfGE 125, 175 ff., Juris Rn. 143 f. und ebenfalls im Dissens zum zweiten Senat, der unverändert von der Möglichkeit ausgeht, dem Gesetzgeber aus spezifischen Bestimmungen des Grundgesetzes heraus Ermittlungs- und Begründungspflichten aufzuerlegen, so etwa in den Urteilen vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 -, BVerfGE 130, 263 ff., Juris Rn. 164 f. und vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, BVerfGE 139, 64 ff., Juris Rn. 129 f.; vgl. hierzu auch: Sanders/ Preisner, DÖV 2015, 761 <764 f.> m.w.N.; Roßmüller, Schutz der kommunalen Finanzausstattung durch Verfahren, 2009, S. 112 ff.).

97

Denn jedenfalls im Kontext des kommunalen Finanzausgleichsrechts lassen sich aus der Struktur und dem Inhalt der Finanzgarantien des Art. 57 Abs. 1 LV Vorgaben für das der Normierung des kommunalen Finanzausgleichsgesetzes vorausgehende Gesetzgebungsverfahren ableiten, welche dieses strukturieren und inhaltlich bestimmen. Hierdurch kann der gesetzgeberische Entscheidungsprozess gerichtlich nachgeprüft und somit letztlich eine gewisse verfassungsrechtliche Bindung der Gestaltung des kommunalen Finanzausgleichs sichergestellt werden

(vgl. VerfGH Thüringen, Urteil vom 21. Juni 2005 - VerfGH 28/03 -, ThürVGRspr. 2006, 165 ff., Juris Rn. 155 ff.).

98

(b) Geprägt wird die verfahrensbezogene Kontrolle durch die verfassungsrechtlich vorgegebene Struktur des Art. 57 Abs. 1 LV (), durch weitere, sich aus Art. 57 Abs. 1 LV ergebende Vorgaben an die im Gesetzgebungsverfahren erforderliche Sachverhaltsermittlung () sowie durch das dieses ergänzende Transparenzgebot ().

99

(aa) Aus dem Symmetriegebot folgt, dass vom Gesetzgeber zu fordern – und entsprechend vom Landesverfassungsgericht zu prüfen – ist, dass er sich im Zuge der Normierung des kommunalen Finanzausgleichs die Finanzausstattung sowohl der Landesebene als auch der kommunalen Ebene vor Augen hält und diese mit dem Ziel einer verteilungsgerechten Abwägungsentscheidung einander gegenüber stellt. Gefordert ist damit ein substantieller Ebenenvergleich. Ein solcher Ebenenvergleich erfordert zumindest, dass

- die Finanzkraft von Kommunen und Land,

- der Finanzbedarf von Kommunen und Land und

- die sich aus der gegebenenfalls bestehenden Differenz ergebende Finanzentwicklung der kommunalen Ebene und der Landesebene

für alle an dem Finanzverbund Beteiligten nachvollziehbar unter Beachtung der Gleichrangigkeit der Aufgaben von Land und Kommunen fachkundig analysiert, bewertet, gewichtet und zueinander in Beziehung gesetzt werden

(vgl. StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 84 ff., 95; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris Rn. 217; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011
- VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 89, 118, 126; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 49 ff.).

100

Dabei gelten die vorgenannten Anforderungen für die – hier vorliegende – grundlegende Neuausrichtung des kommunalen Finanzausgleichs. Inwieweit die Anforderungen abzuschwächen sind, wenn ein den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechender Gesetzgebungsprozess bereits abgeschlossen ist und lediglich eine Fortschreibung erfolgt, kann in diesem Verfahren dahinstehen. Jedenfalls erforderlich ist dann, dass sich der Gesetzgeber mit erkennbaren Veränderungen der Finanzbedarfe von Land und Kommunen auseinandersetzt und erforderlichenfalls die Finanzmittelverteilung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Landes anpasst. Nur bei signifikanten Veränderungen sind erneute, gegebenenfalls auf die veränderten Faktoren beschränkte, Erhebungen nötig

(vgl. VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, a.a.O., Juris Rn. 49 ff.; VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff.; Juris Rn. 93).

101

(bb) In der Durchführung dieses Ebenenvergleiches kommt dem Gesetzgeber ein weiter methodischer Gestaltungsspielraum zu. Art. 57 Abs. 1 LV legt den Gesetzgeber nicht auf ein bestimmtes methodisches Vorgehen fest. Im Grundsatz steht es dem Gesetzgeber frei zu entscheiden, welche Methodik er wählt und wie er diese im Einzelnen ausgestaltet. Dies gilt umso mehr, als es keine wissenschaftlich unumstrittenen Ansätze für den Symmetrievergleich gibt. Das Landesverfassungsgericht überschritte seine Kompetenzen, wenn es dem Gesetzgeber insoweit methodische Vorgaben setzen würde. Es ist nicht seine Aufgabe, eine Auswahl aus den verschiedenen denkbaren Prüfansätzen (etwa Gegenüberstellung der Kommunalisierungsgrade von Ausgaben und Einnahmen, Vergleich der Deckungsquoten auf Landes- und Kommunalebene, vergleichende Betrachtung der Finanzierungssalden und der jeweiligen Verschuldungssituation, Vergleich mit der finanziellen Lage der Kommunen in anderen Bundesländern) vorzugeben

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 2/05 -, NdsMBl 2008, 488 ff., Juris Rn. 69 ff.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, DVBl 2012, 432 ff., Juris Rn. 26; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014
- VerfGH 14/11 -, a.a.O., Juris Rn. 49 ff.; wohl ebenso: VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 125 ff.; Volkmann, DÖV 2001, 497 <502>).

102

Nicht zwingend ergibt sich aus Art. 57 Abs. 1 LV eine Verengung der Methodenfreiheit des Gesetzgebers auf bestimmte wissenschaftlich gestützte, „modellbasierte“ umfassende und empirische Bedarfsanalysen, wie sie von einigen Landesverfassungsgerichten mit dem Ziel einer umfassenden Ermittlung insbesondere des kommunalen Finanzbedarfs eingefordert wurden

(vgl. etwa VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 86).

103

Dieser Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum findet seine Grenzen in dem aus der Struktur des Art. 57 Abs. 1 LV zu entnehmenden Gebot eines zumindestbedarfsorientierten Vorgehens. Erforderlich ist, dass der Gesetzgeber sich mit der jeweils gewählten Methodik den tatsächlichen Bedarfen der zu vergleichenden Ebenen substantiell annähert. Der Gesetzgeber ist damit in der Pflicht sicherzustellen, dass der anzustellende Ebenenvergleich auf einer bedarfsorientierten Erfassung der einzelnen aufgezeigten Vergleichselemente beruht. Je mehr sich der Gesetzgeber in der Wahl seiner Methodik auf abstrakte Kennzahlen und Statistiken, welche auf dem reinen Ausgabeverhalten beruhen, stützen will, desto intensiver muss er sich jeweils die hiermit verbundenen Nachteile und Risiken des gewählten Ansatzes verdeutlichen und erkennbare Schritte unternehmen, um diese auf ein vertretbares Maß abzumildern. Will sich der Gesetzgeber maßgeblich auf solche statistischen Angaben beziehen, so muss sich aus der durchgeführten Gesamtanalyse ergeben, dass er sich im Rahmen des Möglichen bemüht hat, den Schritt von der unkritischen Betrachtung rein ausgabenbezogenen Datenmaterials zu einer gewichteten und bewerteten Analyse echter Bedarfe zu vollziehen

(vgl. StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 98; VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 125 ff.; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 116 ff.; Schmitt, DÖV 2013, 452 <459>).

104

Nicht den Vorgaben des Art. 57 Abs. 1 LV entspricht damit ein Vorgehen, das sich allein auf die nur das tatsächliche Ausgabeverhalten der Kommunen und des Landes wiedergebenden (Kommunal-) Statistiken stützt, ohne zumindest kontrollierend Betrachtungen des tatsächlichen Bedarfs einzuführen. Denn der damit vollzogene Schluss von Ausgaben in der Vergangenheit auf tatsächliche Bedarfe auf kommunaler- beziehungsweise Landesseite ist regelmäßig zur adäquaten Erfassung der Bedarfe nicht hinreichend, und zwar in mehrfacher Hinsicht:

105

Erstens können auf dieser Datenbasis chronische Unterfinanzierungen bestimmter Bereiche aus dem Blick geraten. Exemplarisch genannt sei die Möglichkeit, dass zur angemessenen Aufgabenerfüllung an sich erforderliche Personalausgaben aufgrund unbesetzter Stellen gar nicht (mehr) anfallen und entsprechend nicht als Bedarfe in Erscheinung treten. Gleiches gilt, wenn Aufgaben aufgrund nicht vorhandener Mittel nur noch unzureichend oder gar nicht mehr wahrgenommen werden können.

106

Zweitens können durch eine so geartete Herangehensweise unwirtschaftliche Mehrausgaben faktisch als „Bedarf“ anerkannt werden, obwohl die entsprechenden Ausgaben (oft historisch gewachsene) Resultate unwirtschaftlicher Haushaltsführung und nicht tatsächlicher Bedarfe sind. Nicht zuletzt die Berichte des Landesrechnungshofs Schleswig-Holstein zeigen, dass bei einer reinen Betrachtung des Ausgabeverhaltens jedenfalls das Risiko besteht, mit Daten zu operieren, die mit der Ausgangsfrage nach echten Bedarfen nicht zwingend verbunden sind.

107

Drittens können Situationen nicht erkannt werden, in denen sich eine Ebene bei der Erfüllung einer Aufgabe ein wesentlich höheres qualitatives Niveau erlaubt als die andere Ebene für dieselbe Aufgabe oder vergleichbare Bereiche; für beide erscheinen die faktischen Ausgaben als nicht reflektierter, feststehender „Bedarf“ in der Statistik.

108

Die Verpflichtung zu ergänzenden Erhebungen bezieht sich allerdings nur auf Umstände, die durch die an sich zulässigerweise gewählte Herangehensweise eindeutig übergangen oder verkannt zu werden drohen. Maßgeblich für die Frage, ob ergänzender Ermittlungsbedarf besteht, ist, dass die gewählte Herangehensweise objektiv methodenbedingte Schwächen aufweist und dass diese Schwächen erheblichen Einfluss auf die Bildung der Gesamtmasse haben können. Besonderer Betrachtung bedürfen damit insbesondere offenkundige oder allgemein bekannte Defizite der jeweiligen Methodik. Ebenso kann sich aus Stellungnahmen einzelner Beteiligter im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens Bedarf für weitere Erhebungen ergeben, vorausgesetzt, durch diese wird eine objektive Schwäche der vom Gesetzgeber gewählten Herangehensweise substantiiert belegt.

109

Diese Anforderungen folgen aus dem Inhalt und der Struktur des Art. 57 Abs. 1 LV. Bereits im Wortlaut des Art. 57 Abs. 1 LV ist das Spannungsverhältnis zwischen der Möglichkeit einer rein ausgabenbasierten Symmetriebetrachtung und dem Erfordernis ergänzender,bedarfsorientierter Erwägungen angelegt. Einerseits stellt Art. 57 Abs. 1 LV ausdrücklich auf den Begriff „Ausgaben“ ab und knüpft hieran die Ausgleichspflicht des Landes. Andererseits verwendet Art. 57 Abs. 1 LV diesen Begriff nicht isoliert, sondern in Verbindung mit dem Zusatz der „unterschiedlichen Belastung mit Ausgaben“. Der Begriff der „Belastung“ verweist dabei auf tatsächliche Umstände außerhalb des reinen, subjektiven Ausgabeverhaltens – und somit auf die sich aus den zu erfüllenden Aufgaben objektiv ergebenden Lasten. In die gleiche Richtung weist der ebenfalls in Art. 57 Abs. 1 LV als maßgeblicher Leitgedanke verwandte Begriff der „angemessenen“ Finanzausstattung der Kommunen. Bezugspunkt des Begriffs der Angemessenheit ist länderübergreifend – wie hier – der bei den Kommunen anfallende Aufgabenbestand. „Angemessen“ bedeutet „aufgabenadäquat“

(von Mutius, in: von Mutius/ Wuttke/ Hübner, Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 49 Rn. 8; vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff., Juris Rn. 83; VerfGH Thüringen, Urteil vom 21. Juni 2006 - VerfGH 28/03 - ThürVGRspr. 2006, 165 ff., Juris Rn. 134; VerfGH Sachsen, Urteil vom 26. August 2010 - Vf. 129-VIII-09 -, Juris Rn. 131; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, AS RP-SL 41, 29 ff., Juris Rn. 23; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. Februar 2012 - LVerfG 37/10 -, NordÖR 2012, 235 ff., Juris Rn. 97 ff.).

110

Für das Erfordernis einer zumindest bedarfsorientierten Ebenenanalyse sprechen zudem Sinn und Zweck derart verfassungsrechtlich fundierter Verfahrensvorgaben. Bezweckt werden soll einerseits eine gewisse Rationalität im Verfahren des Finanzausgleichs, andererseits eine Befriedung der mannigfaltigen vorstellbaren Konfliktlinien zwischen Land und Kommunen sowie unter den Kommunen selbst. Beides kann besser gelingen, wenn im Gesetzgebungsverfahren die tatsächlichen aufgabenbezogenen Bedarfe vor Ort in den Blick genommen werden und im weiteren Prozess Eingang in die vorzunehmende Abwägung finden

(vgl. VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris Rn. 217).

111

Zuletzt ist der enge Regelungszusammenhang mit Art. 54 Abs. 1 LV und dem dort enthaltenen Anspruch auf Mindestausstattung (siehe sogleich b), Rn. 126 ff.) zu berücksichtigen. Zwar kann im Rahmen des vorliegenden Verfahrens offen gelassen werden, wie diese Verfassungsbestimmung praktisch anwendbar zu machen ist. Es bestehen allerdings gute Gründe dafür, dass auch im Rahmen des Art. 54 Abs. 1 LV eine bedarfsorientierte Sachverhaltserhebung erforderlich sein dürfte. Im Hinblick auf die dort normierte Mindestausstattung läge es jedenfalls nahe, eine Befassung mit den mindestens notwendigen Bedarfen vor Ort als verpflichtend anzusehen. Im Ländervergleich zeigt sich insoweit, dass all jene Landesverfassungsgerichte, die – wie hier – einen eigenständigen Mindestanspruch anerkennen, im Weiteren letztlich bedarfsorientierte Analysen als erforderlich erkannt haben

(vgl. StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 98; VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris
Rn. 125 ff.; VerfGH Sachsen, Urteil vom 26. August 2010, - 129-VIII -09 -, Juris Rn. 114; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011
- VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 86; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris
Rn. 116 ff.; sowie wohl auch LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11. Mai 2006 - LVerfG 1/05 -, LVerfGE 17, 297 ff., Juris Rn. 149).

112

Soweit hingegen gegen das Erfordernis bedarfsorientierter Betrachtungen teilweise eingewandt wird beziehungsweise wurde, dass es de facto unmöglich sei, methodensicher einen objektiven Bedarf zu ermitteln

(vgl. z.B. Maas, Die verfassungsrechtliche Entfaltung kommunaler Finanzgarantien, 2004, S. 141 ff.; kritisch auch: Volkmann, DÖV 2001, 497 <500 ff.>; a.A.: Lange, DVBl 2015, 457 <459>),

dürfte dies durch die Praxis nicht bestätigt werden. Zum einen wurden mittlerweile in einigen Flächenländern in Reaktion auf die entsprechende Rechtsprechung der jeweiligen Landesverfassungsgerichte fundierte Betrachtungen tatsächlicher Bedarfe durchgeführt

(vgl. StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, a.a.O., Juris Rn. 116 ff. m.w.N., sowie jüngst Duve/ Neumeister, DÖV 2016, 848 <851 ff.>).

Zum anderen sind aufgabenbezogene Kostenanalysen im Kontext der sogenannten Konnexitätsbestimmungen (Art. 57 Abs. 2 LV) mittlerweile regelmäßig durchzuführen, soweit neue Aufgaben auf die kommunale Ebene übertragen werden. Aus diesem Zusammenhang sind daher praktisch erprobte Methoden der aufgabenbezogenen Kostenanalyse verfügbar

(Boettcher, DÖV 2013, 460 <463>: „Eine sachlich begründete und politisch willkürfreie Abschätzung des kommunalen Ausgabenbedarfes ist methodisch durchaus möglich“).

113

(cc) Mit diesen Anforderungen gehen weitere Anforderungen an die Transparenz des zu wahrenden Verfahrens einher. Die benannten gesetzgeberischen Verfahrensschritte müssen nicht nur tatsächlich stattgefunden haben, sondern in den Gesetzesmaterialien (zum Beispiel in der Gesetzesbegründung oder in den Ausschussprotokollen) Niederschlag gefunden haben. Den Gesetzgeber trifft insoweit eine Dokumentations- und Begründungspflicht. Er hat näher auszuweisen, also transparent werden zu lassen, nach welchen Grundsätzen er die für den kommunalen Finanzausgleich zur Verfügung stehenden Mittel festgestellt hat beziehungsweise ob und wie er die ihm zustehenden Einschätzungs- und Gestaltungsspielräume gesehen und ausgefüllt hat. Denn erst dadurch werden Kommunen und Gericht überhaupt in die Lage versetzt, die Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu überprüfen

(vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, BVerfGE 139, 64 ff., Juris Rn. 129, 130; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, a.a.O., Juris Rn. 85; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, a.a.O., Juris Rn. 36; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, a.a.O., Juris Rn. 116 ff.).

114

bb) Für die horizontale Ebene des kommunalen Finanzausgleichs weist das in Art. 57 Abs. 1 LV enthaltene Gebot, „eine unterschiedliche Belastung“ der Kommunen „mit Ausgaben auszugleichen“, dem Gesetzgeber die Aufgabe der angemessenen Mittelverteilung innerhalb der kommunalen Ebene zu.

115

Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der hier verfahrensgegenständlichen Bestimmungen des horizontalen Finanzausgleichs – ebenfalls – ein weiter Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zukommt. Das Verfassungsgericht hat insbesondere nicht zu prüfen, ob der Normgesetzgeber die „bestmögliche“ oder „gerechteste“ Lösung gewählt hat. In Respektierung der politischen Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers ist auch nicht zu prüfen, ob die Regelung notwendig oder gar unabweisbar ist. Der Gesetzgeber darf innerhalb gewisser Grenzen im Rahmen der Gemeindefinanzierung ihm zweckmäßig Erscheinendes verfolgen

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, NdsVBl 2010, 236 ff., Juris Rn. 63; VerfGH Sachsen, Urteil vom 26. August 2010 - Vf. 129-VIII-09 -, Juris Rn. 110; VerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 50 ff.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. Mai 2016 - VGH N 22/15 -, KommJur 2016, 309 ff., Juris Rn. 54; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, NWVBl 2017, 23 ff., Juris Rn. 54).

116

Grenzen des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraumes ergeben sich allerdings aus dem Gebot interkommunaler Gleichbehandlung (<1>), dem – eng damit verknüpften – Gebot der Systemgerechtigkeit (<2>), dem Nivellierungs- beziehungsweise Übernivellierungsverbot (<3>) sowie dem Gebot der Aufgabengerechtigkeit (<4>).

117

(1) Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot und das Gebot der Systemgerechtigkeit stellen sich als direkte Ausprägung des im Rechtsstaatsprinzip verankerten objektiven Willkürverbots in Verbindung mit dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht dar

(vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 -, BVerfGE 83, 363 ff., Juris Rn. 99; BVerwG, Urteil vom 25. März 1998 - 8 C 11.97 -, BVerwGE 106, 280 ff., Juris Rn. 24; VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 96; VerfGH Sachsen, Urteil vom 26. August 2010
- Vf. 129-VIII-09 -, Juris Rn. 111; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 51; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 9/12 -, NVwZ-RR 2014, 707, Juris Rn. 34; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 2015 - VerfGH 24/12 -, NWVBl 2015, 336 ff., Juris Rn. 39).

118

Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, ob das rechtsstaatliche Willkürverbot und seine vorgenannten Ausprägungen im Kontext der Prüfung von Normen des horizontalen Finanzausgleichs in Art. 57 Abs. 1 LV aufgehen oder einen selbständigen verfassungsrechtlichen Maßstab bilden. Die zu diesen allgemeinen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen entwickelten Maßgaben sind jedenfalls als integrierte Bestandteile des Art. 57 Abs. 1 LV bei der Überprüfung der angegriffenen Regelungen heranzuziehen

(so ausführlich für den dortigen Verfassungsraum: StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, a.a.O., Juris Rn. 83 ff.).

119

Das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung verbietet es dem Gesetzgeber, bei der Finanzmittelverteilung bestimmte Gebietskörperschaften oder Gebietskörperschaftsgruppen sachwidrig zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot steht willkürlichen Ausgestaltungen des Verteilungssystems entgegen. Es ist verletzt, wenn für die getroffene Regelung jeder sachliche Grund fehlt. Nicht verletzt ist es hingegen, wenn sich der Gesetzgeber auf eine nachvollziehbare und vertretbare Einschätzung stützen kann

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, a.a.O., Juris Rn. 83 ff.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, a.a.O., Juris Rn. 51 m.w.N.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, AS RP-SL 41, 29 ff., Juris Rn. 68; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, a.a.O.).

120

(2) Das Gebot der Systemgerechtigkeit erfordert, dass die vom Gesetzgeber gewählten Maßstäbe, nach denen der Finanzausgleich erfolgen soll, nicht in Widerspruch zueinander stehen und nicht ohne einleuchtenden Grund verlassen werden. Zwar obliegt es der Entscheidung des Gesetzgebers, nach welchem System er eine bestimmte Materie ordnen will. Weicht er vom selbst bestimmten System ab, kann das jedoch einen Gleichheitsverstoß indizieren

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, a.a.O., Juris Rn. 87 f.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, a.a.O.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. Mai 2016 - VGH N 22/15 -, KommJur 2016, 309 ff., Juris Rn. 56; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016
- VerfGH 19/13 -, a.a.O., Rn. 56; vgl. zum Gebot der Systemgerechtigkeit außerhalb von Verfahren zum kommunalen Finanzausgleich: BVerfG, Urteil vom 23. Januar 1990 - 1 BvL 44/86 -, BVerfGE 81, 156 ff., Juris Rn. 170; Beschlüsse vom 19. Oktober 1982 - 1 BvL 39/80 -, BVerfGE 61, 138 ff., Juris Rn. 37 und vom 6. November 1984 - 2 BvL 16/83 -, BVerfGE 68, 237 ff., Juris Rn. 41).

121

(3) Das Nivellierungs- beziehungsweise Übernivellierungsverbot besagt, dass der Finanzausgleich vorhandene Finanzkraftunterschiede der Kommunen durch die Gewährung von Landesmitteln mildern, sie aber nicht völlig abbauen soll. Erst recht darf die tatsächliche Finanzkraftreihenfolge der Kommunen durch den Ausgleich nicht umgekehrt werden

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 - Rn. 61 m.w.N., SchlHA 2012, 431 ff. = LVerfGE 23, 361 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 66).

122

(4) Entsprechend den Maßgaben zum vertikalen Finanzausgleich gilt auch für die Ausgestaltung des horizontalen Finanzausgleichs das Gebot der Aufgabengerechtigkeit

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, NdsVBl 2010, 236 ff., Juris Rn. 79; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, a.a.O., Juris Rn. 79 ff.).

Dieser ist im Grundsatz ebenfalls aufgabenorientiert auszugestalten. Dies betrifft zunächst vorrangig die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse insgesamt auf die verschiedenen Teilschlüsselmassen. Wie im vertikalen Ausgleich steht es dem Gesetzgeber beim horizontalen Finanzausgleich frei, die dieser Verteilungsentscheidung zugrunde zu legende Methodik zu wählen. Er ist allerdings verpflichtet, diese auf eventuelle Schwächen zu überprüfen und hat – insbesondere im Falle einer rein ausgabenbasierten Herangehensweise – sicherzustellen, dass gegebenenfalls nicht adäquat erfasste Bedarfe berücksichtigt und gewichtet werden. Gefordert ist damit eine aufgabenorientierte Betrachtung auch bei der Bildung der Teilschlüsselmassen. Nicht zuletzt um überhaupt eine verfassungsgerichtliche Kontrolle der Entscheidungsfindung zu ermöglichen, müssen die gesetzgeberischen Erwägungen Eingang in die Gesetzesmaterialien finden.

123

Keine weiteren Anforderungen ergeben sich hingegen auf der Ebene der Aufteilung der Teilschlüsselmassen auf die einzelnen Zuweisungsempfänger. Eine derartige Vorgabe zur Feinsteuerung auf individueller Zuweisungsempfängerebene wäre mit der Zulässigkeit von Pauschalisierungen bei der Ausgestaltung des Finanzausgleichs unvereinbar. Das Gebot bedarfsorientierter Ausgestaltung verlangt keine aufgabenorientierte Betrachtung der Kostenbelastung jedes einzelnen Zuweisungsempfängers. Insoweit ist den Vorgaben des Art. 57 Abs. 1 LV Genüge getan, wenn der gebildete Zuweisungsmechanismus das Gebot der Gleichbehandlung und Systemgerechtigkeit sowie das Verbot der Nivellierung- beziehungsweise Übernivellierung beachtet und für sich dennoch ergebende Härtefälle einen besonderen Ausgleichsmechanismus vorsieht.

124

cc) Zuletzt unterliegt der Gesetzgeber einer Beobachtungs- und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht bei seiner Finanzausgleichsgesetzgebung. Erforderlich ist eine Überprüfung der Stimmigkeit des kommunalen Finanzierungssystems in angemessenen Abständen, unter besonderer Berücksichtigung eventueller Veränderungen der Aufgabenzuschnitte, der Aufgabenverteilung zwischen kommunaler Ebene und Landesebene sowie der für die Aufgabenerfüllung anfallenden Kosten. Der Gesetzgeber darf sich vor diesem Hintergrund nicht darauf beschränken, einmal festgesetzte Werte, Größenordnungen und Prozentzahlen in den folgenden Finanzausgleichsgesetzen fortzuschreiben, ohne sich erneut ihrer sachlichen Eignung zu vergewissern

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999
- VfBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff., Juris Rn. 93; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, GVBl Hessen 2013, 535 ff., Juris
Rn. 116 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016
- VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 57).

125

b) Der Regelungsgehalt des Art. 54 Abs. 1 LV beschränkt sich im Kontext des kommunalen Finanzausgleichs auf eine Betrachtung allein der kommunalen Finanzausstattung und dort auf das Verhältnis der für Pflichtaufgaben und für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben zur Verfügung stehenden Mittel

(für ihren jeweiligen Verfassungsraum mit vergleichbarer Abgrenzung zwischen Anspruch auf angemessene Finanzausstattung im Land-Kommunen-Vergleich einerseits und Mindestanspruch andererseits: VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 116 ff.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 82; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 98 ff.; wohl auch: StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 84 ff., 95; VerfGH Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 -, SächsVBl 2001, 61 ff., Juris Rn. 58, 83; zustimmend: Schmitt, DÖV 2013, 452 <455>; Henneke, DÖV 2013, 825, <834>; Duve/ Neumeister, DÖV 2016, 848 <849>).

126

Durch Art. 54 Abs. 1 LV wird die kommunale Mindestausstattung gewährleistet, mit der die Lebensfähigkeit jedenfalls der kommunalen Ebene als solcher garantiert ist. Den Kommunen müssen gemäß Art. 54 Abs. 1 LV Mittel in einem Umfang zur Verfügung stehen, die es ihnen ermöglichen, neben den Pflichtaufgaben noch ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben zu erledigen

(von Mutius, in: von Mutius/ Wuttke/ Hübner, Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 46 Rn. 11; vgl. zu Art. 28 Abs. 2 GG: BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 -, BVerwGE 145, 378 ff., Juris Rn. 18 ff.; sowie zu den entsprechenden Bestimmungen anderer Bundesländer: StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 86; VerfGH Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 -, SächsVBl 2001, 61 ff., Juris Rn. 82 ff.; VerfGH Saarland, Urteil vom 13. März 2006 - LV 2/05 -, AS RP-SL 34, 1 ff., Juris Rn. 93; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris Rn. 203; StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 02/05 -, NdsVBl 2008, 152 ff., Juris Rn. 54 und 62; VerfGH Thüringen, Urteil vom 18. März 2010 - VerfGH 52/08 -, ThürVGRspr 2011, 153 ff., Juris Rn. 33 f.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. Januar 2012 - LVerfG 33/10 -, Juris Rn. 101).

127

Hintergrund ist, dass das in Art. 54 Abs. 1 und 2 LV verbürgte Selbstverwaltungsrecht die sogenannte Finanzhoheit als ein Kernelement der kommunalen Selbstverwaltung umfasst. Diese garantiert die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 - Rn. 34, SchlHA 2012, 431 ff. = LVerfGE 23, 361 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 36; aus der Literatur statt aller: Tettinger/ Schwarz, in: von Mangoldt/ Klein/ Starck, Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 244 m.w.N.).

128

Die so verstandene, verfassungsmäßig verbürgte kommunale Finanzhoheit bedingt die Gewährleistung einer kommunalen Mindestausstattung. Denn ohne hinreichende finanzielle Ausstattung zur Erledigung nicht nur der pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben verbliebe den Kommunen keine substantielle Hoheit in Bezug auf die Finanzen. Wie das Selbstverwaltungsrecht wäre die Finanzhoheit nicht hinreichend davor geschützt, zu einer letztlich leeren Hülle ohne tatsächlich nennenswerte materielle Befugnisse absinken zu können.

129

3. Gemessen an Art. 57 Abs. 1 LV ist vorliegend die Verfassungswidrigkeit von § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 9 Abs. 1 des angegriffenen Finanzausgleichsgesetzes festzustellen. Die übrigen angegriffenen Vorschriften sind mit der Verfassung vereinbar.

130

a) Anhaltspunkte, die gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 2 Abs. 2 FAG 2014 sprechen könnten, bestehen nicht. In § 2 Abs. 2 FAG 2014 ist lediglich der Grundsatz geregelt, dass das Land überhaupt Zweckzuweisungen vergibt. Die Zulässigkeit von Zweckzuweisungen als solchen – unabhängig von der Höhe und der konkreten Ausgestaltung – wird jedoch selbst in der Antragsschrift nicht weiter in Frage gestellt und ist an sich unumstritten. Dem Land steht es zu, in gewissem Umfang über das Instrument der Zweckzuweisungen seine Vorstellungen über die Priorität und Gewichtung einzelner Aufgabenbereiche in den kommunalen Raum einfließen zu lassen

(vgl. VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Juli 1993 - VerfGH 9/92 -, DÖV 1993, 1003 ff., Juris Rn. 61 ff.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 21. Juni 2005 - VerfGH 28/03 -, NVwZ-RR 2005, 665 ff., Juris Rn.195 ff.; wohl auch StGH Niedersachsen, Urteil vom 25. November 1997 - StGH 14/95 u.a. -, NdsStGHE 3, 299 ff., Juris Rn. 116 ff.; vgl. zudem Lange, Kommunalrecht, 2013, § 15 Rn. 214; Rauber, Kommunale Steuer-Zeitschrift, 2012, S. 201, S. 205 ff.; Inhester, Kommunaler Finanzausgleich im Rahmen der Staatsverfassung, 1998, S. 181 f.).

131

b) Die in § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FAG 2014 enthaltenen Regelungen über die Höhe der Finanzausgleichsmasse, welche sich grundsätzlich aus dem in § 3 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 definierten Verbundsatz von 17,83 % in Verbindung mit den in § 3 Abs. 2 FAG 2014 definierten Verbundgrundlagen ergibt, stehen nicht im Einklang mit den Vorgaben aus Art. 57 Abs. 1 LV und sind daher verfassungswidrig (aa). Keine durchgreifenden Bedenken bestehen hingegen im Hinblick auf die übrigen Bestimmungen des § 3 FAG 2014 (bb).

132

aa) Das der Regelung der § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FAG 2014 zugrunde liegende Verfahren der gesetzgeberischen Entscheidungsfindung entspricht nicht den dargelegten verfassungsrechtlichen Erfordernissen. Die vorgenannten Regelungen sind daher gemessen an Art. 57 Abs. 1 LV als verfassungswidrig einzustufen.

133

(1) Aus der Gesetzesbegründung selbst ergibt sich nicht, dass im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ein den Anforderungen des Art. 57 Abs. 1 LV genügender, zumindest vertretbarer Ebenenvergleich hinsichtlich der Bildung der vertikalen Finanzausgleichsmasse durchgeführt wurde.

134

Wie oben ausgeführt (siehe oben a) (2) (b), Rn. 98 ff.), setzt eine vertretbare Analyse zur Ausstattung der kommunalen Ebene im Vergleich zur Landesebene zumindest voraus, dass die Finanzkraft von Kommunen und Land, der Finanzbedarf von Kommunen und Land und die sich aus der Differenz ergebende Finanzentwicklung der kommunalen und der Landesebene betrachtet und zueinander in Beziehung gesetzt werden, wobei es weitgehend dem Gesetzgeber überlassen ist, wie und insbesondere anhand welchen Datenmaterials er diese Analyse im Einzelnen durchführt. Die damit für eine vertretbare Mindestanalyse nötigen Elemente wurden in dem hier zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung gestellten Gesetzgebungsverfahren nur teilweise erhoben, fehlen aber im Übrigen.

135

Eine Analyse der Einnahmensituation des Landes und der Kommunen sowie eine vergleichende Betrachtung sind zwar gegeben.

136

Aussagen zur Aufgabenbelastung und/ oder zum Finanzbedarf des Landes fehlen hingegen. Insoweit kann dahinstehen, ob eine nachvollziehbare Analyse des Finanzbedarfs der Kommunen gegeben ist. In Ermangelung einer nachvollziehbaren Darstellung des Finanzbedarfs des Landes fehlt zwangsläufig der erforderliche Vergleich dieser beiden Ebenen zueinander. Insoweit kann eine Darstellung des Finanzbedarfs des Landes nicht durch den Hinweis auf die Verkündung der jeweiligen Haushaltsgesetze (Haushaltspläne) ersetzt werden. Aus dem Erfordernis des substantiellen Ebenenvergleiches im Gesetzgebungsverfahren folgt, dass sich der Gesetzgeber selbst und dokumentiert mit dem Vergleich der beiden Ebenen befassen muss. Dass eine Gegenüberstellung der Haushalte sowie gegebenenfalls die Beiziehung weiterer Erkenntnisquellen abstrakt möglich wären, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Verfahren der gesetzgeberischen Entscheidung zum vertikalen Finanzausgleich nicht.

137

Auch Aussagen zur Finanzentwicklung auf der Seite des Landes fehlen. Dargestellt wird lediglich zu Beginn der entsprechenden Passage der Gesetzesbegründung das „planmäßige strukturelle Defizit des Landes in Höhe von etwa 480 Millionen Euro (wohl: Stand 2014). Die kommunalen jährlichen Defizite werden hingegen für die Jahre 2005 bis 2011 benannt und im Folgenden in verschiedenen Szenarien geschätzt. Ein expliziter Vergleich der Finanzentwicklung von Land und Kommunen ist nicht enthalten und lässt sich aus den enthaltenen Daten auch nicht rückschließen, da den für den kommunalen Bereich für 2005 bis 2014 erhobenen beziehungsweise geschätzten Daten keine entsprechenden Daten für den Landeshaushalt gegenübergestellt werden. Wie sich die Entwicklung des kommunalen Defizits im Vergleich zum Defizit des Landes etwa im vom Land selbst gewählten Referenzzeitraum 2005 bis 2014 darstellt, bleibt offen. Dies ist umso erheblicher, als in der Gesetzesbegründung selbst Indizien benannt werden, die eine stetige Verschlechterung der kommunalen Situation zumindest nahe legen

(sich stetig verschlechternder Bestand an Kassenkrediten auf Seiten der Kommunen, vgl. Landtags-Drucksache 18/1659, S. 34),

und zwar bei einem sich seit 2010 stetig verbessernden Finanzierungssaldo des Landes

(vgl. zu Letzterem: Finanzministerium Schleswig-Holstein, Konsolidierungsbericht 2016 für das Jahr 2015 des Landes Schleswig-Holstein an den Stabilitätsrat, 31. März 2016, online abrufbar unter www.stabilitaetsrat.de).

138

In der Zusammenschau fehlen damit wesentliche Elemente einer substantiellen Ebenenbetrachtung. Die nach dem Symmetriegedanken erforderliche Aussage darüber, ob die Kommunen im Hinblick auf die Gleichwertigkeit von Landes- und kommunalen Aufgaben in angemessenem Umfang an der Finanzkraft des Landes partizipieren, lässt sich derart nicht treffen. Die gesamte Darstellung zielt ihrer Struktur nach im Übrigen gar nicht darauf ab, einen entsprechenden Vergleich des (finanziellen) Wohlergehens beider Ebenen anzustellen, sondern beschränkt sich ersichtlich auf die Anführung einiger Indizien, die die Auskömmlichkeit der Finanzierung der kommunalen Ebene an sich aufzeigen sollen.

139

(2) Dass im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens (oder vorbereitend) weitere Analysen im Sinne eines verfassungsgemäßen Ebenenvergleiches angestellt wurden, lässt sich nicht feststellen. Auf eine kleine Anfrage der CDU-Abgeordneten Nicolaisen zum „tatsächlichen Finanzbedarf“ der Kommunen in Schleswig-Holstein verwies die Landesregierung lediglich auf die allgemeine Gesetzesbegründung

(Landtags-Drucksache 18/1797, S. 1).

140

(3) Auch im weiteren Verlauf im Anschluss an das Gesetzgebungsverfahren vermag das Gericht keine Heilung der aufgezeigten Verfahrensmängel festzustellen. Dabei kann dahinstehen, ob eine derartige, dem Gesetzgebungsverfahren nachlaufende, insbesondere innerprozessuale Heilung überhaupt möglich ist

(ablehnend etwa: VerfGH Thüringen, Urteil vom 21. Juni 2005
- VerfGH 28/03 -, Juris Rn. 186; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. März 2011 - VerfGH 20/10 -, OVGE MüLü 53, 296 ff., Juris Rn. 89; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 132, 180; a.A. wohl: Roßmüller, Schutz der kommunalen Finanzausstattung durch Verfahren, 2009, 129 ff.).

141

Jedenfalls liegen hier keine weiteren Erhebungen vor, die geeignet wären, die obigen Verfahrensmängel zu heilen. Dies gilt insbesondere für das innerprozessual beigebrachte Gutachten

(Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Gutachten zur Verteilungssymmetrie im vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleich Schleswig-Holsteins, 23. Mai 2016).

142

Dieses wurde zum einen von der Landesregierung eingeholt und nur zum Zwecke der Verifikation des Ergebnisses des Gesetzgebungsprozesses vorgelegt. Dafür dass der Gesetzgeber, also der Schleswig-Holsteinische Landtag, sich dieses zu Eigen gemacht hat, ist nichts ersichtlich. Dies wäre aber nötig, da insbesondere die Entscheidung über die anzuwendende Methodik gerade der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unterliegt.

143

Zum anderen genügten die in dem Gutachten enthaltenen Abwägungen nicht den obigen Anforderungen. Die Frage der Verteilungssymmetrie wird in dem Gutachten maßgeblich anhand des sogenannten „Symmetriekoeffizienten“ überprüft, der seinerseits wiederum auf rein ausgabenbasierten Daten beruht. Eine den obigen Anforderungen genügende bedarfsorientierte Betrachtung ist damit aus den aufgezeigten Gründen nicht möglich. Dasselbe Institut räumt hierzu im Übrigen in anderen Gutachten (so etwa zum vertikalen Finanzausgleich in Brandenburg) ein, dass die „solitäre“ Verwendung des Symmetriekoeffizienten, wie hier vorgeschlagen, möglicherweise nicht hinreichend aussagekräftig ist:

Die Ausgabensymmetrie der Einnahmen kann als bestmögliche Annäherung an Aufgabensymmetrie verstanden werden, die aus Finanzdaten nicht unmittelbar ablesbar ist. Wegen des solitären Standes des Symmetriekoeffizienten werden allerdings fokussierte Teil- und Umfeldindikatoren als „Stressfaktoren“ betrachtet, die unter Umständen manche Trends schneller und pointierter aufzeigen und so zur ergänzenden Plausibilisierung und Validierung des Symmetriekoeffizienten genutzt werden können. Hierzu werden Ausgaben- und Einnahmenaggregate sowie die Entwicklung von Schulden und Finanzierungssaldi herangezogen, die mögliche Schieflagen einer staatlichen Ebene unmittelbar aufzeigen. Sollte sich eine Ebene systematisch schlechter entwickeln, wäre dies ein erstes Indiz dafür, dass es die Finanzmittelausstattung durch den Finanzausgleich anzupassen gilt. Derartige differenziertere Betrachtungen sollen Fehlentwicklungen frühzeitig offenlegen, die aus den aggregierten Zahlen mitunter (noch) nicht erkennbar sind. Die differenziertere Betrachtung ist zur Ergänzung des Symmetriekoeffizienten auch insofern bedeutsam, da ein alleiniges Abstellen auf die aggregierten Ausgabenanteile langfristig bedenkliche Anreize zu Mehrausgaben auf beiden Seiten des Vergleichs setzen kann. (Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Bericht Nr. 18 - Begutachtung des kommunalen Finanzausgleichs in Brandenburg, 2015, S. 64).

144

Dort wird entsprechend ein „angereicherter Symmetriekoeffizient“ verwandt, das heißt das Ergebnis wird anhand weiterer Indikatoren umfangreich validiert und differenzierter betrachtet

(Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Bericht Nr. 18 - Begutachtung des kommunalen Finanzausgleichs in Brandenburg, 2015, S. 64 ff.).

145

Weshalb für Schleswig-Holstein keine derartigen ergänzenden Betrachtungen anzustellen sein könnten, erschließt sich aus dem Gutachten nicht.

146

bb) Nicht erfasst von der Verfassungswidrigkeit der Bestimmung der Finanzausgleichsmasse werden § 3 Abs. 1 Satz 2 bis Satz 4 sowie Abs. 3 und 4 FAG 2014.

147

Durch § 3 Abs. 1 Satz 3 FAG 2014 wird die Finanzausgleichsmasse in den Jahren 2015 bis 2018 für die Konsolidierungshilfen nach § 11 FAG 2014 jährlich um 15 Millionen Euro erhöht. Quasi überobligatorische, freiwillige gesetzlich definierte „Zugaben“ des Landes an die kommunale Ebene sind ohne Weiteres, und zwar auch im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes, zulässig. Sie können insoweit allerdings nicht zur Begründung der Auskömmlichkeit der Finanzausgleichsmasse als solcher herangezogen werden. Um eine derartige, zulässige Zusatzleistung handelt es sich bei den in § 3 Abs. 1 Satz 3 FAG 2014 gewährten Zuführungsbeträgen. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Finanzausgleichsmasse gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FAG 2014 auch ohne die besonderen Zuführungsbeträge des § 3 Abs. 1 Satz 3 FAG 2014 auskömmlich sei. In der Gesetzesbegründung wird insoweit eine Darlegung der Auskömmlichkeit der Finanzausgleichsmasse ohne Berücksichtigung der fraglichen Zuführungsbeträge angestellt

(Landtags-Drucksache 18/1659, S. 40 oben sowie Anlage 3)

und bei der Einzelbegründung der Zusammensetzung und Höhe der Finanzausgleichsmasse nach § 3 FAG 2014 wird explizit darauf hingewiesen, dass die in Absatz 1 Satz 3 der Vorschrift enthaltenen zusätzlichen Zuführungsbeträge nicht Eingang in die Berechnungen gefunden haben

(Landtags-Drucksache 18/1659, S. 53 vorletzter Absatz).

148

Nichts anderes gilt im Übrigen hinsichtlich der in § 3 Absatz 1 Satz 4 FAG 2014 enthaltenen Regelung. Durch diese wird die Finanzausgleichsmasse unbefristet um 11,5 Millionen Euro für Zuweisungen für Infrastrukturlasten nach § 15 Abs. 4 FAG 2014 erhöht. Auch insoweit handelt es sich um im obigen Sinne zusätzliche Zuführungsbeträge, die als solche ohne Weiteres zulässig sind. Dies folgt hier schon aus dem Umstand, dass die fragliche Bestimmung in der maßgeblichen Gesetzesbegründung noch gar nicht enthalten war, entsprechend nicht zur Begründung der Auskömmlichkeit der Finanzausgleichsmasse insgesamt herangezogen wurde, da sie eine im politischen Prozess zugestandene Zusatzleistung des Landes an die kommunale Ebene umsetzt.

149

Nicht zu beanstanden sind zuletzt die noch verbleibenden Bestimmungen in § 3 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 3 und 4 FAG 2014. Für die Verfassungswidrigkeit dieser Regelungen ist nichts vorgetragen oder sonst erkennbar.

150

c) § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 verstößt gegen die zu Art. 57 Abs. 1 LV in seiner horizontalen Dimension entwickelten Vorgaben. Dabei greifen eine erhebliche Zahl der gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 vorgebrachten Einwände im Ergebnis nicht durch (aa). Diese Vorschrift verstößt jedoch gegen die in Art. 57 Abs. 1 LV enthaltenen Gebote der Aufgabengerechtigkeit und der interkommunalen Gleichbehandlung (letzteres unter dem Aspekt fehlender Erwägungen zur Berücksichtigung rauminduzierter Bedarfe) (bb). § 4 Abs. 2 FAG 2014 verstößt hingegen nicht gegen Art. 57 Abs. 1 LV (cc). Nicht erfasst von der Verfassungswidrigkeit von § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 werden § 4 Abs. 1
Satz 2 bis 5 FAG 2014. Für deren Verfassungswidrigkeit ist nichts vorgetragen oder ersichtlich.

151

Dahinstehen kann, welche Auswirkungen die Verfassungswidrigkeit der Bestimmung der Finanzausgleichsmasse nach § 3 FAG 2014 auf § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 hat. Ob das Gebot der Systemgerechtigkeit erfordert, dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Teilschlüsselmassen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 nur an eine ihrerseits verfassungsmäßige Bestimmung der Finanzausgleichsmasse insgesamt anknüpfen darf, andernfalls die Festlegung der Teilschlüsselmassen bereits aus diesem Grunde zu beanstanden wäre, bedarf wegen der vorliegenden Verletzungen des Art. 57 Abs. 1 LV durch § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 keiner Entscheidung.

152

aa) Keine verfassungsrechtlich erheblichen Einwände gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 vermag das Gericht im Hinblick auf mehrere vorgetragene Verletzungen des interkommunalen Gleichbehandlungsgrundsatzes (<1>) und das Gebot der Systemgerechtigkeit (<2>) zu erkennen.

153

(1) Weder die Verteilung nach Aufgabenträgern (), die Ausgestaltung der Teilschlüsselmasse für Zentrale Orte () noch die angebliche Berücksichtigung von Zinslasten () bewirken eine Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgebots.

154

(a) Die Verteilung der Finanzausgleichsmasse im Wesentlichen anhand eines Zwei-Säulen-Modells nach Aufgabenträgern verstößt nicht gegen Art. 57 Abs. 1 LV. Insbesondere liegt keine Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgebots vor.

155

Hierfür ist – wie dargelegt (siehe oben 2. a) bb) (1), Rn. 117 ff.) – nicht maßgeblich, ob der Normgesetzgeber die „bestmögliche“ oder „gerechteste“ Lösung gewählt hat. Diesem steht vielmehr ein weiter (auch methodenbezogener) Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu. Maßgeblich ist nur, ob durch das gewählte Modell eine willkürliche, sachlich nicht vertretbare Differenzierung eingeführt wurde. Dies ist nicht der Fall.

156

Die Aufteilung in die beiden Gruppen Gemeinde- beziehungsweise Kreisaufgaben knüpft an allgemein anerkannte und im Kommunalrecht festgeschriebene Kategorien an. Dies ist nicht zu beanstanden. Hiergegen spricht auch nicht, dass Folge dieser Differenzierung ist, dass im Rahmen der Ermittlung der Höhe der jeweiligen Schlüsselzuweisungsmassen je Teilgruppe die Haushalte der kreisfreien Städte in Gemeinde- beziehungsweise Kreisaufgaben aufzuteilen sind. Diese Aufteilung mag methodisch anspruchsvoll sein. Der Gesetzgeber hat sich diese Problematik vergegenwärtigt und nach ausführlicher und jedenfalls nicht unvertretbarer Abwägung der Vor- und Nachteile dazu entschlossen, diesen Ansatz zu wählen. In dem hierzu eingeholten Gutachten heißt es:

Es wird deutlich, dass auf Basis der inhaltlichen Kriterien in Schleswig-Holstein die überwiegende Zahl der Argumente für die Beibehaltung der Aufteilung der Teilmassen nach dem Zwei-Ebenen-Modell in Kreis- und Gemeindeaufgaben spricht. Auch die Entwicklungen in anderen Bundesländern haben gezeigt, dass im Falle von Systemumstellungen ausschließlich Wechsel von Säulen- zu Ebenen-Modellen durchgeführt worden sind (Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 21).

157

Die durch diese Entscheidung notwendig gewordene Aufteilung der Haushalte der kreisfreien Städte ist sodann in sich nachvollziehbar und schlüssig ausgestaltet worden (Aufteilung der Haushalte der kreisfreien Städte analog der faktischen Verteilung der Aufgabenzuständigkeit im kreisfreien Raum). Eine ausführliche Darstellung der sich ergebenden methodischen Probleme und deren – jeweils nachvollziehbarer – Auflösung ist in den Gesetzgebungsmaterialien enthalten:

Diese Aufteilung steht vor der Herausforderung, dass keine abschließende Zuordnung einzelner Aufgaben zur Kreis- oder Gemeindeebene existiert. Vielmehr ergibt sich die Aufgabenteilung zwischen den Kreisen und ihren Gemeinden meist aus praktischen, an den jeweiligen örtlichen Bedingungen orientierten Erwägungen bzw. ist das Verhältnis der Wahrnehmung einzelner Aufgaben z. T. auch historisch begründet und damit nicht ohne Ansicht des tatsächlichen Ausgabenverhaltens von außen zu bestimmen. Der Gutachter hat sich daher dazu entschieden, die Haushalte der kreisfreien Städte anhand der faktischen Aufgabenerfüllung im kreisangehörigen Raum aufzuteilen. Diese Methode wurde auch in früheren Gutachten des Auftragnehmers erfolgreich genutzt (u. a. Quellen: Hardt/Schmidt (1998), Niedersächsisches Landesamt für Statistik (2004), Hardt/Schiller (2006), Cordes et al. (2012a)). (…) (Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 7).

158

Nicht gefolgt werden kann den Antragstellerinnen in diesem Zusammenhang mit der Behauptung, die gewählte Methodik der Aufteilung der Haushalte sei unzulässig, da „Gemeindeaufgaben in großen Gemeinden hinsichtlich Qualität und Quantität völlig andersartig seien als im ländlichen Raum“. Diese – von der Landesregierung bestrittene – Behauptung erschließt sich nicht aus sich selbst und ist auch in der Antragsschrift nicht weiter begründet. Die allein zu prüfende Vertretbarkeit der gutachterlichen Herangehensweise kann sie so nicht erschüttern.

159

(b) Keine durchgreifenden Bedenken bestehen des Weiteren gegen die Einführung einer Teilschlüsselmasse für zentralörtliche Aufgaben in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FAG 2014. Die besondere Berücksichtigung zentralörtlicher Funktionen ist nach den verfassungsrechtlichen Anforderungen zulässig. Maßstab ist dabei wiederum das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung und damit die abstrakte Vertretbarkeit des gewählten Parameters.

160

Zweifel an der Zulässigkeit der Berücksichtigung von Zentralität könnten sich zwar beim Blick über die schleswig-holsteinischen Landesgrenzen ergeben. Sowohl auf Bundesebene als in der Rechtsprechung der anderen Landesverfassungsgerichte wird die Zulässigkeit von Zentralitätsindikatoren teilweise in Frage gestellt

(Ablehnend: LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Oktober 2012
- LVG 23/10 -, DVBl 2012, 1494 ff.; jedenfalls kritisch: BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 u.a. -, BVerfGE 86, 148 ff., Juris
Rn. 317 ff.; Inhester, Kommunaler Finanzausgleich im Rahmen der Staatsverfassung, 1998, S. 167 ff.; Henneke/ Pünder, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, S. 505 f.; a.A.: VerfGH Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 -, SächsVBl 2001, 61 ff., Juris Rn. 86; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Mai 2006
- VfGBbg 39/04 -, LKV 2006, 505 ff.).

161

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Zentralität üblicherweise an der Einwohnerzahl festgemacht wurde. Entsprechend verwenden die jeweiligen Gesetze regelmäßig Nebenansätze, die die Schlüsselzuweisungen abhängig von der Einwohnerzahl ansteigen lassen (Konzept der sogenannten „Einwohnerveredelung“). Vorrangig diese konkrete Ausgestaltungsform steht im Fokus der Kritik

(ausführlich: BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 u.a. -, a.a.O., Juris Rn. 317 ff.; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Oktober 2012 - LVG 23/10 -, a.a.O.).

162

Eine derartige – an Einwohnerzahlen je Flächeneinheit anknüpfende – Regelung steht vorliegend jedoch nicht zur Prüfung. Abweichend vom üblichen Modell knüpft die schleswig-holsteinische Regelung an die Einstufung nach Maßgabe des Landesplanungsgesetzes als Oberzentrum, Mittelzentrum etc. an. Insoweit vermögen die vorgebrachten Einwände gegen die außerhalb Schleswig-Holsteins anzutreffenden Ausgestaltungen hier schon strukturell nicht durchzugreifen.

163

Bedenken gegen die allein maßgebliche Vertretbarkeit der so von anderen Regelungsmodellen abgegrenzten schleswig-holsteinischen Regelung bestehen nicht. In dem zugrunde liegenden Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung (ab S. 33) ist plausibel dargelegt, dass eine Anlehnung an die Maßstäbe des Landesplanungsrechts sinnvoll ist, um Zentralitätskosten festzustellen:

Aus Sicht der Gutachter ist die Argumentation des schleswig-holsteinischen Gesetzgebers für eine Teilmasse für übergemeindliche Aufgaben plausibel und nachvollziehbar. Der Umfang übergemeindlicher Aufgaben, d. h. Aufgaben die für Einwohner des Verflechtungsbereichs erbracht werden, ist zunächst unabhängig von der eigenen Einwohnerzahl. Ein Zusammenhang besteht hier nur deshalb, weil größere Städte auch häufiger zentralörtliche Funktionen übernehmen als kleine Städte. Die Einwohnerzahl alleine bietet aber keine hinreichende Begründung für das Ausüben zentralörtlicher Funktionen. Eine solche ergibt sich ausschließlich aus einer entsprechenden zentralörtlichen Einstufung im Landesentwicklungsplan. Der Zuschussbedarf für übergemeindliche Aufgaben steigt mit der Größe des Verflechtungsbereichs und der Hierarchiestufe im zentralörtlichen System und wird durch die räumliche Nähe zu anderen zentralen Orten (Nachbarschaftseffekte) verringert. So ist zu erwarten, dass ein Mittelzentrum im ländlichen Raum einen umfassenderen Bestand an übergemeindlichen Angeboten vorhalten muss als ein Mittelzentrum in einem Verdichtungsraum. Im Verdichtungsraum werden viele Einwohner entsprechend spezialisierte Angebote auch im Oberzentrum wahrnehmen, da sie dieses z. B. als Berufspendler täglich frequentieren. Im ländlichen Raum gibt es die Möglichkeit zur Wahl zwischen verschiedenen zentralen Orten gleicher Stufe aufgrund der größeren Entfernungen häufig nicht. Das bisher genutzte Verfahren der finanzkraftunabhängigen Vergabe der Schlüsselzuweisungen für übergemeindliche Aufgaben ist ebenfalls nachvollziehbar und sollte aus Sicht des Gutachters beibehalten werden. Da hier Leistungen für den Verflechtungsbereich erbracht werden sollen, erscheint ein Rückgriff auf die eigene Finanzkraft nicht gerechtfertigt (Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 33).

164

Gründe, die es rechtfertigen könnten, diese Erwägungen als unvertretbar oder willkürlich erscheinen zu lassen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere erscheint die Grundannahme, dass steigende Zentralität dazu führt, dass Angebote von Ortsfremden mitgenutzt werden, derart unmittelbar einleuchtend, dass es fern liegt, diese Annahme als völlig sachwidrig einzustufen. Auch von den Antragstellerinnen sind keine grundlegenden Einwände gegen die abstrakte Zulässigkeit eines so gefassten Zentralitätsindikators vorgebracht worden. Nicht durchzugreifen vermag in diesem Zusammenhang der in der mündlichen Verhandlung am 21. November 2016 vorgebrachte Hinweis der Antragstellerinnen auf das Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung für das Land Niedersachsen aus dem Jahr 2015. Zwar ist es zutreffend, dass die Gutachter dort empfahlen, auf die Einführung eines Nebenansatzes für zentralörtliche Aufgaben zu verzichten. Dies erfolgte allerdings nur vor dem Hintergrund einer ausführlichen Erörterung, dass ein solcher Nebenansatz „keinen Mehrwert“ gegenüber dem in Niedersachsen verwandten, nach Einwohnerzahlen differenzierenden Hauptansatz, habe

(Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung zur Novellierung des Horizontalen Finanzausgleichssystems in Niedersachsen, August 2015, S. 50 ff, insbesondere S. 53 unten).

165

Dass die Einführung eines zentralitätsabhängigen Nebenansatzes im Hinblick auf einen bereits bestehenden Hauptansatz mit Einwohnerstaffelung keinen signifikanten Vorteil hat, vermag keine Rückschlüsse auf die allein zu prüfende Vertretbarkeit der Einführung einer Teilschlüsselmasse für zentralitätsbedingte Aufgaben in einer Konstellation zu liefern, in der ein Hauptansatz wie in Niedersachsen eben nicht als bereits etablierte Alternative zur Verfügung steht.

166

In der Rechtsprechung der anderen Landesverfassungsgerichte, die sich mit den – wenigen – vergleichbaren Regelungen zu befassen hatten, besteht im Übrigen Einvernehmen, dass eine derart ausgestaltete Einbeziehung von Zentralitätskosten nicht zu beanstanden ist

(VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Mai 2006 - VfGBbg 39/04 -, LKV 2006, 505 ff.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. Februar 2012 - LVerfG 37/10 -, NordÖR 2012, 235 ff., Juris Rn. 114 ff.).

167

(c) Keine Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgrundsatzes vermag das Gericht zuletzt bei Berücksichtigung der mehrfach im Gesetzgebungsverfahren sowie in dem Parallelverfahren LVerfG 5/15 erhobenen Beanstandung zu erkennen, dass bei der Berechnung zur Verteilung der Schlüsselmasse in § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Körperschaften durch Erhebung der verfügbaren Deckungsmittel abzüglich der Zinslasten festgestellt und durch die Einbeziehung dieser „Vergangenheitslasten“ der städtische Raum in der Leistungsfähigkeit vermeintlich „ärmer“ gerechnet worden sei.

168

Das Gericht vermag schon dem Einwand an sich nicht zu folgen. Zwar ist der Befund zutreffend, dass sich in dem zugrunde liegenden Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus Juli 2013 im Rahmen der allgemeinen Betrachtung der verfügbaren Daten eine Darstellung findet, in der die Zinsausgaben von den allgemeinen Deckungsmitteln abgezogen werden

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 11 sowie Tabelle 2-2 auf S. 12).

169

Maßgeblich für die hier in Frage gestellte Bemessung der Teilschlüsselmassen ist aber, ob dieser Abzug der Zinslasten auch im Rahmen der Teilschlüsselmassenbildung durchgeführt worden ist. Dies ist entgegen der hierzu erhobenen Beanstandung nicht der Fall. Die prozentuale Aufteilung der Teilmassen ist nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung anhand verschiedener Parameter erfolgt, welche in Kapitel 5.1 des Gutachtens erläutert und in Tabelle 5-3 des Gutachtens aufgezählt sind

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 41 ff.).

170

Die Zinsausgaben sind hier an keiner Stelle mit erfasst. Insbesondere wird auf der Einnahmenseite nicht auf die im Gutachten eingangs dargelegten Betrachtungen zu den – um Zinseffekte bereinigten – Deckungsmitteln rekurriert, sondern auf die statistischen Steuerkraftmesszahlen sowie die Kreisumlage abgestellt

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 41).

171

Auch in den berücksichtigten Zuschussbedarfen sind die Zinsausgaben nicht enthalten, da die Zuschussbedarfe anhand der Einzelpläne 0 bis 8 definiert werden, Zinsausgaben aber nach den Ausführungen des Gutachtens im Einzelplan 9 enthalten sind

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, 44 sowie S. 12).

172

(2) § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 verletzt Art. 57 Abs. 1 LV auch nicht im Hinblick auf das Gebot der Systemgerechtigkeit.

173

(a) Soweit die Antragstellerinnen beanstanden, dass die Abschaffung der bisherigen Umlage nach § 4 Ausführungsgesetz SGB II systemwidrig die kreisfreien Städte bevorzuge, begründet dies keine Verletzung verfassungsrechtlicher Maßstäbe.

174

Dabei ist vorab festzuhalten, dass die Streichung der Umlage in keinem kausalen Zusammenhang mit der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe steht. Vielmehr wurde die nunmehr gestrichene Umlage überhaupt erst anlässlich der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe (sogenannte „Hartz-IV“-Reformen) im Jahr 2005 geschaffen. Bis zum Inkrafttreten dieser Gesetzesänderungen im Jahr 2005 beteiligten sich die Gemeinden an den sozialhilfebedingten Kosten der Kreise sowie an den Kosten der Grundsicherung im Alter zu 30 %. Im Zuge der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Arbeitslose im SGB II entstand hier Korrekturbedarf. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des schleswig-holsteinischen Ausführungsgesetzes zum SGB II verständigten sich die kommunalen Landesverbände darauf, an Stelle der 30 %-igen Kostenbeteiligung eine 23 %-ige Beteiligung der kreisangehörigen Gemeinden an den Kreisleistungen nach § 22 SGB II in Form einer Kreisumlage zu übernehmen. Dies wurde schließlich in § 5 des Ausführungsgesetzes zum SGB II vom 14. Dezember 2004 (GVOBl S. 484) so übernommen und mit Änderungsgesetz vom 27. Mai 2011 (GVOBl S. 146) modifiziert. Im Zuge der Neufassung des nunmehr angegriffenen Finanzausgleichsgesetzes wurde diese Regelung gestrichen. Nach der Gesetzesbegründung soll eine Berücksichtigung der den Kreisen entstehenden Kosten nun nicht mehr über die Kreisumlage, sondern direkt über einen entsprechend erhöhten Schlüsselzuweisungsbetrag erfolgen.

175

Das Gericht vermag dem Grundansatz eines Vergleiches zwischen der jetzigen Rechtslage und der Rechtslage vor Inkrafttreten des reformierten Finanzausgleichsgesetzes nicht zu folgen. Dem Gesetzgeber steht es frei – wie geschehen –, das Finanzausgleichssystem grundlegend zu überarbeiten und zu ändern. Maßgeblich ist nach einer derartigen Novellierung, ob das neu geschaffene System in sich kohärent ist und den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Hält das Gesetz einer derartigen Überprüfung stand, kann sich die Verfassungswidrigkeit nicht daraus ergeben, dass die neugeschaffene Regelung Veränderungen des Status quo herbeiführt. Konkret für die hier aufgeworfene Frage folgt daraus, dass maßgeblich nur sein kann, ob die Aufteilung der gebildeten Teilschlüsselmassen für sich betrachtet verfassungsgemäß ist. Ist dies der Fall, so kann die Verfassungswidrigkeit nicht aus dem Umstand erwachsen, dass sich durch die neue Rechtslage, gemessen an der Rechtslage zuvor, Veränderungen in den Finanzzuweisungen, etwa im Verhältnis Kreise zu kreisfreien Städten, einstellen.

176

(b) Nicht durchzugreifen vermag des Weiteren der Einwand der Antragstellerinnen, der Gesetzgeber habe nicht isoliert nur die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung außer Betracht lassen dürfen. Insbesondere einen Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit kann das Gericht darin nicht erkennen.

177

Für die erfolgte Nichtberücksichtigung der Kosten der Grundsicherung an sich gibt es im Hinblick auf den feststehenden Wegfall dieser Kostenposition einen unmittelbar nachvollziehbaren und im Gesetzgebungsverfahren dargelegten, jedenfalls vertretbaren Grund. Der Gesetzgeber ist nicht gezwungen, bei der Verteilungsentscheidung Kostenpositionen zu berücksichtigen, die mit Sicherheit zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Gesetzes nicht mehr existieren. Dies war bei den Kosten der Grundsicherung aber der Fall.

178

Eine Verletzung des Gebots der Systemgerechtigkeit folgt auch nicht aus dem diesbezüglichen Vorgehen des Gesetzgebers im Übrigen. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber andere und mit dem Wegfall der Kosten der Grundsicherung vergleichbare künftige Entwicklungen zulasten vor allem der Träger der Kreisaufgaben in nicht vertretbarer Weise unberücksichtigt gelassen hätte.

179

Soweit die Antragstellerinnen insoweit auf die bereits absehbare Erhöhung der Mittel für den Ausbau von Kindertageseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren verweisen, fehlt es an der Vergleichbarkeit. Zwar stand auch diese Maßnahme bereits mit erheblichem Vorlauf vor der Verabschiedung des hier verfahrensgegenständlichen Gesetzes fest. Das entsprechende Gesetz wurde Ende des Jahres 2013 verkündet

(Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflegestellen vom 3. Dezember 2013, ).

180

Jedoch war – anders als bei dem Wegfall der Kosten der Grundsicherung – damit noch nicht geklärt, wann und in welcher Größenordnung hierdurch tatsächlich Entlastungen auf der Ebene der Gemeinden eintreten. Denn durch das Gesetz wurde zunächst nur der Investitionsbank Schleswig-Holstein ein Betrag von 10 Millionen Euro zugeführt. Wie sich diese Mittelverschiebung zu welchem Zeitpunkt auf die kommunalen Haushalte auswirken würde, stand damit nicht zeitgleich mit der Verabschiedung des Gesetzes fest. Vielmehr bedarf es nach dem gewählten Förderansatz einer Reihe von Zwischenschritten (Antragstellung durch einzelne kommunale Körperschaften, Bewilligung etc.), bis die Mittel letztlich vor Ort wirksam werden. Dass die Beträge vor diesem spezifischen Hintergrund nicht bereits im Laufe des Jahres 2014 in die Bemessung der Teilschlüsselmassen nach § 4 FAG 2014 Eingang fanden, ist insoweit jedenfalls nicht unvertretbar.

181

Soweit die Antragstellerinnen des Weiteren auf die Nichtberücksichtigung der Tarifabschlüsse der vergangenen Jahre verweisen, genügen sie jedenfalls nicht ihrer Begründungspflicht. Aus § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG folgt auch im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle, dass zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt substantiiert vorzutragen ist

(vgl. zu dem insoweit gleichlautenden § 23 BVerfGG in einem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle: BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1 ff., Juris Rn. 116; ebenso: Graßhof, in: Umbach/ Clemens/ Dollinger-Graßhof beziehungsweise Puttler, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005, § 76 Rn. 35, § 23 Rn. 17 ff.; Lenz/ Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2015, § 23 Rn. 12 ff., § 76 Rn. 16; von Coelln, in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/ Klein/ Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 23 Rn. 54 ff., § 76 Rn. 61).

182

Es ist jedoch weder dargelegt noch selbsterklärend, dass die Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung von Tarifabschlüssen irgendeine signifikante Auswirkung auf das prozentuale Verhältnis der Teilschlüsselmassen des § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 zueinander haben könnte. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass die Träger der Kreisaufgaben insoweit unter einer stärkeren Kostenentwicklung zu leiden hätten als die Träger der gemeindlichen Aufgaben oder umgekehrt. Nur dann wäre ein Einfluss auf die Teilschlüsselmassenbildung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 überhaupt denkbar. Gleiches gilt für den Verweis auf Belastungen aus dem Mindestlohn und den Verpflichtungen zur Tariftreue.

183

Zuletzt folgt nichts anderes aus der in der Gesetzesbegründung dokumentierten Nichtberücksichtigung der Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Diese Maßnahme wurde zwar bereits im Laufe des hier verfahrensgegenständlichen Gesetzgebungsprozesses wirksam

(Haushaltsbegleitgesetz vom 13. Dezember 2013, dort Artikel 3 <Änderung des Gesetzes über die Festsetzung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer>, GVOBl S. 494 ff.).

Die Grunderwerbsteuer steht allerdings nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 4 GG zunächst allein dem Land Schleswig-Holstein zu

(Hidien, in: Kahl/ Waldhoff/ Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 106, Rn. 1443; Kyrill-A. Schwarz, in: von Mangoldt/ Klein/ Starck, Grundgesetz-Kommentar, 6. Aufl. 2010, Art. 106,
Rn. 56; Hopfau, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann, Grundgesetz, 13. Aufl. 2014, Art. 106 Rn. 17).

Deren Erhöhung berührt damit zunächst nur das Symmetriegebot und damit die Ausgestaltung des § 3 FAG 2014. Die Einnahmen einzelner kommunaler Akteure erhöhen sich hierdurch nicht direkt, so dass Veränderungen dieser Steuer keinen weiteren Ermittlungsbedarf im Rahmen von § 4 FAG 2014 auslösen.

184

(c) Der Einwand doppelter Berücksichtigung verschiedener Bedarfe, insbesondere der Aufwände für die Theater greift nicht durch. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass die berücksichtigten Bedarfe für die Theater im Hinblick auf die absoluten Beträge nicht mehrfach Eingang in die Berechnungen gefunden haben. Denn die Beträge, die den Körperschaften für Theater über Vorwegabzüge nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 14 FAG 2014 zukommen sollten, wurden bei der Bemessung der Bedarfe im Rahmen der Teilschlüsselmassenbildung nach § 4 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 berücksichtigt, führten also zu einer Verringerung des Gewichts dieser Aufgabe bei der Bemessung der Schlüsselzuweisungen. Nur nach Verrechnung dieser Vorwegabzüge noch verbleibende Kosten gingen in die Teilschlüsselmassenbildung ein. Dies ist zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig und wird zudem schlüssig und nachvollziehbar gutachterlich dargelegt

(Ergänzungsgutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung, 2013, S. 6).

185

Eine verfassungsrechtlich fundierte Notwendigkeit zur vollständigen Herausnahme dieser verbleibenden Kostenpositionen ist nicht zu erkennen. Insbesondere stellt sich die angegriffene Regelungstechnik nicht als systemwidrig dar.

186

Ein genereller Rechtssatz derart, dass kommunale Bedarfe, die mit Vorwegabzügen bedacht werden, nicht im Übrigen noch bei der Bemessung der Teilschlüsselmassen Berücksichtigung finden dürfen, ist Art. 57 Abs. 1 LV nicht zu entnehmen und folgt insbesondere weder aus dem Gebot der Systemgerechtigkeit noch aus dem als verletzt gerügten Gebot interkommunaler Gleichbehandlung. Vielmehr steht es dem Gesetzgeber frei, mittels des Instruments der Vorwegabzüge – in jedoch dem Umfang nach begrenztem Maße – seine strukturpolitischen Ziele auf der Kommunalebene einzubringen und besondere landespolitisch motivierte Anliegen durchzusetzen. Es ist vor diesem Hintergrund nicht festzustellen, dass der Gesetzgeber gehindert sein könnte, einzelne Aufgabenbereiche zusätzlich über die Einstellung in die Berechnungen zur Feststellung der Teilschlüsselmassen durch weitergehende Zweckzuweisungen zu begünstigen. Dass sich hieraus für die entsprechende Aufgabe ein überdurchschnittlicher Deckungsgrad ergibt, ist nicht zu beanstanden. Dies gilt für die Theater im Übrigen in besonderer Weise, da deren Förderung ein Verfassungsauftrag ist (vgl. Art. 13 Abs. 1 und 3 LV).

187

Nicht zu folgen vermag das Gericht schließlich der insbesondere vom Gemeindetag aufgestellten Behauptung einer sich ergebenden Überdotierung der Bedarfe für Theater. Diese kann jedenfalls nicht allein damit begründet werden, dass die Schlüsselmasse für zentralörtliche Aufgaben nach § 4 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FAG 2014 im Jahr 2015 mit mehr Mitteln dotiert war als im Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung zugrunde gelegt und entsprechend auch der theoretische Anteil der Theater hieran steigt. Eine derartige Argumentation übersieht, dass die den Kommunen nach § 10 FAG 2014 zufließenden Schlüsselzuweisungen gerade nicht zweckgebunden vergeben werden. Aus höheren Schlüsselzuweisungen für eine nicht unerhebliche Anzahl zentralörtlicher Aufgaben kann nicht auf spezifische Deckungsschlüssel bestimmter Bedarfe geschlossen werden. Gerügt werden könnte damit allenfalls eine Überdotierung aller zentralörtlichen Aufgaben. Auch dies ist jedoch mit einem Vergleich der Zahlen etwa für das Jahr 2015 mit den Beträgen aus dem Gesetzgebungsverfahren nicht möglich. Denn dass die Teilschlüsselmassen in Zeiten höheren Steueraufkommens besser dotiert sind als in den vorherigen Zeiträumen, welche dem zitierten Gutachten zugrunde liegen (2009 bis 2011), ist Folge der prozentualen Anbindung der Teilschlüsselmassen an die Finanzausgleichsmasse insgesamt. Plausible Rückschlüsse auf eine willkürlich oder systemfremd zu hohe Dotierung einer bestimmten Teilschlüsselmasse ergeben sich hieraus nicht. Mit gleicher Argumentation ließe sich beispielsweise eine „Überfinanzierung“ der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben begründen. Denn diese Teilschlüsselmasse beruht ebenfalls in ihrem prozentualen Gewicht im vorgenannten Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung auf ermittelten durchschnittlichen Zuschussbedarfen in Höhe von 426 Millionen Euro (vgl. Tabelle 5-4), während nach der von den Antragstellerinnen genannten Schätzung für 2015 erheblich mehr, nämlich 642,50 Millionen Euro, eingeplant werden können.

188

bb) Letztlich ist jedoch aus zwei verbleibenden Gründen die Verfassungswidrigkeit der Aufteilung der Finanzausgleichsmasse durch § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 festzustellen. Verletzt ist das Gebot bedarfsorientierter Sachverhaltsermittlung (<1>). Zudem genügen die Erwägungen zur Nichtberücksichtigung rauminduzierter Bedarfe nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben (<2>).

189

(1) Zum einen fehlt es bei der Bemessung der Schlüsselzuweisungen je gebildeter Gruppe an einer den Verfassungsvorgaben genügenden Bedarfserhebung. Die zur Überprüfung gestellten Regelungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 verletzen das Gebot der Aufgabengerechtigkeit, welches für die horizontalen Verteilungsentscheidungen einenbedarfsorientierten und in sich schlüssigen Ansatz verlangt. Wie ausgeführt (siehe oben 2. a) aa) (2) (b) (bb), Rn. 101 ff.) verfügt der Gesetzgeber zwar in Bezug auf die Ausgestaltung der Teilschlüsselmassen über einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Wahl der anzuwendenden Methodik. Auch auf dieser Ebene der Konzeption des kommunalen Finanzausgleichs ist er aber verpflichtet, die jeweilige Herangehensweise auf eventuelle Schwächen zu überprüfen und (insbesondere im Falle einer – wie hier – rein ausgabenbasierten Herangehensweise) sicherzustellen, dass gegebenenfalls methodenbedingt nicht adäquat erfasste Bedarfe durch ergänzende Erwägungen Eingang in die Ausgestaltung finden. Diese Anforderungen sind für § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 und die dort vorgenommene Aufteilung der Gesamtmasse auf die Schlüsselzuweisungsgruppen nicht durchgehend erfüllt.

190

Keine durchgreifenden Bedenken im Hinblick auf die sich aus Art. 57 Abs. 1 LV ergebenden Vorgaben bestehen dabei gegen den vom Gesetzgeber für die Teilschlüsselmassenbildung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 gewählten methodischen Grundansatz. Der Gesetzgeber hat seiner Entscheidung insoweit das Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus Juli 2013 zugrunde gelegt. Dieses basiert auf einer rein ausgabenbasierten Betrachtung der Kommunalstatistiken und damit auf der Betrachtung des faktischen Ausgabeverhaltens der betroffenen Körperschaften in der Vergangenheit. Wie dargelegt steht es dem Gesetzgeber in Ausübung seines Einschätzungs- und Gestaltungsspielraumes frei, ein derartiges Konzept zugrunde zu legen. Entgegen den Ausführungen der Antragstellerinnen gilt diese Bewertung insbesondere auch für die konkrete Höhe der Teilschlüsselmasse für Zentrale Orte (15,56 %). Deren Höhe ermittelt das Gutachten in einem in sich schlüssigen Zweischrittverfahren. Zunächst legen die Gutachter fest, welche Aufgaben als „übergemeindlich“ einzuordnen sind. Hierzu wird – in Ermangelung einer abschließenden und anerkannten „Liste“ – ein Kriterienkatalog vorgestellt:

Aufbauend auf dieser Arbeit lassen sich folgende Kriterien aufstellen, die für eine Abgrenzung übergemeindlicher Aufgaben herangezogen werden können:

1. Die Nutzung erfolgt in nicht unerheblichem Maße durch Einwohner des Verflechtungsbereichs.

2. Die Aufgabe wird aus landesplanerischen Überlegungen nicht oder nicht in gleichem Umfang Orten mit niedrigerer Zentralitätseinstufung beigemessen.

3. Durch die Nutzung entstehen Kosten für die kommunale Ebene.

4. Eine Identifizierung der Aufgabe in der kommunalen Gliederungssystematik ist möglich.

Das erste Kriterium ist dabei das wichtigste. Es besitzt den Charakter einer notwendigen Bedingung. Die anderen Kriterien können als hinreichende Bedingungen bei der Abwägung einer Aufnahme der Aufgabe in die Liste der übergemeindlichen Aufgaben herangezogen werden, sofern die notwendige Bedingung (erstes Kriterium) erfüllt ist. Darüber hinaus werden unmittelbar aus übergemeindlichen Aufgaben abgeleitete Aufgaben ebenfalls als übergemeindliche Aufgaben eingeordnet (Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 34).

und anhand dieser Kriterien eine Liste 34 „potentiell finanzausgleichsrelevanter übergemeindlicher Aufgaben“ ermittelt (von Hauptschulen über Volkshochschulen bis zu Straßenreinigung und Parkeinrichtungen) sowie ergänzend textlich begründet. Im Anschluss erfolgt die Berechnung der auf diese Aufgaben entfallenden Kostenpositionen. Auf die Ausführungen Seite 36 bis 40 des Gutachtens wird insoweit Bezug genommen. Gründe, die dafür sprechen könnten, dieses ausführlich erörterte und textlich wie mathematisch begründete Vorgehen als unvertretbar oder willkürlich einstufen zu müssen, erschließen sich nicht.

191

Soweit die Antragstellerinnen dem Gesetzgeber unter Verweis auf die Kosten der Schülerbeförderung „Inkonsistenz“ vorwerfen, verfängt dieser Einwand nicht. In sich unschlüssig wäre die Nichtaufnahme der Kosten der Schülerbeförderung nur dann, wenn der Einstufungsentscheidung ein starres – etwa streng am Planungsrecht ausgerichtetes – Vorgehen zugrunde läge, welches die Einstufung als übergemeindliche Aufgabe an sich zwingend geböte. So liegt es jedoch gerade nicht. Vielmehr folgt aus den gutachterlichen Erwägungen, dass bei jeder in Betracht kommenden Aufgabe eine Abwägungsentscheidung zu treffen ist. Dass im Rahmen einer derartigen Abwägung die Kosten der Schülerbeförderung letztlich nicht berücksichtigt wurden, ist nicht zu beanstanden, da – worauf die Landesregierung zutreffend hinweist – diese auf anderem Wege, nämlich über § 114 Schulgesetz abgewickelt werden. Vergleichbares gilt hinsichtlich der Frage der Kosten der Krankenhäuser. Es mag insofern richtig sein, dass die Einordnung der verschiedenen Aufgaben „schwierig“ ist. Maßgeblich für das Gericht ist jedoch nur, ob die entsprechend notwendigen Entscheidungen – mögen sie auch schwierig sein – nachvollziehbar getroffen wurden. Dies ist – wie gezeigt – der Fall.

192

Nicht hinreichend – und zwar bezogen auf alle Teilschlüsselmassen – sind jedoch die dann erforderlichen, ergänzenden Erwägungen zur Korrektur eventueller, mit dieser rein ausgabenbezogenen Methodik einher gehendender Schwachpunkte, um insgesamt eine realitätsbezogene Verteilungsentscheidung zu gewährleisten. Zwar haben die Gutachter die sich aus den erhobenen statistischen Daten ergebenden Zuschussbedarfe der verschiedenen Aufgabenträgergruppen tatsächlich – und insoweit den obigen Vorgaben entsprechend – einer kritischen Überprüfung auf Realitätsnähe unterzogen. So legen die Gutachter zunächst offen, dass sich aus dem vorliegenden statistischen Material „deutliche Unterschiede“ zwischen den Zuschussbedarfen der kreisfreien Städte und den Kreisen bei den Kreisaufgaben beziehungsweise zwischen den kreisfreien Städten und den übrigen Gemeinden bei den Gemeindeaufgaben zeigen. Die Gutachter überprüfen sodann nachvollziehbar, ob sich diese Unterschiede durch Besonderheiten der jeweiligen tatsächlichen Kostenstrukturen erklären lassen. So seien etwa die Unterschiede bei den Kreisaufgaben durch die Ballung sozialer Problemlagen in größeren Städten plausibel erklärbar. Bei den Gemeindeaufgaben seien die unterschiedlichen Ausgabenstrukturen nachvollziehbar und auf wenige Aufgabengebiete eingrenzbar. So ließen sich beispielsweise höhere Ausgaben der kreisfreien Städte im Bereich Brandschutz durch die dort greifende Verpflichtung zum Unterhalt von Berufsfeuerwehren (§ 7 Abs. 1 des Gesetzes über den Brandschutz und die Hilfeleistungen der Feuerwehren vom 10. Februar 1996 ) erklären. Höhere Kosten für Tageseinrichtungen für Kinder ließen sich etwa durch andere Sozialstrukturen in größeren Ballungsräumen (Erwerbsbeteiligung von Frauen, Betreuung von Kindern durch Großeltern) nachvollziehen

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, dort Kapitel 2 „Struktur und Entwicklung der kommunalen Finanzen in Schleswig-Holstein“, S. 5 ff., insbesondere S. 16).

193

Soweit sich aus den Erwägungen der Gutachter jedoch ergibt, dass tatsächliche Bedarfslagen durch die zugrunde gelegten Daten nicht adäquat abgebildet werden, belassen es die Gutachter – und dem folgend der Gesetzgeber – bei der bloßen Feststellung dieses Umstandes. Eine nach dem Gebot bedarfsorientierter Sachverhaltsermittlung dann erforderliche, wertende Modifikation der Datengrundlage des Gutachtens zur realitätsbezogenen Erfassung aller relevanten Bedarfe wird nicht in Betracht gezogen.

194

Dies betrifft etwa den Bereich der Investitionen. Wie aufgezeigt, liegt eine maßgebliche Schwäche des rein ausgabenbezogenen Ansatzes in dessen Untauglichkeit, Investitionsrückstände aufgrund fehlender finanzieller Ausstattung sachgerecht zu erfassen, da in der Vergangenheit unterlassene Investitionen fälschlich als fehlender Bedarf in der Zukunft interpretiert werden. Eine eben solche Situation legt das Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus Juli 2013 für den Bereich der kreisfreien Städte explizit nahe. Wörtlich wird dort ausgeführt:

Es wird deutlich, dass sich die kommunale Investitionstätigkeit fast ausschließlich auf die Gemeindeebene beschränkt. In den Kreisaufgaben fallen lediglich marginale Investitionen im Bereich der weiterführenden Schulen, der Krankenhäuser und der Kreisstraßen an. Die gemeindliche Investitionstätigkeit konzentriert sich dagegen auf den Brandschutz, die Schulen, die Tageseinrichtungen für Kinder, die Sportstätten, die Gemeindestraßen, die Abwasserbeseitigung und die Verkehrsunternehmen.

Es ist auffallend, dass die kreisfreien Städte in deutlich geringerem Maße investive Ausgaben tätigen als die kreisangehörigen Gemeinden. Dies kann als Ergebnis der in Relation zu den laufenden Ausgaben geringen allgemeinen Deckungsmittel verstanden werden. Nach Abzug der laufenden Kosten verbleiben den kreisfreien Städten keine ausreichenden Mittel mehr, um Investitionen zu tätigen. Die Unterschiede in der Investitionstätigkeit zwischen den beiden Gruppen sind bei allen oben genannten investitionsstarken Gemeindeaufgaben augenfällig. Die einzigen Ausnahmen bilden die Abwasserbeseitigung und die Verkehrsunternehmen (Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 17).

195

Diese damit in dem zugrunde liegenden Gutachten selbst offen gelegte Vermutung inadäquater Abbildung tatsächlich bestehender Investitionsbedarfe der kreisfreien Städte durch die verwendeten Zahlenwerke wird im Weiteren nicht entkräftet. Zwar stellen die Gutachter noch die Vermutung an, dass die festgestellten Ungleichheiten teilweise durch die Verlagerung von Aufgaben der kreisfreien Städte in Eigenbetriebe erklärbar sein könnten, mit der Folge, dass sich Investitionen hierdurch aus dem Vermögenshaushalt in den Verwaltungshaushalt verlagern könnten. Dieser bloßen Vermutung wird jedoch sodann nicht weiter empirisch nachgegangen, wie auch keine sonstigen Konsequenzen aus den obigen Feststellungen gezogen werden.

196

Solche wären aber nach den oben aufgezeigten verfassungsrechtlichen Maßstäben (siehe oben 2. a) bb) (4), Rn. 122) erforderlich, namentlich durch eine weitergehende Überprüfung der fundiert dargelegten Vermutung von nicht abgebildeten Investitionslücken sowie hieran anschließend durch wertende Korrektur der für Investitionen der kreisfreien Städte erforderlichen, in den allein verwandten statistischen Zahlen jedoch nicht adäquat abgebildeten Finanzmittel.

197

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Gutachter in den obigen Ausführungen zu dem Schluss kommen, dass die – zudem nur vermuteten – eigenbetriebsbedingten Verlagerungen aus dem Vermögens- in den Verwaltungshaushalt „in der Summe“ keine Verzerrung der Zuschussbedarfe bewirkten. Dies mag auf Ebene der einzelnen Städte richtig sein, sagt aber für die hier maßgebliche Verteilung der Finanzausgleichsmasse auf Gemeinde- beziehungsweise Kreisaufgaben nichts aus. Denn in dem Umfang, in dem die festgestellten Unterschiede nicht aus den obigen Verlagerungen erklärbar sind, sondern ein echtes Investitionsdefizit im Vergleich zu den Gemeinden des kreisangehörigen Raumes indizieren, bedarf es dann in der Konsequenz einer wertenden Korrektur der Dotierung der Teilschlüsselmasse für Gemeindeaufgaben.

198

Nicht durchzugreifen vermag zuletzt der Hinweis der Landesregierung, dass Investitionen in der Durchschnittsbetrachtung über mehrere Jahre jedenfalls kein substantielles Gewicht hätten und zudem in der horizontalen Betrachtung in der Bedeutung vernachlässigbar seien. Das Argument fehlenden Gewichts lässt sich schon anhand der im Gutachten selbst dargelegten Größenordnungen nicht nachvollziehen. Hiernach liegen die Zuschussbedarfe im Vermögenshaushalt im Betrachtungszeitraum bei 115,88 Euro/ Einwohner (kreisfreie Städte) beziehungsweise 168,24 Euro/ Einwohner (kreisangehöriger Raum) und damit verglichen mit den Zuschussbedarfen im Verwaltungshaushalt von 1.357,07 Euro/ Einwohner (kreisfreie Städte) beziehungsweise 938,78 Euro/ Einwohner (kreisangehöriger Raum) jedenfalls nicht in einem vernachlässigbaren Bereich. Dass die festgestellten Divergenzen im Übrigen auch für den horizontalen Bereich relevant sind, folgt schon aus den obigen Erwägungen. Sollte der kreisfreie Bereich im Unterschied zum kreisangehörigen Bereich bei den Gemeindeaufgaben unter einem signifikanten Investitionsrückstau leiden, hat dies naturgemäß Auswirkungen auf die verfassungsmäßig geschuldete angemessene Verteilung der zur Verfügung stehenden Finanzausgleichsmasse.

199

Nur ergänzend ist anzufügen, dass die vorstehenden Erwägungen Relevanz für die nach allem anstehende Überprüfung der Finanzausgleichsmasse insgesamt haben dürften. Denn das Vorliegen erheblicher Indizien für ein tatsächlich bestehendes Investitionsdefizit jedenfalls auf Ebene der kreisfreien Städte dürfte nach dem Gebot bedarfsorientierter Sachverhaltsermittlung Erhebungsbedarf nicht nur in horizontaler, sondern auch in vertikaler Hinsicht auslösen.

200

(2) Zudem stellt sich § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 mit Blick auf die gesetzgeberische Behandlung rauminduzierter Kosten als verfassungswidrig dar. Art. 57 Abs. 1 LV ist zwar insoweit keine Aussage dahingehend zu entnehmen, dass etwaige rauminduzierte Kosten der Aufgabenerfüllung – vor allem denkbare Mehrkosten der Aufgabenerledigung auf ausgedehnter Fläche oder aber etwaige Kosten aufgrund sonstiger naturräumlicher Besonderheiten wie etwa in Schleswig-Holstein mehrfach gegebener Insellagen – auf jeden Fall einer gesonderten Erhebung bedürfen. Maßstab der Prüfung ist vielmehr nur, ob der hier vorliegende Verzicht auf die Erhebung etwaiger raumbedingter Kosten sachlich zumindest vertretbar war.

201

In der einschlägigen landesverfassungsrechtlichen Rechtsprechung sowie in der veröffentlichten wissenschaftlichen Literatur wird insoweit nachvollziehbar davon ausgegangen, dass erhebliche Gründe für die Annahme sprechen, dass insbesondere Fläche ein kostenerhebliches Kriterium sein könnte, etwa hinsichtlich der Straßenbaulast, aber auch bezüglich zahlreicher anderer Kreisaufgaben (beispielsweise Naturschutz, Landwirtschaftswesen, Veterinärwesen, Abfallwirtschaft, Rettungswesen, ÖPNV)

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 146 f.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 127 ff.; Henneke, NdsVBl 2013, 121 <126>, Wohltmann, Der Landkreis 2016, 501 <530>; weiterführend: Kirchhof/ Meyer, Kommunaler Finanzausgleich im Flächenbundesland, 1996).

Dieser Befund wird nicht zuletzt von dem zugrunde liegenden Gutachten selbst nahe gelegt. Das Gutachten geht davon aus, dass bestimmte Kostenarten im ländlichen Raum stärker ins Gewicht fallen als im Verdichtungsraum:

Die Zuschussbedarfe der Gemeindeebene sind vor allem in der allgemeinen Verwaltung höher als in den kreisfreien Städten. Dies liegt sehr wahrscheinlich an der stärker dezentralen Verwaltungsstruktur im kreisangehörigen Raum (Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 16).

Dass gleiches für Insellagen gilt, liegt schon im Hinblick auf die Erreichbarkeit und den deshalb für die dortige Aufgabenerledigung erhöhten Aufwand nahe.

202

Hieraus folgt im Rahmen der von dem Gericht allein durchzuführenden Vertretbarkeitsprüfung, dass der Gesetzgeber zumindest eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Problematik schuldet. Auf die Berücksichtigung des Parameters Raum kann er nur dann verzichten, wenn er hierfür nachvollziehbare Gründe erhoben und dokumentiert hat

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 16. Mai 2001 - StGH 6/99 -, NdsVBl 2001, 184 ff., Juris Rn. 140; wohl ebenso: BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 u.a. -, BVerfGE 86, 148 ff., Juris
Rn. 317 ff.).

203

Vorliegend befassen sich allerdings weder das zugrunde liegende Gutachten noch die Gesetzesbegründung eingehend mit der Materie. Im Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung ist eine nachvollziehbare Auseinandersetzung insbesondere mit der Frage, ob ein Flächenindikator erforderlich ist, nicht enthalten. Auch die Gesetzesbegründung zeigt, dass eine substantielle Auseinandersetzung mit dem eventuell gegebenen Erfordernis der Einführung eines konkreten Flächenparameters nicht stattgefunden hat. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich vielmehr, dass man sich mit dieser Fragestellung allein deshalb nicht auseinandersetzte, um den Finanzausgleich nicht weiter zu verkomplizieren. Insoweit heißt es in der Gesetzesbegründung:

Es werden keine zusätzlichen Verteilungskriterien für Fläche bei den Kreisen oder für Bildungsaufwand bei den Gemeinden eingeführt. Solche Kriterien machten den Finanzausgleich komplizierter, ohne dass die Verteilungswirkung den kommunalen Bedarfen notwendigerweise besser gerecht würde. (…). Auch das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung empfiehlt, über den Soziallastenansatz auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte hinaus mit weiteren Nebenansätzen zurückhaltend umzugehen (Landtags-Drucksache 18/1659, S. 47).

204

Diese Erwägung allein vermag jedoch keine hinreichende Begründung für die Nichtberücksichtigung abzugeben. Denn ob der in sich vertretbare Gesichtspunkt, die gesetzliche Regelung möglichst nicht weiter zu verkomplizieren, trägt, lässt sich nur in Abwägung mit den damit einhergehenden Nachteilen im Hinblick auf das Gebot einer dem Gleichheitssatz genügenden Ausgestaltung des Finanzausgleichs beantworten. Diese Abwägung erfordert, dass sich der Gesetzgeber die für einen Flächenansatz sprechenden Gesichtspunkte und die Ausgestaltungsmöglichkeiten zumindest im Ansatz vergegenwärtigt.

205

Für das Erfordernis einer substantiellen Auseinandersetzung mit der Frage der Berücksichtigung rauminduzierter Bedarfe spricht dabei im Übrigen die Argumentation der Landesregierung in dem vorliegenden Verfahren. Diese meint – wie dargestellt –, dass eine Berücksichtigung von Deglomerationskosten nur dann erforderlich sei, wenn auch Agglomerationskosten berücksichtigt würden

(so wohl: VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18 Mai 2006 - VfGBbg 39/04 -, LKV 2006, 505 ff.).

Letzteres sei in Schleswig-Holstein aber nicht der Fall.

206

Dem vermag das Gericht nicht zu folgen. Entgegen den Ausführungen der Landesregierung sind Agglomerationseffekte durchaus berücksichtigt. Denn in seiner praktischen Wirkung stellt die Teilschlüsselmasse für Zentrale Orte (bis hinab zum Unterzentrum, vgl. § 10 FAG 2014) einen Indikator für Agglomerationseffekte dar. Dem kann nicht durchgreifend entgegengehalten werden, dass § 10 FAG 2014 nicht formell an die Bevölkerungsdichte anknüpft, sondern an Maßstäbe des Landesplanungsrechts. Denn im Ergebnis werden hier Agglomerationseffekte – wenn auch mit anderer Regelungstechnik – zur Mittelverteilung herangezogen. Dies zeigt sich schon bei Betrachtung der Ergebnisse der Verteilung der Teilschlüsselmasse nach § 10 FAG 2014. Hiernach werden etwa im Finanzausgleichsjahr 2016 über 70 % der Teilschlüsselmasse für zentralörtliche Aufgaben an die vier Oberzentren (Kiel, Lübeck, Flensburg, Neumünster) sowie die vierzehn Mittelzentren (Brunsbüttel, Heide, Mölln, Husum, Eutin, Elmshorn, Eckernförde, Rendsburg, Schleswig, Bad Segeberg, Kaltenkirchen, Itzehoe, Bad Oldesloe) vergeben. Nur ca. 6 % der Teilschlüsselmasse erreichen hingegen ländliche Zentralorte beziehungsweise Stadtrandkerne I. Ordnung, nur ca. 4% Stadtrandkerne II. Ordnung

(Erlass Kommunaler Finanzausgleich 2016 des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten, 18. Januar 2016, Anlage 5 und 8).

207

Die Verknüpfung der Einstufung als Ober- und Mittelzentrum mit Agglomerationseffekten ist dabei nicht zu verkennen. Insoweit bestünde hier hinreichend Grund für eine fundierte Entscheidung, ob nicht im Flächenland Schleswig-Holstein begleitend die Einführung eines Flächen- oder sonstwie raumbezogenen Indikators geboten erscheint.

208

cc) § 4 Abs. 2 FAG 2014 verletzt hingegen Art. 57 Abs. 1 LV unter keinem Gesichtspunkt. Dies gilt sowohl für das Instrument der Zweckzuweisung als solches (<1>) als auch für das Gesamtgewicht der vorliegend geregelten Zweckzuweisungen (<2>) und schließlich für die Höhe der einzelnen Zweckzuweisungen (<3>).

209

(1) Die grundsätzliche Verwendung des Instruments der Zweckzuweisung ist – im Einklang mit der Rechtsprechung der anderen hiermit befassten Landesverfassungsgerichte – zulässig (siehe oben a), Rn. 130).

210

(2) Nicht zu beanstanden ist § 4 Abs. 2 FAG 2014 im Hinblick auf dessen Gesamtgewichtung. Zwar liegt es auf der Hand, dass bei der Normierung derartiger Zweckzuweisungen Grenzen einzuhalten sind, da ansonsten die kommunale Selbstverwaltungsfreiheit stark eingeschränkt würde. Insoweit kann sich ein Übermaß an potentiell selbstverwaltungsfeindlichen Zweckzuweisungen sowohl aus der Summe dieser Zuweisungen im Verhältnis zu den allgemeinen, zweckungebundenen Zuweisungen ergeben, als auch aus der reinen Zahl an ausdifferenzierten Zuweisungstatbeständen. Der Gesetzgeber muss bei beiden Zurückhaltung üben, um die kommunale Autonomie nicht in unverhältnismäßiger Weise einzuschränken

(vgl. VerfGH Thüringen, Urteil vom 21. Juni 2005 - VerfGH 28/03 -, LVerfGE 16, 593 ff., Juris Rn. 197 f.).

211

Mit der Anzahl der hier nach § 4 Abs. 2 FAG 2014 normierten Zweckzuweisungstatbestände (insbesondere Theater/ Orchester, Straßenbau, Infrastruktur, Frauenhäuser, Büchereien, Kindertagesstätten) ist dieser Bereich der Überregulierung nicht erreicht. Gleiches gilt hinsichtlich der Größenordnung von ca. 10 % der Finanzausgleichsmasse. Jedenfalls potentiell problematisch erscheint allerdings der Umstand der betragsmäßigen Festschreibung der Zweckzuweisungen im Gegensatz zur prozentualen Festlegung der Finanzausgleichsmasse im Übrigen. Bei etwaig einbrechenden Steuereinnahmen auf Landesebene stiege entsprechend der Anteil der Zweckzuweisungen auf (gegebenenfalls erheblich) über 10 % an. Im Einzelfall könnte hierdurch in dann verfassungsrechtlich relevanter Weise bewirkt werden, dass die nach Abzug der Zweckzuweisungen verbleibende Finanzausgleichsmasse nicht mehr zur Erfüllung originär kommunaler Aufgaben hinreichen könnte

(vgl. hierzu StGH Niedersachsen, Urteil vom 25. November 1997
- StGH 14/95 u.a. -, NdsStGHE 3, 299 ff., Juris Rn. 114).

212

Im Ergebnis führt dieser Aspekt allein jedoch nicht zur Verfassungswidrigkeit der fraglichen Regelung. Hiergegen spricht schon der relativ kurze Zeitraum, für den die Zweckzuweisungen geregelt sind (bis 2018). Dass es innerhalb dieses Zeitraumes zu derart schwerwiegenden Verzerrungen in dem ursprünglich geregelten Verteilungsverhältnis zwischen Zweckzuweisungen nach § 4 Abs. 2 FAG 2014 und Schlüsselzuweisungen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 kommt, ist schon wenig wahrscheinlich. Vor allem aber ist insoweit auf die sowohl verfassungsrechtlich verbürgten als auch einfachgesetzlich (§ 4 Abs. 1 Satz 3 FAG 2014) festgeschriebenen Beobachtungspflichten des Gesetzgebers zu verweisen. Mögliche Verschiebungen im Verhältnis der vorgenannten Zuweisungen zueinander hat der Gesetzgeber hiernach laufend zu beobachten und gegebenenfalls zu korrigieren.

213

(3) Keine Verletzung von Art. 57 Abs. 1 LV durch § 4 Abs. 2 FAG 2014 folgt zuletzt aus der Höhe der einzelnen Zweckzuweisungen, und zwar insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Aufgabengerechtigkeit.

214

Aus dem – zulässigen – Zweck der Vorwegabzüge, die Erfüllung bestimmter kommunaler Aufgaben in besonderer Weise zu priorisieren und zu fördern, folgt unmittelbar, dass der Gesetzgeber nicht gehalten ist, bereits auf dieser Ebene die zur vollständigen Erfüllung dieser Aufgaben nötigen Beträge realitätsnah zu ermitteln. Der Gesetzgeber ist innerhalb der aufgezeigten verfassungsrechtlichen Grenzen insoweit frei, welchen Aufgaben er in welchem Maße gesonderte Förderung zukommen lassen möchte. Dies gilt jedenfalls solange, wie die für die einzelnen Zuweisungsgruppen festgelegten Beträge in signifikantem Maße hinter den für die vollständige Aufgabenerfüllung erforderlichen Beträgen zurückbleiben, es mithin nicht zu einer vom Zweck der Vorwegabzüge nicht mehr gedeckten Überfinanzierung einzelner Bereiche zulasten der anderen Funktionen des kommunalen Finanzausgleichs kommt.

215

Dies ist hier der Fall. Aus den konkret festgesetzten Beträgen für die einzelnen Zweckzuweisungen nach § 3 Abs. 2 FAG 2014 (beispielsweise 24 Millionen Euro für Straßenbau, rund 5,3 Millionen Euro für Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen, bis zu rund 7,7 Millionen Euro für Büchereien, jeweils für das gesamte Land Schleswig-Holstein) folgt offenkundig, dass es in keinem Bereich zu einer Voll- oder sogar Überfinanzierung der erfassten Aufgaben kommen kann. Zudem wird über die Auszahlungsmodalitäten der §§ 11 ff. FAG 2014 ergänzend weitgehend sichergestellt, dass nur tatsächlich benötigte Beträge ausgezahlt und eventuell verbleibende Beträge sodann gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 FAG 2014 im Folgejahr den Schlüsselzuweisungen nach § 4 Abs. 1 FAG 2014 zugeführt werden. Die vorstehenden Ausführungen insbesondere zur nicht gegebenen Überfinanzierung gelten dabei auch für die Zuweisungen für Theater und Orchester nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 FAG 2014 (siehe oben aa) (2) (c), Rn. 184).

216

d) Gründe für die Verfassungswidrigkeit von § 5 Abs. 2 FAG 2014 sind nicht ersichtlich. In der unterschiedlichen Behandlung gemeindlicher Bedarfe (Berücksichtigung im Rahmen von § 5 Abs. 2 FAG 2014 zu 70 %) und der Bedarfe für Kreisaufgaben (Einstellung im Rahmen von § 9 Abs. 1 FAG 2014 zu 85 %) liegt keine verfassungsrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung (aa). Auch sonstige verfassungsrechtlich verbürgte Vorgaben an die Ausgestaltung des Finanzausgleichs wurden nicht verletzt (bb).

217

aa) Die unterschiedlichen Differenzausgleichsquoten von lediglich 70 % bei den Gemeindeaufgaben (§ 5 Abs. 2 FAG 2014) und 85 % bei den Kreisaufgaben (§ 9 Abs. 1 FAG 2014) stellen keine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung dar.

218

Eine Verletzung des Gleichheitssatzes setzt voraus, dass vergleichbare Sachverhalte in wesentlicher Hinsicht ungleich behandelt werden. Bei den hier von den Antragstellerinnen gebildeten Vergleichsgruppen muss es sich dementsprechend um im Wesentlichen gleiche Sachverhalte handeln

(vgl. etwa zuletzt BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Mai 2016 - 1 BvR 2217/11 -, Juris Rn. 19 m.w.N., stRspr.).

219

Dies ist nicht der Fall. Die Antragstellerinnen gehen in ihrer Argumentation davon aus, dass mit den Regelungen in den §§ 5 beziehungsweise 9 FAG 2014 zwar nicht Körperschaften, wohl aber Aufgabenarten im vergleichbaren Kontext der Festlegung konkreter Schlüsselzuweisungen ungleich behandelt würden, indem
– verkürzt ausgedrückt – Gemeindeaufgaben „nur“ zu 70 %, Kreisaufgaben hingegen zu 85 % ersetzt würden. Diese Zusammenschau unterschiedlicher Quoten übergeht, dass die vom Gesetzgeber normierten Prozentzahlen gerade nicht in einem vergleichbaren Kontext verwandt werden. Es werden damit Sachverhalte verglichen, die nicht vergleichbar sind. Die beanstandeten Ausgleichsquoten sind Teil jeweils gesondert ausgestalteter und deshalb gesondert zu bewertender Verteilungsmechanismen. Die absolute Höhe der den einzelnen Aufgabenträgern jeweils zukommenden Schlüsselzuweisungen hängt bei den verschiedenen Aufgabenarten von verschiedenen und damit nicht vergleichbaren Parametern ab. Die in der Antragsschrift unterstellte Aussage, dass 70 % unzulässigerweise „weniger“ als 85 % sei, vernachlässigt, dass diese Prozentzahlen jeweils Teil unterschiedlicher Gleichungen und damit nicht direkt vergleichbar sind. Der Parameter „70 %“ als ein Parameter von vier weiteren Parametern mit jeweils eigener Gewichtung ist mit einem Parameter „85 %“ als einem Parameter von fünf ganz anderen Parametern mit anderer Gewichtung in einer anderen Gesamtgleichung nicht vergleichbar.

220

Für die Verteilung der Schlüsselmasse für Gemeindeaufgaben sind nach §§ 5 ff. FAG 2014 im Ergebnis die folgenden Parameter maßgeblich: Einwohnerzahl (§ 6 Abs. 1 FAG 2014), diverse Steueraufkommen (§ 7 FAG 2014), der jeweils festzusetzende Grundbetrag (§ 6 Abs. 2 FAG 2014) sowie die hier gerügte Differenzquote von 70 %.

221

Für die Verteilung der Schlüsselmasse für Kreisaufgaben auf die einzelnen Aufgabenträger sind hingegen nach § 9 FAG 2014 andere Parameter maßgeblich: die Einwohnerzahl (§ 9 Abs. 2 FAG 2014), eine Umlagekraftmesszahl (§ 9 Abs. 3 FAG 2014), die Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II vor Ort (§ 9 Abs. 4 FAG 2014) sowie erneut ein (anderer) Grundbetrag (§ 9 Abs. 2 FAG 2014) und die hier gerügte Differenzquote von 85 %.

222

Die letztlich von den Antragstellerinnen aufgeworfene Frage, ob die Träger der Gemeindeaufgaben insgesamt im Verhältnis zu den Trägern der Kreisaufgaben insgesamt angemessen ausgestattet sind, ist eine Frage der Bildung der Teilschlüsselmassen nach § 4 FAG 2014 und keine Frage der Differenzausgleichswerte der §§ 7 und 9 FAG 2014. Das Problem einer eventuell ungleichen Behandlung von Trägern der Kreis- beziehungsweise Gemeindeaufgaben ist dort zu behandeln. Hinsichtlich der Frage der Verteilung der beiden Schlüsselmassen auf die Aufgabenträger im Einzelnen ist der Gesetzgeber im Rahmen seines Ausgestaltungsermessens hingegen frei. Da es sich definitionsgemäß um verschiedene Arten von Aufgaben handelt, steht es dem Gesetzgeber insbesondere frei, verschiedene Verteilmechanismen anhand verschiedener Parameter auszubilden.

223

bb) Schließlich wird durch die Ausgestaltung von § 5 FAG 2014 – wie durch die folgenden Vorschriften – keine Verletzung des Gebotsbedarfsorientierter Sachverhaltsermittlung bewirkt. Wie dargestellt (siehe oben 2. a) bb) (4), Rn. 123), ergeben sich aus diesem Gebot für die Ebene der Verteilung der Teilschlüsselmassen auf die einzelnen Zuweisungsempfänger keine weiteren, über die allgemeinen verfassungsrechtlichen Vorgaben hinausgehenden Vorgaben. Auch eine Verletzung des Verbots der Nivellierung beziehungsweise Übernivellierung ist nicht feststellbar. Dass die tatsächliche Finanzkraftreihenfolge der Kommunen durch § 5 FAG 2014 völlig abgebaut oder gar umgekehrt würde, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

224

e) Die in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 enthaltenen Regelungen zur Ermittlung der den Steuerkraftzahlen zugrunde liegenden fiktiven Hebesätze verletzen Art. 57 Abs. 1 LV, insbesondere in dem hierin integrierten Gebot der Systemgerechtigkeit.

225

aa) Keine Verletzung des Gebots der Systemgerechtigkeit oder des interkommunalen Gleichbehandlungsgrundsatzes vermag das Gericht allerdings in der Verwendung undifferenzierter fiktiver Hebesätze an sich zu erblicken. Maßgeblich ist dabei erneut nicht, ob der Normgesetzgeber die bestmögliche oder gerechteste Lösung gewählt hat. Vor dem Hintergrund des weiten gesetzgeberischen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraumes prüft das Gericht nur, ob der vorliegende Verzicht auf die Bildung von typisierenden Untergruppen nachvollziehbar und vertretbar ist.

226

Die Verwendung fiktiver Hebesätze ist für sich betrachtet vertretbar. Das Land darf verhindern, dass sich eine Gemeinde durch besonders niedrige Hebesätze selbst „bedürftig macht“, um entweder Leistungen aus Landesmitteln zu erhalten oder einer Umlage zu entgehen

(Urteil vom 3. September 2012 - 1/12 - Rn. 40, LVerfGE 23, 361 ff., Rn. 28 = SchlHA 2012, 431 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 30; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 1968 - 2 BvL 2/61 -, BVerfGE 23, 353 ff., Juris Rn. 47 ff.; BVerwG, Urteil vom 25. März 1998 - 8 C 11.97 -, BVerwGE 106, 280 ff., Juris Rn. 26; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Juli 1998 - VerfGH 16/96 u.a. -, NWVBl 1998, 390 ff., Juris Rn. 109; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Juni 2006 - LVG 7/05 -, LVerfGE 17, 410 ff., Juris Rn. 134; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 118 ff.; VerfG Brandenburg, Urteil vom 6. August 2013 - VfGBbg 53/11 -, DVBl 2013, 1180 ff., Juris Rn. 86 f.; Leisner-Egensperger, DÖV 2010, 705 <711>; Droege, NWVBl 2013, 41 <42>).

227

Es besteht keine verfassungsrechtlich unterlegte Pflicht des Gesetzgebers, bei der Ausbildung der fiktiven Sätze nach weiteren Kriterien (etwa Lage oder Größe der Kommunen) zu differenzieren. Ausgangspunkt der verfassungsgerichtlichen Kontrolle ist erneut ein gesetzgeberischer Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung des Kommunalfinanzausgleichs. Das Gericht prüft vor diesem Hintergrund lediglich, ob der Gesetzgeber mit dem Verzicht auf ausdifferenzierte Hebesätze seinen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum verlassen hat. Dies ist nicht der Fall.

228

Die gesetzgeberische Entscheidung, unter Verweis auf das Fehlen einer wissenschaftlich unumstrittenen Methode von einer Staffelung abzusehen, stellt sich jedenfalls nicht als unvertretbar dar. Tatsächlich ist es der Finanzwissenschaft bis heute nicht gelungen, eine allseits akzeptierte und hinreichend handhabbare, das heißt nicht übermäßig komplexe Methode eventueller Staffelungen von anzusetzenden Hebesätzen zu entwickeln. Insbesondere die Tauglichkeit der etwa denkbaren Parameter „Gemeindegröße“ oder „Industrialisierungsgrad“ zur realitätsnäheren Abbildung der Anspannungspotenziale der Hebesätze wird uneinheitlich bewertet. Auch eine mögliche Differenzierung nach Kernstädten, Umlandbereichen und ländlichem Raum findet keine uneingeschränkte Zustimmung

(vgl. VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Juli 1998 – VerfGH 16/96 u.a. -, a.a.O., Juris Rn. 116; Droege, NWVBl 2013, 41 <43>).

229

Selbst die Verfechter der Vorzugswürdigkeit gestaffelter Hebesätze gehen vor diesem Hintergrund davon aus, dass – aus ihrer Sicht – Staffelungen zwar vorzugswürdig seien, dass der Gesetzgeber insoweit aber von Verfassungs wegen dazu nicht zwingend angehalten sei

(vgl. Droege, NWVBl 2013, 41 <43>, a.A.: Henneke, in: Henneke/ Pünder/ Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 25 Rn. 39).

230

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist in diesem Zusammenhang die Verwendung von Mindesthebesätzen in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014. Diese stellen sich gleichfalls nicht als unvertretbar dar. Dem Gesetzgeber steht es zu, denkbaren Verzerrungen durch untypisch niedrige Hebesätze einzelner Kommunen bei der Ermittlung der Durchschnittswerte derart zu begegnen. Auch hier gilt, dass der Gesetzgeber möglichen Tendenzen entgegenwirken darf, sich hebesatzbedingte Standortvorteile zulasten der interkommunalen Solidarität zu verschaffen.

231

bb) Als jedenfalls anhand der Gesetzesbegründung nicht nachvollziehbar und damit willkürlich stellt sich hingegen die in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 festgeschriebene Ermittlung der jeweiligen durchschnittlichen Hebesätze auf der Grundlage der tatsächlichen Hebesätze des kreisangehörigen Bereiches dar, während die tatsächlichen Hebesätze des kreisfreien Raumes nach der Regelung vollständig unberücksichtigt bleiben sollen.

232

Entscheidungsmaßstab ist das Willkürverbot, hier insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit. Aus diesem folgt, dass der Verfassung zwar keine konkrete Herangehensweise zu entnehmen ist, der der Gesetzgeber zu folgen hätte, dass der Gesetzgeber aber von dem selbst gewählten System
– hier der Hebesatzberechnung als landesweitem Durchschnittswert – nicht ohne nachvollziehbaren Grund abweichen darf.

233

Für die konkrete Hebesatzbildung sind jedoch keine gesetzgeberischen Erwägungen erkennbar, die die Ausklammerung der Daten der kreisfreien Städte aus der ansonsten durchgehenden Hebesatzberechnung auf Basis aller Gemeinden des Landes als zumindest vertretbar erscheinen lassen könnte. Weshalb bei der Definition eines im Übrigen landeseinheitlichen Durchschnitts die Daten der kreisfreien Städte vollständig ausgeblendet werden, erschließt sich nicht aus dem Gesetz selbst und ist weder in der Gesetzesbegründung noch in den veröffentlichten Materialien oder im Verfahren näher begründet. Die Herangehensweise steht dabei in einem nicht nachvollziehbaren Gegensatz zu der gesetzgeberischen Grundentscheidung für das sogenannte Zwei-Säulen-Modell, welches eine Differenzierung nach Art der Körperschaft (hier: zwischen kreisangehörigen Gemeinden und kreisfreien Städten) gerade nicht vorsieht.

234

Auch im Vergleich mit der Rechtslage in anderen Bundesländern erscheint die gewählte Regelung begründungsbedürftig. In den Parallelregelungen der Länder mit fiktivem Hebesatz und vergleichbarer Regelungstechnik basiert die Durchschnittsberechnung auf den Daten aller Kommunen, das heißt auch der kreisfreien Städte

(vgl. etwa: § 9 Abs. 4 Brandenburgisches Finanzausgleichsgesetz vom 29. Juni 2004 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. März 2016 ; § 8 Sächsisches Finanzausgleichsgesetz vom 21. Januar 2013 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2016 ).

Zugunsten der schleswig-holsteinischen Regelung kann nicht angenommen werden, dass es sich um den Fall einer Typisierung oder Pauschalisierung handeln könnte, die für sich gesehen noch zu tolerieren sein könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass die im selbstgewählten System an sich folgerichtige Einbeziehung der Werte der kreisfreien Städte einen irgendwie gearteten Mehraufwand bedeutet hätte, der das Abweichen von dem ansonsten konsequent angewandten System der Hebesatzberechnung rechtfertigen könnte. Soweit daneben weitere, möglicherweise vertretbare Gründe für die getroffene Regelung vorliegen sollten, sind diese jedenfalls nicht transparent gemacht worden.

235

Vor dem Hintergrund der damit ohnehin erforderlichen Neufassung der Bestimmungen zur Ermittlung der Hebesätze des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 kann dahinstehen, ob sich die – ebenfalls von den Antragstellerinnen angegriffene – Gewichtung des gewogenen Durchschnitts der Hebesätze mit dem Faktor 92 % als willkürlich darstellt. Dahingestellt bleiben kann insoweit insbesondere, ob die in der Gesetzesbegründung hierzu dokumentierte Überlegung ausreicht. Dort ist als Grund für die Erhöhung des Faktors von vormals 90 % auf 92 % angegeben, dass derart ein Gleichlauf der in den zugrunde liegenden Gutachten in die Berechnungen eingestellten Beträge mit den letztlich nach Berücksichtigung aller Reformergebnisse einzustellenden Beträgen (Vergleichsjahr 2014) erreicht würde. Ohne die Korrektur würde das Umlagevolumen im Vergleichsjahr 2014 um 12,6 Millionen Euro geringer ausfallen, als im Gutachtenergebnis zugrunde gelegt.

236

f) Die gegen § 9 FAG 2014 vorgebrachten Einwände greifen nur teilweise durch. Soweit die von § 5 FAG 2014 abweichenden Differenzausgleichswerte (aa), der Soziallastenfaktor (bb) oder die Berechnung der Finanzkraft von Kreisen und kreisfreien Städten (cc) in Frage stehen, vermag das Gericht keine Verletzungen der aufgezeigten Maßstäbe zu erkennen. Eine Verletzung von Art. 57 Abs. 1 LV durch § 9 Abs. 1 FAG 2014 ist jedoch im Hinblick auf fehlende Erwägungen zur Einführung eines Flächenparameters zu erblicken (dd).

237

aa) Die unterschiedlichen Differenzausgleichsquoten von 70 % bei den Gemeindeaufgaben (§ 5 Abs. 2 FAG 2014) und 85 % bei den Kreisaufgaben (§ 9 Abs. 1 FAG 2014) stellen keine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung dar. Auf die Ausführungen zu § 5 FAG 2014 wird verwiesen (siehe oben d),
Rn. 216 ff.).

238

bb) Die sich aus Art. 57 Abs. 1 LV ergebenden Anforderungen werden durch die Einführung des in § 9 FAG 2014 enthaltenen Soziallastenparameters nicht verletzt.

239

(1) Durchgreifende Bedenken gegen die Einführung eines Parameters für Soziallasten an sich bestehen nicht. Die Etablierung eines derartigen Parameters stellt sich jedenfalls als vertretbar dar. Der Gesetzgeber hat sich eingehend mit den Vor- und Nachteilen eines derartigen Parameters auseinandergesetzt. Auf die ausführlichen Ausführungen in dem Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus Juli 2013 wird Bezug genommen

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 59 ff.).

240

Gründe, die dort dokumentierten Erwägungen als willkürlich oder nicht mehr vertretbar einzustufen, liegen nicht vor. Dies gilt auch für die Zweifel der Antragstellerinnen am Zusammenhang zwischen der Quote der Personen in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II einerseits und der Kosten der Jugend- und Eingliederungshilfe andererseits. Im vorgenannten Gutachten ist insoweit nachvollziehbar aufgezeigt, dass eine sehr starke Korrelation zwischen der Zahl an Personen in Bedarfsgemeinschaften und den Soziallasten nach dem Zweiten und dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs sowie der Jugendhilfe besteht. Im Übrigen wird in der Rechtsprechung anderer Landesverfassungsgerichte – dort ebenfalls vor dem Hintergrund entsprechender Gutachten – eine derartige Regelung für grundsätzlich zulässig erachtet

(vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, AS RP-SL 41, 29 ff., Juris Rn. 79 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 24/13 -, Gemeindehaushalt 2016, 163 ff., Juris Rn. 66 ff.).

241

(2) Keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Vorbehalte bestehen des Weiteren im Hinblick auf die Gewichtung dieses zulässigerweise neu eingeführten Parameters. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht festzustellen, dass der Gesetzgeber insoweit seinen Gestaltungsspielraum überschritten hätte. Gegenstand verfassungsgerichtlicher Kontrolle ist des Weiteren die Frage, welches Gewicht diesem Parameter bei der Verteilungsentscheidung zukommt, wobei dies zumindest willkürfrei und vertretbar gelöst werden muss

(vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/111 -, a.a.O., Juris Rn. 79 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 24/13 -, a.a.O., Juris Rn. 69 ff.).

242

Dies ist hier geschehen, und zwar sowohl bezogen auf die absolute Höhe des die Soziallasten maßgeblich determinierenden Vervielfältigungsfaktors als auch bezogen auf das Gewicht der sich hieraus in Verbindung mit der Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften ergebenden Soziallastenmesszahl im Gesamtsystem.

243

Die absolute Höhe des die Soziallasten wiedergebenden Vervielfältigungsfaktors von 3.411 Euro ist nicht willkürlich gegriffen, sondern beruht nachvollziehbar auf der Zusammenschau der im ganzen Land Schleswig-Holstein anfallenden Zuschussbedarfe für soziale Lasten im Bemessungszeitraum, welche nach dem in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Erstgutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung 56,7 % der Zuschussbedarfe insgesamt ausmachten, und der ministeriell erhobenen Anzahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften von Empfängern von Grundsicherung für Arbeitsuchende.

244

Auch das relative Gewicht der Soziallastenmesszahl im Gesamtsystem des § 9 FAG 2014 erweist sich jedenfalls als nicht willkürlich. Dabei ist vorab festzustellen, dass sich bereits aus der gesetzlichen Konzeption ergibt, dass der Soziallastenmesszahl keine über die Jahre statische, etwa feste prozentuale Gewichtung zukommen soll. Insbesondere wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens offenkundig die zunächst erwogene Bildung von prozentual festgeschriebenen Teilmassen für Soziallasten einerseits und sonstige Ausgaben andererseits aufgegeben. Stattdessen wurde ein Modell gewählt, in dem die Gewichtung des Soziallastenfaktors im Verhältnis zu den anderen Parametern schwankt. Zur Veranschaulichung dieser Modellbildung sei auf die im Folgenden nochmals wiedergegebene Formel verwiesen:

Schlüsselzuweisung =

[(Einwohnerzahl x Grundbetrag) = Ausgangsmesszahl

(Umlagekraftmesszahl –

nach SGB II x 3.411 Euro> = Soziallastenmesszahl)] x 0,85

245

Setzt man in diese bei gleichbleibender Zahl an Personen in Bedarfsgemeinschaften etwa eine hohe Teilschlüsselmasse – und damit im Ergebnis einen hohen Grundbetrag – ein, ergibt sich eine im Verhältnis zur (betragsmäßig festgeschriebenen) Soziallastenmesszahl hohe Ausgangsmesszahl. Setzt man hingegen eine geringe Teilschlüsselmasse – und damit einen niedrigen Grundbetrag – an, schwindet die Bedeutung der Ausgangsmesszahl im Verhältnis zur (gleichbleibenden) Soziallastenmesszahl. Entsprechend schwankt das faktische Gewicht der Soziallastenmesszahl gegenüber dem Gewicht der Ausgangsmesszahl jährlich in Abhängigkeit von der Größe der anderen Parameter. Ist zum Beispiel die Teilschlüsselmasse – etwa rezessionsbedingt – schlecht dotiert, kommt der Soziallastenmesszahl ein größeres Gewicht zu; ist die Teilschlüsselmasse gut dotiert, schwindet das Gewicht der Soziallastenmesszahl.

246

Diese Ausgestaltung ist vertretbar. Ihr liegt die nicht zu beanstandende Einschätzung des Gesetzgebers zugrunde, dass es sich beim Vervielfältigungsfaktor um eine empirisch verhältnismäßig statische und wenig wandlungsanfällige Größe handelt, die entsprechend absolut festgeschrieben werden kann. Diese Einschätzung wird vom eingeholten Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung gestützt, in dem die Gutachter nachvollziehbar darlegen, dass sich die soziallastenbedingten Kosten ganz überwiegend unmittelbar aus den gesetzlichen Vorgaben erklären und entsprechend stabil sind

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 61, 3. und 4. Absatz).

247

Allerdings birgt der gebildete Mechanismus das Potential, dass in Zeiten steuereinnahmebedingt schlechter Ausstattung der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben die Gewichtung des Soziallastenparameters über Gebühr steigt und es dann zu einer Sicherstellung der Deckung soziallastenbedingter Kosten auf Kosten der anderen, ebenfalls pflichtigen Aufgaben kommt. Infolge der Regelungssystematik würden dann nämlich die Soziallasten weiterhin in vollem Umfang berücksichtigt, während die übrigen kommunalen Angelegenheiten vergleichsweise unterfinanziert blieben. Im Ergebnis würden so erheblich mehr als die gutachterlich festgelegten 56,7 % der Teilschlüsselmasse über den Soziallastenfaktor verteilt. Wie ein derartiger Zustand im Hinblick auf das Konnexitätsprinzip (Art. 57 Abs. 2 LV) zu beurteilen wäre, kann jedoch für dieses Verfahren dahinstehen. Denn jedenfalls in den Finanzausgleichsjahren 2015 und 2016 wurden wegen einer Dotierung der Finanzausgleichsmasse, die im Vergleich zu der dem Gesetzentwurf zugrunde liegenden Prognose überdurchschnittlich ausgestattet war, wesentlich weniger als 56,7 % der Teilschlüsselmasse über den Soziallastenfaktor verteilt. Insoweit besteht aber eine besondere Beobachtungspflicht des Gesetzgebers.

248

Aus diesen Ausführungen folgt zugleich, dass der Vorwurf der Antragstellerinnen wie des Landkreistages, die Schlüsselzuweisungen an die Körperschaften mit vielen Personen in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II fielen überproportional hoch aus, währendwegen der Begrenztheit der insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel (§§ 3, 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FAG 2014) – die Schlüsselzuweisungen an die andere Gruppe unangemessen niedrig ausfielen, nicht zutrifft. Wie aufgezeigt ist in Folge der gewählten Ausgestaltung derzeit sogar das Gegenteil der Fall: Wegen der gegenwärtigen Dotierung der Teilschlüsselmasse mit höheren Beträgen als im Gesetzgebungsverfahren zugrunde gelegt, werden relativ mehr Mittel über die Ausgangsmesszahl – und nicht über die Soziallastenmesszahl – verteilt, als dies einer Verteilung mit zwei Sonderansätzen mit einer festgeschriebenen Gewichtung von 56,7 beziehungsweise 43,3 % entspräche. Richtig ist allenfalls, dass nach dem gewählten System Körperschaften mit einem hohen Anteil an Personen in Bedarfsgemeinschaften verhältnismäßig höhere Schlüsselzuweisungen erhalten als Körperschaften mit einem geringeren Anteil. Solange aber – wie derzeit – die Gewichtung des diesem Mechanismus zugrunde liegenden Soziallastenparameters vertretbar ist, ist dies für sich genommen nicht zu beanstanden. Denn, wie in dem der Gesetzesfassung zugrunde liegenden Gutachten nachvollziehbar dargelegt, korrelieren mit der Zahl an Personen, die Leistungen nach dem SGB II benötigen, auch in erheblichem Maße höhere Kosten.

249

Unzutreffend ist weiter der Einwand, der Abzug der Soziallasten von der Umlagekraftmesszahl stelle einen Systembruch dar, da derart ein einzelnes an sich aufgabenbezogenes Element fälschlich auf der Einnahmenseite in die Berechnung eingehe.

250

Dieser Argumentation liegt die intuitiv naheliegende, aber im Ergebnis unzutreffende Vorstellung zugrunde, der Mechanismus des § 9 FAG 2014 bestehe aus einer „Ausgabenseite“ und einer „Einnahmenseite“. Auf der „Ausgabenseite“ (dargestellt durch die Ausgangsmesszahl) gingen alle tatsächlichen Bedarfe in die Berechnung ein und würden sodann mit der Einnahmenseite zur Ermittlung des Defizits gespiegelt. Diese Vorstellung von der Wirkweise des § 9 FAG 2014 übersieht jedoch, dass die Ausgangsmesszahl nicht den kommunalen „Bedarf“ wiedergibt, sondern über die Determinierung durch den Grundbetrag lediglich eine bloße Recheneinheit darstellt. Die Ausgangsmesszahl ergibt sich aus der Multiplikation der jeweiligen Einwohnerzahl mit dem Grundbetrag. Die Ausgangsmesszahl hat damit nichts mit irgendwie gearteten „tatsächlichen kommunalen Bedarfen“ zu tun. Durch sie wird nur bewirkt, dass die jeweiligen Einwohnerzahlen in die Berechnungsgleichung eingehen sowie dass – über den vollständig von den anderen Parametern abhängigen Grundbetrag – sichergestellt ist, dass die sich ergebenden Schlüsselzuweisungen die hierfür verfügbare Teilschlüsselmasse voll ausschöpfen, aber nicht übersteigen. Die Ausgangsmesszahl ist damit keine echte „Bedarfsgröße“, sondern vielmehr eine reine Recheneinheit mit den Parametern Einwohnerzahl und Grundbetrag, wobei der Grundbetrag nicht durch irgendwie geartete Bedarfe für wie auch immer geartete Aufgabenbereiche unterlegt ist. Anschaulich wird dies, wenn man sich vor Augen hält, dass die Höhe des Grundbetrages und damit der Ausgangsmesszahl (auch) abhängig ist von der Höhe der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben. Sinkt die Teilschlüsselmasse in einem gegebenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr, sinkt damit qua Definition auch der Grundbetrag und damit die Ausgangsmesszahl. Mit den kommunalen Bedarfen hat dies aber offensichtlich nichts zu tun: Nur weil die Teilschlüsselmasse sinkt, vermindern sich nicht zugleich die kommunalen Bedarfe. Bereits dies verdeutlicht, dass die Ausgangsmesszahl Bedarfe nicht widerspiegelt und nicht beansprucht, dies zu tun

(zur vergleichbaren Situation in Nordrhein-Westfalen: „Der Grundbetrag (…) ist eine rechnerische Hilfsgröße und wird so festgelegt, dass die zu verteilende Schlüsselmasse vollständig ausgeschöpft wird. (…) Die Ausgangsmesszahl ist somit eine unechte Bedarfsgröße und darf daher nicht als Maß für die von einer Kommune zur Deckung der tatsächlichen Ausgaben benötigten Finanzmittel missverstanden werden“ (Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Gutachten zur Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Nordrhein-Westfalen, 2013, S. 23 ff.).

251

Entsprechend trägt die im Schriftsatz des Landkreistages vertretene Grundannahme nicht, der Bedarf für Soziallasten sei in der Ausgangsmesszahl „bereits abgebildet“ und werde daher „doppelt“ in Ansatz gebracht. Da die Ausgangsmesszahl keine Bedarfe und dementsprechend keine Sozialkostenbedarfe widerspiegelt, findet folglich auch keine doppelte Einbeziehung der Sozialkostenbedarfe statt. Diese gehen nur einmal (und das wie alle anderen Parameter mit einer Reduktion auf 85 %) in die Gesamtrechnung ein.

252

Vor diesem Hintergrund ist eine Verletzung des Verbots der Nivellierung beziehungsweise Übernivellierung durch § 9 FAG 2014 ebenfalls nicht erkennbar.

253

cc) Nicht durchgreifend ist weiter der Einwand der Antragstellerinnen zur vorgeblich ungleichen Berechnung der Finanzkraft von Kreisen und kreisfreien Städten über die – zudem auf 92 % nivellierten – Messbeträge des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014. Eine den Vorstellungen der Antragstellerinnen entgegenkommende, insbesondere die tatsächliche Ertragskraft der kreisfreien Städte präziser abbildende Regelung müsste an eine Staffelung der zugrunde zu legenden Hebesätze anknüpfen. Eine solche ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zwingend erforderlich. Auf die obigen Ausführungen zu § 7 FAG 2014 wird insoweit verwiesen (siehe oben e) aa), Rn. 225 ff.).

254

dd) Auch bei § 9 FAG 2014 führt die Nichtberücksichtigung rauminduzierter Kosten, beispielsweise über einen Flächenparameter, zur Verfassungswidrigkeit der Vorschrift. Im Rahmen der Festlegung des Gesamtausgleichsmechanismus in § 9 Abs. 1 FAG 2014 hätte es einer vertieften gesetzgeberischen Auseinandersetzung mit der Frage bedurft, ob es neben den oben dargestellten Parametern zur Verteilung dieser Teilschlüsselmasse ergänzend eines flächenabhängigen weiteren Parameters bedurft hätte. Auf die obigen Ausführungen zu § 4 FAG 2014 wird verwiesen (siehe oben c) bb) (2), Rn. 200 ff.). Entsprechend ist insoweit die Verfassungswidrigkeit von § 9 Abs. 1 FAG 2014 festzustellen. Einer darüberhinausgehenden Feststellung der Verfassungswidrigkeit von § 9 Abs. 2 ff. FAG 2014 bedarf es hingegen aus den vorgenannten Gründen nicht.

255

g) Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 10 FAG 2014 bestehen nicht.

256

Hinsichtlich der grundsätzlichen Zulässigkeit der Mittelzuweisung für zentralörtliche Aufgaben nach Maßgabe des Landesplanungsrechts und die Höhe des hierfür insgesamt zur Verfügung stehenden Betrages wird auf die obige Darstellung (siehe oben c) aa) (1) (b), Rn. 159 ff.) verwiesen.

257

Die in § 10 FAG 2014 geregelte Verteilung der derart vorgegebenen Teilschlüsselmasse auf die verschiedenen Kategorien Zentraler Orte genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Gründe, die gegen die vor dem Hintergrund des interkommunalen Gleichbehandlungsgrundsatzes maßgebliche Vertretbarkeit der in § 10 FAG 2014 enthaltenen Verteilungsregelungen sprechen könnten, liegen nicht vor. Auch eine Verletzung des Verbots der Nivellierung beziehungsweise Übernivellierung ist nicht erkennbar. Bei der gefundenen Regelung bewegt sich der Gesetzgeber innerhalb des ihm bei der Ausübung seiner Ausgestaltungsfreiheit vorgegebenen Rahmens. Der Gesetzgeber hat sich bei der näheren Ausgestaltung insbesondere auch wissenschaftlichen Rates bedient

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 52 bis 58 sowie Ergänzungsgutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus Oktober 2014).

und die dort erhobenen Befunde sowie die hieraus entwickelten Empfehlungen zur Ausgestaltung bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Die sachverständigen Ausführungen, die der Gesetzeskonzeption zugrunde liegen, sind nicht als unvertretbar einzustufen. Die dort enthaltenen Erläuterungen sind nachvollziehbar und in sich schlüssig.

258

Nichts anderes folgt aus dem Vorbringen der Antragstellerinnen hierzu. Insbesondere ist es jedenfalls nicht unvertretbar, bei der prozentualen Bemessung der Höhe der Untergruppen nach § 10 Abs. 3 FAG 2014 etwaige positive Auswirkungen der jeweiligen Zentralität außer Betracht zu lassen. Im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers sind gewisse Pauschalisierungen zulässig. Insoweit steht es dem Gesetzgeber frei, bei der Festlegung der Untergruppen nicht noch weiter als ohnehin geschehen in Details der Kostenstrukturen vorzudringen, zumal die Gutachter nachvollziehbar darauf hinweisen, dass Fragen der Finanzkraftbestimmung im Zusammenhang mit Zentralität in Folge der Unkenntnis der Nutzerströme „wenig praktikabel“ sind

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 33).

259

Auch der Einwand der Antragstellerinnen, der Gesetzgeber habe sich „blind“ auf die Angaben der Gutachter verlassen, greift nicht durch. Aus dem in diesem Zusammenhang vorgebrachten Zitat des Innenministers folgt schon nichts Aussagekräftiges in Bezug auf das Gesetzgebungsverfahren. Wie die Landesregierung zu dem Gutachten gestanden haben mag, lässt keine Rückschlüsse auf den Gesetzgeber, nämlich den Schleswig-Holsteinischen Landtag, zu.

260

Zuletzt ergibt sich nichts anderes aus der Stellungnahme des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages. Hinsichtlich der angeblichen Überdotierung der Ausgaben für Theater kann nach oben verwiesen werden (siehe oben c) aa) (2) (c), Rn. 184 ff.). Eine Verletzung verfassungsrechtlich erheblicher Maßstäbe ist auch nicht den Darlegungen des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages zu den Berufsschulen zu entnehmen. Es fehlt insoweit schon an hinreichenden Anhaltspunkten für eine systemwidrige Ungleichbehandlung der Kieler Fachschulen/ Berufsschulen. Ob die gerügte Berücksichtigung der zuvor inneren Verrechnungen nach der Gründung der Regionalen Bildungszentren zulässig war oder nicht, ließe sich nur überprüfen, wenn dem Gericht vorgetragen worden wäre, wie in sonstigen Fällen mit gleichgearteten Problemlagen umgegangen wurde. Hierzu fehlt von allen Beteiligten jedweder Vortrag.

261

h) Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der §§ 14, 16, 17 und 18 FAG 2014 sprechen könnten, sind nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Hinsichtlich der grundsätzlichen Zulässigkeit derartiger Zweckzuweisungen kann auf die obige Darstellung verwiesen werden (siehe oben a), Rn. 130). Die Frage der Höhe der zur Verfügung stehenden Beträge beeinflusst allenfalls die Verfassungsmäßigkeit von § 4 FAG 2014, nicht aber die der hier zu prüfenden §§ 14, 16, 17 und 18 FAG 2014. Argumente gegen den in §§ 14, 16, 17 und 18 FAG 2014 festgeschriebenen Mechanismus der Verteilung auf die einzelnen Antragstellerinnen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

262

4. Im Übrigen gibt das vorliegende Verfahren keinen Anlass, eine Überprüfung der vorgenannten Bestimmungen auch anhand des Art. 54 Abs. 1 LV vorzunehmen. Offen gelassen werden kann damit sowohl, ob die durch Art. 54 Abs. 1 LV gewährleistete Mindestausstattung (wie der Anspruch auf angemessene Ausstattung aus Art. 57 Abs. 1 LV) unter Leistungsfähigkeitsvorbehalt steht

(für den dortigen Verfassungsraum ablehnend: VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 82; VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007
- VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 116 ff.; ebenso für Art. 28 GG: BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 -, BVerwGE 145, 378 ff., Juris Rn. 20 ff.; a.A. für den dortigen Verfassungsraum: StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008
- StGH 2/05 -, NdsVBl 2008, 152 ff., Juris Rn. 54 und 62; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 41 ff.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom
14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, AS RP-SL 41, 29 ff., Juris Rn. 23 f.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. Februar 2012
- LVerfG 37/10 -, NordÖR 2012, 235 ff., Juris Rn. 97 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 127 ff.),

als auch, ob Art. 54 Abs. 1 LV einen individuell justiziablen Mindestausstattungsanspruch jeder einzelnen Kommune oder lediglich eine institutionelle Garantie bezogen auf die Gesamtheit der Kommunen enthält

(lediglich institutionelle Garantie: VerfGH NRW, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 38; wohl auch: VerfGH Bayern, Entscheidung vom 6. Februar 2007 - Vf. 14-VII-04 - VerfGHE BY 60, 30 ff., Juris Rn. 47; auch individueller Mindestanspruch: VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff, Juris Rn. 112, LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11. Mai 2006 - LVerfG 1/05 -, LVerfGE 17, 297, Juris Rn. 110; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 194; von Mutius, in: von Mutius/ Wuttke/ Hübner, Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 49 Rn. 13; weiterführend: Volkmann, DÖV 2001, 497 <504>).

263

Hinsichtlich §§ 3 und 4 FAG 2014 bedarf Art. 54 Abs. 1 LV keiner weiteren Prüfung, da sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen zu Art. 57 Abs. 1 LV die Verfassungswidrigkeit sowohl der Bestimmung der Finanzausgleichsmasse insgesamt als auch der gebildeten Teilschlüsselmassen ergibt. Ob diese für die Gewährleistung der kommunalen Mindestausstattung zentralen Bestimmungen daneben zugleich gegen Art. 54 Abs. 1 LV verstoßen, kann insoweit dahinstehen.

264

Im Hinblick auf die §§ 5, 7, 9, 10, 14, 16, 17 und 18 FAG 2014 enthält Art. 54 Abs. 1 LV keine Anforderungen, die zur Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen führen könnten – und zwar selbst dann nicht, wenn Art. 54 Abs. 1 LV einen individuellen Mindestausstattungsanspruch enthalten sollte. Diesen Mindestausstattungsanspruch müsste der Gesetzgeber in Bezug auf Art. 54 Abs. 1 LV nicht notwendigerweise über eine ausnahmslos jedem Einzelfall gerecht werdende Ausgestaltung der Verteilungsbestimmungen der §§ 5 ff. FAG 2014 sicherstellen. Denn dann wären die in dem komplexen System des Finanzausgleichs zwingend notwendigen Generalisierungen und Pauschalisierungen zur Ermittlung der jeweils erforderlichen Finanzmittel erschwert bis unmöglich, zumal in Schleswig-Holstein mit seiner Vielzahl mit Blick auf Ausgabenbelastungen, Einnahmemöglichkeiten und spezifischen örtlichen Rahmenbedingungen höchst unterschiedlich strukturierter Kommunen. Die Gewährleistung der individuellen Mindestausstattung müsste dann allerdings über einen gesonderten Mechanismus zum Ausgleich sich gegebenenfalls aus dem Gesamtsystem der §§ 5 ff. FAG 2014 ergebender Unterfinanzierungen sichergestellt werden

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbg
28/98 -, a.a.O., Juris Rn. 112).

265

Ein solcher Mechanismus ist in Schleswig-Holstein über § 12 FAG gegeben, der von den Antragstellerinnen weder nach Höhe noch mit Blick auf seinen Regelungsinhalt angegriffen wird. Gemäß § 12 FAG 2014 können Gemeinden und Kreise, die ihren Haushalt nicht durch eigene Mittel und durch allgemeine Finanzzuweisungen nach dem Finanzausgleichsgesetz ausgleichen können, Fehlbetragszuweisungen erhalten. Die Bestimmung lautet auszugsweise wie folgt:

§ 12

Fehlbetragszuweisungen

(1) Gemeinden und Kreise die ihren Haushalt nicht durch eigene Mittel und durch allgemeine Finanzzuweisungen nach diesem Gesetz ausgleichen können, können Fehlbetragszuweisungen zum Ausgleich von unvermeidlichen Fehlbeträgen oder Jahresfehlbeträgen der abgelaufenen Haushaltsjahre erhalten. ln Ausnahmefällen können Fehlbetragszuweisungen zum Ausgleich eines voraussichtlichen unvermeidlichen Fehlbetrages oder Jahresfehlbetrages des laufenden Haushaltsjahres gewährt werden.

(2) Bei der Feststellung des unvermeidlichen Fehlbetrages oder Jahresfehlbetrages müssen diejenigen Beträge außer Ansatz bleiben, die durch Ausgaben oder Aufwendungen entstanden sind, die nicht als unbedingt notwendig anerkannt werden können, oder die durch eigene Einnahmen oder Erträge abgedeckt werden können, wenn alle Einnahme- oder Ertragsquellen in zumutbarem Umfang ausgeschöpft werden. Davon abweichend werden bei den Kreisen und Städten, die der Kommunalaufsicht des für Inneres zuständigen Ministeriums unterstehen, jeweils zwei Drittel der bis zum Ende des Jahres 2014 aufgelaufenen Fehlbeträge oder Jahresfehlbeträge sowie der ab 2015 entstehenden neuen Fehlbeträge oder Jahresfehlbeträge als unvermeidlich anerkannt.

(3) Gemeinden und Kreisen können Fehlbetragszuweisungen aus den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bereitgestellten Mitteln gewährt werden, wenn der in dem Haushaltsjahr entstandene oder voraussichtlich entstehende unvermeidliche Fehlbetrag oder Jahresfehlbetrag mindestens 80.000 Euro beträgt. Über die Bewilligung der Fehlbetragszuweisungen entscheidet das für Inneres zuständige Ministerium. Vor der Entscheidung sollen die Landesverbände der Gemeinden und Kreise gehört werden.

(4) Kreisangehörigen Gemeinden, die der Kommunalaufsicht der Landrätin oder des Landrats unterstehen, können aus eigenen Mitteln des Kreises Fehlbetragszuweisungen gewährt werden, wenn der in dem Haushaltsjahr entstandene oder voraussichtlich entstehende unvermeidliche Fehlbetrag oder Jahresfehlbetrag weniger als 80.000 Euro beträgt. Über die Bewilligung der Fehlbetragszuweisungen entscheidet der jeweilige Kreis. Zur Finanzierung der Fehlbetragszuweisungen nach Satz 1 stellt jeder Kreis einen Betrag in Höhe von mindestens 0,5 % seiner Einnahmen oder Erträge aus den Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten (§ 9 Absatz 1) und der Kreisumlage (§ 19 Absatz 2) bereit.

(5) - (6) […]

III.

266

§ 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 9 Abs. 1 FAG 2014 verstoßen danach gegen Art. 57 Abs. 1 LV. Dies führt jedoch nicht zur Nichtigkeit dieser Vorschriften, sondern zur Erklärung ihrer Unvereinbarkeit mit der Landesverfassung. Sie bleiben auch in Gestalt der zwischenzeitlichen Neufassungen, zuletzt durch das Haushaltsbegleitgesetz vom 16. Dezember 2015 (GVOBl S. 500) weiter anwendbar. Der Gesetzgeber ist bis zum 31. Dezember 2020 zu einer verfassungsmäßigen Neuregelung verpflichtet.

267

Die Verfassungswidrigkeit gesetzlicher Vorschriften führt im Regelfall zwar zu deren Nichtigkeit (§ 42 Satz 1, vgl. auch § 46 Satz 2 und § 48 LVerfGG). Aus-nahmsweise sind die Vorschriften jedoch nur für unvereinbar mit der Landesverfassung zu erklären

(Urteil vom 26. Februar 2010 - LVerfG 1/09 -, SchlHA 2010, 131 = NordÖR 2010, 155 ff. = VR 2011, 65 ff., Rn. 106).

268

Eine derartige Ausnahmesituation liegt hier vor. Eine – rückwirkende –Nichtigerklärung kommt schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht in Betracht. Hierdurch würden die bereits erfolgten Festsetzungen von Gemeinde- und Kreisschlüsselzuweisungen nach §§ 5 ff., 9 FAG 2014 ihre Rechtsgrundlage verlieren.

269

Auch die bloße Unvereinbarkeitserklärung hätte allerdings grundsätzlich zur Folge, dass die betroffenen Normen in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang nicht mehr angewendet werden dürfen. Ausnahmsweise sind verfassungswidrige Vorschriften aber ganz oder teilweise weiter anzuwenden, wenn die Besonderheit der für verfassungswidrig erklärten Norm es aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere aus solchen der Rechtssicherheit, notwendig macht, die verfassungswidrige Vorschrift als Regelung für die Übergangszeit fortbestehen zu lassen, damit in dieser Zeit nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige

(Urteil vom 26. Februar 2010 - LVerfG 1/09 -, a.a.O., Juris Rn. 108).

270

So liegt es hier. Ohne weitere Anwendung der fraglichen Bestimmungen wären neue Festsetzungen über Zuweisungen an die kommunalen Aufgabenträger bis zum Abschluss des nunmehr erforderlichen Gesetzgebungsverfahrens nicht mehr möglich. Ein derartiges sofortiges Außerkrafttreten der angegriffenen Vorschriften wäre mit einer geordneten Finanz- und Haushaltswirtschaft unvereinbar. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung darf der kommunale Finanzausgleich auf der Grundlage der bestehenden Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes, auch soweit sie verfassungswidrig sind, weiterhin durchgeführt werden.

271

Für die Neuregelung steht dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. Dezember 2020 zur Verfügung. Zwar kommt als angemessene Frist zur Beseitigung der verfassungswidrigen Rechtslage grundsätzlich die Dauer einer Legislaturperiode in Betracht

(Urteil vom 26. Februar 2010 - LVerfG 1/09 - Rn. 106, a.a.O., Juris Rn. 113).

Vor dem Hintergrund der im Jahr 2017 neu anlaufenden Legislaturperiode sowie unter Berücksichtigung der erheblichen Bedeutung einer verfassungskonformen Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs für alle schleswig-holsteinischen Kommunen ist jedoch ein kürzerer Zeitraum angemessen. Der gewählte Zeitraum erscheint insoweit erforderlich, aber auch ausreichend, um die zur Feststellung des finanziellen Mindestbedarfs der Kommunen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und im Gesetzgebungsverfahren umzusetzen.

IV.

272

Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 33 Abs. 4 LVerfGG). Eine Entscheidung über die Vollstreckung entfällt (§ 34 LVerfGG).

V.

273

Das Urteil ist einstimmig ergangen.


(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

Die Gewerbesteuerumlage steht den Ländern insoweit zu, als die Gewerbesteuer in dem Gebiet des einzelnen Landes vereinnahmt wird.

Der Verteilung der Umsatzsteuer unter den Ländern ist ein angemessener Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraftverhältnisse hinzuzurechnen. Zu diesem Zweck erfolgt die Verteilung der Umsatzsteuer gemäß § 2 nach der Hinzurechnung von Zuschlägen zu und Abschlägen von der Finanzkraft.

Die Gewerbesteuerumlage steht den Ländern insoweit zu, als die Gewerbesteuer in dem Gebiet des einzelnen Landes vereinnahmt wird.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(1) Die Höhe des Zuschlags, der einem Land zu gewähren ist, beträgt 63 Prozent des Betrags, um den die Ausgleichsmesszahl dieses Landes seine Finanzkraftmesszahl übersteigt.

(2) Die Höhe des Abschlags, der von einem Land zu erheben ist, beträgt 63 Prozent des Betrags, um den die Finanzkraftmesszahl dieses Landes seine Ausgleichsmesszahl übersteigt. Soweit die Höhe des Abschlags eines Landes seinen nach § 2 ermittelten Anteil übersteigt, ist der Unterschiedsbetrag von diesem Land aufzubringen.

Der Verteilung der Umsatzsteuer unter den Ländern ist ein angemessener Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraftverhältnisse hinzuzurechnen. Zu diesem Zweck erfolgt die Verteilung der Umsatzsteuer gemäß § 2 nach der Hinzurechnung von Zuschlägen zu und Abschlägen von der Finanzkraft.

(1) Die Höhe des Zuschlags, der einem Land zu gewähren ist, beträgt 63 Prozent des Betrags, um den die Ausgleichsmesszahl dieses Landes seine Finanzkraftmesszahl übersteigt.

(2) Die Höhe des Abschlags, der von einem Land zu erheben ist, beträgt 63 Prozent des Betrags, um den die Finanzkraftmesszahl dieses Landes seine Ausgleichsmesszahl übersteigt. Soweit die Höhe des Abschlags eines Landes seinen nach § 2 ermittelten Anteil übersteigt, ist der Unterschiedsbetrag von diesem Land aufzubringen.

Die Gewerbesteuerumlage steht den Ländern insoweit zu, als die Gewerbesteuer in dem Gebiet des einzelnen Landes vereinnahmt wird.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

A.

1

Die Beschwerdeführerin, eine im Kreis Dithmarschen gelegene Gemeinde, wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen § 18 Abs. 2 und 3 sowie § 18a Abs. 1 Landesplanungsgesetz (LaplaG) in der Fassung vom 22. Mai 2015 (GVOBl S. 132). Sie sieht durch diese Vorschriften ihr Recht auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 54 Abs. 1 der Landesverfassung (LV) und Art. 28 Abs. 2 sowie Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verletzt.

I.

2

Durch die Teilfortschreibung des Regionalplanes für den Planungsraum IV (Schleswig-Holstein Süd-West, Kreise Dithmarschen und Steinburg) zur Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung im Jahre 2012 wurden unter Ziffer 5.8.2 bestimmte Räume Dithmarschens als „charakteristische Landschaftsräume“ mit der Folge der Unzulässigkeit der Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung bewertet. Hiervon war auch das Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin betroffen. Nachdem das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht durch Urteile vom 20. Januar 2015 (u.a. -1 KN 6/13 -, NordÖR 2015, 261 ff. = ZUR 2015, 498 ff.) die Teilfortschreibungen der Regionalpläne für die Planungsräume I und III in Normenkontrollverfahren für unwirksam erklärt hat, ist der Normenkontrollantrag der Beschwerdeführerin gegen die Teilfortschreibung des Regionalplans für den Planungsraum IV übereinstimmend für erledigt erklärt worden.

3

Aufgrund der genannten Urteile des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Januar 2015 erachtete die Landesregierung eine Neuplanung für erforderlich. Zur Absicherung dieser Neuplanung beschloss der Schleswig-Holsteinische Landtag am 22. Mai 2015 mit dem Windenergieplanungssicherstellungsgesetz eine Änderung des Landesplanungsgesetzes, die am 5. Juni 2015 in Kraft trat (GVOBl S. 132). Durch Artikel 1 des Gesetzes wurden in § 18 LaplaG in Absatz 1 die Worte „im Einzelfall“ nach dem Wort „Maßnahmen“ sowie die Absätze 2 und 3 neu eingefügt und außerdem die nach Artikel 2 des Gesetzes am 6. Juni 2017 außer Kraft tretende Vorschrift des § 18a LaplaG.

4

§§ 18, 18a LaplaG lauten in der seitdem geltenden Fassung wie folgt:

§18

Untersagung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen, Anpassung an
Ziele der Raumordnung

(1) Die Landesplanungsbehörde kann raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen im Einzelfall nach Maßgabe des § 14 ROG untersagen.

(2) Abweichend von § 14 Absatz 2 ROG kann die Landesplanungsbehörde gegenüber den in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen auch bestimmen, dass raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen zur Windenergienutzung sowie Entscheidungen über deren Zulässigkeit in einzelnen Planungsräumen befristet allgemein untersagt sind. Die Untersagung ist zulässig, wenn sich ein Raumordnungsplan in Aufstellung befindet, in dem als Ziel der Raumordnung eine räumliche Konzentration der Windenergienutzung bei gleichzeitigem Ausschluss an anderer Stelle im Planungsraum vorgesehen ist, und zu befürchten steht, dass Planungen und Maßnahmen zur Windenergienutzung außerhalb der dafür zukünftig vorgesehenen Gebiete die Verwirklichung der vorgesehenen Ziele der Raumordnung unmöglich machen oder wesentlich erschweren würden. Die Dauer der Untersagung beträgt bis zu zwei Jahre. Die Landesplanungsbehörde kann die Untersagung um ein weiteres Jahr verlängern. Die Landesplanungsbehörde kann allgemein für räumlich abgegrenzte Gebiete des Planungsraums oder im Einzelfall gegenüber den in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen Befreiungen von der Untersagung nach Satz 1 zulassen, wenn und soweit raumbedeutsame Planungen oder Maßnahmen nicht befürchten lassen, dass die Verwirklichung der in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert wird.

(3) Vorhaben, die vor dem Eintritt der Wirksamkeit der Untersagung genehmigt worden sind, sowie Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung werden von der Untersagung nicht berührt.

(4) Die Landesplanungsbehörde kann verlangen, dass die Trägerder Bauleitplanung ihre Flächennutzungspläne und Bebauungspläne an die Ziele der Raumordnung anpassen.

5

§ 18a

Vorläufige Unzulässigkeit von Windkraftanlagen und Ausnahmen

(1) Die Landesplanungsbehörde hat unverzüglich Verfahren zur Neuaufstellung von Raumordnungsplänen oder zur Fortschreibung bestehender Raumordnungspläne einzuleiten, mit denen Ziele und Grundsätze der Raumordnung zur räumlichen Steuerung der Errichtung von raumbedeutsamen Windkraftanlagen für alle Planungsräume aufgestellt werden. Zur Sicherung dieser Planung sind bis zum 5. Juni 2017 raumbedeutsame Windkraftanlagen im gesamten Landesgebiet vorläufig unzulässig.

(2) Die Landesplanungsbehörde kann allgemein für räumlich abgegrenzte Gebiete des Planungsraums oder im Einzelfall gegenüber den in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen Ausnahmen von der Unzulässigkeit nach Absatz 1 zulassen, wenn und soweit raumbedeutsame Windkraftanlagen nach dem jeweiligen Stand der in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung nicht befürchten lassen, dass sie die Verwirklichung dieser Ziele unmöglich machen oder wesentlich erschweren.

(3) § 18 Absatz 2 bleibt unberührt. § 18 Absatz 3 gilt entsprechend.

6

In der Gesetzesbegründung (Landtags-Drucksache 18/2983 ) heißt es unter anderem:

(...) Durch die dauerhafte Änderung des Landesplanungsgesetzes in § 18 Abs. 2 soll eine ausdrückliche Ermächtigung geschaffen werden, die vorläufige Untersagung nach § 14 Abs. 2 ROG nicht nur individuell gegenüber einzelnen Planungen und Maßnahmen, sondern generell für bestimmte Planungsräume oder das Landesgebiet auszusprechen. Nachdem das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht die Fortschreibungen der Regionalpläne für zwei Planungsräume für unwirksam erklärt hat, mit denen Ziele der Raumordnung für eine raumverträgliche Steuerung und Konzentration von Windkraftanlagen aufgestellt wurden, ist unabhängig von der Frage der Rechtskraft dieser Urteile eine Neuplanung ratsam. Mit § 18a des Landesplanungsgesetzes soll diese Neuplanung abgesichert werden, indem das Gesetz die vorläufige Unzulässigkeit raumbedeutsamer Windkraftanlagen für den im Gesetz bestimmten Zeitraum feststellt. Angesichts der Bedeutung, der Zahl und des Umfangs der betroffenen Planungen und Maßnahmen erscheint hierfür eine gesetzliche Regelung sachgerecht, um eine Entscheidung dieser Tragweite nicht allein der Verwaltung aufzuerlegen. (S. 4)

(...) Der Entwurf enthält eine das Bundesrecht ergänzende und insoweit davon abweichende allgemeine Regelung, die es der Landesplanungsbehörde zukünftig erlaubt, raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen nicht nur jeweils individuell, sondern ihrer Art nach generell zu untersagen, wenn und solange dies erforderlich ist, um die Neuaufstellung von Zielen der Raumordnung zu schützen. Um den Eingriff möglichst gering zu halten, werden der Landesplanungsbehörde Befreiungsmöglichkeiten eröffnet, aufgrund derer sie während der Neuaufstellung der Pläne solche Planungen und Maßnahmen von der generellen Untersagung ausnehmen kann, die sich nach den sich konkretisierenden Planungen oder wegen der Besonderheiten des Einzelfalls schon vorzeitig als mit den zukünftigen Zielen vereinbar erweisen. Darüber hinaus enthält der Entwurf die Feststellung der vorläufigen Unzulässigkeit raumbedeutsamer Windkraftanlagen im gesamten Landesgebiet, mit der die Neuaufstellung von Zielen der Raumordnung zur Steuerung der Windenergie gesichert werden soll. Hiervon werden Ausnahmen ausdrücklich zugelassen. (S. 5)

Zur Begründung, möglichen Alternativen und Gesetzesfolgen wird insbesondere ausgeführt:

Alternativ könnte auf die Regelungen verzichtet werden. Die Landesplanung könnte dann von § 14 Abs. 2 ROG und § 18 Abs. 1 LaplaG in der geltenden Fassung Gebrauch machen, um dieselbe Regelungswirkung herbeizuführen. Bei umfassenden Neuplanungen wäre damit allerdings aufgrund des nicht eindeutigen Bundesrechts ein erheblicher Verwaltungsaufwand für individuelle Untersagungen verbunden, der durch die Möglichkeit einer generellen Untersagung vereinfacht wird. (...) Das Gesetz schafft keine in der Sache neuen Aufgaben und Befugnisse, sondern ermöglicht es der Landesplanungsbehörde, anstelle einer Vielzahl individueller Untersagungen gemäß § 14 Abs. 2 ROG generelle Untersagungen mit der Möglichkeit von Ausnahmen auszusprechen. Dadurch erhält die Landesplanungsbehörde die Möglichkeit, bei einer Vielzahl von zu untersagenden Planungen und Maßnahmen ihren Verwaltungsaufwand zu verringern, indem sie das Verhältnis zwischen Ausnahme und Regel umkehrt. Für Bürger und Wirtschaft sind damit keine schwereren Eingriffe verbunden, als sie auch nach dem bisherigen Recht zulässig wären. § 18a LaplaG (neu) konkretisiert den nach § 14 Abs. 2 ROG individual möglichen Eingriff der Untersagung durch eine gesetzliche Anordnung der vorläufigen Unzulässigkeit aller derzeit noch im Genehmigungsverfahren anhängiger Windkraftanlagen. Um unerwünschte Folgen dieser generellen Untersagung abzumildern wird ausdrücklich auf die Ausnahmemöglichkeiten verwiesen (...). (S. 5 f.)

7

In einem Runderlass des Ministerpräsidenten, Staatskanzlei, - Landesplanungsbehörde - zur Teilfortschreibung des Landesentwicklungsplanes Schleswig-Holstein 2010 und Teilaufstellung der Regionalpläne (Sachthema Windenergie) für die Planungsräume I bis III vom 23. Juni 2015 - StK LPW - Az. 500.99 (ABl 2015, S. 772 ff.) wird unter anderem die Nichtanwendbarkeit der Teilfortschreibung 2012 des Regionalplanes für den Planungsraum IV (Kreise Dithmarschen und Steinburg) festgestellt. Des Weiteren trifft er Aussagen zur Anwendung der Neuregelungen in §§ 18, 18a LaplaG.

II.

8

Die beschwerdeführende Gemeinde trägt vor, sie wolle die Entwicklung von Windparkprojekten auf dem Gemeindegebiet fördern. Dort befinde sich bereits östlich der in unmittelbarer Nähe gelegenen Bundesautobahn A 23 ein Windenergiepark. Nunmehr solle dieser auch westlich der Autobahn um drei oder vier Anlagen erweitert werden. Eine Betreibergesellschaft sei vorhanden.

9

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde macht die Gemeinde geltend, § 18 Abs. 2 und Abs. 3 sowie § 18a Abs. 1 LaplaG seien mit Art. 54 LV sowie Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 3 GG unvereinbar. § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG greife unmittelbar und in unzulässiger Weise in ihre kommunale Planungshoheit ein, indem die Vorschrift den Gemeinden kategorisch untersage, Bauleitplanung zu Gunsten der Windenergie zu betreiben. Den Gemeinden bliebe keinerlei substantieller Raum mehr für eine konkretisierende Fach- und Bauleitplanung zu Gunsten der Windenergie, wenn die Errichtung von Windenergieanlagen für die Dauer von zunächst zwei Jahren ausgeschlossen sei.

10

Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie sei eine institutionelle Garantie, die als solche nicht beseitigt und auch nicht substantiell beschränkt werden dürfe. Neben der Planungshoheit treffe die Gemeinde auch eine Planungspflicht, die sie - die Beschwerdeführerin - verpflichte, der Windenergie in ihrem Gemeindegebiet Raum zu verschaffen. Das Totalverbot des neuen Landesplanungsgesetzes hindere sie daran. Hieran ändere auch der Ausnahmevorbehalt in § 18a Abs. 2 LaplaG nichts. Nach dem Vorbehalt des Gesetzes obliege es dem Gesetzgeber, selbst zu regeln, unter welchen Voraussetzungen raumbedeutsame Anlagen in den Außenbereichen (nach § 35 Baugesetzbuch) zuzulassen seien. Der Runderlass vom 23. Juni 2015 greife zur Zulassung von Ausnahmen über §18a Abs. 2 LaplaG in den verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich der kommunalen Planungshoheit und Selbstverwaltungsgarantie ein und widerspreche in entscheidenden Punkten der höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere im Hinblick auf die weichen Tabukriterien, namentlich die vorgesehenen Abstandsregelungen.

11

Der „streitbefangene“ Runderlass vom 23. Juni 2015 kollidiere mit §§ 35, 249 Abs. 3 BauGB und sei daher gemäß Art. 31 GG nichtig. Die Länderöffnungsklausel ermächtige die Länder lediglich zu Abstandsregelungen durch Landesgesetze, nicht aber durch bloße Verwaltungserlasse. Auch genüge der Planungserlass dem rechtsstaatlichen Gebot hinreichender Bestimmtheit nicht, da dieser den Begriff des charakteristischen Landschaftsraums nicht definiere. Schließlich verstoße der Erlass gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG.

12

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

festzustellen, dass § 18 Abs. 2 und 3 LaplaG sowie §18a Abs. 1 LaplaG in der Fassung vom 22. Mai 2015 (GVOBl S. 132) mit Art. 54 LV, Art. 28 Abs. 2 und Art. 3 GG unvereinbar sind.

III.

13

1. Die Landesregierung hält die kommunale Verfassungsbeschwerde bereits für unzulässig, jedenfalls für unbegründet.

14

Die Beschwerdeführerin sei durch den Beschwerdegegenstand nicht selbst und unmittelbar betroffen. § 18 Abs. 3 LaplaG betreffe den Bestand bereits abgeschlossener und umgesetzter Planungen und könne daher nicht in die gemeindliche Planungshoheit eingreifen. § 18a LaplaG entfalte keine unmittelbare Wirkung für die kommunale Bauleitplanung, denn kommunale Bauleitpläne zur Steuerung der Windenergienutzung blieben formell zulässig. Bereits nach seinem Wortlaut komme § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG lediglich befristet untersagende Wirkung für raumbedeutsame Windkraftanlagen - und damit für konkrete Vorhaben im Sinne des Raumordnungsrechts - zu, nicht hingegen für die gemeindliche Planung zur Steuerung solcher Vorhaben. Der Beschwerdeführerin bleibe es unbenommen, weiterhin Bauleitplanung zur Steuerung der Windenergienutzung zu betreiben. Sie gehe damit zwar das Risiko ein, dass sich ihre Planung gegebenenfalls nicht verwirklichen lasse. Dies folge jedoch nicht aus § 18a LaplaG, sondern vielmehr aus § 1 Abs. 4 BauGB, § 4 ROG und § 18 Abs. 4 LaplaG, da hiernach Bauleitpläne an geänderte Regionalpläne anzupassen seien. Die Untersagungswirkung des § 18 Abs. 2 LaplaG schließlich trete nicht unmittelbar kraft Gesetzes ein, sondern benötige einen Vollzugsakt in Form einer Untersagungsverfügung der Landesplanungsbehörde.

15

Des Weiteren sei eine Beeinträchtigung der kommunalen Planungshoheit nicht substantiiert dargelegt worden. Zu § 18 Abs. 2 und Abs. 3 LaplaG fehlten jegliche Ausführungen. Da § 18 Abs. 2 LaplaG dieselbe Wirkung wie § 14 Abs. 2 ROG habe, nur dass die Untersagung nach § 18 Abs. 2 LaplaG allgemein und nicht nur individuell ausgesprochen werden könne, hätte dargelegt werden müssen, inwieweit sich aus der Vorschrift ein unverhältnismäßiger Eingriff ergeben könne. Eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Rechtfertigungsfähigkeit von Eingriffen in die Planungshoheit finde ebenfalls nicht statt. Geltend gemacht werde lediglich, dass aufgrund § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG gegenwärtig keine auf Windenergie bezogene Bauleitplanung durchgeführt werden könne, was unzutreffend sei, da § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG derartige Planungen nicht erfasse. Vielmehr werde ausschließlich die Zulassung von raumbedeutsamen Windenergieanlagen temporär untersagt. Dass eine Bauleitplanung zum jetzigen Zeitpunkt unter Umständen wenig sinnvoll sei, beruhe nicht auf § 18a Abs. 1 LaplaG, sondern auf dem Umstand der Neuaufstellung der Regionalpläne.

16

Darüber hinaus sei die Verfassungsbeschwerde aber auch unbegründet, weil die durch § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG bewirkte temporäre Untersagung der Errichtung raumbedeutsamer Windkraftanlagen - eine die Planungshoheit beeinträchtigende Wirkung unterstellt - zur Sicherung der Landesplanung offensichtlich gerechtfertigt wäre.

17

2. Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag führt in seiner Stellungnahme im Wesentlichen aus, er habe die angegriffene Änderung des Landesplanungsgesetzes begrüßt. Sie habe im Prinzip die gleiche Wirkung wie eine planungssichernde Veränderungssperre, die durch die zeitliche Befristung der Unzulässigkeit von Windkraftanlagen bis zum 5. Juni 2017 deutlich begrenzt sei. § 18a LaplaG stelle im Ergebnis, insbesondere mit Blick auf die Ausnahmemöglichkeiten des Absatzes 2, den Zustand teilweise wieder her, wie er bei Geltung des Landesentwicklungsplanes beziehungsweise der Regionalpläne bestanden habe. Die angegriffene Vorschrift des § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG entfalte in erster Linie eine unmittelbare Wirkung für die zuständigen Genehmigungsbehörden des Landes. Gemeindliche Bauleitplanung werde dadurch nicht ausgeschlossen. Sie unterliege ohnehin seit den Urteilen des Oberverwaltungsgerichts vom 20. Januar 2015 dem Risiko der Vergeblichkeit, da das Land durch den Runderlass vom 23. Juni 2015 erklärt habe, auch künftig landesplanerisch den Windkraftausbau steuern zu wollen. Bis zum Abschluss dieser Landesplanung laufe eine Bauleitplanung der Gemeinden Gefahr, dass sie den künftigen landesplanerischen Feststellungen widerspreche und damit nicht wirksam sein könne.

B.

18

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

19

Das Landesverfassungsgericht entscheidet nach Art. 51 Abs. 2 Nr. 4 LV, § 3Nr. 4 Landesverfassungsgerichtsgesetz (LVerfGG) in Verbindung mit §47 LVerfGG über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen der Verletzung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung nach Art. 54 Abs. 1 und 2 LV durch ein Landesgesetz.

20

Die beschwerdeführende Gemeinde macht eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 54 LV sowie Art. 28 Abs. 2 und Art. 3 GG geltend. Prüfungsmaßstab ist gemäß Art. 51 Abs. 2 Nr. 4 LV, § 47 Abs. 1 LVerfGG jedoch allein Art. 54 Abs. 1 und 2 LV. Zudem können nur Landesgesetze, nicht aber der in der Beschwerdebegründung als ebenfalls „streitbefangen“ bezeichnete Runderlass vom 23. Juni 2015 Gegenstand der kommunalen Verfassungsbeschwerde sein.

21

In Bezug auf die gemäß Artikel 2 des Windenergieplanungssicherstellungsgesetzes am 5. Juni 2015 in Kraft getretenen Änderungen des Landesplanungsgesetzes ist zwar die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 LVerfGG mit der am 4. November 2015 beim Landesverfassungsgericht eingegangenen Beschwerdeschrift eingehalten. Auch verlangt das Landesverfassungsgerichtsgesetz keine Erschöpfung des Rechtsweges vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 -, LVerfGE 23, 361-381 = SchlHA 2012, 431-437 = NVwZ-RR 2012, 913-917, Rn. 29).

22

Allerdings muss die Beschwerdeführerin einen Sachverhalt darlegen, aufgrund dessen eine Verletzung ihrer Selbstverwaltungsgarantie möglich erscheint (I.). Die Gemeinde muss durch die angegriffene Regelung selbst, unmittelbar und gegenwärtig betroffen sein (II.)

(vgl. zum Ganzen Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 -, a.a.O., Rn. 28 m.w.N.).

Der Vortrag muss schlüssig sein und eine Verletzung des geltend gemachten Rechts - hier der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 54 Abs. 1 LV - als möglich erscheinen lassen.

I.

23

Grundsätzlich erfordert die nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG notwendige Begründung einer kommunalen Verfassungsbeschwerde unter anderem die hinreichend substantiierte Darlegung der Beschwerdebefugnis, das heißt die Darlegung, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Selbstverwaltung aus Art. 54 Abs. 1 LV verletzt sein kann. Die Beschwerdeschrift muss darstellen, dass die angegriffene Norm auf sie Anwendung findet, wie sie sich auf sie und das von ihr in Anspruch genommene Verfassungsrecht auswirkt und insbesondere, dass ihre Rechtsposition unmittelbar rechtlich und nicht nur mittelbar faktisch betroffen ist

(vgl. Hömig, in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/ Klein/ Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz - Kommentar - Band 2, § 92 BVerfGG Rn. 23 m.w.N. <2011 >).

Dabei ist hinsichtlich jeder angegriffenen Norm konkret darzulegen, wie sie das geltend gemachte Recht - hier die kommunale Selbstverwaltungsgarantie - betrifft

(i.d.S. auch LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Januar 2015 - LVG 77/10 -, Juris Rn. 46 .

24

Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die behauptete Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie durch § 18 Abs. 2 und Abs. 3 sowie § 18a Abs. 1 Satz 1 LaplaG nicht erfüllt. Denn die Beschwerdebegründung geht lediglich auf § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG ein, während § 18 Abs. 2 und Abs. 3 sowie § 18a Abs. 1 Satz 1 LaplaG nur im Antrag selbst Erwähnung finden.

25

Zur Erfüllung des Darlegungserfordernisses genügt es nicht, in einem Schriftsatz pauschal auf einen Aufsatz (von Bringewat in NordÖR 2016, 240 ff.) Bezug zu nehmen, der die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelungen in §§ 18, 18a LaplaG nicht nur im Hinblick auf die Planungshoheit der Gemeinden in den Blick nimmt. Darüber hinaus ist der Schriftsatz erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 LVerfGG eingegangen.

26

Ausführungen zu § 18 Abs. 2 LaplaG wären jedoch insofern besonders naheliegend - und erforderlich - gewesen, und zwar innerhalb der Jahresfrist, als die Vorschrift - abgesehen davon, dass sie im Gegensatz zu § 14 Abs. 2 ROG nicht lediglich eine individuelle, sondern eine allgemeine Untersagung ermöglicht - gleichlautend mit § 14 Abs. 2 ROG ist. Im Übrigen hätte sich die Beschwerdeschrift damit auseinandersetzen müssen, dass sich die nach § 18 Abs. 2 LaplaG mögliche Untersagung - anders als diejenige nach § 14 ROG - lediglich auf raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen zur Windenergienutzung (und nicht auf raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen im Allgemeinen) bezieht und darüber hinaus § 18 Abs. 2 Satz 5 LaplaG - anders als § 14 ROG - eine Befreiungsregelung vorsieht, die unter Umständen geeignet sein könnte, eventuelle Beeinträchtigungen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie zu kompensieren.

27

Eine rechtliche Betroffenheit der Beschwerdeführerin in ihrem Selbstverwaltungsrecht in Gestalt der Planungshoheit kann sich aus § 18 Abs. 3 LaplaG nicht ergeben. Die Vorschrift betrifft ausschließlich Genehmigungsverfahren für raumbedeutsame Windkraftanlagen, nicht jedoch Planungsverfahren und hat mithin keine Auswirkungen auf die Planungshoheit der Beschwerdeführerin. Sie stellt eine Bestandsschutzregelung für Vorhaben und Anlagen dar, für die bereits eine Genehmigung ergangen ist (vgl. Landtags-Drucksache 18/2983 , S. 8). Vor diesem Hintergrund wäre eine gleichwohl behauptete Beschwerdebefugnis in Bezug auf § 18 Abs. 3 LaplaG gesondert darzulegen gewesen, zumal die Beschwerdeführerin ausschließlich einen Eingriff in ihre Planungshoheit rügt.

28

Ähnliches gilt für § 18a Abs. 1 Satz 1 LaplaG, dessen Adressat die Landesplanungsbehörde ist und nicht die Gemeinde. Die Landesplanungsbehörde - und nicht die Gemeinde - wird verpflichtet, unverzüglich Verfahren zur Neuaufstellung von Raumordnungsplänen oder zur Fortschreibung bestehender Raumordnungspläne einzuleiten, mit denen Ziele und Grundsätze der Raumordnung zur räumlichen Steuerung der Errichtung von raumbedeutsamen Windkraftanlagen für alle Planungsräume aufgestellt werden. Hier hätte dargestellt werden müssen, wie sich diese nicht an die Gemeinden adressierte Regelung auf die Planungshoheit der Gemeinden auswirken kann.

II.

29

Die Beschwerdebegründung enthält zwar Ausführungen zu § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG. Jedoch fehlt der Beschwerdeführerin gleichwohl die Beschwerdebefugnis. Sie kann durch die Vorschrift nicht unmittelbar in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht in Gestalt der Planungshoheit aus Art. 54 Abs. 1 LV betroffen sein, weil die Vorschrift nicht die Bauleitplanung der Gemeinden regelt.

30

1. Nach Art. 54 Abs. 1 LV sind die Gemeinden berechtigt und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, in ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen, soweit die Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen. Die Vorschrift sichert den Gemeinden damit, ebenso wie Art. 28 Abs. 2 GG, einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich

(vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 - 2 BvK 1/00 -, BVerfGE 103, 332 ff., Juris Rn. 89).

Das kommunale Selbstverwaltungsrecht schützt über die gemeindliche Planungshoheit auch das Recht der Gemeinde, eigenverantwortlich ihr territoriales Gebiet zu beplanen, so dass Eingriffe des Gesetzgebers in die Planungshoheit der Gemeinden grundsätzlich das kommunale Selbstverwaltungsrecht verletzen können.

31

2. Die Beschwerdeführerin sieht sich durch § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG in ihrer Planungshoheit verletzt. § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG kann aber nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte nicht als planungsrechtliche Vorschrift verstanden werden. Die zu den neuen Regelungen in §§ 18, 18a LaplaG ergangenen Erlasse der Landesregierung stehen diesem Ergebnis nicht entgegen.

32

a) Bereits die Überschrift sowie die systematische Stellung des § 18a LaplaG sprechen dagegen, dass § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG die Planungshoheit von Gemeinden unmittelbar betrifft. Denn während § 18 LaplaG bereits nach seiner Überschrift - sowie nach seinem Inhalt - auch (raumbedeutsame) Planungen betrifft, regelt § 18a LaplaG nach seiner Überschrift nur die „vorläufige (Un-)Zulässigkeit von Windkraftanlagen und Ausnahmen“, betrifft also ausschließlich das Genehmigungsverfahren.

33

Dies verdeutlicht auch der Wortlaut des § 18a LaplaG - insbesondere des § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG. Denn hiernach sind „(z)ur Sicherung dieser Planung (...) bis zum 5. Juni 2017 raumbedeutsame Windkraftanlagen im gesamten Landesgebiet vorläufig unzulässig.“ Dies spricht - neben der systematischen Stellung des § 18a LaplaG im Verhältnis zu § 18 LaplaG - dafür, dass es sich mit Ausnahme des Absatzes 1 Satz 1 bei § 18a LaplaG um eine genehmigungsrechtliche und nicht planungsrechtliche Vorschrift handelt, die die Zulässigkeit von Windkraftanlagen, nicht hingegen die Planung derselben und damit die Planungshoheit der Gemeinden betrifft.

34

b) Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Entstehungsgeschichte des § 18a LaplaG. Zwar folgt aus der Gesetzesbegründung (Landtags-Drucksache 18/2983 ), dass der Gesetzgeber offensichtlich davon ausgeht, dass §18a LaplaG die Regelung des §18 Abs. 2 LaplaG vorwegnimmt und damit auch die Planung betrifft. So heißt es in der Gesetzesbegründung (S. 9 unter 4.) unter anderem:

§ 18a LaplaG nimmt als gesetzliche Regelung die Anwendung des neuen § 18 Abs. 2 durch die Landesplanungsbehörde auf die in § 18a Abs. 1 Satz 1 LaplaG und unter A. I. dieser Begründung genannte Neuplanung vorweg.

35

§ 18 Abs. 2 LaplaG ermöglicht nach seinem Satz 1 aber nicht ausschließlich die (befristete allgemeine) Untersagung von Planungen, sondern auch die Untersagung von raumbedeutsamen „Maßnahmen zur Windenergienutzung sowie Entscheidungen über deren Zulässigkeit in einzelnen Planungsräumen“. Es handelt sich bei § 18 Abs. 2 LaplaG sowohl um eine planungsrechtliche als auch um eine genehmigungsrechtliche Vorschrift. Liest man die Gesetzesbegründung vor diesem Hintergrund, bleibt die Planungshoheit der Gemeinden unberührt und es geht im Einklang mit dem Wortlaut und der Systematik des § 18a LaplaG nur um die vorläufige Unzulässigkeit von Windkraftanlagen, deren allgemeine Anordnung durch die Landesplanungsbehörde § 18 Abs. 2 LaplaG ermöglicht und die durch § 18a LaplaG (vom Gesetzgeber) vorweggenommen worden ist.

36

Dementsprechend werden in der weiteren Gesetzesbegründung (Landtags-Drucksache 18/2983 S. 9 unter 4.) zu § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG ausschließlich dessen Auswirkungen auf das „jeweilige Genehmigungsverfahren der einzelnen Windkraftanlage“ beschrieben, nicht aber solche auf die Bauleitplanung von raumbedeutsamen Windkraftanlagen durch die Gemeinden:

Zur Sicherung dieser Planung sind zunächst für einen Zeitraum von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes raumbedeutsame Windenergieanlagen gemäß § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG vorläufig unzulässig. Das Gesetz trifft keine Regelung über das jeweilige Genehmigungsverfahren der einzelnen Windkraftanlage, sondern normiert nur deren zeitlich begrenzte, raumordnerische Unzulässigkeit. Die Wirkung ist an diejenige einer baurechtlichen Veränderungssperre angelehnt und trifft keine Aussage über die endgültige raumordnerische Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Anlage. Diese Aussage bleibt den schlussabgewogenen Raumordnungsinstrumenten der Landesplanung vorbehalten.

37

c) Diesen Gedanken aus der Gesetzesbegründung nimmt der gemeinsame Beratungserlass der Staatskanzlei, des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten und des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein vom 2. Februar 2016 (veröffentlicht auf der Internetseite der Landesregierung) auf Seite 7 unter 5. auf. Darin geht es um die „Sinnhaftigkeit“, nicht aber um eine etwaige Unzulässigkeit einer Bauleitplanung:

Die Gemeinden können in der Phase, in der WKA gemäß § 18a LaplaG unzulässig sind und nur in Ausnahmefällen zugelassen werden können, Bauleitplanungen zur gemeindlichen Steuerung der Windenergienutzung nur noch unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll auf den Weg bringen oder bereits begonnene Planungen weiterbetreiben. (...)

Weiter heißt es auf Seite 8 des Erlasses:

Die Landesplanungsbehörde empfiehlt daher, eine bereits begonnene Bauleitplanung nicht vor Neuaufstellung der Teilregionalpläne Wind weiterzuführen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung von der gemeindlichen Planung berührt werden und die Verwirklichung der zukünftigen Ziele damit unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde.

Insofern wird auf die Regelung des § 1 Abs. 4 BauGB abgestellt, nach der Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen sind. Auch später in Kraft tretende Ziele der Raumordnung lösen, sofern sie nicht bereits als sonstige Erfordernisse der Raumordnung in der Abwägung als in Aufstellung befindlich zu berücksichtigen waren, eine Anpassungspflicht im Sinne einer Planänderung aus

(Runkel in: Ernst/ Zinkahn/ Bielenberg/ Krautzberger, Baugesetzbuch, § 1 Abs. 4, Rn. 69 <2009>; Battis in: Battis/ Krautzberger/ Löhr, Baugesetzbuch, 13. Aufl. 2016, § 1 Rn. 32; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 4. April 2012 -1 LB 7/12 -, NordÖR 2013, 518, Juris Rn. 53; vgl. auch § 4 ROG, § 18 Abs. 4 LaplaG).

38

Dass eine Bauleitplanung zum jetzigen Zeitpunkt unter Umständen wenig sinnvoll ist, beruht nicht auf § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG, sondern auf dem Umstand der Neuaufstellung der Regionalpläne, mit denen Ziele und Grundsätze der Raumordnung zur räumlichen Steuerung der Errichtung von raumbedeutsamen Windkraftanlagen festgelegt werden sollen. Bis zum Inkrafttreten der neuen Regionalpläne haben diese zwar keine Bindungswirkung

(vgl. Battis, a.a.O., § 1 Rn. 40; sowie OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. November 2015 - OVG 10 A 7.13-, BauR 2016, 617, Juris Rn. 55),

ihre in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung sind aber als öffentlicher Belang von der Gemeinde nach § 1 Abs. 7 BauGB in die Abwägung einzustellen und zu berücksichtigen, sobald sie inhaltlich hinreichend konkretisiert sind und zu erwarten ist, dass sie sich zu verbindlichen, den Wirksamkeitsanforderungen genügenden Zielfestlegungen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG verfestigen

(vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2005 - 4 C 5/04 -, BVerwGE 122, 364 ff., Juris Ls. 2, Juris Rn. 27 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. November 2015 - OVG 10 A 7.13 -, a.a.O., Juris Rn. 56 m.w.N.).

39

Den Gedanken der Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB nimmt zwar auch der Runderlass vom 23. Juni 2015 (StK LPW - 500.99; ABl S. 772 <777>) auf, spricht aber zugleich § 18a LaplaG Wirkungen in Bezug auf die Aufstellung gemeindlicher Bauleitpläne zu, wenn es dort unter VI. heißt

Für die gemeindliche Bauleitplanung besteht die bundesrechtlich normierte Pflicht zur zwingenden Beachtung der Ziele der Raumordnung gemäß § 1 Abs. 4 Baugesetzbuch (...). Dies schließt auch die Pflicht zur Anpassung geltender Bauleitpläne ein. Ansonsten erfasst § 18a LaplaG auch die Aufstellung von gemeindlichen Bauleitplanungen.

Ähnlich könnte der gemeinsame Beratungserlass vom 2. Februar 2016 verstanden werden, nach dem die Landesplanungsbehörden auch für Bauleitplanverfahren der Gemeinden Ausnahmeprüfungen gemäß § 18a Abs. 2 LaplaG durchführen:

5.1 Prüfung der Ausnahmezulässigkeit im Rahmen der gemeindlichen Bauleitplanung

Eine gemeindliche Bauleitplanung wird auf Ausnahmefähigkeit gemäß § 18a Abs. 2 LaplaG geprüft. Denn nach § 18a Abs. 2 LaplaG kann die Landesplanungsbehörde gegenüber den in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen Ausnahmen von der generellen Unzulässigkeit raumbedeutsamer Windkraftanlagen zulassen. Zu den in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen zählen auch die planenden Gemeinden (...). § 18a nimmt als gesetzliche Regelung die Anwendung des neuen § 18 Abs. 2 LaplaG vorweg, um die Neuplanung der Landesplanungsbehörde zu sichern (vgl. Landtags-Drucksache 18/2983, Begründung zur Art. 1 Nr. 2). Da § 18 Abs. 2 Satz 1 ausdrücklich „raumbedeutsame Planungen“ der in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen zur Windenergienutzung erfasst, ist davon auszugehen, dass auch die Regelung in § 18a Abs. 2 LaplaG raumbedeutsame Planungen zur Windenergienutzung und damit die Bauleitplanung der Gemeinden in Bezug auf raumbedeutsame Windkraftanlagen umfasst. (...)

40

Die genannten Auswirkungen des § 18a LaplaG werden in den beiden Erlassen zwar nur auf § 18a Abs. 2 LaplaG und nicht auf § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG bezogen. Allerdings können die Ausführungen auch dahingehend verstanden werden, dass zur Sicherung der Neuplanung nach § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG nicht nur raumbedeutsame Windkraftanlagen bis zum 5. Juni 2017 vorläufig unzulässig sind, sondern gleichermaßen Bauleitplanungen, mit denen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung raumbedeutsamer Windkraftanlagen geschaffen werden sollen, wie dies die von der Beschwerdeführerin beigefügte Stellungnahme der Landesplanungsbehörde (nach den Vorgaben des § 11 LaplaG) im Rahmen ihrer Beteiligung im Aufstellungsverfahren für die Bauleitplanung einer anderen Gemeinde ausdrücklich festhält.

41

Indes kommt weder dieser Stellungnahme noch den Erlassen, sollten sie entsprechend gemeint gewesen sein, und dem in diese Richtung deutbaren Kostenbeschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 10. September 2015 - 6 A 190/13 - (SchlHA 2016, 194 ff.) eine unmittelbare Rechtswirkung in Bezug auf eine von der Beschwerdeführerin beabsichtigte Bauleitplanung zu. Erlasse stellen bloße norminterpretierende Auslegungshilfen für die an der Bauleitplanung und dem Baugenehmigungsverfahren beteiligten Behörden dar. Allein rechtlich ausschlaggebend ist indes die Gesetzeslage nach §18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG. Danach sind bis zum 5. Juni 2017 raumbedeutsame Windkraftanlagen im gesamten Landesgebiet vorläufig unzulässig; dass dies auch für die Planung derselben gilt, hat der Gesetzgeber nicht geregelt.

C.

42

In Folge der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde hat sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt.

43

Der Antrag gibt dem Gericht jedoch Anlass zu folgendem Hinweis:

44

Das Landesverfassungsgericht kann nach § 30 Abs. 1 LVerfGG „im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln“. Dieser Zustand ist der Sachverhalt, der die verfassungsrechtliche Meinungsverschiedenheit in der Hauptsache ausgelöst hat

(BVerfG, Beschlüsse vom 23. Juni 1958 - 2 BvQ 3/58 -, BVerfGE 8, 42 ff., Juris Rn. 8; vom 19. Dezember 1967 - 2 BvQ 2/67 -, BVerfGE 23, 42 ff., Juris Rn. 38; Graßhof in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/ Klein/ Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz - Kommentar -, Band 1, § 32 BVerfGG Rn. 168 <2002>).

45

Bei dem Verfahren über eine einstweilige Anordnung handelt es sich um ein Nebenverfahren in einem Verfassungsrechtsstreit; zwischen Haupt- und Nebenverfahren besteht eine innere Sachbezogenheit

(BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1971 - 1 BvR 96/71 -, BVerfGE 31, 87 ff., Juris Rn. 9).

Deshalb setzt der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich ein entsprechendes Hauptsacheverfahren voraus und ist auf die vorläufige Sicherung der Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der nachfolgenden verfassungsgerichtlichen Entscheidung gerichtet

(BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 1994 - 2 BvR 2760/93 u.a. -, BVerfGE 91, 70 ff., Juris Rn. 13; Graßhof, a.a.O, § 32 BVerfGG Rn. 1).

Die Sicherungsanordnung kann sich nur auf das im Hauptsacheverfahren verfolgte Ziel beziehen

(BVerfG, Beschluss vom 31. März 1992- 1 BvR 720/90 -, BVerfGE 86, 46 ff., Juris Rn. 11; Graßhof, a.a.O., §32 BVerfGG Rn. 159).

46

Diese Voraussetzung war hier schon nicht erfüllt, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf eine andere Begründung als die kommunale Verfassungsbeschwerde gestützt worden ist. Er ist primär mit wirtschaftlichen Nachteilen eines - nicht näher genannten - Anlagenbetreibers von vier Windkraftanlagen begründet worden, die diesen infolge geplanter Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes beträfen, wenn er wegen § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG die Genehmigung dieser Anlagen nicht mehr in diesem Jahr erhielte. Demgegenüber ist die Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen darauf gestützt, § 18a Abs. 1 Satz 2 LaplaG greife dadurch in unzulässiger Weise in die Planungshoheit der Gemeinden ein, dass diesen kategorisch untersagt werde, Bauleitplanung zu Gunsten der Windenergie zu betreiben.

D.

47

Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 33 Abs. 4 LVerfGG). Eine Entscheidung über die Vollstreckung entfällt (§ 34 LVerfGG).

48

Der Beschluss ist einstimmig ergangen.


(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

Die Gewerbesteuerumlage steht den Ländern insoweit zu, als die Gewerbesteuer in dem Gebiet des einzelnen Landes vereinnahmt wird.

Der Verteilung der Umsatzsteuer unter den Ländern ist ein angemessener Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraftverhältnisse hinzuzurechnen. Zu diesem Zweck erfolgt die Verteilung der Umsatzsteuer gemäß § 2 nach der Hinzurechnung von Zuschlägen zu und Abschlägen von der Finanzkraft.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(1) Die Höhe des Zuschlags, der einem Land zu gewähren ist, beträgt 63 Prozent des Betrags, um den die Ausgleichsmesszahl dieses Landes seine Finanzkraftmesszahl übersteigt.

(2) Die Höhe des Abschlags, der von einem Land zu erheben ist, beträgt 63 Prozent des Betrags, um den die Finanzkraftmesszahl dieses Landes seine Ausgleichsmesszahl übersteigt. Soweit die Höhe des Abschlags eines Landes seinen nach § 2 ermittelten Anteil übersteigt, ist der Unterschiedsbetrag von diesem Land aufzubringen.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

Das Bundesministerium der Finanzen stellt nach Ablauf des Ausgleichsjahres die endgültige Höhe der Länderanteile an der Umsatzsteuer durch Rechtsverordnung fest, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen

1.
aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
2.
aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
3.
aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Biersteuer, der Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe;
4.
nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund.
Als Steuereinnahme eines Landes gilt ebenfalls seine Steuerkraftzahl der Grunderwerbsteuer im Ausgleichsjahr. Als Steuerkraftzahlen werden für die einzelnen Länder die Beträge angesetzt, die sich ergeben, wenn die im Bundesgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekommene Grunderwerbsteuer im Verhältnis der dem Aufkommen zu Grunde liegenden länderweisen Steuerbemessungsgrundlagen der Grunderwerbsteuer verteilt wird. Für Fälle der Pauschalbesteuerung nach § 12 des Grunderwerbsteuergesetzes ist zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Pauschalbetrag durch den Steuersatz zu dividieren, der zum Zeitpunkt des pauschaliert besteuerten Rechtsvorgangs gültig war. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die sich nach § 2 entsprechend seinem Einwohneranteil für das Ausgleichsjahr ergebenden Anteile der Umsatzsteuer.

(2) Den Steuereinnahmen der Länder nach Absatz 1 werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.

(3) Die Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden in den Ländern gekürzt, in denen die Veränderungsrate der Steuereinnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr gegenüber dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt. Dabei sind die Einwohnerzahlen maßgebend, die das Statistische Bundesamt jeweils zum 30. Juni des Ausgleichsjahres und des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres festgestellt hat. Der Kürzungsbetrag wird auf 12 Prozent des Betrages festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Veränderungsrate der Steuereinnahmen eines Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner im Ausgleichsjahr, soweit sie die entsprechende Veränderungsrate der Ländergesamtheit übersteigt, vervielfacht wird mit den Steuereinnahmen des Landes nach Absatz 1 Satz 1 bis 4 je Einwohner des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres sowie mit der Einwohnerzahl des Ausgleichsjahres.

(1) Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.

(2) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Einnahmen der Länder nach § 7 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

(3) Bei der Ermittlung der Messzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 105 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Brandenburg mit 103 Prozent, die Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt mit 102 Prozent und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 Prozent gewertet.

Tenor

Die Amtsordnung für Schleswig-Holstein in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Februar 2003 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 112), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. März 2009 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 93), ist mittlerweile insofern mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 und Artikel 3 Absatz 1 der Landesverfassung unvereinbar, als sie in § 5 Absatz 1 Satz 1 die Möglichkeit eröffnet, dass sich die Ämter in Folge zunehmender Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben durch die Gemeinden zu Gemeindeverbänden entwickeln, sie aber für diesen Fall in § 9 keine unmittelbare Wahl der Mitglieder des Amtsausschusses als des zentralen Entscheidungsorgans der Ämter durch das Volk vorsieht.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die verfassungswidrige Rechtslage bis spätestens zum 31. Dezember 2014 durch eine Neuregelung zu beseitigen. Bis dahin bleibt § 9 der Amtsordnung insgesamt anwendbar. § 5 Absatz 1 Satz 1 der Amtsordnung bleibt bis dahin insofern anwendbar, als die Vorschrift die Rechtsgrundlage für Übertragungen bildet, die bis einschließlich 26. Februar 2010 erfolgt sind.

Gründe

A.

1

Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die Landesverfassung (LV) es angesichts des gegenwärtigen Aufgabenstandes der Ämter gebietet, dass die Einwohnerinnen und Einwohner auch in den Ämtern eine Vertretung haben, die aus unmittelbaren Wahlen hervorgegangen ist.

I.

2

1. Das Verfahren knüpft an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 1979 - 2 BvK 1/78 - (BVerfGE 52, 95 ff.) an. Dem Bundesverfassungsgericht war seinerzeit gemäß Art. 37 Abs. 2 Landessatzung (LS) auf Grundlage des Art. 99 Grundgesetz (GG) die Entscheidung von Verfassungsstreitigkeiten innerhalb des Landes Schleswig-Holstein übertragen. Durch das am 27. Oktober 2006 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein vom 17. Oktober 2006 (GVOBl S. 220; vgl. Art. 44 LV) in Verbindung mit dem Gesetz über das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht (Landesverfassungsgerichtsgesetz - LVerfGG -) vom 10. Januar 2008 (GVOBl S. 25) ist diese Zuständigkeit am 1. Mai 2008 auf das neu errichtete Landesverfassungsgericht übergegangen, das insoweit Funktionsnachfolger des Bundesverfassungsgerichts ist.

3

2. In seinem Urteil vom 24. Juli 1979 (a. a. O.) hatte das Bundesverfassungsgericht ausgehend vom Aufgabenbestand der Ämter im Jahr 1979 die Frage, ob Art. 2 Abs. 2 LS es gebietet, dass die Einwohnerinnen und Einwohner auch in den Ämtern eine Vertretung haben, die aus unmittelbaren Wahlen hervorgegangen ist, verneint. Gemeindeverbände im Sinne des Art. 2 Abs. 2 LS seien nur die zur Erfüllung von Selbstverwaltungsaufgaben gebildeten Gebietskörperschaften und diesen nach Umfang und Gewicht der von ihnen wahrzunehmenden Selbstverwaltungsaufgaben vergleichbare kommunale Zusammenschlüsse.

II.

4

1. Die maßgeblichen Vorschriften der Landesverfassung lauten:

5
Artikel 2
Demokratie, Funktionentrennung
(1) Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus.

(2) Das Volk bekundet seinen Willen durch Wahlen und Abstimmungen. Es handelt durch seine gewählten Vertretungen im Lande, in den Gemeinden und Gemeindeverbänden sowie durch Abstimmungen.

(3) [...]
6
Artikel 3
Wahlen und Abstimmungen
(1) Die Wahlen zu den Volksvertretungen im Lande, in den Gemeinden und Gemeindeverbänden und die Abstimmungen sind allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim.

(2) - (4) [...]
7
Artikel 46
Kommunale Selbstverwaltung
(1) Die Gemeinden sind berechtigt und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, in ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen, soweit die Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen.

(2) Die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit die gleichen Rechte und Pflichten.

(3) Das Land sichert durch seine Aufsicht die Durchführung der Gesetze. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(4) [...]
8

2. Ämter bestanden in Schleswig-Holstein bereits, als die Landessatzung am 12. Januar 1950 in Kraft trat (vgl. dazu die Amtsordnung vom 6. August 1947, GVOBl S. 38). Ihr Aufgabenkreis und ihre rechtliche Stellung sind inzwischen mehrfach neu gefasst worden, zuletzt durch die Amtsordnung für Schleswig-Holstein (AO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Februar 2003 (GVOBl S.112, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. März 2009, GVOBl S. 93). Zur Zeit gibt es 87 Ämter mit insgesamt 1.036 amtsangehörigen Gemeinden und kleineren Städten. Ihre Einwohnerzahl reicht von rund 1.300 beim Amt Pellworm – ohne eigene Verwaltung – bis zu knapp 40.000 im Amt Südtondern. Die Zahl der amtsangehörigen Gemeinden bewegt sich zwischen drei bei den Ämtern Haseldorf, Oeversee und Schrevenborn und 34 im Amt Kirchspielslandgemeinden Eider. Zwei Ämter sind kreisübergreifend (Amt Großer Plöner See und Amt Itzstedt). Daneben gibt es weiterhin amtsfreie Gemeinden, von denen drei die Verwaltungsgeschäfte im Wege einer Verwaltungsgemeinschaft durch ein Amt führen lassen und vier kreisfreie Städte. Von den 87 Ämtern verfügen 75 über eine eigene Amtsverwaltung, wobei diese in neun Fällen durch eine amtsangehörige Gemeinde geführt wird. Die verbleibenden zwölf Ämter werden im Wege einer Verwaltungsgemeinschaft durch eine amtsfreie Gemeinde verwaltet (näher: Bülow, Die Gemeinde SH 2009, 98 <101-103>).

9

Die Ämter sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Sie bestehen aus Gemeinden, die seit der Änderung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AO durch das Erste Verwaltungsstrukturreformgesetz vom 28. März 2006 (GVOBl S. 28) nicht mehr demselben Kreis angehören müssen. Die Ämter dienen der Stärkung der Selbstverwaltung der amtsangehörigen Gemeinden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AO). Soweit es die Amtsordnung bestimmt oder zulässt, treten sie als Träger von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung an die Stelle der amtsangehörigen Gemeinden (§ 1 Abs. 1 Satz 3 AO). Über den Zusammenschluss von Gemeinden zu Ämtern, über die Änderung und Auflösung sowie über den Namen und den Sitz des Amtes entscheidet das Innenministerium nach Anhörung der beteiligten Gemeindevertretungen und Kreistage (§ 1 Abs. 2 Satz 1 AO). Das Amt soll zur Durchführung seiner Aufgaben eine eigene Verwaltung einrichten; alternativ kann es die Verwaltung einer größeren amtsangehörigen Gemeinde mit deren Zustimmung in Anspruch nehmen oder eine Verwaltungsgemeinschaft vereinbaren (§ 1 Abs. 3 AO). Die Ämter sollen ein abgerundetes Gebiet mit in der Regel nicht weniger als 8.000 Einwohnerinnen und Einwohnern umfassen (§ 2 AO).

10

Organe des Amtes sind der Amtsausschuss, die Amtsvorsteherin oder der Amtsvorsteher und bei hauptamtlich verwalteten Ämtern die Amtsdirektorin oder der Amtsdirektor. Sie entsprechen den Organen der Gemeinde (§ 24a AO), wobei an die Stelle der Gemeindevertretung der Amtsausschuss, an die Stelle der oder des Vorsitzenden der Gemeindevertretung die Amtsvorsteherin oder der Amtsvorsteher und an die Stelle der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters die Amtsdirektorin oder der Amtsdirektor, in ehrenamtlich verwalteten Ämtern wiederum die Amtsvorsteherin oder der Amtsvorsteher tritt. Der Amtsausschuss trifft alle für das Amt wichtigen Entscheidungen und überwacht ihre Durchführung (§ 10 Abs. 1 AO). Er wählt die Amtsvorsteherin beziehungsweise den Amtsvorsteher, die beziehungsweise der den Vorsitz im Amtsausschuss führt (§§ 11, 12 AO). Bei ehrenamtlich verwalteten Ämtern leitet die Amtsvorsteherin oder der Amtsvorsteher auch die Verwaltung (§ 13 AO), bei hauptamtlich verwalteten Ämtern (Ämter mit mehr als 8.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, bei denen die Hauptsatzung die hauptamtliche Verwaltung bestimmt) erledigt dies die Amtsdirektorin oder der Amtsdirektor, die oder der ebenfalls vom Amtsausschuss gewählt wird (§§ 15a, 15b AO). Dabei verfährt sie oder er nach den Grundsätzen und Richtlinien des Amtsausschusses.

11

3. Der Amtsausschuss wird nicht unmittelbar vom Volk gewählt. Die für seine Zusammensetzung maßgebliche Vorschrift lautet, soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung:

12
§ 9
Zusammensetzung des Amtsausschusses
(1) Der Amtsausschuss besteht aus den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der amtsangehörigen Gemeinden. Gemeinden über 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner entsenden weitere Mitglieder in den Amtsausschuss. Ihre Zahl beträgt

in Gemeinden über 1.000 bis 2.000 Einwohnerinnen und Einwohner 1,

in Gemeinden über 2.000 bis 3.000 Einwohnerinnen und Einwohner 2,

in Gemeinden über 3.000 bis 4.000 Einwohnerinnen und Einwohner 3,

in Gemeinden über 4.000 bis 5.000 Einwohnerinnen und Einwohner 4,

in Gemeinden über 5.000 bis 6.000 Einwohnerinnen und Einwohner 5,

in Gemeinden über 6.000 bis 7.000 Einwohnerinnen und Einwohner 6,

in Gemeinden über 7.000 bis 8.000 Einwohnerinnen und Einwohner 7.

Gemeinden über 8.000 Einwohnerinnen und Einwohner bis 10.000, 12.000, 14.000 usw. Einwohnerinnen und Einwohner entsenden zusätzlich 1, 2, 3 usw. weitere Mitglieder. Für die Anzahl der weiteren Mitglieder ist die Einwohnerzahl maßgebend, die der letzten allgemeinen Wahl zu den Gemeindevertretungen zugrunde gelegen hat. Bei Gebietsänderungen gilt
§ 133 Abs. 2 der Gemeindeordnung
entsprechend. Die Gutsvorsteherin oder der Gutsvorsteher von gemeindefreien Gutsbezirken ist Mitglied des Amtsausschusses ohne Stimmrecht.

(2) Die Gemeindevertretungen wählen die weiteren Mitglieder des Amtsausschusses aus ihrer Mitte. Jede Fraktion kann verlangen, dass das von der Gemeinde zu entsendende weitere Mitglied oder die zu entsendenden weiteren Mitglieder auf Vorschlag der nach Satz 3 vorschlagsberechtigten Fraktion oder Fraktionen gewählt wird oder werden. In diesem Fall steht der Fraktion oder den Fraktionen das Vorschlagsrecht in der Reihenfolge der Höchstzahlen zu, die sich aus der Teilung der Sitzzahlen der Fraktionen durch 1, 2, 3 usw. ergeben. Für die Wahl gilt
§ 39 Abs. 1 der Gemeindeordnung
entsprechend. Die ehrenamtliche Bürgermeisterin oder der ehrenamtliche Bürgermeister wird auf den Wahlvorschlag der Fraktion angerechnet, der sie oder er im Zeitpunkt dieser Wahl angehört.

(3) Die Gemeindevertretungen wählen aus ihrer Mitte Stellvertretende für die ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitglieder des Amtsausschusses. Die Hauptsatzung des Amtes bestimmt die Anzahl der Stellvertretenden je Mitglied des Amtsausschusses. Hat eine Fraktion das Verlangen nach Absatz 2 Satz 2 gestellt, erfolgt die Wahl der Stellvertretenden eines weiteren Mitglieds auf Vorschlag der Fraktion, die das weitere Mitglied vorgeschlagen hat; die Wahl der Stellvertretenden der ehrenamtlichen Bürgermeisterin oder des ehrenamtlichen Bürgermeisters erfolgt auf Vorschlag der Fraktion, der sie oder er im Zeitpunkt der Wahl der Stellvertretenden angehört. Für die Wahl gilt
§ 39 Abs. 1 der Gemeindeordnung
entsprechend. Die Stellvertretenden vertreten das Mitglied im Fall der Verhinderung in der Reihenfolge, in der sie vorgeschlagen sind.
§ 33 Abs. 1 Satz 5 der Gemeindeordnung
gilt entsprechend.

(4) - (6) [...]
13

4. Für die Aufgaben der Ämter bestimmt die Amtsordnung:

14
§ 3
Amt und Gemeinde
(1) Das Amt bereitet im Einvernehmen mit der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister die Beschlüsse der Gemeinde vor und führt nach diesen Beschlüssen die Selbstverwaltungsaufgaben der amtsangehörigen Gemeinden durch. Ein Beschluss ist nicht auszuführen, soweit er das Recht verletzt. Beabsichtigt das Amt, einen Beschluss wegen Rechtsverletzung nicht auszuführen, hat es die Gemeinde unverzüglich zu unterrichten. Die Gemeinde kann nach Anhörung des Amtes mit Zustimmung der Kommunalaufsichtsbehörde beschließen, einzelne Selbstverwaltungsaufgaben selbst durchzuführen. Ist die Gemeinde in einem gerichtlichen Verfahren beteiligt, so wird sie durch das Amt vertreten; dies gilt nicht in den Fällen, in denen das Amt Verfahrensbeteiligter ist oder zwei amtsangehörige Gemeinden Verfahrensbeteiligte sind.

(2) Die Ämter sind ferner Träger der gesetzlichen und der ihnen nach § 5 übertragenen Aufgaben.

(3) [...]
15
§ 4
Gesetzliche Aufgaben der Ämter
(1) Das Amt ist Träger der ihm und den amtsangehörigen Gemeinden übertragenen Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung.
§ 3 Abs. 2 der Gemeindeordnung
gilt entsprechend.

(2) Den Ämtern können durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verordnung neue Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen werden.

(3) Das Amt besorgt die Kassengeschäfte oder die Aufgaben der Finanzbuchhaltung und die Vorbereitung der Aufstellung der Haushaltspläne für die amtsangehörigen Gemeinden.

(4) Das Amt hat über die öffentlichen Aufgaben, die mehrere amtsangehörige Gemeinden betreffen und eine gemeinsame Abstimmung erfordern, zu beraten und auf ihre Erfüllung hinzuwirken.
16
§ 5
Übertragene Aufgaben
(1) Über die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 hinaus können mehrere amtsangehörige Gemeinden gemeinsam dem Amt Selbstverwaltungsaufgaben übertragen. Bei der Beschlussfassung haben die Mitglieder des Amtsausschusses, deren Gemeinden von der Übertragung nicht betroffen sind, kein Stimmrecht.

(2) Die Gemeinden können eine Rückübertragung verlangen, wenn sich die Verhältnisse, die der Übertragung zugrunde lagen, so wesentlich geändert haben, dass den Gemeinden ein Festhalten an der Übertragung nicht weiter zugemutet werden kann. Soweit erforderlich, erfolgt in diesen Fällen eine Auseinandersetzung in entsprechender Anwendung der für Gebietsänderungen der Gemeinden geltenden Vorschriften. Die Rückübertragung bedarf der Zustimmung der Kommunalaufsichtsbehörde, wenn das Amt mit der Rückübertragung nicht einverstanden ist.

(3) […]

(4) Die Kreise können den Ämtern Selbstverwaltungsaufgaben nur aufgrund gesetzlicher Bestimmungen übertragen.
17

Nach § 2 Abs. 3 des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit (GkZ) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Februar 2003 (GVOBl S. 122), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 2006 (GVOBl S. 285) dürfen keine Zweckverbände gebildet werden, soweit Gemeinden dem Amt nach § 5 Abs. 1 AO Aufgaben übertragen können. Eine Ausnahme besteht für Schulverbände (§ 56 Abs. 1 SchulG). Soweit sich Zweckverbände oder auf Gesetz beruhende sonstige Verbände ausschließlich aus mehreren oder allen Gemeinden eines Amtes zusammensetzen, gehen die Aufgaben der Verbände gemäß § 23 Satz 1 GkZ auf das Amt über. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GkZ können Gemeinden, Ämter, Kreise und Zweckverbände untereinander oder mit anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts oder mit rechtsfähigen Anstalten oder rechtsfähigen Stiftungen des öffentlichen Rechts durch öffentlich-rechtlichen Vertrag vereinbaren, dass einer der Beteiligten einzelne oder mehrere zusammenhängende Aufgaben der übrigen Beteiligten übernimmt.

18

Den Ämtern fließen alle Verwaltungseinnahmen oder Verwaltungserträge zu, die im Zusammenhang mit der Erfüllung der von ihnen übernommenen sowie der ihnen übertragenen Aufgaben anfallen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über den Finanzausgleich in Schleswig-Holstein - FAG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Februar 2009, GVOBl S. 67, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Juli 2009, GVOBl S. 413). Ferner gewährt das Land den Ämtern allgemeine Finanzzuweisungen als Beitrag zur Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs (§ 2 Abs. 1 FAG) und Zweckzuweisungen (§ 2 Abs. 2 FAG). Soweit andere Finanzmittel den Finanzbedarf der Ämter nicht decken, wird bei den amtsangehörigen Gemeinden eine Amtsumlage erhoben (§§ 21, 22 AO, §§ 28, 29 FAG).

III.

19

Die Antragsteller beantragen festzustellen,
dass § 9 der Amtsordnung für Schleswig-Holstein unter Zugrundelegung des gegenwärtigen Stands der Aufgabenerfüllung gegen Art. 2 Abs. 1 und 2 sowie Art. 3 Abs. 1 der Landesverfassung verstößt und nichtig ist.

20

Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, die Ämter seien aufgrund der Entwicklung seit 1979, insbesondere aufgrund einer seither fortgeschrittenen Übernahme von Selbstverwaltungsaufgaben mittlerweile Gemeindeverbände im Sinne der Art. 2 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 LV. Sie seien den zur Erfüllung von Selbstverwaltungsaufgaben gebildeten Gebietskörperschaften nach Umfang und Gewicht der von ihnen wahrzunehmenden Selbstverwaltungsaufgaben vergleichbare kommunale Zusammenschlüsse. Hierzu verweisen Sie auf mehrere Untersuchungen und Erhebungen zum Aufgabenbestand der Ämter. Deshalb bedürfe es einer Direktwahl der Mitglieder des Amtsausschusses.

IV.

21

1. Der Schleswig-Holsteinische Landtag hält den Antrag für unbegründet. Er missachte den Vorrang der verfassungskonformen Auslegung, insbesondere des § 5 Abs. 1 und 2 AO, und richte sich überwiegend ausschließlich gegen die Rechtspraxis. Seit 1979 habe sich die Aufgabenwahrnehmung der Ämter nicht so sehr geändert, dass der Amtsausschuss auch formal unmittelbar demokratisch legitimiert werden müsse. Im Übrigen seien die Amtsorgane rein formal betrachtet zwar nur mittelbar demokratisch legitimiert, verfügten materiell aber über ein hohes Legitimationsniveau.

22

2. Die Schleswig-Holsteinische Landesregierung tritt dem Antrag ebenfalls entgegen und bezweifelt bereits dessen Zulässigkeit angesichts der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 1979 – 2 BvK 1/78 – (BVerfGE 52, 95 ff.). Unabhängig davon gebe die Entwicklung der Ämter und insbesondere die erhöhte Zahl der von diesen wahrgenommenen Aufgaben im Vergleich zu 1979 keinen Anlass zu einer veränderten Beurteilung. Die von den Antragstellern gewünschte gleichmäßige Repräsentation entsprechend der parteipolitischen Kräfteverhältnisse wäre verfassungsrechtlich bedenklich, weil sie die Repräsentation der Gemeinden in den Amtsausschüssen beenden würde und damit die Selbstverwaltung der Gemeinden gefährde.

23

3. In seiner Stellungnahme hat der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag betont, dass sich aus Sicht der Gemeinden das Modell der Ämter außerordentlich bewährt habe. Der Aufgabenbestand der Ämter sei in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich angestiegen. Die den Ämtern übertragenen Selbstverwaltungsaufgaben seien qualitativ und quantitativ zu bewerten. Unklar sei aber, wann eine Grenzüberschreitung im Sinne der Antragsteller vorliege. Gefordert sei daher in erster Linie eine politische Lösung. Falls verfassungsrechtlicher Handlungsbedarf bestehe, sei die unmittelbare Wahl aller Mitglieder des Amtsausschusses nicht die einzige Möglichkeit. Diese sei auch abzulehnen, weil dadurch die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister als maßgebliche Vertreter ihrer Gemeinden nicht mehr automatisch im Amtsausschuss vertreten wären.

24

4. Der Städteverband Schleswig-Holstein hält in seiner Stellungnahme ebenfalls eine Bewertung der übertragenen Selbstverwaltungsaufgaben für erforderlich. Die notwendige qualitative Auswertung der rechtstatsächlichen Untersuchungen sei schwierig. Im Ergebnis sei aber eine zunehmende Tendenz von der Übertragung von rein technischen Durchführungsaufgaben hin zu Aufgaben mit materiellem Gewicht zu erkennen. Problematisch sei aber nicht nur die indirekte Legitimation der Mitglieder des Amtsausschusses, sondern auch die unterschiedliche Repräsentation der Stadt- und Gemeindeeinwohnerinnen und -einwohner im Amt. Durch das Erste und Zweite Verwaltungsstrukturreformgesetz habe sich die Situation gegenüber der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1979 so entscheidend verändert, dass ein Festhalten an der geltenden Regelung bedenklich sei. Eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 5 und 9 AO sei nicht möglich, weil die qualitative Grenze der Aufgabenübertragung – insbesondere im Fall der Kumulierung von verschiedenen für sich betrachtet vielleicht wenig bedeutsamen Selbstverwaltungsaufgaben – nicht hinreichend genau bestimmt werden könne. Bei Feststellung eines verfassungswidrigen Zustandes sei es Aufgabe des Gesetzgebers, in wesentlichen Aufgabenbereichen für eine Klarstellung zu sorgen.

25

5. Auch der Schleswig-Holsteinische Landkreistag stellt in seiner Stellungnahme allein auf die übertragenen Selbstverwaltungsaufgaben als entscheidungserheblich ab. Problematisch sei die Unvollständigkeit der hierzu vorliegenden Untersuchungen über die Entwicklung seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Es lasse sich aber eine immer mehr zunehmende Aufgabenübertragung ablesen. Infolge der Verwaltungsstrukturreformgesetze des Jahres 2005 sei es zu einer Vergrößerung der Amtsstrukturen gekommen, die vermutlich zu weiterer Professionalisierung der Ämter und damit zu einem weiteren Sog von Aufgabenübertragungen führen werde. Vor diesem Hintergrund spreche nach dem ersten Anschein vieles dafür, dass die Ämter sich zu gebietskörperschaftsähnlichen Einrichtungen weiterentwickelt hätten, so dass jedenfalls heute eine unmittelbare demokratische Legitimation erforderlich sei. § 5 Abs. 1 AO sei eine Norm, die nach dem Verständnis des Gesetzgebers bei der Übertragung von Selbstverwaltungsangelegenheiten nur Ausnahmecharakter hätte haben sollen. Dieses Regel-Ausnahmeverhältnis habe sich umgekehrt. Ein Entgegenwirken, etwa durch die Kommunalaufsicht, sei faktisch nicht möglich. Daher spreche einiges dafür, entweder § 5 Abs. 1 AO wegen der mangelnden Begrenzbarkeit der Aufgabenübertragung in Selbstverwaltungsangelegenheiten für verfassungswidrig zu halten und einzuengen oder aber in § 9 AO die Direktwahl des Amtsausschusses vorzuschreiben.

B.

26

Der Rechtsweg zum Landesverfassungsgericht ist eröffnet. Es handelt sich um einen Antrag nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 2 LV, § 3 Nr. 2 LVerfGG.

27

Der Normenkontrollantrag ist auch zulässig. Die Antragsteller sind gemäß Art. 44 Abs. 2 Nr. 2 LV, § 39 LVerfGG antragsberechtigt. Die Antragsteller machen Zweifel an der Vereinbarkeit einer Norm des Landesrechts, nämlich § 9 AO, mit der Landesverfassung geltend (§ 40 Nr. 1 LVerfGG). Dass diese Norm nach ihrem Vortrag im Wesentlichen nur aufgrund der Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 1 AO verfassungswidrig sein soll, ist unschädlich, weil die verfassungsrechtliche Prüfung von Amts wegen auch auf Vorschriften erstreckt werden kann, die mit der unmittelbar angegriffenen Vorschrift im Zusammenhang stehen (§ 42 Satz 2 LVerfGG). Sofern die Antragsteller zur Begründung auf die den Ämtern durch Gemeinderatsbeschluss übertragenen Aufgaben abheben, geschieht dies nicht zum Zwecke einer Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse oder gar tatsächlicher Handlungen der Gemeinden und Ämter, sondern im Hinblick auf die mittelbare verfassungsrechtliche und damit normative Bedeutung, die diesen Übertragungen beizumessen ist.

28

Dass das Bundesverfassungsgericht die Frage, ob Ämter als Gemeindeverbände zu qualifizieren sind, bereits entschieden hat, steht einer erneuten Entscheidung nicht entgegen.

29

Im Grundsatz ist der Landesregierung zwar darin beizupflichten, dass das Verfahrenshindernis der entgegenstehenden Rechtskraft auch im schleswig-holsteinischen Verfassungsprozessrecht gilt. Es bezieht sich allerdings stets auf den Zeitpunkt, in welchem die Entscheidung ergeht und hindert nicht die Berufung auf neue Tatsachen, eine neue Rechtslage oder neue Rechtsauffassungen, die ausgehend von der Begründung der früheren Entscheidung geeignet sind, eine abweichende Entscheidung zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Mai 1972 - 1 BvL 21/69 u.a. - BVerfGE 33, 199 ff., Juris Rn. 19-21; Urteil vom 12. März 1975 - 1 BvL 15/71 u. a. - BVerfGE 39, 169 ff., Juris Rn. 59; und Beschlüsse vom 18. Oktober 1983 - 2 BvL 14/83 - BVerfGE 65, 179 ff., Juris Rn. 9-10; vom 3. Juli 1985 - 1 BvL 13/83 - BVerfGE 70, 242 ff., Juris Rn. 19-20, 22; vom 8. März 1988 - 1 BvL 9/85 u.a. - BVerfGE 78, 38 ff., Juris Rn. 40; sowie vom 18. November 2003 - 1 BvR 302/96 - BVerfGE 109, 64 ff., Juris Rn. 191, stRspr.).

30

Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass die Antragsteller mit den nach ihrem Vortrag seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 1979 - 2 BvK 1/78 - (BVerfGE 52, 95 ff.) hinzugekommenen Übertragungen von Selbstverwaltungsaufgaben auf die Ämter neue Tatsachen darlegen, die geeignet sind, eine abweichende Entscheidung zu ermöglichen. Ob eine solche Abweichung geboten ist, ist eine Frage der Begründetheit.

C.

31

Der Antrag ist auch begründet. Die Amtsordnung ist mittlerweile insofern mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 3 Abs. 1 LV unvereinbar, als sie in § 5 Abs. 1 Satz 1 AO die Möglichkeit eröffnet, dass sich die Ämter in Folge zunehmender Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben zu Gemeindeverbänden entwickeln. Weder sind prozedurale Vorkehrungen in der Amtsordnung oder in anderen Gesetzen vorgesehen, die zur Wahrung der Garantie der Kommunalen Selbstverwaltung der Gemeinden nach Art. 46 Abs. 1 LV dieser Entwicklung entgegenwirken, noch ist bei inzwischen erheblich geändertem Aufgabenbestand für den Fall der Entwicklung zum Gemeindeverband in § 9 AO eine unmittelbare Wahl der Mitglieder des Amtsausschusses als des zentralen Entscheidungsorgans vorgesehen.

I.

32

Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 LV handelt das Volk durch seine gewählten Vertretungen im Lande, in den Gemeinden und Gemeindeverbänden, sowie durch Abstimmungen. Art. 3 Abs. 1 LV bestimmt, dass für Wahlen zu den Volksvertretungen im Lande, in den Gemeinden und Gemeindeverbänden und für Abstimmungen die allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze gelten.

33

Der Verfassungsgeber hat mit diesen Bestimmungen das Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 GG erfüllt und sich bei den Grundentscheidungen seiner Verfassung eng an das Grundgesetz angelehnt. Allerdings müssen im Unterschied zum Grundgesetz unmittelbar gewählte Volksvertretungen nicht nur in den Kreisen, sondern in allen Gemeindeverbänden bestehen (ebenso: BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 - 2 BvK 1/78 - BVerfGE 52, 95 ff., Juris Rn. 61). Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass neben den Wahlen auch Abstimmungen möglich sind.

34

1. Nach Art. 2 Abs. 1 und 2 und Art. 3 Abs. 1 LV muss in allen Gemeinden und Gemeindeverbänden eine Volksvertretung bestehen, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist.

35

Zwar ist der Wortlaut dieser Verfassungsbestimmungen offen formuliert und liest sich für die unbefangene Leserin und den unbefangenen Leser eher beschreibend. Gleichwohl enthalten die beiden Vorschriften eine bindende verfassungsrechtliche Vorgabe, nach der zwingend im Land sowie in allen Gemeinden und Gemeindeverbänden eine gewählte Volksvertretung bestehen muss. Mit ihrer Stellung am Anfang der Landesverfassung bekennt sich der Verfassungsgeber zu den Prinzipien der Volkssouveränität (Art. 2 Abs. 1 LV), der repräsentativen Demokratie (Art. 2 Abs. 2 LV) und eines demokratischen Wahlverfahrens (Art. 3 Abs. 1 LV) als fundamentale Prinzipien der demokratischen Grundordnung Schleswig-Holsteins. Die Wahlen und Abstimmungen im Lande, in den Gemeinden und Gemeindeverbänden sind die Quelle demokratischer Legitimation für jegliches staatliches Handeln (vgl. Art. 2 Abs. 1 LV).

36

Diese bindende Vorgabe folgt für das Land und die Gemeinden aus dem systematischen Zusammenhang mit dem Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, nach dem in den Ländern, Kreisen und Gemeinden das Volk eine Vertretung haben muss, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Art. 28 GG ist an die Länder adressiert, die diese Vorgabe in ihren Landesverfassungen eigenständig umsetzen (vgl. grundlegend: BVerfG, Urteil vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 - BVerfGE 1, 208 ff., Juris Rn. 90, stRspr.). Art. 2 Abs. 2 und Art. 3 LV dienen der Erfüllung dieses bundesstaatlichen Homogenitätsgebots.

37

Anders als Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG nennen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 3 Abs. 1 LV nicht die Kreise, sondern die Gemeindeverbände. Auch in Art. 46 Abs. 2 und 4, Art. 47 und Art. 48 LV werden nicht die Kreise, sondern die Gemeindeverbände genannt. Staatspraxis und Rechtsprechung haben diese Vorschriften auf die Kreise bezogen. Zugleich sind sie davon ausgegangen, dass sich der Begriff der Gemeindeverbände auch auf andere Körperschaften als die Kreise beziehen kann. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 24. Juli 1979 (a. a. O., Juris Rn. 61) vorausgesetzt, dass andere Gemeindeverbände als die Kreise von der bindenden Wirkung der insoweit wortgleichen Vorschriften der Landessatzung umfasst sein können. Dieses Verständnis war bei der Verfassungsreform von 1990 bekannt, bei der Art. 2 Abs. 2 und Art. 3 LV insoweit ergänzt worden sind, dass nun auch Abstimmungen als zusätzliche demokratische Legitimationsquelle bezeichnet werden. Die Nennung von Gemeindeverbänden - und nicht von Kreisen - ist dabei nicht verändert worden.

38

2. Die Landesverfassung enthält keine Definition des Begriffs „Gemeindeverband“. Im Wege der Auslegung ist ihr zu entnehmen, dass ihr ein kombinierter formeller und materieller Gemeindeverbandsbegriff zu Grunde liegt. Gemeindeverbände sind die zur Erfüllung von Selbstverwaltungsaufgaben gebildeten Gebietskörperschaften (formelle Gemeindeverbände) und diesen nach Umfang und Gewicht der von ihnen wahrzunehmenden Selbstverwaltungsaufgaben vergleichbare kommunale Zusammenschlüsse (materielle Gemeindeverbände; vgl. zum Ganzen: BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 a. a. O., Juris Rn. 62-68; ebenso VerfG des Landes Brandenburg, Beschluss vom 21. Januar 1998 - 8/97 - Juris Rn. 16–23 zur Brandenburgischen Landesverfassung und VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. Juni 2001 - VerfGH 28/00, 30/00 - DVBl. 2001, 1595 <1596> zur Nordrhein-Westfälischen Landesverfassung).

39

Die wörtliche Auslegung des Begriffes des Gemeindeverbandes ist unergiebig, weil sie keine Bestimmung der wesentlichen Begriffsmerkmale ermöglicht. Sie lässt lediglich einen Rückschluss auf einen wie auch immer gearteten Verband von Gemeinden zu. Es handelt sich um einen typischen Sammelbegriff der bereits zur Zeit der Entstehung der Landesverfassung - als Landessatzung - unterschiedlich verwendet wurde und auch in der gegenwärtigen Gesetzessprache und Rechtswissenschaft ohne feste Konturen geblieben ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 - 2 BvK 1/78 -, BVerfGE 52, 95 ff., Juris Rn. 62). Einigkeit besteht nur darin, dass die Kreise Gemeindeverbände sind und die Zweckverbände wegen ihrer begrenzten Aufgaben nicht als Gemeindeverbände anzusehen sind. Der Begriff wird vom Landesgesetzgeber uneinheitlich verwendet (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 a. a. O., Juris Rn. 62), teils als Sammelbegriff für alle kommunalen Zusammenschlüsse, teils als Synonym für das Wort Landkreis beziehungsweise Kreis (so auch in § 4 Abs. 2 BeamtHaftG).

40

Im Rahmen der systematischen Auslegung ist auf die beiden Zusammenhänge abzustellen, in denen der Begriff des Gemeindeverbandes in der Landesverfassung erwähnt wird. Durch die Art. 46 bis Art. 49 LV wird den Gemeindeverbänden neben den Gemeinden das Recht der Selbstverwaltung eingeräumt, das heißt im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit die Befugnis, in ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen. Dementsprechend bestimmt Art. 46 Abs. 2 LV ausdrücklich, dass die Gemeindeverbände – im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit – die gleichen Rechte und Pflichten (wie die Gemeinden) haben (ebenso zu Art. 39 bis Art. 42 LS: BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 a. a. O., Juris Rn. 63).

41

Durch die Vorschrift des Art. 2 Abs. 2 LV und den sie ergänzenden Art. 3 Abs. 1 LV wird bestimmt, dass die Grundentscheidungen der Verfassung für das Prinzip der Volkssouveränität, der repräsentativen Demokratie und ein demokratisches Wahlverfahren nicht nur auf Landesebene gelten sollen, sondern auch in den Untergliederungen, den Gemeinden und Gemeindeverbänden. Der Landesverfassungsgeber hat sich damit ebenso wie das Grundgesetz für eine auf Selbstverwaltungskörperschaften aufgebaute „gegliederte Demokratie“ entschieden. Bei den Gemeindeverbänden handelt es sich also um solche Selbstverwaltungskörperschaften, die aus mehreren Gemeinden zusammengeschlossen sind und die Träger der allgemeinen, vom Volke ausgehenden Gewalt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 LV sind. Überall dort, wo diese allgemeine Gewalt unmittelbar durch selbstständige, vom Staat weitgehend unabhängige Rechtsträger ausgeübt wird, soll eine aus allgemeinen Wahlen hervorgegangene Volksvertretung bestehen (ebenso zu den wortgleichen Vorschriften der Art. 2 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 LS: BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 a. a. O., Juris Rn. 63).

42

Eine weitere Begrenzung des Begriffes Gemeindeverband ergibt sich daraus, dass die Gemeindeverbände mit den Gebietskörperschaften Staat und Gemeinde auf eine Stufe gestellt werden und zu den Gemeindeverbänden jedenfalls die gebietskörperschaftlich organisierten Kreise gehören. Daraus folgt zwar nicht zwingend, dass sämtliche Gemeindeverbände ebenfalls Gebietskörperschaften sein müssen, denn dann hätte der Verfassungsgeber das Wort „Gebietskörperschaft“ übernehmen können. Es spricht jedoch vieles dafür, dass die auf einzelne Aufgaben beschränkten Zweckverbände, auch wenn sie öffentliche Gewalt ausüben, nicht von dem Begriff Gemeindeverbände erfasst werden sollten. Nach der Systematik sind demnach Gemeindeverbände nur solche aus mehreren Gemeinden zusammengesetzte Körperschaften des öffentlichen Rechts, die in größerem Umfang öffentliche Aufgaben von einigem Gewicht als Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen (ebenso: BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 a. a. O., Juris Rn. 63).

43

Auch die teleologische Auslegung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 LV spricht für den kombinierten Gemeindeverbandsbegriff. Sinn und Zweck der Vorschrift ist die Vermittlung unmittelbarer demokratischer Legitimation dort, wo im Land grundlegende substanzielle Entscheidungen getroffen werden. Das spricht dafür, die Mitbestimmung des Volkes in Form der Auswahl seiner Repräsentanten und – quasi als Kehrseite der Medaille – Verantwortlichkeit der zentralen Entscheidungsträger unmittelbar gegenüber dem Volk bei denjenigen Körperschaften zu fordern, die neben Land und Gemeinden in größerem Umfang öffentliche Aufgaben von einigem Gewicht wahrnehmen.

44

Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte der Landessatzung bestätigt. Während der Ausschussberatungen (zu Art. 39 LS) bestand zwar keine konkrete gemeinsame Vorstellung über das Wesen der Gemeindeverbände, man war sich jedoch dahingehend einig, dass die Kreise als Gemeindeverbände zu qualifizieren sind, nicht jedoch die Ämter in ihrer Ausgestaltung im Jahr 1949 und auch nicht die Zweckverbände. Der umfassende Begriff wurde auch deshalb gewählt, um die künftige Entwicklung der Ämter oder neu zu bildender kommunaler Zusammenschlüsse zu Gemeindeverbänden nicht zu verstellen. Der Begriff des Gemeindeverbandes lässt sich deshalb positiv durch die konstituierenden Merkmale des Kreises und negativ durch die konstituierenden Merkmale der im Jahre 1949 bestehenden Ämter sowie der damals bestehenden Zweckverbände eingrenzen (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 - 2 BvR 1/78 - BVerfGE 52, 95 ff., Juris Rn. 65 m.w.N.). Diese Ausführungen tragen, da die Kreise bereits Gebietskörperschaften waren und die Ämter sich noch wesentlich auf unterstützende Aufgaben beschränkten, ebenfalls den kombinierten Gemeindeverbandsbegriff und gelten unverändert fort. Mit der Schaffung der Landesverfassung ist keine erneute Diskussion über den Begriff des Gemeindeverbandes entstanden. Vielmehr hat der Verfassungsgeber in Kenntnis der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Vorschriften aus der Landessatzung überwiegend wortgleich in die Landesverfassung übernommen (vgl. Groth in: Caspar / Ewer / Nolte / Waack , Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, Kommentar, 2006, Art. 46, Rn. 3).

45

Soweit die Gemeindeverbandsbegriffe in Rechtsprechung und Literatur von dem kombinierten Gemeindeverbandsbegriff, den bereits das Bundesverfassungsgericht für die schleswig-holsteinische Landessatzung als maßgeblich ansah (Urteil vom 24. Juli 1979 a. a. O.), abweichen, geben die jeweiligen Ausführungen keine Veranlassung, für die Landesverfassung nun von einem anderen Gemeindeverbandsbegriff auszugehen. Mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 3 Abs. 1 LV ist weder ein allein auf den Status als Gebietskörperschaft abstellender formeller Gemeindeverbandsbegriff zu vereinbaren, weil der Verfassungsgeber den Begriff der Gebietskörperschaft gerade nicht verwendet hat, noch ein weiterer materieller Gemeindeverbandsbegriff, der schon die Wahrnehmung von mehr als einer Selbstverwaltungsaufgabe genügen lässt, denn eine solche Körperschaft befände sich noch zu dicht am Zweckverband, den der Verfassungsgeber nicht erfasst wissen wollte. Unvereinbar mit der Landesverfassung ist auch ein Gemeindeverbandsbegriff, der ungeachtet des materiellen Aufgabenbestandes allein auf den strukturell-funktionellen Zweck abstellt. Er würde dem Zweck der Vorschriften, demokratische Legitimation dort zu vermitteln, wo gewichtige Selbstverwaltungsaufgaben selbstständig wahrgenommen werden, nicht gerecht.

46

3. Maßgeblich für die Vergleichbarkeit der Ämter mit den zur Erfüllung von Selbstverwaltungsaufgaben gebildeten Gebietskörperschaften (Gemeinden und Kreise) sind nach dem materiellen Verbandsbegriff allein die den Ämtern - sei es durch Gesetz (§ 5 Abs. 4 AO), sei es auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Satz 1 AO - übertragenen Selbstverwaltungsaufgaben. Nur bezüglich dieser Aufgaben wird das Amt nach der gesetzlichen Regelung des § 3 Abs. 2 AO Träger der Aufgaben; es nimmt diese Aufgaben als eigene wahr.

47

a) Zwar sind danach die nach § 5 Abs. 4 AO vom Gesetz den Ämtern übertragenen Selbstverwaltungsaufgaben zu berücksichtigen, sie spielen praktisch jedoch kaum eine Rolle. Eine Übertragungsmöglichkeit vom Kreis auf das Amt in diesem Sinne ist lediglich in § 4 Abs. 1 Satz 1 AG-SGB XII vorgesehen. Aufgrund der nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AG-SGB XII bestehenden Möglichkeit der Kreise, Richtlinien zu erlassen und Weisungen zu erteilen, sind diese Aufgaben im Ergebnis nicht anders zu behandeln als Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung (ebenso: Steinger ,Amtsverfassung und Demokratieprinzip, 1997, S. 96).

48

b) Im Hinblick auf die vom Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 Satz 1 AO offen gestaltete Zuweisung von Selbstverwaltungsaufgaben an die Ämter (sog. devolvierende, überwälzende Delegation, vgl. Engel , Das schleswig-holsteinische Amt bei Erledigung der Selbstverwaltungsangelegenheiten der amtsangehörigen Gemeinden, 1990, S. 142 f. und 161, Fn. 445; v. Mutius / Steinger, Die Gemeinde SH 1995, 231 <233>) bedarf es einer weiteren Eingrenzung. Dies betrifft zunächst das unterschiedliche Ausmaß, in dem von der Übertragungsmöglichkeit durch die amtsangehörigen Gemeinden Gebrauch gemacht wird, es betrifft aber auch die in der Praxis anzutreffenden stillschweigenden „Übertragungen“ von Selbstverwaltungsaufgaben

49

aa) Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 3 Abs. 1 LV setzen Gemeindeverbände nicht zwingend voraus, sondern knüpfen wie Art. 46 Abs. 2 und 3 sowie Art. 47 bis 49 LV an diejenigen Gemeindeverbände an, die nach einfachgesetzlichem Landesrecht bestehen. Abzustellen ist deshalb hinsichtlich der wahrzunehmenden Selbstverwaltungsaufgaben auf die einfachgesetzliche Ausgestaltung der fraglichen Institution. So wie es der Landesgesetzgeber über die in der Verfassung verankerten kommunalen Gebietskörperschaften hinaus in der Hand hat, Körperschaften als Gebietskörperschaften auszugestalten (und sie damit formell zu Gemeindeverbänden zu machen), ist es allein seine Entscheidung, ob er einer von ihm institutionalisierten sonstigen kommunalen Körperschaft so viele und so gewichtige Selbstverwaltungsaufgaben überträgt, dass diese den kommunalen Gebietskörperschaften vergleichbar (und damit materiell ein Gemeindeverband) ist. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob der Gesetzgeber selbst Aufgaben auf die Ämter überträgt oder ob er – wie dies in § 5 Abs. 1 Satz 1 AO geschehen ist - den Gemeinden die Möglichkeit eröffnet, unbeschränkt Selbstverwaltungsauf-gaben auf ihr Amt zu übertragen. Entscheidend ist, dass die Wahrnehmung der derart übertragenen Selbstverwaltungsaufgaben durch die Ämter von der gesetzgeberischen Konzeption der Institution Amt gedeckt ist.

50

Ausgangspunkt bleibt daher die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte sogenannte doppelte Anknüpfung einerseits an die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Bestandes an Selbstverwaltungsaufgaben, andererseits an den tatsächlichen Aufgabenbestand (Urteil vom 24. Juli 1979 a. a. O., Leitsatz, Juris Rn. 63, 68, 77; vgl. auch von Mutius / Steinger , Die Gemeinde SH 1995, 231 <233>; Schliesky , Amt-Gemeinde-Untersuchung 2002, in: SHGT , Das Amt - bewährt und zukunftsfähig -, Arbeitsheft 19, 2004, S. 9 <28>; Schliesky / Ernst / Schulz , Aufgabenbestand, Legitimationsbedarf und Entwicklungspotential der Ämter in Schleswig-Holstein, Arbeitspapier 90, 2009, S. 32; Steinger , Amtsverfassung und Demokratieprinzip, 1997, S. 87-88; a. A.: VerfG des Landes Brandenburg, Beschluss vom 21. Januar 1998 - 8/97 - Juris Rn. 26, 28-30 , jedoch ohne Auseinandersetzung mit BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 - 2 BvK 1/78 - BVerfGE 52, 95 ff.,). Diese doppelte Anknüpfung beruht auf der einfachgesetzlichen Ausgestaltung des § 5 Abs. 1 Satz 1 AO. Die Norm beschränkt sich im Wesentlichen darauf, die Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben zuzulassen, die Übertragung selbst erfolgt aber durch die amtsangehörigen Gemeinden, die die Ausgestaltung des Bestandes an Selbstverwaltungsaufgaben des Amtes damit „in tatsächlicher Hinsicht“ in der Hand haben.

51

bb) Umgekehrt folgt aus der Anknüpfung an die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Selbstverwaltungsaufgaben der Ämter eine Beschränkung des anzustellenden Vergleichs auf diejenigen Selbstverwaltungsaufgaben, die auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Satz 1 AO und in dessen gesetzlichem Rahmen übertragen wurden. Nur diese sind Ausdruck der gesetzgeberischen Konzeption der Institution Amt. Unbeachtlich sind deshalb alle „Übernahmen“ von gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgaben, für die es an einem Beschluss nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AO fehlt (ebenso: Bracker , Amtsordnung für Schleswig-Holstein - Kommentar, in: Bülow / Erps / Schliesky / von Allwörden , Kommunalrecht Schleswig-Holstein - Kommentare - Band II, Stand: 34. Nachlieferung 2009, § 5 Erl. 1 d; Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Gutachten zum Entwurf des Zweiten Verwaltungsstrukturreformgesetzes, Landtags-Umdruck 16/1596, S. 10) und alle Übertragungen durch lediglich eine amtsangehörige Gemeinde (zum Ganzen vgl. auch BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 a. a. O., Juris Rn. 85).

52

Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn es sich nicht mehr um Einzelfälle des Missbrauchs handelte (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979, a. a. O., Juris Rn. 85), sondern um eine strukturelle Entwicklung (vgl. Schliesky / Ernst / Schulz , a. a. O., S. 109), die Ausdruck einer allgemein praktizierten Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 AO wäre, mithin die Norm insoweit einen Inhaltswandel erfahren hätte. Denn die Auslegung des einfachen Rechts ist grundsätzlich Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle weitgehend entzogen, weshalb auch bei der abstrakten Normenprüfung grundsätzlich diejenige Auslegung zugrundezulegen ist, welche die Vorschrift in der Rechtsprechung bzw. Rechtspraxis erfahren hat (vgl. Graßhof , in: Umbach / Clemens / Dollinger , Bundesverfassungsgerichtsgesetz - Mitarbeiterkommentar und Handbuch, 2. Aufl., 2005, § 76 Rn. 43 m.w.N.). Von einem Inhaltswandel kann jedoch zur Zeit noch keine Rede sein, da fachgerichtliche Urteile, welche stillschweigende Übertragungen als mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AO vereinbar ansehen, nicht ersichtlich sind. Es ist nicht einmal ersichtlich, dass die Gemeinden und Ämter allgemein davon ausgingen, sich mit stillschweigenden Übertragungen noch auf dem Boden der Amtsordnung zu bewegen.

53

c) Die verfassungsrechtliche Prüfung ist über den auf § 9 AO beschränkten Antrag hinaus auf § 5 Abs. 1 Satz 1 AO zu erstrecken, weil vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich maßgeblichen materiellen Gemeindeverbandsbegriffs diese Vorschriften in einem untrennbaren Zusammenhang stehen. In allen Verfahren, in denen die Verfassungsmäßigkeit einer Norm zu überprüfen ist, ist die verfassungsrechtliche Prüfung auch auf Vorschriften zu erstrecken, die mit der unmittelbar angegriffenen Vorschrift im Zusammenhang stehen, vgl. § 42 Satz 2 LVerfGG. Insoweit bestehen zwischen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Landesverfassungsgericht keine Unterschiede (zur wortgleichen Vorschrift des § 78 Satz 2 BVerfGG: BVerfG, Urteile vom 4. März 1975 - 2 BvF 1/72 - BVerfGE 39, 96 ff., Juris Rn. 27; vom 5. November 1975 - 2 BvR 193/74 - BVerfGE 40, 296 ff., Juris Rn. 35; und vom 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. - BVerfGE 109, 279 ff., Juris Rn. 340, stRspr.). Das ist aufgrund der vorstehend dargelegten Maßgeblichkeit des § 5 Abs. 1 Satz 1 AO für die Qualifizierung der Institution Amt als Gemeindeverband und der Maßgeblichkeit dieser Qualifizierung für die Vereinbarkeit des § 9 AO mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 3 Abs. 1 LV der Fall (ähnlich, allerdings bezogen auf § 5 AO insgesamt: Schliesky / Ernst / Schulz , a. a. O., S. 110).

54

4. Ermöglicht der Gesetzgeber durch § 5 Abs. 1 Satz 1 AO einen unterschiedlichen Bestand an Selbstverwaltungsaufgaben bei den einzelnen Ämtern, so ist die Entwicklung der Institution Amt zum Gemeindeverband nach der gesetzgeberischen Konzeption bereits abgeschlossen, wenn ein erstes Amt einen den kommunalen Gebietskörperschaften vergleichbaren Bestand an Selbstverwaltungsauf-gaben erlangt. Die Ämter sind dann als Gemeindeverbände zu qualifizieren, so lange wenigstens ein Amt diesen Bestand hält und der Gesetzgeber diesem Zustand nicht entgegenwirkt.

55

a) Aus dem materiellen Gemeindeverbandsbegriff folgt zwangsläufig, dass für den Vergleich der wahrzunehmenden Aufgaben der Ämter mit denen der kommunalen Gebietskörperschaften auf die Institution Amt abzustellen ist. Die im Rahmen der systematischen Auslegung der Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und des Art. 3 Abs. 1 LV gewonnenen Gesichtspunkte betreffen die Institution Amt und auch der Landesverfassungsgeber hatte bei Einführung des Begriffs des Gemeindeverbandes und dessen Abgrenzung Institutionen wie die Kreise, die Zweckverbände und auch die Ämter – allerdings in ihrem seinerzeitigen Aufgabenzuschnitt - im Blick. Maßgebend ist für die Institution wie für die wahrzunehmenden Aufgaben die gesetzgeberische Konzeption. Solange die unterschiedliche Ausprägung der Ämter Ausdruck ein- und derselben gesetzgeberischen Konzeption - hier der des § 5 Abs. 1 Satz 1 AO - ist, ist allein diese die Grundlage für den Vergleich mit den kommunalen Gebietskörperschaften.

56

b) Die Aufgabenübertragung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AO divergiert von Amt zu Amt. Dies ist vom Gesetzgeber gewollt. Je nach Bedarf sollen die amtsangehörigen Gemeinden auf die konkreten Bedürfnisse vor Ort reagieren und Aufgaben auf die Ämter übertragen können, sofern sich wenigstens eine weitere amtsangehörige Gemeinde findet, die sich an der Übertragung beteiligt. Einen einheitlichen Aufgabenbestand der Institution Amt gibt es daher nicht (vgl. zum Ganzen auch Bracker , Amtsordnung für Schleswig-Holstein - Kommentar, in: Bülow / Erps / Schliesky / von Allwörden , Kommunalrecht Schleswig-Holstein - Kommentare - Band II, Stand: 34. Nachlieferung 2009, § 1 Erl. 2a; § 5 Erl. 1c).

57

Mit Art. 2 Abs. 1 und 2 und Art. 3 Abs. 1 LV hat der Verfassungsgeber die Prinzipien der Volkssouveränität, der repräsentativen Demokratie und eines demokratisches Wahlverfahrens für Schleswig-Holstein konstitutionalisiert. Dabei handelt es sich um fundamentale Prinzipien der demokratischen Grundordnung Schleswig-Holsteins. Mit ihrer Erstreckung auf die Gemeindeverbände soll sichergestellt werden, dass überall dort, wo neben den Gemeinden in weitgehender Unabhängigkeit vom Staat substanzielle Selbstverwaltungsaufgaben wahrgenommen werden, das Volk durch eine unmittelbar gewählte Vertretung repräsentiert wird. Lässt sich die Frage, ob eine substanzielle Wahrnehmung von Selbstverwaltungsangelegenheiten erfolgt, für eine Institution nicht einheitlich bestimmen und kommt deshalb nur eine Annäherung mittels Indizien in Betracht, gebietet es diese grundlegende Entscheidung der Verfassung diejenige Anknüpfung zu wählen, die im Zweifel zu einer Qualifizierung als Gemeindeverband führt, also diejenige, die im Hinblick auf die Ziele der Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 3 Abs. 1 LV die sicherste Anknüpfung ist.

58

Dem wird nur eine Anknüpfung an das Amt mit dem fortgeschrittensten Bestand an Selbstverwaltungsaufgaben gerecht. Alle anderen Anknüpfungen würden bedeuten, eine fehlende unmittelbare Volksvertretung in Ämtern auch dann in Kauf zu nehmen, wenn in einzelnen Ämtern bereits Selbstverwaltungsaufgaben mit einem den kommunalen Gebietskörperschaften vergleichbaren Umfang und Gewicht wahrgenommen werden. Das ist mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 3 Abs. 1 LV nicht vereinbar. Umgekehrt ist bei einer Maßgeblichkeit des Amtes mit dem größten Aufgabenbestand die dadurch gegebenenfalls auch in Ämtern mit nur geringem Bestand an Selbstverwaltungsaufgaben ausgelöste Volkswahl und der dann dort vorhandene „Überschuss“ an demokratischer Legitimation unschädlich.

II.

59

Der Gesetzgeber hat sich mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AO für eine offene Aufgabenzuweisung entschieden und damit die Entscheidung über die Ausgestaltung der Ämter zum (materiellen) Gemeindeverband einem von ihm unmittelbar nicht mehr steuerbaren dynamischen Prozess überlassen. Ihn trifft von Verfassungswegen eine Nachbesserungspflicht, weil sich erste Ämter nach Umfang und Gewicht der von ihnen wahrzunehmenden Selbstverwaltungsaufgaben Gemeindeverbänden jedenfalls annähern.

60

1. Überlässt der Gesetzgeber die Entscheidung über die Ausgestaltung der Ämter zum (materiellen) Gemeindeverband infolge einer offenen Aufgabenzuweisung einem von ihm unmittelbar nicht mehr steuerbaren dynamischen Prozess, so hat er Vorkehrungen zu treffen, mit denen er entweder dieser Entwicklung entgegenwirkt oder dass im Falle einer Entwicklung zum Gemeindeverband durch Aufgabenzuwachs unmittelbar eine gewählte Volksvertretung eingerichtet wird.

61

Eine gewählte Volksvertretung muss nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 3 Abs. 1 LV bereits bei der gesetzgeberischen Ausgestaltung einer Institution als Gemeindeverband vorgesehen sein. Gestaltet der Gesetzgeber eine Körperschaft selbst als Gemeindeverband aus, so ist er verpflichtet, zugleich eine unmittelbar vom Volk gewählte Vertretung einzurichten. Bei offenen Aufgabenzuweisungen ist es jedoch möglich, dass sich eine vom Gesetzgeber ursprünglich nicht als Gemeindeverband geschaffene Institution schleichend und vom Gesetzgeber unbemerkt zu einem (materiellen) Gemeindeverband entwickelt und spätestens damit die Pflicht zur Einrichtung einer unmittelbar gewählten Volksvertretung auslöst.

62

Würde man auch in diesen Fällen die Pflicht zur Einrichtung einer unmittelbar gewählten Volksvertretung erst ab dem Moment der (sicheren) Qualifizierung zum Gemeindeverband annehmen, bestünde die Gefahr, dass es zumindest vorübergehend materielle Gemeindeverbände ohne unmittelbar gewählte Volksvertretung gäbe. Die Einrichtung einer gewählten Volksvertretung erfordert nämlich eine gesetzliche Norm, welche zumindest ein entsprechendes Organ der Institution schafft und die wesentlichen, mit seiner Zusammensetzung zusammenhängenden Fragen regelt. Der Einführung einer Volkswahl durch die Institution selbst steht regelmäßig schon die abschließende gesetzliche Regelung in dem die Institution ausgestaltenden Gesetz entgegen, hier in § 9 AO.

63

Der Gesetzgeber müsste dafür aber von der möglichen Entwicklung zum Gemeindeverband erst einmal Kenntnis erlangen, er müsste diese prüfen, was – wie die Diskussion um die Ämter zeigt – nicht immer einfach ist, und er müsste ein Gesetzgebungsverfahren durchführen, um das die Institution ausgestaltende Gesetz zu ändern. Während dieses unter Umständen langen Zeitraums bestünde ein verfassungswidriger Zustand. Angesichts der fundamentalen Bedeutung der Art. 2 Abs. 1 und 2 und Art. 3 Abs. 1 LV als Grundentscheidungen der Verfassung für das Prinzip der Volkssouveränität, der repräsentativen Demokratie und des demokratischen Wahlverfahrens auch in den Gemeindeverbänden ist ein solcher Zustand auch nicht vorübergehend hinzunehmen. Überall dort, wo diese allgemeine Gewalt unmittelbar durch selbstständige, vom Staat weitgehend unabhängige Rechtsträger ausgeübt wird, soll eine aus allgemeinen Wahlen hervorgegangene Volksvertretung bestehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 - 2 BvK 1/78 – BVerfGE 52, 95 ff., Juris Rn. 63). Die Vorschriften sind deshalb nach ihrem Sinn und Zweck so auszulegen, dass bei einer offenen Zuweisung von Selbstverwaltungsaufgaben der Gesetzgeber bereits mit der Eröffnung der Aufgabenzuweisung Vorkehrungen zu treffen hat, um einer solchen Entwicklung zum materiellen Gemeindeverband entgegenzuwirken. Entscheidet er sich hierfür nicht, so trifft ihn spätestens dann die Pflicht, eine gewählte Volksvertretung einzurichten, wenn sich eine solche Entwicklung infolge erheblichen qualitativen und / oder quantitativen Aufgabenzuwachses abzeichnet.

64

2. Einen solchen, von ihm unmittelbar nicht mehr steuerbaren dynamischen Prozess mit der Möglichkeit einer Entwicklung der Ämter zu einem Gemeindeverband hat der Gesetzgeber mit der offenen Aufgabenzuweisung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AO eingeleitet. Weder enthält die Vorschrift selbst eine Grenze für die Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben auf die Ämter noch folgt eine solche aus anderen Gesetzen. Selbst aus der Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung (Art. 46 Abs. 1 LV) ergibt sich keine für die Anwender – die Ämter und Gemeinden und die Bürgerin und den Bürger – definierbare Grenze für die Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben, welche die schleichende Entwicklung der Ämter zu Gemeindeverbänden sicher verhindern würde.

65

a) Der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 AO lässt sich eine Grenze für die Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben auf die Ämter nicht im Wege der Auslegung entnehmen (vgl. von Mutius / Steinger , Die Gemeinde 1995, 231 <233>; Schliesky / Ernst / Schulz , Aufgabenbestand, Legitimationsbedarf und Entwicklungspotential der Ämter in Schleswig-Holstein, 2009, S. 35). Auch mittels einer einschränkenden Auslegung lässt sich das Anwachsen des Aufgabenbestandes der Ämter nicht so beschränken, dass damit die vom Gesetzgeber unbemerkte Entwicklung zu einem Gemeindeverband sicher ausgeschlossen wäre.

66

aa) Der Wortlaut der Vorschrift ist offen formuliert. Ihm lässt sich jedenfalls entnehmen („Selbstverwaltungsaufgaben“), dass die amtsangehörigen Gemeinden nicht auf die Übertragung einer einzelnen Aufgabe beschränkt sind, sondern mehrere Selbstverwaltungsaufgaben übertragen können (anders § 5 Abs. 4 Satz 1 der Brandenburgischen Amtsordnung: „einzelne Selbstverwaltungsangelegenheiten“, vgl. VerfG des Landes Brandenburg, Beschluss vom 21. Januar 1998 - 8/97 - Juris Rn. 28). Er bietet aber keine Anhaltspunkte für eine nach Umfang oder Qualität der übertragbaren Selbstverwaltungsaufgaben spezifizierte Grenze, auch nicht dahingehend, dass die Gemeinden nicht auch alle Selbstverwaltungsaufgaben durch Beschluss auf das Amt übertragen könnten.

67

bb) Gegen eine Auslegung in diese Richtung spricht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Sie wurde geschaffen durch das Gesetz zur Änderung der Amtsordnung für Schleswig-Holstein vom 24. Mai 1966 (GVOBl 1966, S. 91). Der Gesetzentwurf der Landesregierung (Landtags-Drucksache 646/5), der statt von „Selbstverwaltungsaufgaben“ noch von „Aufgaben zur Selbstverwaltung“ sprach, im Übrigen aber in § 5 Abs. 1 AO unverändert blieb, wurde wie folgt begründet (S. 14 des Entwurfs):
Über § 3 Abs. 1 hinaus ist durch Abs. 1 die Möglichkeit einer Übertragung der Trägerschaft von Selbstverwaltungsangelegenheiten (volle Übertragung, nicht nur deren Durchführung) geschaffen worden. Nach der bisher bestehenden Rechtslage war zur gemeinsamen Erfüllung von Aufgaben die Bildung von Zweckverbänden mit eigenen Organen und Haushaltsplan erforderlich. Es bedeutet eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung, wenn die Übertragung auf die bereits bestehende Institution des Amtes ermöglicht wird. (…)

68

In den Ausschussberatungen (Ausschuss für Innere Verwaltung) wurde diskutiert, ob die Ämter Gebietskörperschaften seien. Für diesen Fall hielt man eine von den Einwohnerinnen und Einwohnern des Amtes gewählte Amtsvertretung für erforderlich. Überwiegend wurde die Auffassung vertreten, dass die Ämter keine Gebietskörperschaften seien und man erörterte weiter, ob man eine Vorschrift aufnehmen sollte, die dies klarstellt (Niederschrift der 63. Sitzung vom 24. Februar 1966, S. 3-4). Anknüpfend hieran äußerte sich der Vorsitzende, der Abgeordnete Schoof , auch zu § 5 AO (Niederschrift S. 4-5):
Man werde sich allerdings, so fährt der Vorsitzende auf Grund eines Hinweises von Regierungsassessor Leonardy fort, bei der Beratung des neuen § 5 überlegen müssen, ob nicht die Zuweisung bestimmter neuer Aufgaben den Gedanken aufkommen lassen könnte, dass die Ämter Gebietskörperschaften sein müssten. Er bittet das Ministerium, sich bis dahin noch einmal eingehend mit der Frage der Gebietskörperschaft zu befassen.

69

Einen noch weitergehenden Entwicklungshorizont sah der Abgeordnete Konrad (Niederschrift S. 8):
Die innere Kraft eines solchen Amtes werde von der Aufgabenstellung her, die ihm mit den neuen §§ 3 und 5 eingeräumt werden soll, dazu führen, dass sich aus dem Amt eine Teilgemeinde entwickelt, die möglicherweise in 15 oder 20 Jahren in eine völlig neue Gemeinde einmündet.

70

Im Rahmen der Anhörung des Landkreistages und des Gemeindetages in der Sitzung vom 3. März 1966 sprach sich der Landkreistag dafür aus, dass nur alle Gemeinden eines Amtes gemeinsam die Übertragung einer Selbstverwaltungsaufgabe beschließen können sollten. Anknüpfend hieran kam der Ausschuss noch einmal auf die Auswirkungen der Übertragungsmöglichkeit zurück (Niederschrift S. 11):
Abg. Konrad bittet um Auskunft, ob die Verbände im Zusammenhang mit dem § 5 auch die Frage der rechtlichen Einordnung der Ämter behandelt haben, ob nach ihrer Meinung das Amt eine Gebietskörperschaft werde, wenn ihm alle Gemeinden alle ihre Aufgaben zur Selbstverwaltung übertragen, oder was das Amt sei, wenn ihm die Hälfte der Gemeinden alle ihre Aufgaben, die andere Hälfte aber nur bestimmte Aufgaben übertragen.
Der Geschäftsführer des Gemeindetages, Dr. Willing, erwidert, dass die Ämter mit der freiwilligen Übertragung - nicht nur der verwaltungstechnischen Durchführung - von Selbstverwaltungsaufgaben nach Ansicht des Gemeindetages noch nicht zu Gebietskörperschaften würden, dass sich das Amt auf diesem Wege aber zu einer engeren Gemeinschaft, möglicherweise zu einer Gebietskörperschaft entwickeln könne.

71

Die damit von einem Abgeordneten in den Raum gestellte Auffassung, dass sich mittels § 5 AO auch alle gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgaben auf die Ämter übertragen ließen, scheint im Ausschuss Konsens gewesen zu sein. Widerspruch gab es auch im Folgenden nicht.

72

Im Rahmen der Einzelberatung des § 5 AO kam man in der Sitzung vom 24. März 1966 noch einmal auf den Umfang der übertragbaren Selbstverwaltungsaufgaben zurück (Niederschrift S. 3):
Die Abg. Schoof und Thee bitten zu prüfen, ob nicht entsprechend dem Vorschlage des Landkreistages im § 5 Abs. 1 gesagt werden sollte, dass dem Amt über die Regelung des § 3 Abs. 1 hinaus nur einzelne Aufgaben zur Selbstverwaltung und dann auch nur von allen Gemeinden des Amtes übertragen werden können.
Ministerialdirigent Kujath erklärt, mit dem § 5 Abs. 1 der Regierungsvorlage solle den Gemeinden eines Amtes - sowohl mehreren als auch allen Gemeinden - die Möglichkeit geboten werden, bestimmte Aufgaben, wie z. B. den Wegebau, auf das Amt zu übertragen. Dadurch würden sie nicht mehr genötigt, zur Erledigung einer Spezialaufgabe einen Zweckverband zu gründen.
Der Vorsitzende, Abg. Schoof, stellt nach längerer Aussprache fest, dass es zunächst bei der von der Regierung vorgeschlagenen Fassung des § 5 Abs. 1 bleiben soll. Der Ausschuss betrachtet diese Bestimmung als eine Möglichkeit, von der die Gemeinden Gebrauch machen können; die Gemeinden könnten aber auch weiterhin Zweckverbände bilden. Auf Anregung des Abg. Konrad wird das Innenministerium gebeten zu prüfen, ob die Worte „Aufgaben zur Selbstverwaltung“ nicht durch das Wort „Selbstverwaltungsangelegenheiten“ - wie im § 5 Abs. 2 - oder durch eine andere, inhaltlich gleiche Bezeichnung ersetzt werden sollte.

73

In der Sitzung vom 14. April 1966 wurde die letztgenannte Änderung beschlossen (Niederschrift S. 3). Der am 3. Mai 1966 vom Ausschuss vorgelegte geänderte Entwurf (Landtags-Drucksache 736/5) wurde im Anschluss an die zweite Lesung am 16. Mai 1966 als Gesetz verabschiedet, ohne dass über § 5 Abs. 1 AO noch einmal diskutiert wurde (Protokolle S. 2219-2231).

74

Daran wird deutlich, dass zwar der Gesetzgeber zumindest zunächst von einer geringen, mit der Bildung von Zweckverbänden vergleichbaren Inanspruchnahme der Vorschrift ausging, also nur die Übertragung einzelner beziehungsweise weniger Selbstverwaltungsaufgaben auf die Ämter vor Augen hatte. Andererseits dachte er aber bereits an eine Bündelung von Aufgaben, denn ihm war gerade daran gelegen, die Gründung verschiedener Zweckverbände für jede einzelne Aufgabe zu vermeiden und stattdessen die Ansiedlung der Aufgaben bei einem ohnehin vorhandenen Amt zu ermöglichen. Eine Entwicklung der Ämter über die Zweckverbände hinaus wurde also durchaus gebilligt. Man hielt es sogar für möglich, dass Gemeinden alle ihre Selbstverwaltungsaufgaben auf das Amt übertragen könnten und war sich der Konsequenz, dass die Ämter dann einer gewählten Volksvertretung bedürften (wenngleich dies unter dem Gesichtspunkt Entwicklung zu einer Gebietskörperschaft, nicht zu einem Gemeindeverband, diskutiert wurde) bewusst. Auch wurde eine vom Landkreistag vorgeschlagene Grenze („nur einzelne Aufgaben“) in Erwägung gezogen und nicht eingefügt, wobei offen bleibt, ob dies einhellig so gewollt war oder man sich insoweit nicht einigen konnte („nach längerer Aussprache“). Damit spricht die Gesetzgebungsgeschichte gegen eine der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 AO immanente Grenze für die Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben.

75

cc) Sinn und Zweck von § 5 Abs. 1 Satz 1 AO verbieten es jedoch, durch einen Beschluss alle Selbstverwaltungsaufgaben der betroffenen Gemeinden auf das Amt zu übertragen. Denn die Ämter – und damit die Aufgabenübertragung auf sie – dienen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AO der Stärkung der Selbstverwaltung der amtsangehörigen Gemeinden und sollen sie nicht ersetzen (im Ergebnis ebenso: BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 - 2 BvK 1/78 - BVerfGE 52, 95 ff., Juris Rn. 85).

76

Abgesehen von diesem praktisch bisher nicht relevanten Fall scheidet eine teleologische Grenzziehung für die Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AO aber aus (a. A., jedoch ohne nähere Präzisierung der Grenzziehung: BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 a. a. O., Juris Rn. 85). Eine solche Auslegung der Vorschrift setzte nämlich voraus, dass eine präzise Grenzziehung überhaupt möglich ist. Ziel und Grenze einer jeden Auslegung ist die Präzisierung des Normgehalts. Sie hat sich gerade auch an den Normadressaten zu orientieren, hier in erster Linie den amtsangehörigen Gemeinden und den Ämtern. Ihnen wäre mit einer Auslegung, die ihrerseits nur dazu führen würde, dass die Gemeinden und Ämter bei einer Aufgabenübertragung in umfangreiche Abwägungsprozesse, ob die Grenze überschritten ist, eintreten müssten und sie auch anschließend in erheblicher Rechtsunsicherheit zurückließe, nicht gedient. Vielmehr bedürfte es einer konkreten und greifbaren Grenze, etwa dergestalt, dass aus einem Katalog festgelegter Selbstverwaltungsaufgaben nur eine bestimmte Zahl übertragen werden darf. Für eine solche Auslegung fehlt es bei § 5 Abs. 1 Satz 1 AO aber an jedem Anhaltspunkt. Sie vorzunehmen hieße, eine Grenze an Stelle des Gesetzgebers zu ziehen, anstatt sie aus dem gesetzgeberischen Willen abzuleiten.

77

b) Auch aus anderen Gesetzen ergibt sich eine solche Grenze für die Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben, welche die schleichende Entwicklung der Ämter zu Gemeindeverbänden sicher verhindern würde, nicht. Eine solche Grenze folgt insbesondere nicht aus der Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung (Art. 46 Abs. 1 LV).

78

Nach Art. 46 Abs. 1 LV sind die Gemeinden berechtigt und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, in ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen, soweit die Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen.

79

Hieraus folgt zunächst eine Pflicht der Gemeinden, bestehende Selbstverwaltungsaufgaben tatsächlich wahrzunehmen. Damit soll im Rahmen der Leistungsfähigkeit die tatsächliche Durchführung der Selbstverwaltungsaufgaben sichergestellt werden (vgl. Groth , in: Caspar / Ewer / Nolte / Waack , Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, Kommentar, 2006, Art. 46 Rn. 38). Dies steht einer Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben auf die Ämter nicht im Wege, weil dadurch das Amt zum Träger der Selbstverwaltungsaufgabe wird, die Verpflichtung der Gemeinde zu ihrer tatsächlichen Wahrnehmung mithin gerade entfällt.

80

Daneben folgt aus Art. 46 Abs. 1 LV für den Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung eine Pflicht, sich dieser Aufgaben nicht durch Übertragung auf Dritte derart zu entledigen, dass eine eigenverantwortliche, von echten politisch-demokratischen Gestaltungsmöglichkeiten geprägte Selbstverwaltung auf Gemeindeebene nicht mehr möglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - BVerwG 8 C 10/08 -, DVBl. 2009, 1382 <1383> = NVwZ 2009, 1305 <1306 f.>, Juris Rn. 27 und 29; Schliesky / Ernst / Schulz , Aufgabenbestand, Legitimationsbedarf und Entwicklungspotential der Ämter in Schleswig-Holstein, 2009, S. 132; Unruh , BayVBl. 1996, 225 <228 f.>; vgl. auch Steinger , Amtsverfassung und Demokratieprinzip, 1997, S. 87 für Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, und ders ., Demokratische Legitimation in den schleswig-holsteinischen Ämtern, in: Wewer , Demokratie in Schleswig-Holstein - Historische Aspekte und aktuelle Fragen, 1998, S. 464). Der unveräußerliche Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung muss allerdings nach bisher herrschendem Verständnis nur institutionell und nicht für einzelne Gemeinden gewahrt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 1987 - 2 BvR 826/83 - BVerfGE 76, 107 ff., Juris Rn. 38; Pieroth , in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland – Kommentar, 10. Aufl. 2009 , Art. 28 Rn. 22 m.w.N.).

81

Selbst wenn man darüber hinausgehend für jede einzelne Gemeinde verlangt, dass der unveräußerliche Kernbereich an gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgaben gewahrt werden muss, würde dies nicht verhindern, dass die Ämter einen den kommunalen Gebietskörperschaften vergleichbaren Bestand an Selbstverwaltungsaufgaben erlangen können. Abgesehen davon würde eine in § 5 Abs. 1 Satz 1 AO hineinzulesende verfassungsunmittelbare Grenze nicht die notwendige Normpräzisierung bewirken. Bis heute ist nämlich keine trennscharfe Abgrenzung des Kernbereichs der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie gelungen; insoweit bestehen keine Unterschiede zwischen der Selbstverwaltungs-garantie des Grundgesetzes und jener der Landesverfassung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 - 2 BvK 1/00 - BVerfGE 103, 332 ff., Juris Rn. 89). Es wird auch die Auffassung vertreten, dass eine Bestimmung nur anhand eines konkreten Eingriffs möglich ist ( Maunz ,in: ders. / Dürig , Grundgesetz – Kommentar – Band IV, 54. Erg.Lfg. 2009, Art. 28 Rn. 53) oder dass der Kernbereich sogar undefinierbar ist ( Ossenbühl , Energierechtsreform und kommunale Selbstverwaltung, 1998, S. 53; sowie Dreier , in: ders. , Grundgesetz - Kommentar - Band II, 1998, Art. 28 Rn. 116; Püttner , Kommunale Selbstverwaltung, in: Isensee / Kirchhof , Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland - Band IV - Finanzverfassung - Bundesstaatliche Ordnung, 1990, S. 1171 ff., Rn. 20-25; Tettinger , in: Starck , Das Bonner Grundgesetz - Kommentar - Band 2, 4. Aufl., 2000, Art. 28 Rn. 191). Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehört zum Kernbereich beziehungsweise Wesensgehalt der gemeindlichen Selbstverwaltung kein gegenständlich bestimmter oder nach feststehenden Merkmalen bestimmbarer Aufgabenkatalog (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 u.a. - BVerfGE 79, 127 ff., Juris Rn. 47). Für die Normadressaten des § 5 Abs. 1 Satz 1 AO würden ihre Befugnisse also jedenfalls nicht klarer.

82

3. Zwar ist der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 5 Abs. 1 AO nicht davon ausgegangen, dass von dieser Vorschrift in einem so erheblichen Maße Gebrauch gemacht werden würde, dass sich infolge dessen die Ämter in absehbarer Zukunft zu Gemeindeverbänden entwickeln würden. Auch lag eine solche Entwicklung selbst 1979, als das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 24. Juli 1979 - 2 BvK 1/78 – BVerfGE 52, 95 ff.) über die Qualifizierung der Ämter zu entscheiden hatte, noch in weiter Ferne. Jedoch trifft ihn schon dann eine Nachbesserungspflicht, sobald eine solche Inanspruchnahme der Übertragungsmöglichkeit festzustellen ist, dass eine Entwicklung der Ämter zu Gemeindeverbänden nicht mehr auszuschließen ist.

83

Ein zunächst verfassungsmäßiges Gesetz kann im Laufe der Zeit verfassungswidrig werden, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse, auf die es einwirkt, grundlegend gewandelt haben oder sich die beim Erlass des Gesetzes verfassungsrechtlich unbedenkliche Einschätzung seiner künftigen Wirkungen später als ganz oder teilweise falsch erweist. Die Bindung des Gesetzgebers an die verfassungsmäßige Ordnung umfasst nämlich auch die Verantwortung dafür, dass die Gesetze in Übereinstimmung mit der Verfassung bleiben. Für den Gesetzgeber besteht in diesem Fall eine Nachbesserungspflicht (stRspr., vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90 u.a. - BVerfGE 88, 203 ff., Juris Rn. 307-310; s. auch Beschlüsse vom 18. Dezember 1968 - 1 BvL 5/64 u.a. - BVerfGE 25, 1 ff., Juris Rn. 28; und vom 14. Januar 1981 - 1 BvR 612/72 - BVerfGE 56, 54 ff., Juris Rn. 62; Urteil vom 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 u.a. - BVerfGE 92, 365 ff., Juris Rn. 130; Beschluss vom 18. Februar 1998 - 1 BvR 1318/86 u.a. - BVerfGE 97, 271 ff., Juris Rn. 88; und Urteil vom 31. Mai 2006 - 2 BvR 1673/04 u.a. - BVerfGE 116, 69 ff., Juris Rn. 64; ausdrücklich für den Schleswig-holsteinischen Gesetzgeber: Urteil vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 - BVerfGE 1, 208 ff., Juris Rn. 164 ff.).

84

a) In diesem Sinne stellt es eine grundlegende Wandlung der tatsächlichen Verhältnisse dar, wenn auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Satz 1 AO den Ämtern Selbstverwaltungsaufgaben von solchem Umfang und Gewicht übertragen werden, dass sie sich den kommunalen Gebietskörperschaften immer mehr annähern und deshalb die Möglichkeit besteht, dass sie sich zu Gemeindeverbänden entwickeln. Es handelt sich dabei um eine fremdbestimmte Entwicklung, auf die der Gesetzgeber - von der Schaffung der normativen Grundlage abgesehen - keinen Einfluss mehr hat. Ob es sich um eine grundlegende Wandlung handelt, ist in Bezug auf den konkreten verfassungsrechtlichen Rahmen festzustellen. Dieser ergibt sich auf der einen Seite aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 3 Abs. 1 LV und damit aus der dann den Ämtern als materielle Gemeindeverbände fehlenden demokratischen Legitimation für ihr hoheitliches Handeln. Er ergibt sich auf der andern Seite - als Kehrseite - aus Art. 46 Abs. 1 LV und damit aus der bei den Gemeinden damit einhergehenden Verletzung ihrer kommunalen Selbstverwaltungsgarantie.

85

b) Die Voraussetzungen der zweiten, eine Nachbesserungspflicht auslösenden Variante, dass sich eine beim Erlass des Gesetzes verfassungsrechtlich unbedenkliche Einschätzung seiner künftigen Wirkungen später als ganz oder teilweise falsch erweist, sind dann erfüllt, wenn die Annahme des Gesetzgebers, es werde nur eine geringe, mit der Bildung von Zweckverbänden vergleichbare Inanspruchnahme der Vorschrift geben, nicht mehr zutrifft. Dies ist der Fall, wenn nicht mehr nur die Übertragung einzelner bzw. weniger Selbstverwaltungsaufgaben auf die Ämter erfolgt, sondern wenn auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Satz 1 AO den Ämtern Selbstverwaltungsaufgaben von solchem Umfang und Gewicht übertragen werden, dass sie sich den kommunalen Gebietskörperschaften immer mehr annähern.

86

c) Zu diesen Ausführungen steht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 1979 - 2 BvK 1/78 – (BVerfGE 52, 95 ff.) nicht im Widerspruch. Sie brauchte sich nämlich nicht näher damit zu befassen, ob die Amtsordnung erst verfassungswidrig wird, wenn die Entwicklung der Institution Amt zum Gemeindeverband im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 LV sicher abgeschlossen ist oder ob dies auch schon vorher in Betracht kommt, wenn eine solche Entwicklung sicher absehbar wird und nicht mehr ausgeschlossen werden kann, dass sie schon abgeschlossen ist. Im Jahr 1979 war nach den vom Bundesverfassungsgericht getroffenen Feststellungen die Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben auf die Ämter erst so rudimentär ausgeprägt, dass eine Entwicklung der Ämter zu Gemeindeverbänden nicht absehbar war und von einer grundlegenden Wandlung der Verhältnisse seit der Schaffung des § 5 Abs. 1 Satz 1 AO noch keine Rede sein konnte. Die ursprüngliche Einschätzung des Gesetzgebers traf nach wie vor zu. In mehr als der Hälfte der Ämter hatte überhaupt keine Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben stattgefunden und in den übrigen Fällen handelte es sich regelmäßig nur um einzelne Aufgaben und zwar um solche, die schon früher häufig auf Zweckverbände übertragen wurden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 a. a. O., Juris Rn. 85).

87

4. Eine solche grundlegende, eine Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers auslösende Wandlung der Verhältnisse ist mittlerweile eingetreten. Es ist davon auszugehen, dass sich erste Ämter nach Umfang und Gewicht der von ihnen wahrzunehmenden Selbstverwaltungsaufgaben Gemeindeverbänden jedenfalls annähern. Auch lässt sich die Annahme des Gesetzgebers, es werde nur eine geringe Inanspruchnahme der Aufgabenübertragung auf die Ämter erfolgen, mit der eingetretenen Entwicklung nicht mehr in Einklang bringen.

88

a) Eine Bestimmung, ob eine Vergleichbarkeit der Ämter mit den kommunalen Gebietskörperschaften erreicht ist, ist mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden. Der Gesetzgeber hat trotz Schaffung der entwicklungsoffenen Norm des § 5 Abs. 1 Satz 1 AO bislang keine hinreichenden prozeduralen Vorkehrungen geschaffen, um die Entwicklung der Aufgabenübertragungen sicher im Auge zu behalten, obwohl ihn auch aus Art. 46 Abs. 3 LV eine Prozessbeobachtungspflicht trifft, aufgrund der er der Kommunalaufsicht hierzu geeignetere Instrumentarien an die Hand zu geben hätte. Aber selbst wenn man die derzeitige gesetzliche Ausgestaltung der Kommunalaufsicht insoweit für ausreichend hielte, ist nach dem Inhalt der mündlichen Verhandlung festzustellen, dass tatsächlich eine solche Beobachtung nicht erfolgt und dem Land daher nicht bekannt ist, in welchem Maße den einzelnen Ämtern Selbstverwaltungsaufgaben übertragen wurden.

89

b) Für die Ermittlung der tatsächlich auf die Ämter übertragenen Selbstverwaltungsaufgaben kommen deshalb nur Anfragen an die Ämter oder die amtsangehörigen Gemeinden in Betracht. Aus Gründen der Praktikabilität werden allgemein die Ämter als für Anfragen am besten geeignet angesehen. Wie die bisherigen Untersuchungen gezeigt haben, stellt sich dabei jedoch das Problem, dass regelmäßig nicht alle Ämter antworten. Indessen sind Antworten aller Ämter entbehrlich, wenn sich bereits unter den Ämtern, deren Aufgabenbestand zuverlässig festgestellt ist, eines befindet, das nach Umfang und Gewicht den kommunalen Gebietskörperschaften vergleichbare Selbstverwaltungsaufgaben wahrnimmt (vgl. C. I. 4. b ).

90

aa) Allerdings wird die Zuverlässigkeit der Angaben seitens der Ämter angezweifelt. Bemängelt wird insbesondere, dass vielen Bearbeitern in den Ämtern die Differenzierung zwischen der Durchführung von Selbstverwaltungsaufgaben nach § 3 AO und der Wahrnehmung nach § 5 AO nicht bewusst gewesen sei, so dass viele diesbezügliche Angaben fehlerhaft seien.

91

Ebenfalls problematisch ist, dass es keinen fest umrissenen Katalog an Selbstverwaltungsaufgaben gibt, aus dem Aufgaben übertragen werden könnten und der zumindest bei einem Vergleich mit den amtsangehörigen Gemeinden eine gute Vergleichbarkeit von auf das Amt übertragenen und bei den Gemeinden verbliebenen Aufgaben ermöglichen würde. Für eine einheitliche Erfassung der Ämter muss deshalb notwendig vom Fragesteller ein Katalog vorgegeben werden, wobei durch den Grad der Feingliedrigkeit des Aufgabenkatalogs Einfluss auf die Zahl der als übertragen erfassten Aufgaben genommen werden kann.

92

Probleme bereitet auch die Bewertung eines festgestellten Befundes in quantitativer Hinsicht, da bisher offen ist, wo zahlenmäßig die Grenze für eine Vergleichbarkeit mit den kommunalen Gebietskörperschaften liegt, ja ob es eine solche überhaupt geben kann. In qualitativer Hinsicht stellt sich das Problem einer Bewertung der übertragenen und der von den Gemeinden selbst wahrgenommenen Selbstverwaltungsaufgaben. Stellt man hierbei auf den Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgaben ab, so erweist sich wiederum als problematisch, dass sich der Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung nicht abstrakt bestimmen lässt (vgl. C. II. 2. b < Rn. 81>).

93

bb) Ist deshalb in mehrfacher Hinsicht nur eine Annäherung möglich, so kann gleichwohl aufgrund der bisher vorliegenden Untersuchungen bereits jetzt festgestellt werden, dass die Entwicklung bei einzelnen Ämtern so weit fortgeschritten ist, dass sie sich nach Umfang und Gewicht der von ihnen wahrzunehmenden Selbstverwaltungsaufgaben Gemeindeverbänden jedenfalls annähern.

94

Auch wenn sich einzelne Ämter bei den Untersuchungen der Differenzierung zwischen der Durchführung von Selbstverwaltungsaufgaben nach § 3 AO und der Wahrnehmung nach § 5 AO nicht bewusst gewesen sein sollten, so ist doch ein größeres Maß an fehlerhaften Antworten fernliegend, zumal die Fragebögen danach differenziert haben. Stellt man weiter nur auf die typischen Selbstverwaltungsaufgaben unter ihren allgemein verwendeten schlagwortartigen Bezeichnungen ab, lassen sich die aus den Antworten ergebenden Zahlen durchaus verwerten. Hinsichtlich der Anzahl der übertragenen Selbstverwaltungsaufgaben werden schon Zahlen im einstelligen Bereich dann als problematisch angesehen, wenn alle Gemeinden die Aufgaben übertragen haben (vgl. von Mutius / Steinger, Die Gemeinde SH 1995, 231 <234> und Steinger , Amtsverfassung und Demokratieprinzip, 1997, S. 91: nicht mehr als drei, wenn alle Gemeinden die Aufgaben übertragen haben; OVG Schleswig, Beschluss vom 25. Juli 2006 - 2 LA 5/06 -, unveröffentlicht, S. 3-4: klärungsbedürftig, wenn mindestens sechs oder mehr Selbstverwaltungsaufgaben übertragen sind; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. Juni 2001 - VerfGH 28/00 und 30/00 -, DVBl. 2001, 1595 <1596>: überschritten bei den nordrhein-westfälischen Landschaftsverbänden, denen durch § 5 LVerbO-NRW je nach Lesart ca. zwölf bis fünfzehn Aufgaben übertragen sind).

95

Die Bewertung der bei den Ämtern befindlichen Selbstverwaltungsaufgaben muss vor dem Hintergrund der hier in Frage stehenden Verfassungsnormen erfolgen. Da Art. 2 Abs. 1 und 2 und Art. 3 Abs. 1 LV überall dort, wo hoheitliche Gewalt unmittelbar durch selbstständige, vom Staat weitgehend unabhängige Rechtsträger ausgeübt wird, eine aus allgemeinen Wahlen hervorgegangene Volksvertretung verlangen, kann es nur auf das der jeweiligen Selbstverwaltungsaufgabe innewohnende Maß an Entscheidungsverantwortung ankommen. Ein Indiz für ein hohes Maß an Entscheidungsverantwortung ist der Grad an planerischem Gestaltungsspielraum. Allerdings kann auch eine sich auf ein „Ob“ reduzierende Entscheidung von solcher Bedeutung sein, dass eine hohe Entscheidungsverantwortung besteht (in diese Richtung: von Mutius / Steinger , a. a. O. S. 234; Steinger , a. a. O., S. 91-92; Schliesky , Amt-Gemeinde-Untersuchung 2002, in: Schleswig-Holsteinischer Gemeindetag , Arbeitsheft 19, 2004, S. 9 <23-24>; das Kriterium ist im Wesentlichen deckungsgleich mit dem von der Landesregierung befürworteten Kriterium des Entscheidungsgehalts).

96

cc) Heute spricht vor diesem Hintergrund vieles dafür, dass die Institution Amt bereits als Gemeindeverband im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 LV zu qualifizieren ist. Schon von denjenigen Ämtern, die im Zuge der Großen Anfrage der Antragsteller geantwortet haben, nehmen mehrere Ämter eine zweistellige Zahl von ausdrücklich durch Beschluss nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AO übertragenen Selbstverwaltungsaufgaben wahr. Diese Ämter haben beim Ausfüllen der Fragebögen ausnahmslos zwischen der Wahrnehmung der Aufgabe überhaupt und der Wahrnehmung aufgrund eines Übertragungsbeschlusses differenziert, so dass die Angaben zuverlässig erscheinen. Mit der Wahrnehmung von wenigstens zehn Selbstverwaltungsaufgaben heben sich diese Ämter jedenfalls deutlich vom Zweckverband ab, welchen der Verfassungsgeber als negative Begrenzung des Gemeindeverbandes im Auge hatte (siehe C. I. 2 ).

97

Hinsichtlich der Qualität der Selbstverwaltungsaufgaben ist festzustellen, dass sich unter den übertragenen Aufgaben nicht nur solche finden, bei denen es schwerpunktmäßig um die technische Durchführung geht, wo also nur geringe Entscheidungsspielräume bestehen, sondern auch echte Planungsaufgaben. So sind dem Amt Süderbrarup von allen amtsangehörigen Gemeinden die Flächennutzungsplanung, die Landschaftsplanung, die Wirtschaftsförderung und die Ländliche Struktur- und Entwicklungsanalyse übertragen sowie von den meisten amtsangehörigen Gemeinden die Dorfentwicklungsplanung. Das sind für die Bürgerin und den Bürger bedeutsame und damit gewichtige Selbstverwaltungsaufgaben. Dem Amt Geltinger Bucht wurden die Ländliche Struktur- und Entwicklungsanalyse und die Wirtschaftsförderung von allen Gemeinden übertragen sowie von einem Drittel der Gemeinden die Dorfentwicklungsplanung, ebenso dem Amt Südangeln. Dem Amt Hürup wurden die drei vorgenannten Aufgaben von allen amtsangehörigen Gemeinden übertragen. Ausweislich der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Antragsteller (Landtags-Drucksache 16/2324, S. 7) haben sogar erste förmliche Übertragungen der Bebauungsplanung stattgefunden.

98

c) Aber selbst wenn man die Ergebnisse dieser Untersuchungen außer Betracht lassen will, ist jedenfalls festzustellen, dass der Bestand der Ämter an Selbstverwaltungsaufgaben nach Qualität und Quantität gegenüber dem Bestand 1979 deutlich zugenommen hat und dass sich die Ämter den Gemeinden und Kreisen insoweit immer weiter annähern. Dieser Befund ist bei den kommunalen Verbänden und in der Literatur auch unstreitig (neben den Antragstellern, dem Schleswig-Holsteinischen Gemeindetag, dem Städteverband Schleswig-Holstein und dem Schleswig-Holsteinischen Landkreistag auch Arndt , Die Gemeinde SH 2007, 315 <315 f.>; Borchert , Die Gemeinde SH 1994, 3 <10>; Bracker , Amtsordnung für Schleswig-Holstein - Kommentar, in: Bülow / Erps / Schliesky / von Allwörden , Kommunalrecht Schleswig-Holstein - Kommentare - Band II, Stand: 34. Nachlieferung, 2009, § 1 Erl. 1; Ernst , Das Zweite Verwaltungsstrukturformgesetz und seine kommunalrechtlichen Auswirkungen, Die Gemeinde SH 2007, 307 <309>; Groth , in: Caspar / Ewer / Nolte / Waack , Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, Kommentar, 2006, Art. 46 Rn. 47; von Mutius / Steinger , Die Gemeinde SH 1995, 231 <233 f.>; Schliesky , Amt-Gemeinde-Untersuchung 2002, in: Schleswig-Holsteinischer Gemeindetag , Arbeitsheft 19, 2004, S. 62-65; Schliesky / Ernst / Schulz , Aufgabenbestand, Legitimationsbedarf und Entwicklungspotential de Ämter in Schleswig-Holstein, 2009, S. 56-58, 105; Steinger , Amtsverfassung und Demokratieprinzip, 1997, S. 91-92; ders. , Demokratische Legitimation in den schleswig-holsteinischen Ämtern, in: Wewer , Demokratie in Schleswig-Holstein - Historische Aspekte und aktuelle Fragen, 1998, S. 462 f.; Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Gutachten zum Entwurf des Zweiten Verwaltungsstrukturreformgesetzes, Landtags-Umdruck 16/1596, S. 10 f.). Für ein Ende dieser Entwicklung oder gar die Wende zu einer gegenläufigen Entwicklung aufgrund von Rückübertragungen nach § 5 Abs. 2 AO, welche weiterhin kaum vorkommen, bestehen keine Anhaltspunkte. Es ist auch zu vermuten, dass die äußeren Rahmenbedingungen die festgestellte Entwicklung eher noch weiter begünstigen werden. Der Gemeindetag und der Landkreistag nennen eine immer stärker zunehmende Verrechtlichung und Verkomplizierung der Entscheidungsgrundlagen und Rahmenbedingungen des Verwaltungshandelns durch Gesetzgebung und Rechtsprechung, die dazu führen, dass die Aufgaben von der ehrenamtlichen Gemeindevertretung immer schwieriger bewältigt werden können (ebenso: Schliesky / Ernst / Schulz , a. a. O., S. 99). Auch ist eine Rückübertragung auf die dann nicht mehr auf die Aufgabenwahrnehmung eingerichtete Gemeinde mit erheblichen praktischen (vgl. Schliesky / Ernst / Schulz , a. a. O., S. 118) und den rechtlich hohen Hürden des § 5 Abs. 2 AO verbunden. Bereits diese, mit der ursprünglichen Einschätzung des Gesetzgebers, es werde nur wenige Aufgabenübertragungen geben, nicht mehr in Einklang zu bringende Entwicklung löst die Pflicht zur Einrichtung einer unmittelbar gewählten Volksvertretung auf Amtsebene aus.

III.

99

Das Erfordernis einer gewählten Volksvertretung nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 3 Abs. 1 LV betrifft bei den Ämtern in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung den Amtsausschuss, der in seiner derzeitigen Zusammensetzung (§ 9 AO) keine gewählte Volksvertretung ist.

100

1. Aus dem Sinn und Zweck des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 LV und des ihn ergänzenden Art. 3 Abs. 1 LV folgt, dass das zentrale Beschlussorgan der jeweiligen Körperschaft aus einer Volkswahl hervorgehen muss. Die Volkswahl ist Ausdruck der Grundentscheidungen der Verfassung für die Prinzipien der Volkssouveränität und der repräsentativen Demokratie. Ihre Aufgabe ist es, der jeweiligen Körperschaft die notwendige demokratische Legitimation für die Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben zu verschaffen. Das betrifft sowohl die personelle Legitimation als auch die materielle Legitimation. Bei der zu wählenden Volksvertretung muss es sich deshalb um das nächste Glied der beim Volk beginnenden Legitimationskette handeln, von der die weiteren Amtsträger der Körperschaft (sofern nicht selbst vom Volk gewählt) ihre personelle Legitimation ableiten. Und es muss sich um das Organ handeln, das die für die Körperschaft grundlegenden und besonders wichtigen Entscheidungen trifft und die anderen Organe und Amtsträger bei der Umsetzung dieser Entscheidungen kontrolliert, mithin wie bei Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG um die „zentrale Führungsinstanz“ (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 1978 - 2 BvR 134/76 u.a. - BVerfGE 47, 253 ff., Juris Rn. 46).

101

2. In den Ämtern in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung handelt es sich dabei um den Amtsausschuss. Der Amtsausschuss trifft alle für das Amt wichtigen Entscheidungen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AO). Er wählt die Amtsvorsteherin oder den Amtsvorsteher (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AO) und in hauptamtlich verwalteten Ämtern die Amtsdirektorin oder den Amtsdirektor (§ 15b Abs. 1 AO). Amtsvorsteherin oder Amtsvorsteher beziehungsweise Amtsdirektorin oder Amtsdirektor leiten die Verwaltung nach den Grundsätzen und Richtlinien des Amtsausschusses und im Rahmen der von ihm bereitgestellten Mittel. Sie bereiten die Beschlüsse des Amtsausschusses vor und führen sie durch (§§ 13, 15a, 15b AO).

102

3. Der Amtsausschuss ist derzeit keine gewählte Volksvertretung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 LV. Er setzt sich zusammen aus den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der amtsangehörigen Gemeinden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 AO) und weiteren Mitgliedern (§ 9 Abs. 1 Satz 2 AO). Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GO werden amtsangehörige Gemeinden, die nicht die Geschäfte des Amtes führen, ehrenamtlich verwaltet; die oder der Vorsitzende der Gemeindevertretung ist für die Dauer der Wahlzeit ehrenamtliche Bürgermeisterin beziehungsweise ehrenamtlicher Bürgermeister. Die oder der Vorsitzende der Gemeindevertretung wird nach § 33 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 GO von der Gemeindevertretung aus ihrer Mitte gewählt, mithin nicht unmittelbar vom Volk. Auch die weiteren Mitglieder des Amtsausschusses werden gemäß § 9 Abs. 2 AO von den Gemeindevertretungen gewählt. § 9 AO regelt die Zusammensetzung des Amtsausschusses abschließend und lässt eine Volkswahl auch für den Fall nicht zu, dass sich die Institution Amt zum Gemeindeverband entwickelt.

IV.

103

Der Verstoß von § 5 Abs. 1 Satz 1 und § 9 AO gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 3 Abs. 1 LV lässt sich nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung ausräumen. Er führt jedoch nicht zur Nichtigkeit dieser Vorschriften, sondern zur Erklärung ihrer Unvereinbarkeit mit der Landesverfassung mit der Folge, dass § 5 Abs. 1 Satz 1 AO nur noch anwendbar bleibt, soweit er die Rechtsgrundlage für bereits erfolgte Übertragungen bildet. Neue Übertragungen sind bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber unzulässig. § 9 AO bleibt weiter anwendbar. Der Gesetzgeber ist bis zum 31. Dezember 2014 zu einer Neuregelung verpflichtet.

104

1. Der Widerspruch der §§ 5 Abs. 1 Satz 1 und 9 AO mit der Landesverfassung lässt sich nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung ausräumen. Um den Widerspruch zu beseitigen, müsste eine verfassungskonforme Auslegung des § 9 AO dahin gehen, eine Direktwahl der Amtsausschussmitglieder generell oder ab einem im konkreten Amt vorhandenen Niveau an Selbstverwaltungsaufgaben vorzusehen. Das lässt die in § 9 AO enthaltene detaillierte Regelung der Zusammensetzung des Amtsausschusses nicht zu. In die Norm eine Direktwahl hineinzuinterpretieren, bewegte sich nicht mehr innerhalb der dort getroffenen gesetzgeberischen Grundentscheidung, die gerade eine mittelbare demokratische Legitimation des Amtsausschusses vorsieht. Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes in Widerspruch treten würde. Im Wege der verfassungskonformen Auslegung darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1985 - 1 BvL 44/83 - BVerfGE 71, 81 ff., Juris Rn. 56; vom 26. April 1994 - 1 BvR 1299/89 u.a. - BVerfGE 90, 263 ff., Juris Rn. 38; und vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 ff., Juris Rn. 93, jeweils m.w.N., stRspr.).

105

Auch eine verfassungskonforme Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 AO, wie sie vom Landtag befürwortet wird, ist nicht möglich. Sie setzte voraus, dass eine Deutung der Vorschrift möglich ist, welche den amtsangehörigen Gemeinden eine konkrete Grenze für die Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben setzt, die die schleichende Entwicklung der Ämter zu materiellen Gemeindeverbänden verhindert. Grenze für die verfassungskonforme Auslegung ist der ordnungsgemäße Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 a. a. O.). Mittels dieser Methoden lässt sich eine solche Grenze gerade nicht bestimmen (siehe C. II. 2. ). Auch der Landtag zeigt nicht auf, wie die von ihm noch für verfassungsgemäß gehaltene Auslegung der Norm konkret aussehen soll.

106

2. Die Verfassungswidrigkeit gesetzlicher Vorschriften führt im Regelfall zwar zu deren Nichtigkeit (§ 42 Satz 1, vgl. auch § 46 Satz 2 und § 48 LVerfGG). Ausnahmsweise sind die Vorschriften jedoch nur für unvereinbar mit der Landesverfassung zu erklären. Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Rechtsprechung zur Unvereinbarkeitserklärung ist auf die Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht übertragbar. Danach ist eine bloße Erklärung der Unvereinbarkeit mit der Landesverfassung geboten, wenn der Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten hat, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, um so der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. Mai 1970 - 1 BvL 17/67 - BVerfGE 28, 227 ff., Juris Rn. 49; und vom 7. Juli 1982 - 2 BvL 14/78 u.a. - BVerfGE 61, 43 ff., Juris Rn. 64; Urteil vom 14. Juli 1986 - 2 BvE 2/84 u.a. - BVerfGE 78, 350 ff., Juris Rn. 179; Beschlüsse vom 21. Juni 1988 - 2 BvR 638/84 - BVerfGE 73, 40 ff., Juris Rn. 39; vom 29. Mai 1990 -1 BvL 20/84 u.a. - BVerfGE 82, 60 ff., Juris Rn. 133; vom 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 u.a. - BVerfGE 87, 153 ff., Juris Rn. 88; vom 22. Juni 1995 - 2 BvL 37/91 - BVerfGE 93, 121 ff., Juris Rn. 80; und vom 22. Juni 1995 - 2 BvR 552/91 - BVerfGE 93, 165 ff., Juris Rn. 38, stRspr.).

107

Die Verfassungswidrigkeit folgt daraus, dass aufgrund des materiellen Gemeindeverbandsbegriffs der Landesverfassung § 5 Abs. 1 Satz 1 AO und § 9 AO nicht mehr miteinander harmonieren, weil angesichts der Möglichkeit, dass sich die Ämter zu Gemeindeverbänden entwickeln, möglicherweise schon entwickelt haben, ihre demokratische Legitimation nicht ausreicht oder umgekehrt angesichts ihrer nur mittelbaren demokratischen Legitimation eine weitere Entwicklung der Ämter hin zu Gemeindeverbänden, mithin die unbegrenzte Übertragungsmöglichkeit von Selbstverwaltungsaufgaben nicht zulässig ist. Dem Gesetzgeber steht es frei, wie er diese Diskrepanz auflöst. So könnte er unter anderem in § 5 Abs. 1 Satz 1 AO eine Grenze für die Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben nach Quantität und Qualität einfügen. Er könnte auch in § 9 AO die Zusammensetzung des Amtsausschusses ändern und anordnen, dass seine Mitglieder vom Volk gewählt werden. Denkbar wäre weiter, dass er eine differenzierende Lösung vorsieht, wonach in Ämtern (erst) ab einem konkret bestimmten Maß an übertragenen Aufgaben die Ausschussmitglieder vom Volk zu wählen sind; er könnte also die Institution Amt in zwei Arten von Ämtern spalten. Weitere Handlungsalternativen des Gesetzgebers sind hier nicht aufzuzeigen, da bereits die genannten Möglichkeiten zeigen, dass die Vorschriften nur mit der Landesverfassung für unvereinbar zu erklären sind.

108

3. Die Unvereinbarkeitserklärung hat grundsätzlich zur Folge, dass die betroffenen Normen in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang nicht mehr angewendet werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 1974 - 1 BvL 22/71 u.a. - BVerfGE 37, 217 ff., Juris Rn. 127; Urteile vom 3. November 1982 - 1 BvR 620/78 u.a. - BVerfGE 61, 319 ff., Juris Rn. 101; und vom 14. Juli 1986 - 2 BvE 2/84 u.a. - BVerfGE 73, 40 ff., Juris Rn. 180, stRspr.). Ausnahmsweise sind verfassungswidrige Vorschriften aber ganz oder teilweise weiter anzuwenden, wenn die Besonderheit der für verfassungswidrig erklärten Norm es aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere aus solchen der Rechtssicherheit, notwendig macht, die verfassungswidrige Vorschrift als Regelung für die Übergangszeit fortbestehen zu lassen, damit in dieser Zeit nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 1974 a. a. O., Juris Rn. 128; Urteil vom 3. November 1982 a. a. O.; und Beschluss vom 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 u.a. - BVerfGE 87, 153 ff., Juris Rn. 88).

109

a) So verhält es sich mit § 9 AO. Die hierdurch vermittelte demokratische Legitimation des Amtsausschusses genügt zwar mittlerweile nicht mehr den Anforderungen der Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 3 Abs. 1 LV, verschafft den Ämtern aber im Selbstverwaltungsbereich immerhin ein beträchtliches Maß an mittelbarer demokratischer Legitimation. Die Vorschrift nicht mehr anzuwenden, entzöge den Ämtern im Selbstverwaltungsbereich jegliche personelle demokratische Legitimation. Das wäre mit der Intention des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 LV schlechterdings unvereinbar.

110

b) Ferner muss § 5 Abs. 1 Satz 1 AO insofern anwendbar bleiben, als er die Rechtsgrundlage für bis einschließlich 26. Februar 2010 erfolgte Übertragungen bildet. Andernfalls wären sämtliche bisherigen Übertragungen nichtig, wobei dann noch der genaue Zeitpunkt festzustellen wäre, ab dem die Entwicklung zu einer Nachbesserungspflicht geführt hatte. Damit fielen ab diesem Zeitpunkt sämtliche Selbstverwaltungsaufgaben ohne Übergangsfrist auf die Gemeinden zurück. Dies würde die ordnungsgemäße Wahrnehmung dieser Selbstverwaltungsaufgaben gefährden.

111

Neue Übertragungen sind demgegenüber bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber unzulässig.

112

Die Möglichkeiten nach § 3 AO bleiben unberührt.

113

5. Als angemessene Frist zur Beseitigung der verfassungswidrigen Rechtslage kommt grundsätzlich die Dauer einer Legislaturperiode in Betracht ( Lechner / Zuck , Bundesverfassungsgerichtsgesetz - Kommentar, 5. Aufl., 2006, § 78 Rn. 11 m.w.N.). Das erscheint auch vorliegend angemessen. Dementsprechend hat sich die bis zum 31. Dezember 2014 gesetzte Frist an Art. 13 Abs. 1 Satz 1 LV orientiert.

114

Anlass, darüber zu entscheiden, welche Rechtsfolgen bei Verstreichen der Frist eintreten, besteht derzeit nicht, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Gesetzgeber nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist tätig werden wird.

115

6. Für die Neuregelung ist auf Folgendes hinzuweisen:

116

a) Entschließt sich der Gesetzgeber dafür, die Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben auf die Ämter zu beschränken, um die Entwicklung der Ämter zu Gemeindeverbänden aufzuhalten, obliegt es zunächst ihm, die Voraussetzungen für die Entwicklung zum Gemeindeverband nach Umfang und Gewicht der übernommenen Selbstverwaltungsaufgaben innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens der Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 3 Abs. 1 LV zu konkretisieren. Nach den Ausführungen zur Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 AO (siehe C. II. 2. ) wird dies nur mittels Aufstellung eines Kataloges an Selbstverwaltungsaufgaben möglich sein. Eine abstrakte Kernbereichssperre (erwogen von Schliesky / Ernst / Schulz , Aufgabenbestand, Legitimationsbedarf und Entwicklungspotential der Ämter in Schleswig-Holstein, 2009, S. 132 f.) erscheint mangels hinreichender Bestimmbarkeit des Kernbereichs gemeindlicher Selbstverwaltung (siehe C. II. 2. b ) ungeeignet. Ein Katalog könnte auch Aufgaben mit mehr oder weniger Entscheidungsverantwortung abstufen. Die Ausgestaltung steht grundsätzlich im Ermessen des Gesetzgebers. Sofern der Gesetzgeber aber mit einer Zahl der übertragbaren Aufgaben den verfassungsrechtlichen Rahmen ausschöpfen will, ist darauf hinzuweisen, dass sich eine Zahl der gerade noch keine Qualifizierung als Gemeindeverband auslösenden Aufgaben nicht abstrakt bestimmen lässt, da sie von dem erst festzulegenden Aufgabenkatalog und einer etwaigen Qualitätsabstufung abhängt.

117

Gegebenenfalls können in einzelnen Ämtern Rückübertragungen – nicht notwendig von allen Selbstverwaltungsaufgaben (erwogen von Schliesky / Ernst / Schulz , a. a. O., S. 118) – erforderlich werden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Vorschrift des § 5 Abs. 2 AO, welche im vorliegenden Verfahren nicht zur Überprüfung stand, insofern verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, als sie Rückübertragungen nur unter engen Voraussetzungen zulässt. Wenn sich eine Gemeinde entschließt, eine vormals gemeindliche Selbstverwaltungsangelegenheit wieder selbst wahrzunehmen, ihrem Rückübertragungsverlangen aber die engen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 AO entgegenstehen, liegt darin ein Eingriff in ihr Recht aus Art. 46 Abs. 1 LV. Denn die Aufgabe, der sie sich nur freiwillig begeben hatte, fällt weiterhin in den Schutzbereich der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie. Einer Rechtfertigung im Sinne von § 46 Abs. 1 letzter Halbsatz LV dürfte schon entgegenstehen, dass die Amtsordnung insgesamt das Ziel verfolgt, die Selbstverwaltung der amtsangehörigen Gemeinden zu stärken (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AO), also ein Angebot an die Gemeinden darstellt und diesen nicht gegen ihren Willen Selbstverwaltungsaufgaben vorenthalten soll. Zur Erreichung dieses Ziels erscheint es nicht erforderlich, Rückübertragungsverlangen auf Fälle der Unzumutbarkeit zu beschränken. Unbedenklich erschiene demgegenüber eine Regelung wie in § 24 Abs. 1 Satz 2 AO, der für Rückübertragungen keine solche Einschränkung enthält.

118

b) Entschließt sich der Gesetzgeber zur Einführung einer Volkswahl auf Amtsebene, ist zu beachten, dass es sich um eine selbstständige Wahl handeln muss. Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 LV handelt das Volk durch seine „gewählten Vertretungen“ im Lande, in den Gemeinden und Gemeindeverbänden. Das bedeutet, dass jede der aufgeführten beziehungsweise unter den Sammelbegriff des Gemeindeverbandes fallenden Körperschaften über eine selbstständige, vom Volk gewählte Vertretung verfügen muss, so wie der Kreistag getrennt von den Gemeindevertretungen der kreisangehörigen Gemeinden gewählt wird. Eine nicht bloß zeitliche, sondern auch inhaltliche Kopplung der Wahl an die Wahlen der Mitglieder der Gemeindevertretungen oder der Bürgermeisterinnen beziehungsweise Bürgermeister der amtsangehörigen Gemeinden wie sie de facto bei der wieder abgeschafften Amtsversammlung vorgesehen war (und von Schliesky / Ernst / Schulz , a. a. O., S. 121-127, befürwortet wird), wäre mithin unzulässig. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Ämter keine Gebietskörperschaften sind und nicht von den Einwohnerinnen und Einwohnern des Amtsgebietes, sondern von den Gemeinden als juristische Personen getragen werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 - 2 BvK 1/78 – BVerfGE 52, 95 ff., Juris Rn. 74-76). Für die Wahl ihrer Volksvertretung wird diese bundkörperschaftliche Struktur nämlich von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 LV durchbrochen. Sie ist unmittelbare Folge der Anerkennung von Gemeindeverbänden, die nicht gebietskörperschaftlich aufgebaut sind.

119

Im Übrigen ist die Ausgestaltung des Wahlverfahrens im Rahmen des Art. 3 LV Sache des Gesetzgebers (vgl. Art. 3 Abs. 4 LV).

V.

120

Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 33 Abs. 4 LVerfGG). Eine Entscheidung über die Vollstreckung entfällt (§ 34 LVerfGG).

VI.

121

Das Urteil ist einstimmig ergangen.