Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 14. Nov. 2013 - L 1 RS 11/12

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2013:1114.L1RS11.12.0A
bei uns veröffentlicht am14.11.2013

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 27. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Feststellungen der Beklagten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem.

2

Der am ... 1945 geborene Kläger erwarb mit den Urkunden vom ... 1974 und vom ... 1981 die Titel Ingenieur und Fachingenieur für Schweißtechnik an der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik B. bzw. dem Zentralinstitut für Schweißtechnik der Deutschen Demokratischen Republik H ... Vom ... 1973 bis zum ...1974 war er als Ingenieur für maschinentechnische Ausrüstung, vom ... 1974 bis zum ... 1976 als Betriebsingenieur für Pipelines und vom ... 1976 bis zum ... 1987 als Abteilungsleiter Technik beim Volkseigenen Betrieb (VEB) M. S. tätig. Vom ... 1988 bis zum ... 1990 arbeitete er als Mitarbeiter für Energietechnik und Kraftwerkstechnik bei der Chemieberatungsstelle H. im VE Agrochemischen Kombinat P. Mit Überleitungsvertrag vom 24. bzw. 29. Januar 1990 übernahm der Kläger ab dem ... 1990 und jedenfalls bis zum 30. Juni 1990 die Position des Hauptabteilungsleiters Ethylenspeicher für den VEB M. S. Der VEB M. S. ging laut Eintragung im Register der volkseigenen Wirtschaft vom 06. November 1974 aus dem VEB M. H. hervor. Nach § 2 des Statuts des VEB M. H. vom 20. Juli 1966 hatte dieser folgende Aufgaben:

3

Transport von Erdöl und anderen Mineralölen durch das Rohrleitungssystem der Mineralölverbundleitung der Deutschen Demokratischen Republik,

4

Abstimmung mit den Leitungsbetrieben bzw. Verwaltungsorganen anderer Staaten, deren Rohrleitungen mit dem System der Mineralölverbundleitung der Deutschen Demokratischen Republik verbunden sind,

5

planmäßige und vorbeugende Instandhaltung aller in der Rechtsträgerschaft des VEB Mineralölverbundleitung befindlichen Rohrleitungen, Pumpstationen, Tanklager und sonstigen technischen Einrichtungen,

6

Vorbereitung und Durchführung von Investitionen als Investitionsträger für den weiteren Ausbau der Mineralölverbundleitung entsprechend dem wissenschaftlich-technischen Höchststand.

7

Rechtsnachfolgerin des VEB M. S. wurde mit Eintragung ins Handelsregister vom 11. Juli 1990 die M. GmbH (S.). Eine Versorgungszusage erhielt der Kläger nicht. Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung hat er nicht entrichtet.

8

Nachdem die Beklagte einen ersten Antrag des Klägers auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften mit bestandskräftigem Bescheid vom 01. April 2004 abgelehnt hatte, beantragte er am 30. Januar 2009 die Überprüfung dieser Entscheidung. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27. Februar 2009 mit der Begründung ab, dass es sich bei dem VEB M. S. nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb oder einen gleichgestellten Betrieb gehandelt habe. Die Entscheidung im Bescheid vom 01. April 2004 sei nicht zu beanstanden. Hiergegen legte der Kläger am 26. März 2009 Widerspruch ein. Der VEB M. S., Ethylenspeicher T., sei ein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen. Der Kavernenspeicher für Ethylen sei Bestandteil der integralen Olefinproduktion gewesen. Es habe ein kontinuierlicher Produktionsprozess mit Ausspeisung oder Einspeisung vorgelegen. Es habe eine unmittelbare Verknüpfung mit der Produktion der Erzeuger und Verarbeiter im Sinne eines Arbeitsspeichers gegeben. Zudem sei bei einem ihm unterstellten Ingenieur die Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz festgestellt worden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2009 als unbegründet zurück. Der ablehnende Bescheid vom 01. April 2004 sei rechtmäßig. Der Beschäftigungsbetrieb VEB M. S. sei der Wirtschaftsgruppe Rohrleitungsverkehr zugeordnet gewesen. In diesem Betrieb habe es keine industrielle Fertigung von Sachgütern oder Bauwerken gegeben.

9

Dagegen hat der Kläger am 22. Juli 2009 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Das SG hat von der Beklagten und von der Registerabteilung des Amtsgerichtes Frankfurt (Oder) Unterlagen zum VEB M. S. beigezogen. Sodann hat es die Klage mit Urteil vom 27. Januar 2012 abgewiesen. Im rechtlichen Sinne sei der VEB M. S. Arbeitgeber des Klägers gewesen. Der Ethylenkavernenspeicher, bei dem der Kläger tätig gewesen sei, sei kein rechtlich selbstständiger Betrieb gewesen. Bei dem VEB M. S. habe es sich nicht um einen Produktionsbetrieb gehandelt. Hauptaufgabe sei der Transport von Energieträgern durch das Rohrleitungssystem und Lagerung bzw. Bevorratung von Rohstoffen gewesen. Es handele sich auch nicht um einen gleichgestellten Betrieb, insbesondere um keinen Versorgungsbetrieb. Versorgungsbetriebe seien nach dem Verständnis der DDR nur diejenigen Betriebe gewesen, die Endverbraucher mit Gas, Wasser oder Energie versorgt hätten.

10

Gegen das am 24. Februar 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. März 2012, einem Montag, Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Der VEB M. S. sei im Wesentlichen für die Versorgung der Verarbeitungsbetriebe mit Rohstoffen verantwortlich gewesen. Dies betreffe insbesondere die Erdölversorgung. Seit 1972 habe es einen unterirdischen Speicher für die Ethylenanlage Böhlen gegeben. Das Ethylen sei durch den VEB Otto Grotewohl Böhlen produziert worden und über ein Rohrleitungssystem in den Untertagespeicher geliefert worden. Dort sei das Ethylen gelagert und gereinigt worden. Die Abgabe sei nach Leuna und Buna erfolgt.

11

Der Kläger beantragt,

12

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 27. Januar 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 01. April 2004 den Zeitraum vom 01. Januar 1971 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 27. Januar 2012 zurückzuweisen.

15

Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und macht diese zum Gegenstand ihres eigenen Sachvortrages.

16

Im Erörterungstermin am 30. Juli 2013 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Mit gerichtlicher Verfügung vom 05. August 2013 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Einbeziehung in ein Zusatz- oder Sonderversorgungssystem der DDR nur möglich sei, wenn zu Zeiten der DDR eine entsprechende Versorgungszusage erteilt worden sei. Eine fiktive Einbeziehung in ein Zusatz- oder Sonderversorgungssystem – wie dies der ehemalige 4. Senat und der jetzige 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) für möglich halte – scheide nach Auffassung des Senats aus.

17

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

18

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben.

19

Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2009 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Er hat nach § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheides vom 01. April 2004. Soweit sich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Der genannte Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hatte keinen Anspruch gegen die Beklagte, den Zeitraum vom 01. Januar 1973 bis zum 30. Juni 1990 als Zugehörigkeitszeit nach § 8 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG feststellen zu lassen.

20

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2, S. 11). Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Fall nicht stattgefunden.

21

Der Senat folgt zwar nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats und des jetzigen 5. Senats des BSG, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann. Aber auch nach dieser Rechtsprechung wären die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung des streitigen Zeitraums nicht erfüllt.

22

Danach hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR I, Nr. 93 S. 844 – im Folgenden: VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR I, Nr. 62 S. 487 – im Folgenden: 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für

23

Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und

24

die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar

25

in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

26

Der Kläger war allerdings am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt. Maßgeblicher Arbeitgeber ist hierbei der VEB M. S. Dies ergibt sich aus dem Überleitungsvertrag vom 24. bzw. 29. Januar 1990, mit dem der Kläger zum 01. Februar 1990 eine leitende Funktion für den VEB M. S. übernommen hat. Hierzu kann auf die zutreffenden Ausführungen des SG verwiesen werden (§ 153 Abs. 2 SGG). Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell gefertigt haben. Der Betrieb muss auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein (BSG, Urteile vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R – und vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R –; juris). Nach dem Statut des Rechtsvorgängers (Gesetzblatt der DDR Teil III Nr. 10 vom 20. Juli 1966), dem VEB M. H., war dieser mit dem Transport von Erdöl und anderen Mineralölen durch das Rohrleitungssystem, mit der Abstimmung mit den Leitungsbetrieben bzw. Verwaltungsorganen anderer Staaten, der planmäßigen und vorbeugenden Instandhaltung sowie der Vorbereitung und Durchführung von Investitionen als Investitionsträger im Bereich der Mineralölverbundleitung betraut. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der VEB M. S. einen anderen Betriebszweck hatte. In dem Untertageethylenspeicher T., welcher der konkrete Beschäftigungsort des Klägers war, sind ebenfalls keine Sachgüter produziert worden. Der Kläger hat hierzu selbst angegeben, dass das dort gespeicherte Ethylen durch den VEB Otto Grotewohl Böhlen produziert wurde. Auch die chemischen Betriebe in Leuna und Buna, an die das Ethylen abgegeben wurde, waren juristisch selbstständige Betriebe. Hieraus ergibt sich, dass der VEB M. S. lediglich mit der Weiterleitung und Speicherung von Energieträgern betraut war, was die Annahme eines volkseigenen Produktionsbetriebes ausschließt. Auch wenn der Kläger auf die enge tatsächliche Verknüpfung des Speichers mit den produzierenden und verarbeitenden Betrieben hinweist, so waren diese doch juristisch selbständige Einheiten, worauf es bei der Bewertung allein ankommt.

27

Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers war auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB. Insbesondere handelte es sich nicht um einen Versorgungsbetrieb im Sinne dieser Vorschrift. Wie das SG bereits zutreffend festgestellt hat, gehörten zu den gleichgestellten Versorgungsbetrieben (Energie) im Sinne der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz nur solche Wirtschaftseinheiten, die Energie leitungsgebunden an Konsumenten geliefert haben (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 – B 5 RS 3/10 R –; juris). Der VEB M. S. hat lediglich Industriebetriebe mit Energieträgern versorgt. Eine Lieferung an Konsumenten erfolgte nicht, so dass eine Gleichstellung ausscheidet.

28

Soweit der Kläger wiederholt darauf hinweist, dass andere Ingenieure aus seinem Beschäftigungsbetrieb eine positive Entscheidung seitens der Beklagten zur Überführung der Zusatzversorgungsanwartschaften erhalten haben, so führt dies zu keinem anderen Ergebnis, da zum einen der Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 3 des Grundgesetzes keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht beinhaltet (Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 12. September 2007 – 2 BVR 1413/06 –; juris) und zum anderen auch die Möglichkeit besteht, dass die betreffenden Mitarbeiter bereits zu Zeiten der DDR in ein Versorgungssystem einbezogen waren.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

30

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere weicht der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des BSG ab.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 14. Nov. 2013 - L 1 RS 11/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 14. Nov. 2013 - L 1 RS 11/12

Referenzen - Gesetze

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 14. Nov. 2013 - L 1 RS 11/12 zitiert 13 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 143


Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG | § 1 Geltungsbereich


(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Rege

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 157


Das Landessozialgericht prüft den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Es hat auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen.

Einigungsvertrag - EinigVtr | Art 19 Fortgeltung von Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung


Vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der Deutschen Demokratischen Republik bleiben wirksam. Sie können aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen dieses Vertrags unvereinbar sind. Im

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 14. Nov. 2013 - L 1 RS 11/12 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 14. Nov. 2013 - L 1 RS 11/12 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 19. Juli 2011 - B 5 RS 3/10 R

bei uns veröffentlicht am 19.07.2011

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Referenzen

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Das Landessozialgericht prüft den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Es hat auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten.

(2) Zusatzversorgungssysteme sind die in Anlage 1 genannten Systeme.

(3) Sonderversorgungssysteme sind die in Anlage 2 genannten Systeme.

Vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der Deutschen Demokratischen Republik bleiben wirksam. Sie können aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen dieses Vertrags unvereinbar sind. Im übrigen bleiben die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten unberührt.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten.

(2) Zusatzversorgungssysteme sind die in Anlage 1 genannten Systeme.

(3) Sonderversorgungssysteme sind die in Anlage 2 genannten Systeme.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Zeit vom 24.5.1973 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) einschließlich der dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

2

Der 1952 geborene Kläger erwarb an der Ingenieurschule das Recht, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (Urkunde vom 24.5.1973). Ab dem 1.9.1972 arbeitete er beim Volkseigenen Betrieb (VEB) W. N. zunächst als technischer Sachbearbeiter und ab dem 1.1.1974 als Ingenieur für Invest-Vorbereitung. In derselben Funktion war er ab Mitte 1975 für den VEB W. B. tätig. Vom 1.1.1976 bis zum 15.1.1978 fungierte er im VEB P. W. als Objektbauleiter und kehrte anschließend als Ingenieur für Investitionen zum VEB W. B. zurück. Von Mitte März 1981 bis Mitte August 1986 wurde er als Ingenieur für Bautechnik am Institut "P." eingesetzt und war danach bis Ende 1988 Objektingenieur AUS/TUL beim VEB E. Ab dem 1.1.1989 arbeitete er als Sektorenleiter in der Kombinatsleitung des VEB Kombinat M., der später in die M. Mineralölhandel AG umgewandelt wurde. Die AG wurde am 10.7.1990 in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen. Eine Versorgungszusage der AVItech erhielt er nicht. Den Antrag des Klägers, seine Zusatzversorgungsanwartschaften festzustellen und zu überführen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 19.11.2003 und Widerspruchsbescheid vom 11.2.2004).

3

Das SG Berlin hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.1.2005). Das LSG Berlin-Brandenburg hat die Berufung des Klägers am 21.11.2005 durch Urteil der Berichterstatterin als Einzelrichterin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Auf die Revision des Klägers hat das BSG dieses Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, weil die Voraussetzungen für eine Entscheidung der Berichterstatterin als Einzelrichterin nicht vorgelegen hätten (Urteil vom 23.8.2007 - B 4 RS 2/06 R - SozR 4-1500 § 155 Nr 1).

4

Mit Urteil vom 3.6.2010 hat das LSG die Berufung erneut zurückgewiesen: Der Kläger sei am 1.8.1991 keinesfalls Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft gewesen, obgleich er die persönliche und sachliche Voraussetzung dafür erfülle. Denn es fehle jedenfalls die betriebliche Voraussetzung, weil der Kläger am Stichtag (30.6.1990) weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch in einem gleichgestellten Betrieb iS des § 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl DDR 487) zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl DDR 844) gearbeitet habe. Dabei könne offenbleiben, ob rechtlicher Arbeitgeber des Klägers am Stichtag noch der VEB Kombinat M. oder schon die M. Mineralölhandel AG in Gründung (iG) gewesen sei: Der VEB Kombinat M. habe im Wesentlichen Kraft- und Schmierstoffe vertrieben und deshalb weder Sachgüter industriell hergestellt bzw seriell (an)gefertigt noch bauliche Anlagen in Massenproduktion errichtet. Dasselbe gelte für die M. Mineralölhandel AG iG, die schon wegen ihrer Rechtsform nicht zu den volkseigenen Betrieben gezählt habe. Im Übrigen seien weder der VEB Kombinat M. noch die M. Mineralölhandel AG iG gleichgestellte Versorgungsbetriebe (Gas bzw Energie) iS des § 1 Abs 2 der 2. DB gewesen. Nach dem maßgeblichen Sprachgebrauch am Ende der DDR hätten zu den Versorgungsbetrieben in den Bereichen Gas und Energie nur solche kommunalwirtschaftlichen Unternehmen gehört, die die öffentliche Versorgung mit leitungsgebundenen Energieträgern in Versorgungsnetzen sichergestellt hätten. Dies ergebe sich aus einschlägigen Publikationen der DDR, dem § 161 des Zivilgesetzbuches der DDR (ZGB-DDR) vom 19.6.1975 (GBl DDR I 465) und insbesondere aus der Verordnung über die Energiewirtschaft in der DDR (Energieverordnung - EnVO) vom 1.6.1988 (GBl DDR I 89). Der VEB Kombinat M. und die M. Mineralölhandel AG iG seien aber nicht Bestandteil der Kommunalwirtschaft gewesen und hätten Kraft- und Schmierstoffe weder leitungsgebunden noch in Versorgungsnetzen öffentlich vertrieben.

5

Mit der Revision, die das LSG zugelassen hat, rügt der Kläger die Verletzung der §§ 1, 5 und 8 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) vom 25.7.1991 (BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024) iVm § 1 VO-AVItech iVm § 1 Abs 1 und 2 der 2. DB: Der Begriff des "Versorgungsbetriebs (Energie)" sei nicht auf solche der Kommunalwirtschaft beschränkt. Andernfalls fiele auch der VEB Energiekombinat, der Elektroenergie über Versorgungsnetze an Energieabnehmer geliefert habe und den das LSG deshalb zu den Versorgungsbetrieben (Energie) zähle, aus dem Kreis der gleichgestellten Betriebe, weil er nicht den Räten der Städte und Kreise (Kommunalwirtschaft), sondern den Ministerien für Kohle und Energie, Schwerindustrie bzw Wirtschaft unterstanden habe. Im Übrigen gelte die Auslegung des LSG nur für "öffentliche Versorgungsbetriebe (Energie)", was dem Wortlaut der Versorgungsordnung widerspreche, der die Einschränkung "öffentlich" nicht enthalte. Da der VEB Kombinat M. die Abnehmer mit flüssigen Energieträgern versorgt habe und vom (generellen) Geltungsbereich der EnVO erfasst werde, sei er als "Versorgungsbetrieb (Energie)" zu klassifizieren. Ein entsprechendes Verständnis habe auch die die Anordnung über die Planung, Bilanzierung und Lieferung sowie Abrechnung und Kontrolle des Verbrauchs von flüssigen Energieträgern (Versorgungsanordnung für flüssige Energieträger) vom 9.2.1982 (GBl DDR I 192) geprägt.

6

Der Kläger beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Juni 2010 und des Sozialgerichts Berlin vom 20. Januar 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. November 2003 und den Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 24. Mai 1973 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr 1 zum AAÜG und die hierin erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

7

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie trägt vor: Während der gesamten Existenz der DDR habe der staatliche Sprachgebrauch immer strikt zwischen der Versorgung mit Elektroenergie, Gas und Wärmeenergie (leitungsgebundene Energieträger) einerseits und der Versorgung mit festen und flüssigen Brennstoffen andererseits unterschieden (zuletzt § 4 Abs 1 EnVO und Abschn I Nr 9 und 10 Anl EnVO). Energieversorgungsanlagen seien danach nur die Versorgungsnetze und Energieumwandlungsanlagen gewesen, aus denen leitungsgebundene Energieträger an Energieabnehmer geliefert worden seien (Abschn I Nr 8 Anl EnVO). Folgerichtig habe das Statistische Betriebsregister der DDR den VEB M., der nach seinem Statut schwerpunktmäßig mit Kraft- und Schmierstoffen, Heizöl, Flüssiggas und kraftstoffspezifischen Hilfsstoffen gehandelt habe, der Hauptgruppe "Handel" und die Energiekombinate dem Industriebereich "Energie- und Brennstoffindustrie" zugeordnet.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet.

10

Zu Recht haben LSG und SG einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der Zeit vom 24.5.1973 bis zum 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech einschließlich der dabei erzielten Arbeitsentgelte verneint. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 19.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.2.2004 ist rechtmäßig.

11

Anspruchsgrundlage für die begehrten Feststellungen ist § 8 Abs 2, Abs 3 Satz 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG. Nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

12

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft trat (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anl 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

13

Der Kläger wird vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG nicht erfasst. Denn er hat weder einen "Anspruch" noch eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß Satz 2 aaO inne. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

14

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war, wie das LSG bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat. Er war zu diesem Zeitpunkt auch nicht Inhaber einer bestehenden "Anwartschaft" iS dieser Vorschrift. Denn der Kläger war - wie das LSG ebenfalls bindend festgestellt hat - weder auf Grund eines Einzelvertrags (§ 1 Abs 3 der 2. DB) noch durch eine Versorgungszusage (§ 3 Abs 5 der 2. DB) oder durch eine Rehabilitierungsentscheidung auf Grund von Art 17 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag - im Folgenden: EinigVtr) in die AVItech einbezogen. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f, SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

15

Schließlich war der Kläger am 1.8.1991 auch nicht Inhaber einer sog fingierten Versorgungsanwartschaft. Nach der Rechtsprechung des früher für die Rentenüberleitung zuständigen 4. Senats (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 12 f, Nr 3 S 20, Nr 4 S 26 f, Nr 5 S 32, Nr 6 S 39, Nr 7 S 58 f sowie Nr 8 S 73), die das BVerfG als willkürfrei gebilligt hat (SozR 4-8560 § 22 Nr 1 RdNr 36, 41), und des erkennenden Senats (Urteile vom 15.6.2010 - B 5 RS 10/09 R - BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17, RdNr 22; B 5 RS 2/09 R, B 5 RS 6/09 R, B 5 RS 9/09 R, B 5 RS 16/09 R und B 5 RS 17/09 R - alle Juris; sowie Urteile vom 19.10.2010 - B 5 RS 2/08 R, B 5 RS 3/09 R, B 5 RS 4/09 R und B 5 RS 5/09 R - alle Juris) können Ansprüche und Anwartschaften auch dann durch "Zugehörigkeit" erworben werden, wenn nach der bundesrechtlichen Rechtslage am 1.8.1991 ein "Anspruch auf Versorgungszusage" bestanden hätte. Dieser fiktive "Anspruch" besteht nach Bundesrecht unabhängig von einer gesicherten Rechtsposition in der DDR, wenn nach den leistungsrechtlichen Regelungen des jeweiligen Versorgungssystems - mit Ausnahme des Versorgungsfalls - alle materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zusatzversorgungsrente gegeben waren. Entscheidend ist, ob zum Stichtag der Tatbestand der Versorgungsordnungen erfüllt war, die insofern bis zum 31.12.1991 nachrangig und lückenfüllend ("soweit") als Bundesrecht anzuwenden sind (EinigVtr Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 Buchst b Satz 2; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 57). Die Versorgungsordnungen sind dabei im Sinne verbindlicher Handlungsanweisungen für die Verwaltung als Tatbestände einer ohne Entscheidungsspielraum zwingend zu gewährenden Vergünstigung zu verstehen und auch nur insoweit Bundesrecht geworden (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 59).

16

Ob nach dem am 1.8.1991 geltenden Bundesrecht auf Grund der am Stichtag 30.6.1990 gegebenen tatsächlichen Umstände ein fiktiver bundesrechtlicher "Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage" - eine fingierte Versorgungsanwartschaft - besteht, hängt im Bereich der AVItech gemäß § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen,

        

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

        

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

        

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

17

Das LSG hat das Vorliegen der persönlichen und sachlichen Voraussetzung bejaht und die betriebliche Voraussetzung zu Recht verneint. Ob die betriebliche Voraussetzung iS der VO-AVItech iVm der 2. DB erfüllt ist, bestimmt sich danach, wer auf Grund der tatsächlichen Gegebenheiten am 30.6.1990 (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 bis 8) Arbeitgeber im rechtlichen Sinn war (BSG SozR 4-8570 § 1 Nr 2 RdNr 31 und Nr 4 RdNr 15) und welchen Zweck dessen Betrieb tatsächlich verfolgte (BSG SozR 4-8570 § 1 Nr 2).

18

Im rechtlichen Sinn war der VEB Kombinat M. am 30.6.1990 Arbeitgeber des Klägers. Dies kann der Senat auf Grund der Feststellungen des LSG abschließend entscheiden, obwohl das Berufungsgericht die Frage offengelassen hat. Der VEB Kombinat M. war am 30.6.1990 nicht vermögenslos und hatte vor dem 1.7.1990 keinesfalls seine Fähigkeit eingebüßt, sich als Wirtschaftssubjekt zu betätigen und seine Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Denn er hatte seine materiellen und finanziellen (Betriebs-)Mittel, die ihm der Staat in Form sog "Fonds" aus dem "volkseigenen" Vermögen zur zweckgebundenen Bewirtschaftung zugeführt und überlassen hatte, bis zu diesem Zeitpunkt nicht an die M. Mineralölhandel AG verloren. Die eingeleitete Umwandlung des VEB in eine Aktiengesellschaft (AG) war am 30.6.1990 noch nicht vollzogen, weil nach § 7 Satz 1 der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften (UmwVO) vom 1.3.1990 (GBl DDR I 107) die notariell beurkundete Umwandlungserklärung vom 8.6.1990 erst mit der Eintragung der AG in das beim Staatlichen Vertragsgericht geführte Register am 10.7.1990 wirksam wurde. Bis dahin stand die Umwandlung nach der UmwVO unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung. Konnte die Umwandlung nach der UmwVO - wie hier - bis zum 30.6.1990 nicht erreicht werden, so ging das Vermögen aus der Fondsinhaberschaft bzw Rechtsträgerschaft des VEB am 1.7.1990 gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 des Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz - TreuhG) vom 17.6.1990 (GBl DDR I 300) an dessen (Nachfolge-)AG im Aufbau (i.A.) über. Neben VEB und AG existierte vor dem 1.7.1990 keine Vor-AG, wie § 7 UmwVO bestätigt. Nichts anderes ergibt sich aus dem Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz - AktG) vom 30.1.1937 (RGBl I 107, berichtigt 588, 1140), das in der DDR in dieser Fassung weiter galt, und das § 19 Nr 4 Satz 1 iVm § 34 des Gesetzes über die Inkraftsetzung von Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland in der DDR vom 21.6.1990 (GBl DDR I 357) mit Wirkung zum 1.7.1990 außer Kraft setzte (vgl dazu und zum Vorstehenden ausführlich: Senatsurteil vom 15.6.2010 - B 5 RS 9/09 R - Juris). Damit konnten Fondsanteile vor dem 1.7.1990 auf eine AG nur dann übergehen, wenn diese Kapitalgesellschaft zuvor im Handelsregister eingetragen war. Weder ist daher die Eigenschaft des VEB Kombinat M. als Wirtschaftssubjekt bereits mit dem in der Umwandlungserklärung genannten Zeitpunkt (1.5.1990) entfallen noch konnte es vor der Eintragung am 10.7.1990 zu einem Übergang der Arbeitsverhältnisse auf eine neue Kapitalgesellschaft als Rechtsnachfolgerin kommen.

19

Als Handelsbetrieb, der schwerpunktmäßig Kraft- und Schmierstoffe vertrieb, war der VEB Kombinat M. kein volkseigener Produktionsdurchführungsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens iS von § 1 Abs 1 der 2. DB, wie das LSG bindend festgestellt hat. Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers gehörte auch nicht zu den gleichgestellten Betrieben iS von § 1 Abs 2 der 2. DB. Von den dort abschließend aufgezählten Wirtschaftseinheiten, wirtschaftsleitenden Organen und staatlichen Einrichtungen kommt vorliegend allenfalls eine Zuordnung zu den Versorgungsbetrieben im Bereich der Energie in Betracht. Was unter einem "Versorgungsbetrieb (Energie)" zu verstehen ist, ergibt sich auf Grund des EinigVtr Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 ("Regelungen") neben dem strikt zu beachtenden Wortlaut der Versorgungsordnung aus dem staatlichen Sprachgebrauch der DDR bei Schließung der Versorgungssysteme, an den der Bundesgesetzgeber am 3.10.1990 angeschlossen hat (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 59). Der staatliche Sprachgebrauch erschließt sich - unabhängig von einer Überführung in Bundesrecht - insbesondere aus dem Kontext des einschlägigen Binnenrechts der DDR, dessen Auslegung damit nach einem bundesrechtlich objektivierten Verständnis - unabhängig also von der tatsächlichen Handhabung durch die DDR und ihrer Verwaltungspraxis - insofern ebenfalls Aufgabe des Revisionsgerichts ist. Bundesrecht sind zudem allgemeine Auslegungsgrundsätze, soweit sie Bundesrecht ergänzen (vgl BSGE 55, 115, 116 = SozR 1500 § 162 Nr 17; BVerwG Buchholz 310 § 132 VwGO Nr 133).

20

Das Verständnis der versorgungsrechtlichen Regelungen erschließt sich stets zunächst und so weit wie möglich unmittelbar aus sich heraus. Nur soweit der aus bundesrechtlicher Sicht objektivierte Wortlaut - nicht also die DDR-rechtliche Bewertung -, der interne Sinnzusammenhang und der historische Kontext noch Unklarheiten lassen, kann es zur Ergänzung der so gewonnenen Erkenntnisse und von ihnen ausgehend auf den sonstigen offiziellen Sprachgebrauch der DDR am Stichtag 30.6.1990 ankommen, soweit er einen versorgungsrechtlichen Bezug aufweist. Entwicklungen des Sprachgebrauchs sind daher nur insofern von Bedeutung, als sie sich auf Umstände beziehen, die ihrer Art nach bereits ursprünglich von den Versorgungsordnungen erfasst waren oder durch spätere Änderungen zu deren Bestandteil gemacht wurden (versorgungsrechtlicher Sprachgebrauch). Dagegen sind Entwicklungen des Sprachgebrauchs in sonstigen Bereichen, insbesondere dem Wirtschaftsrecht, ohne Bedeutung (BSG Urteil vom 9.4.2002 - B 4 RA 3/02 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 61). Das bundesrechtliche Verständnis von einschlägigen Begriffen des Versorgungsrechts darf daher von vornherein nicht etwa in der Weise gewonnen werden, dass zunächst kontextunabhängig und ohne Beschränkung auf den versorgungsrechtlichen Zusammenhang nach einem offiziellen Sprachgebrauch der DDR am 30.6.1990 geforscht wird, um dann das Ergebnis dieser Bemühungen mit dem "Wortlaut" der einschlägigen versorgungsrechtlichen Regelungen gleichzusetzen und deren spezifisch versorgungsrechtlichen Anwendungsbereich hiernach zu bestimmen. Von Belang sind vielmehr allein Entwicklungen des versorgungsrechtlich relevanten Sprachgebrauchs. Einzelne Stimmen im Schrifttum basieren auf diesem methodischen Irrtum und vermögen daher auch den auf sie gestützten Revisionen nicht zum Erfolg zu verhelfen.

21

Den volkseigenen Produktionsbetrieben werden in § 1 Abs 2 der 2. DB ua "Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie)" gleichgestellt. Der Begriff des Versorgungsbetriebes erfährt dabei Inhalt und Begrenzung durch den dreigliedrigen Klammerzusatz. Dieser kann seinerseits bruchlos im Sinn einer jeweils leitungsgebundenen Versorgung der Verbraucher dann verstanden werden, wenn man den dortigen Begriff der "Energie" entgegen seinem scheinbar weiten Inhalt im Sinne der Begrenzung auf elektrische Energie versteht. Dies vermeidet zugleich das logisch zweifelhafte Ergebnis, dass bei einem weiten Verständnis des Energiebegriffs die gesonderte Erwähnung von "Gas" überflüssig gewesen wäre. Eine Fortschreibung der einschlägigen versorgungsrechtlichen Regelungen, die damit ein abschließendes Verständnis aus Wortlaut und Sinnzusammenhang ermöglichen, ist seit ihrem Erlass nicht erfolgt. Für den Stichtag 30.6.1990 gilt nichts anderes.

22

Auch die Entstehungsgeschichte und der historische Kontext der VO-AVItech sowie der 2. DB sprechen für eine enge Interpretation des mehrgliedrigen Begriffs "Versorgungsbetrieb (Energie)" im Sinne einer leitungsgebundenen Versorgung. Historisch betrachtet waren die VO-AVItech und die 2. DB Teil eines breit angelegten Anreiz- und Motivierungssystems, mit dem die Staatsführung der neu gegründeten DDR den Massenexodus der akademisch-technischen Eliten in den Westen stoppen wollte. Denn die Abwanderung (hoch)qualifizierter Fachkräfte und Spezialisten gefährdete die Funktionsfähigkeit der DDR, den Wiederaufbau nach Krieg und Demontage sowie die Erfüllung des ersten Fünfjahrplans, der am 1.1.1951 in Kraft getreten war (vgl dazu das Gesetz über den Fünfjahrplan zur Entwicklung der Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik - Fünfjahrplan - vom 1.11.1951, GBl DDR 973). Dieser Fünfjahrplan passte die DDR an den sowjetischen Rhythmus der Planwirtschaft an und gab - bezogen auf die Kalenderjahre 1951 bis 1955 - für die gesamte Wirtschaft Ziele vor, die detailliert in Zahlen gefasst waren. Besonderes Anliegen des Fünfjahrplans war die "Steigerung der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion" (Präambel des Fünfjahrplans), wobei der massive Ausbau der Schwerindustrie (Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie sowie Chemie) im Mittelpunkt stand (vgl § 9 Abs 2 Fünfjahrplan). Die Industrieproduktion sollte im Vergleich zum Vorkriegsstand (1936) mehr als verdoppelt (§ 1 Nr 1 und § 2 Abs 1 Fünfjahrplan) und bis 1955 ein Ausmaß von 192,3 % erreichen (Basis 1950 = 100 %); die Produktion der Landwirtschaft sollte sich im selben Zeitraum wertmäßig um mindestens 57 % erhöhen (§ 1 Nr 1 Fünfjahrplan). Vermehrte Qualifizierungsanstrengungen für das notwendige Fachpersonal und technische Fortschritte in der Produktion sollten dies ermöglichen. Der persönliche Anwendungsbereich der 2. DB erfasste deshalb vor allem die Berufsgruppen, die einerseits für die Planerfüllung besonders wichtig waren und sich anderseits als besonders fluchtanfällig erwiesen hatten (vgl dazu: van Melis, "Republikflucht" - Flucht und Abwanderung aus der SBZ/DDR 1945 bis 1961, Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 2006 S 38): Ingenieure, Konstrukteure, Architekten und Techniker aller Spezialgebiete sowie Lehrer technischer Fächer an den Fach- und Hochschulen. Der betriebliche Anwendungsbereich der AVItech erstreckte sich in erster Linie auf volkseigene Produktionsdurchführungsbetriebe der Industrie und des Bauwesens, wobei die Bruttoproduktion der volkseigenen Betriebe im Verlauf des Jahrfünfts (1951 bis 1955) im Vergleich zum Kalenderjahr 1950 auf 224,8 % gesteigert werden sollte (§ 2 Abs 4 Satz 1 Fünfjahrplan). Ihnen gleichgestellt wurden Wirtschaftseinheiten, wirtschaftsleitende Organe (VVB, Hauptverwaltungen, Ministerien) sowie staatliche Einrichtungen (zB Schulen, Institute, Akademien), die mit den Begriffen "Betrieb", "volkseigen" und "Produktion" nicht erfasst werden konnten, aus Sicht der Regierung der DDR für die Erfüllung des Fünfjahrplans aber unerlässlich waren. Die detaillierte Liste der gleichgestellten Betriebe ist abschließend und - anders als der dynamische Begriff des volkseigenen Produktionsbetriebs - tendenziell starr. Sie konserviert den Status quo der DDR-Volkswirtschaft Anfang der 50iger Jahre des letzten Jahrhunderts und ist praktisch eine Blaupause des ersten Fünfjahrplans. Nach ihrem Erlass ist die 2. DB nicht mehr aktualisiert worden. Dies war nach dem Mauerbau (13.8.1961) schon deshalb nicht mehr notwendig, weil die technische Intelligenz ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in den Westen fliehen konnte und der Staat deshalb keine "Bleibeprämien und -instrumente" mehr benötigte. Da die 2. DB den Zustand der DDR-Volkswirtschaft Anfang der 50iger Jahre widerspiegelt, erfasst sie keine neuen Entwicklungen, wie zB den Flugverkehr (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7). Da es andererseits versorgungsrechtlich auf die Verhältnisse am 30.6.1990 ankommt, ist die Gleichstellung in Bezug auf einige Wirtschaftseinheiten, wirtschaftsleitende Organe und staatliche Einrichtungen im Laufe der Zeit überholt und damit teilweise gegenstandslos geworden.

23

Knüpft die 2. DB damit an die Situation der DDR-Volkswirtschaft Anfang der 50iger Jahre an, so ist der versorgungsrechtliche Begriff des Versorgungsbetriebs "Energie" zunächst entstehungszeitlich anhand des damals gültigen Binnenrechts der DDR zu bestimmen. Als die 2. DB in Kraft trat, galt auf dem Energiewirtschaftssektor die Verordnung über die Neuordnung der Energiewirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone (Energiewirtschaftsverordnung 1949) vom 22.6.1949 (ZVOBl I 472). Sie verstand unter Energieversorgung die öffentliche Versorgung von Elektrizitäts- und Gasverbrauchern (vgl § 1 Abs 1 Satz 1 und § 3 Satz 1 Energiewirtschaftsverordnung 1949), die damals wie heute nur leitungsgebunden erfolgen konnte. Der Fünfjahrplan, der 1951 als Gesetz erlassen worden ist (GBl DDR 973), verengt den Begriff der "Energiewirtschaft" sogar auf die Erzeugung von "Elektroenergie" bzw "elektrischer Energie" (vgl § 2 Abs 6 Buchst a Fünfjahrplan). Den Vertrieb von Kraft- und Schmierstoffen erwähnt der Fünfjahrplan nicht einmal unter der Rubrik "Entwicklung des Verkehrs" (§ 7 Fünfjahrplan), die sich - korrespondierend mit dem Ausbau der Schwerindustrie - schwerpunktmäßig mit dem Auf- und Ausbau des Eisenbahn- und Schiffsverkehrs beschäftigt. Der "gewerbliche Kraftverkehr" und der "Personenverkehr mit Omnibussen" (§ 7 Abs 6 Fünfjahrplan)spielten dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Auch die Energie(wirtschafts)verordnungen aus den Jahren 1963 (GBl DDR II 318), 1969 (GBl DDR II 495), 1976 (GBl DDR I 441) und 1980 (GBl DDR I 321) iVm den jeweiligen Durchführungsbestimmungen umschrieben die Begriffe der "Energiewirtschaft", "Energieversorgung", "Energieversorgungsbetriebe" und "Energiekombinate" relativ konstant mit der Belieferung der Energieabnehmer mit Elektroenergie, Gas und (Fern-)Wärme aus Versorgungsnetzen. Spätere Erweiterungen in der ab 1.6.1988 geltenden Energieverordnung (GBl DDR I 89) sind auf deren Anwendungsbereich beschränkt geblieben. Sie haben keinen Niederschlag im Versorgungsrecht gefunden. Dieses hat damit bis zum Stichtag 30.6.1990 auch keine Änderung durch einen versorgungsrechtlich relevanten Bedeutungswandel des dort verwandten Energiebegriffs im staatlichen Sprachgebrauch der DDR erfahren.

24

Der hier in Frage stehende Vertrieb von Kraft- und Schmierstoffen ist damit ungeachtet der Tatsache, dass die Gleichstellung entgegen der Auffassung des LSG nicht auf kommunale Träger beschränkt ist, nicht erfasst, weil der VEB Kombinat M. weder Gas noch Wasser oder Elektroenergie leitungsgebunden an Konsumenten lieferte.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.