Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Beschluss, 03. Juli 2015 - L 5 KR 112/15 B ER ua

ECLI:ECLI:DE:LSGSH:2015:0703.L5KR112.15BERUA.0A
03.07.2015

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 26. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm die Übernahme von Fahrkosten zur ambulanten Behandlung zu bewilligen.

2

Der 1968 geborene Antragsteller ist Leistungsbezieher nach dem SGB II und bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Er leidet an einer Anpassungsstörung, arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus Typ 2, Asthma bronchiale, Schlaf-Apnoe-Syndrom, einer beidseitigen Hüft- und Kniegelenksarthrose, einem degenerativen Zervikal- und Lumbalsyndrom sowie Zustand nach Herzinfarkt im September 2009. Darüber hinaus besteht bei ihm ein diffuses Beschwerdebild mit Dyspnoe, Thoraxdruck, innerer Unruh- und Belastungsinsuffizienz. Die Ursachen der Beschwerden sind teilweise nicht geklärt. Verschiedene Ärzte äußerten den Verdacht auf eine Somatisierungsstörung bzw. auf das Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung (so der Internist Dr. J... im Bericht vom 27. September 2013 und der Entlassungsbericht der Klinik B... B... M...). Mit Bescheid vom 20. Dezember 2013 und nachfolgenden Bescheiden bewilligte die Antragsgegnerin eine Fahrkostenübernahme zu ambulanten Behandlungen. Ausweislich des Akteninhalts führt der Antragsteller Klageverfahren auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente und nach dem Schwerbehindertenrecht. Vom 7. November bis 5. Dezember 2014 nahm er an einer medizinischen Rehabilitation in der Klinik B... B... M... teil.

3

Am 22. Dezember 2012 verordnete der Hausarzt des Antragstellers E... Krankenbeförderung für das Jahr 2015 und gab als voraussichtliche Behandlungsdauer 12 Monate an. Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) nach Einholung medizinischer Unterlagen die Voraussetzungen für die verordnete Krankenbeförderung nicht als gegeben sah (Stellungnahme vom 29. Januar 2015 durch Dr. R...), lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 29. Januar 2015 eine Fahrkostenübernahme ab, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch, den er ausweislich des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2015 damit begründete, dass er 1995 einen schweren Unfall erlitten habe und sich in regelmäßiger Krankenhausbehandlung befinde. In den Vorjahren seien die Krankenfahrten stets bewilligt worden. An seinem Gesundheitszustand habe sich jedoch nichts geändert. Mehrmals jährlich müsse er sich fachärztlich therapieren lassen. Er sei darüber hinaus nicht in der Lage, 50 Meter frei gehen zu können.

4

Der Antragsteller hat beim Sozialgericht Schleswig am 9. April 2015 die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bewilligung der Krankenfahrten für das Jahr 2015 im Wege des Einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Er sei regelmäßig in ärztlicher Behandlung und die Voraussetzungen der Krankentransportrichtlinien lägen vor. Bei seinen gleichbleibenden Gesundheitsstörungen sei zu berücksichtigen, dass ihm die Antragsgegnerin vor der Ablehnung mehrfach die Fahrkosten bewilligt habe. Als Empfänger von Leistungen nach dem SGB II sei er nicht in der Lage, die Kosten für Fahrten zu Ärzten und Krankenhäusern vorzustrecken. Bereits jetzt sei es ihm kaum möglich, 50 Meter am Stück am Rollator zu gehen.

5

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, bei dem Antragsteller lägen die Voraussetzungen für eine Bewilligung der Übernahme der Fahrkosten nach den Krankentransportrichtlinien nicht vor. Es fehle an der häufigen Behandlungsfrequenz und der Anerkennung der Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“. Aus den vorherigen Bewilligungen könnten rechtliche Wirkungen für die Zukunft nicht abgeleitet werden. Es sei auch nicht erkennbar, welche schweren Gesundheitsschäden ohne die Gewährung der Krankenbeförderung eintreten würden. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2015 hat sie während des Verfahrens den Widerspruch zurückgewiesen.

6

Das Sozialgericht hat diverse medizinische Unterlagen beigezogen, mit Beschluss vom 26. Mai 2015 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung u. a. ausgeführt:

7

„Voraussetzungen für eine Verordnung und eine Genehmigung sind, dass der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist, und dass diese Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf dem Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist.

8

Diese Voraussetzungen sind in den in Anlage 2 dieser Richtlinie genannten Ausnahmefällen in der Regel erfüllt. Diese Liste ist nicht abschließend. Daneben kann die Fahrt zur ambulanten Behandlung für Versicherte verordnet und genehmigt werden, die einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen aG, BI oder H oder ein Einstufungsbescheid nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch in die Pflegestufe II oder III bei der Verordnung vorlegen. Die Krankenkasse genehmigt auf ärztliche Verordnung Fahrten zur ambulanten Behandlung von Versicherten, die keinen Nachweis nach Satz 1 besitzen, wenn diese von einer der Kriterien von Satz 1 vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität betroffen sind und einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum bedürfen (Abs. 3).

9

Diese Konkretisierung der Ausnahmen nach § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V durch die Krankentransportrichtlinie ist gesetzeskonform. Der Gesetzgeber wollte die Fahrtkostenerstattung generell auf zwingende medizinische Gründe beschränken. Lediglich finanzielle Gründe sollten nicht mehr zu einer Übernahme der Fahrtkosten führen (Thüringer LSG, Urteil vom 28.08.2012, L 6 KR 188/11, zitiert nach juris, unter Verweis auf: BSG, Urteil vom 26.09.2006, B 1 KR 20/05 R, SozR 4-2500 § 60 Nr. 1).

10

Im Hinblick auf den Antragsteller fehlt es bereits an einer durch das ärztliche Therapieschema vorgegebenen hohen Behandlungsfrequenz im Sinne des § 8 Abs. 2 der Krankentransport-Richtlinie. Wie der Antragsteller – auf Anforderung des Gerichts im Hinweisschreiben vom 24.04.2015 – mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.04.2015 im einzelnen dargelegt hat, befindet er sich lediglich in sporadischer, unregelmäßiger Behandlung bei dem Kardiologen Dr. med. J... in S..., den er lediglich im Falle des Auftretens akuter Herzprobleme aufsucht. Zwar wird der Antragsteller nach seinem eigenen Vortrag von dem Orthopäden Dr. med. Sa... in Niebüll und von dem Pneumologen Dr. med. D... in S... regelmäßig behandelt, dies jedoch nicht mit hoher Frequenz, wie es § 8 Abs. 2 der Krankentransport-Richtlinie erforderte. Bei seinem Orthopäden erfolgen (einzelne) Behandlungen des Antragstellers in vierwöchentlichen Intervallen, seinen Lungenfacharzt sucht der Antragsteller lediglich ein Mal in einem Quartal auf. Diese Behandlungsdichte ist nicht ausreichend, um nach § 8 Abs. 2 der Krankentransport-Richtlinie einen Anspruch auf die Genehmigung einer auf ein Kalenderjahr bezogenen Krankenbeförderung zu ambulanten Arztbehandlungen begründen zu können. Die insoweit erforderliche Behandlungsfrequenz setzt – wie die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 18.05.2015 zutreffend ausgeführt hat – eine wesentlich höhere Therapiedichte voraus. Nach der Anlage 2 zu den Krankentransport-Richtlinien sind Ausnahmefälle gemäß § 8 der Richtlinien in der Regel die Dialysebehandlung, onkologische Strahlentherapie und onkologische Chemotherapie. Damit liegt es nahe, den unbestimmten Rechtsbegriff der hohen Behandlungsfrequenz an den Rechtsregelverhältnissen bei den vorgenannten Therapien zu messen. Diese Therapien zeichnen sich regelmäßig durch eine Behandlungsdichte von deutlich mehr als durchschnittlich zwei Mal monatlich aus (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 19.01.2012, L 3 AS 39/10, zitiert nach juris). Eine solch hohe Behandlungsdichte hat der Antragsteller auch nicht durch seinen Vortrag glaubhaft machen können, er befinde sich „ständig“ in ambulanter Behandlung bei seinem Hausarzt. Wie der Arzt für Allgemeinmedizin M... E... in seinem Befund- und Behandlungsbericht vom 08.05.2015 angegeben hat, befand sich der Antragsteller zuletzt am 08.01.2015 in der hausärztlichen Praxis. Dies bedeutet die Wahrnehmung eines ambulanten Behandlungstermins in einem Zeitraum von vier Monaten durch den Antragsteller und kann das Vorliegen einer hohen Behandlungsdichte im Sinne des § 8 Abs. 2 der Krankentransport-Richtlinien mithin nicht überwiegend wahrscheinlich machen – zumal der Hausarzt des Antragstellers in seinem weiteren Bericht explizit ausführt, dass der Antragsteller die Praxis zuletzt nur noch durchschnittlich ein Mal im Quartal aufgesucht habe.

11

Der von dem Antragsteller verfolgte Anspruch lässt sich auch nicht auf § 8 Abs. 3 Satz 1 der Krankentransport-Richtlinien gründen, weil der Antragsteller unstreitig nicht pflegebedürftig im Sinne der Pflegestufe II oder III gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2. und 3. Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) ist und auch nicht über einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen aG, Bl oder H verfügt. Es ist auch nicht die Beeinträchtigung des Antragstellers in seiner Mobilität in einer den vorgenannten Kriterien vergleichbaren Weise glaubhaft gemacht (§ 8 Abs. 3 Satz 2 der Krankentransport-Richtlinien). Zunächst ist weder etwas dazu vorgetragen, noch ersichtlich, dass der Antragsteller im Bereich der Mobilität im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI überhaupt auf Dauer in erheblichem bzw. höherem Maß der Hilfe bedürfte. Wie sich weiter aus Teil D Ziff. 3 lit. b) der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 ergibt, kommt die Anerkennung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung im Schwerbehindertenrecht nur in Betracht, wenn sich der Betroffene wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Bezogen auf die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 2 der Krankentransport-Richtlinien bedeutet das, dass eine vergleichbar schwere Mobilitätseinschränkung im Sinne der Vorschrift nur angenommen werden kann, wenn es dem Kranken nicht mehr zuzumuten ist, den Weg zu ambulanten Krankenbehandlungen in Arztpraxen unter Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zurückzulegen, weil dies mit größten Anstrengungen bzw. Schmerzen verbunden wäre. Zu der Fähigkeit bzw. Unfähigkeit des Antragstellers, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, haben sich der Hausarzt des Antragstellers sowie der diesen behandelnde Orthopäde zurückhaltend geäußert. Während der Allgemeinmediziner E... die Eigenanamnese des Antragstellers wiedergibt, wonach sich bei ihm im Falle der Zurücklegung einer Wegstrecke zu Fuß bzw. im Falle der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel eine schwere Atemnot einstelle (wobei der Hausarzt sich diese Eigenanamnese aber gerade nicht zu eigen macht, sondern darauf hinweist, dass der Antragsteller bislang eine medizinische Abklärung der Ursache dieser Atemnot nicht veranlasst habe), führt Dr. med. Sa... aus, der Antragsteller sei „nur bedingt“ in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, um in die orthopädische Praxis zu gelangen. Damit ist aber nun gerade ausgesagt, dass der Antragsteller – zwar unter Anstrengung – durchaus in der Lage ist, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, wohingegen die Aussage nicht bedeutet, dass es dem Antragsteller schlichtweg nicht möglich wäre, anders als durch die Nutzung eines Taxis in die Praxisräume zu gelangen. Vor diesem Hintergrund ist eine derart schwerwiegende Einschränkung der Mobilität des Antragstellers, dass sie wenigstens einer Schwerpflegebedürftigkeit oder einer außergewöhnlichen Gehbehinderung gleichzuachten wäre, nicht anzunehmen.

12

Ein Anspruch auf die von dem Antragsteller begehrte Krankenbeförderung lässt sich schließlich auch nicht auf den von dem Antragsteller insoweit angeführten § 7 der Krankentransport-Richtlinien stützen. Denn diese Vorschrift betrifft alleine Krankenfahrten zur Inanspruchnahme von stationärer Krankenbehandlung, vor- oder nachstationären Behandlungen oder ambulanten Operationen (vgl. § 7 Abs. 2 der Krankentransport-Richtlinien). Dem Antragsteller ist es aber ausdrücklich um die Krankenbeförderung zum Zwecke der Wahrnehmung ambulanter ärztlicher Behandlungstermine bestellt. Für solche Krankentransporte bietet allein § 8 der Krankentransport-Richtlinien eine Anspruchsgrundlage – deren Voraussetzungen hier freilich, wie vorstehend dargelegt, nicht gegeben sind.

13

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der Antragsteller aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin die nunmehr auch für das Kalenderjahr 2015 begehrte Krankenbeförderung zu ambulanten Arztbehandlungen für die Zeiträume vom 19.11.2013 bis zum 31.12.2014 stets beanstandungsfrei genehmigt hatte, nichts für sich Positives ableiten kann. Denn die neue Krankentransport-Verordnung vom 22.12.2014 bzw. der diesbezügliche Genehmigungsantrag des Antragstellers hat ein neues Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt, in dessen Rahmen die Genehmigungsvoraussetzungen (des § 8 der Krankentransport-Richtlinien) neuerlich zu prüfen sind. Die Ergebnisse der vorangegangenen von der Antragsgegnerin durchgeführten Genehmigungsprüfungen entfalten insoweit keine präjudizielle Wirkung. Dass sich der Gesundheitszustand des Antragstellers im Vergleich zu den vergangenen Zeiträumen, für welche dem Antragsteller die begehrte Krankenbeförderung wiederholt genehmigt worden war, nicht verändert haben mag (wie der Antragsteller vorgebracht hat), ändert daran nichts. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ist gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nur dann erforderlich, wenn ein Verwaltungsakt noch während seiner Gültigkeitsdauer von der Behörde wieder abgeändert werden soll. Ein neuer (Genehmigungs-) Antrag, wie ihn der Antragsteller hier infolge der neuen Krankentransport-Verordnung vom 22.12.2014 gegenüber der Antragsgegnerin gestellt hat, bewirkt indes eine Zäsur und erfordert den Erlass eines neuen Verwaltungsakts durch die Krankenkasse – so dass es einer Aufhebung des vorangegangenen bewilligenden Bescheides im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht bedarf und es unerheblich ist, ob eine Änderung in den (gesundheitlichen) Verhältnissen des Antragstellers eingetreten ist oder nicht.“

14

Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, eingegangen beim Sozialgericht Schleswig am 11. Juni 2015. Zur Begründung trägt er ergänzend vor: Unzutreffend sei die Auffassung des Sozialgerichts, dass eine vergleichbar schwere Mobilitätseinschränkung im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 2 der Krankentransportrichtlinien nicht vorliege. Insoweit beziehe er sich auf die Stellungnahme seines Hausarztes E... und des Orthopäden Dr. Sa.... Aus deren Stellungnahmen ergebe sich nämlich eindeutig, dass er nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel dergestalt zu nutzen, ohne dass eine Gesundheitseinschränkung eintreten würde. Ihm sei nicht möglich, weitere Strecken als 50 Meter unter Benutzung des Rollators zu absolvieren. Um öffentliche Verkehrsmittel zu erreichen, müsse er längere Strecken bewältigen. Gleichzeitig beantragt der Antragsteller, ihm Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.

15

Die Antragsgegnerin ist weiterhin der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Fahrkostenübernahme nicht vorliegen und bezieht sich zur Begründung auf ihren Ablehnungsbescheid und den Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2015.

II.

16

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Zutreffend hat das Sozialgericht den Antrag auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme von Fahrkosten zur ambulanten Behandlung abgelehnt.

17

Die Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung werden in dem angefochtenen Beschluss unter Hinweis auf die dafür maßgebende Vorschrift des § 86b Abs. 2 SGG aufgeführt und mit zutreffender Begründung deren Vorliegen verneint. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Begründung in dem angefochtenen Beschluss (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Im Hinblick auf das Vorbringen des Antragstellers, insbesondere in der Beschwerdebegründung, weist der Senat noch auf Folgendes hin:

18

Wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt, richtet sich der hier in Frage kommende Anspruch auf Genehmigung der Krankenfahrten nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V in Verbindung mit § 8 der Krankentransportrichtlinien, deren Inhalt in dem angefochtenen Beschluss zutreffend wiedergegeben wird. § 8 Abs. 2 der Richtlinie kommt unzweifelhaft nicht in Betracht, da es insoweit schon an einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema fehlt, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist. Gleiches gilt für den Ausnahmefall des § 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinien, da keines der dort genannten Merkzeichen oder eine Einstufung in den Pflegestufen II oder III vorliegt. Entsprechend nimmt auch die Beschwerdebegründung des Antragstellers allein Bezug auf § 8 Abs. 3 Satz 2. Danach genehmigen die Krankenkassen auf ärztliche Verordnung Fahrten zur ambulanten Behandlung von Versicherten, die keinen Nachweis nach Satz 1 besitzen, wenn diese von einer der Kriterien von Satz 1 vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität betroffen sind und einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum bedürfen. Zutreffend hat das Sozialgericht in diesem Zusammenhang geprüft, ob bei dem Antragsteller eine „vergleichbare Beeinträchtigung der Mobilität“ im Sinne der Vorschrift vorliegt. In Frage kommt in diesem Zusammenhang allein das Merkzeichen „aG“. Hierzu hat das Sozialgericht zutreffend auf die Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 abgestellte, in der es im Teil D Ziffer 3 b) der Anlage zu § 2 zur außergewöhnlichen Gehbehinderung heißt:

19

„Als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehend aufgeführten Personenkreis gleichzustellen sind.“

20

Dass bei dem Antragsteller eine solche Einschränkung vorliegt, kann den umfangreichen medizinischen Unterlagen nicht entnommen werden. So enthält der zeitnahe Entlassungsbericht vom 5. Dezember 2014 aus der Klinik B... in B... M... lediglich als orthopädische Diagnosen LWS- und HWS-Syndrom, ohne dass bei der Aufnahme ein wesentlicher Befund wiedergegeben wird. Im Entlassungsbericht der Nordsee-Reha-Klinik aus Sb... hieß es 2011 u. a.: „Bei starker Aggravation des Patienten kann letztendlich keine wesentliche Beschwerdebesserung gefunden werden. Bei dem Patienten liegt ein chronisches Schmerzsyndrom mit gleichzeitig vorliegender Wahrnehmungsstörung vor.“

21

Soweit der Antragsteller auf die Stellungnahmen seiner behandelnden Ärzte E... und Dr. Sa... verweist, vermögen deren Einschätzungen keine andere Beurtei-lung des Senats zu bewirken. Denn zutreffend weist das Sozialgericht darauf hin, dass der Hausarzt des Antragstellers E... in seinem Bericht lediglich die Eigenanamnese des Antragstellers wiedergibt. So heißt es in dem Bericht vom 8. Mai 2015 ausdrücklich: „Einer definitiven Abklärung des Beschwerdebildes mittels erneuter Herzkatheteruntersuchung in Borstel hat der Patient sich bisher aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen nicht gestellt. Insofern ist mir die Beantwortung der Frage, ob der Patient auf eine Beförderung per Taxi angewiesen ist, letztlich nicht möglich, da eine definitive Diagnose bisher nicht gestellt werden konnte.“ Und Dr. Sa... führt in seinem Bericht vom 6. Mai 2015, worauf auch das Sozialgericht hinweist, einschränkend aus, der Antragsteller sei „nur bedingt“ in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, um in die orthopädische Praxis zu gelangen. Die von Dr. Sa... in dem Bericht erwähnten Befunde tragen eine Einschränkung, wie sie für das Merkzeichen „aG“ gefordert wird, zudem nicht. So heißt es etwa in dem Bericht, dass im Vordergrund die deutliche Spondylarthrose stünde. Zum Röntgenbefund Becken heißt es: „verstärkte Sklerosierung der Hüftpfannendächer beidseits bei noch ausreichend weitem Gelenkspalt“ und bei dem Röntgenbefund der Kniegelenke heißt es: „verstärkte subchondrale Sklerosierung der Patellarückfläche bei insgesamt noch ausreichend weitem Gelenkspalt“. Auch eine Vergleichbarkeit mit den in der Verordnung aufgeführten Regelbeispielen für die Anerkennung des Merkzeichens „aG“ ist bei dem Antragsteller nicht ansatzweise zu erkennen. In dem MDK-Gutachten vom 13. Dezember 2012 heißt es in der sozialmedizinischen Beurteilung zusammenfassend sogar, dass aufgrund der orthopädischen Erkrankungen ein vollschichtiges Leistungsbild für leichte und mittelschwere Tätigkeiten mit einigen qualitativen Einschränkungen möglich ist. Dies entsprach im Wesentlichen der Einschätzung in dem Entlassungsbericht der Nordsee-Reha-Klinik Sb....

22

Fehlt es damit bereits an dem für die einstweilige Anordnung notwendigen Anordnungsanspruch, bedarf es keiner weiteren Ausführungen darüber, ob ein Anordnungsgrund vorliegt. Zutreffend hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung daher abgelehnt.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.

24

Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren kann nicht gewährt werden, denn die nach § 73a SGG i. V. m. § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht der Sache ist - wie aus diesem Beschluss ersichtlich – nicht gegeben.

25

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).


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Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung#F1_771649als deren Bestandteil festgelegt.

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(1) Die Krankenkasse übernimmt nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. W

Referenzen

(1) Die Krankenkasse übernimmt nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall. Die Krankenkasse übernimmt Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 festgelegt hat. Die Übernahme von Fahrkosten nach Satz 3 und nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 für Fahrten zur ambulanten Behandlung erfolgt nur nach vorheriger Genehmigung durch die Krankenkasse. Für Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung gilt die Genehmigung nach Satz 4 als erteilt, wenn eine der folgenden Voraussetzungen vorliegt:

1.
ein Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“,
2.
eine Einstufung gemäß § 15 des Elften Buches in den Pflegegrad 3, 4 oder 5, bei Einstufung in den Pflegegrad 3 zusätzlich eine dauerhafte Beeinträchtigung der Mobilität, oder
3.
bis zum 31. Dezember 2016 eine Einstufung in die Pflegestufe 2 gemäß § 15 des Elften Buches in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung und seit dem 1. Januar 2017 mindestens eine Einstufung in den Pflegegrad 3.

(2) Die Krankenkasse übernimmt die Fahrkosten in Höhe des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages je Fahrt übersteigenden Betrages

1.
bei Leistungen, die stationär erbracht werden; dies gilt bei einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus nur, wenn die Verlegung aus zwingenden medizinischen Gründen erforderlich ist, oder bei einer mit Einwilligung der Krankenkasse erfolgten Verlegung in ein wohnortnahes Krankenhaus,
2.
bei Rettungsfahrten zum Krankenhaus auch dann, wenn eine stationäre Behandlung nicht erforderlich ist,
3.
bei anderen Fahrten von Versicherten, die während der Fahrt einer fachlichen Betreuung oder der besonderen Einrichtungen eines Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen dies auf Grund ihres Zustandes zu erwarten ist (Krankentransport),
4.
bei Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung sowie zu einer Behandlung nach § 115a oder § 115b, wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung (§ 39) vermieden oder verkürzt wird oder diese nicht ausführbar ist, wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung.
Soweit Fahrten nach Satz 1 von Rettungsdiensten durchgeführt werden, zieht die Krankenkasse die Zuzahlung in Höhe des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages je Fahrt von dem Versicherten ein.

(3) Als Fahrkosten werden anerkannt

1.
bei Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels der Fahrpreis unter Ausschöpfen von Fahrpreisermäßigungen,
2.
bei Benutzung eines Taxis oder Mietwagens, wenn ein öffentliches Verkehrsmittel nicht benutzt werden kann, der nach § 133 berechnungsfähige Betrag,
3.
bei Benutzung eines Krankenkraftwagens oder Rettungsfahrzeugs, wenn ein öffentliches Verkehrsmittel, ein Taxi oder ein Mietwagen nicht benutzt werden kann, der nach § 133 berechnungsfähige Betrag,
4.
bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer den jeweils auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung, höchstens jedoch die Kosten, die bei Inanspruchnahme des nach Nummer 1 bis 3 erforderlichen Transportmittels entstanden wären.

(4) Die Kosten des Rücktransports in das Inland werden nicht übernommen. § 18 bleibt unberührt.

(5) Im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden Reisekosten nach § 73 Absatz 1 und 3 des Neunten Buches übernommen. Zu den Reisekosten nach Satz 1 gehören bei pflegenden Angehörigen auch die Reisekosten, die im Zusammenhang mit der Versorgung Pflegebedürftiger nach § 40 Absatz 3 Satz 2 und 3 entstehen. Die Reisekosten von Pflegebedürftigen, die gemäß § 40 Absatz 3 Satz 3 während einer stationären Rehabilitation ihres pflegenden Angehörigen eine Kurzzeitpflege nach § 42 des Elften Buches erhalten, hat die Pflegekasse des Pflegebedürftigen der Krankenkasse des pflegenden Angehörigen zu erstatten.

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und über einstweilige Anordnungen (§ 86b) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Ausfertigungen der Beschlüsse sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes,
7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches,
8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
9.
Bedarfsplanung,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4,
11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Krankentransporten,
13.
Qualitätssicherung,
14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung,
15.
Schutzimpfungen.

(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:

1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind,
2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Absatz 3a gilt entsprechend. In den Therapiehinweisen nach den Sätzen 1 und 7 können Anforderungen an die qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln festgestellt werden, insbesondere bezogen auf die Qualifikation des Arztes oder auf die zu behandelnden Patientengruppen. In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 können auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln außerhalb von Zusammenstellungen gegeben werden; die Sätze 3 und 4 sowie Absatz 1 Satz 1 dritter Halbsatz gelten entsprechend. Die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 können Empfehlungen zu den Anteilen einzelner Wirkstoffe an den Verordnungen im Indikationsgebiet vorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Grundsätze für die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 in seiner Verfahrensordnung. Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse nach Absatz 1 für Arzneimittel beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 hergestellt werden kann. Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.

(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.

(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.

(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.

(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln

1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind,
2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.

(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.

(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.

(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln

1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung,
4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer,
5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie
6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 125 Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.

(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.

(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln

1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung,
2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus,
3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt,
4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Leistungserbringern und zu den Regelungen gemäß Satz 1 Nummer 5 zusätzlich den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.

(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.