Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 20. Feb. 2018 - L 4 KA 8/15

bei uns veröffentlicht am20.02.2018

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 10. September 2014 und der Bescheid vom 19. Mai 2011 aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 849.039,72 € festgesetzt.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über einen Regress wegen der Arzneimittelverordnungen der Klägerin im Jahr 2007, den der Beklagte im Wege der Richtgrößenprüfung festgesetzt hatte.

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Die Klägerin ist eine seit dem Quartal I/2007 bestehende überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft zweier Orthopäden. Ihr Mitglied Dr. Z... war von 2002 bis September 2007 im Rahmen einer Sonderbedarfszulassung für orthopädische Rheumatologie mit der Zusatzbezeichnung für Osteologie tätig, vor Gründung der Klägerin in einer Einzelpraxis.

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Die Prüfungsstelle der Vertragsärzte und Krankenkassen in Schleswig-Holstein (Prüfungsstelle) teilte der Klägerin mit Schreiben vom 8. September 2009 mit, dass ihre Verordnungen von Arznei- und Verbandmitteln im Jahr 2007 das Richtgrößenvolumen um 603,86 % überschritten habe. Sie bat hierzu um Stellungnahme. Die Klägerin rügte den Umfang des Verordnungsvolumens, das Auswahlverfahren für die Richtgrößenprüfung, die verspätete Festlegung der Richtgrößen, die Zuordnung der Verordnungsdaten und angesichts erfolgter Einzelfallprüfungen für das Jahr 2007 die Durchführung von Doppelprüfungen. Ferner machte sie die Behandlungen von Rheuma- und Osteoporosepatienten als Praxisbesonderheiten geltend. Die Prüfungsstelle bot der Klägerin am 16. November 2009 eine individuelle Richtgrößenvereinbarung für Arznei- und Verbandmittel an (Mitglieder: 10,22 €, Familienangehörige: 3,92 €, Rentner: 19,11 €). Das Angebot nahm die Klägerin nicht an. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2009 setzte die Prüfungsstelle für den Mehraufwand an Verordnungen einen Regress in Höhe von 1.117.102,58 € netto fest. Für die Quartale des Jahres 2007 wurden daneben Einzelfallprüfungen wegen der Arzneimittelverordnungen durchgeführt.

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Dagegen legte die Klägerin am 17. Dezember 2009 Widerspruch ein. Sie verwies darauf, dass die Richtgrößenprüfung für das Jahr 2006 gegenüber Dr. Z... keine Unwirtschaftlichkeit der Arzneimittelverordnungen ergeben habe. Die mehrfache Überprüfung derselben Quartale auf unwirtschaftliche Verordnungen sei unzulässig. Sie machte die Behandlung von Rheumapatienten mit TNF-Alpha-Inhibitoren und die Behandlung von Osteoporosepatienten mit dem Medikament Forsteo als Praxisbesonderheiten geltend. Hierzu machte sie Ausführungen zu der Anwendung der Medikamente. Insbesondere bei den TNF-alpha-Inhibitoren handle es sich um eine neue Arzneimittelgruppe, die auf molekularbiologischer Grundlage unter Nutzung der Gentechnologie hergestellt werde. Sie stellten seither eine wichtige Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten bei chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankungen dar.

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Mit Bescheid vom 19. Mai 2011 reduzierte der Beklagte den Regress auf 849.039,72 €. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Aufgreifkriterien für eine Richtgrößenprüfung seien erfüllt. Der Praxisschwerpunkt Rheumatologie der Klägerin könne nur bedingt als Praxisbesonderheit anerkannt werden. Dr. Z... habe Patienten mit rheumatischen Erkrankungen regelmäßig mit den Medikamenten Humira (Wirkstoff Adalimimab) und Enbrel (Wirkstoff Etanercept) behandelt. Dies seien außergewöhnlich teure TNF-alpha-Inhibitoren, deren wirtschaftlicher Einsatz nach den Therapieempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) oder nach den Therapiehinweisen gemäß den Arzneimittel-Richtlinien an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft sei. Gemäß Anlage 3 zur Richtgrößenvereinbarung 2006 dürften sie nur fallbezogen und indikationsabhängig und nur unter der Voraussetzung als Praxisbesonderheit berücksichtigt werden, dass zuvor die bei der Prüfungsstelle eingerichtete paritätisch besetzte Zweitmeinungskommission den zulassungskonformen und indikationsgerechten Einsatz dieser Wirkstoffe geprüft und bestätigt habe. Zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Prüfung sei für keinen der 2007 mit den Medikamenten behandelten Patienten ein Zweitmeinungsverfahren beantragt worden. Nachträglich habe die Klägerin Anträge für 30 Patienten gestellt, hiervon habe die Kommission in 23 Fällen eine positive Bewertung abgegeben. Von diesen 23 Fällen seien 2007 nur 18 durch Dr. Z... medikamentös behandelt worden, davon wiederum 15 im Rahmen einer TNF-alpha-Therapie. Die Kosten hierfür seien bei dem Regress berücksichtigt worden. Ferner seien die Kosten für das Medikament Enbrel für 2 Patienten herausgerechnet worden, für die zwar kein Zweitmeinungsverfahren beantragt worden sei, bei denen jedoch auf Antrag der Krankenkasse eine Einzelfallprüfung eine wirtschaftliche Verordnungsweise ergeben habe. Unter Berücksichtigung dieser Kosten reduziere sich der Regress auf die festgesetzte Summe. Zu Unrecht verweise Dr. Z... darauf, dass er selbst Zweitmeinungsarzt sei. Dies entbinde ihn nicht von der Durchführung des Zweitmeinungsverfahrens. Andere Antirheumatika seien bereits gemäß Anlage 2 der Richtgrößenvereinbarung oder in deren analoger Anwendung aus dem Verordnungsvolumen herausgerechnet worden. Auch die osteologische Tätigkeit von Dr. Z... könne nur eingeschränkt als Praxisbesonderheit anerkannt werden. Die Behandlung von Osteoporose sei grundsätzlich eine originäre orthopädische Behandlung, jedoch sei ein Mehrbedarf der Praxis der Klägerin für 91 Patienten anzuerkennen. Weitere 59 Patienten, für die ein Mehrbedarf zu berücksichtigen gewesen wäre, seien bereits als außergewöhnlich kostenintensive Fälle in vollem Umfang anerkannt worden. Über diese Mehrbedarfsberechnung hinaus könnten weitere Verordnungskosten nicht als Praxisbesonderheiten anerkannt werden. Für Mittel der Osteoporosebehandlung habe die Klägerin 2007 Gesamtkosten von 383.987,69 € aufgewendet, von denen etwa 90 % auf den relativ teuren Wirkstoff Teriparatid (Forsteo) entfalle. Hierzu habe der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) mit Wirkung vom 24. März 2007 einen Therapiehinweis beschlossen. Danach sei Teriparatid nur ein Mittel der zweiten Wahl für die Behandlung der manifesten Osteoporose, das lediglich definierten Ausnahmefällen vorbehalten bleiben solle. Die Kosten einer Tagestherapie hierfür überschritten die Kosten herkömmlicher Bisphosphonate um das 35 -fache. Ein Großteil der Verordnungen sei daher unwirtschaftlich. Die parallel vorgenommenen Einzelfallprüfungen für Forsteo und TNF-alpha- Inhibitoren bestätigten das Bild der Unwirtschaftlichkeit. Die Richtgrößensumme sei zutreffend berechnet worden. Für die Rabatte sei der pauschale Prozentsatz nach den Rabattverträgen abgezogen worden.

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Gegen die Entscheidung hat die Klägerin am 23. Mai 2011 beim Sozialgericht Kiel Klage erhoben. Sie hat gerügt, für 2007 seien Richtgrößen nicht rechtzeitig bekannt gegeben worden. Vielmehr hätten die Richtgrößen für das Jahr 2006 fortgegolten, obwohl diese um 9,1 % hätten angepasst werden müssen. Für spezialisierte Bereiche seien Richtgrößen überhaupt kaum darstellbar. Bundesweite Erhebungen hätten hierbei Abweichungen in den maßgeblichen Größen bis zu 100 % ergeben. Die Definition von Praxisbesonderheiten sei durch die unterschiedlichen Abweichungen gar nicht möglich. Die Klägerin hat das Verordnungsvolumen bestritten. Die Rabattverträge mit den Apotheken seien nicht offen gelegt worden. Ferner seien die Zuzahlungen und die Abzüge nach § 130 a Abs. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht herausgerechnet worden. In zahlreichen Fällen habe sie die aut-idem-Regelung angewandt. Die tatsächlichen Abzugsbeträge der Apotheken seien nicht bekannt. Die Beklagte habe die Praxisbesonderheiten, die sie selbst hätte feststellen müssen, nicht hinreichend quantifiziert und berücksichtigt. Dabei sei es fehlerhaft, die Verordnung von Medikamenten zwingend von einem Zweitmeinungsverfahren abhängig zu machen. Ein solches sei nur landesrechtlich, nicht aber bundesrechtlich vorgesehen, da auf Bundesebene rechtliche Bedenken gegen ein obligatorisches Zweitmeinungsverfahren bestanden habe. Die Anlage 3 zur Richtgrößenvereinbarung besage im Übrigen lediglich, dass Erkenntnisse aus Zweitmeinungsverfahren zu berücksichtigen seien, diese Verfahren seien jedoch nicht obligatorisch durchzuführen. Im Übrigen seien ihre Ärzte selbst Spezialisten; daher sei die Durchführung eines Zweitmeinungsverfahrens überflüssig. Da ihr die Patienten überwiesen würden, hätten sich bereits zwei Ärzte über die Arzneimittelbehandlung abgestimmt. Tatsächlich seien Zweitmeinungsverfahren durchgeführt worden, deren Ergebnisse der Beklagte jedoch nicht berücksichtigt habe. Sie behandle zwar nur wenige Fälle mit Forsteo und TNF-alpha-Inhibitoren. Diese verursachten jedoch einen sehr großen Kostenaufwand. Sogenannte Verdünnerscheine fehlten bei ihr, da sie chronische Erkrankungen behandle. 50 Patienten verursachten Kosten von über 1 Million €. Bezeichnenderweise sei die Richtgröße für Arzneimittel der internistischen Rheumatologen um ein Vielfaches höher als die der orthopädischen Rheumatologen. Insofern werde sie der falschen Prüfungsgruppe zugerechnet, die nicht homogen sei. Sie behandle viele chronische Patienten. In Schleswig-Holstein gebe es nur vier rheumatologisch tätige Ärzte. Es sei dabei fraglich, ob diese anderen auch Osteoporose-Patienten behandelten. Unter Anwendung der Richtgröße für die internistischen Rheumatologen ergäbe sich für sie ein Verordnungsvolumen von 1.075.038,81 €, tatsächlich seien nur 108.420,85 € als Richtgröße zu Grunde gelegt worden. In anderen KV-Bezirken seien eigene Gruppen für Rheumatologen gebildet worden. Zu Unrecht habe der Beklagte 91 Osteoporose-Patienten zwar als Praxisbesonderheit anerkannt, jedoch nur mit einem Mehranteil herausgerechnet; richtigerweise hätten diese vollständig berücksichtigt werden müssen. Sie behandele die Patienten mit Bisphosphonaten, die sehr kostenintensiv seien. Daher würden sie in anderen KV-Bezirken vollständig als Besonderheit berücksichtigt. Zu Unrecht habe der Beklagte das Medikament Forsteo nicht ebenfalls als Besonderheit anerkannt. In anderen KV-Bezirken würden TNF-alpha-Inhibitoren als Medikamente für die Behandlung rheumatischer Patienten grundsätzlich aus den Arzneimittelverordnungen herausgerechnet. Die Klägerin hat darüber hinaus gerügt, dass über eine individuelle Richtgröße nicht verhandelt worden sei.

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Die Klägerin hat beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 19. Mai 2011 aufzuheben, soweit aufgrund der Richtgrößen-Prüfung für Arznei- und Verbandmittel für das Jahr 2007 ein Regress festgesetzt worden ist.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hat ausgeführt, für 2007 hätten die Richtgrößen des Jahres 2006 fortgegolten. Richtgrößen gälten nach der Rechtsprechung des BSG, bis eine neue Vereinbarung in Kraft trete. Im Übrigen sei für 2007 eine Best-Regelung zugunsten der Klägerin angewandt worden. Wenn sich bei retrospektiver Betrachtung höhere Richtgrößen-Beträge als bei der prospektiven Ermittlung ergeben habe, seien die höheren Beträge für die Richtgrößenprüfung 2007 herangezogen worden. Spezialpraxen seien durch die Bildung der Richtgrößen nicht benachteiligt. Die Klägerin habe 2007 Verordnungskosten von insgesamt 2.011.972,11 € gehabt, von denen 1.474.166,20 € auf die TNF-alpha-Inhibitoren entfallen seien. Wären diese Medikamente indikationsgerecht und vereinbarungskonform verordnet worden und läge eine positive Zweitmeinung vor, wären ihre Verordnungen kostenneutral und würden als Praxisbesonderheit berücksichtigt. Dies gelte auch für eine weitere Reihe von Medikamenten, die die Klägerin verordnet habe, wie Ciclosporin, Methotrexat, Oxycodon u.a. Es verbiete sich ein Ländervergleich der Richtgrößen, da in den unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Modalitäten zur Bestimmung der Richtgrößen beständen. Praxisbesonderheiten ergäben sich nicht aus einem bestimmten Behandlungsverhalten, sondern aus den Erkrankungen der Patienten. Die Durchführung des Zweitmeinungsverfahrens beruhe auf einer Bundesempfehlung der kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zu Richtgrößen vom 21. Februar 2000. Nach der Prüfvereinbarung (PrüfV) sei es obligatorisch. Grundsätzlich sei die Teilnahme am Zweitmeinungsverfahren zwar freiwillig. Jedoch müsse jeder Vertragsarzt, der TNF-alpha-Inhibitoren verordne, wissen, dass im Fall einer Richtgrößenprüfung die Kosten für die Arzneimittel nur unter den konkret dargelegten Voraussetzungen für die Durchführung eines Zweitmeinungsverfahren anerkannt werden könnten. Angesichts einer Richtgrößensumme von 283.732,96 € und einem Verordnungsvolumen von 2.011.972,11 € habe die Klägerin erkennen können, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Richtgrößenprüfung durchgeführt werde. Das Zweitmeinungsverfahren sei auch für spezialisierte Ärzte zwingend. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Kommission für das Zweitmeinungsverfahren paritätisch besetzt sei. Das Verordnungsvolumen und der Nettoregress seien zutreffend berechnet worden. Die Abzüge nach § 106 Absatz 5c SGB V seien berücksichtigt worden. Die aut-idem-Regelung sei einem Vertragsbeitritt nach § 130 a Abs. 8 SGB V nicht gleichzusetzen. Die Datengrundlage für die Richtgrößenprüfung sei normgerecht erhoben worden. Es sei zu berücksichtigen, dass die verordneten Arzneimittel gegen Osteoporose nahezu vollständig berücksichtigt worden seien, unabhängig davon, ob ihre Verordnung wirtschaftlich sei. Dabei seien Kosten in Höhe von 383.987,69 € entstanden. Die besonders kostenintensiven Behandlungsfälle seien mit einem Volumen von 366.368,99 € pauschal berücksichtigt worden. Die Verordnungsweise von Dr. Z... werde seit 2003 überprüft. Er habe am 27. November 2007 für 2003 eine individuelle Richtgrößen-Vereinbarung unterzeichnet, die in den Folgejahren mehrfach verlängert worden sei, zuletzt bis zum Quartal IV/2012. Mit Schreiben vom 16. November 2009 sei der Mehraufwand für 2007 mitgeteilt worden und der Klägerin sei zur Aussetzung der Regressfestsetzung die Verlängerung der bestehenden Richtgrößen-Vereinbarung angeboten worden. Es sei somit keine neue individuelle Richtgrößen-Vereinbarung auszuhandeln gewesen, sondern der Klägerin sei die Verlängerung der bereits bestehenden Richtgrößen-Vereinbarung vom November 2007 mit dem Ziel einer weiteren Aussetzung eines Regresses angeboten worden.

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Das Sozialgericht Kiel hat mit Urteil vom 10. September 2014 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Richtgrößenvereinbarung sei wirksam zustande gekommen. Die Richtgrößen für das Jahr 2006 seien für das Jahr 2007 fortgeführt worden. Im Zuge der Neuberechnung der Richtgrößen für 2008 seien diejenigen für 2006 bzw. 2007 überprüft worden. Soweit sich bei der retrospektiven Korrektur der Richtgrößen für 2006/2007 höhere Beträge ergeben hätten, seien diese für die Richtgrößenprüfung 2007 zugunsten der Klägerin herangezogen worden. Die Anwendung der Richtgrößenvereinbarung sei nach den Darlegungen der Beklagten nicht zu beanstanden. Trotz der Spezialisierung ihrer Ärzte sei auch für die Klägerin das Zweitmeinungsverfahren durchzuführen, es sei nicht nur für Hausärzte verbindlich. Denn die Therapien mit den TNF-alpha-Inhibitoren dürften ausschließlich von entsprechend spezialisierten Fachärzten mit hinreichender Erfahrung durchgeführt werden, auf die sich folglich das Zweitmeinungsverfahren beziehe. Da Dr. Z... selbst im Zweitmeinungsverfahren tätig sei, müsse ihm die Bedeutung des Verfahrens bekannt sein. Es sei für die Kammer nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin nicht für alle Patienten, denen TN F-alpha-Inhibitoren verordnet worden seien, Zweitmeinungsverfahren habe durchführen lassen.

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Gegen die ihren Prozessbevollmächtigten am 12. Februar 2015 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, die am 11. März 2015 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. In Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags rügt die Klägerin erneut die mehrfache Überprüfung der Arzneimittelverordnung in unterschiedlichen Prüfverfahren. Ein mehrfacher Regress sei nicht zulässig. Tatsächlich sei eine individuelle Richtgröße für das Jahr 2007 nicht ausgehandelt worden. Es sei ihr zwar der Entwurf vom 16. November 2009 übersandt worden, der sich aber nur die vorbestehende Richtgröße bezogen habe. Mit Schreiben vom 24. November 2009 sei um einen Erörterungstermin für die Richtgröße gebeten worden, die Verhandlung habe aber nicht stattgefunden. Tatsächlich sei ihr nur eine Fortführung der früheren individuellen Richtgrößenvereinbarung angeboten worden. Jedoch wäre eine echte Verhandlung hierüber erforderlich gewesen. Von Internisten würden keine Zweitmeinungsverfahren verlangt. In allen nachträglich durchgeführten Verfahren seien ihre Therapien als plausibel anerkannt und Zustimmungen für die Zukunft erteilt worden. Die Arzneimittelverordnungen für 2007 beträfen dieselben Patienten wie die der Folgejahre. Darüber hinaus seien Zweitmeinungsverfahren nicht obligatorisch, sondern lediglich optional. Der Beklagte müsse Praxisbesonderheiten eigenständig prüfen.

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Die Klägerin beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 10. September 2014 und den Bescheid vom 19. Mai 2011 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er führt aus, doppelt festgesetzte Regresse seien zu berücksichtigen; das sei ständige Verfahrenspraxis. § 106 Absatz 5d Satz 1 SGB V erlaube keine individuelle Reduzierung des sich eigentlich errechnenden Regresses. Der Klägerin sei das Verfahren aus der Vergangenheit bekannt. Sie sei der richtigen Vergleichsgruppe zuordnet worden. Faktisch seien nahezu alle Arzneimittel für die Behandlung rheumatologischer Erkrankungen über die Anlagen der Richtgrößenvereinbarung entlastend berücksichtigt worden. Dadurch, dass spezifische Kosten aus dem Verordnungsvolumen herausgerechnet worden seien, sei die Vergleichbarkeit einer rheumatologisch ausgerichteten mit einer konservativ oder operativ ausgerichteten orthopädischen Praxis hergestellt. Die Einteilung der Richtgrößen beruhe auf vertraglichen Vereinbarungen und unterliege nicht dem Ermessen der Prüfgremien. Es sei daher richtig, Praxisbesonderheiten anzuerkennen, aus dem Verordnungsvolumen heraus zu rechnen und somit die Vereinbarkeit von Praxen mit unterschiedlichen Schwerpunkten herzustellen. Die Bewertung der individuellen Besonderheiten der Praxis erfolge in einem zweiten Schritt. Die Klägerin könne auch nicht mit einer internistischen rheumatologischen Praxis verglichen werden, denn die höheren Richtgrößen der Internisten seien nicht durch die kostenintensiven Rheumamedikamente, sondern durch die Kosten der grundsätzlichen internistischen Ausrichtung der Praxen begründet. Der Regress gegenüber der Klägerin beruhe im Wesentlichen darauf, dass die Verordnung von TNF-alpha-Inhibitoren an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft sei, die hier nicht erfüllt seien. Die Prüfvereinbarung und die Richtgrößenvereinbarung sähen die Durchführung von Zweitmeinungsverfahren verbindlich vor. Die Verordnung mehrerer rheumatologischer Wirkstoffe sei durch verbindliche Regelungen an eine positive Zweitmeinung geknüpft. Im Falle positiver Bewertungen im Zweitmeinungsverfahren seien die entsprechenden Verordnungen von der Verordnungssumme abgezogen worden. Über die Vertragsvereinbarungen hinaus seien dabei auch die Ergebnisse nachträglicher Zweitmeinungsverfahren berücksichtigt worden.

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Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die Verfahrensakte und die Akte L 4 KA 9/15 ER verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz statthaft und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingegangen.

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Sie ist auch begründet. Zu Unrecht hat der Beklagte als Ergebnis einer Richtgrößenprüfung für das Jahr 2007 einen Regress in Höhe von 849.039,72 € gegen die Klägerin festgesetzt. Der Bescheid vom 19. Mai 2011 ist rechtswidrig. Der Berufung war daher stattzugeben und das die Klage abweisende Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 11. September 2014 sowie der angefochtene Bescheid waren aufzuheben.

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Rechtsgrundlage für die Richtgrößenprüfung sind § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 7 der zwischen den Verbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein geschlossenen Prüfvereinbarung (PrüfV) 2006 sowie die zwischen ihnen geschlossenen Richtgrößenvereinbarungen vom 6. Juli 2006 und 21. November 2007. § 106 Abs. 2 Nummer 1 SGB V sieht die Prüfung der Wirtschaftlichkeit durch eine arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreiten der Richtgrößenvolumina nach § 84 SGB V (Auffälligkeitsprüfung) vor. Gemäß § 84 Abs. 1 SGB V schließen die Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit der Kassenärztlichen Vereinigung zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mit Arzneimitteln zum 30. November für das jeweils folgende Kalenderjahr eine Arzneimittelvereinbarung. Gemäß § 84 Abs. 6 SGB V vereinbaren die vorgenannten Vertragspartner zum 15. November für das jeweils folgende Kalenderjahr zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung für das auf das Kalenderjahr bezogene Volumen der je Arzt verordneten Leistungen nach § 31 SGB V arztgruppenspezifische fallbezogene Richtgrößen als Durchschnittswerte unter Berücksichtigung der nach Abs. 1 getroffenen Arzneimittelvereinbarung. Zusätzlich sollen die Vertragspartner die Richtgrößen nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen und darüber hinaus auch nach Krankheitsarten bestimmen. Die Richtgrößen leiten den Vertragsarzt bei seinen Entscheidungen über die Verordnung von Arzneimitteln nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Überschreitung des Richtgrößenvolumens löst eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Absatz 5a SGB V unter den dort genannten Voraussetzungen aus.

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Für das Jahr 2007 haben die Vertragspartner in Schleswig-Holstein keine Richtgrößenvereinbarung abgeschlossen. Für das Jahr 2006 galt die Richtgrößenvereinbarung vom 6. Juli 2006, für das Jahr 2008 die vom 21. November 2007. Die Anlage 4 der Richtgrößenvereinbarung vom 6. Juli 2006 sah für die Fachgruppe der Orthopäden, der die Klägerin zuzuordnen ist, für Mitglieder eine Richtgröße i.H.v. 8,46 €, für Familienversicherte eine Richtgröße i.H.v. 4,02 € und für Rentner eine Richtgröße i.H.v. 17,20 € vor. Die Anlage 5 der Richtgrößenvereinbarung vom 21. November 2007 sah für die Fachgruppe für Mitglieder eine Richtgröße i.H.v. 8,68 €, für Familienangehörigen eine Richtgröße i.H.v. 4,22 € und für Rentner eine Richtgröße i.H.v. 17,68 € vor. Die Werte der Ergänzungsvereinbarung zur Richtgrößenvereinbarung 2008 vom 21. April 2008 kommen hier nicht zur Anwendung, denn sie galten erst für das 2. Halbjahr 2008. Die Beklagte hat ausgeführt, dass sie in Ermangelung einer Richtgrößenvereinbarung für das Jahr 2007 eine Günstigkeitsregelung angewandt hat, d.h. dass die jeweiligen höheren Werte aus den Vereinbarungen 2006 und 2008 herangezogen worden sind. An dieser Vorgehensweise, die von der Klägerin nicht bestritten wird, ist aus Sicht der Klägerin nichts zu beanstanden, da sie zu ihren Gunsten erfolgte.

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Gemäß § 106 Abs. 5 SGB V entscheidet die Prüfungsstelle, welche Maßnahmen bei einem Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot zu treffen sind. Dabei sollen gezielte Beratungen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Gegen die Entscheidung der Prüfungsstelle können sowohl die Ärzte als auch die Verbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung den Beklagten anrufen. Die Regelungen des sozialgerichtlichen Vorverfahrens sind insoweit anzuwenden. Gemäß § 106 Absatz 5a SGB V werden Beratungen durchgeführt, wenn das Verordnungsvolumen eines Arztes das maßgebliche Richtgrößenvolumen in einem Kalenderjahr um mehr als 15 % übersteigt. Bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % hat der Vertragsarzt nach Feststellung durch die Prüfungsstelle den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Die Prüfungsstelle soll vor ihren Entscheidungen und Festsetzungen auf eine entsprechende Vereinbarung mit dem Vertragsarzt hinwirken, die eine Minderung des Erstattungsbetrages um bis zu 1/5 zum Inhalt haben kann. Gemäß § 106 Absatz 5c SGB V setzt die Prüfungsstelle den den Krankenkassen zustehenden Betrag nach § 106 Absatz 5a SGB V fest. Die nach Maßgabe der Gesamtverträge zu entrichtende Vergütung verringert sich um diesen Betrag. Die Kassenärztliche Vereinigung hat in der jeweiligen Höhe Rückforderungsansprüche gegen den Vertragsarzt, die der an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichtenden Vergütung zugerechnet werden. Gemäß § 106 Absatz 5b SGB V wird ein zu erstattender Mehraufwand nicht festgesetzt, soweit die Prüfungsstelle mit dem Arzt eine individuelle Richtgröße vereinbart, die eine wirtschaftliche Verordnungsweise des Arztes unter Berücksichtigung der Praxisbesonderheiten gewährleistet. Die individuelle Richtgröße ist für den Zeitraum von 4 Quartalen zu vereinbaren und für den folgenden Zeitraum zu überprüfen. Gemäß § 106 Abs. 2 Satz 7, 2. Halbsatz SGB V muss die Festsetzung eines den Krankenkassen zu erstattenden Mehraufwandes nach Absatz 5a innerhalb von 2 Jahren nach Ende des geprüften Verordnungszeitraums erfolgen.

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Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Regresses wegen der Arzneimittelverordnungen der Klägerin im Jahr 2007 sind dem Grunde nach erfüllt.

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Die Verordnungen der Klägerin überschritten 2007 den Fachgruppendurchschnitt um mehr als 25 %. Die Klägerin ist zu Recht der Fachgruppe der Orthopäden zugerechnet worden. Die Fachgruppeneinteilung ergibt sich jeweils aus den Anlagen 1 der Richtgrößenvereinbarungen für die Jahre 2006 und 2008. Darin ist eine Unterscheidung der Fachgruppe der Orthopäden nicht vorgenommen worden und insbesondere keine Gruppe der rheumatologisch tätigen Orthopäden vorgesehen. Eine Differenzierung und eine spezielle Fachgruppe für Rheumatologen sehen die Fachgruppeneinteilungen lediglich bei den Internisten vor. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Einteilungen in den Anlagen 1 ist diese Differenzierung für die Fachgruppe der Internisten auf Orthopäden nicht entsprechend anzuwenden. Die Fachgruppeneinteilung ist für die Klägerin verbindlich; dies ergibt sich aus § 95 Abs. 4 Satz 2 SGB V. Danach sind für die Vertragsärzte die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung verbindlich. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin darauf, dass infolge ihrer vornehmlich rheumatologischen und osteologischen Behandlung der Patientinnen und Patienten eine Vergleichbarkeit mit der Gruppe der übrigen Orthopäden nicht gegeben sei. Bei der Festsetzung der Fachgruppen in den Anlagen 1 zu den Prüfvereinbarungen steht den Vertragspartnern ein Ermessensspielraum zu. Anhaltspunkte dafür, dass die Vertragspartner diesen Spielraum überschritten haben, sieht der Senat nicht. Es ist nicht zu beanstanden, dass die verschiedenartig tätigen Vertragsärzte zu gemeinsamen Arztgruppen zusammengefasst werden und dass die Unterschiede der Behandlungsspektren im Rahmen von Praxisbesonderheiten berücksichtigt werden (vergleiche dazu BSG vom 28. Oktober 2015 – B 6 KA 45/14 R – SozR4-2500 § 106 Nr. 53). Entsprechend wurde auch im Fall des Klägers verfahren, indem die rheumatologische Tätigkeit als Praxisbesonderheit anerkannt wurde und die dafür erfolgten Arzneiverordnungen aus dem Gesamt-Verordnungs-volumen herausgerechnet wurden. Dass es dabei zu keiner weitergehenden Berücksichtigung der Verordnungen der Arzneimittel Forsteo und TNF-alpha-Inhibitoren kam, hat nur zum Teil seine Begründung im Wirtschaftlichkeitsgebot, sondern überwiegend darin, dass nach Auffassung des Beklagten die Voraussetzungen für die Verordnungen nicht erfüllt waren. Der Beklagte oder die Prüfungsstelle haben es auch nicht fehlerhaft unterlassen, mit der Klägerin eine Vereinbarung gemäß § 106 Absatz 5a Satz 4 SGB V abzuschließen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob – wie die Klägerin vorträgt – entsprechend geführte Gespräche lediglich eine Verlängerung der vorher bereits bestehenden entsprechenden Vereinbarungen zum Gegenstand hatten. Denn § 106 Absatz 5a Satz 4 SGB V sieht lediglich eine Reduzierung des Regressbetrages um höchstens 1/5 vor. Indem der Beklagte der Klägerin eine entsprechende Reduzierung anbot, war sein gesetzlicher Entscheidungsspielraum ausgeschöpft. Weiterer Verhandlungsgespräche bedurfte es daher nicht mehr. Die Regressfestsetzung ist auch nicht nach § 106 Absatz 5a SGB V verfristet, denn die Frist von 2 Jahren des § 106 Abs. 2 Satz 7 SGB V ist eingehalten. Die Entscheidung der erstinstanzlichen Prüfungsstelle ist fristwahrend, es kommt nicht auf die Entscheidung des Beklagten innerhalb der gesetzlichen Frist an (BSG vom 16. Juni 1993 - B 6 RKa 37/91 - juris zur vorher geltenden richterlich entwickelten 4 Jahresfrist). Für den Beginn der Ausschlussfrist hat das BSG unter Geltung der richterrechtlich entwickelten 4 Jahresfrist auf das Ende des geprüften Verordnungszeitraums abgestellt, wobei der Verordnungszeitraum im allgemeinen ein Quartal betrifft, in Sonderfällen aber mehrere Quartale umfassen kann (BSG vom 18. August 2010 - B 6 KA 14/09 - und vom 14. April 2014 - B 6 KA 13/13 R - jeweils juris). Bei Richtgrößenprüfungen ist auf ein volles Kalenderjahr als Verordnungszeitraum abzustellen, denn § 106 Abs. 2 Satz 5 SGB V sieht vor, dass die Prüfung der Richtgrößenvolumina für den Zeitraum eines Jahres durchzuführen ist. Dies ist in § 7 Absatz 3 PrüfV dahingehend spezifiziert, dass auf alle 4 Quartale eines Kalenderjahres abzustellen ist. War somit eine kalenderjährliche Prüfung vorgesehen, endete der maßgebliche Zeitraum am 31. Dezember 2007 (vergleiche Urteil des Senats vom 14. Juni 2016 – L 4 KA 3/14). Der Bescheid der Prüfungsstelle vom 14. Dezember 2009 erging daher fristgerecht.

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Indem der Senat trotz der gegebenen Voraussetzungen für einen Regress wegen der Verordnungen von Arznei- und Heilmitteln im Jahr 2007 die Regressfestsetzung des Beklagten als rechtswidrig ansieht, berücksichtigt er, dass der Beklagte wegen der Arzneimittelverordnungen derselben Quartale Wirtschaftlichkeitsprüfungen in Form von Einzelprüfungen vorgenommen und dabei Regresse festgesetzt hat, die sich jedenfalls zum Teil mit dem Regress im Rahmen der Richtgrößenprüfung überschneidet, ohne dass gewährleistet ist, dass die Klägerin nicht wegen der doppelten Regressfestsetzung doppelt in Anspruch genommen wird.

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Dem Regress in dem Bescheid vom 19. Mai 2011 liegen die gesamten Arzneimittelverordnungen der Klägerin der Quartale des Jahres 2007 zu Grunde. Wegen derselben Quartale führte der Beklagte ferner Einzelfallprüfungen im Sinne des § 10 PrüfV 2006 durch. Die Beigeladenen hatten diese für die 4 Quartale am 7. Dezember 2007 sowie 14. März, 7. Juli und 16. September 2008 beantragt. Die Prüfungsstelle setzte mit Bescheid vom 12. September 2008 wegen der Verordnung des Arzneimittels Forsteo zulasten der AOK u.a. in den Quartalen I bis IV/2007 einen Regress fest, der Gegenstand des bei dem Senat anhängigen und am selben Tag entschiedenen Berufungsverfahrens L 4 KA 11/15 ist. Mit weiteren Bescheiden vom 12. September 2008, 21. September 2009 und 25. August 2010 setzte die Prüfungsstelle für die Verordnung von TNF-alpha-Inhibitoren u.a. in den Quartalen I bis IV/2007 zulasten der AOK einen Regress fest, der Gegenstand des beim Senat anhängigen und ebenfalls am selben Tag entschiedenen Berufungsverfahrens L 4 KA 10/15 ist. Da diese Medikamente auch Gegenstand der gesamten Verordnungsmenge der Klägerin im Jahr 2007 sind, entfällt der mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzte Regress auch auf sie; es liegt damit eine doppelte Regressfestsetzung für denselben eingetretenen Schaden vor.

29

Das BSG hat bislang offen gelassen, ob eine doppelte Regressfestsetzung im Wege der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Arzneimittelverordnungen überhaupt zulässig ist (vergleiche BSG vom 13. Mai 2015 – B 6 KA 18/14 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 51, Rn. 45). Es hat jedoch die Forderung aufgestellt, dass im Falle konkurrierender Prüfverfahren jedenfalls sichergestellt sein müsse, dass nicht eine doppelte Vollstreckung von Prüfbescheiden zu einer mehrfachen Durchsetzung von Forderungen wegen desselben Schadens führen dürfe (BSG vom 28. September 2016 – B 6 KA 44/15 R – juris, Rn. 24). Diese Sicherheit ist für die Klägerin nicht gegeben. In Form des angefochtenen Bescheides und der Bescheide in den vorgenannten Verfahren der Einzelfallprüfungen liegen Titel für die jeweiligen gesamten, sich betragsmäßig überschneiden Regressforderungen vor, ohne dass sie eine Einschränkung oder eine anrechnungsbeschränkende Aussage enthielten. Damit ist die Klägerin der Vollziehung dieser mehrfachen Regressforderung ausgesetzt. Die Prüfvereinbarung vom 5. Januar 2006 enthält keine Regelung, nach der Regressfestsetzungen wegen desselben Schadensbetrages aufeinander angerechnet werden müssten. § 14 enthält entsprechend § 106 Abs. 5c Satz 3 SGB V vielmehr die Regelung, dass die Beigeladene zu 6) den vollziehbar festgesetzten Regressbetrag aus verordneten Leistungen bzw. aus Schadensersatz mit den beteiligten Krankenkassen unmittelbar nach der Mitteilung durch die Geschäftsstelle verrechnet. Die Beigeladene zu 6) hat in der jeweiligen Höhe Rückforderungsansprüche gegen den Vertragsarzt. Daraus folgt, dass die Festsetzungen der Entscheidungen des Beklagten für die Beigeladene zu 6) verbindlich sind. Demgemäß hat diese mit Schriftsatz vom 14. Februar 2018 erklärt, sie sehe sich nicht für eine Verrechnung der Regresse zur Vermeidung einer etwaigen doppelten Regressierung verantwortlich. Somit steht die Klägerin einer doppelten Inanspruchnahme wegen desselben Schadens gegenüber.

30

Allerdings hat das BSG im Urteil vom 28. September 2016 (aaO, Rn. 23) ausgeführt, dass die Richtgrößenprüfung als statistische Vergleichsprüfung inhaltlich weitergehend ist als andere Prüfungsarten, insbesondere die Einzelfallprüfung, weil sie über das gesamte Behandlungsverhalten eine umfassendere Aussage ermöglicht. Daher sei sie vorrangig gegenüber anderen Prüfverfahren durchzuführen. Dieser Gesichtspunkt führt im Fall der Klägerin jedoch nicht dazu, dass die Richtgrößenprüfung auf der vorliegenden Grundlage des angefochtenen Bescheides durchzuführen wäre und die Einzelfallprüfungen nachrangig wären. Denn es ist zu berücksichtigen, dass die Einzelfallprüfungen gemäß § 10 Absatz 2 PrüfV 2006 auf Antrag der Beigeladenen zu 1) bis 5) erfolgten und die Festsetzungen der Prüfungsstelle vor der ersten Festsetzung im Rahmen der Richtgrößenprüfung erfolgten. Der Bescheid der Prüfungsstelle hierüber erging am 14. Dezember 2009. Zu diesem Zeitpunkt waren die Einzelfallregresse bereits von der Prüfungsstelle festgesetzt. Dabei ist es ferner unerheblich, dass die (Widerspruchs-) Entscheidung des Beklagten für alle Verfahren einheitlich am 19. Mai 2011 erging. Denn bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen war es dem Beklagten nicht möglich, die Festsetzungsbescheide der Prüfungsstelle in den Einzelfallüberprüfungen angesichts der nach Auffassung des Beklagten materiell rechtmäßigen Regresse und angesichts der verfahrenseinleitenden Anträge der Beigeladenen zu 1) bis 5) aufzuheben. Es fehlte daher dem angefochtenen Bescheid eine einschränkende Regelung über die Anrechnung der bereits zuvor erfolgten Einzelfallregresse im Rahmen der Entscheidung in der Richtgrößenprüfung. Das Vorranggebot der statistisch angelegten Richtgrößenprüfung gegenüber der Einzelfallprüfung griff daher im Fall des Klägers nicht ein.

31

Da nicht gewährleistet ist, dass der Kläger wegen desselben Regresses doppelt in Anspruch genommen wird, war die Entscheidung des Beklagten aufzuheben.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

33

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zugelassen, da die Frage, ob grundsätzlich mehrfache Regressverfahren wegen derselben unwirtschaftlichen Arzneiverordnungen zulässig sind, durch das BSG nicht geklärt ist.

34

Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Der Streitwert bestimmt sich nach dem mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Regressbetrag.


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Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 20. Feb. 2018 - L 4 KA 8/15 zitiert 13 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 95 Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung


(1) An der vertragsärztlichen Versorgung nehmen zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen teil. Medizinische Versorgungszentren sind ärztlich geleitete Einrichtungen, in de

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 106 Wirtschaftlichkeitsprüfung


(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und d

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 31 Arznei- und Verbandmittel, Verordnungsermächtigung


(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 84 Arznei- und Heilmittelvereinbarung


(1) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztliche Vereinigung treffen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mit Leistungen nach § 31 bis zum 30. November für das jeweils fol

Prüfungsberichteverordnung - PrüfV 2017 | § 10 Erleichterungen bei der Bewertung


Macht das Unternehmen von der Erleichterung gemäß Artikel 9 Absatz 4 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 Gebrauch, muss der Prüfungsbericht Ausführungen dazu enthalten, 1. ob und warum die Bewertungsmethode mit § 74 des Versicherungsaufsichtsgese

Prüfungsberichteverordnung - PrüfV 2017 | § 7 Datenqualität


(1) Der Prüfer hat insbesondere darzustellen und zu beurteilen, ob die organisatorischen, personellen und technischen Vorkehrungen zur Sicherstellung der Integrität, Authentizität und Verfügbarkeit der aufsichtlich relevanten Daten angemessen sind un

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Tenor Auf die Revision der Beigeladenen zu 1. wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Januar 2014 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgericht

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(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztliche Vereinigung treffen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mit Leistungen nach § 31 bis zum 30. November für das jeweils folgende Kalenderjahr eine Arzneimittelvereinbarung. Die Vereinbarung umfasst

1.
ein Ausgabenvolumen für die insgesamt von den Vertragsärzten nach § 31 veranlassten Leistungen,
2.
Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete, auf die Umsetzung dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen, insbesondere Verordnungsanteile für Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen im jeweiligen Anwendungsgebiet, Verordnungsanteile für Generika und im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel im Sinne des Artikels 10 Absatz 4 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, auch zur Verordnung wirtschaftlicher Einzelmengen (Zielvereinbarungen), insbesondere zur Information und Beratung und
3.
Kriterien für Sofortmaßnahmen zur Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens innerhalb des laufenden Kalenderjahres.
Kommt eine Vereinbarung bis zum Ablauf der in Satz 1 genannten Frist nicht zustande, gilt die bisherige Vereinbarung bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung oder einer Entscheidung durch das Schiedsamt weiter. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen teilen das nach Satz 2 Nr. 1 vereinbarte oder schiedsamtlich festgelegte Ausgabenvolumen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit. Die Krankenkasse kann mit Ärzten abweichende oder über die Regelungen nach Satz 2 hinausgehende Vereinbarungen treffen.

(2) Bei der Anpassung des Ausgabenvolumens nach Absatz 1 Nr. 1 sind insbesondere zu berücksichtigen

1.
Veränderungen der Zahl und Altersstruktur der Versicherten,
2.
Veränderungen der Preise der Leistungen nach § 31,
3.
Veränderungen der gesetzlichen Leistungspflicht der Krankenkassen,
4.
Änderungen der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Nr. 6,
5.
der wirtschaftliche und qualitätsgesicherte Einsatz innovativer Arzneimittel,
6.
Veränderungen der sonstigen indikationsbezogenen Notwendigkeit und Qualität bei der Arzneimittelverordnung auf Grund von getroffenen Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2,
7.
Veränderungen des Verordnungsumfangs von Leistungen nach § 31 auf Grund von Verlagerungen zwischen den Leistungsbereichen und
8.
Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven entsprechend den Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2.

(3) Überschreitet das tatsächliche, nach Absatz 5 Satz 1 bis 3 festgestellte Ausgabenvolumen für Leistungen nach § 31 das nach Absatz 1 Nr. 1 vereinbarte Ausgabenvolumen, ist diese Überschreitung Gegenstand der Gesamtverträge. Die Vertragsparteien haben dabei die Ursachen der Überschreitung, insbesondere auch die Erfüllung der Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2 zu berücksichtigen. Bei Unterschreitung des nach Absatz 1 Nr. 1 vereinbarten Ausgabenvolumens kann diese Unterschreitung Gegenstand der Gesamtverträge werden.

(4) Werden die Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2 erfüllt, entrichten die beteiligten Krankenkassen auf Grund einer Regelung der Parteien der Gesamtverträge auch unabhängig von der Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens nach Absatz 1 Nr. 1 einen vereinbarten Bonus an die Kassenärztliche Vereinigung.

(4a) Die Vorstände der Krankenkassenverbände sowie der Ersatzkassen, soweit sie Vertragspartei nach Absatz 1 sind und der Kassenärztlichen Vereinigungen haften für eine ordnungsgemäße Umsetzung der vorgenannten Maßnahmen.

(5) Zur Feststellung des tatsächlichen Ausgabenvolumens nach Absatz 3 erfassen die Krankenkassen die während der Geltungsdauer der Arzneimittelvereinbarung veranlassten Ausgaben arztbezogen, nicht versichertenbezogen. Sie übermitteln diese Angaben nach Durchführung der Abrechnungsprüfung dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der diese Daten kassenartenübergreifend zusammenführt und jeweils der Kassenärztlichen Vereinigung übermittelt, der die Ärzte, welche die Ausgaben veranlasst haben, angehören; zugleich übermittelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen diese Daten den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen, die Vertragspartner der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung nach Absatz 1 sind. Ausgaben nach Satz 1 sind auch Ausgaben für Leistungen nach § 31, die durch Kostenerstattung vergütet worden sind. Zudem erstellt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen für jede Kassenärztliche Vereinigung monatliche Berichte über die Entwicklung der Ausgaben von Leistungen nach § 31 und übermitteln diese Berichte als Schnellinformationen den Vertragspartnern nach Absatz 1 insbesondere für Abschluss und Durchführung der Arzneimittelvereinbarung sowie für die Informationen nach § 73 Abs. 8. Für diese Berichte gelten Satz 1 und 2 entsprechend; Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Angaben vor Durchführung der Abrechnungsprüfung zu übermitteln sind. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung erhält für die Vereinbarung der Rahmenvorgaben nach Absatz 7 und für die Informationen nach § 73 Abs. 8 eine Auswertung dieser Berichte. Die Krankenkassen sowie der Spitzenverband Bund der Krankenkassen können eine Arbeitsgemeinschaft nach § 219 mit der Durchführung der vorgenannten Aufgaben beauftragen. § 304 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend.

(6) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren bis zum 30. September für das jeweils folgende Kalenderjahr Rahmenvorgaben für die Inhalte der Arzneimittelvereinbarungen nach Absatz 1 sowie für die Inhalte der Informationen und Hinweise nach § 73 Abs. 8. Die Rahmenvorgaben haben die Arzneimittelverordnungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen zu vergleichen und zu bewerten; dabei ist auf Unterschiede in der Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit hinzuweisen. Von den Rahmenvorgaben dürfen die Vertragspartner der Arzneimittelvereinbarung nur abweichen, soweit dies durch die regionalen Versorgungsbedingungen begründet ist.

(7) Die Absätze 1 bis 6 sind für Heilmittel unter Berücksichtigung der besonderen Versorgungs- und Abrechnungsbedingungen im Heilmittelbereich entsprechend anzuwenden. Veranlasste Ausgaben im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 betreffen die während der Geltungsdauer der Heilmittelvereinbarung mit den Krankenkassen abgerechneten Leistungen. Die in Absatz 5 geregelte Datenübermittlung erfolgt für die Heilmittel in arztbezogener Form sowie versichertenbezogen in pseudonymisierter Form. Das Nähere zur Datenübermittlung und zum Verfahren der Pseudonymisierung regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

(8) Das Bundesministerium für Gesundheit kann bei Ereignissen mit erheblicher Folgewirkung für die medizinische Versorgung zur Gewährleistung der notwendigen Versorgung mit Leistungen nach § 31 die Ausgabenvolumen nach Absatz 1 Nr. 1 durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates erhöhen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie § 35 und die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung gelten entsprechend. Für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte nach Satz 2 gilt § 34 Abs. 1 Satz 6 entsprechend. Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 Geltung hat, frei wählen. Vertragsärzte und Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen. Die Sätze 5 und 6 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(1a) Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. Erfasst sind auch Gegenstände, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen, die nicht oberflächengeschädigt sind, gegebenenfalls mehrfach verwendet werden, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren. Das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. August 2020 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6; Absatz 1 Satz 2 gilt für diese sonstigen Produkte entsprechend. Bis 48 Monate nach dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 sind solche Gegenstände weiterhin zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen, die vor dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 erbracht wurden. Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung im Rahmen eines Antragsverfahrens insbesondere zu konkreten Inhalten der vorzulegenden Unterlagen und Studien. § 34 Absatz 6 gilt entsprechend. Für die Beratung sind Gebühren zu erheben. Das Nähere zur Beratung und zu den Gebühren regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung.

(1b) Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal sich wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.

(2) Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei- oder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler. Hat die Krankenkasse mit einem pharmazeutischen Unternehmen, das ein Festbetragsarzneimittel anbietet, eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 abgeschlossen, trägt die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den Apothekenverkaufspreis dieses Mittels abzüglich der Zuzahlungen und Abschläge nach den §§ 130 und 130a Absatz 1, 1b, 3a und 3b. Diese Vereinbarung ist nur zulässig, wenn hierdurch die Mehrkosten der Überschreitung des Festbetrages ausgeglichen werden. Die Krankenkasse übermittelt die erforderlichen Angaben einschließlich des Arzneimittel- und des Institutionskennzeichens der Krankenkasse an die Vertragspartner nach § 129 Abs. 2; das Nähere ist in den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und 5 zu vereinbaren. Versicherte und Apotheken sind nicht verpflichtet, Mehrkosten an die Krankenkasse zurückzuzahlen, wenn die von der Krankenkasse abgeschlossene Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

(2a) (weggefallen)

(3) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, leisten an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Satz 1 findet keine Anwendung bei Harn- und Blutteststreifen. Satz 1 gilt auch für Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 20 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Für andere Arzneimittel, für die eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 besteht, kann die Krankenkasse die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigen oder aufheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Muss für ein Arzneimittel auf Grund eines Arzneimittelrückrufs oder einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit erneut ein Arzneimittel verordnet werden, so ist die erneute Verordnung zuzahlungsfrei. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung ist dem Versicherten auf Antrag von der Krankenkasse zu erstatten.

(4) Das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach Satz 1 bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(5) Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung nach Maßgabe der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in der jeweils geltenden und gemäß § 94 Absatz 2 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Fassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Entwicklung der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, zu evaluieren und über das Ergebnis der Evaluation dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre, erstmals zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen in der Verfahrensordnung nach Satz 5, zu berichten. Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss in dem Bericht nach Satz 2 fest, dass zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung Anpassungen der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, erforderlich sind, regelt er diese Anpassungen spätestens zwei Jahre nach Übersendung des Berichts in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt bei der Evaluation nach Satz 2 und bei der Regelung nach Satz 3 Angaben von Herstellern von Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung zur medizinischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Produkte sowie Angaben zur Versorgung mit Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Das Nähere zum Verfahren der Evaluation nach Satz 2 und der Regelung nach Satz 3 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Für die Zuzahlung gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Für die Abgabe von bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung gelten die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung entsprechend. Bei Vereinbarungen nach § 84 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 sind Leistungen nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1.
eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a)
nicht zur Verfügung steht oder
b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2.
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b oder im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung mit einer Leistung nach Satz 1 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden. Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Arzneimittels nach Satz 1 angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, bedürfen keiner erneuten Genehmigung nach Satz 2. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird mit einer bis zum 31. März 2022 laufenden nichtinterventionellen Begleiterhebung zum Einsatz der Leistungen nach Satz 1 beauftragt.Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt, die oder der die Leistung nach Satz 1 verordnet, übermittelt die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form; über diese Übermittlung ist die oder der Versicherte vor Verordnung der Leistung von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt zu informieren.Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darf die nach Satz 6 übermittelten Daten nur in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Begleiterhebung verarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Umfang der zu übermittelnden Daten, das Verfahren zur Durchführung der Begleiterhebung einschließlich der anonymisierten Datenübermittlung sowie das Format des Studienberichts nach Satz 9 zu regeln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 ist über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Sofern eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, ist abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang zu entscheiden; der Medizinische Dienst nimmt, sofern eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von zwei Wochen Stellung.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt bis zum 1. Oktober 2023 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Nummer 6 das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) An der vertragsärztlichen Versorgung nehmen zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen teil. Medizinische Versorgungszentren sind ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister nach Absatz 2 Satz 3 eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Der ärztliche Leiter muss in dem medizinischen Versorgungszentrum selbst als angestellter Arzt oder als Vertragsarzt tätig sein; er ist in medizinischen Fragen weisungsfrei. Sind in einem medizinischen Versorgungszentrum Angehörige unterschiedlicher Berufsgruppen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, tätig, ist auch eine kooperative Leitung möglich. Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt oder den Ort der Niederlassung als medizinisches Versorgungszentrum (Vertragsarztsitz).

(1a) Medizinische Versorgungszentren können von zugelassenen Ärzten, von zugelassenen Krankenhäusern, von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3, von anerkannten Praxisnetzen nach § 87b Absatz 2 Satz 3, von gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, oder von Kommunen gegründet werden. Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 sind jedoch nur zur Gründung fachbezogener medizinischer Versorgungszentren berechtigt; ein Fachbezug besteht auch für die mit Dialyseleistungen zusammenhängenden ärztlichen Leistungen im Rahmen einer umfassenden Versorgung der Dialysepatienten. Die Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums ist nur in der Rechtsform der Personengesellschaft, der eingetragenen Genossenschaft oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder in einer öffentlich rechtlichen Rechtsform möglich. Die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die am 1. Januar 2012 bereits zugelassen sind, gilt unabhängig von der Trägerschaft und der Rechtsform des medizinischen Versorgungszentrums unverändert fort; die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 gegründet wurden und am 10. Mai 2019 bereits zugelassen sind, gilt unabhängig von ihrem Versorgungsangebot unverändert fort. Für die Gründung von medizinischen Versorgungszentren durch Kommunen findet § 105 Absatz 5 Satz 1 bis 4 keine Anwendung.

(1b) Ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum kann von einem Krankenhaus nur gegründet werden, soweit der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in dem Planungsbereich der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, in dem die Gründung des zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentrums beabsichtigt ist, 10 Prozent nicht überschreitet. In Planungsbereichen, in denen der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um bis zu 50 Prozent unterschritten ist, umfasst die Gründungsbefugnis des Krankenhauses für zahnärztliche medizinische Versorgungszentren mindestens fünf Vertragszahnarztsitze oder Anstellungen. Abweichend von Satz 1 kann ein Krankenhaus ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum unter den folgenden Voraussetzungen gründen:

1.
in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 50 Prozent unterschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 20 Prozent nicht überschreitet,
2.
in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 10 Prozent überschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 5 Prozent nicht überschreitet.
Der Zulassungsausschuss ermittelt den jeweils geltenden Versorgungsanteil auf Grundlage des allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades und des Standes der vertragszahnärztlichen Versorgung. Hierzu haben die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen umfassende und vergleichbare Übersichten zum allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad und zum Stand der vertragszahnärztlichen Versorgung am 31. Dezember eines jeden Jahres zu erstellen. Die Übersichten sind bis zum 30. Juni des jeweils folgenden Jahres zu erstellen und in geeigneter Weise in den amtlichen Mitteilungsblättern der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen zu veröffentlichen. Die Sätze 1 bis 6 gelten auch für die Erweiterung bestehender zahnärztlicher medizinischer Versorgungszentren eines Krankenhauses.

(2) Um die Zulassung als Vertragsarzt kann sich jeder Arzt bewerben, der seine Eintragung in ein Arzt- oder Zahnarztregister (Arztregister) nachweist. Die Arztregister werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen für jeden Zulassungsbezirk geführt. Die Eintragung in ein Arztregister erfolgt auf Antrag

1.
nach Erfüllung der Voraussetzungen nach § 95a für Vertragsärzte und nach § 95c für Psychotherapeuten,
2.
nach Ableistung einer zweijährigen Vorbereitungszeit für Vertragszahnärzte.
Das Nähere regeln die Zulassungsverordnungen. Um die Zulassung kann sich ein medizinisches Versorgungszentrum bewerben, dessen Ärzte in das Arztregister nach Satz 3 eingetragen sind. Für die Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist außerdem Voraussetzung, dass die Gesellschafter entweder selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen oder andere Sicherheitsleistungen nach § 232 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für Forderungen von Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen gegen das medizinische Versorgungszentrum aus dessen vertragsärztlicher Tätigkeit abgeben; dies gilt auch für Forderungen, die erst nach Auflösung des medizinischen Versorgungszentrums fällig werden. Die Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen medizinischen Versorgungszentrum bedarf der Genehmigung des Zulassungsausschusses. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 5 erfüllt sind; Absatz 9b gilt entsprechend. Anträge auf Zulassung eines Arztes und auf Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums sowie auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen medizinischen Versorgungszentrum sind abzulehnen, wenn bei Antragstellung für die dort tätigen Ärzte Zulassungsbeschränkungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 angeordnet sind oder der Zulassung oder der Anstellungsgenehmigung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 entgegenstehen. Abweichend von Satz 9 ist einem Antrag trotz einer nach § 103 Absatz 1 Satz 2 angeordneten Zulassungsbeschränkung stattzugeben, wenn mit der Zulassung oder Anstellungsgenehmigung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 befolgt werden. Für die in den medizinischen Versorgungszentren angestellten Ärzte gilt § 135 entsprechend.

(2a) (weggefallen)

(3) Die Zulassung bewirkt, daß der Vertragsarzt Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung wird und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang seines aus der Zulassung folgenden Versorgungsauftrages berechtigt und verpflichtet ist. Die Zulassung des medizinischen Versorgungszentrums bewirkt, dass die in dem Versorgungszentrum angestellten Ärzte Mitglieder der für den Vertragsarztsitz des Versorgungszentrums zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung sind und dass das zugelassene medizinische Versorgungszentrum insoweit zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind verbindlich. Die Einhaltung der sich aus den Sätzen 1 und 2 ergebenden Versorgungsaufträge sind von der Kassenärztlichen Vereinigung bundeseinheitlich, insbesondere anhand der abgerechneten Fälle und anhand der Gebührenordnungspositionen mit den Angaben für den zur ärztlichen Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand nach § 87 Absatz 2 Satz 1 zweiter Halbsatz, zu prüfen. Die Ergebnisse sowie eine Übersicht über die gegebenenfalls getroffenen Maßnahmen sind den Landes- und Zulassungsausschüssen sowie der für die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung zuständigen Aufsichtsbehörde jeweils zum 30. Juni des Jahres zu übermitteln.

(4) Die Ermächtigung bewirkt, daß der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind für sie verbindlich. Die Absätze 5 bis 7, § 75 Abs. 2 und § 81 Abs. 5 gelten entsprechend.

(5) Die Zulassung ruht auf Beschluß des Zulassungsausschusses, wenn der Vertragsarzt seine Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht ausübt, ihre Aufnahme aber in angemessener Frist zu erwarten ist, oder auf Antrag eines Vertragsarztes, der in den hauptamtlichen Vorstand nach § 79 Abs. 1 gewählt worden ist. Unter den gleichen Voraussetzungen kann bei vollem Versorgungsauftrag das Ruhen der Hälfte oder eines Viertels der Zulassung beschlossen werden; bei einem drei Viertel Versorgungsauftrag kann das Ruhen eines Viertels der Zulassung beschlossen werden.

(6) Die Zulassung ist zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Der Zulassungsausschuss kann in diesen Fällen statt einer vollständigen auch die Entziehung derHälfteoder eines Viertels der Zulassung beschließen. Einem medizinischen Versorgungszentrum ist die Zulassung auch dann zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen des Absatzes 1a Satz 1 bis 3 länger als sechs Monate nicht mehr vorliegen. Die Gründereigenschaft nach Absatz 1a Satz 1 bleibt auch für die angestellten Ärzte bestehen, die auf ihre Zulassung zugunsten der Anstellung in einem medizinischen Versorgungszentrum verzichtet haben, solange sie in dem medizinischen Versorgungszentrum tätig sind und Gesellschafter des medizinischen Versorgungszentrums sind. Die Gründungsvoraussetzung nach Absatz 1a Satz 1 liegt weiterhin vor, sofern angestellte Ärzte die Gesellschafteranteile der Ärzte nach Absatz 1a Satz 1 oder der Ärzte nach Satz 4 übernehmen und solange sie in dem medizinischen Versorgungszentrum tätig sind; die Übernahme von Gesellschafteranteilen durch angestellte Ärzte ist jederzeit möglich. Medizinischen Versorgungszentren, die unter den in Absatz 1a Satz 4 erster Halbsatz geregelten Bestandsschutz fallen, ist die Zulassung zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen des Absatzes 1 Satz 6 zweiter Halbsatz in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung seit mehr als sechs Monaten nicht mehr vorliegen oder das medizinische Versorgungszentrum gegenüber dem Zulassungsausschuss nicht bis zum 30. Juni 2012 nachweist, dass die ärztliche Leitung den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 3 entspricht.

(7) Die Zulassung endet, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen wird, mit dem Tod, mit dem Wirksamwerden eines Verzichts, mit dem Ablauf des Befristungszeitraumes oder mit dem Wegzug des Berechtigten aus dem Bezirk seines Kassenarztsitzes. Die Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums endet mit dem Wirksamwerden eines Verzichts, der Auflösung, dem Ablauf des Befristungszeitraumes oder mit dem Wegzug des zugelassenen medizinischen Versorgungszentrums aus dem Bezirk des Vertragsarztsitzes.

(8) (weggefallen)

(9) Der Vertragsarzt kann mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, anstellen, sofern für die Arztgruppe, der der anzustellende Arzt angehört, keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind und der Anstellung keine Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 entgegenstehen; hiervon abweichend ist eine Anstellungsgenehmigung trotz einer angeordneten Zulassungsbeschränkung zu erteilen, wenn mit der Anstellung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 befolgt werden. Sind Zulassungsbeschränkungen angeordnet, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Voraussetzungen des § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 erfüllt sein müssen. Das Nähere zu der Anstellung von Ärzten bei Vertragsärzten bestimmen die Zulassungsverordnungen. Absatz 5 gilt entsprechend.

(9a) Der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Vertragsarzt kann mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die von einer Hochschule mindestens halbtags als angestellte oder beamtete Hochschullehrer für Allgemeinmedizin oder als deren wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt werden und in das Arztregister eingetragen sind, unabhängig von Zulassungsbeschränkungen anstellen. Bei der Ermittlung des Versorgungsgrades in einem Planungsbereich sind diese angestellten Ärzte nicht mitzurechnen.

(9b) Eine genehmigte Anstellung nach Absatz 9 Satz 1 ist auf Antrag des anstellenden Vertragsarztes vom Zulassungsausschuss in eine Zulassung umzuwandeln, sofern der Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes einem ganzen, einem halben oder einem drei Viertel Versorgungsauftrag entspricht; beantragt der anstellende Vertragsarzt nicht zugleich bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Absatz 3a, wird der bisher angestellte Arzt Inhaber der Zulassung.

(10) (weggefallen)

(11) (weggefallen)

(11a) (weggefallen)

(11b) (weggefallen)

(12) (weggefallen)

(13) In Zulassungssachen der Psychotherapeuten und der überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte (§ 101 Abs. 3 Satz 1) treten abweichend von § 96 Abs. 2 Satz 1 und § 97 Abs. 2 Satz 1 an die Stelle der Vertreter der Ärzte Vertreter der Psychotherapeuten und der Ärzte in gleicher Zahl; unter den Vertretern der Psychotherapeuten muß mindestens ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut oder ein Psychotherapeut mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen sein. Für die erstmalige Besetzung der Zulassungsausschüsse und der Berufungsausschüsse nach Satz 1 werden die Vertreter der Psychotherapeuten von der zuständigen Aufsichtsbehörde auf Vorschlag der für die beruflichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Psychotherapeuten auf Landesebene berufen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 7. Oktober 2014 und das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 9. Mai 2012 geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 7. Oktober 2009 wird insoweit aufgehoben, als ein Regress von mehr als 115 446,93 Euro festgesetzt worden ist. Im Übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Der Kläger trägt 4/5 und der Beklagte trägt 1/5 der Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung eines Regresses im Rahmen einer Richtgrößenprüfung für die Verordnung von Arznei- und Verbandmitteln in Höhe von insgesamt 144 308,66 Euro für die Jahre 2003 bis 2005.

2

Der Kläger war bis zum Ablauf des Quartals III/2006 als hausärztlicher Internist zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und beendete seine Tätigkeit nach den damals geltenden gesetzlichen Regelungen mit Vollendung des 68. Lebensjahres.

3

Im Jahr 2004 teilte die Gemeinsame Prüfeinrichtung der Vertragsärzte und Krankenkassen in Schleswig-Holstein - Kammer Prüfung Arznei - dem Kläger mit, für die Jahre 2001 und 2002 habe er sein Richtgrößenvolumen überschritten. Entsprechende Mitteilungen erfolgten auch für die Folgejahre. In seinen Erwiderungsschreiben wies der Kläger ua darauf hin, dass er viele Rentner und Diabetiker behandele.

4

Mit Bescheid vom 14.12.2007 entschied der Prüfungsausschuss, trotz der festgestellten Überschreitungen der Richtgrößenvolumina (2003: 97,07 %; 2004: 55,26 %; 2005: 62,41 %) keine Maßnahmen gegen den Kläger zu ergreifen, da die im Rahmen der Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs 5a bis 5d SGB V vorgesehenen Maßnahmen grundsätzlich nur gegenüber zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch als Vertragsärzte tätigen Ärzten eingeleitet werden dürften. Auf den Widerspruch der beigeladenen Krankenkassenverbände setzte der beklagte Beschwerdeausschuss mit Bescheid vom 7.10.2009 einen Regress in Höhe von 40 309,84 Euro für 2003, in Höhe von 45 596,30 Euro für 2004 und in Höhe von 58 402,52 Euro für 2005 fest (insgesamt 144 308,66 Euro).

5

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

6

Das LSG hat zur Begründung seines Urteils vom 7.10.2014 ausgeführt, entgegen der Auffassung des Klägers sei eine Festsetzung von Regressen nach Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht ausgeschlossen. Zwar könnten nur aktive Vertragsärzte ein individuelles Richtgrößenvolumen (IRV) nach § 106 Abs 5d SGB V vereinbaren, doch sei diese Option nicht Voraussetzung eines Regresses. § 106 Abs 5a SGB V erfasse alle Vertragsärzte, und nach der Rechtsprechung des BSG könnten Arzneikostenregresse als Konsequenz eines bestimmten Verordnungsverhaltens auch noch nach dem Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung festgesetzt werden.

7

Die für den Erlass des Regressbescheides maßgebliche Ausschlussfrist von vier Jahren sei gewahrt. Die Verkürzung der Ausschlussfrist auf nur noch zwei Jahre (§ 106 Abs 2 Satz 7 SGB V)erfasse den hier zu beurteilenden Fall nicht, weil sie erst ab dem 1.1.2008 gelte. Maßgeblich für die Wahrung der Ausschlussfrist sei nicht die Entscheidung des Beklagten vom 7.10.2009, sondern die Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 14.12.2007, obwohl der Ausschuss keinen Regress gegen den Kläger festgesetzt habe. Die erst zum 1.1.2012 in Kraft getretene Regelung des § 106 Abs 5e SGB V ("Beratung vor Regress") sei auf die streitgegenständliche Regressfestsetzung auch dann nicht anwendbar, wenn das Widerspruchsverfahren schon vor dem 31.12.2011 abgeschlossen sei, sich aber ein Gerichtsverfahren angeschlossen habe. Auch die Begrenzung der Richtgrößenregresse auf maximal 25 000 Euro im Fall einer erstmaligen Überschreitung um mehr als 25 % gemäß § 106 Abs 5c Satz 7 SGB V begünstige den Kläger nicht, da sie erst zum 1.1.2011 in Kraft getreten sei. Den Praxisbesonderheiten des Klägers habe der Beklagte hinreichend durch die Berücksichtigung der Wirkstoffe und Indikationen der Anlagen 2 und 3 zu den jeweiligen Richtgrößenvereinbarungen sowie durch die kostenmindernde Berücksichtigung einzelner "teurer" Patienten (HIV, Mundboden CA, Morbus Crohn, Niereninsuffizienz, PCP, CREST) Rechnung getragen. Dem vom Kläger vorgetragenen hohen Altersdurchschnitt seiner Patienten werde bereits durch die nach Patientengruppen gewichtete Ermittlung der Richtgrößen Rechnung getragen, wobei der Richtwert für Rentner deutlich höher liege als der für Mitglieder und Angehörige. Zu berücksichtigen sei auch, dass nicht jedes Abweichen in der Praxisstruktur vom statistischen Normalfall kostenmindernd berücksichtigt werden müsse, weil § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V die Festsetzung eines Regresses erst ab einem Überschreiten der Richtgrößen um mehr als 25 % vorsehe und somit ein gesetzlicher Sicherheitspuffer bestehe. Nicht zu verkennen sei, dass der Kläger durch die Regressfestsetzung und die Rückforderung durch die Beigeladene zu 5. stark belastet sei. Dem könne aber nur im Rahmen der Entscheidung der Beigeladenen zu 5. über einen Erlass der Rückforderung nach § 76 SGB IV Rechnung getragen werden.

8

Seine Revision begründet der Kläger damit, dass gegen ihn nach seinem Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung kein Regress mehr festgesetzt werden dürfe. Im Übrigen sei die maßgebliche zweijährige Ausschlussfrist nicht gewahrt, der Grundsatz "Beratung vor Regress" sei verletzt und Praxisbesonderheiten seien unzureichend berücksichtigt worden.

9

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Kiel vom 9.5.2012 und des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 7.10.2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 7.10.2009 aufzuheben.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

11

Die Annahme des Klägers, nach Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit könne kein Regress mehr festgesetzt werden, stehe nicht mit der Rechtsprechung des BSG im Einklang. Zutreffend sei das LSG auch davon ausgegangen, dass vorliegend die Zwei-Jahres-Frist gemäß § 106 Abs 2 Satz 7 SGB V keine Anwendung finde. Bis zum 31.12.2007 habe eine vierjährige Ausschlussfrist gegolten. Diese sei durch den Erlass des Bescheides des Prüfungsausschusses vom 14.12.2007 gehemmt. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.3.2007 in laufende Verwaltungsverfahren habe eingreifen wollen. Vielmehr habe er sicherstellen wollen, dass das reine Prüfungsverfahren bis zum Erlass des ersten Bescheides innerhalb der nunmehr gesetzlich geregelten Ausschlussfrist von zwei Jahren abgeschlossen werde. Mit dem Erlass des Bescheides sei der gesetzgeberische Zweck, dass nämlich der Betroffene das vorläufige Ergebnis des Abschlusses einer Prüfung kenne, vollständig erreicht. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf eine vorrangige Beratung nach § 106 Abs 5e SGB V. Diese Regelung sei erst am 1.1.2012 in Kraft getreten. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG sei sie nur auf Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse anzuwenden, die nach dem 25.10.2012 ergangen seien.

12

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

13

Die Beigeladene zu 5. trägt vor, dass entgegen der Auffassung der Vorinstanzen die Prüfung, ob seitens der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) die Stundung bzw der Erlass einer Forderung iS des § 106 Abs 5c SGB V iVm § 76 SGB IV gewährt werde, streng von der Prüfung, ob und in welcher Höhe der zugrunde liegende Regress durch die Prüfgremien rechtmäßig festgesetzt worden sei, getrennt werden müsse.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist teilweise erfolgreich. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass auch gegen den nicht mehr vertragsärztlich tätigen Kläger ein Regress nach § 106 Abs 5a SGB V festgesetzt werden kann(1.). Die Festsetzung des Regresses war auch nicht verfristet (2.). Der angefochtene Bescheid verstößt zudem nicht gegen den Grundsatz "Beratung vor Regress" (3.). Der Regressbetrag ist aber wegen der unterlassenen Hinwirkung auf eine Vereinbarung um 20 % zu reduzieren (4.). Der Bescheid ist im Übrigen rechtmäßig (5.). Über Stundung oder Erlass der Rückforderung der beigeladenen KÄV gegen den Kläger ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden (6.).

15

1. Rechtsgrundlage für die Regressfestsetzung für das Jahr 2003 ist § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V(zugrundezulegen idF des Gesetzes zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbudgets vom 19.12.2001, BGBl I 3773) bzw für die Jahre 2004 und 2005 § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V(zugrundezulegen idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Nach diesen nahezu wortgleichen Regelungen hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist.

16

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass die Festsetzung des Regresses nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V nicht ausgeschlossen ist, weil der Kläger seit Oktober 2006 nicht mehr vertragsärztlich tätig ist. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Prüfgremien nach § 106 SGB V auch dann noch gemäß § 48 Bundesmantelvertrag/Ärzte (BMV-Ä) einen sonstigen Schaden feststellen können, wenn der Arzt nicht mehr vertragsärztlich tätig ist(BSG SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 25). Zwar ging es in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall, der die fehlerhafte Ausstellung von Verordnungen betraf, nicht um die Frage, ob überhaupt ein Regress festgesetzt werden kann, sondern darum, ob die Prüfgremien auch nach dem Ausscheiden des Arztes aus der vertragsärztlichen Versorgung noch zuständig sind (Abgrenzung von § 49 BMV-Ä zu § 48 BMV-Ä, bzw - je nach Fallkonstellation - zu § 106 Abs 2 SGB V). Jedoch hat der Senat als unzweifelhaft angesehen, "dass die Prüfgremien auch nach dem Ausscheiden eines Arztes ein Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung gegen den Vertragsarzt hinsichtlich vergangener Quartale durchführen können, und ebenso, dass die KÄV noch sachlich-rechnerische Richtigstellungen wegen vertragsärztlicher Fehlabrechnungen durchführen kann". Der frühere Status als Vertragsarzt entfaltet Nachwirkungen und den vertrags(zahn)ärztlichen Institutionen stehen nachwirkende Regelungsbefugnisse zu. Der Arzt hätte es ansonsten in der Hand "sich durch ein Ausscheiden aus der Versorgung einem Verfahren vor den Prüfgremien zu entziehen" (BSG SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 28, 26). Diese Grundsätze hat der Senat in einer weiteren Entscheidung ebenfalls vom 20.3.2013, in der es um die Feststellung eines sonstigen Schadens nach §§ 21, 22 Bundesmantelvertrag/Zahnärzte ging, bekräftigt und vertieft. Zwar sei der (Zahn)Arzt mit Beendigung seiner Zulassung nicht mehr in das System der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung eingebunden, soweit aber Ansprüche ihren Ursprung in der vertrags(zahn)ärztlichen Tätigkeit haben, sind die fachkundig besetzten Gremien und Institutionen berufen, die Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit dieser Tätigkeit zu beurteilen. Die gesetzgeberische Entscheidung, die Leistungserbringer während ihrer Tätigkeit im System einem besonderen Regime der ärztlichen Selbstverwaltung und der mit Vertretern der K(Z)ÄV und der Krankenkasse (KKn) fachkundig besetzten Gremien zu unterwerfen, verliert nicht dadurch an Bedeutung, dass die vertrags(zahn)ärztliche Tätigkeit beendet wird (BSG SozR 4-5545 § 23 Nr 2 RdNr 24). Von dieser Rechtsprechung des Senats, welche allgemein auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung abstellt, ist auch die Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs 5a SGB V erfasst. Der umfassenden Verpflichtung des Vertragsarztes zur Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots steht die entsprechende Verpflichtung der Prüfgremien zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen gegenüber (Clemens in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106 SGB V, RdNr 20; Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, 08/14,K § 106 RdNr 22, 71a). Grundsätzlich dürfen kein Arzt oder Gruppen von ärztlichen Leistungserbringern von der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgenommen bleiben (BSGE 75, 220, 223 = SozR 3-2500 § 106 Nr 24, S 131, 134; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33, S 277, 282, RdNr 20 mwN).

17

Für die Richtgrößenprüfung ist keine Ausnahme von diesem Grundsatz aus § 106 Abs 5d SGB V abzuleiten. Nach § 106 Abs 5d Satz 1 SGB V idF des GMG wird abweichend von § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V ein zu erstattender Mehraufwand nicht festgesetzt, soweit der Prüfungsausschuss (jetzt: die Prüfungsstelle) mit dem Arzt eine individuelle Richtgröße vereinbart, die eine wirtschaftliche Verordnungsweise des Arztes unter Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten gewährleistet. In dieser Vereinbarung muss sich der Arzt verpflichten, ab dem Quartal, das auf die Vereinbarung folgt, jeweils den sich aus einer Überschreitung dieser Richtgröße ergebenden Mehraufwand den KKn zu erstatten (§ 106 Abs 5d Satz 2 SGB V). § 106 Abs 5d SGB V erweitert die Handlungsoptionen der Beteiligten, indem diese auf Überschreitungen des Richtgrößenvolumens zukunftsbezogen reagieren können.

18

Der Gesetzgeber hält diesen Verzicht auf einen Regress in den Fällen für sachgerecht, "in denen sich der Arzt verpflichtet, eine mit dem Prüfungsausschuss vereinbarte praxisbezogene Richtgröße einzuhalten". Durch die Regelung soll anstelle einer auf die Vergangenheit gerichteten Ausgleichspflicht eine für die Zukunft wirksame Begrenzung des Verordnungsvolumens der Arztpraxis gewährleistet werden (BT-Drucks 15/1525 S 117). Diese Möglichkeit der Regressvermeidung ändert aber nichts daran, dass jeder Arzt, der das Wirtschaftlichkeitsgebot bei seinen Verordnungen nicht eingehalten hat, den KKn den auf diese Weise verursachten Mehraufwand zu ersetzen hat. Insoweit entspricht der Regressanspruch der KKn einem besonderen Typus eines verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruchs (vgl BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 17 mwN). Die Vorgabe von Richtgrößen, die nach § 84 Abs 6 Satz 3 SGB V den Vertragsarzt bei seiner Entscheidung über die Verordnung von Leistungen nach § 31 SGB V nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot leiten soll, wird durch die gesetzlich normative Pflicht zum Ausgleich des Mehraufwandes bei Überschreitung der Richtgrößen praktisch durchgesetzt. Das Verordnungsverhalten des Arztes wird gesteuert, weil er damit rechnen muss, für eine nicht durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigte Richtgrößenüberschreitung Regress leisten zu müssen. Die verhaltenssteuernde Wirkung der Richtgrößen (vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 65; SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 18) bezieht sich auf den jeweils zu beurteilenden Zeitraum der Verordnungstätigkeit des Arztes. Für diesen Zeitraum wird - notwendigerweise erst nach seinem Ablauf - ggf ein Regress festgesetzt, und zwar grundsätzlich unabhängig davon, wie das Verordnungsverhalten des betroffenen Arztes zu dem Zeitpunkt zu beurteilen ist, zu dem ihm ein Regressbescheid der Prüfstelle oder des Beschwerdeausschusses bekanntgegeben wird. Nur auf diese Weise ist sichergestellt, dass auch Ärzte, die wissen, dass sie demnächst aus der vertragsärztlichen Tätigkeit ausscheiden und deshalb nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V keine zukunftsbezogene individuelle Richtgröße mehr vereinbaren können, bis zur Beendigung ihrer Tätigkeit das Wirtschaftlichkeitsgebot auch bei ihren Verordnungen nach § 31 SGB V beachten.

19

Die Regelung über die Vereinbarung einer individuellen Richtgröße stellt auf den "Normalfall", dh auf den weiterhin tätigen Vertragsarzt ab. Ärzte, die ihre vertragsärztliche Tätigkeit beendet haben, können über § 106 Abs 5d SGB V eine Regressfestsetzung gemäß § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V nicht mehr vermeiden. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt darin jedoch nicht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG schreibt unter stetiger Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken vor, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend unterschiedlich zu behandeln (vgl zB BVerfG Beschluss vom 2.5.2006 - 1 BvR 1275/97 - NJW 2006, 2175, 2177; BVerfGE 115, 381, 389 mwN). Damit ist dem Normgeber aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG, vgl zB BVerfGE 107, 133, 141 mwN). Dass Ärzte, die nicht mehr an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, einen bereits festgestellten Regress nicht durch die zukunftsbezogene Vereinbarung einer individuellen Richtgröße abwenden können, liegt in der Natur der Sache.

20

Der Kläger hat während seiner vertragsärztlichen Tätigkeit wie jeder andere Arzt das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten und wird über die Richtgrößen für Arznei- und Verbandmittel in die Verantwortlichkeit für die Begrenzung der Arzneimittelausgaben der KKn (vgl BT-Drucks 12/3608 S 100) einbezogen. Die Differenzierung zwischen den Ärzten, die über § 106 Abs 5d SGB V eine Regressfestsetzung vermeiden können, und den Ärzten, denen diese Möglichkeit nicht (mehr) offensteht, ist diese durch einen sachlichen Grund im Sinne der og Rechtsprechung des BVerfG gerechtfertigt. § 106 Abs 5d SGB V bietet die (zusätzliche) Möglichkeit, zukunftsgerichtet auf die Vertragsärzte einzuwirken. Dies ist bei nicht mehr tätigen Vertragsärzten nicht mehr möglich. Im Übrigen wird der Kläger genauso behandelt wie alle anderen Vertragsärzte, die - aus anderen Gründen - keine IRV abschließen können aber wollen. Der Kreis dieser Ärzte ist nämlich entgegen der Darstellung des Klägers nicht auf die nicht mehr tätigen Vertragsärzte beschränkt. Insbesondere die Ärzte, die in Ärztekooperationen tätig sind und beabsichtigen, die Kooperationsform in näherer Zukunft zu ändern oder aufzugeben oder Ärzte, die planen, ihre weitere Tätigkeit beispielsweise innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft oder eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) fortzusetzen, können Richtgrößenvereinbarungen entweder nicht oder nur unter Berücksichtigung der geplanten Kooperationsform abschließen. Die in § 106 Abs 5d Satz 2 SGB V vorgesehene Verpflichtungserklärung dahingehend, jeweils den sich aus einer Überschreitung der IRV ergebenden Mehraufwand den KKn zu erstatten, kann der Arzt, der sich mit anderen Ärzten zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenschließen oder als angestellter Arzt in einem MVZ tätig werden will, allenfalls unter Einbeziehung der Partner oder des MVZ wirksam abgeben. Doch auch für die Ärzte, die in unveränderter Form weiterhin vertragsärztlich tätig sind, bietet § 106 Abs 5d SGB V keine Garantie für die Vermeidung einer Regressfestsetzung. § 106 Abs 5d SGB V kommt nur dann zur Anwendung, wenn der Arzt von sich aus den Abschluss einer IRV anregt, was die Kenntnis von dieser Option voraussetzt. § 106 Abs 5d SGB V normiert keine Hinwirkungspflicht der Prüfgremien(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 42 RdNr 15 f). Zudem besteht für die Beteiligten kein Kontrahierungszwang (vgl Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, 08/14, K § 106 RdNr 221d mwN), sodass die Verhandlungen über eine IRV auch scheitern können, wenn keine Übereinstimmung hinsichtlich ihres Inhalts erzielt wird.

21

Die Möglichkeit, einen an sich gerechtfertigten Regress durch die zukunftsbezogene Vereinbarung einer individuellen Richtgröße vermeiden zu können, ist keine Voraussetzung der Rechtmäßigkeit eines Regresses. Dabei ist unmaßgeblich, ob ein Vertragsarzt freiwillig oder - wie der Kläger - wegen Erreichens der 2006 noch geltenden Altersgrenze aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschieden ist. Die IRV sichert - mit durchaus gravierenden Verpflichtungen des Vertragsarztes für die Zukunft - die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots ab. Wenn dieses Ziel nicht mehr erreichbar ist, bleibt die Lage so, wie sie schon vor Einführung der Regelung über die Vereinbarung einer individuellen Richtgröße war: Der Arzt muss auch nach Beendigung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit den Schaden ersetzen, den er durch unwirtschaftliche Verordnungen verursacht hat.

22

2. Die Festsetzung des Regresses ist auch nicht verfristet. Der Kläger dringt mit seinem Einwand, der Beklagte habe nach dem 1.1.2008 für die streitgegenständlichen Verordnungszeiträume 2003 bis 2005 keinen Regress mehr festsetzen können, weil die Zwei-Jahres-Frist nach § 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V verstrichen gewesen sei, nicht durch.

23

§ 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V, wonach die Festsetzung eines den KKn zu erstattenden Mehraufwandes nach Abs 5a innerhalb von zwei Jahren nach Ende des geprüften Verordnungszeitraumes erfolgen muss, wurde durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) mit Wirkung zum 1.1.2008 eingefügt. Nach der Rechtsprechung des Senats sind für die Wirtschaftlichkeitsprüfungen von Zeiträumen, die vor dem Inkrafttreten von Gesetzesneufassungen abgeschlossen waren, die zum früheren Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften maßgeblich. Etwas anderes kommt lediglich in Betracht, wenn der Normgeber ohne Erlass von Übergangsbestimmungen die Vorschriften über die Zusammensetzung der für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständigen Verwaltungsstelle (BSGE 92, 283, 285 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, jeweils RdNr 9) oder andere Vorschriften über das formelle Verfahren ändert (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 15). Dies hat der Senat auch im Zusammenhang mit der Regelung des § 106 Abs 5e SGB V erneut bekräftigt(BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 34). Eine rein verfahrensrechtliche Regelung in diesem Sinne ist die Verkürzung der Ausschlussfrist für Richtgrößenprüfungen auf zwei Jahre nicht (anders wohl Engelhard SGb 2008, 150, 154). Die uneingeschränkte Anwendung der Verkürzung der Ausschlussfrist auf Richtgrößenprüfungen, die zum 31.12.2007 korrekt in Gang gesetzt, aber noch nicht bestandskräftig abgeschlossen waren, hätte zur Folge, dass in großem Umfang rechtmäßigen Bescheiden rückwirkend die Grundlage entzogen worden wäre. Das bedarf zumindest einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, wie sie sich etwa in § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V findet; eine solche ist hier nicht getroffen worden. Die Zwei-Jahres-Frist gilt nur für Richtgrößenprüfungen, die Prüfzeiträume nach dem 1.1.2008 betreffen; dazu hat der Senat im Beschluss vom 28.8.2013 (B 6 KA 20/13 B - RdNr 10) klargestellt, dass sich aus dem Urteil SozR 4-2500 § 106 Nr 36 RdNr 14 nicht ableiten lässt, dass es für das Eingreifen der Zwei-Jahres-Frist (auch) darauf ankommt, ob die Prüfgremien über Zeiträume bis Ende 2007 vor oder nach Inkrafttreten des § 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V entscheiden.

24

Maßgeblich ist daher, dass die vor Einfügung des § 106 Abs 2 Satz 7 SGB V für Regressbescheide (auch) im Rahmen der Richtgrößenprüfung geltende vierjährige Ausschlussfrist für den gesamten streitbefangenen Zeitraum (2003 - 2005) gewahrt worden ist(zur vierjährigen Ausschlussfrist BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 44 RdNr 24). Das ist durch den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 14.12.2007, der nach § 37 Abs 2 SGB X als am 17.12.2007 bekannt gegeben gilt, für den gesamten betroffenen Zeitraum (2003 - 2005) geschehen.

25

Der Bescheid des Prüfungsausschusses (heute: der Prüfungsstelle) wahrt nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig die Ausschlussfrist; es kommt weder auf den Bescheid des Beschwerdeausschusses noch darauf an, ob der Arzt bereits durch den Bescheid des Prüfungsausschusses oder erst durch die Entscheidung des Beschwerdeausschusses beschwert wird.

26

Der das Prüfverfahren abschließende Bescheid der Wirtschaftlichkeitsprüfung muss innerhalb von vier Jahren nach Festsetzung des von der Kürzungsmaßnahme betroffenen Honorars (bei Honorarkürzungen) bzw des geprüften Zeitraums (bei Verordnungsregressen) erlassen werden, weil es für den Vertragsarzt unzumutbar ist, über einen längeren Zeitraum hinweg nicht zu wissen, ob sein Behandlungs- bzw Verordnungsverhalten Gegenstand von Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 28 f). Dieser Zustand des Nichtwissens wird aber durch den Bescheid des Prüfungsausschusses bzw der Prüfstelle beendet. Ab Kenntnis von dem Bescheid des Prüfungsausschusses bzw der Prüfstelle ist das Vertrauen des Vertragsarztes, nicht mehr mit Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung rechnen zu müssen, zerstört (BSG - B 6 KA 5/11 B - Juris, RdNr 8).

27

Der rechtlichen Wertung, dass mit Erlass des Bescheides des Prüfungsausschusses die vierjährige Ausschlussfrist gehemmt ist, steht nicht entgegen, dass dieser hier am 14.12.2007 gegen den Kläger keinen Regress festgesetzt hat. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es für die Wahrung der Ausschlussfrist allein darauf an, "dass die erste behördliche Entscheidung - mithin diejenige des Prüfungsausschusses - fristgerecht erging. Unerheblich ist, ob sie einen den Arzt belastenden oder ihn 'freisprechenden' Inhalt hatte. Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass eine einmal eingetretene Fristenhemmung in dem Sinne fortwirkt, dass damit zugleich die Kompetenz zu weiteren Entscheidungen nachfolgender Instanzen gewahrt bleibt, die - sofern der Gegner einen Rechtsbehelf einlegt - auch 'verbösernde' Entscheidungen treffen dürfen" (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 42; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62 mwN). Diese Erwägungen gelten auch für Richtgrößenprüfungen.

28

3. Entgegen der Auffassung des Klägers musste keine Beratung gemäß § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V erfolgen. Nach der Rechtsprechung des Senats findet der dort normierte Vorrang der individuellen Beratung vor einer Regressfestsetzung ("Beratung vor Regress") auf Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse, die vor dem Inkrafttreten des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V am 26.10.2012 ergangen sind, keine Anwendung (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 27). Der hier angefochtene Bescheid ist am 7.10.2009 ergangen.

29

Eine Verpflichtung zur vorrangigen Beratung ergibt sich auch nicht aus § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V, wonach gezielte Beratungen weiteren Maßnahmen in der Regel vorgehen sollen. Dabei handelt es sich nur um eine Soll-Vorschrift, die nicht für den Fall unzweifelhafter Unwirtschaftlichkeit gilt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine solche unzweifelhafte Unwirtschaftlichkeit dann gegeben, wenn sich der Regress auf nicht verordnungsfähige Arzneimittel bezieht oder wenn im Bereich der statistischen Durchschnittsprüfung ein Mehraufwand im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses liegt (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 23; SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 27). Diese Rechtsprechung zu § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V gilt grundsätzlich auch für die Richtgrößenprüfung. Bei der Richtgrößenprüfung werden vor Feststellung der prozentualen Überschreitungen die Praxisbesonderheiten berücksichtigt. Die beim Kläger festgestellten Überschreitungen des Richtgrößenvolumens von 109,72 % (2003), 59,34 % (2004) und 70,39 % (2005) zeigen - nach Abzug der Praxisbesonderheiten - einen Mehraufwand im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses im Sinne der Rechtsprechung des Senats. Inwieweit die Rechtsprechung zu § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V nach Ansicht des Klägers angesichts der "weiteren Grundentscheidungen des Gesetzgebers" obsolet sein soll, erschließt sich nicht. Der Kläger verweist auf die durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz zum 1.1.2011 eingefügten Sätze 6 und 7 des § 106 Abs 5c SGB V. Diese betreffen aber nicht den Vorrang der Beratung, sondern beziehen sich auf die Möglichkeit der KKn, die Rückforderungen zu stunden oder zu erlassen und auf die Höhe des Regressbetrages (bei erstmaligem Überschreiten der Richtgrößen nicht mehr als 25 000 Euro für die ersten beiden Jahre). Die zum 1.1.2012 eingefügte Verpflichtung zur "Beratung vor Regress" in § 106 Abs 5e SGB V macht zudem deutlich, dass der Gesetzgeber insoweit eine von der bisherigen Rechtsprechung des Senats abweichende Wertung der Beratung auch in Fällen offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit vorgenommen hat. An der Maßgeblichkeit der bisherigen Rechtsprechung für Prüfungsverfahren, die bis zum 25.10.2012 abgeschlossen worden sind, ändert das nichts.

30

4. Der angefochtene Bescheid ist aber deshalb teilweise rechtswidrig, weil weder der Prüfungsausschuss noch der Beklagte vor der Festsetzung des Regressbetrages auf eine Vereinbarung iS des § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V hingewirkt haben. Nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss (ab 1.1.2008: die Prüfungsstelle) den sich daraus ergebenden Mehraufwand den KKn zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Weiter heißt es in Satz 4: "Die Prüfungsstelle soll vor ihren Entscheidungen und Festsetzungen auf eine entsprechende Vereinbarung mit dem Vertragsarzt hinwirken, die eine Minderung des Erstattungsbetrages um bis zu einem Fünftel zum Inhalt haben kann" (bis zum 1.1.2004 war die Regelung noch - nahezu wortgleich - in Satz 6 enthalten). § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V normiert eine Hinwirkungspflicht der Prüfgremien. Prüfungsstelle und Beschwerdeausschuss sind auch in den Fällen, in denen der Vertragsarzt nicht von sich aus eine Vereinbarung beantragt oder sich diesbezüglich äußert, verpflichtet, auf eine Vereinbarung hinzuwirken. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 15.7.2015 - B 6 KA 30/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 25 ff), statuiert diese Regelung - anders als § 106 Abs 5d SGB V - eine Hinwirkungspflicht(vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 42 RdNr 16 ff). Diese Verpflichtung trifft sowohl die Prüfungsstelle als auch den Beschwerdeausschuss. Eine Nichtbeachtung ist auch nicht im Hinblick auf § 42 Satz 1 SGB X unbeachtlich(Urteil vom 15.7.2015 - B 6 KA 30/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 30).

31

Damit steht fest, dass der angefochtene Bescheid des Beklagten zwar in der Sache richtig ist (vgl hierzu auch Ziff 5), er allerdings an dem Mangel leidet, dass dem Kläger keine Vereinbarung nach § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V angeboten worden ist. Der Senat hat entschieden, dass dann, wenn sich dieser Umstand vor Abschluss des gerichtlichen Verfahrens in der letzten Tatsacheninstanz herausstellt, den Beteiligten im Rahmen des Verfahrens die Möglichkeit gegeben werden muss, eine solche Vereinbarung abzuschließen. Da dies in der Revisionsinstanz ausgeschlossen ist, ist der Kläger nach der Rechtsprechung des Senats hier so zu stellen, als hätte ihm der Beklagte die für ihn günstigste Möglichkeit einer Vereinbarung angeboten, die er akzeptiert hätte. Das hat hier eine Reduzierung des Regressbetrages um 20 % zur Folge (Urteil vom 15.7.2015 - B 6 KA 30/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 43). Das hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr in Frage gestellt.

32

5. Art und Umfang der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten durch den Beklagten sind nicht zu beanstanden. Ebenso wie bei der Prüfung nach Durchschnittswerten besteht auch bei einer Richtgrößenprüfung ein Beurteilungsspielraum der Prüfgremien, soweit es um die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten geht (vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36). Der Begriff der Praxisbesonderheiten ist hier nicht anders zu verstehen als im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten (vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35; Clemens in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 123 Fn 129). Praxisbesonderheiten sind anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35). Seit dem 1.1.2004 verpflichtet § 106 Abs 5a Satz 5 SGB V(idF des GMG vom 14.11.2003 - BGBl I 2190) die Vertragspartner, in der Prüfungsvereinbarung Maßstäbe für die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten zu bestimmen.

33

Nach § 1 Abs 5 der Richtgrößenvereinbarung Arznei- und Verbandmittel für die Jahre 2003 und 2004 und - wortgleich - für das Jahr 2005 (abrufbar jeweils unter http://www.kvsh.de) erfolgt die Berücksichtigung der Praxisbesonderheiten wie folgt: "Von der Richtgrößenbildung ausgenommen sind die Kosten der Arzneimittel der Anlage 2 dieser Vereinbarung, der Impfstoffe zur Prävention, des Sprechstundenbedarfs sowie solcher Therapien, die regelmäßig Praxisbesonderheiten begründen (Anlage 3 dieser Vereinbarung)." Entsprechend enthält die Anlage 2 eine Auflistung verschiedener teurer Arzneimittel und Anlage 3 diverser Indikationen, versehen mit dem Zusatz: "Bei den nachstehenden Indikationen ergeben sich Praxisbesonderheiten fallbezogen und indikationsabhängig im Hinblick auf Arzneimittel, die nicht in der Wirkstoffliste nach Anlage 2 dieser Empfehlung berücksichtigt sind." Dem angefochtenen Bescheid sind für die Jahre 2003 bis 2005 Auswertungsbögen beigefügt, aus denen sich im Einzelnen ua ergibt, welcher Betrag nach Maßgabe der Anlage 2 und welcher Betrag nach Maßgabe der Anlage 3 von den Verordnungskosten in Abzug gebracht wurde. Daneben wurden die Kosten für weitere - nicht in den Anlagen enthaltene - teure Arzneimittel bzw Therapien für einzelne Patienten abgezogen. Diese Patienten sind nicht namentlich benannt, sondern entweder mit den Initialen aufgeführt, oder in Gruppen (zB "Diverse Patienten - 5.500,07 - Sondennahrung") zusammengefasst. Der Kläger macht im Rahmen der Klagebegründung geltend, nicht alle teuren Patienten (Verordnungskosten über 2000 Euro im Jahr) seien berücksichtigt worden und hinsichtlich der berücksichtigten Patienten sei nicht nachvollziehbar, warum die entsprechenden Verordnungskosten nicht vollständig abgezogen worden seien. Dabei verkennt der Kläger, dass - außerhalb der in den Anlagen 2 und 3 genannten Arzneimittel und Indikationsgebiete - Verordnungskosten nicht allein deshalb als Praxisbesonderheiten anzuerkennen sind, weil sie einen bestimmten Betrag übersteigen. Die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen obliegt dem Arzt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 298 f mwN; Nr 57 S 325; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; Nr 23 RdNr 13; Nr 35 RdNr 17; SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 18). Die Ausführungen des Klägers zu seinem überwiegend aus älteren Rentnern bestehenden Patientenklientel sind nicht ausreichend. Es fehlt an jeglichem Vortrag dahingehend, inwieweit seine Patienten im Durchschnitt älter sind als die anderer Praxen und inwieweit gerade diese Patienten überdurchschnittliche Verordnungskosten verursacht haben. Zutreffend hat das LSG im Übrigen darauf hingewiesen, dass dem Altersdurchschnitt der Patienten schon durch die nach Patientengruppen gewichtete Ermittlung der Richtgrößen Rechnung getragen wird, wobei der Richtwert für die Rentner deutlich höher liegt als der für die Mitglieder und Familienversicherten. Soweit der Kläger geltend macht, dass bestimmte namentlich genannte Patienten nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt seien, übersieht er, dass die für diese Patienten angefallenen Verordnungskosten teilweise schon nach den Anlagen 2 und 3 berücksichtigt wurden.

34

6. Der Senat hat nicht darüber zu entscheiden, ob die zu 5. beigeladene KÄV verpflichtet ist, ihren Rückforderungsanspruch gegen den Kläger nach § 106 Abs 5c Satz 4 SGB V zu stunden oder zu erlassen. Die Realisierung der "Erstattung des Mehraufwandes" iS des § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V erfolgt in der Weise, dass die Prüfungsstelle den Betrag festsetzt(§ 106 Abs 5c Satz 1 SGB V), und sich um diesen Betrag die von der KK an die KÄV zu entrichtende Gesamtvergütung mindert (aaO, S 2 jeweils in der hier maßgeblichen Fassung vor der Änderung der Norm durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz vom 22.10.2010 mit Wirkung zum 1.1.2011; näher Senatsurteil vom 28.10.2015 - B 6 KA 15/15 R -, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). "In der jeweiligen Höhe" hat die KK Rückforderungsansprüche gegen den Vertragsarzt (aaO, S 3), die die KÄV erlassen oder stunden kann, wenn der Arzt nachweist, dass ihm die Rückforderung "wirtschaftlich gefährden" würde (aaO, S 5). Über Stundung und Erlass ist im Verwaltungsverfahren zwischen Arzt und KÄV zu entscheiden; daran sind (nach der hier noch maßgebenden Fassung vor Änderung durch das AMNOG) weder die KK noch die Prüfgremien beteiligt. Das gilt auch für ein anschließendes gerichtliches Verfahren. Der Anspruch der KK auf "Ausgleich des Mehraufwandes" ist durch die Minderung der Gesamtvergütung endgültig erfüllt. Stundung und Erlass betreffen allein die KÄV, die bewerten muss, wie weit sie die Kompensation der bereits eingetretenen Minderung der Gesamtvergütung durch Durchsetzung ihres Rückforderungsanspruchs gegen den Arzt tatsächlich realisieren kann oder will. Auf eine Entscheidung darüber und auf die fehlerfreie Ausübung des Ermessens durch die KÄV hat auch der Arzt Anspruch, der aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschieden ist. Ob die zu 5. beigeladene KÄV über den entsprechenden Antrag des Klägers schon entschieden hat, hat das LSG nicht festgestellt. Dazu bestand auch keine Veranlassung, weil ein entsprechender Bescheid der KÄV unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Gegenstand des hier zu entscheidenden Verfahrens über die Höhe des den KKn zu ersetzenden Mehraufwandes ist.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO und trägt dem anteiligen Obsiegen der Beteiligten in den drei Rechtszügen Rechnung.

                          

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Der Prüfer hat insbesondere darzustellen und zu beurteilen, ob die organisatorischen, personellen und technischen Vorkehrungen zur Sicherstellung der Integrität, Authentizität und Verfügbarkeit der aufsichtlich relevanten Daten angemessen sind und wirksam umgesetzt werden.

(2) Werden externe IT-Ressourcen eingesetzt, so erstrecken sich die Berichtspflichten nach Absatz 1 auch auf diese IT-Ressourcen sowie deren Einbindung im berichtspflichtigen Unternehmen.

Macht das Unternehmen von der Erleichterung gemäß Artikel 9 Absatz 4 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 Gebrauch, muss der Prüfungsbericht Ausführungen dazu enthalten,

1.
ob und warum die Bewertungsmethode mit § 74 des Versicherungsaufsichtsgesetzes im Einklang steht,
2.
ob und warum die Bewertungsmethode nach Art, Umfang und Komplexität der mit den Geschäften des Unternehmens oder der Gruppe verbundenen Risiken angemessen ist,
3.
dass die Vermögenswerte oder die Verbindlichkeiten im Jahresabschluss oder im konsolidierten Abschluss nicht gemäß den internationalen Rechnungslegungsstandards bewertet werden, die die Europäische Kommission durch die Verordnung (EG) Nr. 1126/2008 der Kommission vom 3. November 2008 zur Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 320 vom 29.11.2008, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung zur Anwendung übernommen hat, und
4.
ob und warum eine Bewertung der Vermögenswerte oder der Verbindlichkeiten nach internationalen Rechnungslegungsstandards für das Unternehmen oder die Gruppe mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre.

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 1. wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Januar 2014 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 9. Mai 2012 zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2.

Tatbestand

1

Im Streit stehen Arzneikostenregresse für die Quartale II/2006 bis I/2007 in Höhe von insgesamt 16 311,60 Euro.

2

Die Klägerin ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und nimmt im Bezirk der zu 2. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) an der vertragsärztlichen Versorgung teil. In den streitgegenständlichen Quartalen verordnete sie einem bereits seit längerem in ihrer Behandlung stehenden Patienten, welcher an der Hämophilie (Bluterkrankheit) leidet, zum Zwecke der Selbstbehandlung die Gerinnungsfaktorenzubereitung (nachfolgend: Gerinnungsfaktor) "Faktor VIII SDH Intersero 1000 DFL". Bei der Hämophilie handelt es sich um eine angeborene Störung der Blutgerinnung; es werden nicht ausreichend Gerinnungsfaktoren gebildet, also Eiweiße im Blut, die für eine normale Blutgerinnung erforderlich sind. Bei der Hämophilie A ist der Gerinnungsfaktor VIII betroffen. Zur Behandlung der Hämophilie stehen Gerinnungsfaktoren (Faktorenkonzentrate) zur Verfügung; dies sind aus Blutplasma gewonnene oder gentechnisch hergestellte Konzentrate der Gerinnungsfaktoren VIII oder IX. Menschen mit schwerer Hämophilieform müssen mehrmals wöchentlich intravenös Faktorenkonzentrat spritzen; der Faktor VIII wird zwei- bis dreimal pro Woche gegeben (Quelle: NetDoktor.de - http://.netdoktor.de/krankheiten/haemophilie/).

3

Auf Antrag der zu 1. beigeladenen Krankenkasse, bei der der Patient versichert war, setzte der Prüfungsausschuss (heute: Prüfungsstelle) mit Bescheiden vom 25.7.2007 (Quartal II/2006), 25.10.2007 (Quartal III/2006) und 17.12.2007 (Quartal IV/2006) Arzneikostenregresse in Höhe von jeweils 4028,40 Euro sowie mit Bescheid vom 24.6.2008 (Quartal I/2007) in Höhe von 4226,40 Euro fest. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin habe durch die Verordnung des Gerinnungsfaktors Mehrkosten in der regressierten Höhe verursacht. Diese aufgrund des von ihr gewählten Bezugsweges über die Apotheke entstandenen Mehrkosten hätten bei einem Direktbezug über den Hersteller vermieden werden können; dadurch sei das Wirtschaftlichkeitsgebot missachtet worden. Zwei Mitarbeiterinnen der Beigeladenen zu 1. hätten die Klägerin am 28.10.2005 in einem persönlichen Gespräch über die Möglichkeiten und die damit verbundene Kostenersparnis des Direktbezuges von Gerinnungsfaktoren gemäß § 47 Arzneimittelgesetz (AMG) informiert. Im Hinblick auf die Behandlung von Hämophilie-Patienten sei dies die wirtschaftlichste Verordnungsweise. Das Argument der Klägerin, wegen damaliger auswärtiger Tätigkeit des Patienten sei der Bezug nur über die Apotheke möglich gewesen, sei nicht nachvollziehbar, da sich sowohl die Arztpraxis als auch die Apotheke, von der der Patient das Medikament bezogen habe, an dessen Wohnort befunden hätten. Die jeweils werktags erfolgten Abholungen seien demnach auch durch Angehörige möglich gewesen. Ebenso wenig überzeuge ihr Vortrag, sie habe über keine geeigneten Lager- und Kühlmöglichkeiten für das Medikament verfügt. Für dieses sei eine Lagerung in einem Umkarton (Lichtschutz) nicht über 25°C (kein Einfrieren) vorgesehen. Es sei nicht ersichtlich, dass derartige Bedingungen (Lagerung bei Raumtemperatur oder im Kühlschrank) in der Arztpraxis nicht zu gewährleisten seien. Die Rechnungslegung des Herstellers erfolge direkt unter Beifügung der Verordnung gegenüber der Krankenkasse. Somit sei die Arztpraxis auch von einem zusätzlichen Arbeitsaufwand, wie zB einer Einziehung der Medikamentenzuzahlung, befreit.

4

Mit Bescheiden vom 25.4.2008 (aus der Sitzung vom 5.12.2007, betreffend die Prüfbescheide vom 25.7.2007 und 25.10.2007) und 29.4.2009 (aus der Sitzung vom 10.12.2008, betreffend die Prüfbescheide vom 17.12.2007 und 24.6.2008) wies der beklagte Beschwerdeausschuss die Widersprüche der Klägerin unter Bezugnahme auf die Begründung der Prüfbescheide zurück. Das SG hat die Klagen nach Verbindung der beiden ursprünglich getrennten Verfahren abgewiesen (Urteil vom 9.5.2012). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide des Beklagten aufgehoben (Urteil vom 15.1.2014).

5

Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, auch wenn der Vertragsarzt verpflichtet sei, bei der Verordnung von Arzneimitteln insbesondere auf deren Preise zu achten (§ 9 Abs 2 Nr 1 bis 4 Arzneimittelrichtlinie - AM-RL), folge aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich nicht ohne Weiteres auch seine Verpflichtung, den preisgünstigsten Bezugsweg zu wählen. Dazu sei ein Vertragsarzt nur gehalten, wenn Entsprechendes durch (unter-)gesetzliche Regelungen eindeutig angeordnet sei. Das sei im vorliegenden Zusammenhang nicht der Fall. Aus § 73 Abs 8 Satz 1 SGB V ergebe sich dies schon deswegen nicht, weil die Vertragsärzte nicht Adressaten der Norm seien. Auch aus § 47 AMG lasse sich keine im Falle der Nichtbeachtung zum Regress führende Verpflichtung der Klägerin zur Wahl einer bestimmten Bezugsquelle herleiten. Dabei könne offenbleiben, ob § 47 Abs 1 Satz 1 Nr 2a AMG auf die Klägerin überhaupt anwendbar sei, wozu der Senat im Ergebnis neige. Zwar habe die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum über keine Zusatzbezeichnung als hämostaseologisch qualifizierte Ärztin verfügt, doch würde es nach Ansicht des Senats hierauf nicht entscheidend ankommen. Da zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung (7.7.1998) schon rein faktisch keine hämostaseologisch qualifizierten Vertragsärzte im Sinne der Norm existiert hätten, erfülle jeder Arzt, der schon einige Zeit in diesem Bereich tätig sei, die einschlägige Vorgabe. Davon, dass die Klägerin bereits einige Zeit in diesem Bereich tätig gewesen sei, sei auszugehen. Aus § 47 Abs 1 Satz 1 Nr 2a AMG in Verbindung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot folge jedoch keine vertragsärztliche Verpflichtung zur ausnahmslosen Nutzung dieses Bezugsweges. Eine Verpflichtung der Klägerin zur Beachtung der Bezugsquelle lasse sich auch nicht den Regelungen der hier maßgeblichen und vom 1.7.2004 bis zum 31.3.2012 gültigen Sprechstundenbedarfsvereinbarung der Beigeladenen zu 2. entnehmen.

6

§ 12 Abs 1 SGB V reiche als alleinige Ermächtigungsgrundlage nicht aus. Eine Konkretisierung durch eine andere (unter-)gesetzliche Regelung sei zwingend erforderlich, was insbesondere aus § 92 Abs 1 SGB V folge. Weder im streitgegenständlichen Zeitraum noch aktuell habe der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in der AM-RL für den Vertragsarzt jedoch eine Vorgabe zur Beachtung der Bezugsquelle aufgestellt. Die in § 92 Abs 2 SGB V formulierten detaillierten Anforderungen an Richtlinien, um "dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie" zu ermöglichen, wären überflüssig, wenn sich auch ohne sie direkt aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot eine Verpflichtung zur Wahl der preisgünstigsten Bezugsquelle ergeben könnte. Auch § 72 Abs 2 SGB V spreche dagegen, § 12 Abs 1 SGB V als ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Regressfestsetzungen anzusehen.

7

Ergänzend weise der Senat darauf hin, dass die Festsetzung des Regresses auch der Höhe nach rechtswidrig, da ermessensfehlerhaft gewesen sei. Der Beklagte habe keinerlei Überlegungen im Hinblick auf eine Berücksichtigung des Arzneimittelherstellerrabatts angestellt. Insoweit liege ein vollständiger Ermessensausfall vor. Die Rabattierungspflicht sei als Fall des § 1 Abs 3 Nr 3 der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) auch im Rahmen des § 47 AMG zu beachten. Nach der Rechtsprechung des BSG sei nur dann kein Raum für einen Rabattabzug, wenn die Arzneimittel nicht von Apotheken bezogen würden. Eine Nichtberücksichtigung des Rabatts lasse sich auch nicht auf § 1 Abs 3 Nr 6 AMPreisV stützen, denn dieser Norm komme jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang im Verhältnis zu § 1 Abs 3 Nr 3 AMPreisV keine eigenständige Bedeutung zu. Die von der Beigeladenen zu 1. vertretene Auffassung widerspreche letztlich auch dem Ziel des Gesetzgebers, das er mit der Rabattierungsregelung des § 130a Abs 1 SGB V und der dabei erfolgten Anknüpfung an das Arzneimittelpreisrecht verfolgt habe.

8

Mit ihrer Revision rügt die Beigeladene zu 1. die Verletzung von Bundesrecht. Die Beachtung des hohen Rangs des Wirtschaftlichkeitsgebots im System der gesetzlichen Krankenversicherung und die hieraus abgeleiteten Grundsätze führten dazu, dass das von den Ärzten zu beachtende Wirtschaftlichkeitsgebot sich auch auf den Vertriebsweg erstrecke. Das durch § 47 AMG ermöglichte Verfahren werde in der Regel bei Hämophiliepatienten durchgeführt; es stelle die wirtschaftlichste Verordnungsweise dar. Dass § 47 AMG keine Pflicht enthalte, eine bestimmte Bezugsquelle zu wählen, stehe dem nicht entgegen. Ein Arzt dürfe sich nicht in Kenntnis der wirtschaftlichen Auswirkungen der zur Verfügung stehenden Vertriebswege für die unwirtschaftlichere Alternative entscheiden. Habe der Leistungserbringer zwei gleichwertige Alternativen zur Auswahl, die sich nur im Bezugsweg unterschieden, so gebiete das Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des Zumutbaren die Entscheidung für die kostengünstigere Variante. Die Heimselbstbehandlung sei im Hämophiliebereich seit Jahrzehnten als Standardtherapie etabliert und praktisch erprobt. Auch der Direktbezug über den Hersteller werde von der überwiegenden Zahl der behandelnden Ärzte genutzt. Der Gesetzgeber habe im Übrigen die Abgabemöglichkeit bewusst als Möglichkeit zur Erzielung von Einsparungen gesehen.

9

Fehl gingen auch die Ausführungen des LSG zur Rabattierungspflicht. Bei dem von der Klägerin verordneten Gerinnungsfaktor handele es sich um eine Plasmaproteinfraktion und somit um ein Blutkonzentrat im Sinne des § 1 Abs 3 Nr 6 AMPreisV, das von der AMPreisV ausgenommen sei. Herstellerrabatte fielen gemäß § 130a Abs 1 Satz 5 SGB V jedoch nur für Arzneimittel an, auf welche die AMPreisV Anwendung finde. Dass § 1 Abs 3 Nr 6 AMPreisV die gleiche Rechtsfolge nach sich ziehen müsse wie die in § 1 Abs 3 Nr 3 AMPreisV in der Auslegung durch den 1. und den 3. Senat des BSG, überzeuge nicht. Nach der Regelungssystematik des § 1 Abs 3 AMPreisV komme es in den Nr 1-3 und 5 aaO jeweils darauf an, an wen die Fertigarzneimittel ausgeliefert würden, bei den Nr 4 und 6 aaO hingegen nicht. Daher verbiete sich die vom LSG vorgenommene Gleichstellung von Nr 3 und Nr 6 aaO nicht nur vom Wortlaut, sondern auch von der Systematik her.

10

Die Beigeladene zu 1. beantragt,
das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 15.1.2014 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Magdeburg vom 9.5.2012 zurückzuweisen.

11

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Die Revision sei bereits unzulässig. So liege die Vermutung nahe, dass das Urteil der Beigeladenen zu 1. nicht erst am 19.3.2014, sondern - wie ihr, der Klägerin - bereits am 14.3.2014 zugestellt worden sei; danach sei sowohl die Frist zur Einlegung der Revision als auch die Begründungsfrist versäumt worden. Es liege auch keine Beschwer der Beigeladenen zu 1. vor, da diese in den vorangegangenen Instanzen keine Anträge gestellt habe. Schließlich seien sowohl die Revision wie auch deren Begründung unwirksam eingelegt worden, da die Schriftsätze zum einen nur mit einer Paraphe und zum anderen von einem hierfür nicht zugelassenen Vertreter unterzeichnet worden seien.

13

In der Sache fehle es an einer Norm, die eindeutig anordne, dass bei Nichteinhaltung des - vom üblichen und vorgeschriebenen Weg der Vergabe verordneter Arzneimittel durch Apotheken abweichenden - alternativen Bezugsweges nach § 47 AMG eine Regresspflicht des verordnenden Arztes eintrete. Eine solche, dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot genügende gesetzliche Eingriffsermächtigung sei erforderlich, weil eine Verpflichtung des Arztes, bestimmte Medikamente vom pharmazeutischen Unternehmer selbst zu beziehen, in das Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art 12 Abs 1 GG eingreife. Weder das SGB V noch das AMG enthielten den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechende Ermächtigungen, Ärzte zum Direktbezug bestimmter Medikamente für ihre Patienten zu verpflichten. § 47 AMG sei eine Ermessensnorm, sodass im Umkehrschluss keine Verpflichtung bestehe, so zu verfahren. Sie - die Klägerin - gehöre auch nicht zu der Zielgruppe, die der Gesetzgeber bei der Schaffung der Norm im Blick gehabt habe. Auch der unscharfe Begriff der Wirtschaftlichkeit im SGB V dürfe nicht als Generalermächtigung für schwerwiegende Sanktionsmaßnahmen verstanden werden.

14

Der Beklagte hat sich nicht geäußert.

15

Die Beigeladene zu 2. führt - ohne einen Antrag zu stellen - aus, es gebe für den Vertragsarzt keine gesetzliche oder untergesetzliche Verpflichtung, den preisgünstigsten Bezugsweg zu wählen. Die Klägerin könne als Fachärztin für Allgemeinmedizin auch nicht als hämostaseologisch qualifizierte Ärztin im Sinne des § 47 Abs 1 Satz 1 Nr 2a AMG angesehen werden; dies seien nur Ärzte, die regelmäßig mehrere Hämophilie-Patienten behandelten. Auch bei diesen Ärzten ergebe sich jedoch keine Verpflichtung, den preisgünstigsten Bezugsweg zu wählen.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision der Beigeladenen zu 1. ist zulässig und begründet. Das LSG hätte die Berufung der Klägerin gegen die klageabweisende Entscheidung des SG zurückweisen müssen. Die Regressfestsetzung durch den Beklagten ist rechtmäßig, da die Verordnung des Gerinnungsfaktors durch die Klägerin und damit dessen Abgabe durch die Apotheke anstelle eines Direktbezugs über den Hersteller unwirtschaftlich im Sinne des § 106 SGB V ist.

17

A. Die Revision der Beigeladenen zu 1. ist zulässig. Die diesbezüglichen Einwände der Klägerin greifen nicht durch.

18

1. Die Revision ist fristgerecht erhoben und begründet worden. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht davon auszugehen, dass der Beigeladenen zu 1. das Urteil des SG bereits am 14.3.2014 zugestellt wurde. Die Möglichkeit der Zustellung eines Schriftstücks gegen Empfangsbekenntnis besteht nicht nur gegenüber Anwälten und gleichgestellten Personen von erhöhter Zuverlässigkeit, sondern auch gegenüber Behörden, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts (§ 174 Abs 1 Satz 1 ZPO). Bei einer Zustellung nach § 174 ZPO - wie vorliegend - genügt es nicht, dass das zuzustellende Schriftstück von einer Bürokraft des Empfängers entgegengenommen wurde; Zustellungsdatum ist vielmehr der Tag, an dem der Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks persönlich Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegennimmt (BGH Beschluss vom 20.7.2006 - I ZB 39/05 - NJW 2007, 600, 601 RdNr 7 mwN; ebenso ua Stöber in Zöller, ZPO, 30. Aufl 2014, § 174 RdNr 6 und 14). Dies gilt auch für die Zustellung an Behörden (vgl Stöber in Zöller, ZPO, 30. Aufl 2014, § 174 RdNr 6 und 16). Bei einer gesetzlichen Krankenkasse als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist Zustellungsadressat gemäß § 170 Abs 2 ZPO iVm § 63 Abs 2 Satz 1 SGG deren Leiter, also derjenige, der berechtigt ist, diese zu vertreten(Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 11. Aufl 2014, § 63 RdNr 4; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 30.6.2008 - L 1 U 3732/07 - Juris RdNr 24). Somit ist von dem im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustellungsdatum auszugehen. Da es sich bei dem von der Revisionsklägerin übersandten Empfangsbekenntnis um eine öffentliche Urkunde handelt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 11. Aufl 2014, § 63 RdNr 8e mwN), genügen die sich aus dem Umstand ergebenden Zweifel, dass die Beigeladene zu 1. das Berufungsurteil erst am 19.3.2014 - und damit fünf Tage später als die Bevollmächtigte der Klägerin, der es am 14.3.2014 zuging - erhalten hat, nicht, um einen früheren Zugang zu belegen.

19

2. Das Vorbringen, es liege keine Beschwer der Beigeladenen zu 1. vor, geht fehl. Zwar ist in der Sache richtig, dass diese weder im Verfahren vor dem SG noch dem LSG Anträge gestellt hat, doch ist dies für ihre Rechtsmittelbefugnis ohne Bedeutung. Alle Beigeladenen können Rechtsmittel einlegen, soweit sie durch das Urteil materiell beschwert sind (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 12 S 63; zuletzt BSG Urteil vom 10.12.2014 - B 6 KA 45/13 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 75 RdNr 19 mwN). Dies ist vorliegend in Bezug auf die Beigeladene zu 1. der Fall. Generell gilt, dass die zu einem Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung (notwendig) beigeladenen Verbände der Krankenkassen bzw Krankenkassen schon wegen der in § 106 Abs 1 SGB V normierten Gesamtverantwortung von Krankenkassen und KÄVen für die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Prüfungen durch Entscheidungen der Prüfgremien bzw der Gerichte beschwert sein können. Bei einem Arzneimittelregress ist die beigeladene Krankenkasse schon deswegen beschwert und in eigenen Rechten verletzt, weil der Regressbetrag nicht der KÄV zufließt, sondern den Krankenkassen (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, August 2014, § 106 RdNr 41 mwN); erst recht gilt dies dann, wenn die Prüfung allein die von der beigeladenen Krankenkasse geleisteten Zahlungen betrifft.

20

3. Das Vorbringen, Revisionsschrift und -begründung seien nur mit einer Paraphe unterzeichnet worden, liegt neben der Sache. Es ist ohne Weiteres erkennbar, dass die Schriftsätze mit dem vollständigen Namenszug des Unterzeichners versehen sind, nicht lediglich mit einer "Paraphe" im Sinne eines Namenszeichens. Dass die Unterschrift nicht "leserlich" ist, spielt keine Rolle, denn es genügt ein die Identität des Unterzeichnenden kennzeichnender individueller Schriftzug, der charakteristische Merkmale aufweisen muss (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 151 RdNr 4b mwN). Diese Voraussetzungen liegen unzweifelhaft vor.

21

4. Schließlich geht auch der Einwand ins Leere, dass die Revisionsschriftsätze der Beigeladenen zu 1. von einem nicht zugelassenen Vertreter unterzeichnet worden seien. Zwar müssen sich die Beteiligten gemäß § 73 Abs 4 Satz 1 SGG vor der BSG durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; § 73 Abs 4 Satz 4 SGG bestimmt hierzu, dass sich juristische Personen des öffentlichen Rechts durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen können. Dies ist in Bezug auf den Unterzeichner Assessor B. jedoch der Fall.

22

B. Die Revision ist auch begründet. Die Festsetzung des Arzneikostenregresses ist zu Recht erfolgt, da die Klägerin gegen das sie unmittelbar verpflichtende Wirtschaftlichkeitsgebot (§§ 12 Abs 1, 70 Abs 1 Satz 2 SGB V) verstoßen und damit unwirtschaftlich im Sinne des § 106 Abs 1 SGB V gehandelt hat, indem sie den für einen Versicherten der zu 1. beigeladenen Krankenkasse benötigten Gerinnungsfaktor zur Abgabe über eine Apotheke verordnet und nicht direkt vom Hersteller bezogen hat (1.). Die Entscheidung des Beklagten ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden; insbesondere musste dieser keinen Herstellerrabatt berücksichtigen (2.).

23

1. Die Verordnung eines Gerinnungsfaktors anstelle des Direktbezuges über den pharmazeutischen Unternehmer bzw Großhändler verstößt gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot und ist damit unwirtschaftlich im Sinne des § 106 Abs 1 SGB V.

24

a. Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190, 2214, die in den Quartalen II/2006 bis I/2007 galt). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2) geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren; diese Prüfvereinbarungen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen (s zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 bis 14 mwN). Diese waren auch in § 12 der hier einschlägigen Prüfvereinbarung in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung vorgesehen, wie sich aus dem Urteil des SG ergibt, das für die Feststellung und Auslegung von Landesrecht (auch) zuständig ist (s § 162 SGG und dazu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 mwN). Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und ihre Auswahl daher rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in einem bestimmten Behandlungsfall hinsichtlich des Behandlungs- und Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Dem Bescheid des Beklagten ist auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass er eine Einzelfallprüfung wegen Unwirtschaftlichkeit durchgeführt hat.

25

b. Die Klägerin hat unwirtschaftlich gehandelt, da ihre Entscheidung, die vom Patienten benötigten Gerinnungsfaktoren zu verordnen und damit über eine Apotheke an den Patienten abgeben zu lassen - statt diese direkt beim Hersteller zu beziehen und ohne Zwischenschaltung einer Apotheke unmittelbar an den Patienten abzugeben - gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz verstößt: Die Klägerin war nach § 47 AMG berechtigt, Gerinnungsfaktoren direkt beim Hersteller (bzw Großhändler) zu beziehen(aa.). Zwar wird die Nutzung dieser direkten Bezugsmöglichkeit nicht ausdrücklich durch das Gesetz oder untergesetzliche Normen vorgeschrieben (bb.), jedoch ergibt sich eine dahingehende Verpflichtung in der vorliegenden Konstellation unmittelbar aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot (cc.).

26

aa. Die Klägerin war nicht aufgrund der grundsätzlich bestehenden Apothekenpflicht (§ 43 AMG) aus Rechtsgründen gezwungen, den Gerinnungsfaktor zu verordnen, sondern sie hätte diesen auf der Grundlage des § 47 Abs 1 Satz 1 Nr 2a AMG vom Hersteller beziehen und an den Patienten abgeben können.

27

Nach § 47 Abs 1 Satz 1 Nr 2a AMG ist die Direktabgabe von Gerinnungsfaktorenzubereitungen dann zulässig, wenn die Arzneimittel von dem hämostaseologisch qualifizierten Arzt im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern an seine Patienten abgegeben werden dürfen. Gerinnungsfaktorenzubereitungen dürfen danach vom Arzt unmittelbar an den Patienten abgegeben werden, wenn sich der Patient diese selbst verabreicht. Dies war vorliegend der Fall. Soweit diese Option "hämostaseologisch qualifizierten Ärzten" vorbehalten ist, war die Klägerin in den streitbefangenen Quartalen diesem - gesetzlich nicht näher definierten - Personenkreis zuzurechnen. Zwar war sie "nur" Fachärztin für Allgemeinmedizin ohne die Zusatzbezeichnung "Hämostaseologie", doch stand dies - jedenfalls im streitigen Zeitraum - einer Behandlung von Blutern und damit auch einem Direktbezug von Gerinnungspräparaten nicht entgegen. Der Senat folgt der Auffassung des LSG, dass bereits aus dem Umstand, dass es bei Einführung der Direktabgabemöglichkeit durch das Transfusionsgesetz (TFG) vom 1.7.1998 (BGBl I 1752, 1759: Änderung des § 47 AMG durch § 34 Nr 7 TFG aF) überhaupt noch keine Zusatzbezeichnung "Hämostaseologie" gab, die Folgerung zu ziehen ist, dass zumindest seinerzeit jeder Arzt die Voraussetzungen für den Direktbezug erfüllte, der bereits über eine hinreichende (mehrjährige) Erfahrung bei der Betreuung von Hämophiliepatienten verfügte (Miller in Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 47 RdNr 11; von Czettritz in Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2. Aufl 2014, § 24 RdNr 34; enger Wohlleben, Die ambulante Versorgung von Patienten mit Gerinnungsfaktorpräparaten als Managementaufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, 2008, S 66: mehrjährige Tätigkeit in einem entsprechenden Behandlungszentrum).

28

Dies entspricht auch der Zielsetzung, die mit der Ermöglichung des Direktbezugs verbunden war: In der Gesetzesbegründung zum Transfusionsgesetz (BT-Drucks 13/9594 S 30 zu § 47 AMG)wird darauf verwiesen, dass sich die Selbstbehandlung der Bluter seit Jahrzehnten bewährt habe und eine unverzichtbare Form der Bluterbehandlung geworden sei. Sie fördere nicht nur entscheidend die Autonomie der Patienten, sondern erlaube auch ein rasches Handeln des Patienten bei Auftreten von Blutungen. Die Abgabe der Gerinnungsmittel durch den Arzt an den Patienten sei bisher geduldete Praxis, weil im Vordergrund die ärztlich betreute und gut kontrollierte Anwendung dieser Arzneimittel stehe. Um diese Anwendung in einer einzigartigen und unvergleichlichen Behandlungssituation abzusichern, sei die vorgeschlagene Regelung notwendig. Sie spare im Übrigen Kosten im Gesundheitswesen.

29

Nach den Feststellungen des SG wurde die Zusatzbezeichnung "Hämostaseologie" erst in die am 8.12.2005 genehmigte Neufassung der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt eingeführt; zu Recht weist das SG darauf hin, dass in Anbetracht der zwölfmonatigen Weiterbildungszeit eine formelle Qualifikation in den hier streitigen Quartalen (noch) nicht nachgewiesen werden konnte. Nach den Feststellungen des LSG verfügte die Klägerin im streitigen Zeitraum 2006/2007 auch über die durch Erfahrung gewonnene notwendige Fachkunde für die Begleitung des Patienten bei der Selbstabgabe.

30

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich nach Aktenlage bei den Verordnungen, deren Wirtschaftlichkeit in Rede steht, jeweils um Folgeverordnungen handelt, nachdem der Patient vom Hämophiliezentrum der Martin-Luther-Universität Halle auf dieses Präparat eingestellt worden war. Auch wird in der Gesetzesbegründung zum Transfusionsgesetz (BT-Drucks 13/9594 S 30 zu § 47 AMG)darauf hingewiesen, im Vordergrund stehe die ärztlich betreute und gut kontrollierte Anwendung dieser Arzneimittel. Unter diesem Aspekt erscheint es als widersinnig, einem Arzt bzw einer Ärztin die Qualifikation zum Direktabzug abzusprechen, welche(r) die fortlaufende Behandlung eines Bluters übernommen hat. Im Übrigen würde dies eine Betreuung von Blutern im ländlichen Raum erschweren.

31

Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, sie sei davon ausgegangen, keine hämostaseologisch qualifizierte Ärztin im Sinne des § 47 Abs 1 Satz 1 Nr 2a AMG zu sein, denn sie war seitens der Beigeladenen zu 1. ausdrücklich darüber informiert worden, dass auch ihr die Möglichkeit des Direktbezuges offenstand.

32

bb. Dem LSG ist insoweit zuzustimmen, dass sich eine Verpflichtung der Klägerin, den ihr rechtlich erlaubten Direktbezug auch tatsächlich zu nutzen, weder aus § 73 Abs 8 Satz 1 SGB V noch aus § 47 AMG ergibt:

Aus § 73 Abs 8 Satz 1 SGB V lässt sich eine derartige Verpflichtung nicht herleiten, denn zum einen sind die Vertragsärzte nicht Adressaten der Regelung und zum anderen ist deren alleiniger Gegenstand die Information der Vertragsärzte. Die dort geregelte Verpflichtung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung(en) und Krankenkassen(-verbände), die Vertragsärzte auch vergleichend über preisgünstige verordnungsfähige Leistungen sowie - seit 1.4.2007 - auch über Bezugsquellen - zu informieren, lässt allerdings erkennen, dass der Gesetzgeber auch in der Wahl einer kostengünstigeren Bezugsquelle ein mögliches Einsparungspotential sieht.

33

Eine Verpflichtung zum Direktbezug ergibt sich auch nicht aus § 47 AMG, welcher den Vertriebsweg von Arzneimitteln regelt. § 47 Abs 1 Satz 1 AMG (idF vom 10.10.2013) bestimmt, dass pharmazeutische Unternehmer und Großhändler Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur an die dort aufgeführten Personen und Institutionen abgeben dürfen. Hierzu gehören nach Nr 2a Krankenhäuser und Ärzte, soweit es sich um aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen oder gentechnologisch hergestellte Blutbestandteile handelt, die, soweit Gerinnungsfaktorenzubereitungen betroffen sind, von dem hämostaseologisch qualifizierten Arzt im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern an seine Patienten abgegeben werden dürfen.

34

Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 4-2500 § 130a Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 130a Nr 6 RdNr 18) sieht die Sonderregelung des § 47 AMG keine Ausnahme von der Apothekenpflicht des § 43 AMG vor, sondern knüpft hieran ausdrücklich an und normiert die Befugnis der pharmazeutischen Unternehmer und Großhändler, die apothekenpflichtigen Arzneimittel dennoch an bestimmte Personen und Institutionen außerhalb des Apothekenbereichs abzugeben. Empfänger wie zB Krankenhäuser und Ärzte sind den Apotheken (in den normierten Ausnahmefällen) insoweit gleichgestellt. Die Abgabewege bzw Abgabeformen nach § 47 AMG stellen also lediglich eine gelockerte Form der Apothekenpflicht dar(BSG aaO). Aus § 47 SGB V ergibt sich somit lediglich eine Befugnis für pharmazeutische Unternehmer bzw Großhändler, Arzneimittel bei Vorliegen der Ausnahmetatbestände direkt an Krankenhäuser oder Ärzte abzugeben, nicht jedoch eine Verpflichtung dieser Ärzte, diesen Abgabeweg zu nutzen. Selbst wenn sich der Gesetzgeber von dieser Regelung (auch) Kosteneinsparungen versprochen hat (s die Gesetzesbegründung zum Transfusionsgesetz, BT-Drucks 13/9594 S 30 zu § 47 AMG), enthält sie keinerlei diesbezügliche Vorgaben für Ärzte. Diese sind nicht einmal Adressaten der Regelungen; dies sind vielmehr allein pharmazeutische Unternehmer und Großhändler.

35

cc. Der von der Klägerin gewählte Bezugsweg war unwirtschaftlich im Sinne des § 12 Abs 1 SGB V (<(1)>). Zwar bedarf es - namentlich im Verordnungsbereich - im Regelfall näherer normativer Konkretisierungen dieses abstrakt formulierten Gebots, um aus dessen Nichtbeachtung rechtliche Folgerungen ziehen zu können; in der vorliegenden Konstellation ergab sich - entgegen der Auffassung des LSG - die Verpflichtung der Klägerin zum Direktbezug des Gerinnungsfaktors aufgrund der besonderen Umstände jedoch unmittelbar aus dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot (<(2)>).

36

(1) (a) § 106 Abs 1 SGB V verpflichtet die Krankenkassen und die KÄVen, die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen zu überwachen. Das Verfahren nach § 106 SGB V dient damit der Feststellung, ob die vertragsärztliche Versorgung in Bezug auf die Behandlungs- wie auch die Verordnungsweise den gesetzlichen Anforderungen des Wirtschaftlichkeitsgebots genügt. Der in § 106 Abs 1 SGB V verwendete Begriff der Wirtschaftlichkeit ist mit den in § 12 Abs 1 SGB V definierten, in § 70 Abs 1 Satz 2 SGB V für die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern wiederholten und in § 72 Abs 2 SGB V für die Beziehungen der Krankenkassen zu Ärzten und Zahnärzten präzisierten Begriffen identisch. Nach § 12 Abs 1 Satz 1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (Satz 2 aaO). Nach § 70 Abs 1 Satz 2 SGB V muss die Versorgung der Versicherten ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muss wirtschaftlich erbracht werden. Der für die Prüfungsgremien maßgebende Begriff der Wirtschaftlichkeit trägt die anderen genannten Sachvoraussetzungen in sich (BSGE 17, 79, 84 = SozR Nr 5 zu § 368n RVO; BSGE 19, 123, 128 = SozR Nr 7 zu § 368n RVO, Bl Aa 10, 12).

37

Der Begriff der "Wirtschaftlichkeit" im engeren Sinne fordert, entsprechend dem Minimalprinzip mit dem geringstmöglichen Aufwand die erforderliche - ausreichende und zweckmäßige - Leistung zu erbringen. Bezogen auf die Krankenversicherung bestimmt der Begriff - als Kernbestandteil des Wirtschaftlichkeitsgebots im engeren Sinne (BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 44) - die Relation zwischen dem Kostenaufwand und dem Nutzen in Form des Heilerfolgs (vgl BSGE 52, 134, 139 = SozR 2200 § 182 Nr 76). Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit im Sinne des Minimalprinzips bedingt den Beleg, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind (vgl zB BSGE 111, 146 = SozR 4-2500 § 35 Nr 6, RdNr 14; BSGE 113, 231 = SozR 4-2500 § 40 Nr 7, RdNr 16; BSG Urteil vom 7.5.2013 - B 1 KR 53/12 R - Juris RdNr 19 = USK 2013-67; BSG SozR 4-2500 § 12 Nr 4 RdNr 24; BSG SozR 4-2500 § 28 Nr 8 RdNr 26).

38

Entsprechend dem Minimalprinzip ist der Vertragsarzt bei zwei zur Behandlung einer bestimmten Gesundheitsstörung zur Verfügung stehenden, medizinisch gleichwertigen Therapieansätzen verpflichtet, den kostengünstigeren zu wählen (BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 44; vgl auch BSG Beschluss vom 31.5.2006 - B 6 KA 68/05 B - Juris RdNr 11; ebenso zB Noftz in Hauck/Noftz, Stand Einzelkommentierung 2000, SGB V, Juni 2014, § 12 RdNr 23; Roters in Kasseler Komm, § 12 SGB V RdNr 41). Das Minimalprinzip ist grundsätzlich auch im Verhältnis zweier therapeutisch gleichwertiger, aber unterschiedlich teurer Arzneimittel zu beachten (so ausdrücklich LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 28.10.2009 - L 7 KA 131/06 - Juris RdNr 52; in diesem Sinne auch BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 44; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 28; BSG SozR 4-2500 § 35 Nr 6 RdNr 14).

39

(b) Nichts anderes kann gelten, wenn unterschiedliche Bezugsmöglichkeiten für ein und dasselbe Medikament bestehen und der eine Bezugsweg erheblich niedrigere Kosten verursacht als der andere. Die Verpflichtung des Vertragsarztes zu wirtschaftlichem Handeln gilt für jedwede ärztliche Tätigkeit (vgl zB BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 106; BSG SozR 2200 § 368n Nr 37 S 122; BSGE 60, 69, 71 = SozR 2200 § 368n Nr 42 S 139; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 42 S 232). Das Wirtschaftlichkeitsgebot verpflichtet den Vertragsarzt, umfassend - also in jedem Teilbereich - wirtschaftlich zu handeln (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 42 S 232; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 21). Dies folgt aus dem umfassenden Geltungsanspruch des Wirtschaftlichkeitsgebots (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 34 RdNr 34).

40

Ein Arzt hat daher das Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Verordnung von Arzneimitteln nicht allein in Bezug auf die Auswahl des Arzneimittels zu beachten, sondern auch dann, wenn es verschiedene Bezugswege gibt. So bestimmt § 12 Abs 1 Satz 2 SGB V, dass Leistungserbringer Leistungen, die unwirtschaftlich sind, nicht "bewirken" dürfen. Aus welchem Grund "die Leistung" unwirtschaftlich ist, spielt dabei keine Rolle. Es gilt der Grundsatz, dass dann, wenn "Leistungen" als gleichwertig anzusehen sind, weil sie voraussichtlich mit gleicher Wahrscheinlichkeit den gleichen Behandlungserfolg bringen werden, die kostengünstigere zu wählen ist (Roters in Kasseler Komm, § 12 SGB V RdNr 42). Eine "Gleichwertigkeit" liegt erst recht dann vor, wenn es sich um das identische Arzneimittel handelt und lediglich der Bezugsweg ein anderer ist.

41

(c) Nach diesen Maßstäben steht außer Frage, dass ein Direktbezug des Gerinnungsfaktors erhebliche Kosten einsparen würde und damit allein dessen Nutzung wirtschaftlich ist. Die für die Behandlung von Blutern regelmäßig aufzuwendenden Arzneimittelkosten sind erheblich, sodass sich bei einem Direktbezug - also ohne den an die Apotheke fließenden "Aufschlag" - ein entsprechendes Einsparpotential ergibt. Im vorliegenden Fall beträgt die Differenz bei einem einzigen Patienten gut 4000 Euro pro Quartal. Ein Direktbezug ist mithin der bei weitem kostengünstigere Weg, um den bei der Beigeladenen zu 1. versicherten Patienten mit dem von diesem regelmäßig benötigten Gerinnungsfaktor zu versorgen.

42

Im Übrigen wäre es schwerlich nachvollziehbar, wenn ein Vertragsarzt zwar einerseits bei der Auswahl eines Arzneimittels in Erwägung zu ziehen hätte, bei therapeutischer Gleichwertigkeit das kostengünstigere Mittel zu verordnen, er jedoch andererseits Kosten-Nutzen-Erwägungen bei der Wahl des Vertriebsweges vollständig außer Betracht lassen könnte. Unterstellt, es gäbe verschiedene - in jeder Beziehung therapeutisch gleichwertige - Arzneimittel, die bei der Behandlung von Blutern zur Anwendung gelangen könnten, wäre ein Vertragsarzt grundsätzlich verpflichtet, das kostengünstigere Medikament zu verordnen, auch wenn dies pro Quartal nur Einsparungen in Höhe von beispielsweise 100 Euro ermöglichte. Es läge ein Wertungswiderspruch vor, sollte er andererseits nicht verpflichtet sein, das Medikament direkt beim Hersteller zu beziehen, obwohl der Direktbezug zu Kosteneinsparungen in Höhe von 4000 Euro pro Quartal führte.

43

(d) Einer Direktabgabe steht auch nicht entgegen, dass die Lagerung der Arzneimittel besondere Aufbewahrungsformen oder Sicherungsvorkehrungen erforderte. Wie bereits der Prüfungsausschuss dargelegt hat, bestehen keine besonderen Anforderungen an die Aufbewahrung und Lagerung von Gerinnungsfaktoren, die über die üblichen Gegebenheiten in Arztpraxen hinausgehen. Nach der entsprechenden Gebrauchsinformation darf "Faktor VIII SDH Intersero 1000" lediglich nicht über 25° gelagert und nicht eingefroren werden; zudem sind die Durchstechflaschen im Umkarton aufzubewahren, um den Inhalt vor Licht zu schützen. Selbst wenn man mit dem LSG davon ausginge, dass "eine weitere Vorsorgeverpflichtung zur Abwendung von Straftaten und zu versichernden Risiken" bestünde, ginge diese nicht über das in Arztpraxen Übliche hinaus. Zudem entsteht kein besonderer Verwaltungsaufwand für den Arzt, da die Abrechnung zwischen Hersteller und Krankenkasse erfolgt. Auch aus Patientensicht stand einer Abgabe durch die behandelnde Ärztin nichts entgegen. Es war dem Patienten zumutbar, viermal im Quartal die im selben Ort wie die abgebende Apotheke liegende Praxis der Klägerin aufzusuchen (wobei offenbleiben kann, ob er dies nicht auch unter der tatsächlich praktizierten Vorgehensweise musste, um die von der Klägerin ausgestellte Verordnung in Empfang zu nehmen).

44

(2) Entgegen der Auffassung des LSG war die Klägerin in der vorliegenden Konstellation auch unmittelbar aus dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot zum Direktbezug des Gerinnungsfaktors verpflichtet mit der Folge, dass der von ihr gewählte Bezugsweg über die Apotheke unwirtschaftlich war und sie damit die hieraus resultierenden Mehrkosten zu erstatten hat. Es ist allerdings nur in besonders gelagerten Konstellationen möglich, unmittelbar aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot konkrete, im Falle der Nichtbeachtung einen Regress auslösende Vorgaben für die ärztliche Behandlung eines Patienten im Einzelfall abzuleiten.

45

(a) Ein unmittelbarer Durchgriff auf das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs 1 SGB V in einem konkreten Einzelfall stellt (zumindest im Vertragsarztrecht) schon deswegen die Ausnahme dar, weil die Prüfung der Verordnungsweise regelmäßig im Wege der Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs 5a SGB V durchgeführt wird. Bei der Richtgrößenprüfung, die sich letztlich als Prüfung nach Durchschnittswerten darstellt (vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 48 RdNr 75), sind sowohl die Voraussetzungen für eine Beurteilung des Verordnungsverhaltens als "unwirtschaftlich" als auch die Voraussetzungen für das Eingreifen von Prüfmaßnahmen im Einzelnen gesetzlich normiert. Für Einzelfallprüfungen und -beurteilungen ist daneben regelmäßig kein Raum. Ob ein Vertragsarzt nach Durchführung einer Richtgrößenprüfung (oder einer anderen auf der Grundlage von Durchschnittswerten durchgeführten Prüfung) immer davor geschützt ist, dass sein Verordnungsverhalten nicht auch noch im Wege einer Einzelfallprüfung geprüft und er ggf in Regress genommen werden kann, braucht der Senat allerdings nicht abschließend zu entscheiden. Jedoch liegt es nahe, dass eine Verordnung, die bereits Gegenstand einer - wenn auch "pauschalen" - (Richtgrößen-)Prüfung war, nicht erneut einer - nunmehr "konkreten" - Einzelfallprüfung unterzogen werden darf, soweit es jedenfalls um die Wirtschaftlichkeit und nicht um die Zulässigkeit der Verordnung geht.

46

Dies stünde vorliegend jedoch einem Einzel-Regress nicht entgegen, weil eine Richtgrößenprüfung nur dann eine Sperrwirkung entfalten kann, wenn die in Rede stehende Verordnung auch in das Richtgrößenvolumen nach § 84 Abs 6 SGB V einbezogen wurde. Gerinnungsfaktoren sind jedoch regelmäßig von Richtgrößenregelungen ausgenommen (vgl die Bundesempfehlung zu Richtgrößen vom 21.2.2000, Anlage 2 "Arzneimittel zur Ausnahme von Richtgrößenregelungen", Wirkstoffliste nach Anlage 2, Nr 18: "Blutgerinnungsfaktoren … VIII …"), sodass sie auch keiner Richtgrößenprüfung unterliegen.

47

(b) Zum anderen bedarf es regelmäßig näherer normativer Konkretisierungen - etwa hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit von bestimmten Arzneimitteln -, an denen der Arzt seine Behandlungsweise ausrichten kann. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der GBA gemäß § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V gehalten ist, eine Richtlinie für die Verordnung von Arzneimitteln zu beschließen, welche den in § 92 Abs 2 SGB V niedergelegten detaillierten Vorgaben genügen müssen; hierzu gehören auch Regelungen, die dem Vertragsarzt eine Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit einer Verordnung ermöglichen. Weiterhin muss der Arzt davor geschützt sein, dass eine nicht offensichtlich regelwidrige Behandlungsweise im Nachhinein auf der Grundlage ganz allgemeiner Erwägungen zu wirtschaftlichen Alternativen als fehlerhaft bewertet wird.

48

Das schließt aber nicht aus, dass der Arzt in besonderen Konstellationen auch ohne entsprechende Konkretisierungen zur unmittelbaren Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots verpflichtet ist und aus dessen Nichtachtung Folgerungen gezogen werden dürfen. Denn der GBA ist weder verpflichtet ("soll") noch in der Lage, für jede der im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung denkbaren Fallgestaltungen Regelungen aufzustellen. Auch wenn es ggf sinnvoll sein könnte, eine ausdrückliche Verpflichtung zur Nutzung einer Direktbezugsmöglichkeit in die AM-RL aufzunehmen, belegt deren Fehlen nicht, dass ein Verzicht auf die Nutzung dieses Bezugsweges als wirtschaftlich anzusehen bzw zumindest folgenlos hinzunehmen wäre. Dementsprechend lässt sich auch nichts aus dem Umstand entnehmen, dass die in § 9 Abs 2 AM-RL aufgeführten Hinweise für eine kostenbewusste Verordnung (etwa zur Berücksichtigung von Importarzneimitteln) den Direktbezug nicht erfassen. Mithin kann ein Vertragsarzt, insbesondere bei bestehenden rechtskonformen Handlungsalternativen, die mit unterschiedlich hohen Kosten verbunden sind, auch ohne entsprechende Konkretisierung durch die AM-RL verpflichtet sein, sich für die wirtschaftlichere Variante zu entscheiden.

49

Das war hier der Fall. Zum einen drängte sich angesichts des exorbitanten Kostenunterschieds von gut 4000 Euro pro Quartal die Nutzung der Direktbezugsmöglichkeit geradezu auf (so auch Wohlleben, Die ambulante Versorgung von Patienten mit Gerinnungsfaktorpräparaten als Managementaufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, 2008, S 85: "Das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V fordert geradezu einen Direktbezug"). Zum anderen hatte die beigeladene Krankenkasse die Klägerin bereits im Oktober 2005 - also vor dem streitgegenständlichen Zeitraum - bezogen auf den konkreten Behandlungsfall auf die Möglichkeit des Direktbezuges hingewiesen. Die Klägerin hatte danach mehr als fünf Monate Gelegenheit, sich dieser Empfehlung anzuschließen oder zumindest Gründe zu benennen, aus denen das nicht möglich war. Die von ihr angeführten Erwägungen - Berufstätigkeit des Versicherten und Schwierigkeiten bei der Lagerung - liegen in diesem Fall neben der Sache. Richtig ist, dass eine Ärztin nicht verpflichtet ist, zur Ermöglichung des Direktbezuges ein eigenes Kühlsystem in der Praxis vorzuhalten oder an sieben Tagen der Woche die Praxis zu öffnen, nur um einen Versicherten täglich zu versorgen. Das spielte - wie bereits dargestellt - hier jedoch keine Rolle: substanziell hat die Klägerin nur geltend gemacht, sie wolle eben den Weg des Direktbezuges nicht gehen, weil sie dazu nicht verpflichtet sei. Damit verkennt sie Bedeutung und Reichweite des Wirtschaftlichkeitsgebotes, das sie im Rahmen ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit beachten muss, ganz grundlegend.

50

2. Der Bescheid des Beklagten ist auch hinsichtlich der Höhe des Regresses nicht zu beanstanden; insbesondere war - entgegen der Auffassung des LSG - kein Hersteller- bzw Arzneimittelrabatt zu berücksichtigen.

51

a. Die Prüfgremien haben bei der Festsetzung des Regresses neben Patientenzuzahlungen auch den Apothekenrabatt, der den Krankenkassen gemäß § 130 Abs 1 SGB V bei verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln von den Apotheken zu gewähren ist, zu berücksichtigen(BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 38 S 211). Nichts anderes gilt für Rabatte, die den Krankenkassen durch Vereinbarungen nach § 130a SGB V mit pharmazeutischen Unternehmern gewährt werden(Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, August 2014, § 106 RdNr 93). Eine Außerachtlassung der Rabatte und Patientenzuzahlungen bei der Festsetzung der Höhe des Regresses ist ermessensfehlerhaft, da durch den Verordnungsregress nur der Aufwand ausgeglichen werden soll, der der Krankenkasse durch das unwirtschaftliche Handeln des Arztes entstanden ist (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 38 S 212).

52

b. Der Beklagte hat jedoch vorliegend zu Recht keinen Rabattabzug vorgenommen, weil der zu 1. beigeladenen Krankenkasse Herstellerrabatte weder tatsächlich zugeflossen sind noch aus Rechtsgründen zufließen mussten. Auf Gerinnungsfaktoren, die über eine Apotheke bezogen werden, ist kein Herstellerrabatt zu gewähren:

53

Nach § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V erhalten Krankenkassen von den Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 7 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. Diese Regelung gilt gemäß § 130a Abs 1 Satz 5 SGB V aF(jetzt Satz 6) für Fertigarzneimittel, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem AMG oder aufgrund des § 129 Abs 5a SGB V bestimmt sind, sowie für Arzneimittel, die nach § 129a SGB V abgegeben werden. Die Preisvorschriften nach dem AMG ergeben sich aus der - auf der Ermächtigung in § 78 Abs 1 Satz 1 AMG beruhenden - AMPreisV; dieser unterfallen grundsätzlich alle Fertigarzneimittel, deren Abgabe nach § 43 Abs 1 AMG den Apotheken vorbehalten ist(§ 1 Abs 1 AMPreisV). Nach § 1 Abs 3 AMPreisV sind jedoch Arzneimittel unter bestimmten Voraussetzungen vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen mit der Folge, dass dann auch kein Herstellerrabatt zu gewähren ist. Hierzu gehören auch Gerinnungsfaktoren (Schulte-Bosse/Burgardt, PharmR 2015, 149, 154, 155; vgl auch LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 31.8.2011 - L 1 KR 63/09 - Juris RdNr 45; s auch GBA, Dossier zur Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V, Simoctocog alfa (Nuwiq®), Modul 3 A, Ziff 3.3.3.1. f; so im Ergebnis auch Wohlleben, Die ambulante Versorgung von Patienten mit Gerinnungsfaktorpräparaten als Managementaufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, 2008, S 68 f). Dem wird auch in der Praxis dadurch Rechnung getragen, dass Gerinnungsfaktoren vom Herausgeber der "Großen Deutschen Spezialitätentaxe" ("Lauer-Taxe") als Arzneimittel gelistet sind, die nicht der AMPreisV unterliegen und damit nicht herstellerabschlagspflichtig sind (s auch Schulte-Bosse/Burgardt, PharmR 2015, 149, 155).

54

Nach den in § 1 Abs 3 Nr 3 und Nr 6 AMPreisV geregelten Ausnahmetatbeständen - andere kommen vorliegend nicht in Betracht - findet die AMPreisV keine Anwendung, wenn es sich entweder um eine Abgabe an die in § 47 Abs 1 Nr 2 bis 9 AMG genannten Personen und Einrichtungen unter den dort bezeichneten Voraussetzungen handelt (Nr 3), oder um die Abgabe von Blutkonzentraten, die zur Anwendung bei der Bluterkrankheit (...) bestimmt sind (Nr 6). Die Nr 3 aaO ist im Ergebnis nicht einschlägig, da eben gerade keine Abgabe im Direktbezug nach § 47 AMG erfolgt ist, sondern eine solche über Apotheken(zur Auslegung der Norm s BSG SozR 4-2500 § 130a Nr 4 sowie BSG SozR 4-2500 § 130a Nr 6). Jedoch greift vorliegend § 1 Abs 3 Nr 6 AMPreisV ein, weil es sich bei den streitgegenständlichen Gerinnungsfaktoren um ebensolche Blutkonzentrate handelt, die zur Anwendung bei der Bluterkrankheit bestimmt sind. "Blutkonzentrat" ist das Synonym für alle Arzneimittel, die der Substitutionsbehandlung von Blutern dienen (Schulte-Bosse/Burgardt, PharmR 2015, 149, 153).

55

Das LSG stützt seine gegenteilige Auffassung zum einen darauf, dass dem in der Nr 6 aaO geregelten Ausnahmetatbestand neben dem der Nr 3 aaO keine eigenständige Bedeutung zukomme, weil es sich bei den schon durch die Nr 3 iVm § 47 Abs 1 Nr 2a AMG erfassten Gerinnungsfaktoren um eine Untergruppe der in der Nr 6 aaO genannten Blutzubereitungen handele, und dass beide Vorschriften jedenfalls dieselbe Rechtsfolge nach sich ziehen müssten. Dem ist nicht zu folgen. Ein Vorrang im Sinne einer Spezialität kommt der Regelung nach § 1 Abs 3 Nr 3 AMPreisV gegenüber der Regelung nach der Nr 6 aaO nicht zu(so auch Schulte-Bosse/Burgardt, PharmR 2015, 149, 154). Schulte-Bosse/Burgardt (aaO) weisen zunächst zu Recht darauf hin, dass bei einem Vorrang des Ausnahmetatbestandes nach Nr 3 aaO die Regelung nach der Nr 6 aaO hätte aufgehoben werden können, der Gesetzgeber wiederholte Änderungen der AMPreisV jedoch auch nach Vorliegen der norminterpretierenden Entscheidungen der Krankenversicherungssenate des BSG nicht in diesem Sinne genutzt habe.

56

Unabhängig hiervon kommt beiden Regelungen - ungeachtet einer gewissen Überschneidung - ein eigenständiger Anwendungsbereich zu. Die Beigeladene zu 1. weist zu Recht darauf hin, dass die Nr 3 aaO adressatenbezogen, die Nr 6 aaO hingegen produktbezogen ist. Während die Nr 3 aaO eine Ausnahme von den Preisvorschriften nur für den Fall eines abweichenden Vertriebsweges vorsieht - nämlich im Falle eines Direktbezuges -, sodass die (vom BSG aaO bestätigte) Konsequenz naheliegt, auch nur bei tatsächlicher Nutzung dieses Vertriebsweges eine Ausnahme anzunehmen, sieht die Nr 6 aaO eine Ausnahme für ein bestimmtes Arzneimittel - nämlich Blutkonzentrate - vor, und zwar ohne Rücksicht darauf, an wen sie ausgeliefert werden (Hessisches LSG Urteil vom 29.1.2009 - L 8 KR 226/07 - Juris RdNr 36). Schon von daher geht die Erwartung des LSG, beide Normen müssten dieselbe Rechtsfolge nach sich ziehen, fehl. Hinzu kommt, dass die Nr 6 aaO in Bezug auf Blutkonzentrate, die zur Anwendung bei der Bluterkrankheit bestimmt sind, die speziellere Norm darstellt, weil sie eine unmittelbare Regelung des Direktbezugs enthält, während sich die Möglichkeit eines Direktbezugs nach der Nr 3 aaO erst über die Regelung des § 47 Abs 1 Nr 2a AMG vermittelt.

57

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des Berufungs- sowie des Revisionsverfahrens zu tragen, da sie unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Die Kosten der Beigeladenen zu 2. sind nicht zu erstatten, da sie keinen Antrag gestellt hat.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 25. November 2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Zwischen den Parteien steht ein Regress in Höhe von 3493,30 Euro aufgrund einer Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise für das Jahr 2006 im Streit, die sich auf Kosten für die verordnete Wirkstoffdosis bezieht.

2

Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) von Fachärzten für Innere Medizin, Kardiologie und Angiologie.

3

Im April 2010 teilte die Gemeinsame Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen der Klägerin mit, dass sie die für das Verordnungsjahr 2006 vertraglich vereinbarten Zielwerte pro definierter Tagesdosis (defines daily dose DDD) bei den verordneten cardioselektiven Betablockern (Zielwert 0,3999 Euro) um 28,25 % und bei Kombinationen von Tilidin und Naloxon (Zielwert 1,564 Euro) um 15,18 % überschritten habe. Im Oktober 2010 setzte die Gemeinsame Prüfungsstelle wegen der genannten Zielwertüberschreitungen einen Regress in Höhe von netto 3493,30 Euro gegenüber der Klägerin fest. Da das vereinbarte Ausgabenvolumen für die insgesamt von den Hamburger Vertragsärzten veranlassten Leistungen für das Verordnungsjahr 2006 überschritten worden sei, habe Veranlassung zur Durchführung von Zielfeldprüfungen bestanden. Die Zielwerte seien von den Landesverbänden der Krankenkassen und der KÄV Hamburg anhand definierter Tagesdosen (DDD) so festgelegt worden, dass Spielraum für individuelle Therapieentscheidungen bestehe. Die Ausgaben für die verordneten cardioselektiven Betablocker hätten insgesamt 19 018,25 Euro und für das verordnete Tilidin 981,40 Euro betragen. Daraus errechneten sich bei einer Überschreitung der Zielwerte um 28,25 % (cardioselektiven Betablocker) bzw um 15,18 % (Tilidinkombinationen) Mehrausgaben in Höhe von 4319,02 Euro brutto und 3493,30 Euro netto.

4

Den hiergegen erhobenen Widerspruch, den die Klägerin nicht begründete, wies der Beklagte mit Beschluss vom 10.8.2011 zurück. Zur Begründung bezog sich der Beklagte auf die indikationsbezogenen Zielvereinbarungen für das Jahr 2006 betreffend die Zielgruppen cardioselektive Betablocker und Tilidinkombinationen. Die Erweiterung des Zielfeldes auf Tilidinkombinationen mit der Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2006 betreffe allein den Zeitraum vom 1.7.2006 bis zum 31.12.2006. Die zu 6. beigeladene KÄV habe in ihren Publikationen und Informationsveranstaltungen auf die Dokumentationspflichten der Vertragsärzte zur Rechtfertigung von Zielwertüberschreitungen und auf Entlastungsmöglichkeiten aufgrund von im einzelnen Patienten liegenden Gründen hingewiesen. Es sei nicht ersichtlich, warum bei den Tilidinkombinationen das teure Originalpräparat Valoron N gewählt worden sei. Das Verhältnis Kleinpackung zu Großpackung in der Zielgruppe cardioselektive Betablocker betrage 41 zu 676. Die BAG habe sich weder zur Einleitung der Zielfeldprüfung noch zum Widerspruch geäußert. Entlastende Gesichtspunkte seien auch nicht feststellbar gewesen.

5

Das SG hat der Klage der Klägerin stattgegeben und den streitgegenständlichen Beschluss des Beklagten aufgehoben. Der Beschluss sei bereits mangels Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. § 84 Abs 4a SGB V könne als Ermächtigungsgrundlage erst ab dem Jahr 2007 herangezogen werden. § 84 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V sowie § 84 Abs 3 SGB V stellten keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Sanktionierung der hier beanstandeten Zielverfehlungen dar. Die Kammer habe zudem Zweifel, ob die Nichteinhaltung der Zielwerte eine geeignete Prüfmethode zur Feststellung eines individuellen Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot darstellten. Der Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2006 sei nicht zu entnehmen, wie die vereinbarten Zielwerte gebildet worden seien. Dies könne jedoch offenbleiben. Jedenfalls sei die in § 2 Abs 1 Satz 3 der Anlage F getroffene Beweislastregelung unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, weil sich aus den der Klägerin zur Verfügung gestellten Daten ein eindeutiger Patientenbezug nicht ableiten lasse. Sie könne aus den vorliegenden Daten nicht ableiten, aufgrund welcher Verordnungen es zu Zielfeldüberschreitungen gekommen sei. Unter diesen Umständen könne die Klägerin den geforderten Entlastungsbeweis nicht führen.

6

Die Berufung des Beklagten hat das LSG zurückgewiesen. Es fehle unter Zugrundelegung des hier maßgebenden, im Prüfzeitraum geltenden maßgeblichen Rechts an einer hinreichenden formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für einen Zielfeldregress. Die aufgrund der Grundrechtsrelevanz des Regresses erforderliche gesetzliche Grundlage für Zielfeldregresse ergebe sich nicht aus der in § 106 Abs 2 Nr 2 Satz 4 SGB V enthaltenen Ermächtigung, Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungen zu vereinbaren und auch nicht aus der in § 84 Abs 1 Satz 2 Nr 2, Abs 3 SGB V geregelten Ermächtigung der Gesamtvertragspartner zur Vereinbarung von Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitszielen und konkrete, auf die Umsetzung dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen (Zielvereinbarungen), insbesondere zur Information und Beratung.

7

Zur Begründung seiner Revision führt der Beklagte aus, § 106 Abs 2 Nr 2 Satz 4 SGB V räume den Vertragspartnern eine Kompetenz zur Vereinbarung des Prüfverfahrens in § 19 der Hamburger Prüfvereinbarung ein. Das Prüfverfahren zu Zielfeldvereinbarungen könne zur herkömmlichen Prüfungsart nach Durchschnittswerten gezählt werden. Der Durchschnitt orientiere sich zwar nicht am Verordnungsverhalten der Ärzte, werde aber anhand von tatsächlichen Durchschnittswerten (Kosten von Arzneimitteln je Tagesdosis) ermittelt. Zweifellos handele es sich jedenfalls um eine weitere arztbezogene Prüfungsart nach § 106 Abs 2 Nr 2 Satz 4 SGB V, bei der die Vertragspartner auch Regresse als Konsequenz für Zielfeldverfehlungen vorsehen dürften. Die in § 84 Abs 1 Satz 2 Nr 2, Abs 3 und Abs 7 SGB V getroffenen Regelungen zu Arznei- und Heilmittelvereinbarungen stünden einer Zielfeldprüfung nicht entgegen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Hamburg vom 25.11.2015 und des SG Hamburg vom 17.10.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Das LSG sei zu Recht davon ausgegangen, dass es bereits an der erforderlichen Rechtsgrundlage für den streitigen Zielfeldregress fehle. § 106 Abs 2 Nr 2 Satz 4 SGB V stelle keine ausreichende Grundlage für einen Regress aufgrund einer Zielfeldprüfung dar. Auch aus § 106 Abs 2 Nr 2 Satz 4 SGB V iVm § 84 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V und § 84 Abs 3 SGB V lasse sich eine Befugnis zur Vereinbarung von Zielfeldprüfungen und Zielfeldregressen nicht ableiten. Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Normen böten hierfür keine Anhaltspunkte. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (AVWG) vom 26.4.2006 (BGBl I 984) davon ausgegangen sei, mit § 84 Abs 7a und Abs 4a SGB V erstmalig eine Rechtsgrundlage für einen Regress bei Überschreiten bestimmter Kosten je Dosiereinheit geschaffen zu haben.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Beklagten hat im Sinne der Zurückverweisung an das LSG Erfolg.

12

1. Der Senat geht anders als das LSG davon aus, dass eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Vereinbarung eines sog Zielfeldregresses existiert. Im Grundsatz ist die Vereinbarung fester Werte für Kosten der Arzneimittel je Tagesdosis als Grundlage für die Festsetzung von Regressen nicht zu beanstanden, und die Vertragspartner durften im Falle der Überschreitung von Zielwerten die Beweislast für das Vorliegen der medizinischen Gründe, die der Verordnung eines preisgünstigeren Arzneimittels mit gleichem oder ähnlichem Wirkstoff entgegengestanden haben, dem verordnenden Vertragsarzt auferlegen. Voraussetzung ist aber, dass die Zielfelder so festgesetzt werden, dass aus deren Überschreitung für den Regelfall auf eine unwirtschaftliche Verordnungsweise geschlossen werden kann. Das LSG wird zu prüfen haben, ob der Regress in seiner konkreten Ausgestaltung diesen Vorgaben entspricht. Ferner wird das LSG zu beurteilen haben, ob der für Tilidinkombinationen allein auf Verordnungen aus dem 2. Halbjahr 2006 bezogene Regress mit dem in der Prüfvereinbarung für den Regelfall vorgesehenen Jährlichkeitsprinzip in Einklang steht und ob der Regress für Betablocker gegen das Rückwirkungsverbot verstößt, soweit er sich auf Verordnungen aus der Zeit vor der Bekanntmachung der Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2006 vom 16.2.2006 bezieht.

13

a) Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 106 Abs 2 Nr 2 Satz 4 SGB V in der hier maßgebenden im Prüfzeitraum (2006) geltenden Fassung(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 15 f; BSGE 117, 149 = SozR 4-2500 § 106 Nr 48, RdNr 37 ff mwN) des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) iVm den im Bezirk der zu 6. beigeladenen KÄV geltenden Regelungen der Arznei- und Heilmittelvereinbarung für das Jahr 2006 vom 16.2.2006, sowie Anlage F zum Gesamtvertrag vom 18.4.1996 idF des 12. Nachtrages vom 21.4.2005, die ihre gesetzliche Grundlage in § 84 Abs 1 Satz 2 Nr 2, Abs 3 Satz 1 und 2 SGB V idF von Art 1 Nr 3 des Gesetzes zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbudgets (Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz - ABAG) vom 19.12.2001 (BGBl I 3773) hat.

14

Nach § 106 Abs 2 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina nach § 84(Auffälligkeitsprüfung nach Abs 2 Satz 1 Nr 1) und durch arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben (Zufälligkeitsprüfung nach Abs 2 Satz 1 Nr 2) geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Nr 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren.

15

Von der Möglichkeit, andere arztbezogene Prüfarten zu vereinbaren, haben die Partner der Gesamtverträge für den Bezirk der zu 6. beigeladenen KÄV mit den Vereinbarungen zum sog Zielfeldregress Gebrauch gemacht und dabei an die Vorgaben aus § 84 Abs 5 Satz 1 bis 3 SGB V angeknüpft. Nach dieser Vorschrift erfassen die Krankenkassen die während der Geltungsdauer der Arzneimittelvereinbarung veranlassten Ausgaben arztbezogen und übermitteln diese Angaben ihren Spitzenverbänden. Wenn das danach festgestellte Ausgabenvolumen für Arznei- und Verbandmittel das nach Abs 1 Nr 1 vereinbarte Ausgabenvolumen überschreitet, ist diese Überschreitung nach Abs 3 Satz 1 Gegenstand der Gesamtverträge. Die Vertragsparteien haben dabei nach Abs 3 Satz 2 die Ursachen der Überschreitung, insbesondere auch die Erfüllung der Zielvereinbarungen nach Abs 1 Nr 2 zu berücksichtigen.

16

Auf dieser Grundlage bestimmt § 2 Anlage F zum Gesamtvertrag für den Fall der Überschreitung des vereinbarten Ausgabenvolumens, dass die durch die AOK Hamburg vertretenen Krankenkassen gegenüber den Vertragsärzten, welche die im besonderen Teil der Zielvereinbarungen der Arznei- und Heilmittelvereinbarung (Indikationsbezogene Zielvereinbarungen) definierten Versorgungsziele nicht erreichen, jeweils einen Regressanspruch erwerben, der auf Ausgleich der durch die Nichterreichung der Ziele im Einzelfall entstandenen Mehrkosten für Arznei- und Heilmittelverordnungen gerichtet ist. Dies gilt nur, soweit das Abweichen von den Versorgungszielen nicht durch zwingende medizinische Gründe geboten oder gegenüber anderen Therapiealternativen die kostengünstigere Variante ist. Die Beweislast dafür trägt der Vertragsarzt. Nach § 2 Abs 5 S 2 Anlage F zum Gesamtvertrag regelt die Prüfvereinbarung das Nähere zum Verfahren; die entsprechenden Regelungen finden sich in § 19 der für den Bezirk der zu 6. beigeladenen KÄV vereinbarten "Prüfvereinbarung über das Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit durch den Prüfungs- und den Beschwerdeausschuss" vom 21.4.2005 idF des 1. Nachtrages vom 9.8.2005. Von der Richtgrößenprüfung unterscheidet sich dieser sog Zielfeldregress in erster Linie dadurch, dass nicht die Gesamtkosten der von einem Vertragsarzt verordneten Arzneimittel maßgebend sind, sondern dass das Ziel der Verordnung möglichst preiswerter Arzneimittel in den Blick genommen wird. Dabei erfolgt der Kostenvergleich auf der Grundlage definierter Tagesdosen.

17

Mit § 1 der Arznei- und Heilmittelvereinbarung haben die Partner der Gesamtverträge in Hamburg für das Jahr 2006 bezogen auf Arznei- und Verbandmittel ein Ausgabenvolumen von 495 000 000 Euro vereinbart. Gleichzeitig haben die Vertragspartner Maßnahmen beschlossen, um die vereinbarten Ausgabenvolumina einzuhalten. Dazu gehört nach § 4 der Vereinbarung die Erhöhung des Versorgungsanteils der Generika am Gesamtmarkt und dabei nach Möglichkeit der Generika aus dem unteren Preissegment des jeweiligen "Wirkstoffmarktes". Konkrete Maßnahmen zur Zielerreichung sind Gegenstand der Anlage 2 zur Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2006. Dort werden für bestimmte Wirkstoffgruppen mit verordnungsstarken Anwendungsgebieten, bei denen die Vertragspartner von bisher nicht ausgeschöpften Wirtschaftlichkeitspotenzialen ausgehen (Analgetika, inhalative Glucocorticoide, Betablocker, Antidiabetika, Antirheumatika, Tilidinkombinationien, ua) für 2006 Kostensenkungen vereinbart. Für cardioselektive Betablocker (Monopräparate) wird eine Verringerung der Kosten je DDD von bisher 0,43 Euro um 7 % und für Kombinationen von Tilidin und Naloxon (bisher 1,70 Euro) um 8 % vereinbart.

18

Grundlage dieser Vereinbarung ist § 84 Abs 1 Satz 1, Satz 2 SGB V. Danach treffen die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit der KÄV zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln bis zum 30.11. für das jeweils folgende Kalenderjahr eine Arzneimittelvereinbarung, die ein Ausgabenvolumen für die insgesamt von den Vertragsärzten nach § 31 (Arznei- und Verbandmittel) veranlassten Leistungen(Abs 1 Satz 2 Nr 1) sowie Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete, auf die Umsetzung dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen (Zielvereinbarungen), insbesondere zur Information und Beratung (Abs 1 Satz 2 Nr 2) umfasst.

19

b) Entgegen der Auffassung des LSG kann aus dem Umstand, dass Regresse als Folge der Überschreitung der nach § 84 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V vereinbarten Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele nicht gesetzlich vorgeschrieben werden, nicht der Schluss gezogen werden, dass die Partner der Gesamtverträge entsprechende Regelungen nicht treffen durften. Richtig ist, dass nach § 84 Abs 6 Satz 4 SGB V allein die Überschreitung des nach Abs 6 Satz 1 vereinbarten Richtgrößenvolumens eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs 5a SGB V unter den dort genannten Voraussetzungen auslöst und dass § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V die arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina nach § 84 SGB V als eine der beiden Regelprüfmethoden vorsieht. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass Vereinbarungen zu einer Wirtschaftlichkeitsprüfung für den Fall der Überschreitung der in § 84 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V vereinbarten Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele ausgeschlossen wären. § 84 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V sieht ausdrücklich vor, dass in den Zielvereinbarungen konkrete, auf die Umsetzung der Wirtschaftlichkeits- und Versorgungsziele ausgerichtete Maßnahmen vereinbart werden. Aus der nachfolgenden Wendung "insbesondere zur Information und Beratung" folgt, dass es sich nicht um eine abschließende Aufzählung handelt. Dies findet seine Bestätigung in der Gesetzesbegründung zur Einführung dieser Regelung durch das ABAG (BT-Drucks 14/6309 S 8). Danach umfassen die auf die Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele ausgerichteten Maßnahmen "vorrangig die Durchführung von Informationen der Vertragsärzte und der Versicherten sowie gezielte Beratungen von Vertragsärzten, gegebenenfalls auch die Einleitung von Prüfungen der Verordnungen von Arznei- und Verbandmitteln nach § 106". Zudem wird der Gestaltungsspielraum der Gesamtvertragspartner durch § 84 Abs 3 Satz 1 SGB V betont, der bestimmt, dass die Überschreitung des nach Abs 1 Satz 2 Nr 1 vereinbarten Ausgabenvolumens "Gegenstand der Gesamtverträge" ist. Inhaltliche Vorgaben sind § 84 Abs 3 Satz 2 SGB V nur insofern zu entnehmen, als die Ursachen der Überschreitung, insbesondere auch die Erfüllung der Zielvereinbarungen nach § 84 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V zu berücksichtigen sind.

20

Dass die Partner der Gesamtverträge die in § 106 Abs 2 Satz 1 SGB V genannten sog Regelprüfmethoden und - über die Prüfung nach Durchschnittswerten hinaus - auch andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren können, ist in § 106 Abs 2 Nr 2 Satz 4 SGB V ausdrücklich geregelt. Die Bestimmung ist durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 mit der Begründung beibehalten worden, solche anderen Prüfungsarten könnten erforderlich sein, soweit ein unwirtschaftliches Verhalten des Vertragsarztes in einem Regelverfahren (Auffälligkeits- und Zufälligkeitsprüfung) nicht erkannt werde (Ausschussbericht zum GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000, BT-Drucks 14/1977 S 166 zu Art 1 Nr 56 Buchst c). Dass den Prüfgremien bei der Auswahl der Prüfmethode ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zusteht, entspricht der ständigen Rechtsprechung (vgl zB BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 16 mwN). Wenn dies zur Durchführung einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung erforderlich ist, haben die Prüfgremien sogar das Recht, neue Prüfungsarten anzuwenden, die weder gesetzlich vorgesehen noch gesamtvertraglich vereinbart worden sind (BSGE 75, 220, 224 = SozR 3-2500 § 106 Nr 24 S 131, 135; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 20; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 46 RdNr 15 mwN). Dass die Gesamtvertragspartner grundsätzlich die Möglichkeit haben, anknüpfend an die nach § 84 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V vereinbarten Zielvereinbarungen Regelungen zu Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu treffen, die eingreifen, wenn die vereinbarten Ziele aufgrund eines unwirtschaftlichen Verhaltens einzelner Ärzte nicht erreicht werden, unterliegt unter diesen Umständen keinem Zweifel.

21

c) Zutreffend weist das LSG darauf hin, dass die hier maßgebenden Vereinbarungen der Gesamtvertragspartner zu Regressen bei Überschreitung der nach § 84 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V vereinbarten Wirtschaftlichkeitsziele ihre Grundlage nicht in der durch Art 1 Nr 5 Buchst e AVWG eingeführten Regelung des § 84 Abs 7a SGB V finden, die konkrete Vorgaben zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung auf der Grundlage definierter Dosiereinheiten regelten. Diese Vorschrift war zum 1.5.2006 in Kraft getreten und setzte eine bis zum 30.9. "für das jeweils folgende Kalenderjahr" zu treffende Vereinbarung auf Bundesebene voraus. Die Vorschrift betraf somit Prüfzeiträume ab dem Jahr 2007 (zur Maßgeblichkeit des im Prüfzeitraum geltenden Rechts vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 15 f; BSGE 117, 149 = SozR 4-2500 § 106 Nr 48, RdNr 37 ff mwN). Für die hier zu beurteilende Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Arzneimittelverordnungen im Jahr 2006 ist § 84 Abs 7a SGB V damit noch nicht von Bedeutung. Der Umstand, dass die Partner der Gesamtverträge für die Zeit ab dem Jahr 2007 verpflichtet waren, für Gruppen von Arzneimitteln für verordnungsstarke Anwendungsgebiete, die bedeutsam zur Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven sind, Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit zu vereinbaren, die sich bei wirtschaftlicher Verordnungsweise ergeben, und dass für den Fall der Überschreitung der vereinbarten Kosten Einzelheiten zu den daraus folgenden Regressansprüchen gesetzlich geregelt waren, lässt auch nicht den Schluss zu, dass entsprechende Vereinbarungen in der Zeit davor ausgeschlossen gewesen wären. Das Fehlen konkreter gesetzlicher Vorgaben hatte vielmehr zur Folge, dass den Vertragspartner vor 2007 ein weiter Gestaltungspielraum zukam und dass keine Verpflichtung bestand, entsprechende Regressmöglichkeiten zu vereinbaren. Die Berechtigung dazu war gleichwohl gegeben, und die Gesamtvertragspartner in Hamburg haben sich dafür entschieden, davon Gebrauch zu machen. Das ist grundsätzlich nicht zu beanstanden und stand auch nicht im Widerspruch zu den Zielen des ABAG, mit dem der sog "Kollektivregress" (vgl BT-Drucks 14/6309 S 6, Begründung Allgemeiner Teil, II.1) abgeschafft werden sollte. Die zwischen den Gesamtvertragspartnern in Hamburg getroffenen Vereinbarungen zum Zielfeldregress haben nicht die pauschale Reduzierung der Gesamtvergütung zu Lasten aller Ärzte, sondern Regressansprüche von Krankenkassen gegenüber einzelnen unwirtschaftlich verordnenden Ärzten zum Gegenstand. Die Regelung in § 1 Abs 1, § 2 Abs 1 Satz 1 Anlage F zum Gesamtvertrag, nach der die Vorschriften zum Zielfeldregress nur zur Anwendung kommen, wenn die nach § 84 Abs 5 Satz 1 bis 3 SGB V festgestellten Ausgabenvolumina ua für Arzneimittel die nach § 84 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V vereinbarte Ausgabenvolumina überschreiten, steht im Einklang mit der Vorgabe aus § 84 Abs 3 Satz 1 SGB V und ändert nichts daran, dass Folge der Überschreitung keine pauschale Reduzierung der Gesamtvergütung ist.

22

d) Auch § 84 Abs 7 Satz 3 SGB V, der bestimmt, dass die Partner der Gesamtverträge von den auf Bundesebene vereinbarten Rahmenvorgaben nur abweichen dürfen, soweit dies durch die regionalen Versorgungsbedingungen begründet ist, steht den für den Bezirk der zu 6. beigeladenen KÄV vereinbarten Regelungen zum sog Zielfeldregress nicht entgegen. Es kann dahingestellt werden, ob die Partner der Gesamtverträge die nach § 106 Abs 4 Satz 4 SGB V bestehende Möglichkeit zur Vereinbarung anderer arztbezogener Prüfarten einschränken dürften. Jedenfalls enthalten die am 6.10.2005 für das Jahr 2006 vereinbarten Rahmenvorgaben (DÄBl 2005, A 3366) insoweit keine verbindlichen Vorgaben, sondern nur Beispiele und Berechnungsmuster für Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele, die mit einem Aufruf an die regionalen Vertragspartner verbunden werden, nach eigener Versorgungssituation eine wirtschaftlichere Verordnungsweise durch den Abschluss von Zielvereinbarungen zu fördern. Es seien nach wie vor deutliche regionale Ausgabenunterschiede in der Arzneimittelversorgung der Versicherten festzustellen und es sei dringend erforderlich, in Regionen mit überdurchschnittlichem Ausgabenniveau über Zielvereinbarungen auf eine Absenkung und in den übrigen Bereichen auf eine Stabilisierung der Ausgaben hinzuwirken. Davon weichen die für den Bezirk der zu 6. beigeladenen KÄV vereinbarten Regelungen zum sog Zielfeldregress nicht ab.

23

e) Der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Maßgabe des für den Bezirk der zu 6. beigeladenen KÄV vereinbarten Zielfeldregresses steht auch nicht entgegen, dass dieser gegenüber dem Richtgrößenregress nachrangig wäre. Bereits in der Vergangenheit hat der Senat deutlich gemacht, dass dem Vorrang der Regelprüfmethode das Gebot der Effektivität der Wirtschaftlichkeitsprüfung zugrunde liegt (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 46 RdNr 15). Deshalb hat es der Senat nicht gebilligt, dass die Prüfgremien anstelle der Prüfung nach Durchschnittswerten als (damaliger) Regelprüfmethode die regelmäßig weniger effektiven Einzelfallprüfungen mit der Begründung durchführen, dass sie diese Methode für genauer und gerechter halten (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33). Dem entsprechend hat der Senat unter Hinweis auf das Gebot effektiver Wirtschaftlichkeitsprüfungen klargestellt, dass er die Wahl einer anderen Prüfmethode billigt, soweit eine Prüfung anhand von Durchschnittswerten nicht effektiv ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 46 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 27 unter Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14).

24

Auf das Verhältnis der Richtgrößenprüfung zum sog Zielfeldregress kann die Rechtsprechung zum Nachrang anderer Prüfmethoden gegenüber der Regelprüfmethode bereits deshalb nicht übertragen werden, weil diese beiden Prüfmethoden nicht in Konkurrenz zueinander stehen, sondern sich im Sinne einer Erhöhung der Effektivität ergänzen: Im Unterschied zur Richtgrößenprüfung sind für die Einhaltung der Verordnungskosten, die beim sog Zielfeldregress für unterschiedliche Medikamentengruppen festgelegt worden sind, nicht die Gesamtkosten der verordneten Arzneimittel maßgebend. Vielmehr kommt es auf die Kosten pro Wirkstoffmenge und damit in erster Line darauf an, ob der Arzt teure Originalpräparate oder preisgünstige Generika verordnet. Ein Arzt, der insgesamt verhältnismäßig wenig Arzneimittel verordnet, wird die Richtgröße vielfach auch dann nicht überschreiten, wenn er anstelle von preiswerten Generika teurere Originalpräparate verordnet, obwohl es dafür keine medizinischen Gründe gibt. Dabei verstößt der Arzt durch eine solche Verordnungsweise gegen das ua in § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 Satz 2 SGB V verankerte Wirtschaftlichkeitsgebot, das ihn verpflichtet, unter therapeutisch gleichwertigen, aber unterschiedlich teuren Arzneimitteln das günstigere zu wählen(BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 54 RdNr 19 mwN). Eine Einzelfallprüfung zur Aufdeckung solcher Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot erweist sich vielfach als wenig effektiv. Zudem setzt ein Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise im Regelfall eine Konkretisierung der allgemeinen Vorgaben des Wirtschaftlichkeitsprinzips voraus, die es dem Arzt ermöglicht, seine Behandlungsweise daran auszurichten und die ihn davor schützen, dass eine nicht offensichtlich regelwidrige Behandlungsweise im Nachhinein auf der Grundlage ganz allgemeiner Erwägungen zu möglichen Alternativen als unwirtschaftlich bewertet wird (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 47; zu Ausnahmen von diesem Erfordernis vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 54 RdNr 46 mwN). Die daraus folgende Lücke bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise kann grundsätzlich durch eine Prüfmethode wie den sog Zielfeldregress, der die Kosten der verordneten Arzneimittel pro Wirkstoffmenge in den Blick nimmt, geschlossen werden. Dabei ist lediglich zu gewährleisten, dass verschiedene Prüfmethoden nicht zu einem doppelten Regress bezogen auf dieselbe Unwirtschaftlichkeit führen. Dem trägt § 19 Abs 2 Satz 8 der Prüfvereinbarung Rechnung, der bestimmt, dass ggf eine arztindividuelle Bereinigung um solche Verordnungen durchzuführen ist, die bereits Gegenstand eines anderen Prüfverfahrens sind. Im vorliegenden Verfahren stellt sich diese Frage nicht, weil die Klägerin die Richtgröße nicht überschritten hat und auch kein Regress nach einer anderen Prüfmethode gegen sie festgesetzt worden ist.

25

2. Die Methodik des Vergleichs anhand von durchschnittlichen Tagestherapiedosen (DDD) ist im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls nicht zu beanstanden. Mit dem Vergleich auf der Grundlage von DDD haben sich die Vertragspartner an der gesetzlichen Vorgabe des § 73 Abs 8 SGB V idF des GMG orientiert. Danach haben die KÄVen und die KÄBVen sowie die Krankenkassen und ihre Verbände die Vertragsärzte auch vergleichend über preisgünstige verordnungsfähige Leistungen, einschließlich der jeweiligen Preise und Entgelte zu informieren sowie nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Hinweise zu Indikation und therapeutischem Nutzen zu geben. Grundlage dieser Informationen und Hinweise sind nach § 73 Abs 8 Satz 4 und 5 SGB V die nach der anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikation (ATC-Index) anzugebenden Kosten der Arzneimittel je Tagesdosis, also die DDD. Dabei gilt die vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information im Auftrage des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebene Klassifikation in der jeweils gültigen Fassung. Die DDD beschreibt die angenommene mittlere tägliche Erhaltungsdosis für die Hauptindikation eines Wirkstoffes. Der einheitliche Bezug ermöglicht einen Vergleich unterschiedlicher Hersteller und Präparate, sodass Verordnungskosten differenziert für einzelne Anwendungsgebiete abgebildet werden können.

26

Den ihnen bei der Vergleichsgrößenbildung zukommenden Gestaltungsspielraum haben die Partner der Arznei- und Heilmittelvereinbarung mit der Orientierung an den DDD als Vergleichsbasis nicht überschritten. Die für die Messung des Arzneimittelverbrauchs entwickelten DDD entsprechen zwar nicht notwendigerweise der im Einzelfall angewendeten Dosierung eines Arzneimittels. Die auf dieser Grundlage errechneten Tagestherapiekosten sind deshalb nur Durchschnittsgrößen, die nicht den konkreten Arzneikosten entsprechen müssen (vgl Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information , Anatomisch-therapeutisch-chemische Klassifikation mit Tagesdosen, Amtliche Fassung des ATC-Index mit DDD-Angaben für Deutschland im Jahre 2016, S 5). Andererseits hat der Gesetzgeber mit der Anfügung von § 73 Abs 8 Satz 3 bis 6 SGB V durch das GMG bezogen auf die Information der Ärzte mit dem Ziel der Sicherung der wirtschaftlichen Verordnungsweise eine Orientierung an den DDD verbindlich vorgegeben. Ziel dieser Regelung war die Gewährleistung einer für alle Hersteller und Präparate einheitlichen Zuordnung, durch die weitere aufwändige Feststellungen von Tagesdosen nicht erforderlich sind (vgl BT-Drucks 15/1525 S 97). Daran durften sich die Vertragspartner jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang (zu der davon abweichenden Methode der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Wirkstärke zur Bildung von Vergleichsgrößen im Zusammenhang mit der Festbetragsfestsetzung vgl BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 48 ff; BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 57 ff) orientieren. Ausschlaggebend ist, dass methodisch bedingte Ungenauigkeiten etwa beim Vergleich unterschiedlicher Wirkstoffe (zu unterschiedlichen Glucocorticoiden vgl das ebenfalls am 28.9.2016 ergangene Urteil zum Az B 6 KA 43/15 R) zum einen durch die Einräumung von Spielräumen (vgl dazu unten 3., RdNr 30) und zum anderen dadurch kompensiert werden können, dass der Arzt bei Abweichungen von den definierten Zielen einen Regress abwenden kann, indem er nachweist, dass sich ein abweichendes Verordnungsverhalten im konkreten Fall als wirtschaftlicher erweist. Nach § 2 Abs 1 Satz 2 Anlage F zum Gesamtvertrag hat der Arzt die Möglichkeit, im Einzelfall geltend zu machen, dass ein Abweichen von den Versorgungszielen durch zwingende medizinische Gründe geboten oder gegenüber anderen Therapiealternativen die kostengünstigere Variante ist. Ausreichend ist hier deshalb, dass sich mit einem Vergleich auf der Grundlage von DDD für den Regelfall und im Durchschnitt zutreffende Aussagen zu den Tagestherapiekosten in den einzelnen Anwendungsgebieten gewinnen lassen. Zwar kann sich der Vergleich unterschiedlicher Wirkstoffe in Fällen als problematisch erweisen, in denen sich die Hauptindikationen der Wirkstoffe voneinander unterscheiden (zur Bildung von Festbetragsgruppen vgl BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 59 ff). Anhaltspunkte dafür, dass der Vergleich der hier in die Prüfung einbezogenen cardioselektiven Betablocker und der Tilidinkombinationen unter methodischen Gesichtspunkten Bedenken begegnet oder dass die Zielwerte aus anderen Gründen unzutreffend ermittelt worden sein könnten, sind im Revisionsverfahren aber weder von der Klägerin geltend gemacht worden und noch sonst ersichtlich.

27

Die grundsätzliche Eignung der Methode als Grundlage für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Arzneimittelverordnungen wird auch dadurch bestätigt, dass sich die für Prüfzeiträume ab 2007 in § 84 Abs 7a SGB V(idF des AVWG) vom parlamentarischen Gesetzgeber getroffene Regelung ebenfalls an den Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit orientierte und dass die definierten Dosiereinheiten gemäß § 84 Abs 7a Satz 3 iVm § 73 Abs 8 Satz 5 SGB V ausdrücklich auch auf der Grundlage der vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des BMG herausgegebenen anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikation festgelegt werden konnten. Dem lag die aus Sicht des Senats nachvollziehbare Annahme zugrunde, dass die Vorgabe der Zielgröße als Tagestherapiekosten in den einzelnen Anwendungsgebieten als Messgröße für die Wirtschaftlichkeit sachgerecht ist, die Verordnungskosten differenziert für einzelne Anwendungsgebiete abbildet und dabei vergleichsweise unauffällig gegen zufallsbedingte Schwankungen zum Beispiel bei den Fallzahlen ist (vgl BT-Drucks 16/194 S 10, zu Art 1 Nr 5 Buchst b).

28

3. Allerdings sind die von den Vertragspartnern der Arznei- und Heilmittelvereinbarung vereinbarten Zielwerte nur dann rechtmäßig und damit wirksam, wenn deren Überschreitung geeignet ist, den Anscheinsbeweis bzw die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit zu begründen. Den verschiedenen Prüfungsarten der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung liegen verschiedene Beweismethoden zugrunde (vgl BSGE 70, 246, 252 ff = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 49 ff). Dem Regress nach Durchschnittswerten liegt die Annahme zugrunde, dass die Vergleichsgruppe im Durchschnitt insgesamt wirtschaftlich handelt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 55 S 307 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 14 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 14). Wenn das Behandlungs- oder Verordnungsverhalten eines Arztes in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht und diesen in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur und in Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, so hat dies die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (stRspr, s dazu zB BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14). Ähnlich wie bei der Prüfung nach Durchschnittswerten bedarf es bei der Richtgrößenprüfung keines einzelfallbezogenen Nachweises der Unwirtschaftlichkeit. Hier kommt der Überschreitung eines normativ festgelegten Schwellenwertes zumindest die Wirkung eines Anscheinsbeweises (bzw einer gesetzlichen Vermutung) der Unwirtschaftlichkeit zu (vgl im Einzelnen Engelhard in Hauck/Noftz, SGB, Stand August 2014, K § 106 SGB V RdNr 172). Eine damit vergleichbare normative Festlegung liegt auch dem hier zu beurteilenden sog Zielfeldregress zugrunde. Aus der Festlegung der Zielwerte in Normsetzungsverträgen (zur Richtgrößenvereinbarung vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 18) folgt, dass den Vertragspartnern ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Gestaltungsspielraum einzuräumen ist (zur Richtgrößenprüfung vgl Peikert, MedR 2003, 29, 32).

29

Die Vertragspartner haben bei den cardioselektiven Betablockern und den Tilidinkombinationen Zielwerte unterhalb des bisherigen Durchschnitts festgesetzt (Absenkung des Durchschnittswerts um 7 % bzw von 8 %). Eine solche Festsetzung von Zielwerten unterhalb des bisherigen Durchschnitts ist keineswegs ausgeschlossen, weil in einen Durchschnittswert auch unwirtschaftliches Verordnungsverhalten einfließen kann. Voraussetzung ist aber, dass die Zielwerte so festgesetzt werden, dass ihre Überschreitung geeignet ist, die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit zu begründen. Die hier getroffenen Regelungen sehen einen Regress auch nicht erst bei Überschreitung des Zielwerts um einen bestimmten Prozentsatz vor, sondern ohne einen Toleranzspielraum in Höhe des vollen Überschreitungsbetrags. Damit unterscheidet sich die in der Anlage 2 der Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2006 getroffene Regelung von dem für Prüfzeiträume ab dem Jahr 2007 geltenden § 84 Abs 7a SGB V idF des AVWG.

30

Weder der Beklagte noch die zum vorliegenden Verfahren beigeladenen Vertragspartner der Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2006 haben die getroffenen Festlegungen zum Zielwert, im vorliegenden Verfahren bisher nachvollziehbar erläutert. Die Gesamtvertragspartner haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert und den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrgenommen. Selbst wenn an die Begründung von Zielwerten wegen der Gestaltungsfreiheit der Partner der Normverträge keine hohen Anforderungen zu stellen sind, genügt die Angabe des Beklagten aus dem Berufungsverfahren, nach der die Festlegung auf einer "Willensentscheidung der Vertragspartner" beruht, den Anforderungen nicht. Damit kann auch nicht beurteilt werden, ob die allgemein gehaltene Aussage in der Anlage 2 zur Arznei- und Heilmittelverordnung 2006 zutrifft, nach der die gesetzten Ziele (Kosten/DDD) hier so gewählt worden sind, dass "Spielraum für individuelle Therapieentscheidungen besteht". Dabei wäre neben methodisch bedingten Unschärfen, die mit dem Kostenvergleich auf der Grundlage von DDD verbunden sein können (dazu oben 2., RdNr 26), zu berücksichtigen, dass der Arzt typischerweise nicht in jedem Fall die Möglichkeit haben wird, das preiswerteste Arzneimittel zu verordnen, weil dem sowohl im Einzelfall bestehende Unverträglichkeiten, als auch zB individuelle Schwierigkeiten von Patienten im Umgang mit der jeweiligen Darreichungsform oder Schwierigkeiten, einen aus dem Krankenhaus oder von einem anderen Arzt überwiesenen Patienten zeitnah auf eine andere Medikation einzustellen, entgegenstehen können. Der Zielwert darf deshalb jedenfalls nicht so festgesetzt werden, dass er nur bei genereller Verordnung des Arzneimittels mit dem niedrigsten DDD-Wert erreicht werden kann. Hinweise für die Beurteilung der Frage, ob die Zielwerte den genannten Anforderungen entsprechen, könnten der Quote der Ärzte der Fachgruppe entnommen werden, die ebenfalls den Zielwert überschritten haben. Eine niedrige Quote wäre als Indiz dafür zu werten, dass der Zielwert bei wirtschaftlicher Verordnungsweise im Regelfall eingehalten werden kann.

31

Danach sind nähere Feststellungen zur Eignung des - im Bundesgebiet allein für den Bezirk der zu 6. beigeladenen KÄV festgelegten - Zielwerts zum Beweis der Unwirtschaftlichkeit erforderlich. Diese hat das LSG bisher - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht getroffen. Das ist nachzuholen. Wenn nach den durchzuführenden Ermittlungen nicht festgestellt werden kann, dass die für die Verordnung von cardioselektiven Betablockern und Tilidinkombinationen festgesetzten Zielwerte - unter Berücksichtigung des Bewertungsspielraums der Vertragspartner - geeignet sind, die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit des Verordnungsverhaltens des Arztes zu begründen, wirkt sich dies zum Nachteil des Beklagten aus. Unabhängig davon, nach welcher Methode die Wirtschaftlichkeit ärztlich verordneter Leistungen geprüft wird, setzt ein Regress ein unwirtschaftliches Verordnungsverhalten des Arztes voraus. Wirtschaftlichkeitsziele, deren Verfehlung die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit begründen sollen, dürfen nicht willkürlich oder ohne Rücksicht auf medizinische Erfordernisse festgelegt werden. Zwar sind die Vertragspartner als Normgeber nicht verpflichtet, die getroffenen Festlegungen zu begründen (stRspr, vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 44; BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, RdNr 29; zur Normsetzung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss vgl BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 63 mwN; BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 23; BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 24; BSGE 115, 131 = SozR 4-2500 § 135 Nr 20, RdNr 39; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 19 RdNr 40). Wenn die fehlende Begründung allerdings zur Folge hat, dass der Zusammenhang zwischen Zielverfehlung und Unwirtschaftlichkeit des Verordnungsverhaltens nicht nachvollzogen werden kann, dann ist auch nicht erkennbar, dass die vertraglich vereinbarten Regelungen mit den Vorgaben des § 106 SGB V in Einklang stehen, die einen Regress von einem unwirtschaftlichen Behandlungs- oder Verordnungsverhalten des Arztes abhängig machen. Die Unvereinbarkeit der für den Bezirk der zu 6. beigeladenen KÄV vereinbarten Regelungen zum Zielfeldregress mit höherrangigem Gesetzesrecht hätte deren Unwirksamkeit zur Folge.

32

4. Wenn die Zielfelder allerdings so festgesetzt worden sind, dass aus deren Überschreitung für den Regelfall auf eine unwirtschaftliche Verordnungsweise geschlossen werden kann, ist es nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden, dass der Vertragsarzt nach § 2 Abs 1 Satz 3 Anlage F zum Gesamtvertrag zwischen der KÄV Hamburg und der AOK Hamburg vom 18.4.1996 idF des 12. Nachtrags vom 21.4.2005 die Beweislast für das Vorliegen medizinischer Gründe, die der Verordnung eines preisgünstigeren Arzneimittels mit gleichem oder ähnlichem Wirkstoff entgegengestanden haben, zu tragen hat. Die Regelung steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats, nach der die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen dem Arzt obliegen (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 325; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 53 RdNr 33). Dass der Arzt seiner Darlegungs- und Beweislast nur nach einer - in Abhängigkeit der verwendeten Praxissoftware unter Umständen aufwendigen - Auswertung der gespeicherten Daten gerecht werden kann, steht dem nicht entgegen. Abgesehen davon, dass der Vertragsarzt nach § 57 Abs 1 Bundesmantelvertrag Ärzte zur Dokumentation verpflichtet ist(vgl BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 35) und dass die Auswahl der verwendeten Praxissoftware grundsätzlich in seiner Verantwortung liegt, ist hier zu berücksichtigen, dass die Hamburger Ärzte im Zusammenhang mit der Einführung des Zielfeldregresses im Juli 2005 durch die zu 6. beigeladene KÄV in Rundschreiben eingehend darüber informiert worden sind, dass sie Fälle, in denen sie im Einzelfall Arzneimittel mit ungünstigen DDD-Kosten wählen mussten, zu dokumentieren haben.

33

Im Übrigen hat die Klägerin weder auf das Anhörungsschreiben des Beklagten reagiert, noch ihren Widerspruch gegen den Prüfbescheid begründet. Unter diesen Umständen kann sie im gerichtlichen Verfahren nicht mehr mit Erfolg geltend machen, dass sie die Versichertendaten benötigen würde, um die medizinischen Gründe für die Verordnung von Arzneimitteln mit höheren DDD-Kosten belegen zu können. Nach ständiger Rechtsprechung haben die erforderlichen Darlegungen des Arztes grundsätzlich "gegenüber den Prüfgremien" (und nicht erst im nachfolgenden Gerichtsverfahren) zu erfolgen (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 41; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 42 RdNr 32). Vor diesem Hintergrund hat der Senat bereits entschieden, dass der Arzt im gerichtlichen Verfahren nicht mehr erfolgreich die Beiziehung von Originalverordnungsblättern geltend machen kann, wenn er Entsprechendes nicht bereits im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hat (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 24; vgl auch BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 22). Auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen bedeutet das, dass die Klägerin nicht mehr verlangen kann, ihr die patientenbezogenen Daten zu den Verordnungen zur Verfügung zu stellen. Auf die Frage, ob solche Daten überhaupt im Rahmen des hier durchgeführten Prüfverfahrens übermittelt werden durften, kommt es deshalb nicht an.

34

5. Die Arznei- und Heilmittelvereinbarung für das Jahr 2006 ist entgegen § 84 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht zum 30.11. des Vorjahres zustande gekommen, sondern erst am 16.2.2006. Die der Prüfung der Wirtschaftlichkeit zugrunde gelegten Zielwerte sind Bestandteil von Anlage 2 dieser Vereinbarung. Wie der Senat bezogen auf Richtgrößenvereinbarungen in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, liegt in einer rückwirkenden Festsetzung der maßgebenden Werte eine grundsätzlich nicht zulässige sog echte Rückwirkung bzw Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 45 ff; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 50 RdNr 42; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 13; zu einem Fall der ausnahmsweisen Zulässigkeit einer solchen echten Rückwirkung vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 21 ff). Für die Festsetzung von Wirkstoffkosten, die zur Grundlage einer Regressfestsetzung gemacht werden, gilt nichts Anderes, weil auch diese Steuerungsfunktion hat (zu Richtgrößen vgl BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 43 ff). Die Möglichkeit, den Vorgaben Rechnung zu tragen, hat der Arzt erst nach deren Bekanntgabe und er kann bereits vorgenommene Verordnungen auch nicht mehr rückgängig machen (vgl BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 47). Dies hat zur Folge, dass eine erst im Laufe des Jahres abgeschlossene Vereinbarung von Zielwerten zwar eine ungeschmälerte Wirkung für die Zukunft hat. Eine Rückwirkung für die Vergangenheit, schon vom Jahresbeginn an, kommt indessen nur insoweit in Betracht, als sie für die davon betroffenen Vertragsärzte keine Verschärfung der Maßstäbe gegenüber der - einstweilen fortgeltenden - Vereinbarung aus dem Vorjahr zur Folge hat (BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 45, 55; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 13). Davon ist wohl auch der Beklagte ausgegangen und hat in dem angefochtenen Bescheid formuliert, dass es "für die Zielgruppe 'cardioselektive Betablocker' … keine Veränderung gegeben" habe. Diese Angabe kann indes nicht ohne Weiteres nachvollzogen werden, weil in Anlage 2 zur Arznei- und Heilmittelverordnung 2005 für Betablocker vereinbart worden war, dass "die von den Vertragspartnern ermittelten durchschnittlichen Kosten je DDD (0,44) um 6 % gesenkt werden" (sollen). Abweichend davon ist in der Anlage 2 zur Arznei- und Heilmittelverordnung für das Jahr 2006 vereinbart worden, dass "die von den Vertragspartnern ermittelten durchschnittlichen Kosten je DDD (0,43 Euro) um 7 % gesenkt werden" (sollen).

35

Auch soweit dem Regress die Verordnung von Tilidinkombinationen zugrunde liegt, kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht entschieden werden, ob der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist. Insoweit bezieht sich der Regress - anders als für die Verordnung von Betablockern - allein auf das zweite Halbjahr 2006. Hintergrund der Beschränkung auf das zweite Halbjahr war ersichtlich, dass der Zielwert für Tilidinkombinationen erstmals für das Jahr 2006 vereinbart worden war und dass diese Vereinbarung erst im Laufe des Jahres 2006 zustande gekommen und bekannt gemacht worden ist (zur Maßgeblichkeit des Datums der Bekanntmachung vgl BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 46 mwN). Eine Rückwirkungsproblematik stellt sich damit nicht. Allerdings hat der Senat zum Richtgrößenregress entschieden, dass als Prüfzeitraum grundsätzlich das gesamte Kalenderjahr zugrunde zu legen ist (sog Jährlichkeitsprinzip, vgl BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 42 ff). Auf den hier festgesetzten Regress, der die Kosten einer definierten Wirkstoffdosis zum Maßstab nimmt, ist diese Rechtsprechung nicht unmittelbar übertragbar. Die erforderliche Erstreckung auf ein gesamtes Jahr hat der Senat beim Richtgrößenregress zwar auch unter Hinweis auf die Wendung begründet, dass die Richtgrößen "für das jeweils folgende Kalenderjahr" festzulegen sind (aaO, RdNr 42). Diese Formulierung betrifft Zielvereinbarungen nach § 84 Abs 1 Satz 1, Satz 2 Nr 2 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des ABAG in gleicher Weise. Maßgebend für Festlegung auf das gesamte Kalenderjahr als Prüfzeitraum war aber beim Richtgrößenregress, dass "die Verordnungsintensität" in den vier Quartalen des Jahres typischerweise unterschiedlich ist (aaO, RdNr 59). Auf die im Laufe eines Jahres schwankende Verordnungsintensität kommt es beim Zielfeldregress indes nicht an, sondern nur auf die Kosten je verordneter Dosis. Anhaltspunkte für erhebliche jahreszeitbedingte Schwankungen sind insoweit nicht ersichtlich. Deshalb hat die Beschränkung des Prüfzeitraums für die Verordnung von Tilidinkombinationen auf ein Halbjahr noch nicht ohne Weiteres die Rechtswidrigkeit zur Folge.

36

Allerdings sind die Vertragspartner auf Landesebene nicht gehindert, das für den Richtgrößenregress geltende Jährlichkeitsprinzip auch für eine Prüfung vertraglich zu vereinbaren, die sich auf die Kosten je Dosis bezieht. Die Spielräume des Arztes für Therapieentscheidungen werden damit erhöht, weil die Verordnung von Arzneimitteln mit hohen DDD-Kosten durch die Verordnung von Arzneimitteln mit niedrigeren DDD-Kosten noch innerhalb des Jahres kompensiert werden können. Abweichungen von einer solchen vereinbarten Vorgabe hätten die Rechtswidrigkeit des Regressbescheides zur Folge. Bei seiner Entscheidung wird das LSG deshalb auch zu beurteilen haben, ob der angefochtene Bescheid - soweit er sich auf die Verordnung von Tilidinkombinationen bezieht - mit der landesrechtlichen Vorgabe aus § 19 Abs 1 Satz 2 Hamburger Prüfungsvereinbarung 2005 zu vereinbaren ist, nach der die Feststellung der Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach "in der Regel im Wege der Jahresprüfung" zu erfolgen hat, "es sei denn, für einzelne Verordnungsziele werden im Rahmen der Arznei- und Heilmittelvereinbarung andere Geltungszeiträume festgelegt". Zu der Frage, ob eine solche Festlegung nicht nur im angefochtenen Bescheid, sondern auch im Rahmen der auf Landesebene abzuschließenden Arznei- und Heilmittelvereinbarung getroffen worden ist, hat das LSG - unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung folgerichtig - noch keine Feststellungen getroffen.

37

6. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Macht das Unternehmen von der Erleichterung gemäß Artikel 9 Absatz 4 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 Gebrauch, muss der Prüfungsbericht Ausführungen dazu enthalten,

1.
ob und warum die Bewertungsmethode mit § 74 des Versicherungsaufsichtsgesetzes im Einklang steht,
2.
ob und warum die Bewertungsmethode nach Art, Umfang und Komplexität der mit den Geschäften des Unternehmens oder der Gruppe verbundenen Risiken angemessen ist,
3.
dass die Vermögenswerte oder die Verbindlichkeiten im Jahresabschluss oder im konsolidierten Abschluss nicht gemäß den internationalen Rechnungslegungsstandards bewertet werden, die die Europäische Kommission durch die Verordnung (EG) Nr. 1126/2008 der Kommission vom 3. November 2008 zur Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 320 vom 29.11.2008, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung zur Anwendung übernommen hat, und
4.
ob und warum eine Bewertung der Vermögenswerte oder der Verbindlichkeiten nach internationalen Rechnungslegungsstandards für das Unternehmen oder die Gruppe mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.