Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 19. Okt. 2017 - L 5 KA 1/17

bei uns veröffentlicht am19.10.2017

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 2.11.2016 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung für das Quartal II/2014 in Höhe von 1.755,46 €.

2

Die Klägerin ist die Trägerin des Krankenhauses Klinikum I             . Sie erbrachte im Quartal II/2014 in ihrer Notfallambulanz ambulante Notfallleistungen für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung und rechnete diese unter Vorlage der Notfallscheine gegenüber der Beklagten, der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Rheinland-Pfalz, ab.

3

Mit Bescheid vom 14.8.2014 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Richtigstellung der Abrechnung für das Quartal II/2014 vor. Sie kürzte die Abrechnung ua um die Vergütung für bestimmte Leistungen (Laborleistungen und radiologische Leistungen), da die Behandlung während der regulären Sprechstunden der vor Ort niedergelassenen Vertragsärzte erfolgt sei und die Klägerin keine Umstände dargelegt habe, die ausnahmsweise die Notwendigkeit der Durchführung der Maßnahmen im Krankenhaus rechtfertigten. Nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institutionen und Krankenhäuser dürften ambulante Notfallbehandlungen nur dann abrechnen, wenn die Erkrankung des Patienten aufgrund ihrer Beschaffenheit einer sofortigen Maßnahme bedürfe und eine Versorgung durch einen Vertragsarzt entsprechend § 76 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht möglich und/oder aufgrund der Umstände nicht vertretbar sei. Demnach bestehe ein Vergütungsanspruch für Notfallbehandlungen durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institutionen und Krankenhäuser nur in sprechstundenfreien Zeiten, weil ansonsten Vertragsärzte die Behandlung übernehmen könnten. Eine Ausnahme hiervon gelte nur dann, wenn auch während der Sprechstundenzeiten die Behandlung durch Vertragsärzte nicht vertretbar sei bzw wegen sofort einzuleitender Maßnahmen, falls nicht der Rettungsdienst zuständig bzw eine stationäre Aufnahme erfolgt sei. Nicht vertretbare Umstände seien im Rahmen der Abrechnung gesondert darzulegen (Hinweis auf die Regelungen zur Vergütung von Notfallleistungen im Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten – HVM –). Die Beklagte führte die einzelnen Leistungen an Versicherte an, deretwegen die sachlich-rechnerische Richtigstellung erfolgt sei, weil die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die sachlich-rechnerische Richtigstellung erstreckte sich auch auf andere, den vorliegenden Rechtsstreit nicht betreffende Sachverhalte.

4

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, ua bezüglich der im vorliegenden Rechtsstreit streitbefangenen Komplexe. Sie führte zur Begründung an, nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien Leistungen von Krankenhäusern im Rahmen von Notfallbehandlungen grundsätzlich so zu vergüten, als ob sie von zugelassenen Vertragsärzten erbracht worden wären; bei den von der Beklagten aufgeführten Fällen habe es sich jeweils um Notfälle im Sinne des § 3 des Landesvertrages nach § 115 Abs 2 Nr 3 SGB V gehandelt, da die Versorgung durch den jeweiligen Vertragsarzt aufgrund der Umstände nicht vertretbar gewesen sei; sie, die Klägerin, habe jeweils eine Begründung angegeben.

5

Mit „Teilwiderspruchsbescheid“ vom 29.7.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus: Nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institutionen und Krankenhäuser dürften die EBM (Ä)-Nrn 01210 bis 01219 nur berechnen, wenn die Erkrankung des Patienten aufgrund ihrer Beschaffenheit einer sofortigen Maßnahme bedürfe und die Versorgung durch einen Vertragsarzt oder aufgrund der Umstände nicht vertretbar sei (Hinweis auf Kapitel II Nr 1.2 EBM 8 [Ä] für die Versorgung im Notfall- und organisierten Notfalldienst). Nach § 6 Abs 1 HVM dürften nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institutionen und Krankenhäuser ambulante Notfallbehandlungen nur dann abrechnen, wenn die Erkrankung des Patienten aufgrund ihrer Beschaffenheit einer sofortigen Maßnahme bedürfe und eine Versorgung durch einen Vertragsarzt entsprechend § 76 SGB V nicht möglich und/oder aufgrund der Umstände nicht vertretbar sei. Ein Vergütungsanspruch für ambulante Notfallbehandlungen durch die in § 6 Abs 1 HVM genannten Leistungserbringer bestehe nach Abs 2 dieser Vorschrift nur, wenn die Inanspruchnahme in sprechstundenfreien Zeiten erfolgt sei und deshalb Vertragsärzte die Behandlung nicht übernehmen könnten; nicht vertretbare Umstände iS des Abs 1 seien nach Abs 2 Satz 2 dieser Vorschrift im Rahmen der Abrechnung gesondert darzulegen. Der Vorstand der Beklagten habe in seiner Sitzung am 7.10.2013 entschieden, Notfallbehandlungen in den Sprechzeiten Montags, Dienstags und Donnerstags von 9 Uhr bis 17 Uhr sowie Mittwochs und Freitags von 9 Uhr bis 13 Uhr nicht mehr zu korrigieren, sofern die Patienten von Bereitschaftsdienstzentralen oder von niedergelassenen Vertragsärzten zur Behandlung in eine Krankenhausnotfallambulanz geschickt würden; diese Regelung gelte seit dem Quartal IV/2013. Ein Notfall im Sinne des § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V sei nur gegeben, wenn dringende Behandlungsbedürftigkeit bestehe und ein teilnahmeberechtigter Leistungserbringer mangels Erreichbarkeit, Umfang des Teilnahmerechts, Qualifikation oder eigener Bereitschaft nicht rechtzeitig zur Behandlungsübernahme zur Verfügung stehe. Dringende Behandlungsbedürftigkeit sei anzunehmen, wenn ohne sofortige Behandlung Gefahren für Leib und Leben bestünden oder Schmerzen unzumutbar lange andauern würden. Sie, die Beklagte, honoriere sogar Behandlungen, die nicht als Notfälle im Sinne der Rechtsprechung des BSG beurteilt würden, stets mit der Notfallpauschale Nr 01210 EBM (Ä), da auch zum Ausschluss eines Notfalls in der Regel ein Arzt-Patienten-Kontakt erforderlich sei. Vorliegend seien die Kürzungen erfolgt, weil die Leistungen nicht zum Umfang der anrechnungsfähigen ambulanten Notfallleistungen gehörten. Es fehle an den Voraussetzungen für die Abrechenbarkeit als Notfallleistung, da entweder die Leistung nicht in sprechstundenfreien Zeiten in Anspruch genommen oder die Inanspruchnahme der Notfallbehandlung im Krankenhaus nicht als sofortige Maßnahme erforderlich gewesen sei (Hinweis auf BSG 2.7.2014 – B 6 KA 30/13 R). Durch die Abrechenbarkeit der EBM (Ä)-Nrn 01210 bis 01218 werde dem Gleichbehandlungsgebot ausreichend Rechnung getragen. Weitere Leistungen dürften regelmäßig nicht erbracht und abgerechnet werden. Auch die Prüfung der Behandlungsscheine habe ergeben, dass bei den sachlich-rechnerisch korrigierten Fällen aufgrund der Angaben der Klägerin die Voraussetzungen für die Abrechnung einer Notfallleistung nicht erfüllt seien. Beispielhaft führte die Beklagte einige Fälle auf, bei denen im Quartal II/2014 eine sachlich-rechnerische Korrektur durchgeführt worden sei, weil jeweils Diagnosen ohne Notfallcharakter angegeben worden seien. Die Beklagte stellte im „Teilwiderspruchsbescheid“ klar, soweit die Klägerin für das Quartal II/2014 auch bezüglich anderer Sachverhalte Widerspruch eingelegt habe, werde ein gesonderter Widerspruchsbescheid ergehen.

6

Mit ihrer am 6.8.2015 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und vorgetragen: Notfallbehandlungen seien auch zu vergüten, wenn sie während Sprechstundenzeiten von Vertragsärzten erfolgt seien. Zwar sei der Notfalldienst auf die Erstversorgung ausgerichtet. Dies schließe aber weder Röntgen- noch Laboruntersuchungen aus, sondern begrenze diese nur auf Maßnahmen, die bis zum Übergang des Patienten in die ambulante oder stationäre Versorgung unerlässlich seien. Vorliegend seien die Notfallbehandlungen erforderlich gewesen; die entsprechenden Begründungen seien in den Behandlungsscheinen aufgeführt. Insbesondere bei Prellungen der Extremitäten sei eine ausreichende Diagnostik erforderlich. Die Vielzahl der pädiatrischen Behandlungsfälle sei insbesondere darauf zurückzuführen, dass pädiatrische Praxen wegen Erkrankungen häufig geschlossen blieben und keine Versorgungsalternativen in zumutbarer Entfernung bestünden. Soweit erkennbar habe die Beklagte alle radiologischen Leistungen und Laborleistungen mit pauschaler Begründung beanstandet. Weder habe sie konkrete Fälle benannt noch für jeden Behandlungsfall dargelegt, warum die aufgeführte Diagnose den Umfang der Behandlung nicht rechtfertigen könne. Dieser pauschale Prüfungsansatz ohne Würdigung des Einzelfalls sei unzulässig, da als Voraussetzung einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung eine Einzelfallprüfung zu erfolgen habe. Dem sei die Beklagte nicht gerecht geworden. Der seitens der Beklagten angenommene allgemeine Leistungsausschluss von Laborleistungen und radiologischen Leistungen im Rahmen von Notfallbehandlungen sei weder nach Gebührenregelungen noch nach der Rechtsprechung des BSG gerechtfertigt. Eine besondere Begründungspflicht des Leistungserbringers bestehe insoweit nicht. Sie, die Klägerin, sei im Rahmen der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit nicht mit neuem Vortrag im Gerichtsverfahren ausgeschlossen.

7

Die Klägerin hat Behandlungsdokumentationen vorgelegt.

8

Die Beklagte hat vorgetragen: Die Klägerin habe zu den betroffenen Maßnahmen außer den ICD-Verschlüsselungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren keine weiteren Angaben gemacht, abgesehen von dem pauschalen Textfeld, in dem sie angegeben habe, dass eine dringende Behandlungsbedürftigkeit bestanden habe. Es treffe nicht zu, dass sie, die Beklagte, routinemäßig sämtliche radiologischen und laboratorischen Leistungen abgesetzt habe. Sie, die Beklagte, habe sich an der ICD-Verschlüsselung orientiert und die Fälle sachlich-rechnerisch berichtigt, die entweder keinen Notfall-ICD enthalten hätten oder deren Behandlung nicht an sprechstundenfreien Tagen erfolgt sei. In keinem einzigen Behandlungsfall eines Kleinkindes oder Säuglings sei eine sachlich-rechnerische Richtigstellung durchgeführt worden. Der Leistungserbringer müsse bereits im Rahmen der Abrechnung, spätestens aber im Widerspruchsverfahren, darlegen, weshalb eine weitergehende Behandlung unmittelbar durch ihn erforderlich sei. Diese Substantiierungspflicht ergebe sich aus der Rechtsprechung des BSG, die in ähnlich gelagerten Fallkonstellationen davon ausgehe, dass ein solcher Vortrag spätestens im Widerspruchsverfahren zu erfolgen habe.

9

Durch Urteil vom 2.11.2016 hat das Sozialgericht (SG) Mainz die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, über den Vergütungsanspruch für die Notfallbehandlungen im Quartal II/2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, und zur Begründung ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig. Er sei bereits deshalb zu beanstanden, weil aus der Verwaltungsakte der Beklagten nicht ersichtlich sei, dass diese eine Einzelfallprüfung vorgenommen habe. Die Entscheidung der Beklagten in Bezug auf die Behandlungsfälle sei mangels einzelfallbezogener Begründungen nicht nachvollziehbar und damit nicht überprüfbar. Die sachlich-rechnerische Prüfung habe grundsätzlich anhand des Einzelfalls zu erfolgen. Im Notfalldienst seien Röntgen- und Laboruntersuchungen nicht generell ausgeschlossen, wenn auch auf unerlässliche Maßnahmen begrenzt. Die Beklagte habe lediglich beispielhaft einige Fälle im Widerspruchsbescheid aufgeführt, in denen nach ihrer Einschätzung Diagnosen ohne Notfallcharakter angegeben gewesen seien. Eine umfassende Einzelfallprüfung sei nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil die Klägerin Begründungsanforderungen nicht eingehalten habe. Selbst wenn § 6 HVM eine generelle Begründungspflicht statuieren würde, folge daraus nicht, dass die Beklagte unter Hinweis auf deren Nichteinhaltung auf die grundsätzlich durchzuführende Einzelfallprüfung verzichten könnte. Nach dem Wortlaut des HVM sei eine besondere Begründung ohnehin lediglich für den Fall angeordnet, dass eine Versorgung durch einen Vertragsarzt aufgrund der Umstände nicht vertretbar sei. Für den Fall, dass die Versorgung durch einen Vertragsarzt entsprechend § 76 SGB V nicht möglich sei, seien dagegen im HVM keine Darlegungserfordernisse vorgesehen. Darüber hinaus seien „Wertungsgesichtspunkte“ wie etwa eine Überweisung durch einen Vertragsarzt oder eine Einlieferung durch einen Rettungsdienst für die Beklagte auch ohne besondere Darlegung der Klägerin erkennbar. Ein weiterer Vortrag und eine weitere Substantiierung durch den Leistungserbringer erst im Gerichtsverfahren sei zulässig. Unabhängig davon könne sich die Beklagte auf eine fehlende Substantiierung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren nicht berufen, weil sie es versäumt habe, die Klägerin während des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens auf ein Substantiierungserfordernis hinzuweisen und ihr eine entsprechende Frist zu setzen (Hinweis auf SG Marburg 18.3.2015 – S 12 KA 616/14). Da sich die Rechtswidrigkeit aus der fehlenden Einzelfallprüfung ergebe, sei das Verfahren zur erneuten Entscheidung an die Beklagte zurückzuverweisen gewesen. Dagegen habe der Hauptantrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides keinen Erfolg.

10

Gegen dieses ihr am 16.1.2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 15.2.2017 eingelegte Berufung der Beklagten, die vorträgt: Entgegen der Auffassung des SG gebe es keinen Anspruch des Leistungserbringers auf eine Einzelfallüberprüfung jeder abgerechneten Leistung im Rahmen der Prüfung einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung. Die Klägerin hätte die Möglichkeit gehabt, im Verwaltungs- bzw Widerspruchsverfahren darzulegen, woraus sich die Notfalleigenschaft und die Notwendigkeit ergeben habe, die abgerechneten Leistungen im Rahmen von Notfallbehandlungen erbringen zu müssen. Sie, die Beklagte, sei nicht dazu verpflichtet, Widerspruchsführer auf unzureichendes Vorbringen hinzuweisen. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12.12.2012 (B 6 KA 5/12 R) habe eine substantiierte Darlegung von Umständen, die dazu führten, eine Behandlung als Notfallbehandlung zu qualifizieren, spätestens im Widerspruchsverfahren zu erfolgen (offengelassen von Landessozialgericht – LSG – Rheinland-Pfalz 6.10.2016 – L 5 KA 30/15).

11

Die Beklagte beantragt,

12

das Urteil des SG Mainz vom 2.11.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

13

Die Klägerin beantragt,

14

die Berufung zurückzuweisen.

15

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

16

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

17

Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Das Urteil des SG ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

18

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geforderte weitere Vergütung. Die Beklagte durfte die von der Klägerin abgerechneten Leistungen in dem erfolgten Umfang sachlich-rechnerisch richtigstellen. Die Berechtigung hierzu ergibt sich für das streitige Quartal aus § 106a Abs 1 und Abs 2 Satz 1 SGB V in der Fassung vom 10.12.2012, wonach die Kassenärztlichen Vereinigungen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung prüfen und die zuständige Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte feststellt. Auf dieser Grundlage war die Beklagte befugt, die streitigen Leistungen von der Vergütung auszunehmen.

19

Nach § 3 des Landesvertrages nach § 115 Abs 2 Nr 3 SGB V liegt eine Notfallbehandlung im Sinne des Vertrages insbesondere vor, wenn sich der Patient infolge von Verletzung, Krankheit oder sonstigen Umständen entweder in Lebensgefahr befindet oder der Gesundheitszustand eine wesentliche Verschlechterung befürchten lässt, wenn nicht eine sofortige ärztliche Behandlung eingeleitet wird. Gemäß § 9 des Landesvertrages müssen die Leistungen nach diesem Vertrag ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Der Notfalldienst ist ausschließlich auf die Notfall-Erstversorgung ausgerichtet (dazu und zum Folgenden BSG 12.12.2012 – B 6 KA 5/12 R, juris Rn 15). Der Arzt im Notfalldienst darf nicht mehr Leistungen erbringen und verordnen, als es dem Rahmen der Notfall-Erstversorgung entspricht. Behandlungen im Rahmen des Notfalldienstes haben sich auf die Erstversorgung zu beschränken; sie sind darauf zu konzentrieren, Gefahren für Leib und Leben sowie unzumutbaren Schmerzen der Patienten zu begegnen sowie die Notwendigkeit einer stationären Behandlung abzuklären. Der Behandlungsumfang ist beschränkt auf die Maßnahmen, die bis zum erneuten Einsetzen der Regelversorgung in den üblichen Sprechstundenzeiten erforderlich sind. Der Umfang der Diagnostik ist auf die Erstversorgung des Patienten ausgerichtet. Befunde, die dazu nicht benötigt werden, sind im Notfalldienst nicht zu erheben. Das schließt weder Röntgen- noch Laboruntersuchungen aus, begrenzt diese indessen vom Ziel der sofortigen, aber oft nur zeitlich begrenzten Behandlung her auf Maßnahmen, die bis zum Übergang des Patienten in die ambulante oder stationäre Regelversorgung unerlässlich sind. Der medizinische Bedarf für die Erstversorgung und nicht die medizinische Infrastruktur der Behandlungseinrichtung bestimmen den Umfang der Diagnostik.

20

Hinsichtlich der in Rede stehenden Leistungen (dazu Bl 42 ff VA) hat die Klägerin eine Vielzahl unterschiedlicher EBM (Ä)-Nrn in Ansatz gebracht. Die Abrechenbarkeit all dieser Nummern hängt davon ab, dass die Klägerin eine Notfallbehandlung durchführen durfte und zu diesem Zweck die entsprechenden Behandlungsmaßnahmen in der Notfall-Erstversorgung erfolgen durften. Die Klägerin hat im Rahmen der Abrechnung lediglich die durchgeführten Behandlungen und Diagnosen anhand der ICD-Verschlüsselung angeführt, aber keine weiteren Angaben gemacht, abgesehen von dem pauschalen Textfeld, in dem sie angegeben hat, dass eine dringende Behandlungsbedürftigkeit vorliege. Damit ist die Klägerin ihrer Darlegungspflicht im Verwaltungs- bzw Widerspruchsverfahren nicht hinreichend nachgekommen.

21

Grundsätzlich gibt es im Sozialverwaltungsverfahren und sozialgerichtlichen Verfahren wegen des herrschenden Amtsermittlungsgrundsatzes keine dem Zivilprozess entsprechende Darlegungslast (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, Rn 4 vor § 60). Davon gibt es im Vertragsarztrecht Ausnahmen (vgl zB BSG 15.3.2017 – B 6 KA 18/16 R, juris Rn 33). Diese beziehen sich regelmäßig auf Darlegungserfordernisse im sozialgerichtlichen Verfahren. Eine Ausnahme hiervon ist für Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren im Vertragsarztrecht anerkannt. Dort trifft den Vertragsarzt eine Darlegungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensatorische Einsparungen (vgl Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 Rn 378). Solche Umstände muss der Arzt spätestens im Widerspruchsverfahren geltend machen. Im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht hat er die zur Begründung seines Anspruchs dienenden Tatsachen anzugeben; Einwände, die der Arzt erst im gerichtlichen Verfahren vorbringt, sind unberücksichtigt zu lassen (Clemens in jurisPK-SGB V, § 106 Rn. 196, 197 mwN). Die diesbezügliche Rechtsprechung des BSG trägt dem Umstand Rechnung, dass die Wirtschaftlichkeitsprüfungsgremien im Vertragsarztrecht einen Beurteilungsspielraum haben und deshalb einzelfallbezogene Umstände, die nicht Gegenstand des Verwaltungs- bzw Widerspruchsverfahrens waren und den Prüfungsgremien nicht bekannt sind, regelmäßig unberücksichtigt bleiben müssen.

22

Einen vergleichbaren Beurteilungsspielraum gibt es im Rahmen der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Abrechnung, um die es im vorliegenden Fall geht, nicht. Dennoch gelten nach dem Urteil des BSG vom 12.12.2012 (B 6 KA 5/12 R, juris Rn 17) entsprechende Substantiierungsanforderungen (vgl dazu LSG Rheinland-Pfalz 6.10.2016 – L 5 KA 30/15), die spätestens bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides erfüllt sein müssen, auch hier. Danach darf eine Substantiierung vom Leistungserbringer im Notfalldienst bei der Erbringung normalerweise nur zur Regelversorgung gehöriger Leistungen gefordert werden, da nur er in der Lage ist, die Umstände zu schildern, aus denen sich die Besonderheit des Falls ergeben könnte (BSG 12.12.2012 aaO). Der Senat folgt dem jedenfalls für den Fall, dass – wie vorliegend – folgende Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Es handelt sich um Tatsachen, die der Sphäre des Arztes entstammen und ausnahmsweise eine Abweichung vom Regelfall begründen, 2. Betroffen ist eine Vielzahl von Einzel-EBM (Ä)-Positionen, 3. Es existiert eine einschlägige Regelung, wonach ausdrücklich schon im Abrechnungsverfahren die Angabe der betreffenden Tatsachen erforderlich ist.

23

Letzteres ist vorliegend in § 6 Abs 2 Satz 2 HVM geschehen, wonach nicht vertretbare Umstände – dh Umstände, die eine Versorgung durch einen Vertragsarzt als nicht vertretbar erscheinen lassen – im Rahmen der Abrechnung gesondert darzulegen sind. Dem Umstand, dass sich die Darlegungslast auf nicht vertretbare Umstände im Sinne des § 6 Abs 1 HVM beschränkt und die Fälle einer unmöglichen Versorgung durch einen Vertragsarzt nicht erfasst sind, kommt entgegen der Auffassung des SG keine entscheidende Bedeutung zu. Dafür, dass in den vorliegend umstrittenen Fällen die Versorgung durch einen Vertragsarzt gänzlich unmöglich war, gibt es keine Anhaltspunkte. Es geht entscheidend darum, ob die Versorgung durch einen Vertragsarzt nicht vertretbar war; die Fälle der unmöglichen und der nicht vertretbaren Versorgung sind ohnehin nicht trennscharf voneinander abzugrenzen.

24

Der HVM ist eine Rechtsnorm und ergeht in Form einer Satzung (vgl Engelhard in Hauck/Noftz aaO, § 87b Rn 43). § 6 Abs 2 Satz 2 HVM ist eine Vorschrift, die die Mitwirkungspflicht des Leistungserbringers im vertragsarztrechtlichen Abrechnungsverfahren konkretisiert. Die Konstituierung einer solchen Mitwirkungspflicht – auch mit der Folge, dass der Beteiligte mit nachträglichem Vortrag im Gerichtsverfahren ausgeschlossen ist – hält sich im Rahmen der dem Satzungsgeber eingeräumten Gestaltungsfreiheit (vgl allgemein zu diesem Grundsatz Engelhard aaO Rn 45). Insbesondere darf im HVM auch geregelt werden, welche Begründungen und Unterlagen der Leistungserbringer bei der Abrechnung vorlegen muss, soweit ein Zusammenhang mit der Prüfung der Richtigkeit der Abrechnung besteht (Engelhard aaO Rn 55 unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 32).

25

Hiernach durfte die Klägerin zwar auch im Widerspruchsverfahren noch entsprechende Tatsachen darlegen (vgl BSG 12.12.2012 aaO), nicht jedoch erst im anschließenden Gerichtsverfahren. Umstände, die den Ansatz der in Rede stehenden EBM (Ä)-Nummern rechtfertigen könnten, hat die Klägerin im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren nicht vorgebracht. Eine ICD-10-Diagnose und die Behauptung der dringenden Behandlungsbedürftigkeit reichen regelmäßig nicht aus, um die Notwendigkeit einer Notfallleistung zu begründen. Vielmehr hätte die Klägerin für jeden einzelnen Fall die Notwendigkeit einer Notfallleistung speziell begründen müssen. Im Widerspruchsverfahren hat die Klägerin lediglich behauptet, es habe sich um Notfälle im Sinne des Landesvertrages nach § 115 Abs 2 Nr 3 SGB V gehandelt, ohne weitere Angaben dazu zu machen. Dies war keinesfalls ausreichend, um das Substantiierungserfordernis zu erfüllen. Bei dieser Sachlage ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden

26

Entgegen der Auffassung des SG kann der Beklagten nicht angelastet werden, dass sie die Klägerin auf die Notwendigkeit einer Substantiierung spätestens im Widerspruchsverfahren nicht aufmerksam gemacht und ihr hierfür keine Frist gesetzt hat. Die Beklagte hat im Bescheid vom 14.8.2014 ausdrücklich ausgeführt, dass „nicht vertretbare Umstände“, die eine Behandlung durch Vertragsärzte währen der Sprechstundenzeit ausschließen, „im Rahmen der Abrechnung gesondert darzulegen“ seien und auf die Regelung in § 6 Abs 2 Satz 2 HVM hingewiesen. Damit hatte die Beklagte ihrer Hinweispflicht Genüge getan.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

28

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 19. Okt. 2017 - L 5 KA 1/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 19. Okt. 2017 - L 5 KA 1/17

Referenzen - Gesetze

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 19. Okt. 2017 - L 5 KA 1/17 zitiert 10 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 106a Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlicher Leistungen


(1) Die Wirtschaftlichkeit der erbrachten ärztlichen Leistungen kann auf begründeten Antrag einer einzelnen Krankenkasse, mehrerer Krankenkassen gemeinsam oder der Kassenärztlichen Vereinigung arztbezogen durch die jeweilige Prüfungsstelle nach § 106

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 76 Freie Arztwahl


(1) Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, de

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 115 Dreiseitige Verträge und Rahmenempfehlungen zwischen Krankenkassen, Krankenhäusern und Vertragsärzten


(1) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Krankenhausträger im Land gemeinsam Verträge mit dem Ziel, d

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 19. Okt. 2017 - L 5 KA 1/17 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 19. Okt. 2017 - L 5 KA 1/17 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 15. März 2017 - B 6 KA 18/16 R

bei uns veröffentlicht am 15.03.2017

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 21. August 2015 geändert. Auf die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. wird das Urte

Bundessozialgericht Urteil, 02. Juli 2014 - B 6 KA 30/13 R

bei uns veröffentlicht am 02.07.2014

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 25. April 2013 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 12. Dez. 2012 - B 6 KA 5/12 R

bei uns veröffentlicht am 12.12.2012

Tenor Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. November 2010 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 4. April 2007 geändert. Der Bescheid

Referenzen

(1) Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2, den nach § 72a Abs. 3 vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 frei wählen. Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. Die Inanspruchnahme der Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 1 und 2 Satz 1 richtet sich nach den hierüber abgeschlossenen Verträgen. Die Zahl der Eigeneinrichtungen darf auf Grund vertraglicher Vereinbarung vermehrt werden, wenn die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 Satz 1 erfüllt sind.

(1a) In den Fällen des § 75 Absatz 1a Satz 7 können Versicherte auch zugelassene Krankenhäuser in Anspruch nehmen, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen; dies gilt auch, wenn die Terminservicestelle Versicherte in den Fällen des § 75 Absatz 1a Satz 3 Nummer 3 in eine Notfallambulanz vermittelt. Die Inanspruchnahme umfasst auch weitere auf den Termin folgende notwendige Behandlungen, die dazu dienen, den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen.

(2) Wird ohne zwingenden Grund ein anderer als einer der nächsterreichbaren an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen oder medizinische Versorgungszentren in Anspruch genommen, hat der Versicherte die Mehrkosten zu tragen.

(3) Die Versicherten sollen den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Der Versicherte wählt einen Hausarzt. Der Arzt hat den Versicherten vorab über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung (§ 73) zu unterrichten; eine Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung hat er auf seinem Praxisschild anzugeben.

(3a) Die Partner der Verträge nach § 82 Abs. 1 haben geeignete Maßnahmen zu vereinbaren, die einer unkoordinierten Mehrfachinanspruchnahme von Vertragsärzten entgegenwirken und den Informationsaustausch zwischen vor- und nachbehandelnden Ärzten gewährleisten.

(4) Die Übernahme der Behandlung verpflichtet die in Absatz 1 genannten Personen oder Einrichtungen dem Versicherten gegenüber zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts.

(5) Die Versicherten der knappschaftlichen Krankenversicherung können unter den Knappschaftsärzten und den in Absatz 1 genannten Personen und Einrichtungen frei wählen. Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend.

(1) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Krankenhausträger im Land gemeinsam Verträge mit dem Ziel, durch enge Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten und zugelassenen Krankenhäusern eine nahtlose ambulante und stationäre Behandlung der Versicherten zu gewährleisten.

(2) Die Verträge regeln insbesondere

1.
die Förderung des Belegarztwesens und der Behandlung in Einrichtungen, in denen die Versicherten durch Zusammenarbeit mehrerer Vertragsärzte ambulant und stationär versorgt werden (Praxiskliniken),
2.
die gegenseitige Unterrichtung über die Behandlung der Patienten sowie über die Überlassung und Verwendung von Krankenunterlagen,
3.
die Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes; darüber hinaus können auf Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen ergänzende Regelungen zur Vergütung vereinbart werden,
4.
die Durchführung einer vor- und nachstationären Behandlung im Krankenhaus nach § 115a einschließlich der Prüfung der Wirtschaftlichkeit und der Verhinderung von Mißbrauch; in den Verträgen können von § 115a Abs. 2 Satz 1 bis 3 abweichende Regelungen vereinbart werden,
5.
die allgemeinen Bedingungen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus,
6.
ergänzende Vereinbarungen zu Voraussetzungen, Art und Umfang des Entlassmanagements nach § 39 Absatz 1a.
Sie sind für die Krankenkassen, die Vertragsärzte und die zugelassenen Krankenhäuser im Land unmittelbar verbindlich.

(3) Kommt ein Vertrag nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei das zuständige sektorenübergreifende Schiedsgremium gemäß § 89a.

(3a) (weggefallen)

(4) Kommt eine Regelung nach Absatz 1 bis 3 bis zum 31. Dezember 1990 ganz oder teilweise nicht zustande, wird ihr Inhalt durch Rechtsverordnung der Landesregierung bestimmt. Eine Regelung nach den Absätzen 1 bis 3 ist zulässig, solange und soweit die Landesregierung eine Rechtsverordnung nicht erlassen hat.

(5) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam sollen Rahmenempfehlungen zum Inhalt der Verträge nach Absatz 1 abgeben.

(1) Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2, den nach § 72a Abs. 3 vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 frei wählen. Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. Die Inanspruchnahme der Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 1 und 2 Satz 1 richtet sich nach den hierüber abgeschlossenen Verträgen. Die Zahl der Eigeneinrichtungen darf auf Grund vertraglicher Vereinbarung vermehrt werden, wenn die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 Satz 1 erfüllt sind.

(1a) In den Fällen des § 75 Absatz 1a Satz 7 können Versicherte auch zugelassene Krankenhäuser in Anspruch nehmen, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen; dies gilt auch, wenn die Terminservicestelle Versicherte in den Fällen des § 75 Absatz 1a Satz 3 Nummer 3 in eine Notfallambulanz vermittelt. Die Inanspruchnahme umfasst auch weitere auf den Termin folgende notwendige Behandlungen, die dazu dienen, den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen.

(2) Wird ohne zwingenden Grund ein anderer als einer der nächsterreichbaren an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen oder medizinische Versorgungszentren in Anspruch genommen, hat der Versicherte die Mehrkosten zu tragen.

(3) Die Versicherten sollen den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Der Versicherte wählt einen Hausarzt. Der Arzt hat den Versicherten vorab über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung (§ 73) zu unterrichten; eine Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung hat er auf seinem Praxisschild anzugeben.

(3a) Die Partner der Verträge nach § 82 Abs. 1 haben geeignete Maßnahmen zu vereinbaren, die einer unkoordinierten Mehrfachinanspruchnahme von Vertragsärzten entgegenwirken und den Informationsaustausch zwischen vor- und nachbehandelnden Ärzten gewährleisten.

(4) Die Übernahme der Behandlung verpflichtet die in Absatz 1 genannten Personen oder Einrichtungen dem Versicherten gegenüber zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts.

(5) Die Versicherten der knappschaftlichen Krankenversicherung können unter den Knappschaftsärzten und den in Absatz 1 genannten Personen und Einrichtungen frei wählen. Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 25. April 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Zwischen dem klagenden Krankenhausträger und der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung ist umstritten, ob die Beklagte das Honorar für Notfallbehandlungen in der Ambulanz des Klägers im Quartal II/2008 richtig festgesetzt hat.

2

Mit Bescheid vom 20.11.2008 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers für Notfallleistungen im Quartal II/2008 in Höhe von 120 600 Euro fest. Die Leistungen des Klägers wurden nach den Gebührenordnungspositionen 01210 bis 01218 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) abgerechnet. Mit seinem Widerspruch stellte der Kläger nicht in Abrede, dass die Beklagte die Gebührenordnung richtig angewandt habe, machte aber geltend, die Leistungen in seiner - des Klägers - Notfallambulanz dürften nicht geringer vergütet werden als vertragsärztliche Behandlungen. Deshalb müsse ihm - dem Kläger - ermöglicht werden, die Leistungen nach den Gebührenordnungspositionen 01100 und 01111 EBM-Ä abzurechnen, die den besonderen Aufwand eines Vertragsarztes bei der Inanspruchnahme außerhalb der regulären Sprechstunde abgelten; ergänzend seien die Positionen 07210 bis 07212 EBMÄ - chirurgische Grundpauschalen - zu vergüten.

3

Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das LSG hat ausgeführt, die Neufassung der Leistungspositionen 01210 bis 01218 EBMÄ zum Quartal I/2008 sei gerade in Reaktion auf die Rechtsprechung des BSG erfolgt, die mehrfach eine Benachteiligung der Krankenhäuser bei der Vergütung von Notfallbehandlungen gerügt habe. Mit der Neufassung der Gebührenpositionen sei gewährleistet, dass die Notfallleistungen von Krankenhäusern und diejenigen von Vertragsärzten im organisierten Notfalldienst gleich vergütet würden. Für eine generelle Gleichstellung einer Krankenhausambulanz mit einer vertragsärztlichen Praxis bestehe kein Anlass.

4

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die Beklagte sei ersichtlich in H nicht in der Lage, ihren Sicherstellungsauftrag auch zu den sprechstundenfreien Zeiten zu realisieren. Deshalb sei die Inanspruchnahme von Krankenhäusern außerhalb der regulären Sprechstundenzeiten der Vertragsärzte zu einer Art Regelversorgung geworden. Das rechtfertige die generelle vergütungsmäßige Gleichstellung der Notfallambulanzen der Krankenhäuser mit vertragsärztlichen Praxen. Wenn ca 50 % der Notfallleistungen in H nicht durch Vertragsärzte, sondern in den Ambulanzen von Krankenhäusern angeboten werden, sei deutlich, dass hier ein zweiter Versorgungsbereich entstanden sei. Die Beklagte bagatellisiere die Situation, indem sie ausführe, einige Patienten wünschten die Notfallbehandlung im Krankenhaus statt im vertragsärztlich organisierten Notfalldienst. Im Übrigen sei die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser ungünstiger als derjenigen der Vertragsärzte im organisierten Notfalldienst. Den Krankenhäusern entstünden laufende Vorhaltekosten, ganz unabhängig davon, ob sie tatsächlich in Anspruch genommen würden. Das sei bei vertragsärztlichen Praxen anders: Der Arzt, der nicht in Anspruch genommen würde, erhalte keine Vergütung, ihm seien aber auch keine Kosten entstanden. Um diesen strukturellen Nachteil auszugleichen, müssten die Notfallleistungen der Krankenhäuser höher als diejenigen der Vertragsärzte vergütet werden, zumal Vertragsärzte anders als Krankenhäuser nicht mit den Kosten des Notdienstes vor allem für Räume und Hilfspersonal belastet seien.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 25. April 2013 und des Sozialgerichts Hamburg vom 25. August 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über seine Honoraransprüche für das Quartal II/2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 25. April 2013 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist darauf, dass im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung des BSG im EBM-Ä eine Gleichbehandlung von Krankenhäusern und Vertragsärzten bei Notfallbehandlungen verwirklicht sei. Die Bereitschaft der Patienten, in Notfällen die Ambulanzen der Krankenhäuser aufzusuchen, sei auch damit zu erklären, dass dort nicht auf den von der Beklagten über zwei Notfallpraxen in H organisierten vertragsärztlichen Notdienst hingewiesen würde. Daraus müsse geschlossen werden, dass die Vergütung im Notdienst von den Krankenhäusern als auskömmlich angesehen werde.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist nicht begründet. Die angefochtenen Honorarbescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, wie SG und LSG zutreffend erkannt haben.

9

Nach den Gebührenpositionen 01210 bis 01218 im EBM-Ä in der seit 2008 geltenden Fassung werden die Leistungen der Vertragsärzte im organisierten Notfalldienst sowie der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Institutionen, insbesondere der Krankenhäuser im Notfall vergütet. Diese Leistungspositionen tragen der besonderen Situation der Leistungserbringung im Notfall Rechnung. Diese ist nach der Rechtsprechung des Senats dadurch gekennzeichnet, dass nur die ärztlichen Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen sind, die in der jeweiligen gesundheitlichen Situation des Versicherten unverzichtbar sind (vgl dazu zuletzt BSG Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 5/12 R - SozR 4-2500 § 115 Nr 1 - Juris); die Inanspruchnahme des Not- oder Bereitschaftsdienstes ist kein Surrogat einer regelmäßigen vertragsärztlichen Behandlung (Urteil vom 17.9.2008 - B 6 KA 51/07 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 10 zu Nr 19 BMÄ).

10

Der Senat hat mehrfach - zuletzt mit Urteil vom 12.12.2012 (SozR 4-2500 § 75 Nr 13) - entschieden, dass die Notfallbehandlungen in den Ambulanzen von Krankenhäusern nicht schlechter vergütet werden dürfen als die vertragsärztlichen Leistungen in organisierten Notfalldiensten. Außerhalb der regulären Sprechstundenzeiten vertragsärztlicher Praxen leisten die Notfallambulanzen einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung; in diesen Zeiten ist ihr Versorgungsangebot nicht in dem Sinne subsidiär, dass die Versicherten in Notfällen die Krankenhausambulanzen nur aufsuchen dürfen, wenn sie eine Einrichtung des organisierten vertragsärztlichen Notdienstes nicht in zumutbarer Zeit erreichen können. Damit steht die Regelung in Teil 9, II 1.2. Nr 4 EBM-Ä nicht in Widerspruch. Diese begrenzt die Abrechnungsberechtigung der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Institute und Krankenhäuser auf "sofortige Maßnahmen" und macht sie davon abhängig, dass die Versorgung durch einen Vertragsarzt nicht möglich oder aufgrund der Umstände nicht vertretbar ist. Die letztgenannte Wendung kann im Hinblick auf die Berechtigung der Versicherten, in Notfällen auch "andere Ärzte" in Anspruch zu nehmen (§ 76 Abs 1 Satz 2 SGB V), nicht so verstanden werden, dass außerhalb der Zeiten regulärer vertragsärztlicher Sprechstunden die Berechnung einer Notfallbehandlung durch ein Krankenhaus davon abhängt, dass ein Vertragsarzt oder eine vertragsärztliche Notfallpraxis nicht in zumutbarer Zeit oder mit vertretbarem Aufwand aufgesucht werden konnten. Mit entsprechenden Ermittlungen wären die Mitarbeiterinnen der Notfallambulanzen gerade zur Nachtzeit oder an Sonn- und Feiertagen überfordert, abgesehen davon, dass vielfach - etwa bei alkoholisierten Patienten - verlässliche Auskünfte kaum zu erhalten wären. Wenn das bislang vielfach kaum koordinierte Nebeneinander von vertragsärztlich organisiertem Notfalldienst (§ 75 Abs 1 Satz 2 SGB V) und faktisch dominierender Inanspruchnahme der Notfallambulanzen der Krankenhäuser geordnet werden soll (vgl etwa die Vorschläge im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode, S 57 sowie den Beschluss des 117. Deutschen Ärztetages 2014, DÄ 2014, A 1175), müssen u.a. die gesetzlichen Rahmenbedingungen geändert werden. Punktuelle Eingriffe der Rechtsprechung können die etwa in diesem Verfahren vom Kläger angesprochenen Probleme - zB Versicherte ohne ganz akuten Versorgungsbedarf nutzen die Notfallambulanz zur umfassenden Versorgung, (auch) zur Vermeidung von Wartezeiten auf Termine bei Fachärzten - nicht lösen.

11

Nach der Rechtsprechung des Senats dürfen die Notfallbehandlungen in Krankenhäusern nicht schlechter als die entsprechenden Leistungen der Vertragsärzte im organisierten Notfalldienst honoriert werden. Dem Gleichbehandlungsgebot tragen die Positionen der Nrn 01210 bis 01218 EBM-Ä, soweit sie hier vom Kläger abgerechnet worden sind (zu den hier nicht streitbefangenen Zusatzpauschalen für die Besuchsbereitschaft s SozR 4-2500 § 75 Nr 13 RdNr 13), hinreichend Rechnung. Vertragsärzte im organisierten Notfalldienst und Krankenhäuser können neben den Gebührenverordnungspositionen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Notfallversorgung stehen (Teil 9, II 1.2. Nr 1 EBM-Ä), (nur) die ausdrücklich aufgeführten Leistungen abrechnen; die Punktzahlen unterscheiden sich der Höhe nach nicht. Soweit der Kläger die Gleichstellung seiner Notfallleistungen mit den vertragsärztlichen Leistungen begehrt, die nicht im organisierten Notfalldienst erbracht werden, besteht dafür keine Grundlage.

12

Der Kläger hat keinen Anspruch, dass die Leistungen in seiner Notfallambulanz ua nach den Gebührenordnungspositionen 01100 bzw 01101 EBM-Ä vergütet werden. Diese Leistungspositionen gelten die besonderen Leistungen eines Vertragsarztes ab, der seine Patienten außerhalb einer Inanspruchnahme im organisierten Notfalldienst, aber gleichwohl außerhalb seiner regulären Sprechstundenzeiten behandelt. Dafür erhält der Arzt Zuschläge zu den regulären Leistungsvergütungen, und er ist im Rahmen der Versorgung seiner Patienten außerhalb der regulären Sprechstunden nicht auf die Erbringung der spezifischen Notfallbehandlungen im Sinne der Akutversorgung beschränkt. In einer Krankenhausambulanz dürfen weder reguläre vertragsärztliche Behandlungen durchgeführt werden, die dem Umfang und der Ausrichtung nach über eine Notfallversorgung hinausgehen, noch darf das Krankenhaus regulär Sprechstunden anbieten. Schon deshalb scheidet die Abrechnung der sog "Unzeitzuschläge" für die Leistungen im Krankenhaus zur Notfallversorgung von vornherein aus. Schließlich kommt die Anwendung der Positionen 01100 und 01101 EBM-Ä auf die Notfallleistungen des Klägers aus systematischen Gründen nicht in Frage. Die Leistungspositionen 01210 bis 01218 EBM-Ä regeln die Vergütung von Notfallbehandlungen - abgesehen von spezifischen diagnostischen oder therapeutischen Leistungen - abschließend und sperren deshalb den Durchgriff auf die Unzeitpositionen der Gebührenordnungspositionen 01100 und 01101. Auch die Berechnung der chirurgischen Grundpauschalen (Nr 07210-07212 EBM-Ä) ist im organisierten vertragsärztlichen Notfalldienst wie bei der Inanspruchnahme von Krankenhausambulanzen zur Notfallbehandlung ausgeschlossen. Das ergibt sich nicht nur aus der Regelung in Teil 9, II 1.2 Nr 2 EBM-Ä, sondern auch aus dem begrenzten Behandlungsspektrum im Rahmen der Notfallversorgung. Die Pauschalen in den einzelnen fachärztlichen Bereichen decken den typischen Behandlungsbedarf für die reguläre vertragsärztliche Versorgung eines Versicherten im gesamten Quartal ab und passen deshalb von vornherein nicht für die punktuelle Notfallversorgung.

13

Wie oben dargestellt, dürfen Krankenhäuser abgesehen von der in § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V angesprochenen Notfallbehandlung und abgesehen von ggf erteilten besonderen Ermächtigungen keine vertragsärztlichen Leistungen erbringen. Es liegt deshalb nicht auf der Hand, dass Krankenhäuser Notfallbehandlungen ohne Einschränkung auch für Zeiten erbringen und abrechnen dürfen, in denen die vertragsärztlichen Praxen (auch) für die Versorgung akuter Gesundheitsstörungen zur Verfügung stehen, wie es offenbar weithin praktiziert wird. Jedenfalls darf hinsichtlich des Punktwertes für die Vergütung von Notfallbehandlungen in Krankenhäusern danach differenziert werden, ob die Behandlung zu Zeiten durchgeführt worden ist, in der die Vertragsärzte die betroffenen Patienten versorgen können (Beschluss vom 17.7.2013 - B 6 KA 8/13 B - RdNr 10). Mit dem gesetzlich vorgegebenen Vorrang der Vertragsärzte im Rahmen der ambulanten ärztlichen Versorgung (vgl nur BVerfG vom 17.8.2004, SozR 4-1500 § 54 Nr 4, RdNr 15 ff) ist die faktische Eröffnung eines zweiten Versorgungsweges in den Krankenhausambulanzen unvereinbar. Allein der Wunsch eines Versicherten nach einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus verbunden mit der Geltendmachung akuten Behandlungsbedarfs stellt zu Zeiten regulärer vertragsärztlichen Sprechstunden keinen "Notfall" im Sinne des § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V dar, der allein den Krankenhäusern den Zugang zur ambulanten Versorgung der Versicherten eröffnet. Nicht die Anwendung der spezifischen Regelungen des EBM-Ä für vertragsärztliche Behandlungen zur Unzeit und für die fachärztliche Versorgung in einem Quartal auf die Krankenhausambulanzen, sondern deren Beschränkung auf tatsächliche Akutversorgung zur den sprechstundenfreien Zeiten entsprechen der gegenwärtigen Gesetzeslage.

14

Soweit der Kläger dem LSG vorhält, den Sachverhalt hinsichtlich der Finanzierung von Notdienstleistungen bzw des Kostendeckungsgrades der von der Beklagten geleisteten Vergütung in Relation zum Aufwand der Krankenhäuser für die Notfallbehandlungen nicht geklärt zu haben, beruht das angefochtene Urteil darauf jedenfalls nicht. Die Mutmaßungen des Klägers darüber, wann welcher Kostendeckungsgrad erreicht wird und wie sich die Notfallvergütungen insgesamt auf die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser auswirken, sind hier nicht relevant. Der Kläger kann aus seinem begrenzten Teilnahmerecht (§ 76 Abs 1 Satz 2 SGB V) wie aus dem Gleichbehandlungsgebot (Art 3 Abs 1 GG) nur ableiten, dass die in seiner Ambulanz erbrachten Notfallleistungen nicht ohne sachlichen Grund schlechter als diejenigen im strukturell vergleichbaren organisierten vertragsärztlichen Notdienst vergütet werden. Wie sich nach betriebswirtschaftlicher Kalkulation die Einnahmen aus den Ambulanzen zu den damit möglicherweise verbundenen Kosten und zur Kostenstruktur im Krankenhaus insgesamt verhalten, entzieht sich einer generellen Beurteilung und hat hier rechtlich keine Bedeutung. Im Übrigen könnte es insoweit nur auf die Kosten der Notfallambulanzen in den sprechstundenfreien Zeiten ankommen.

15

Nicht gefolgt werden kann dem Kläger jedenfalls insoweit, als er eine Ungleichbehandlung der Krankenhäuser darin sieht, dass diese aus ihrem Honorar vor allem nach den Positionen 01210 ff EBM-Ä auch die sächlichen und personellen Kosten der Notfallversorgung bestreiten müssten. Das gilt - anders als der Kläger meint - auch für die Leistungen im organisierten vertragsärztlichen Notfalldienst. Wenn dieser Dienst in Notfallpraxen angeboten wird, muss die KÄV die Kosten der Ausstattung dieser Praxen aus der Gesamtvergütung aufbringen. Ob dies im Wege eines Vorwegabzuges erfolgt und damit bei wirtschaftlicher Betrachtung von allen Vertragsärzten finanziert wird, oder in erster Linie die Ärzte, die am Notdienst teilnehmen, die Kosten über eine Umlage aufbringen (dazu Senatsurteil vom 17.07.2013 - B 6 KA 34/12 R - SozR 4-2500 § 81 Nr 6 zur Rechtmäßigkeit eines Abzugs von 35 % der Vergütung im Notfalldienst für Betriebskosten), spielt unter dem Aspekt der Gleichbehandlung von Notfallambulanzen der Krankenhäuser und vertragsärztlichen Notfallpraxen keine Rolle.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

(1) Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2, den nach § 72a Abs. 3 vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 frei wählen. Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. Die Inanspruchnahme der Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 1 und 2 Satz 1 richtet sich nach den hierüber abgeschlossenen Verträgen. Die Zahl der Eigeneinrichtungen darf auf Grund vertraglicher Vereinbarung vermehrt werden, wenn die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 Satz 1 erfüllt sind.

(1a) In den Fällen des § 75 Absatz 1a Satz 7 können Versicherte auch zugelassene Krankenhäuser in Anspruch nehmen, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen; dies gilt auch, wenn die Terminservicestelle Versicherte in den Fällen des § 75 Absatz 1a Satz 3 Nummer 3 in eine Notfallambulanz vermittelt. Die Inanspruchnahme umfasst auch weitere auf den Termin folgende notwendige Behandlungen, die dazu dienen, den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen.

(2) Wird ohne zwingenden Grund ein anderer als einer der nächsterreichbaren an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen oder medizinische Versorgungszentren in Anspruch genommen, hat der Versicherte die Mehrkosten zu tragen.

(3) Die Versicherten sollen den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Der Versicherte wählt einen Hausarzt. Der Arzt hat den Versicherten vorab über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung (§ 73) zu unterrichten; eine Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung hat er auf seinem Praxisschild anzugeben.

(3a) Die Partner der Verträge nach § 82 Abs. 1 haben geeignete Maßnahmen zu vereinbaren, die einer unkoordinierten Mehrfachinanspruchnahme von Vertragsärzten entgegenwirken und den Informationsaustausch zwischen vor- und nachbehandelnden Ärzten gewährleisten.

(4) Die Übernahme der Behandlung verpflichtet die in Absatz 1 genannten Personen oder Einrichtungen dem Versicherten gegenüber zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts.

(5) Die Versicherten der knappschaftlichen Krankenversicherung können unter den Knappschaftsärzten und den in Absatz 1 genannten Personen und Einrichtungen frei wählen. Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. November 2010 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 4. April 2007 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 4. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2005 wird aufgehoben, soweit Laborleistungen in Behandlungsfällen betroffen sind, bei denen der Notfalldienst nicht von der Klägerin versehen wurde.

Im Übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens für alle Rechtszüge je zur Hälfte.

Tatbestand

1

Streitig sind sachlich-rechnerische Richtigstellungen wegen Abrechnung von Laboruntersuchungen als Notfallleistungen im Quartal IV/2004.

2

Die ambulante Notfallversorgung wurde in der hier betroffenen Region im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) in Räumlichkeiten des Krankenhauses der Klägerin durchgeführt. Den Notfalldienst versahen auf der Grundlage eines Vertrages zwischen der Beklagten und der Klägerin - der Trägerin des Krankenhauses - zum Teil Vertragsärzte und zum anderen Teil Ärzte des Krankenhauses. In dem Vertrag war unter anderem geregelt, dass die diensthabenden Notfallärzte die notfallmäßig erforderlichen Röntgen- und Laboruntersuchungen, soweit diese nicht in der Notfallpraxis vorgehalten werden, vom Krankenhaus beziehen, das sie von der Beklagten vergütet erhält (Vertrag vom 13.12.2002/6.1.2003).

3

Die von der Klägerin bei der Beklagten eingereichte Abrechnung für das Quartal IV/2004 enthielt unter anderem Ansätze der Nr 4066 (Bestimmung der Blutalkoholkonzentration - 12,80 Euro) und der Nr 4365 (Bestimmung des C-reaktiven Proteins - 5,40 Euro) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä aF, hier zugrunde gelegt in der damals geltenden Fassung) im Gesamtwert von ca 1715 Euro. Für diese Leistungen versagte die Beklagte die Vergütung, weil sie im Rahmen der Notfallversorgung nicht abrechenbar seien. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteile des SG vom 4.4.2007 und des LSG vom 17.11.2010). Im Urteil des LSG ist ausgeführt, im Rahmen von Notfallbehandlungen sei nur Gefahren für Leib und Leben sowie unzumutbaren Schmerzen der Patienten zu begegnen; dafür seien Bestimmungen des BAK und des CRP im Regelfall nicht erforderlich. Nach der Erkenntnis des Gerichts, gestützt auf die Sachkunde und Berufserfahrung seiner ehrenamtlichen Richter, könne die Ausprägung einer Alkoholintoxikation unabhängig von der BAK-Bestimmung anhand spezifischer Symptome zuverlässig und für die Notfallversorgung ausreichend festgestellt werden. Zumindest im Regelfall reichten Anamnese und körperliche Untersuchung für die Akutbehandlung bis zur Weiterbehandlung durch einen Vertragsarzt oder bis zum Einsetzen einer stationären Behandlung aus. Wertende Entscheidungen im Einzelfall zur näheren Aufklärung der Symptomatik, wie von der Klägerin geltend gemacht, ließen sich den Behandlungsunterlagen nicht entnehmen. Vielmehr sei die BAK routinemäßig bestimmt worden, zB auch dann, wenn der Alkoholabusus nur eine nicht maßgebliche Nebendiagnose gewesen sei - so bei epileptischem Anfall im Rahmen einer Entzugssymptomatik, bei Querschnittssymptomatik nach evtl alkoholbedingtem Fahrradunfall, bei Brustschmerz oder Bronchitis eines alkoholisierten Patienten - oder ohnehin eine stationäre Einweisung erfolgt sei, in deren Verlauf die BAK noch hätte bestimmt werden können - so im Fall des Verdachts auf psychogenen Krampfanfall und Alkoholhalluzinose -. In anderen Fällen sei die erfolgte BAK-Bestimmung nicht in den Behandlungsunterlagen dokumentiert und demgemäß überhaupt kein Anhaltspunkt für deren Erforderlichkeit erkennbar. Auch die Bestimmung des CRP gehe über den Rahmen der notfallmäßigen Erstversorgung hinaus. Eine Rechtfertigung dafür, diese Bestimmung routinemäßig schon im Rahmen der Notfallversorgung durchzuführen, wie dies die Internisten und Neurologen praktiziert hätten, bestehe nicht, und eine Erforderlichkeit im Einzelfall aus besonderem Anlass ergebe sich weder aus den Behandlungsunterlagen noch sei dies offenkundig.

4

Mit ihrer Revision wendet sich die Klägerin gegen das Urteil des LSG. Verfahrensrechtlich sei zu beanstanden, dass das LSG pauschal für alle Behandlungsfälle davon ausgehe, die BAK- und CRP-Bestimmungen seien im Rahmen der Notfallversorgung nicht erforderlich gewesen. Tatsachenfeststellungen mit ausreichender Sachkunde für jeden Einzelfall habe das LSG nicht getroffen. Medizinische Sachkunde hätte das Gericht nur mit Hilfe der ehrenamtlichen Richter und deren Analyse der Behandlungsunterlagen haben können, die dafür die dem Gericht vorgelegten fünf Aktenordner hätten durchsehen müssen. Indessen sei die Beratungszeit des Gerichts so kurz gewesen, dass die ehrenamtlichen Richterinnen weder die umfänglichen Unterlagen hätten durchsehen noch dem Spruchkörper insgesamt ihre Erkenntnisse hätten spezifiziert vermitteln können. Den Inhalt der Aktenordner habe das Gericht auch nicht in der erforderlichen Weise in das Verfahren eingeführt und zum Gegenstand der Verhandlung gemacht. Ferner seien die Prozessbeteiligten nicht in der gebotenen Art über die Sachkunde der ehrenamtlichen Richter informiert worden; substantielle Informationen über ihre Qualifikation habe das Gericht nicht gegeben. Die in die Sitzungsniederschrift aufgenommene, lediglich pauschale Erklärung der ehrenamtlichen Richterinnen, dass sie Notfalldienst sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich verrichtet hätten sowie nach ihrer Auffassung die Bestimmung des BAK und des CRP nicht zu der im Rahmen der Notfallversorgung gebotenen Diagnostik gehöre und ihnen Ausnahmesituationen nicht ersichtlich seien, reiche nicht aus. Ein Verfahrensfehler liege schließlich auch darin, dass das Gericht dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht gefolgt sei, den sie - die Klägerin - in der mündlichen Verhandlung des LSG hilfsweise gestellt habe. Diesem Hilfsantrag hätte das LSG mangels eigener Sachkunde folgen müssen, da grundlegende, schwierige Fragen medizinischer Art in einer großen Zahl von Fällen angestanden hätten. Auch inhaltlich sei die Entscheidung des LSG zu beanstanden. Dieses hätte differenzieren müssen zwischen den Laboruntersuchungen, die das Krankenhaus auf Anforderung der in der Notfallpraxis diensthabenden Ärzte vorgenommen habe (Auftragsleistungen), und solchen Laboruntersuchungen, die das Krankenhaus durch eigenes Personal veranlasst habe. Der vom LSG angewendete Grundsatz, dass der Leistungserbringer bei Fehlen der Erforderlichkeit einer Untersuchung keinen Anspruch auf Vergütung habe, möge zutreffen, soweit das Krankenhaus die Laboruntersuchungen durch eigenes Personal veranlasst habe, nicht jedoch insoweit, als die in der Notfallpraxis diensthabenden, von der KÄV gestellten Ärzte die Untersuchungen in Auftrag gegeben hätten. Dies seien Auftragsleistungen, bei denen das Vergütungsrisiko nicht den Auftragnehmer, sondern den Auftraggeber treffe. An diesen müsse sich die Beklagte halten; dh sie müsse ggf den Arzt, der den Notfalldienst versehen habe, in Regress nehmen. Bei Auftragsleistungen sei deren Rechtmäßigkeit grundsätzlich nicht vom Auftragnehmer zu prüfen und zu verantworten.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. November 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 4. April 2007 aufzuheben und die Beklagte - unter Aufhebung ihrer Honorarversagung vom 4. April 2005 für die Leistungen nach Nr 4066 und 4365 EBM-Ä aF in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2005 - zu verurteilen, die gestrichenen Leistungen der Nr 4066 und 4365 EBM-Ä aF nachzuvergüten,

hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Verfahrensrügen für verfehlt. Maßgebliche Entscheidungsgrundlage des LSG seien nicht die fünf Aktenordner gewesen, sondern dessen Erkenntnis, dass die BAK- und CRP-Bestimmungen nicht zur Erstversorgung im Rahmen des Notfalldienstes gehörten. Hierbei bedürfe es weder der Überprüfung der Einzelfälle noch besonderer Sachkunde. Es komme auch deshalb nicht auf den Inhalt der Aktenordner an, weil sich wesentliche Fallunterlagen auch in ihrer - der Beklagten - Verwaltungsakte befänden, die das LSG ausweislich des Tatbestands seines Urteils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht habe. Im Übrigen liege diesem Urteil auch nicht nur die Überzeugung der ehrenamtlichen Richter, sondern diejenige des gesamten Spruchkörpers zugrunde, wie das Urteil belege, das sich ausdrücklich auf die "Überzeugung des Senats" berufe. Ferner habe das LSG zu Recht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen, da nur standardmäßige Klärungen angestanden hätten. Schließlich seien auch die inhaltlichen Beanstandungen der Klägerin unberechtigt. Die entscheidende Frage, wen das Vergütungsrisiko bei Auftragsleistungen treffe - den Auftraggeber oder den Auftragnehmer -, sei durch die Rechtsprechung des BSG geklärt. Danach sei die KÄV zur Richtigstellung der Abrechnung des Auftragnehmers berechtigt, wenn dieser den Auftrag wegen erkennbarer Unwirtschaftlichkeit hätte ablehnen müssen. Ein solcher Fall habe hier vorgelegen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin, mit der sie ihr Begehren nach Honorierung aller BAK- und CRP-Laboruntersuchungen im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage weiterverfolgt (unten 1.), hat nur teilweise Erfolg. Soweit (Krankenhaus-)Ärzte im Rahmen des dem Krankenhaus obliegenden Notfalldienstes BAK- und CRP-Laboruntersuchungen anforderten, lehnt die Beklagte es zu Recht ab, sie dem Krankenhaus bzw seinem Träger zu vergüten; denn solche Untersuchungen überschreiten grundsätzlich den Rahmen einer Notfall-Erstversorgung (unten 2.). Soweit den Laboruntersuchungen indessen Zielaufträge von solchen Ärzten an das Krankenhauslabor zugrunde lagen, die im Rahmen des von der beklagten KÄV organisierten Notfalldienstes tätig waren, durfte die Beklagte dem Krankenhaus bzw seinem Träger das Honorar nicht versagen; denn in diesen Fällen war das Krankenhaus(labor) nur der Auftragnehmer einer Überweisung, der die Rechtmäßigkeit der angeforderten Leistung grundsätzlich nicht zu verantworten hat (unten 3.).

9

1. Die Klägerin hat mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG die richtige Klageart gewählt; denn sie wendet sich gegen sog quartalsgleiche Richtigstellungen, nämlich gegen sachlich-rechnerische Richtigstellungen, die die Beklagte sogleich im Zusammenhang mit der Erteilung des Quartalshonorarbescheids vornahm: Die Klägerin macht gegenüber dieser Honorar-Teilversagung zu Recht im Wege der Leistungsklage, verbunden mit der Anfechtungsklage gegen den teilweise ablehnenden Bescheid, das versagte Honorar geltend (zur Klageart vgl BSG vom 10.12.2008 - B 6 KA 66/07 R - Juris RdNr 14; Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann , jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106a RdNr 39 iVm 44).

10

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung der BAK- und CRP-Bestimmungen in den Fällen, in denen diese Laborwerte von Ärzten angefordert wurden, die im Auftrag der Klägerin den Notfalldienst versahen.

11

a) Der Notfalldienst war - wie vom LSG ausgeführt - in der Vereinbarung vom 13.12.2002/ 6.1.2003 zwischen beiden aufgeteilt. Während der sog Öffnungszeiten (§ 1 Abs 1 des Vertrags: MoDiDo 19-23, MiFr 13-23, SaSo und feiertags 8-24 Uhr) oblag es der Beklagten, die Notfallpraxis betriebsfähig mit Personal auszustatten (§ 1 Abs 2 Satz 1 des Vertrags); in den übrigen Zeiten - also ab 23 bzw ab 24 Uhr - oblag dies dem Krankenhaus, das auch das ärztliche Personal zur Verfügung stellte (§ 1 Abs 1 Satz 2 iVm Abs 2 des Vertrags). Auch während der Zeiten, in denen der Beklagten die Organisation oblag, konnten bei Bedarf bzw auf Wunsch die am Krankenhaus angestellten Ärzte im Rahmen einer Nebentätigkeit(serlaubnis) in der Notfallpraxis mitarbeiten (§ 2 Abs 2 des Vertrags). Für den Fall, dass der in der Notfallpraxis diensthabende Arzt Leistungen wie Röntgen- und Laboruntersuchungen, die nicht in der Notfallpraxis durchgeführt werden konnten, für notfallmäßig erforderlich hielt, konnte er diese Leistungen vom Krankenhaus beziehen und dieses sie nach Muster 19 der bundeseinheitlich geltenden Vordruckvereinbarung bei der Beklagten abrechnen (§ 4 Abs 5 des Vertrags). Vorgesehen war ferner, dass das Krankenhaus auch die durch eigenes ärztliches Personal erbrachten Notfallleistungen einschließlich der weiteren Leistungen wie Röntgen- und Laborleistungen direkt mit der Beklagten abrechne (§ 4 Abs 6 des Vertrags mit einer gemäß Satz 3 auf 90 % abgesenkten Vergütung).

12

Diesem Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten lag ein dreiseitiger Vertrag gemäß § 115 Abs 1 iVm Abs 2 Satz 1 Nr 3 und 5 SGB V zugrunde, der am 10.5.1994 zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen sowie den KÄVen Nordrhein und Westfalen-Lippe sowie der Landeskrankenhausgesellschaft abgeschlossen worden war. In § 2 Abs 3 dieses Vertrags war vorgegeben, die Einzelheiten der Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes in einem weiteren Vertrag gemäß § 115 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V zu regeln, wie ihn die Klägerin und die beklagte KÄV dann auch am 13.12.2002/6.1.2003 abgeschlossen hatten.

13

b) Der Abrechnungsanspruch des Krankenhauses gegenüber der Beklagten gemäß § 4 Abs 5 und 6 des Vertrags vom 13.12.2002/6.1.2003 galt nur für "notfallmäßig erforderliche Leistungen wie Röntgen- oder Laboruntersuchungen, die nicht in der Notfallpraxis vorgehalten werden". Danach hatte die Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung, wenn (aa) Leistungen den Rahmen einer Notfall-Erstversorgung überschritten und (bb) das Krankenhaus dies zu verantworten hatte. In diesem Fall war die Beklagte berechtigt, dem Krankenhaus die Vergütung zu versagen; dh sie durfte insoweit die Honoraranforderung des Krankenhauses sachlich-rechnerisch richtigstellen.

14

aa) Eine Überschreitung des Rahmens einer Notfall-Erstversorgung war im Fall der Anforderungen der BAK- und CRP-Laboruntersuchungen gegeben.

15

Der Notfalldienst ist - nur - auf die Notfall-Erstversorgung ausgerichtet: Der Arzt darf nicht mehr Leistungen erbringen und verordnen, als es dem Rahmen der Notfall-Erstversorgung entspricht. Behandlungen im Rahmen des Notfalldienstes haben sich auf die Erstversorgung zu beschränken; sie sind darauf zu konzentrieren, Gefahren für Leib und Leben sowie unzumutbaren Schmerzen der Patienten zu begegnen sowie die Notwendigkeit einer stationären Behandlung abzuklären (vgl hierzu und zum Folgenden BSG vom 17.9.2008 - SozR 4-2500 § 75 Nr 10 RdNr 18 zur Abrechenbarkeit der Leistung der Fremdanamnese im Notfalldienst). Der Behandlungsumfang ist beschränkt auf die Maßnahmen, die bis zum erneuten Einsetzen der Regelversorgung in den üblichen Sprechstundenzeiten erforderlich sind (BSG aaO RdNr 18 mwN; ebenso auch BSG vom 5.2.2003, SozR 4-2500 § 75 Nr 1 RdNr 6 und 14) . Der Umfang der Diagnostik ist auf die Erstversorgung des Patienten ausgerichtet. Befunde, die dazu nicht benötigt werden, sind im Notfalldienst nicht zu erheben. Das schließt prinzipiell weder Röntgen- noch Laboruntersuchungen aus, begrenzt diese indessen vom Ziel der sofortigen, aber oft nur zeitlich begrenzten Behandlung her auf Maßnahmen, die bis zum Übergang des Patienten in die ambulante oder stationäre Regelversorgung unerlässlich sind. Der medizinische Bedarf für die Erstversorgung und nicht die medizinische Infrastruktur der Praxis, in der der Notfalldienst angeboten wird, bestimmen den Umfang der Diagnostik. So kann ein vollwertiger Notfalldienst nach wie vor in Arztpraxen durchgeführt werden, in denen - wenn überhaupt - nur einfache Laboruntersuchungen sofort ausgeführt werden können. Schon deshalb kann eine umfangreiche Labordiagnostik nicht zur Basisversorgung im organisierten Notfalldienst gehören.

16

Entsprechend diesen Abgrenzungen gehören BAK- und CRP-Laboruntersuchungen - jedenfalls im Regelfall - nicht zur Notfall-Erstversorgung. Sie sind für die Erstversorgung in der Regel medizinisch nicht erforderlich und sinnvoll. Die Ausprägung einer Alkoholintoxikation kann im Allgemeinen und typischerweise auch ohne BAK-Bestimmung anhand spezifischer Symptome zuverlässig und für die Notfallversorgung ausreichend festgestellt werden, wie das LSG dargelegt hat (vgl dort unter Hinweis auf Schmidt/Gastpar/Falkai/Gaebel, Evidenzbasierte Suchtmedizin, 2006, S 30). Regelmäßig reichen Anamnese und körperliche Untersuchung aus, um eine Akutbehandlung durchzuführen bzw die Notwendigkeit einer stationären Behandlung zu erkennen. Auch die Bestimmung des C-reaktiven Proteins gemäß Nr 4365 EBM-Ä aF überschreitet - jedenfalls im Regelfall - den Rahmen der Notfall-Erstversorgung. Eine solche Laborbestimmung geht schon vom zeitlichen Ablauf her über eine Notfall-Erstversorgung hinaus, denn ihr Ergebnis liegt erst nach Stunden vor. Für die Einbeziehung in die Notfall-Erstversorgung kann deshalb auch nicht angeführt werden, dass durch eine solche Untersuchung festgestellt werden kann, ob einem Entzündungsprozess eine bakterielle - mit Antibiotika behandelbare - oder eine virale Infektion zugrunde liegt (vgl Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 2012, 263. Aufl 2011, unter dem Stichwort "CRP"), und so vermieden werden kann, unter Umständen unnötigerweise - wenn nämlich eine Virusinfektion vorliegt - Antibiotika zu verordnen.

17

Der Senat hält nicht für völlig ausgeschlossen, dass in besonders gelagerten Einzelfällen die für den Notfalldienst verantwortlichen Ärzte die Bestimmung der BAK und/oder des CRP auch für die Erstversorgung eines Patienten für erforderlich halten können. Wegen des Ausnahmecharakters solcher Fälle müssten die insoweit maßgeblichen medizinischen Diagnosen jedenfalls für die Abrechnungsprüfung erkennbar sein. Bereits aus der Anforderung der BAK- bzw CRP-Bestimmung beim Krankenhauslabor oder aus der Dokumentation über die Notfallbehandlung - anhand der dokumentierten Befunde und/oder Diagnose - müssten sich die für diese ungewöhnliche Diagnostik im Notfalldienst maßgeblichen Umstände ergeben; möglicherweise würde es auch ausreichen, wenn die nähere Begründung im Verfahren des Widerspruchs gegen die sachlich-rechnerische Richtigstellung nachgeliefert wird. Jedenfalls darf eine solche Substantiierung vom Leistungserbringer im Notfalldienst bei der Erbringung normalerweise nur zur Regelversorgung gehöriger Leistungen gefordert werden; denn nur er ist in der Lage, die Umstände zu schildern, aus denen sich die Besonderheit des Falles ergeben könnte (zu vergleichbaren Substantiierungsanforderungen vgl die Senats-Rechtsprechung zur Wirtschaftlichkeitsprüfung zB BSG vom 21.3.2012 - B 6 KA 17/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 40 ff und BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 78/11 B - RdNr 8).

18

Dieser Darlegungsobliegenheit hat die Klägerin hier nicht genügt. Zu keinem der zahlreichen Fälle, in denen die BAK und/oder das CRP bestimmt worden sind, hat die Klägerin substantiiert mit der Abrechnung oder im Widerspruchsverfahren geltend gemacht, weshalb konkret trotz der jeder Notfallversorgung immanenten Beschränkung die umstrittenen Laboruntersuchungen durchgeführt werden mussten. Auch das LSG hat dahingehenden Feststellungen nicht getroffen (zu den Verfahrensrügen der Klägerin gegen das Vorgehen des LSG vgl unten RdNr 21).

19

Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Klärung, ob und unter welchen Voraussetzungen die Bestimmung des CRP als serologische Untersuchung (chemischer Nachweis) nach Nr 3850 des Abschnitts O I/II EBM-Ä aF im Notfalldienst erbracht werden kann. Zumindest liegt das Ergebnis dieser Bestimmung, die geringere Aussagekraft als die Untersuchung nach Nr 4365 des Abschnitts O III EBM-Ä aF hat, sofort vor, und deshalb kann allein diese Bestimmung für die Erstversorgung relevant sein. Die Leistung nach Nr 3850 aaO wird jedoch nach einem gänzlich anderen Verfahren erbracht als diejenige nach Nr 4365 EBM-Ä aF. Daher erfüllt die Bestimmung nach diesem Leistungstatbestand nicht (auch) den Tatbestand der Nr 3850 EBM-Ä aF. Dies schließt eine - hypothetische - Umwandlung der Ansätze nach Nr 4365 in solche nach Nr 3850 EBM-Ä aF aus.

20

bb) Die Verantwortung für die mithin unzulässigen Anforderungen von BAK- und CRP-Laboruntersuchungen trifft die Klägerin, soweit (Krankenhaus-)Ärzte im Rahmen des dem Krankenhaus obliegenden Notfalldienstes solche Laboruntersuchungen anforderten. Soweit die Organisation des Notfalldienstes dem Krankenhaus der Klägerin oblag (ab 23 bzw 24 Uhr, vgl oben 2. a ) , war die Tätigkeit der diensthabenden Ärzte in Anwendung des § 278 BGB dem Krankenhaus zuzurechnen; deshalb war die Beklagte berechtigt, dem Krankenhaus bzw seinem Träger das Honorar für alle diejenigen Leistungen zu versagen, die über die Notfall-Erstversorgung hinausgingen. Insoweit sind die vorinstanzlichen Feststellungen inhaltlich zutreffend.

21

c) Gegenüber diesem Ergebnis greifen die verfahrensrechtlichen Einwendungen, die die Klägerin erhoben hat, nicht durch. Ihre Ansicht, für Feststellungen zur (Nicht-)Erforderlichkeit von BAK- und CRP-Bestimmungen im Notfalldienst bedürfe es besonderer medizinischer Sachkunde - und diese müsse nicht nur bei den ehrenamtlichen Richtern, sondern bei dem Spruchkörper insgesamt vorliegen und auch im Einzelnen spezifiziert werden -, trifft nicht zu. Vielmehr kann die Beurteilung, ob solche Laborbestimmungen sich noch im Rahmen der Notfall-Erstversorgung halten oder ob sie darüber hinausgehen, anhand allgemein zugänglicher medizinischer Erkenntnisse erfolgen, für die es keiner größeren ärztlichen Sachkunde bedarf, als sie ohnehin jeder kassenarztrechtliche Spruchkörper schon aufgrund seiner Zusammensetzung gemäß § 12 Abs 3 SGG hat(vgl zur revisionsgerichtlichen Feststellung genereller Tatsachen zB BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 76; BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 55 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

22

Hieraus folgt zugleich, dass für das LSG kein Anlass bestanden hat, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Weiterhin ergibt sich für die Rüge der Klägerin, das LSG und seine ehrenamtlichen Richterinnen hätten die ihm vorgelegten Aktenordner auswerten müssen, dies aber nicht getan, die Folgerung, eine solche Auswertung hätte weder für das Verfahrensergebnis des LSG noch für das Revisionsverfahren Relevanz haben können; ein Verfahrensmangel lag mithin insoweit nicht vor (vgl § 164 Abs 2 Satz 3 SGG).

23

3. Klage und Revision der Klägerin sind indessen insoweit begründet, als BAK- und CRP-Laboruntersuchungen betroffen sind, denen Zielaufträge von solchen Ärzten an das Krankenhauslabor zugrunde lagen, die im Rahmen des von der beklagten KÄV organisierten Notfalldienstes tätig waren (MoDiDo 19-23, MiFr 13-23, SaSo und feiertags 8-24 Uhr, vgl oben 2. a ) . In solchen Fällen darf die Beklagte dem Krankenhaus das Honorar nicht versagen; denn insoweit waren die Aufträge nicht vom Krankenhaus zu verantworten, sondern von den Ärzten, die im Rahmen der Verantwortung der beklagten KÄV den Notfalldienst versahen. In diesen Fällen war das Krankenhaus(labor) nur der Auftragnehmer einer Überweisung, diesen trifft im Regelfall keine Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der angeforderten Leistungen.

24

a) Werden Zielaufträge von Ärzten, die im Rahmen des von der beklagten KÄV organisierten Notfalldienstes tätig sind, an das Krankenhaus(labor) gerichtet, so sind Auftraggeber und Auftragnehmer verschiedene Personen bzw Institutionen; insofern liegt es anders als in der oben unter 2. b bb dargelegten Konstellation. Dann bestimmen sich die Verantwortlichkeiten nach den Grundsätzen über Auftragsleistungen, die sich aus § 24 Bundesmantelvertrag-Ärzte, § 27 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen ergeben und die der Senat in seinem Urteil vom 8.7.1981 ausführlich dargestellt hat und an denen er weiterhin festhält (BSG vom 8.7.1981 - 6 RKa 3/79 - USK 81 118 S 475 ff = Juris RdNr 17 ff).

25

Nach diesen Grundsätzen ist im Falle eines gezielten Überweisungsauftrags - auch Zielauftrag genannt in Abgrenzung von Überweisungen zur Weiter- oder Mitbehandlung - der Auftragnehmer, der die vom Auftraggeber angeforderte Leistung erbringt, an den Überweisungsauftrag gebunden. Er darf nicht weniger und nicht mehr leisten, als sich aus dem Überweisungsauftrag ergibt (BSG aaO S 476-478 = Juris RdNr 22-25). Er darf nur dann mehr erbringen, als in dem zunächst erteilten Zielauftrag angegeben wurde, wenn dieser vom überweisenden Arzt vor der Auftragsausführung - evtl fernmündlich - erweitert worden ist (BSG aaO S 479 = Juris RdNr 28), bzw bei dessen Nichterreichbarkeit unter Umständen dann, wenn Dringlichkeit besteht und der Auftragnehmer den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde; und er muss dem Auftraggeber die Erweiterung anzeigen (vgl aaO S 478 = Juris RdNr 26). Die grundsätzliche Bindung an den Überweisungsauftrag hat zur Folge, dass der Auftragnehmer, wenn er mehr Leistungen erbringt als angefordert - außer in den genannten Sonderfällen nachträglicher Erweiterung oder der Dringlichkeit -, dafür keine Vergütung beanspruchen kann (vgl BSG aaO S 478 = Juris RdNr 25: "eigenmächtig über den erteilten Auftrag hinaus"). Weniger Leistungen erbringen als angefordert darf er ebenfalls grundsätzlich nicht; die Verantwortung für Inhalt und Umfang des Überweisungsauftrags hat der Auftraggeber (BSG aaO S 477 und 478 bzw RdNr 23 aE und 25 aE). Den Auftragnehmer trifft grundsätzlich keine Pflicht zur Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Umfangs des Auftrags. Dementsprechend hat er auch dann Anspruch auf Vergütung, wenn der Auftrag zu weit greift, zB nicht mehr vom Versorgungsauftrag gedeckt oder unwirtschaftlich ist.

26

Eine (Mit-)Verantwortung des Auftragnehmers kann nur dann in Betracht kommen, wenn sich ihm nach seinem Kenntnis- und Erfahrungsstand hätte aufdrängen müssen, dass der Auftraggeber außerhalb seines Versorgungsauftrags handelte oder eine medizinisch nicht sachgerechte oder nicht notwendige Leistung anforderte. In einem solchen Fall kann bzw muss der Auftragnehmer aufgrund der auch ihm selbst obliegenden Sorgfaltspflicht die Ausführung des Auftrags ablehnen (Fortführung von BSG vom 8.7.1981 aaO S 477 = Juris RdNr 25).

27

Die grundsätzliche Bindung des Empfängers an einen Zielauftrag gilt auch im Rahmen des organisierten Notfalldienstes. Soweit dieser von der KÄV organisiert wird, erteilen die Ärzte, die in der Notfallambulanz tätig werden, dem Krankenhaus Aufträge. Dabei ist zwischen der Verantwortung der Ärzte, die im von der KÄV organisierten Notfalldienst tätig werden, und denjenigen des Krankenhauses zu trennen. Wenn und soweit die Verantwortung bei der KÄV liegt, sind die von ihr eingesetzten Ärzte Auftraggeber und das Krankenhaus(labor) - nur - Auftragnehmer. Für den Umfang des Auftrags trägt der Arzt die Verantwortung, der die Laborleistungen beim Krankenhaus anfordert, und nicht das ausführende Krankenhaus. Dessen Anspruch auf Vergütung der auftragsgemäß erbrachten Leistungen kann grundsätzlich nicht entgegengesetzt werden, der Auftrag hätte so nicht erteilt werden dürfen.

28

b) Eine solche Konstellation mit dem Krankenhaus(labor) als Auftragnehmer war hier nicht nur dann gegeben, wenn ein Vertragsarzt den Notfalldienst für die KÄV wahrnahm und Laboruntersuchungen in Auftrag gab, sondern auch dann, wenn im Rahmen des von der KÄV organisierten Dienstes - dh in den Zeiten MoDiDo 19-23, MiFr 13-23, SaSo und feiertags 8-24 Uhr - ein Krankenhausarzt tätig war; dieser übte dann eine Nebentätigkeit aus (s § 2 Abs 2 des Vertrags vom 13.12.2002/6.1.2003: "im Rahmen einer Nebentätigkeitserlaubnis"), war also gerade nicht als Krankenhausarzt tätig. Dementsprechend war auch in dieser Konstellation der handelnde Arzt der Auftraggeber für die Laboruntersuchungen und das Krankenhaus lediglich Auftragnehmer.

29

Eine Ausnahmesituation, in der es sich dem Krankenhaus(labor) aufdrängen musste, dass die den Notfalldienst versehenden Ärzte die Bestimmung der BAK und/oder des CRP im Rahmen der Erstversorgung der Patienten nicht hätten in Auftrag geben dürfen, lag nicht vor. Die Mitarbeiter des Labors, bei denen die Bestimmung von Laborparametern angefordert wird, haben typischerweise keine Kenntnis von der akuten gesundheitlichen Situation des Patienten und von den Überlegungen, die den Arzt zur Anforderung der Werte veranlasst haben. Sie müssen den Auftrag zügig umsetzen und sich grundsätzlich darauf verlassen, dass diesem eine zumindest vertretbare medizinische Indikation zugrunde liegt. Das ist hinsichtlich der Bestimmung der BAK und des CRP auch im Notfalldienst - wie ausgeführt (RdNr 17) - nicht schlechthin ausgeschlossen. Weiterhin sind Fälle denkbar, in denen der Arzt im Notfalldienst die Bestimmung der BAK (auch) aus forensischen Gründen anfordert oder das CRP bestimmen lässt, weil er sich noch nicht schlüssig ist, ob er den Patienten stationär aufnehmen soll. Das alles können die Mitarbeiter des Labors weder wissen, noch müssen sie es aufklären. Sie müssen im Grundsatz Laboraufträge ausführen, ohne ständig befürchten zu müssen, sich gegenüber ihrem Arbeitgeber für die Ausführung eines Auftrags rechtfertigen zu müssen, weil dieser nachträglich als nicht erforderlich beurteilt wird. Solange Laborbestimmungen angefordert werden, die ihrer Art nach generell medizinisch erforderlich sein können, und keine Anhaltspunkte für ein interessengeleitetes Zusammenwirken von Auftraggeber und Labor bestehen, bleibt die Verantwortung für die Anforderung von Laborleistungen beim Auftraggeber.

30

Daraus ergibt sich für alle Fallkonstellationen eines Zielauftrags des für den von der KÄV organisierten Notfalldienst tätigen Arztes an das Krankenhauslabor, BAK- und/oder CRP-Laboruntersuchungen vorzunehmen, die Folgerung, dass das Krankenhaus Anspruch auf Vergütung der Laboruntersuchungen hat. Die von der Beklagten vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen und die darauf gestützte Vergütungsversagung waren rechtswidrig; Klage und Revision haben insoweit Erfolg.

31

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Wegen des teilweisen Obsiegens und teilweisen Unterliegens sind die Kosten gemäß § 155 Abs 1 Satz 1 VwGO verhältnismäßig zu teilen. Mangels näherer Feststellungen der Vorinstanzen hat der Senat die Gewichte des Unterliegens und des Obsiegens als ungefähr gleichwertig angenommen. Eine dem vergleichbare Relation haben auch die Angaben der Klägerin und der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ergeben; diese haben die Summen der von der KÄV und der vom Krankenhaus zu verantwortenden BAK- und CRP-Laboruntersuchungen ebenfalls als ungefähr gleich hoch geschätzt. Sie stimmten darin überein, dass nicht mehr feststellbar ist, wie das wirkliche Verhältnis der Summen zueinander im Quartal IV/2004 war.

(1) Die Wirtschaftlichkeit der erbrachten ärztlichen Leistungen kann auf begründeten Antrag einer einzelnen Krankenkasse, mehrerer Krankenkassen gemeinsam oder der Kassenärztlichen Vereinigung arztbezogen durch die jeweilige Prüfungsstelle nach § 106c geprüft werden. Die Prüfung kann neben dem zur Abrechnung vorgelegten Leistungsvolumen auch Überweisungen sowie sonstige veranlasste ärztliche Leistungen, insbesondere aufwändige medizinisch-technische Leistungen umfassen; honorarwirksame Begrenzungsregelungen haben keinen Einfluss auf die Prüfungen.

(2) Veranlassung für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Absatz 1 besteht insbesondere

1.
bei begründetem Verdacht auf fehlende medizinische Notwendigkeit der Leistungen (Fehlindikation),
2.
bei begründetem Verdacht auf fehlende Eignung der Leistungen zur Erreichung des therapeutischen oder diagnostischen Ziels (Ineffektivität),
3.
bei begründetem Verdacht auf mangelnde Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihre fachgerechte Erbringung (Qualitätsmangel), insbesondere in Bezug auf die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses enthaltenen Vorgaben,
4.
bei begründetem Verdacht auf Unangemessenheit der durch die Leistungen verursachten Kosten im Hinblick auf das Behandlungsziel oder
5.
bei begründetem Verdacht, dass Leistungen des Zahnersatzes und der Kieferorthopädie unvereinbar mit dem Heil- und Kostenplan sind.

(3) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren bis zum 30. November 2019 das Nähere zu den Voraussetzungen nach Absatz 2 in Rahmenempfehlungen. Die Rahmenempfehlungen sind bei den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigen.

(4) Die in § 106 Absatz 1 Satz 2 genannten Vertragspartner können über die Prüfung nach Absatz 1 hinaus Prüfungen ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 oder Absatz 3 getroffen, dürfen bei Ärzten der betroffenen Arztgruppe keine Prüfungen nach Durchschnittswerten durchgeführt werden. In den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 sind die Zahl der je Quartal höchstens zu prüfenden Ärzte in einer Kassenärztlichen Vereinigung sowie im Rahmen der Prüfungen nach Absatz 1 und der Prüfungen nach Satz 1 als Kriterien zur Unterscheidung Praxisbesonderheiten festzulegen, die sich aus besonderen Standort- und Strukturmerkmalen des Leistungserbringers oder bei besonderen Behandlungsfällen ergeben. Die Praxisbesonderheiten sind vor Durchführung der Prüfungen als besonderer Versorgungsbedarf durch die Prüfungsstellen anzuerkennen; dies gilt insbesondere auch bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Besuchsleistungen.

(1) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Krankenhausträger im Land gemeinsam Verträge mit dem Ziel, durch enge Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten und zugelassenen Krankenhäusern eine nahtlose ambulante und stationäre Behandlung der Versicherten zu gewährleisten.

(2) Die Verträge regeln insbesondere

1.
die Förderung des Belegarztwesens und der Behandlung in Einrichtungen, in denen die Versicherten durch Zusammenarbeit mehrerer Vertragsärzte ambulant und stationär versorgt werden (Praxiskliniken),
2.
die gegenseitige Unterrichtung über die Behandlung der Patienten sowie über die Überlassung und Verwendung von Krankenunterlagen,
3.
die Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes; darüber hinaus können auf Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen ergänzende Regelungen zur Vergütung vereinbart werden,
4.
die Durchführung einer vor- und nachstationären Behandlung im Krankenhaus nach § 115a einschließlich der Prüfung der Wirtschaftlichkeit und der Verhinderung von Mißbrauch; in den Verträgen können von § 115a Abs. 2 Satz 1 bis 3 abweichende Regelungen vereinbart werden,
5.
die allgemeinen Bedingungen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus,
6.
ergänzende Vereinbarungen zu Voraussetzungen, Art und Umfang des Entlassmanagements nach § 39 Absatz 1a.
Sie sind für die Krankenkassen, die Vertragsärzte und die zugelassenen Krankenhäuser im Land unmittelbar verbindlich.

(3) Kommt ein Vertrag nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei das zuständige sektorenübergreifende Schiedsgremium gemäß § 89a.

(3a) (weggefallen)

(4) Kommt eine Regelung nach Absatz 1 bis 3 bis zum 31. Dezember 1990 ganz oder teilweise nicht zustande, wird ihr Inhalt durch Rechtsverordnung der Landesregierung bestimmt. Eine Regelung nach den Absätzen 1 bis 3 ist zulässig, solange und soweit die Landesregierung eine Rechtsverordnung nicht erlassen hat.

(5) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam sollen Rahmenempfehlungen zum Inhalt der Verträge nach Absatz 1 abgeben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. November 2010 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 4. April 2007 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 4. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2005 wird aufgehoben, soweit Laborleistungen in Behandlungsfällen betroffen sind, bei denen der Notfalldienst nicht von der Klägerin versehen wurde.

Im Übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens für alle Rechtszüge je zur Hälfte.

Tatbestand

1

Streitig sind sachlich-rechnerische Richtigstellungen wegen Abrechnung von Laboruntersuchungen als Notfallleistungen im Quartal IV/2004.

2

Die ambulante Notfallversorgung wurde in der hier betroffenen Region im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) in Räumlichkeiten des Krankenhauses der Klägerin durchgeführt. Den Notfalldienst versahen auf der Grundlage eines Vertrages zwischen der Beklagten und der Klägerin - der Trägerin des Krankenhauses - zum Teil Vertragsärzte und zum anderen Teil Ärzte des Krankenhauses. In dem Vertrag war unter anderem geregelt, dass die diensthabenden Notfallärzte die notfallmäßig erforderlichen Röntgen- und Laboruntersuchungen, soweit diese nicht in der Notfallpraxis vorgehalten werden, vom Krankenhaus beziehen, das sie von der Beklagten vergütet erhält (Vertrag vom 13.12.2002/6.1.2003).

3

Die von der Klägerin bei der Beklagten eingereichte Abrechnung für das Quartal IV/2004 enthielt unter anderem Ansätze der Nr 4066 (Bestimmung der Blutalkoholkonzentration - 12,80 Euro) und der Nr 4365 (Bestimmung des C-reaktiven Proteins - 5,40 Euro) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä aF, hier zugrunde gelegt in der damals geltenden Fassung) im Gesamtwert von ca 1715 Euro. Für diese Leistungen versagte die Beklagte die Vergütung, weil sie im Rahmen der Notfallversorgung nicht abrechenbar seien. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteile des SG vom 4.4.2007 und des LSG vom 17.11.2010). Im Urteil des LSG ist ausgeführt, im Rahmen von Notfallbehandlungen sei nur Gefahren für Leib und Leben sowie unzumutbaren Schmerzen der Patienten zu begegnen; dafür seien Bestimmungen des BAK und des CRP im Regelfall nicht erforderlich. Nach der Erkenntnis des Gerichts, gestützt auf die Sachkunde und Berufserfahrung seiner ehrenamtlichen Richter, könne die Ausprägung einer Alkoholintoxikation unabhängig von der BAK-Bestimmung anhand spezifischer Symptome zuverlässig und für die Notfallversorgung ausreichend festgestellt werden. Zumindest im Regelfall reichten Anamnese und körperliche Untersuchung für die Akutbehandlung bis zur Weiterbehandlung durch einen Vertragsarzt oder bis zum Einsetzen einer stationären Behandlung aus. Wertende Entscheidungen im Einzelfall zur näheren Aufklärung der Symptomatik, wie von der Klägerin geltend gemacht, ließen sich den Behandlungsunterlagen nicht entnehmen. Vielmehr sei die BAK routinemäßig bestimmt worden, zB auch dann, wenn der Alkoholabusus nur eine nicht maßgebliche Nebendiagnose gewesen sei - so bei epileptischem Anfall im Rahmen einer Entzugssymptomatik, bei Querschnittssymptomatik nach evtl alkoholbedingtem Fahrradunfall, bei Brustschmerz oder Bronchitis eines alkoholisierten Patienten - oder ohnehin eine stationäre Einweisung erfolgt sei, in deren Verlauf die BAK noch hätte bestimmt werden können - so im Fall des Verdachts auf psychogenen Krampfanfall und Alkoholhalluzinose -. In anderen Fällen sei die erfolgte BAK-Bestimmung nicht in den Behandlungsunterlagen dokumentiert und demgemäß überhaupt kein Anhaltspunkt für deren Erforderlichkeit erkennbar. Auch die Bestimmung des CRP gehe über den Rahmen der notfallmäßigen Erstversorgung hinaus. Eine Rechtfertigung dafür, diese Bestimmung routinemäßig schon im Rahmen der Notfallversorgung durchzuführen, wie dies die Internisten und Neurologen praktiziert hätten, bestehe nicht, und eine Erforderlichkeit im Einzelfall aus besonderem Anlass ergebe sich weder aus den Behandlungsunterlagen noch sei dies offenkundig.

4

Mit ihrer Revision wendet sich die Klägerin gegen das Urteil des LSG. Verfahrensrechtlich sei zu beanstanden, dass das LSG pauschal für alle Behandlungsfälle davon ausgehe, die BAK- und CRP-Bestimmungen seien im Rahmen der Notfallversorgung nicht erforderlich gewesen. Tatsachenfeststellungen mit ausreichender Sachkunde für jeden Einzelfall habe das LSG nicht getroffen. Medizinische Sachkunde hätte das Gericht nur mit Hilfe der ehrenamtlichen Richter und deren Analyse der Behandlungsunterlagen haben können, die dafür die dem Gericht vorgelegten fünf Aktenordner hätten durchsehen müssen. Indessen sei die Beratungszeit des Gerichts so kurz gewesen, dass die ehrenamtlichen Richterinnen weder die umfänglichen Unterlagen hätten durchsehen noch dem Spruchkörper insgesamt ihre Erkenntnisse hätten spezifiziert vermitteln können. Den Inhalt der Aktenordner habe das Gericht auch nicht in der erforderlichen Weise in das Verfahren eingeführt und zum Gegenstand der Verhandlung gemacht. Ferner seien die Prozessbeteiligten nicht in der gebotenen Art über die Sachkunde der ehrenamtlichen Richter informiert worden; substantielle Informationen über ihre Qualifikation habe das Gericht nicht gegeben. Die in die Sitzungsniederschrift aufgenommene, lediglich pauschale Erklärung der ehrenamtlichen Richterinnen, dass sie Notfalldienst sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich verrichtet hätten sowie nach ihrer Auffassung die Bestimmung des BAK und des CRP nicht zu der im Rahmen der Notfallversorgung gebotenen Diagnostik gehöre und ihnen Ausnahmesituationen nicht ersichtlich seien, reiche nicht aus. Ein Verfahrensfehler liege schließlich auch darin, dass das Gericht dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht gefolgt sei, den sie - die Klägerin - in der mündlichen Verhandlung des LSG hilfsweise gestellt habe. Diesem Hilfsantrag hätte das LSG mangels eigener Sachkunde folgen müssen, da grundlegende, schwierige Fragen medizinischer Art in einer großen Zahl von Fällen angestanden hätten. Auch inhaltlich sei die Entscheidung des LSG zu beanstanden. Dieses hätte differenzieren müssen zwischen den Laboruntersuchungen, die das Krankenhaus auf Anforderung der in der Notfallpraxis diensthabenden Ärzte vorgenommen habe (Auftragsleistungen), und solchen Laboruntersuchungen, die das Krankenhaus durch eigenes Personal veranlasst habe. Der vom LSG angewendete Grundsatz, dass der Leistungserbringer bei Fehlen der Erforderlichkeit einer Untersuchung keinen Anspruch auf Vergütung habe, möge zutreffen, soweit das Krankenhaus die Laboruntersuchungen durch eigenes Personal veranlasst habe, nicht jedoch insoweit, als die in der Notfallpraxis diensthabenden, von der KÄV gestellten Ärzte die Untersuchungen in Auftrag gegeben hätten. Dies seien Auftragsleistungen, bei denen das Vergütungsrisiko nicht den Auftragnehmer, sondern den Auftraggeber treffe. An diesen müsse sich die Beklagte halten; dh sie müsse ggf den Arzt, der den Notfalldienst versehen habe, in Regress nehmen. Bei Auftragsleistungen sei deren Rechtmäßigkeit grundsätzlich nicht vom Auftragnehmer zu prüfen und zu verantworten.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. November 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 4. April 2007 aufzuheben und die Beklagte - unter Aufhebung ihrer Honorarversagung vom 4. April 2005 für die Leistungen nach Nr 4066 und 4365 EBM-Ä aF in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2005 - zu verurteilen, die gestrichenen Leistungen der Nr 4066 und 4365 EBM-Ä aF nachzuvergüten,

hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Verfahrensrügen für verfehlt. Maßgebliche Entscheidungsgrundlage des LSG seien nicht die fünf Aktenordner gewesen, sondern dessen Erkenntnis, dass die BAK- und CRP-Bestimmungen nicht zur Erstversorgung im Rahmen des Notfalldienstes gehörten. Hierbei bedürfe es weder der Überprüfung der Einzelfälle noch besonderer Sachkunde. Es komme auch deshalb nicht auf den Inhalt der Aktenordner an, weil sich wesentliche Fallunterlagen auch in ihrer - der Beklagten - Verwaltungsakte befänden, die das LSG ausweislich des Tatbestands seines Urteils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht habe. Im Übrigen liege diesem Urteil auch nicht nur die Überzeugung der ehrenamtlichen Richter, sondern diejenige des gesamten Spruchkörpers zugrunde, wie das Urteil belege, das sich ausdrücklich auf die "Überzeugung des Senats" berufe. Ferner habe das LSG zu Recht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen, da nur standardmäßige Klärungen angestanden hätten. Schließlich seien auch die inhaltlichen Beanstandungen der Klägerin unberechtigt. Die entscheidende Frage, wen das Vergütungsrisiko bei Auftragsleistungen treffe - den Auftraggeber oder den Auftragnehmer -, sei durch die Rechtsprechung des BSG geklärt. Danach sei die KÄV zur Richtigstellung der Abrechnung des Auftragnehmers berechtigt, wenn dieser den Auftrag wegen erkennbarer Unwirtschaftlichkeit hätte ablehnen müssen. Ein solcher Fall habe hier vorgelegen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin, mit der sie ihr Begehren nach Honorierung aller BAK- und CRP-Laboruntersuchungen im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage weiterverfolgt (unten 1.), hat nur teilweise Erfolg. Soweit (Krankenhaus-)Ärzte im Rahmen des dem Krankenhaus obliegenden Notfalldienstes BAK- und CRP-Laboruntersuchungen anforderten, lehnt die Beklagte es zu Recht ab, sie dem Krankenhaus bzw seinem Träger zu vergüten; denn solche Untersuchungen überschreiten grundsätzlich den Rahmen einer Notfall-Erstversorgung (unten 2.). Soweit den Laboruntersuchungen indessen Zielaufträge von solchen Ärzten an das Krankenhauslabor zugrunde lagen, die im Rahmen des von der beklagten KÄV organisierten Notfalldienstes tätig waren, durfte die Beklagte dem Krankenhaus bzw seinem Träger das Honorar nicht versagen; denn in diesen Fällen war das Krankenhaus(labor) nur der Auftragnehmer einer Überweisung, der die Rechtmäßigkeit der angeforderten Leistung grundsätzlich nicht zu verantworten hat (unten 3.).

9

1. Die Klägerin hat mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG die richtige Klageart gewählt; denn sie wendet sich gegen sog quartalsgleiche Richtigstellungen, nämlich gegen sachlich-rechnerische Richtigstellungen, die die Beklagte sogleich im Zusammenhang mit der Erteilung des Quartalshonorarbescheids vornahm: Die Klägerin macht gegenüber dieser Honorar-Teilversagung zu Recht im Wege der Leistungsklage, verbunden mit der Anfechtungsklage gegen den teilweise ablehnenden Bescheid, das versagte Honorar geltend (zur Klageart vgl BSG vom 10.12.2008 - B 6 KA 66/07 R - Juris RdNr 14; Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann , jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106a RdNr 39 iVm 44).

10

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung der BAK- und CRP-Bestimmungen in den Fällen, in denen diese Laborwerte von Ärzten angefordert wurden, die im Auftrag der Klägerin den Notfalldienst versahen.

11

a) Der Notfalldienst war - wie vom LSG ausgeführt - in der Vereinbarung vom 13.12.2002/ 6.1.2003 zwischen beiden aufgeteilt. Während der sog Öffnungszeiten (§ 1 Abs 1 des Vertrags: MoDiDo 19-23, MiFr 13-23, SaSo und feiertags 8-24 Uhr) oblag es der Beklagten, die Notfallpraxis betriebsfähig mit Personal auszustatten (§ 1 Abs 2 Satz 1 des Vertrags); in den übrigen Zeiten - also ab 23 bzw ab 24 Uhr - oblag dies dem Krankenhaus, das auch das ärztliche Personal zur Verfügung stellte (§ 1 Abs 1 Satz 2 iVm Abs 2 des Vertrags). Auch während der Zeiten, in denen der Beklagten die Organisation oblag, konnten bei Bedarf bzw auf Wunsch die am Krankenhaus angestellten Ärzte im Rahmen einer Nebentätigkeit(serlaubnis) in der Notfallpraxis mitarbeiten (§ 2 Abs 2 des Vertrags). Für den Fall, dass der in der Notfallpraxis diensthabende Arzt Leistungen wie Röntgen- und Laboruntersuchungen, die nicht in der Notfallpraxis durchgeführt werden konnten, für notfallmäßig erforderlich hielt, konnte er diese Leistungen vom Krankenhaus beziehen und dieses sie nach Muster 19 der bundeseinheitlich geltenden Vordruckvereinbarung bei der Beklagten abrechnen (§ 4 Abs 5 des Vertrags). Vorgesehen war ferner, dass das Krankenhaus auch die durch eigenes ärztliches Personal erbrachten Notfallleistungen einschließlich der weiteren Leistungen wie Röntgen- und Laborleistungen direkt mit der Beklagten abrechne (§ 4 Abs 6 des Vertrags mit einer gemäß Satz 3 auf 90 % abgesenkten Vergütung).

12

Diesem Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten lag ein dreiseitiger Vertrag gemäß § 115 Abs 1 iVm Abs 2 Satz 1 Nr 3 und 5 SGB V zugrunde, der am 10.5.1994 zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen sowie den KÄVen Nordrhein und Westfalen-Lippe sowie der Landeskrankenhausgesellschaft abgeschlossen worden war. In § 2 Abs 3 dieses Vertrags war vorgegeben, die Einzelheiten der Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes in einem weiteren Vertrag gemäß § 115 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V zu regeln, wie ihn die Klägerin und die beklagte KÄV dann auch am 13.12.2002/6.1.2003 abgeschlossen hatten.

13

b) Der Abrechnungsanspruch des Krankenhauses gegenüber der Beklagten gemäß § 4 Abs 5 und 6 des Vertrags vom 13.12.2002/6.1.2003 galt nur für "notfallmäßig erforderliche Leistungen wie Röntgen- oder Laboruntersuchungen, die nicht in der Notfallpraxis vorgehalten werden". Danach hatte die Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung, wenn (aa) Leistungen den Rahmen einer Notfall-Erstversorgung überschritten und (bb) das Krankenhaus dies zu verantworten hatte. In diesem Fall war die Beklagte berechtigt, dem Krankenhaus die Vergütung zu versagen; dh sie durfte insoweit die Honoraranforderung des Krankenhauses sachlich-rechnerisch richtigstellen.

14

aa) Eine Überschreitung des Rahmens einer Notfall-Erstversorgung war im Fall der Anforderungen der BAK- und CRP-Laboruntersuchungen gegeben.

15

Der Notfalldienst ist - nur - auf die Notfall-Erstversorgung ausgerichtet: Der Arzt darf nicht mehr Leistungen erbringen und verordnen, als es dem Rahmen der Notfall-Erstversorgung entspricht. Behandlungen im Rahmen des Notfalldienstes haben sich auf die Erstversorgung zu beschränken; sie sind darauf zu konzentrieren, Gefahren für Leib und Leben sowie unzumutbaren Schmerzen der Patienten zu begegnen sowie die Notwendigkeit einer stationären Behandlung abzuklären (vgl hierzu und zum Folgenden BSG vom 17.9.2008 - SozR 4-2500 § 75 Nr 10 RdNr 18 zur Abrechenbarkeit der Leistung der Fremdanamnese im Notfalldienst). Der Behandlungsumfang ist beschränkt auf die Maßnahmen, die bis zum erneuten Einsetzen der Regelversorgung in den üblichen Sprechstundenzeiten erforderlich sind (BSG aaO RdNr 18 mwN; ebenso auch BSG vom 5.2.2003, SozR 4-2500 § 75 Nr 1 RdNr 6 und 14) . Der Umfang der Diagnostik ist auf die Erstversorgung des Patienten ausgerichtet. Befunde, die dazu nicht benötigt werden, sind im Notfalldienst nicht zu erheben. Das schließt prinzipiell weder Röntgen- noch Laboruntersuchungen aus, begrenzt diese indessen vom Ziel der sofortigen, aber oft nur zeitlich begrenzten Behandlung her auf Maßnahmen, die bis zum Übergang des Patienten in die ambulante oder stationäre Regelversorgung unerlässlich sind. Der medizinische Bedarf für die Erstversorgung und nicht die medizinische Infrastruktur der Praxis, in der der Notfalldienst angeboten wird, bestimmen den Umfang der Diagnostik. So kann ein vollwertiger Notfalldienst nach wie vor in Arztpraxen durchgeführt werden, in denen - wenn überhaupt - nur einfache Laboruntersuchungen sofort ausgeführt werden können. Schon deshalb kann eine umfangreiche Labordiagnostik nicht zur Basisversorgung im organisierten Notfalldienst gehören.

16

Entsprechend diesen Abgrenzungen gehören BAK- und CRP-Laboruntersuchungen - jedenfalls im Regelfall - nicht zur Notfall-Erstversorgung. Sie sind für die Erstversorgung in der Regel medizinisch nicht erforderlich und sinnvoll. Die Ausprägung einer Alkoholintoxikation kann im Allgemeinen und typischerweise auch ohne BAK-Bestimmung anhand spezifischer Symptome zuverlässig und für die Notfallversorgung ausreichend festgestellt werden, wie das LSG dargelegt hat (vgl dort unter Hinweis auf Schmidt/Gastpar/Falkai/Gaebel, Evidenzbasierte Suchtmedizin, 2006, S 30). Regelmäßig reichen Anamnese und körperliche Untersuchung aus, um eine Akutbehandlung durchzuführen bzw die Notwendigkeit einer stationären Behandlung zu erkennen. Auch die Bestimmung des C-reaktiven Proteins gemäß Nr 4365 EBM-Ä aF überschreitet - jedenfalls im Regelfall - den Rahmen der Notfall-Erstversorgung. Eine solche Laborbestimmung geht schon vom zeitlichen Ablauf her über eine Notfall-Erstversorgung hinaus, denn ihr Ergebnis liegt erst nach Stunden vor. Für die Einbeziehung in die Notfall-Erstversorgung kann deshalb auch nicht angeführt werden, dass durch eine solche Untersuchung festgestellt werden kann, ob einem Entzündungsprozess eine bakterielle - mit Antibiotika behandelbare - oder eine virale Infektion zugrunde liegt (vgl Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 2012, 263. Aufl 2011, unter dem Stichwort "CRP"), und so vermieden werden kann, unter Umständen unnötigerweise - wenn nämlich eine Virusinfektion vorliegt - Antibiotika zu verordnen.

17

Der Senat hält nicht für völlig ausgeschlossen, dass in besonders gelagerten Einzelfällen die für den Notfalldienst verantwortlichen Ärzte die Bestimmung der BAK und/oder des CRP auch für die Erstversorgung eines Patienten für erforderlich halten können. Wegen des Ausnahmecharakters solcher Fälle müssten die insoweit maßgeblichen medizinischen Diagnosen jedenfalls für die Abrechnungsprüfung erkennbar sein. Bereits aus der Anforderung der BAK- bzw CRP-Bestimmung beim Krankenhauslabor oder aus der Dokumentation über die Notfallbehandlung - anhand der dokumentierten Befunde und/oder Diagnose - müssten sich die für diese ungewöhnliche Diagnostik im Notfalldienst maßgeblichen Umstände ergeben; möglicherweise würde es auch ausreichen, wenn die nähere Begründung im Verfahren des Widerspruchs gegen die sachlich-rechnerische Richtigstellung nachgeliefert wird. Jedenfalls darf eine solche Substantiierung vom Leistungserbringer im Notfalldienst bei der Erbringung normalerweise nur zur Regelversorgung gehöriger Leistungen gefordert werden; denn nur er ist in der Lage, die Umstände zu schildern, aus denen sich die Besonderheit des Falles ergeben könnte (zu vergleichbaren Substantiierungsanforderungen vgl die Senats-Rechtsprechung zur Wirtschaftlichkeitsprüfung zB BSG vom 21.3.2012 - B 6 KA 17/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 40 ff und BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 78/11 B - RdNr 8).

18

Dieser Darlegungsobliegenheit hat die Klägerin hier nicht genügt. Zu keinem der zahlreichen Fälle, in denen die BAK und/oder das CRP bestimmt worden sind, hat die Klägerin substantiiert mit der Abrechnung oder im Widerspruchsverfahren geltend gemacht, weshalb konkret trotz der jeder Notfallversorgung immanenten Beschränkung die umstrittenen Laboruntersuchungen durchgeführt werden mussten. Auch das LSG hat dahingehenden Feststellungen nicht getroffen (zu den Verfahrensrügen der Klägerin gegen das Vorgehen des LSG vgl unten RdNr 21).

19

Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Klärung, ob und unter welchen Voraussetzungen die Bestimmung des CRP als serologische Untersuchung (chemischer Nachweis) nach Nr 3850 des Abschnitts O I/II EBM-Ä aF im Notfalldienst erbracht werden kann. Zumindest liegt das Ergebnis dieser Bestimmung, die geringere Aussagekraft als die Untersuchung nach Nr 4365 des Abschnitts O III EBM-Ä aF hat, sofort vor, und deshalb kann allein diese Bestimmung für die Erstversorgung relevant sein. Die Leistung nach Nr 3850 aaO wird jedoch nach einem gänzlich anderen Verfahren erbracht als diejenige nach Nr 4365 EBM-Ä aF. Daher erfüllt die Bestimmung nach diesem Leistungstatbestand nicht (auch) den Tatbestand der Nr 3850 EBM-Ä aF. Dies schließt eine - hypothetische - Umwandlung der Ansätze nach Nr 4365 in solche nach Nr 3850 EBM-Ä aF aus.

20

bb) Die Verantwortung für die mithin unzulässigen Anforderungen von BAK- und CRP-Laboruntersuchungen trifft die Klägerin, soweit (Krankenhaus-)Ärzte im Rahmen des dem Krankenhaus obliegenden Notfalldienstes solche Laboruntersuchungen anforderten. Soweit die Organisation des Notfalldienstes dem Krankenhaus der Klägerin oblag (ab 23 bzw 24 Uhr, vgl oben 2. a ) , war die Tätigkeit der diensthabenden Ärzte in Anwendung des § 278 BGB dem Krankenhaus zuzurechnen; deshalb war die Beklagte berechtigt, dem Krankenhaus bzw seinem Träger das Honorar für alle diejenigen Leistungen zu versagen, die über die Notfall-Erstversorgung hinausgingen. Insoweit sind die vorinstanzlichen Feststellungen inhaltlich zutreffend.

21

c) Gegenüber diesem Ergebnis greifen die verfahrensrechtlichen Einwendungen, die die Klägerin erhoben hat, nicht durch. Ihre Ansicht, für Feststellungen zur (Nicht-)Erforderlichkeit von BAK- und CRP-Bestimmungen im Notfalldienst bedürfe es besonderer medizinischer Sachkunde - und diese müsse nicht nur bei den ehrenamtlichen Richtern, sondern bei dem Spruchkörper insgesamt vorliegen und auch im Einzelnen spezifiziert werden -, trifft nicht zu. Vielmehr kann die Beurteilung, ob solche Laborbestimmungen sich noch im Rahmen der Notfall-Erstversorgung halten oder ob sie darüber hinausgehen, anhand allgemein zugänglicher medizinischer Erkenntnisse erfolgen, für die es keiner größeren ärztlichen Sachkunde bedarf, als sie ohnehin jeder kassenarztrechtliche Spruchkörper schon aufgrund seiner Zusammensetzung gemäß § 12 Abs 3 SGG hat(vgl zur revisionsgerichtlichen Feststellung genereller Tatsachen zB BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 76; BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 55 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

22

Hieraus folgt zugleich, dass für das LSG kein Anlass bestanden hat, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Weiterhin ergibt sich für die Rüge der Klägerin, das LSG und seine ehrenamtlichen Richterinnen hätten die ihm vorgelegten Aktenordner auswerten müssen, dies aber nicht getan, die Folgerung, eine solche Auswertung hätte weder für das Verfahrensergebnis des LSG noch für das Revisionsverfahren Relevanz haben können; ein Verfahrensmangel lag mithin insoweit nicht vor (vgl § 164 Abs 2 Satz 3 SGG).

23

3. Klage und Revision der Klägerin sind indessen insoweit begründet, als BAK- und CRP-Laboruntersuchungen betroffen sind, denen Zielaufträge von solchen Ärzten an das Krankenhauslabor zugrunde lagen, die im Rahmen des von der beklagten KÄV organisierten Notfalldienstes tätig waren (MoDiDo 19-23, MiFr 13-23, SaSo und feiertags 8-24 Uhr, vgl oben 2. a ) . In solchen Fällen darf die Beklagte dem Krankenhaus das Honorar nicht versagen; denn insoweit waren die Aufträge nicht vom Krankenhaus zu verantworten, sondern von den Ärzten, die im Rahmen der Verantwortung der beklagten KÄV den Notfalldienst versahen. In diesen Fällen war das Krankenhaus(labor) nur der Auftragnehmer einer Überweisung, diesen trifft im Regelfall keine Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der angeforderten Leistungen.

24

a) Werden Zielaufträge von Ärzten, die im Rahmen des von der beklagten KÄV organisierten Notfalldienstes tätig sind, an das Krankenhaus(labor) gerichtet, so sind Auftraggeber und Auftragnehmer verschiedene Personen bzw Institutionen; insofern liegt es anders als in der oben unter 2. b bb dargelegten Konstellation. Dann bestimmen sich die Verantwortlichkeiten nach den Grundsätzen über Auftragsleistungen, die sich aus § 24 Bundesmantelvertrag-Ärzte, § 27 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen ergeben und die der Senat in seinem Urteil vom 8.7.1981 ausführlich dargestellt hat und an denen er weiterhin festhält (BSG vom 8.7.1981 - 6 RKa 3/79 - USK 81 118 S 475 ff = Juris RdNr 17 ff).

25

Nach diesen Grundsätzen ist im Falle eines gezielten Überweisungsauftrags - auch Zielauftrag genannt in Abgrenzung von Überweisungen zur Weiter- oder Mitbehandlung - der Auftragnehmer, der die vom Auftraggeber angeforderte Leistung erbringt, an den Überweisungsauftrag gebunden. Er darf nicht weniger und nicht mehr leisten, als sich aus dem Überweisungsauftrag ergibt (BSG aaO S 476-478 = Juris RdNr 22-25). Er darf nur dann mehr erbringen, als in dem zunächst erteilten Zielauftrag angegeben wurde, wenn dieser vom überweisenden Arzt vor der Auftragsausführung - evtl fernmündlich - erweitert worden ist (BSG aaO S 479 = Juris RdNr 28), bzw bei dessen Nichterreichbarkeit unter Umständen dann, wenn Dringlichkeit besteht und der Auftragnehmer den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde; und er muss dem Auftraggeber die Erweiterung anzeigen (vgl aaO S 478 = Juris RdNr 26). Die grundsätzliche Bindung an den Überweisungsauftrag hat zur Folge, dass der Auftragnehmer, wenn er mehr Leistungen erbringt als angefordert - außer in den genannten Sonderfällen nachträglicher Erweiterung oder der Dringlichkeit -, dafür keine Vergütung beanspruchen kann (vgl BSG aaO S 478 = Juris RdNr 25: "eigenmächtig über den erteilten Auftrag hinaus"). Weniger Leistungen erbringen als angefordert darf er ebenfalls grundsätzlich nicht; die Verantwortung für Inhalt und Umfang des Überweisungsauftrags hat der Auftraggeber (BSG aaO S 477 und 478 bzw RdNr 23 aE und 25 aE). Den Auftragnehmer trifft grundsätzlich keine Pflicht zur Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Umfangs des Auftrags. Dementsprechend hat er auch dann Anspruch auf Vergütung, wenn der Auftrag zu weit greift, zB nicht mehr vom Versorgungsauftrag gedeckt oder unwirtschaftlich ist.

26

Eine (Mit-)Verantwortung des Auftragnehmers kann nur dann in Betracht kommen, wenn sich ihm nach seinem Kenntnis- und Erfahrungsstand hätte aufdrängen müssen, dass der Auftraggeber außerhalb seines Versorgungsauftrags handelte oder eine medizinisch nicht sachgerechte oder nicht notwendige Leistung anforderte. In einem solchen Fall kann bzw muss der Auftragnehmer aufgrund der auch ihm selbst obliegenden Sorgfaltspflicht die Ausführung des Auftrags ablehnen (Fortführung von BSG vom 8.7.1981 aaO S 477 = Juris RdNr 25).

27

Die grundsätzliche Bindung des Empfängers an einen Zielauftrag gilt auch im Rahmen des organisierten Notfalldienstes. Soweit dieser von der KÄV organisiert wird, erteilen die Ärzte, die in der Notfallambulanz tätig werden, dem Krankenhaus Aufträge. Dabei ist zwischen der Verantwortung der Ärzte, die im von der KÄV organisierten Notfalldienst tätig werden, und denjenigen des Krankenhauses zu trennen. Wenn und soweit die Verantwortung bei der KÄV liegt, sind die von ihr eingesetzten Ärzte Auftraggeber und das Krankenhaus(labor) - nur - Auftragnehmer. Für den Umfang des Auftrags trägt der Arzt die Verantwortung, der die Laborleistungen beim Krankenhaus anfordert, und nicht das ausführende Krankenhaus. Dessen Anspruch auf Vergütung der auftragsgemäß erbrachten Leistungen kann grundsätzlich nicht entgegengesetzt werden, der Auftrag hätte so nicht erteilt werden dürfen.

28

b) Eine solche Konstellation mit dem Krankenhaus(labor) als Auftragnehmer war hier nicht nur dann gegeben, wenn ein Vertragsarzt den Notfalldienst für die KÄV wahrnahm und Laboruntersuchungen in Auftrag gab, sondern auch dann, wenn im Rahmen des von der KÄV organisierten Dienstes - dh in den Zeiten MoDiDo 19-23, MiFr 13-23, SaSo und feiertags 8-24 Uhr - ein Krankenhausarzt tätig war; dieser übte dann eine Nebentätigkeit aus (s § 2 Abs 2 des Vertrags vom 13.12.2002/6.1.2003: "im Rahmen einer Nebentätigkeitserlaubnis"), war also gerade nicht als Krankenhausarzt tätig. Dementsprechend war auch in dieser Konstellation der handelnde Arzt der Auftraggeber für die Laboruntersuchungen und das Krankenhaus lediglich Auftragnehmer.

29

Eine Ausnahmesituation, in der es sich dem Krankenhaus(labor) aufdrängen musste, dass die den Notfalldienst versehenden Ärzte die Bestimmung der BAK und/oder des CRP im Rahmen der Erstversorgung der Patienten nicht hätten in Auftrag geben dürfen, lag nicht vor. Die Mitarbeiter des Labors, bei denen die Bestimmung von Laborparametern angefordert wird, haben typischerweise keine Kenntnis von der akuten gesundheitlichen Situation des Patienten und von den Überlegungen, die den Arzt zur Anforderung der Werte veranlasst haben. Sie müssen den Auftrag zügig umsetzen und sich grundsätzlich darauf verlassen, dass diesem eine zumindest vertretbare medizinische Indikation zugrunde liegt. Das ist hinsichtlich der Bestimmung der BAK und des CRP auch im Notfalldienst - wie ausgeführt (RdNr 17) - nicht schlechthin ausgeschlossen. Weiterhin sind Fälle denkbar, in denen der Arzt im Notfalldienst die Bestimmung der BAK (auch) aus forensischen Gründen anfordert oder das CRP bestimmen lässt, weil er sich noch nicht schlüssig ist, ob er den Patienten stationär aufnehmen soll. Das alles können die Mitarbeiter des Labors weder wissen, noch müssen sie es aufklären. Sie müssen im Grundsatz Laboraufträge ausführen, ohne ständig befürchten zu müssen, sich gegenüber ihrem Arbeitgeber für die Ausführung eines Auftrags rechtfertigen zu müssen, weil dieser nachträglich als nicht erforderlich beurteilt wird. Solange Laborbestimmungen angefordert werden, die ihrer Art nach generell medizinisch erforderlich sein können, und keine Anhaltspunkte für ein interessengeleitetes Zusammenwirken von Auftraggeber und Labor bestehen, bleibt die Verantwortung für die Anforderung von Laborleistungen beim Auftraggeber.

30

Daraus ergibt sich für alle Fallkonstellationen eines Zielauftrags des für den von der KÄV organisierten Notfalldienst tätigen Arztes an das Krankenhauslabor, BAK- und/oder CRP-Laboruntersuchungen vorzunehmen, die Folgerung, dass das Krankenhaus Anspruch auf Vergütung der Laboruntersuchungen hat. Die von der Beklagten vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen und die darauf gestützte Vergütungsversagung waren rechtswidrig; Klage und Revision haben insoweit Erfolg.

31

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Wegen des teilweisen Obsiegens und teilweisen Unterliegens sind die Kosten gemäß § 155 Abs 1 Satz 1 VwGO verhältnismäßig zu teilen. Mangels näherer Feststellungen der Vorinstanzen hat der Senat die Gewichte des Unterliegens und des Obsiegens als ungefähr gleichwertig angenommen. Eine dem vergleichbare Relation haben auch die Angaben der Klägerin und der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ergeben; diese haben die Summen der von der KÄV und der vom Krankenhaus zu verantwortenden BAK- und CRP-Laboruntersuchungen ebenfalls als ungefähr gleich hoch geschätzt. Sie stimmten darin überein, dass nicht mehr feststellbar ist, wie das wirkliche Verhältnis der Summen zueinander im Quartal IV/2004 war.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 21. August 2015 geändert. Auf die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. wird das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 12. Juni 2013 insoweit geändert, als die Aufhebung des Bescheides vom 1. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2011 (Beschluss des Widerspruchsausschusses vom 12. September 2011) sowie des Bescheides vom 15. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2013 (Beschluss des Widerspruchsausschusses vom 20. März 2013) und des Bescheides vom 15. April 2013 mit der Maßgabe erfolgt, dass die Wirkungen der Aufhebung erst mit Ablauf des 31. Dezember 2017 eintreten. Im Übrigen werden die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. und die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1. tragen auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 7.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich mit einer Konkurrentenklage gegen zwei der Praxis der Beigeladenen zu 1. erteilte nephrologische Versorgungsaufträge.

2

Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) vierer Ärzte mit Vertragsarztsitz in der T. Straße in S. Die Dres. D., Prof. M. und G. sind Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie. Frau M. ist Fachärztin für Allgemeinmedizin.

3

Die Beigeladene zu 1. ist eine BAG zweier Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie, der Dres. H.und N., mit Vertragsarztsitz in der K. straße in S. Bis zum 31.12.2010 war Dr. H. mit Dr. D., Dr. Ma. und Frau M. in der Praxis in der T. Straße in S. in gemeinsamer Berufsausübung tätig.

4

Mit Bescheid vom 10.4.2003 hatte die beklagte KÄV Dr. H., der bereits zuvor in der Dialyseversorgung tätig war, nach der Übergangsvorschrift des § 8 der Anlage 9.1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä; bis zum 31.12.2012 BMV-Ä/Ersatzkassenvertrag-Ärzte) widerruflich die Genehmigung zur Durchführung besonderer Versorgungsaufträge "in eigener Dialysepraxis - Gemeinschaftspraxis Dres. med. D./ H., T. Straße, 66 S.-" bei im einzelnen aufgeführten Patientengruppen erteilt. Der Bescheid enthielt den Zusatz: "Diese Genehmigung ist an den derzeitigen Praxissitz gebunden. Bei Ausscheiden aus der Dialysepraxis erlischt diese Genehmigung zur Durchführung besonderer Versorgungsaufträge mit Datum der Beendigung der Niederlassung am Praxisort."

5

Nach der Erweiterung der BAG um Frau Dr. Ma. und Frau M. erteilte die Beklagte mit Bescheid vom 24.3.2009 auch Frau Dr. Ma. die Genehmigung zur Durchführung besonderer Versorgungsaufträge "in der Dialysepraxis T. Straße, 66 S. in gemeinschaftlicher Berufsausübung" mit den Dres. D. und H. sowie Frau M. Dieser Bescheid enthielt den Zusatz: "Diese Genehmigung ist an den derzeitigen Praxissitz und an die Gemeinschaftspraxis gebunden. Sie erlischt mit dem Datum der Beendigung der Niederlassung am Praxisort und/oder mit Beendigung der Gemeinschaftspraxis."

6

Nachdem er und Dr. Ma. aus der BAG ausgeschieden waren, setzte Dr. H. seine Tätigkeit zunächst in den Räumlichkeiten der bisherigen BAG in der T. Straße mit eigener Betriebsstättennummer fort. Am 10.3.2011 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Erteilung eines Versorgungsauftrags für seine künftige Praxis in der K. straße, 66 S. Mit Schreiben vom 21.3.2011 informierte die Beklagte die Beigeladenen zu 2. bis 7. über den Antrag zwecks Herstellung des Einvernehmens über die Erteilung des Versorgungsauftrags am künftigen Standort der Praxis in der K. straße Die kontinuierliche wirtschaftliche Auslastung aller in der Versorgungsregion liegenden Praxen sei gewährleistet, da alle zu berücksichtigenden Dialyse-Praxen zu mehr als 90 % ausgelastet seien und durch die Praxis Dr. H. die Versorgung der Patienten sichergestellt werde. Sofern bis zum 29.3.2011 keine gegenteilige Nachricht erfolge, werde vom Einverständnis ausgegangen.

7

Mit Bescheid vom 1.4.2011 erteilte die Beklagte Dr. H. im Rahmen seiner Praxisverlegung die Genehmigung zur Übernahme eines besonderen Versorgungsauftrags in der Dialysepraxis K. straße, 66 S. für die Behandlung von maximal 30 Patienten mit Blutreinigungsverfahren. Die Beklagte ordnete den Sofortvollzug des Bescheides an.

8

Für die Dialysepraxis der Klägerin genehmigte die Beklagte auf die bereits im Dezember 2010 und Mai 2011 gestellten Anträge mit Bescheid vom 5.7.2011 die Übernahme weiterer Versorgungsaufträge nach Anlage 9.1 BMV-Ä, auf deren Grundlage Dr. D., Prof. Dr. M. und Dr. Z. zur Behandlung von maximal 150 Patienten mit Blutreinigungsverfahren befugt waren.

9

Mit Bescheid vom 12.9.2011, gegen den die Klägerin Klage erhoben hat, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen die mit Bescheid vom 1.4.2011 zugunsten von Dr. H. erteilte Genehmigung zurück. Der streitige Versorgungsauftrag sei nicht in der Praxis verblieben, weil er an Dr. H. persönlich gerichtet gewesen sei. Sie gehe davon aus, dass der Versorgungsauftrag infolge der Verlegung des Vertragsarztsitzes nicht erloschen sei. Eine Bedarfsprüfung zu Beginn des Jahres hätte ergeben, dass der Praxis H. eine Genehmigung zur Übernahme des Versorgungsauftrags zu erteilen gewesen wäre.

10

Mit Bescheid vom 15.3.2013 sicherte die Beklagte der Dialysepraxis Dr. H. die Genehmigung zur Übernahme eines zweiten Versorgungsauftrags für Dr. N. nach Anlage 9.1 BMV-Ä mit Wirkung zum 1.4.2013 zu, da nach dem in der Qualitätssicherungsvereinbarung zu den Blutreinigungsverfahren (Blutreinigungsvereinbarung = BlutreinigungsV) festgelegten Arzt-Patienten-Schlüssel ein zweiter Arzt erforderlich und die arzt- und betriebsstättenbezogenen Voraussetzungen erfüllt seien. Die sofortige Vollziehung der Entscheidung wurde angeordnet. Die Klägerin erhob Widerspruch, den die Beklagte mit Bescheid vom 25.3.2013 zurückwies. Auch hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Das SG hat die beiden Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

11

Durch Bescheid vom 15.4.2013 erteilte die Beklagte Dr. N. mit Wirkung vom 1.4.2013 auf Grundlage der vorherigen Zusicherung die Genehmigung zur Übernahme eines zweiten Versorgungsauftrags. Als "Nebenbestimmung" ist geregelt, dass die Genehmigung zur Übernahme eines zweiten Versorgungsauftrags ihre Bindung verliere, wenn rechtskräftig entschieden sei, dass der Bescheid vom 1.4.2011 rechtwidrig sei.

12

Das SG hat mit Urteil vom 12.6.2013 den Bescheid der Beklagten vom 1.4.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.9.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15.3.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.3.2013 und des Bescheides vom 15.4.2013 aufgehoben. Dr. H. habe seinen Versorgungsauftrag bei der Verlegung seines Vertragsarztsitzes nicht mitnehmen können, da er für die Praxis in der T. Straße erteilt worden sei. Aus § 4 Abs 1b Anlage 9.1 BMV-Ä in der ab 1.7.2009 gültigen Fassung ergebe sich, dass der Versorgungsauftrag in der Dialysepraxis in der T. Straße verblieben sei. Dies folge auch aus § 5 Abs 7 BlutreinigungsV, wonach beim Ausscheiden eines Arztes aus der Dialysepraxis diese innerhalb sechs Monaten nachzuweisen habe, dass der ausgeschiedene Arzt durch einen entsprechend qualifizierten Arzt ersetzt worden sei. Da die Praxis der Klägerin ab dem Quartal II/2010 fortdauernd nicht zu mindestens 90 % iS von § 6 Abs 1 S 3 Anlage 9.1 BMV-Ä ausgelastet gewesen sei, verletze der Bescheid vom 1.4.2011 sie in ihren Rechten und sei aufzuheben. Damit fehle es auch an der Basis für die Erteilung des zweiten Versorgungsauftrags im Bescheid vom 15.4.2013.

13

Das LSG hat mit Urteil vom 21.8.2015 auf die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei bereits nicht anfechtungsberechtigt. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung des Versorgungsauftrags an Dr. H. am 1.4.2011 und auch in den Folgequartalen habe die Klägerin lediglich noch über einen Versorgungsauftrag verfügt und sei zu wenigstens 90 % ausgelastet gewesen. Die Versorgungsaufträge von Dr. H. und Dr. Ma. seien nicht entsprechend der seit 1.7.2009 geltenden Rechtslage "der Dialysepraxis", sondern nach dem zuvor geltenden Recht jeweils dem betreffenden Arzt erteilt worden.

14

Nach den von der Beklagten bereits im sozialgerichtlichen Verfahren vorgelegten, aus den Abrechnungsdaten der klägerischen Praxis ermittelten und von der Klägerin nicht bestrittenen Zahlen sei diese in den jeweiligen Quartalen mit 91,38 Patienten (I/2011), 94,92 Patienten (II/2011), 96,07 Patienten (III/2011) und 91,69 Patienten (IV/2011) ausgelastet gewesen. Sowohl zum Zeitpunkt der Erteilung des angefochtenen Versorgungsauftrags an Dr. H. am 1.4.2011 als auch zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 12.9.2011 sei die klägerische Praxis auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beklagte Dr. Z. am 31.5.2011 einen weiteren Versorgungsauftrag erteilt und die klägerische Praxis ab diesem Zeitpunkt über zwei Versorgungsaufträge für Dialyse verfügt habe, zu wenigstens 90 % ausgelastet gewesen.

15

Auch hinsichtlich des Bescheides vom 15.3.2011, mit dem der Beigeladenen zu 1. die Genehmigung zur Übernahme eines zweiten Versorgungsauftrags mit Wirkung ab dem 1.4.2013 zugesichert worden sei, sei die Klage nicht begründet. Die Genehmigung des Eintritts eines zweiten Arztes in eine bestehende Dialysepraxis erfolge gerade unabhängig vom Auslastungsgrad der im Versorgungsbereich bestehenden weiteren Dialysepraxen, sodass der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden sei.

16

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Revision vor, sie sei anfechtungsberechtigt. Die Genehmigung für Dr. H. sei mangels Auslastung ihrer Praxis rechtswidrig. Mit Aufhebung der Genehmigung für Dr. H. entfalle die ohne Bedarfsprüfung erteilte akzessorische Genehmigung für Dr. N.

17

Nach § 4 Abs 1a Anlage 9.1 BMV-Ä, der am 1.7.2005 in Kraft getreten sei und mangels Übergangsvorschriften auch für vor dem 1.7.2005 erteilte Genehmigungen gelte, bestehe ein Mitnahmeverbot. Zudem sei die Genehmigung im Bescheid vom 10.4.2003 zur Durchführung in der Gemeinschaftspraxis und mit der Bindung an die Praxis und den Standort erteilt worden. Sie sei daher für Dr. H. nach seinem Ausscheiden aus der BAG mit Ablauf des 31.12.2010, spätestens jedoch mit seinem Standortwechsel Mitte April 2011, bestimmungsgemäß erloschen. Anlage 9.1 BMV-Ä sei gültige Vertragsnorm und verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Rechtsgrundlage der Anlage 9.1 BMV-Ä seien die §§ 70 Abs 1, 72 Abs 2, 82 SGB V iVm § 2 Abs 7 BMV-Ä. Die aus Gründen einer qualitätsgesicherten und wirtschaftlichen vertragsärztlichen nephrologischen Versorgung gebildeten Versorgungsregionen seien zu beachten. § 24 Abs 7 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) stehe dem nicht entgegen.

18

Art 12 GG werde nicht verletzt, da es sich um verhältnismäßige Regelungen der Berufsausübung handele, um die Versorgungsqualität und die Wirtschaftlichkeit der Nierenersatztherapie durch Vertragsärzte sowie eine flächendeckende Versorgung zu sichern. Ein Ausgleich für die fehlende Möglichkeit, einen Teil des besonderen Versorgungsauftrags der Dialysepraxis der Klägerin mitzunehmen, sei mit den Regelungen des Gesellschaftsvertrages geschaffen, nach denen Dr. H. bei ordnungsgemäßer Kündigung und Einhaltung des vertraglich geforderten Konkurrenzschutzes eine hohe siebenstellige Abfindungssumme erhalten hätte.

19

Die Dialysepraxis der Klägerin sei nicht zu wenigstens 90 % ausgelastet gewesen. Das LSG lege seiner Auslastungsrechnung nicht das Jahr 2010, sondern fälschlicherweise das Jahr 2011 zugrunde und rechne in der Praxis der Klägerin irrigerweise mit nur einem statt der zuvor vorhandenen drei Dialyseärzte. Ab 1.7.2011 seien mit Dr. D., Prof. Dr. M. und Dr. Z. wieder drei Dialyseärzte in der klägerischen Praxis tätig gewesen.

20

Nach § 5 Abs 7 Buchst c Satz 6 und 7 BlutreinigungsV habe eine Dialysepraxis nach Ausscheiden eines Dialysearztes aus der BAG ein halbes Jahr lang einen Anspruch auf Übertragung, hilfsweise auf Neuerteilung der Genehmigung zur Durchführung des besonderen Versorgungsauftrags des ausgeschiedenen Dialysearztes auf bzw an den Ersatz-Dialysearzt. Durch den Rechtsanspruch werde die Neuerteilung eines besonderen Versorgungsauftrags an einen praxisfremden dritten Dialysearzt in der Versorgungsregion der bereits bestehenden Dialysepraxis der Klägerin im Nachbesetzungshalbjahr ausgeschlossen. Auslastungsberechnungen im Karenzhalbjahr müssten die ursprüngliche Ärztezahl und die diesen genehmigte Patientenzahl zugrunde legen.

21

Bezogen auf drei Dialyseärzte und ein Maximum von 150 Patienten habe sich für die Quartale 2010 eine Auslastung von 81,15 % ergeben. Eine Auslastung der Praxis der Klägerin unter 90 % sei selbst dann gegeben, wenn für das erste Halbjahr 2011 nur mit zwei tatsächlich vorhandenen Dialyseärzten und maximal 100 kontinuierlich behandelten Patienten gerechnet werde. Von den von der Beklagten angegebenen Rohdaten seien zumindest noch 6 % Heimdialysepatienten abzuziehen.

22

Das Einvernehmen der Krankenkassenverbände sei nicht ordnungsgemäß hergestellt worden. Die Beklagte habe die Krankenkassenverbände unzutreffend und unvollständig darüber informiert, dass alle in der Versorgungsregion liegenden Praxen zu mehr als 90 % ausgelastet seien.

23

Die Zugrundelegung der Jahresauslastung der Quartale 2011 sowie der unkorrigierten Abrechnungsrohdaten sei überraschend gewesen. Da die Auslastungsentwicklung im Jahr 2011 zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung nicht vorhersehbar gewesen sei, liege ein grober Verstoß gegen allgemeine Denkgesetze und Willkür vor.

24

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG für das Saarland vom 21.8.2015, berichtigt durch Beschluss vom 21.12.2015, aufzuheben und die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. gegen das Urteil des SG für das Saarland vom 12.6.2013 zurückzuweisen.

25

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

26

Die Beigeladene zu 1. beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

27

Die Beklagte trägt vor, die Anfechtungsberechtigung der Klägerin sei nicht gegeben, weil Dr. H. bereits seit vielen Jahren auf dem Markt des vertragsärztlichen Dialyse-Versorgungssystems tätig sei. Das Regelwerk der Anlage 9.1 BMV-Ä kollidiere mit § 24 Abs 7 Ärzte-ZV sowie mit Art 12 Abs 1 GG. Die Ortsbindung beruhe auf untergesetzlichen Normen ohne ausreichende Ermächtigungsgrundlage.

28

Die Beigeladene zu 1. trägt vor, der Verbleib des Versorgungsauftrags in der BAG würde dazu führen, dass die Zusammenarbeit zweier oder mehrerer in der Dialyse tätiger Ärzte nicht beendet werden könne, da sonst der Entzug der wirtschaftlichen Existenz drohe. Der Versorgungsauftrag sei seinerzeit nach dem Wortlaut des Bescheides vom 10.4.2003 Dr. H. persönlich erteilt worden. Nichts anderes ergebe sich aus der Übergangsvorschrift des § 8 der Anlage 9.1 BMV-Ä, sodass Dr. H. den ihm persönlich erteilten Versorgungsauftrag zusammen mit der Zulassung habe mitnehmen können. Den Regelungen der Anlage 9.1 BMV-Ä, mit denen eine Bedarfsplanung vorgenommen werde, fehle es an einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage.

Entscheidungsgründe

29

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das LSG hat die Entscheidung des SG zu Unrecht aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Sicherung der kontinuierlichen Versorgung der Versicherten und zur Vermeidung eines übergangslosen Entfallens des Versorgungsangebotes der Praxis der Beigeladenen zu 1. lässt der Senat die Wirkung der Aufhebung der angefochtenen Bescheide jedoch abweichend von der Entscheidung des SG erst mit Ablauf des 31.12.2017 eintreten.

30

I. Das SG hat die angefochtenen Bescheide zu Recht aufgehoben. Die Klägerin ist anfechtungsberechtigt. Die angefochtenen Bescheide sind auch rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren subjektiven Rechten.

31

1. Die Klägerin ist berechtigt, die Bescheide vom 1.4.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.9.2011, vom 15.3.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.3.2013 sowie vom 15.4.2013 anzufechten. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, RdNr 19; BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, RdNr 22 ff und 26 ff; BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 18; BSG SozR 4-5540 § 6 Nr 2, RdNr 25; zuletzt BSG Urteil vom 3.8.2016 - B 6 KA 20/15 R - SozR 4-55405540 Anl 9.1 Nr 7 RdNr 16) erfolgt die Prüfung der Begründetheit von Drittanfechtungen vertragsärztlicher Konkurrenten zweistufig. Danach ist zunächst zu klären, ob der Kläger berechtigt ist, die dem Konkurrenten erteilte Begünstigung anzufechten. Ist das zu bejahen, muss geprüft werden, ob die Entscheidung der jeweils zuständigen Behörde in der Sache zutrifft.

32

Unter welchen Voraussetzungen Vertragsärzte berechtigt sind, zugunsten anderer Ärzte ergangene Entscheidungen anzufechten (sogenannte defensive Konkurrentenklage) hat der Senat in seinem Urteil vom 7.2.2007 im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG vom 17.8.2004 (BVerfG SozR 4-1500 § 54 Nr 4) im Einzelnen dargelegt (BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, RdNr 19 ff). Danach müssen erstens der Kläger und der Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbieten, weiterhin dem Konkurrenten die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet oder erweitert und nicht nur ein weiterer Leistungsbereich genehmigt werden, und ferner der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber demjenigen des Anfechtenden nachrangig sein. Letzteres ist der Fall, wenn die Einräumung des Status an den Konkurrenten vom Vorliegen eines Versorgungsbedarfs abhängt, der von den bereits zugelassenen Ärzten nicht abgedeckt wird (vgl BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, RdNr 19 ff; in der Folgezeit weiterführend BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, RdNr 17 f, 20, 22 bis 24; BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 19 ff; BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 17 ff; BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 4 RdNr 19 ff; BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 30 ff; BSG SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 5 RdNr 24; zuletzt BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 6 KA 3/16 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - RdNr 21). Diese Maßstäbe gelten auch für Drittanfechtungsklagen im Rahmen der Versorgung mit Dialyseleistungen (BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 39 RdNr 19 mwN, zuletzt BSG Urteil vom 3.8.2016 - B 6 KA 20/15 R - SozR 4-55405540 Anl 9.1 Nr 7 RdNr 16). Die Voraussetzungen liegen hier vor.

33

a. Die Klägerin und die Beigeladene zu 1. erbringen im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn ein faktisches Konkurrenzverhältnis vorliegt, durch das plausibel wird, dass der bereits zugelassene Arzt bzw die BAG eine nicht nur geringfügige Schmälerung seiner/ihrer Erwerbsmöglichkeiten zu befürchten hat (vgl BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, RdNr 22 bis 24; BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 25; BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 21). Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob sich faktisch der Patientenkreis des Anfechtenden mit dem Patientenkreis desjenigen, dessen Berechtigung angegriffen wird, in relevantem Maße überschneidet (vgl BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, RdNr 24: mehr als 5 %; ebenso BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 25 f). Das Bestehen eines faktischen Konkurrenzverhältnisses ist im Verhältnis von zwei weniger als 10 km, hier Luftlinie 3,38 km, voneinander entfernt liegenden Dialysepraxen plausibel. Bei solcher Nähe und einem so begrenzten Leistungszuschnitt bedarf es weder näherer Darlegungen des Anfechtenden noch näherer Ermittlungen durch die Zulassungsgremien oder die Gerichte, sondern es ist ohne Weiteres ein real bestehendes Konkurrenzverhältnis anzunehmen (hierzu und zur Darlegungslast vgl BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 26 f, 30; BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 22 f).

34

b. Die weiteren Voraussetzungen - die Eröffnung oder Erweiterung der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung und die Nachrangigkeit des dem Konkurrenten eingeräumten Status gegenüber demjenigen des Anfechtenden - liegen ebenfalls vor.

35

aa. Der Anfechtungsberechtigung steht nicht entgegen, dass eine Genehmigung besonderer Versorgungsaufträge nach Anlage 9.1 BMV-Ä keinen vertragsarztrechtlichen Status vermittelt und Dr. H. zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung bereits über eine Zulassung als Vertragsarzt verfügte. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 7.2.2007 (BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10) zur Dialysegenehmigung nach der BlutreinigungsV vom 16.6.1997 entschieden, dass sie als bloße Abrechnungsgenehmigung nicht von Konkurrenten angefochten werden könne, weil sie nur die Erweiterung des durch die jeweilige fachbezogene Qualifikation eröffneten Kernbereichs ärztlicher Tätigkeit, nicht aber diesen Kern selbst und den ihm zugrunde liegenden Basis-Status betreffe. Die Erteilung der Genehmigung hierfür war bis zum 30.6.2002 allein an Qualitäts- bzw Qualifikationsgesichtspunkten auszurichten. Für das seit dem 1.7.2002 geltende neue Recht hat der Senat hingegen eine Anfechtungsberechtigung der bereits eine Dialysepraxis betreibenden BAG bejaht (vgl BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 30). Dabei hat der Senat ausgeführt, dass die Zusicherung der Genehmigung eines Versorgungsauftrags Voraussetzung für eine Sonderbedarfszulassung nach § 24 Satz 1 Buchst e Bedarfsplanungs-Richtlinie Ärzte (BedarfsplRL) und untrennbar mit dieser Statusentscheidung verbunden ist. Vor allem hat der Senat aber darauf abgestellt, dass die nach § 4 Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm § 6 Abs 1 Anlage 9.1 BMV-Ä durchzuführende Bedarfsprüfung Drittschutz für diejenigen vermittelt, die bei der Ermittlung des Bedarfs zu berücksichtigen sind.

36

bb. Eine solche Bedarfsprüfung war auch hier durchzuführen. Sie entfiel nicht etwa deshalb, weil Dr. H. seinen Versorgungsauftrag nach seinem Ausscheiden aus der BAG an seinen neuen Vertragsarztsitz K. straße, 66 S."mitnehmen" konnte. Dieser verblieb vielmehr in der BAG. Der Antrag von Dr. H. vom 10.3.2011 auf Erteilung eines Versorgungsauftrags für seine "künftige Praxis" am heutigen Standort in S. ist als Neuantrag im Sinne des § 4 Abs 1 Satz 2 Anlage 9.1 BMV-Ä zu werten. Die Genehmigung ist daher nach § 4 Abs 1 Satz 2 Nr 3 Anlage 9.1 BMV-Ä unter anderem von der hinreichenden Auslastung der in der Versorgungsregion der beabsichtigten Niederlassung bestehenden Dialysepraxen abhängig.

37

(1) Bereits zum Zeitpunkt des Ausscheidens von Dr. H. aus der klägerischen BAG zum Jahresende 2010 galt § 4 Abs 1b Anlage 9.1 BMV-Ä in der seit 1.7.2009 unverändert gültigen Fassung (vgl zum maßgeblichen Zeitpunkt bei Drittanfechtungen BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 16 RdNr 25 mwN). In § 4 Abs 1b Anlage 9.1 BMV-Ä wurde 2009 die Regelung aufgenommen, dass der Versorgungsauftrag bei gemeinschaftlicher Berufsausübung im Fall des Ausscheidens eines Arztes aus der Dialysepraxis bei der Dialysepraxis verbleibt (DÄ 2009, A-1476). Gleichzeitig wurde in § 4 Abs 1a Satz 1 der Anlage 9.1 BMV-Ä festgeschrieben, dass die Genehmigung zur Übernahme des Versorgungsauftrags im Sinne des § 1a Nr 18 BMV-Ä der Dialysepraxis erteilt wird. Bereits zum 1.7.2005 war in § 4 Abs 1a Satz 1 der Anlage 9.1 BMV-Ä die Regelung aufgenommen worden, dass der Versorgungsauftrag bei gemeinschaftlicher Berufsausübung für denjenigen Arzt endete, der aus der Gemeinschaftspraxis ausschied (DÄ 2005, A-2267). § 7 Abs 4 Anlage 9.1 BMV-Ä war zum 1.7.2005 dahingehend neu gefasst worden, dass bei Ausscheiden eines Arztes aus der Dialysepraxis und Ersetzung durch einen entsprechenden Arzt gemäß § 5 Abs 7 Buchst c BlutreinigungsV der eintretende Arzt auf Antrag eine Genehmigung zur Übernahme des Versorgungsauftrags erhielt, wenn die Voraussetzungen nach § 4 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 2 Anlage 9.1 BMV-Ä erfüllt waren. Diese Vorschrift wurde 2009 aufgehoben.

38

(2) Die Genehmigung zur Durchführung von Versorgungsaufträgen nach Anlage 9.1 BMV-Ä ist Dr. H. auch nicht mit bestandskräftigem Bescheid vom 10.4.2003 nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht persönlich ohne Bindung an die Dialysepraxis erteilt worden.

39

(a) Die Praxisbezogenheit des Versorgungsauftrags bestand bereits nach der seit dem 1.7.2002 geltenden Rechtslage. Bereits ab diesem Zeitpunkt galt, dass der Versorgungsauftrag bei Ausscheiden eines Arztes in der Praxis verbleibt (vgl BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 24 und das weitere Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 42/11 R - Juris RdNr 23). Zu diesem Zeitpunkt war eine konzeptionelle Neuordnung der Dialyseversorgung erfolgt. Neben der Weiterentwicklung der BlutreinigungsV, der Neugestaltung der BedarfsplRL und der Einführung vergütungsbezogener Strukturanreize vereinbarten die KÄBV und die Spitzenverbände der Krankenkassen zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen Leistungserbringung in Anlage 9.1 BMV-Ä Vorgaben für eine bestimmte Versorgungsstruktur (DÄ 2002, A-972).

40

Zur Feststellung eines zusätzlichen Versorgungsbedarfs ist seitdem gemäß § 6 Abs 1 Anlage 9.1 BMV-Ä auf den Auslastungsgrad der Dialysepraxen einer Versorgungsregion abzustellen, der auf der Grundlage eines Arzt-Patienten-Schlüssels nach der BlutreinigungsV ermittelt wird. Wenn danach kontinuierlich weniger als 90 % der Höchstpatientenzahl in den bestehenden Praxen versorgt wird, wird die Genehmigung der Übernahme eines weiteren Versorgungsauftrags als mit den Forderungen einer wirtschaftlichen Versorgungsstruktur nicht vereinbar angesehen. In § 5 Abs 7 Buchst c Satz 5 Nr 1 und 2 BlutreinigungsV ist mit Wirkung seit dem 1.7.2002 ein Arzt-Patienten-Schlüssel von bis zu 30 kontinuierlich versorgten Patienten jährlich beim ersten Arzt, bei zwei Ärzten von bis zu 100 kontinuierlich versorgten Patienten und je weiteren 50 Patienten ein weiterer Arzt vorgesehen. § 5 Abs 7 Buchst c Satz 6 BlutreinigungsV gibt vor, dass bei Ausscheiden eines Arztes aus der Dialysepraxis oder Dialyseeinrichtung innerhalb von sechs Monaten durch die Praxis oder Einrichtung nachzuweisen ist, dass der ausgeschiedene Arzt durch einen entsprechenden Arzt ersetzt wurde. Erst wenn der Nachweis nicht erbracht wurde, ist die Berechtigung zur Ausführung und Abrechnung von Dialyseleistungen nach Satz 8 anzupassen. Nach § 8 Abs 3 Anlage 9.1 BMV-Ä in der zum 1.7.2002 in Kraft getretenen Fassung erhielt, soweit ein Arzt aus der Dialysepraxis ausschied und dieser gemäß § 5 Abs 7 Buchst c BlutreinigungsV durch einen entsprechenden Arzt ersetzt wurde, der eintretende Arzt auf Antrag eine Genehmigung zur Übernahme des Versorgungsauftrags nach der Übergangsvorschrift in § 8 Abs 1 Anlage 9.1 BMV-Ä.

41

Das zum 1.7.2002 eingeführte Regelungskonzept sollte dazu dienen, die Sicherstellung einer Versorgung der Versicherten mit Dialyseleistungen durch eine kontinuierliche wirtschaftliche Versorgungsstruktur zu gewährleisten. Dem einzelnen Leistungserbringer, der sich in einem verhältnismäßig kleinen Markt hoch spezialisierter Leistungen bewegt, werden im Hinblick auf die kostenintensiven Investitionen, die für den Betrieb einer Dialysepraxis zu tätigen sind, und zur Verhinderung eines Verdrängungswettbewerbs Erwerbsmöglichkeiten in einem bestimmten Umfang gesichert (vgl BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 26 RdNr 26; BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 32; ebenso zur Zweigpraxis BSG SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 5 RdNr 37). Die Mitnahme des Versorgungsauftrags durch einen aus einer Dialysepraxis ausscheidenden Arzt würde diesem Konzept erkennbar widersprechen. Danach soll es nicht zu einer bedarfsunabhängigen Zunahme von Versorgungsaufträgen kommen. Da aber nach § 5 Abs 7 Buchst c Satz 6 BlutreinigungsV ein Nachbesetzungsrecht der Praxis besteht, aus der der Arzt ausscheidet, käme es zu einer Vermehrung der Versorgungsaufträge, wenn der ausscheidende Arzt seinerseits seinen Versorgungsauftrag in eine neue Praxis "mitnehmen" könnte. Darüber hinaus könnte auch der ausscheidende Vertragsarzt bei einer kontinuierlichen Versorgung von mehr als 30 Patienten pro Jahr nach § 7 Abs 1 Anlage 9.1 BMV-Ä die Zusicherung bzw Genehmigung für die Durchführung von Versorgungsaufträgen durch einen zweiten Arzt erhalten, ohne dass hierfür die hinreichende Auslastung der in der Versorgungsregion bestehenden Dialysepraxen Voraussetzung wäre. Dies wird gerade am vorliegenden Fall besonders plastisch, da genau dieser ungewollte Effekt einer Vermehrung von Versorgungsaufträgen eingetreten ist. Nachdem Dr. H. die Übernahme eines Versorgungsauftrags durch Bescheid vom 1.4.2011 gestattet worden war, kam es sowohl zu einer Erweiterung seiner Praxis um einen zweiten Arzt als auch zu einer Inanspruchnahme des Nachbesetzungsrechts nach § 5 Abs 7 Buchst c Satz 6 BlutreinigungsV durch die Praxis in der T. Straße.

42

Auch die KÄBV ging in ihren Hinweisen und Erläuterungen zu den Neuregelungen bereits seit 1.7.2002 von einer Bindung des Versorgungsauftrags an den Ort der Leistungserbringung aus (vgl "Neuordnung der Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten, Hinweise und Erläuterungen für die Kassenärztlichen Vereinigungen", Anlage zum Rundschreiben D3-25-VII-6/2002 der KÄBV vom 1.7.2002, S 14). Zwar handelt es sich bei diesen Hinweisenlediglich um eine rechtlich unverbindliche "Empfehlung" (vgl BSG Urteil vom 3.8.2016 - B 6 KA 20/15 R - SozR 4-55405540 Anl 9.1 Nr 7 RdNr 37), sie sind aber geeignet, das Verständnis und die Intention der Vertragspartner bei der Normsetzung zu verdeutlichen. Die Bindung an die Praxis und nicht den einzelnen Arzt wird nicht zuletzt auch darin erkennbar, dass nach § 7 Abs 2 Anlage 9.1 BMV-Ä die Dialysepraxis berechtigt ist, Genehmigungen für "weitere Ärzte" zu beantragen (vgl BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 24 und das weitere Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 42/11 R - Juris RdNr 23).

43

(b) Die Bindung an die Dialysepraxis kam im Bescheid vom 10.4.2003 für den fach- und sachkundigen Empfängerkreis der Vertragsärzte in Dialysepraxen auch hinreichend zum Ausdruck. Der Bescheid war zwar an Dr. H. adressiert, ihm wurde jedoch die Genehmigung zur Durchführung von Versorgungsaufträgen nach Anlage 9.1 BMV-Ä nach dem Wortlaut der Verfügung "in eigener Dialysepraxis - Gemeinschaftspraxis Dres. med. D./ H., T. Straße, 66 S.", also als Mitglied der bestehenden BAG, erteilt. Die Formulierung "in eigener Praxis" nimmt Bezug auf die entsprechende Voraussetzung für die Erteilung einer Genehmigung nach der Übergangsvorschrift in § 8 Abs 1 Anlage 9.1 BMV-Ä, womit klargestellt werden sollte, dass genehmigungspflichtige Versorgungsaufträge Vertragsärzten, die unter die Übergangsbestimmung fielen, nur dann erteilt werden konnten, wenn sie auch bisher Inhaber der Praxis waren. Damit sollte sichergestellt werden, dass nach der Übergangsbestimmung nur "Inhaber" einer Praxis, nicht aber in Dialysepraxen oder ermächtigten Einrichtungen angestellte Ärzte genehmigungspflichtige Versorgungsaufträge übernehmen konnten (vgl "Hinweise und Erläuterungen" aaO, S 14, 22). Hier war Dr. H. bereits seit dem Jahr 2001 und auch zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung in Gemeinschaftspraxis mit Dr. D. et al, und damit vertragsarztrechtlich (§ 33 Abs 2 Ärzte-ZV) in gemeinsamer Berufsausübung, tätig.

44

(3) Bestands- und Vertrauensschutzerwägungen im Hinblick auf die bereits zuvor bestehende Berechtigung zu Dialyseleistungen stehen der Bindung der Genehmigung an die Dialysepraxis und dem hieraus folgenden Mitnahmeverbot nicht entgegen. Bei Inkrafttreten der Regelungen zur Neuordnung der Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten zum 1.7.2002 war in § 8 Abs 1 Anlage 9.1 BMV-Ä vorgesehen, dass Vertragsärzte, auch solche, die nicht zum Führen der Schwerpunktbezeichnung Nephrologie berechtigt waren, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrages über eine Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen der Dialyse aufgrund der Qualitätssicherungsvereinbarung verfügten und die bis zu diesem Zeitpunkt Leistungen der Dialyse in eigener Dialysepraxis regelmäßig in der vertragsärztlichen Versorgung erbracht hatten, auf Antrag eine Genehmigung zur Übernahme des Versorgungsauftrags erhielten, wenn sie innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten einen entsprechenden Genehmigungsantrag stellten.

45

Die mit der Umstellung von einer reinen Qualitätssicherungsvereinbarung zu einer besonderen Versorgungsplanungsregelung verbundenen Übergangsprobleme sind dadurch gelöst worden, dass Ärzte wie Dr. H., die schon vor dem 1.7.2002 über eine - damals auf Fachkunde begrenzte - Genehmigung zur Erbringung von Dialyseleistungen verfügten, eine Genehmigung nach neuem Recht erhalten haben, ohne dass der Bedarf geprüft wurde. Damit sind sie bedarfsunabhängig in ein bedarfsbezogenes System integriert worden. Nichts spricht indessen für die Annahme, dass die nach dem 1.7.2002 erteilten Genehmigungen von Versorgungsaufträgen hinsichtlich der hier maßgeblichen Praxisbindung des Versorgungsauftrags danach zu unterscheiden wären, ob sie übergangsrechtlich oder unter Beachtung der 2002 neu eingeführten Versorgungaspekte erteilt worden sind. Das hätte je nach Alter der beteiligten Ärzte dazu geführt, dass über mehr als zwei Jahrzehnte Dialysegenehmigungen mit gänzlich unterschiedlichen Wirkungen und Berechtigungen nebeneinander bestanden hätten; für einen dahin gehenden Regelungswillen der Vertragspartner fehlen Anhaltspunkte. Auch Dr. H. geht im Übrigen davon aus, dass die ihm 2003 erteilte Genehmigung eine solche nach neuem Recht ist. Andernfalls hätte von vornherein keine Grundlage für den Antrag bestanden, nach Überschreiten der Zahl von 30 Patienten in der neuen Praxis einen Antrag auf einen zweiten (bedarfsunabhängigen) Versorgungsauftrag zu stellen. Wenn die Genehmigung des Dr. H. eine praxisstandortunabhängige, allein auf Qualitätsaspekte bezogene Genehmigung gewesen wäre, könnte diese schwerlich die Basis für die bedarfsunabhängige Genehmigung eines zweiten - notwendig allein auf dem neuen, zentral auf Aspekte der Versorgungsplanung abstellenden Recht beruhenden - Versorgungsauftrags bilden.

46

(4) Der Ausschluss der Mitnahme des Versorgungsauftrags steht auch nicht in Widerspruch zu § 24 Abs 7 Ärzte-ZV. Diese Vorschrift regelt den Anspruch auf Verlegung des Praxissitzes (vgl dazu BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 13 RdNr 13, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen), bestimmt aber nicht, welche Leistungen am neuen Praxissitz erbracht werden dürfen. Die Genehmigung der Verlegung des Vertragsarztsitzes nach § 24 Abs 7 Ärzte-ZV ist hier nicht angefochten; der Bescheid vom 1.4.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.9.2011 bezieht sich ausschließlich auf die Genehmigung zur Durchführung besonderer Versorgungsaufträge nach Anlage 9.1 BMV-Ä am neuen Vertragsarztsitz. Zwar besteht eine Bindung der Genehmigung zur Durchführung der Versorgungsaufträge nach Anlage 9.1 BMV-Ä auch an den Vertragsarztsitz. Dies ist seit 1.7.2005 in § 3 Abs 3 Satz 4 der Anlage 9.1 BMV-Ä ausdrücklich geregelt. Danach wird der Versorgungsauftrag für den Ort der Zulassung oder der Ermächtigung erteilt. Die Bindung ergibt sich - auch vor Inkrafttreten dieser Regelung - bereits daraus, dass für die Genehmigung der Übernahme des Versorgungsauftrags nach § 4 Abs 1 Anlage 9.1 BMV-Ä die Zulassung als Vertragsarzt Voraussetzung ist. Die im Zulassungsbescheid enthaltene Bestimmung des Vertragsarztsitzes stellt hierbei eine Komponente der Zulassung dar. Darüber hinaus bestehen nach der BlutreinigungsV betriebsstättenbezogene Genehmigungsvoraussetzungen. Ein Anspruch auf Verlegung des Vertragsarztsitzes nach § 24 Abs 7 Ärzte-ZV umfasst dabei aber bereits nach Wortlaut und Regelungskontext nicht automatisch die Mitnahme etwaiger besonderer Versorgungsaufträge, sondern nur die Fortführung der von der Zulassung umfassten vertragsärztlichen Tätigkeit an einem anderen Niederlassungsort.

47

2. Auch hinsichtlich der Bescheide, die die Genehmigung eines zweiten Versorgungsauftrags für die Dialysepraxis der Beigeladenen zu 1. zum Gegenstand haben (Bescheid der Beklagten vom 15.3.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.3.2013 und Bescheid vom 15.4.2013), besteht die Anfechtungsberechtigung der Klägerin. Die Genehmigung eines Versorgungsauftrags für einen zweiten Arzt ist Annex der Genehmigung des ersten Versorgungsauftrags. Wird ein zweiter Arzt für eine Dialysepraxis erforderlich - gemäß § 5 Abs 7 Buchst c Satz 5 Nr 1 BlutreinigungsV bei mehr als 30 kontinuierlich behandelten Dialysepatienten pro Jahr -, so müssen gemäß § 7 Abs 1 iVm § 4 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 2 der Anlage 9.1 BMV-Ä die arzt- und betriebsstättenbezogenen Voraussetzungen der BlutreinigungsV erfüllt sein, nicht aber die Anforderungen an eine wirtschaftliche Versorgungsstruktur nach § 4 Abs 1 Satz 2 Nr 3, § 6 Anlage 9.1 BMV-Ä. Die Genehmigung für einen zweiten Arzt kann daher zwar von einem Konkurrenten nicht unter dem Aspekt des Bedarfs für einen weiteren Arzt zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden (vgl BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 11 RdNr 33 ff zu einer Sonderbedarfszulassung; SozR 4-5540 § 6 Nr 2 RdNr 21). Sofern aber die Genehmigung des ersten Versorgungsauftrags angefochten wird, kann auch die bedarfsunabhängig erteilte Genehmigung eines zweiten Versorgungsauftrags vom potentiell beschwerten Dritten angefochten werden. Fällt die Genehmigung des ersten Versorgungsauftrags weg, entfallen damit automatisch auch die Rechtsfolgen der Genehmigung für einen zweiten Arzt. Dies ergibt sich bereits aus § 7 Abs 1 Anlage 9.1 BMV-Ä, der das Vorhandensein eines bestehenden Versorgungsauftrags notwendig voraussetzt, ist hier aber auch eindeutig nochmals im Genehmigungsbescheid vom 15.4.2013 in einer so bezeichneten Nebenbestimmung klargestellt worden.

48

3. Die Revision ist auch begründet, weil eine kontinuierliche wirtschaftliche Auslastung der Dialysepraxis der Klägerin nicht gegeben war.

49

a. Rechtsgrundlage des Bescheides vom 1.4.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.9.2011 ist - da eine Mitnahme des Versorgungsauftrags durch Dr. H., wie bereits ausgeführt, ausscheidet - § 4 Abs 1 Satz 2 der Anlage 9.1 BMV-Ä. Nach § 4 Abs 1 Satz 1 Anlage 9.1 BMV-Ä bedarf die Übernahme des Versorgungsauftrags nach § 3 Abs 3 Buchst a aaO - dh für die in § 2 aaO definierten Patientengruppen - durch zugelassene Vertragsärzte der Genehmigung der KÄV. Diese ist gemäß § 4 Abs 1 Satz 2 Anlage 9.1 BMV-Ä im Einvernehmen mit den zuständigen Verbänden der Krankenkassen zu erteilen, wenn hinsichtlich der Fachkunde die arzt- und betriebsstättenbezogenen Voraussetzungen der BlutreinigungsV erfüllt sind und eine kontinuierliche wirtschaftliche Versorgungsstruktur für die Dialysepraxis gewährleistet ist.

50

b. Es kann offenbleiben, ob die Beklagte ordnungsgemäß das Einvernehmen mit den zuständigen Verbänden der Krankenkassen nach § 4 Abs 1 Satz 2 Anlage 9.1 BMV-Ä hergestellt hat. Auf etwaige Fehler bei der Herstellung des Einvernehmens kann die Klägerin sich nicht berufen. Die dazu von den Partnern der Bundesmantelverträge vereinbarten Regelungen dienen allein den Belangen der Krankenkassen und tragen deren Verantwortung für die Versorgung der Versicherten mit Dialyseleistungen Rechnung. Die Bestimmungen enthalten keinen Hinweis, dass sie auch den Interessen der ärztlichen Leistungserbringer im Bereich Dialyse zu dienen bestimmt sind. Diesen steht deshalb kein subjektiv-öffentliches Recht zu, dass sich KÄV und Krankenkassen-Verbände an die für das Verwaltungsverfahren nach der Dialyse-Vereinbarung geltenden Vorschriften zur Herstellung des Einvernehmens halten. Die Verfahrensregelungen zur Beteiligung der Krankenkassen an versorgungsbezogenen Entscheidungen im Bereich Dialyse (dazu näher BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 34) dienen nur dem Ziel der Einbeziehung der Krankenkassen in die Verantwortung für eine flächendeckende Dialyseversorgung und nicht zugleich auch der Rücksichtnahme auf die Interessen von miteinander konkurrierenden Praxen.

51

Aus dem Senatsurteil vom 11.2.2015 (BSG SozR 4-5540 Anl 9.1.5 Nr 5 RdNr 41 ff) zur Anfechtung der Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung für Dialysen ergibt sich insoweit nichts anderes. Auch in diesem Rechtsstreit waren die Verbände der Krankenkassen beigeladen und zwischen ihnen und der beklagten KÄV war umstritten, ob bei einer nach Auffassung des Senats erforderlich werdenden Neubescheidung durch die KÄV erneut das Verfahren der Einvernehmensherstellung durchzuführen ist, auch soweit die KÄV an ihrer ursprünglichen Einschätzung der Erforderlichkeit der dort umstrittenen Zweigpraxis festhalten würde. Der Senat stellt klar, dass die Ausführungen zu den Anforderungen an eine korrekte Herstellung des Einvernehmens nur für die Gestaltung des (weiteren) Verwaltungsverfahrens und nicht für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung der damals beklagten KÄV von Bedeutung waren.

52

c. Der Bescheid vom 1.4.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.9.2011 ist rechtswidrig, weil eine kontinuierliche wirtschaftliche Auslastung der Klägerin nach Maßgabe von § 4 Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm § 6 Abs 1 Anlage 9.1 BMV-Ä nicht gewährleistet war.

53

aa. Ob die Anforderungen an eine wirtschaftliche Versorgungstruktur im Sinne des § 4 Abs 1 Satz 2 Nr 3 Anlage 9.1 BMV-Ä erfüllt sind, stellt die KÄV im Verfahren nach § 6 Anlage 9.1 BMV-Ä fest. Danach ist der Auslastungsgrad der im Umkreis der beabsichtigten Niederlassung bestehenden Dialysepraxen (Versorgungsregion) durch eine Arzt-Patienten-Relation zu bestimmen (§ 6 Satz 1, 2 Anlage 9.1 BMV-Ä). Eine Auslastung der Dialysepraxen in der Versorgungsregion ist nach § 6 Abs 1 Satz 3 Anlage 9.1 BMV-Ä anzunehmen, wenn kontinuierlich mindestens 90 % der nach der BlutreinigungsV festgelegten Patientenzahl von den dazu erforderlichen Ärzten versorgt wird. Die Forderung nach einer wirtschaftlichen Versorgungsstruktur der projektierten Dialysepraxen gilt als dauerhaft erfüllt, wenn sich die Versorgungsregionen der bestehenden und der projektierten Praxis nicht schneiden (§ 6 Satz 4 Anlage 9.1 BMV-Ä). Das Gleiche gilt, wenn sich die Versorgungsregionen zwar schneiden, jedoch die bereits bestehenden Dialysepraxen in diesem Umfang ausgelastet sind (§ 6 Satz 5 Anlage 9.1 BMV-Ä). § 5 Abs 7 Buchst c BlutreinigungsV sieht beim ersten Arzt einen "Arzt-Patienten-Schlüssel" von bis zu 30 kontinuierlich versorgten Patienten jährlich, bei zwei Ärzten von bis zu 100 kontinuierlich versorgten Patienten vor.

54

Die danach erforderliche hinreichende Auslastung bereits bestehender Praxen muss nach der Rechtsprechung des Senats sowohl im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zusicherung oder Genehmigung des Versorgungsauftrags gegeben als auch - prognostisch - in Zukunft zu erwarten sein. Dies ergibt sich nach der Rechtsprechung des Senats bereits aus der wiederholten Verwendung des Begriffes "kontinuierlich" in den maßgeblichen Vorschriften der §§ 4, 6 Anlage 9.1 BMV(im Einzelnen vgl BSG Urteil vom 3.8.2016 - B 6 KA 20/15 R - SozR 4-55405540 Anlage 9.1 Nr 7 RdNr 22).

55

Nach den - insoweit unstreitigen und mit der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des LSG bestand nach den aus den Abrechnungsrohdaten der klägerischen Praxis ermittelten Zahlen im Quartal I/2011 eine Auslastung der Klägerin von 1188 Pauschalen (91,38 Patienten), im Quartal II/2011 von 1234 Pauschalen (94,92 Patienten), im Quartal III/2011 von 1249 Pauschalen (96,07 Patienten) und im Quartal IV/2011 von 1192 Pauschalen (91,69 Patienten).

56

bb. Dabei hat das LSG die Auslastungsprüfung bezogen auf den Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung zu Unrecht unter der Annahme durchgeführt, dass die Klägerin im Zeitpunkt der angefochtenen Genehmigung am 1.4.2011 wegen des Erlöschens der Versorgungsaufträge von Dr. H. und Dr. Ma. nach ihrem Ausscheiden aus der BAG der Klägerin nur noch über einen Versorgungsauftrag verfügte. Es waren vielmehr auch die Versorgungsaufträge der ausgeschiedenen Ärzte zu berücksichtigen.

57

Im Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides vom 1.4.2011 galt - wie auch im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 12.9.2011 - die Anlage 9.1 BMV-Ä in der seit 1.7.2009 gültigen Fassung (vgl DÄ 2009, A-1476 ff). Dort ist in § 4 Abs 1a Satz 1 geregelt, dass die Genehmigung zur Übernahme des Versorgungsauftrags der Dialysepraxis iS des § 1a Nr 18 BMV-Ä erteilt wird. § 4 Abs 1b Anlage 9.1 BMV-Ä sieht vor, dass der Versorgungsauftrag bei gemeinschaftlicher Berufsausübung bei Ausscheiden eines Arztes aus der Dialysepraxis bei der Dialysepraxis verbleibt. Nach diesen Vorgaben verblieben die Versorgungsaufträge der ausgeschiedenen Gesellschafter in der Dialysepraxis der Klägerin (vgl BSG Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 42/11 R - Juris RdNr 23). Erst wenn der Nachweis, dass der ausscheidende Arzt ersetzt wurde, innerhalb von sechs Monaten nicht erbracht wird, ist die Berechtigung zur Ausführung und Abrechnung von Dialyseleistungen der Anzahl der verbliebenen Ärzte anzupassen, § 5 Abs 7 Buchst c Satz 7 BlutreinigungsV.

58

Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht aus den (bestandskräftigen) Genehmigungsbescheiden vom 10.4.2003 und vom 24.3.2009. In dem Dr. H. erteilten Genehmigungsbescheid vom 10.4.2003 ist geregelt, dass die Genehmigung an den derzeitigen Praxissitz gebunden ist und mit dem Ausscheiden aus der Dialysepraxis mit Datum der Beendigung der Niederlassung am Praxisort erlischt. In dem Dr. Ma. erteilten Genehmigungsbescheid vom 24.3.2009 ist der entsprechende Passus so gefasst, dass die Genehmigung an den derzeitigen Praxissitz und an die Gemeinschaftspraxis gebunden ist. Sie erlischt danach mit dem Datum der Beendigung der Niederlassung am Praxisort und/oder mit der Beendigung der Gemeinschaftspraxis.

59

Diese Verfügungen, die an Dr. H. und Dr. Ma. adressiert waren, sind nicht so zu verstehen, dass die Versorgungsaufträge bei einem Ausscheiden des jeweiligen Gesellschafters und Mitglieds aus der am bisherigen Praxissitz weiterhin bestehenden BAG auch mit Wirkung für die Dialysepraxis erlöschen. Sie bringen vielmehr lediglich gegenüber dem Arzt als Adressaten zum Ausdruck, dass eine Bindung des Versorgungsauftrags an den Ort der Niederlassung besteht (§ 3 Abs 3 Satz 4 der Anlage 9.1 BMV-Ä) und dass der in gemeinsamer Berufsausübung erteilte Versorgungsauftrag bei Ausscheiden aus der Dialysepraxis nicht "mitgenommen" werden kann, sondern für den Arzt "erlischt". Hieraus folgt aber nicht notwendig ein Erlöschen der Versorgungsaufträge auch der Dialysepraxis. In dem an Dr. Ma. gerichteten Bescheid wird dies besonders deutlich. Dort ist von der "Beendigung der Gemeinschaftspraxis" die Rede. Ein bloßer Wechsel im Gesellschafterbestand führt jedoch nur für das ausscheidende Mitglied zur Beendigung der gemeinsamen Berufsausübung; die BAG zwischen den verbleibenden Gesellschaftern besteht hingegen - jedenfalls bei Verbleib von mindestens zwei Mitgliedern in der BAG - fort (vgl BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 16 ff mwN).

60

§ 6 Abs 1 Satz 3 Anlage 9.1 BMV-Ä bestimmt zwar, dass eine Auslastung der Dialysepraxen in der Versorgungsregion anzunehmen ist, wenn kontinuierlich mindestens 90 % der nach der BlutreinigungsV festgelegten Patientenzahl "von den dazu erforderlichen Ärzten versorgt wird". Diese Formulierung könnte dahin verstanden werden, dass die Zahl der tatsächlich in der Versorgung tätigen Ärzte maßgeblich sein soll. Dieses Verständnis wäre jedoch nicht damit in Einklang zu bringen, dass der Versorgungsauftrag einer Dialysepraxis oder Dialyseeinrichtung bei Ausscheiden eines Arztes erst nach sechs Monaten angepasst wird, wenn die Praxis den Ersatz des Arztes nicht nachweist (§ 5 Abs 7 Buchst c Satz 7 BlutreinigungsV). Wäre der Umfang eines solchen fortbestehenden Versorgungsauftrags bei der Feststellung, ob eine wirtschaftliche Versorgungsstruktur kontinuierlich gewährleistet ist, nicht zu berücksichtigen, könnte es zwischenzeitlich - vor dem Nachweis des Ersatzes des ausgeschiedenen Arztes - zur Genehmigung neuer Versorgungsaufträge kommen. Würde die Dialysepraxis auf Grundlage von § 5 Abs 7 Buchst c Satz 6 BlutreinigungsV dann innerhalb der Sechs-Monats-Frist von ihrem Nachbesetzungsrecht Gebrauch machen, wäre eine nicht gewollte Vermehrung der Versorgungsaufträge im Versorgungsbereich eingetreten.

61

Es war mithin hier der Versorgungsauftrag der Klägerin für die Behandlung von bis zu 150 Patienten, der der Klägerin nach Ausscheiden der Ärzte Dr. H. und Dr. Ma. im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 1.4.2011 unverändert zur Verfügung stand, zu berücksichtigen. Unter Einbeziehung dieses Versorgungsauftrags war die Klägerin im Quartal 1/2011 (ohne Abzug von Heimdialysepatienten; vgl dazu BSG SozR 4-5540 Anlage 9.1 Nr 7 RdNr 36 f) zu 60,92 % ausgelastet. Im Quartal II/2011 ergab sich eine Auslastung von 63,28 %, im Quartal III/2011 von 64,05 % und im Quartal IV/2011 von 61,13 %. Somit fehlte es im Zeitpunkt der Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung an Dr. H. sowohl an einer auf diesen Zeitpunkt bezogenen hinreichenden Auslastung der Klägerin als auch an Anhaltspunkten dafür, dass die Klägerin in der Folgezeit - jedenfalls während der Dauer der Sechs-Monats-Frist - hinreichend ausgelastet war.

62

d. Der Bescheid vom 15.3.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.3.2013 und des Bescheides vom 15.4.2013 mit der Genehmigung eines zweiten Arztes ist, wie bereits ausgeführt, Annex der Genehmigung vom 1.4.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides. Das SG hat auch diesen Bescheid zu Recht aufgehoben.

63

e. Die hier maßgeblichen Regelungen der Anlage 9.1 BMV-Ä sind verfassungsgemäß. Die durch Art 12 Abs 1 GG geschützte Berufsfreiheit der aus einer Dialysepraxis ausscheidenden Ärzte wird zwar eingeschränkt; das Maß des verfassungsrechtlich Zulässigen ist jedoch nicht überschritten. In das durch Art 12 Abs 1 GG garantierte einheitliche Grundrecht der Berufsfreiheit darf nur auf gesetzlicher Grundlage und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden (stRspr; vgl nur BVerfGE 36, 212, 219 ff; 45, 354, 358 f; 93, 362, 369; 135, 90, 111 RdNr 57; 141, 82, 98 RdNr 47; zuletzt BVerfG Beschluss vom 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12, 1 BvR 1630/12, 1 BvR 11 BvR 1694/13, 1 BvR 11 BvR 1874/13 - Juris - RdNr 121). Der Eingriff muss zur Erreichung eines legitimen Eingriffsziels geeignet sein und darf nicht weitergehen, als es die Gemeinwohlbelange erfordern; ferner müssen Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen (vgl BVerfGE 54, 301, 313; 101, 331, 347; 141, 121, 133 RdNr 40).

64

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1. machen einen Verstoß gegen Art 12 Abs 1 GG geltend, wenden sich dabei jedoch nicht gegen die von der BlutreinigungsV geregelten Anforderungen an die fachliche Kompetenz sowie die organisatorische und apparative Ausstattung, sondern allein gegen die bedarfsplanerische Komponente von Anlage 9.1 BMV-Ä, die darüber hinausgehende Kriterien für die Strukturqualität formuliert. Eine solche Komponente ist auch der Verbleib des Versorgungsauftrags in der Dialysepraxis bei Ausscheiden eines Arztes. Hierin liegt eine Beschränkung der Berufsfreiheit des ausscheidenden Arztes, der seine bisherige Berechtigung zur Durchführung von Dialyseleistungen verliert. Diese rückt im Hinblick auf die Besonderheiten der Leistungserbringung und nicht zuletzt wegen des regelmäßigen Zusammenhangs mit einer Sonderbedarfszulassung sowohl in fachlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht in die Nähe einer Statusentscheidung (vgl zur Genehmigung zur Durchführung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nach § 121a SGB V: BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 4 RdNr 18). Ein Internist mit einer Genehmigung nach Anlage 9.1 BMV-Ä ist in der Regel ausschließlich in diesem Bereich tätig. Allerdings wird dem entsprechend qualifizierten Arzt mit dem Verbleib des Versorgungsauftrags in der Praxis lediglich die Möglichkeit genommen, ohne weitere Bedarfsprüfung an einem anderen Ort seiner Wahl Dialysen an gesetzlich Versicherten durchzuführen und abzurechnen. Im Übrigen wird ihm der Zugang zur vertragsärztlichen und speziell zur nephrologischen Versorgung nicht versperrt. Dass der Versorgungsauftrag nicht bedarfsunabhängig verlagert werden darf, beschränkt nur die Betätigungsmöglichkeiten des aus einer Dialysepraxis ausscheidenden Arztes in örtlicher Hinsicht (vgl zu örtlichen Zulassungsbeschränkungen BVerfG MedR 2001, 639; BSGE 82, 41, 43 ff = SozR 3-2500 § 103 Nr 2 S 11 ff). Dieser Grundrechtseingriff ist durch Gemeinwohlbelange gerechtfertigt und verhältnismäßig.

65

aa. Rechtsgrundlagen für die Regelungen in § 2 Abs 7 BMV-Ä iVm Anlage 9.1 BMV-Ä sind §§ 82 Abs 1 iVm 72 Abs 2 SGB V.

66

§ 72 Abs 2 iVm § 82 Abs 1 Satz 1 SGB V regelt die allgemeine Kompetenz der Partner der Bundesmantelverträge zur vertraglichen Regelung der vertragsärztlichen Versorgung. Nach diesen Vorschriften ist die vertragsärztliche Versorgung unter anderem durch schriftliche Verträge der KÄVen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist, wobei die KÄBV mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen den allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge in Bundesmantelverträgen zu regeln hat.

67

Die gesetzlichen Ermächtigungen in § 72 Abs 2 iVm § 82 Abs 1 Satz 1 SGB V sind hinreichend bestimmt. Die Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG sind hier nicht anwendbar. Dessen Vorgabe, dass Ermächtigungsgrundlagen nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmt sein müssen, betrifft Rechtsverordnungen, nicht aber Normsetzungen, die in anderer Gestalt als durch Rechtsverordnungen erfolgen (vgl BVerfGE 33, 125, 157 f; 44, 322, 349; 97, 332, 343). Dementsprechend bedarf es für die im SGB V vorgesehene Normsetzung der sog gemeinsamen Selbstverwaltung keiner gemäß Art 80 Abs 1 Satz 2 GG eng umrissenen gesetzlichen Grundlage (vgl BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 22). Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass auf § 72 Abs 2 iVm § 82 Abs 1 Satz 1 und § 135 Abs 2 SGB V gestützte Regelungen der Träger der gemeinsamen Selbstverwaltung zur Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung verfassungsrechtlich zulässig sind(vgl BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 18 ff; BSGE 115, 235 = SozR 4-2500 § 135 Nr 21, RdNr 32 unter Hinweis auf BVerfGK 18, 345 sowie BVerfG SozR 4-2500 § 135 Nr 16). Insofern fehlt es den Vertragspartnern auch nicht an der erforderlichen demokratischen Legitimation (vgl BSGE 82, 41, 46 ff = SozR 3-2500 § 103 Nr 2 S 15 ff zum Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, heute: Gemeinsamer Bundesausschuss).

68

§ 72 Abs 2 und § 82 Abs 1 Satz 1 SGB V decken die von den Vertragspartnern in der Anlage 9.1 BMV-Ä für den Bereich der Dialyseversorgung vereinbarten Regelungen. Die Vertragspartner haben damit entsprechend dem gesetzlichen Auftrag spezielle Regelungen für eine ausreichende und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit Dialyseleistungen getroffen. Diese stehen, wie in § 1 Satz 2 Anlage 9.1 BMV-Ä ausdrücklich aufgeführt, im Zusammenhang mit den Regelungen der Sonderbedarfsplanung gemäß der BedarfsplRL des GBA, der BlutreinigungsV, der Qualitätssicherungs-Richtlinie Dialyse des GBA und den Regelungen der KÄBV zur Fortbildungsverpflichtung der Vertragsärzte nach § 95d SGB V. Der GBA nimmt in der auf der Grundlage von § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 9 SGB V erlassenen BedarfsplRL auf die BlutreinigungsV und die Anlage 9.1 BMV-Ä Bezug. Nach § 37 Abs 4 BedarfsplRL ist die Anlage 9.1 BMV-Ä bei den Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zulassung wegen eines Bedarfs - zur Sicherstellung der wohnortnahen Versorgung oder wegen des Erfordernisses eines weiteren Arztes nach der BlutreinigungsV - in der Dialyseversorgung zu berücksichtigen. Die Zulassung ist im Fall gemeinsamer Berufsausübung auf die Dauer der gemeinsamen Berufsausübung beschränkt. Die BlutreinigungsV regelt die fachlichen, organisatorischen und apparativen Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung von Dialysebehandlungen und verweist in § 2 Satz 2 für das Genehmigungsverfahren auf die Anlage 9.1 BMV-Ä. Auch die Qualitätssicherungs-Richtlinie Dialyse des GBA enthält in § 2 Abs 3 einen Hinweis auf die Anlage 9.1 BMV-Ä. Aus dem Zusammenhang und der jeweiligen Bezugnahme wird deutlich, dass die bedarfsplanerischen Elemente der Anlage 9.1 BMV-Ä, die auch die Bindung des Versorgungsauftrags an die Dialysepraxis umfassen, eng mit einer der KÄV obliegenden Qualifikations- und Fachkundeprüfung verzahnt sind. So ist Ausgangspunkt für die Beurteilung eines Bedarfs der in § 5 Abs 7 Buchst c Satz 5 BlutreinigungsV unter Qualitätssicherungsaspekten festgelegte "Arzt-Patienten-Schlüssel". Die Frage der wirtschaftlichen Versorgungsstruktur wird sodann anhand der für die konkrete Praxis maßgeblichen Versorgungsregion und anhand des tatsächlichen Auslastungsgrades der in der Versorgungsregion bestehenden Praxen beantwortet. Durch dieses spezielle Konstrukt für die Feststellung eines konkreten Versorgungsbedarfs für einen besonderen Leistungsbereich wird die Zuständigkeit des GBA für die generelle vertragsärztliche Bedarfsplanung nicht berührt. Die Belange der Verbände der Krankenkassen sind im Verfahren durch das Erfordernis des Einvernehmens gewahrt (vgl BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 34).

69

Dieses in sich schlüssige Konzept beruht auf ineinandergreifenden Elementen der Qualitätssicherung, der Regulierung des Marktzugangs durch normative Planungsvorgaben an Hand eines Arzt-Patienten-Schlüssels, der Schaffung von Versorgungsregionen und der Sicherung der wirtschaftlichen Versorgung an den gewachsenen Standorten der zugelassenen oder ermächtigten Leistungserbringer auch durch Schutz vor zusätzlichen, nicht zur Bedarfsdeckung erforderlichen Leistungsanbietern. Aus diesem Konzept kann nicht - wie die Beigeladene zu 1. und die Beklagte meinen - ein Element, nämlich die Bindung eines Versorgungsauftrags an eine Praxis und deren Standort, herausgebrochen werden, ohne dass das Konzept insgesamt in Frage gestellt würde. Der Senat ist deshalb in seinen Entscheidungen zur Anlage 9.1 seit dem Jahr 2011 stets von deren Rechtmäßigkeit ausgegangen. Auch von den Beteiligten sind erstmals in den am heutigen Tag entschiedenen Verfahren Bedenken erhoben worden.

70

Dass auch der Gesetzgeber von einer umfassenden und sachgerecht wahrgenommenen Kompetenz der Partner der Bundesmantelverträge ausgegangen ist, wird darin deutlich, dass er sich in Kenntnis der Regelungen in Anlage 9.1 BMV-Ä seit Jahrzehnten einer umfassenden gesetzlichen Regelung der Versorgung der Versicherten mit Dialyse enthalten hat. Er hat lediglich punktuelle Einzelregelungen - etwa in § 126 Abs 3 SGB V zur Vergütung nichtärztlicher Dialyseleistungen - getroffen. Auch die Existenz von ärztlich geleiteten Einrichtungen, die den Dialysemarkt stark prägen, und das spezielle Nebeneinander von ärztlichen und nichtärztlichen technischen und pflegerischen Leistungen, auf die der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 4.5.1994 (BSGE 74, 154 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 6) hingewiesen hat, haben dem Gesetzgeber keinen Anlass zu eigenständigen Regelungen gegeben. Daraus hat der Senat wegen der bestehenden Besonderheiten im Versorgungsbereich Dialyse abgeleitet, dass der auf § 31 Abs 2 Ärzte-ZV iVm § 9 der Anlage 9.1 BMV-Ä beruhende Status ermächtigter Einrichtungen demjenigen zugelassener Vertragsärzte entspricht (vgl SozR 4-1500 § 54 Nr 26 RdNr 24). Da der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, detaillierte Vorgaben für die Struktur der Dialyseversorgung zu machen oder eine entsprechende Ermächtigung an den GBA vorzusehen, ist derzeit davon auszugehen, dass die Sicherstellung der Versorgung vorrangig den Vertragspartnern auf Bundesebene überantwortet ist.

71

bb. Die Regelungen der Anlage 9.1 BMV-Ä sind durch wichtige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Die sich aus diesem Konzept der Regelungen zur Dialyseversorgung ergebenden örtlichen Beschränkungen für die Genehmigung weiterer Versorgungsaufträge in Versorgungsregionen, in denen (noch) keine hinreichende Auslastung der bestehenden Dialysepraxen gegeben ist, dienen der Sicherung der Versorgungsqualität sowie der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung der nephrologischen Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten. Sie tragen - gerade im mit außergewöhnlich hohen Kosten verbundenen Bereich der Dialysebehandlung - zur finanziellen Stabilität und Funktionsfähigkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung bei und dienen damit einem Gemeinwohlbelang von hoher Bedeutung (vgl BVerfGE 68, 193, 218 = SozR 5495 Art 5 Nr 1 S 3; BVerfGE 70, 1, 30 = SozR 2200 § 376d Nr 1 S 11 f; BVerfGE 82, 209, 230), der sogar Eingriffe, die Beschränkungen der Berufswahl nahekommen, rechtfertigen würde (vgl BVerfGE 82, 209, 229 ff; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 4 RdNr 23 - 24 mwN; BSGE 82, 41, 44 ff = SozR 3-2500 § 103 Nr 2 S 13 ff). Gefördert wird, insbesondere durch den Verbleib des Versorgungsauftrags in der Dialysepraxis, zudem die gemeinschaftliche Berufsausübung, die nicht nur als organisatorische Erleichterung, sondern vor allem aus Gründen der Versorgungsqualität erwünscht ist. Die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der versicherten Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Leistungen ist dabei ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut (vgl BSGE 82, 55, 61 = SozR 3-2500 § 135 Nr 9 S 43; BSG SozR 3-2500 § 72 Nr 8 S 22).

72

Die Normgeber haben in nicht zu beanstandender Weise die Besonderheiten im Leistungsbereich der Dialyseversorgung berücksichtigt. Diese unterscheidet sich grundlegend von anderen Leistungsbereichen wie etwa der Radiologie oder der Labormedizin, die ebenfalls von den Leistungserbringern erhebliche Investitionen verlangen. Dabei kann offenbleiben, inwiefern die für den Betrieb einer Dialysepraxis entstehenden Kosten mit anderen Fachgebieten vergleichbar sind. Gerade bei der Versorgung von Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz, die eine Dialysebehandlung in der Regel lebenslang mehrmals die Woche und über mehrere Stunden benötigen, kommt der Kontinuität und Wohnortnähe der Versorgung jedenfalls ein besonderer Stellenwert zu, da die Behandlung tief in die persönliche Lebensführung eingreift (vgl zu den entstehenden Fahrkosten Anlage 2 der Krankentransport-Richtlinie des GBA). Um eine flächendeckende und wohnortnahe Versorgung von Dialysepatienten sicherzustellen, hat der Normgeber ein Konzept entwickelt, in dem zum einen mit der Bildung von Versorgungsregionen eine räumliche Komponente berücksichtigt wurde. Zum anderen wurde mit dem Abstellen auf einen bestimmten Auslastungsgrad der in der Versorgungsregion tätigen Praxen eine für die Leistungserbringer wirtschaftliche Praxisführung gewährleistet. Dieser Bestandsschutz der bereits tätigen Praxen dient der Verhinderung eines Wettbewerbs, der zu Unwirtschaftlichkeiten in der Versorgung insgesamt und durch Verdrängung von Leistungserbringern zu einer unerwünschten räumlichen Konzentration oder zu Versorgungslücken führen kann (vgl Köhler, Dialysevereinbarung: Gegen den industriellen Verdrängungswettbewerb, DÄ 2002, A-828). Die wirtschaftliche Sicherung bestehender Praxen liegt auch im Interesse des Patientenwohls, weil hierdurch verhindert werden soll, dass die Versorgung der Patienten mit Dialyseleistungen durch die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz bestehender Praxen in Frage gestellt wird (vgl BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 26 RdNr 26). Dass gerade in kostenintensiven Leistungsbereichen die Gefahr einer Konzentration weniger Praxen an insgesamt attraktiven Standorten besteht, zeigt nicht zuletzt die Entwicklung der Versorgung mit radiologischen Leistungen.

73

cc. Der Eingriff ist auch insgesamt verhältnismäßig. Die angegriffenen Regelungen der Anlage 9.1 BMV-Ä sind geeignet und erforderlich zur Erreichung des genannten Gemeinwohlbelangs. Eingriffszweck und Eingriffsintensität stehen bezogen auf die maßgeblichen Gemeinwohlziele in einem angemessenen Verhältnis. Im Rahmen der Abwägung der Schwere des Eingriffs gegenüber den der Regelung zugrunde liegenden Gemeinwohlinteressen durfte der Normsetzer diesen Belangen den Vorrang einräumen. Wie bereits dargelegt, hätte sich ohne den Verbleib des Versorgungsauftrags in der Dialysepraxis die Zahl der Leistungserbringer in der Dialyseversorgung ohne Begrenzung erhöhen können. Das würde die Intentionen des Normgebers, zum einen mit der Sicherung der Erwerbsmöglichkeiten in einem bestimmten Umfang einen Anreiz zu setzen, in der nephrologischen Versorgung niereninsuffizienter Patienten tätig zu werden, und zum anderen eine wirtschaftliche Versorgung mit Dialyseleistungen insgesamt durch eine Begrenzung der Zahl der Leistungserbringer zu bewirken, zuwiderlaufen. Die Einschränkungen der Berufsfreiheit des einzelnen Arztes stehen nicht außer Verhältnis zu den gewichtigen Gemeinwohlbelangen. Zum einen kann ein Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie bzw ein Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie (vgl Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer vom 23.10.2015 Ziffer 13.7 S 84) nephrologische Leistungen auch außerhalb der Dialyse erbringen. Zum anderen stehen dem aus einer Dialysepraxis ausscheidenden Arzt auch weiterhin Betätigungsmöglichkeiten in diesem Bereich offen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Dialyseleistungen in aller Regel in ärztlichen Kooperationen erbracht werden. Ein Arzt, der aus einer BAG ausscheidet, kann zwar seinen Versorgungsauftrag nicht mitnehmen, er kann aber den in einer anderen BAG, einem MVZ oder bei einer der in diesem Versorgungssegment stark vertretenen ermächtigen ärztlich geleiteten Einrichtungen (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 30) frei gewordenen Versorgungsauftrag übernehmen. Gerade in einem Markt, der - zT historisch bedingt - stark von Leistungserbringern wie dem Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation mit einer Vielzahl angestellter Ärzte oder in Kooperation tätiger selbstständiger Ärzte geprägt wird, sind die beruflichen Möglichkeiten einer fachlich hoch spezialisierten Gruppe wie der Nephrologen auch ohne die Bindung des Versorgungsauftrags an eine Person vielfältig. Schließlich kann eine Einzelpraxis, die Dialysen anbietet, unter den Voraussetzungen des § 5 Abs 7 Buchst c BlutreinigungsV ohne Bedarfsprüfung um einen weiteren Arzt verstärkt werden(vgl BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 11 RdNr 32 f). In Fällen einer Praxisnachfolge ist die Übertragung der Genehmigung eines Versorgungsauftrags in § 4 Abs 2 Anlage 9.1 BMV-Ä vorgesehen. Nur für den Fall der Gründung einer neuen Dialysepraxis besteht die Notwendigkeit, die Genehmigung der Übernahme eines Versorgungsauftrags unter den in der Anlage 9.1 BMV-Ä genannten Voraussetzungen zu beantragen. Die damit verbundene räumliche Einschränkung der Berufstätigkeit ist angesichts der überragenden Bedeutung der mit dem Regelungskonzept der Anlage 9.1 BMV-Ä verfolgten Gemeinwohlbelange hinzunehmen.

74

II. Im Interesse der unverzichtbaren Kontinuität der Versorgung der Versicherten modifiziert der Senat die Aufhebung der angefochtenen Genehmigungen in der Weise, dass diese erst mit Ablauf des 31.12.2017 wirksam wird. Ähnlich wie in dem am 28.10.2015 (SozR 4-5540 § 6 Nr 2, RdNr 47) entschiedenen Fall kann der Senat nicht darüber hinwegsehen, dass am Standort der Beigeladenen zu 1. seit Jahren Patienten mit Dialyseleistungen versorgt werden. Dieses Versorgungsangebot kann nicht an dem Tag der rechtskräftigen Feststellung der Rechtswidrigkeit der ihm zugrunde liegenden Genehmigungen beendet werden. Der Senat sieht - wie im vorgenannten Verfahren - anderenfalls die Gefahr, dass die gerade im Bereich der Dialyse besonders bedeutsame kontinuierliche Versorgung der Versicherten gefährdet würde, wenn dieses Versorgungsangebot übergangslos entfiele. Gleichzeitig werden die Folgen der Entscheidung für die Mitglieder der Beigeladenen zu 1. abgefedert.

75

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben die Beklagte und die Beigeladene zu 1. auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen (§ 154 Abs 1, § 159 Satz 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 7. ist nicht veranlasst; sie haben im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. November 2010 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 4. April 2007 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 4. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2005 wird aufgehoben, soweit Laborleistungen in Behandlungsfällen betroffen sind, bei denen der Notfalldienst nicht von der Klägerin versehen wurde.

Im Übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens für alle Rechtszüge je zur Hälfte.

Tatbestand

1

Streitig sind sachlich-rechnerische Richtigstellungen wegen Abrechnung von Laboruntersuchungen als Notfallleistungen im Quartal IV/2004.

2

Die ambulante Notfallversorgung wurde in der hier betroffenen Region im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) in Räumlichkeiten des Krankenhauses der Klägerin durchgeführt. Den Notfalldienst versahen auf der Grundlage eines Vertrages zwischen der Beklagten und der Klägerin - der Trägerin des Krankenhauses - zum Teil Vertragsärzte und zum anderen Teil Ärzte des Krankenhauses. In dem Vertrag war unter anderem geregelt, dass die diensthabenden Notfallärzte die notfallmäßig erforderlichen Röntgen- und Laboruntersuchungen, soweit diese nicht in der Notfallpraxis vorgehalten werden, vom Krankenhaus beziehen, das sie von der Beklagten vergütet erhält (Vertrag vom 13.12.2002/6.1.2003).

3

Die von der Klägerin bei der Beklagten eingereichte Abrechnung für das Quartal IV/2004 enthielt unter anderem Ansätze der Nr 4066 (Bestimmung der Blutalkoholkonzentration - 12,80 Euro) und der Nr 4365 (Bestimmung des C-reaktiven Proteins - 5,40 Euro) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä aF, hier zugrunde gelegt in der damals geltenden Fassung) im Gesamtwert von ca 1715 Euro. Für diese Leistungen versagte die Beklagte die Vergütung, weil sie im Rahmen der Notfallversorgung nicht abrechenbar seien. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteile des SG vom 4.4.2007 und des LSG vom 17.11.2010). Im Urteil des LSG ist ausgeführt, im Rahmen von Notfallbehandlungen sei nur Gefahren für Leib und Leben sowie unzumutbaren Schmerzen der Patienten zu begegnen; dafür seien Bestimmungen des BAK und des CRP im Regelfall nicht erforderlich. Nach der Erkenntnis des Gerichts, gestützt auf die Sachkunde und Berufserfahrung seiner ehrenamtlichen Richter, könne die Ausprägung einer Alkoholintoxikation unabhängig von der BAK-Bestimmung anhand spezifischer Symptome zuverlässig und für die Notfallversorgung ausreichend festgestellt werden. Zumindest im Regelfall reichten Anamnese und körperliche Untersuchung für die Akutbehandlung bis zur Weiterbehandlung durch einen Vertragsarzt oder bis zum Einsetzen einer stationären Behandlung aus. Wertende Entscheidungen im Einzelfall zur näheren Aufklärung der Symptomatik, wie von der Klägerin geltend gemacht, ließen sich den Behandlungsunterlagen nicht entnehmen. Vielmehr sei die BAK routinemäßig bestimmt worden, zB auch dann, wenn der Alkoholabusus nur eine nicht maßgebliche Nebendiagnose gewesen sei - so bei epileptischem Anfall im Rahmen einer Entzugssymptomatik, bei Querschnittssymptomatik nach evtl alkoholbedingtem Fahrradunfall, bei Brustschmerz oder Bronchitis eines alkoholisierten Patienten - oder ohnehin eine stationäre Einweisung erfolgt sei, in deren Verlauf die BAK noch hätte bestimmt werden können - so im Fall des Verdachts auf psychogenen Krampfanfall und Alkoholhalluzinose -. In anderen Fällen sei die erfolgte BAK-Bestimmung nicht in den Behandlungsunterlagen dokumentiert und demgemäß überhaupt kein Anhaltspunkt für deren Erforderlichkeit erkennbar. Auch die Bestimmung des CRP gehe über den Rahmen der notfallmäßigen Erstversorgung hinaus. Eine Rechtfertigung dafür, diese Bestimmung routinemäßig schon im Rahmen der Notfallversorgung durchzuführen, wie dies die Internisten und Neurologen praktiziert hätten, bestehe nicht, und eine Erforderlichkeit im Einzelfall aus besonderem Anlass ergebe sich weder aus den Behandlungsunterlagen noch sei dies offenkundig.

4

Mit ihrer Revision wendet sich die Klägerin gegen das Urteil des LSG. Verfahrensrechtlich sei zu beanstanden, dass das LSG pauschal für alle Behandlungsfälle davon ausgehe, die BAK- und CRP-Bestimmungen seien im Rahmen der Notfallversorgung nicht erforderlich gewesen. Tatsachenfeststellungen mit ausreichender Sachkunde für jeden Einzelfall habe das LSG nicht getroffen. Medizinische Sachkunde hätte das Gericht nur mit Hilfe der ehrenamtlichen Richter und deren Analyse der Behandlungsunterlagen haben können, die dafür die dem Gericht vorgelegten fünf Aktenordner hätten durchsehen müssen. Indessen sei die Beratungszeit des Gerichts so kurz gewesen, dass die ehrenamtlichen Richterinnen weder die umfänglichen Unterlagen hätten durchsehen noch dem Spruchkörper insgesamt ihre Erkenntnisse hätten spezifiziert vermitteln können. Den Inhalt der Aktenordner habe das Gericht auch nicht in der erforderlichen Weise in das Verfahren eingeführt und zum Gegenstand der Verhandlung gemacht. Ferner seien die Prozessbeteiligten nicht in der gebotenen Art über die Sachkunde der ehrenamtlichen Richter informiert worden; substantielle Informationen über ihre Qualifikation habe das Gericht nicht gegeben. Die in die Sitzungsniederschrift aufgenommene, lediglich pauschale Erklärung der ehrenamtlichen Richterinnen, dass sie Notfalldienst sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich verrichtet hätten sowie nach ihrer Auffassung die Bestimmung des BAK und des CRP nicht zu der im Rahmen der Notfallversorgung gebotenen Diagnostik gehöre und ihnen Ausnahmesituationen nicht ersichtlich seien, reiche nicht aus. Ein Verfahrensfehler liege schließlich auch darin, dass das Gericht dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht gefolgt sei, den sie - die Klägerin - in der mündlichen Verhandlung des LSG hilfsweise gestellt habe. Diesem Hilfsantrag hätte das LSG mangels eigener Sachkunde folgen müssen, da grundlegende, schwierige Fragen medizinischer Art in einer großen Zahl von Fällen angestanden hätten. Auch inhaltlich sei die Entscheidung des LSG zu beanstanden. Dieses hätte differenzieren müssen zwischen den Laboruntersuchungen, die das Krankenhaus auf Anforderung der in der Notfallpraxis diensthabenden Ärzte vorgenommen habe (Auftragsleistungen), und solchen Laboruntersuchungen, die das Krankenhaus durch eigenes Personal veranlasst habe. Der vom LSG angewendete Grundsatz, dass der Leistungserbringer bei Fehlen der Erforderlichkeit einer Untersuchung keinen Anspruch auf Vergütung habe, möge zutreffen, soweit das Krankenhaus die Laboruntersuchungen durch eigenes Personal veranlasst habe, nicht jedoch insoweit, als die in der Notfallpraxis diensthabenden, von der KÄV gestellten Ärzte die Untersuchungen in Auftrag gegeben hätten. Dies seien Auftragsleistungen, bei denen das Vergütungsrisiko nicht den Auftragnehmer, sondern den Auftraggeber treffe. An diesen müsse sich die Beklagte halten; dh sie müsse ggf den Arzt, der den Notfalldienst versehen habe, in Regress nehmen. Bei Auftragsleistungen sei deren Rechtmäßigkeit grundsätzlich nicht vom Auftragnehmer zu prüfen und zu verantworten.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. November 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 4. April 2007 aufzuheben und die Beklagte - unter Aufhebung ihrer Honorarversagung vom 4. April 2005 für die Leistungen nach Nr 4066 und 4365 EBM-Ä aF in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2005 - zu verurteilen, die gestrichenen Leistungen der Nr 4066 und 4365 EBM-Ä aF nachzuvergüten,

hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Verfahrensrügen für verfehlt. Maßgebliche Entscheidungsgrundlage des LSG seien nicht die fünf Aktenordner gewesen, sondern dessen Erkenntnis, dass die BAK- und CRP-Bestimmungen nicht zur Erstversorgung im Rahmen des Notfalldienstes gehörten. Hierbei bedürfe es weder der Überprüfung der Einzelfälle noch besonderer Sachkunde. Es komme auch deshalb nicht auf den Inhalt der Aktenordner an, weil sich wesentliche Fallunterlagen auch in ihrer - der Beklagten - Verwaltungsakte befänden, die das LSG ausweislich des Tatbestands seines Urteils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht habe. Im Übrigen liege diesem Urteil auch nicht nur die Überzeugung der ehrenamtlichen Richter, sondern diejenige des gesamten Spruchkörpers zugrunde, wie das Urteil belege, das sich ausdrücklich auf die "Überzeugung des Senats" berufe. Ferner habe das LSG zu Recht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen, da nur standardmäßige Klärungen angestanden hätten. Schließlich seien auch die inhaltlichen Beanstandungen der Klägerin unberechtigt. Die entscheidende Frage, wen das Vergütungsrisiko bei Auftragsleistungen treffe - den Auftraggeber oder den Auftragnehmer -, sei durch die Rechtsprechung des BSG geklärt. Danach sei die KÄV zur Richtigstellung der Abrechnung des Auftragnehmers berechtigt, wenn dieser den Auftrag wegen erkennbarer Unwirtschaftlichkeit hätte ablehnen müssen. Ein solcher Fall habe hier vorgelegen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin, mit der sie ihr Begehren nach Honorierung aller BAK- und CRP-Laboruntersuchungen im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage weiterverfolgt (unten 1.), hat nur teilweise Erfolg. Soweit (Krankenhaus-)Ärzte im Rahmen des dem Krankenhaus obliegenden Notfalldienstes BAK- und CRP-Laboruntersuchungen anforderten, lehnt die Beklagte es zu Recht ab, sie dem Krankenhaus bzw seinem Träger zu vergüten; denn solche Untersuchungen überschreiten grundsätzlich den Rahmen einer Notfall-Erstversorgung (unten 2.). Soweit den Laboruntersuchungen indessen Zielaufträge von solchen Ärzten an das Krankenhauslabor zugrunde lagen, die im Rahmen des von der beklagten KÄV organisierten Notfalldienstes tätig waren, durfte die Beklagte dem Krankenhaus bzw seinem Träger das Honorar nicht versagen; denn in diesen Fällen war das Krankenhaus(labor) nur der Auftragnehmer einer Überweisung, der die Rechtmäßigkeit der angeforderten Leistung grundsätzlich nicht zu verantworten hat (unten 3.).

9

1. Die Klägerin hat mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG die richtige Klageart gewählt; denn sie wendet sich gegen sog quartalsgleiche Richtigstellungen, nämlich gegen sachlich-rechnerische Richtigstellungen, die die Beklagte sogleich im Zusammenhang mit der Erteilung des Quartalshonorarbescheids vornahm: Die Klägerin macht gegenüber dieser Honorar-Teilversagung zu Recht im Wege der Leistungsklage, verbunden mit der Anfechtungsklage gegen den teilweise ablehnenden Bescheid, das versagte Honorar geltend (zur Klageart vgl BSG vom 10.12.2008 - B 6 KA 66/07 R - Juris RdNr 14; Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann , jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106a RdNr 39 iVm 44).

10

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung der BAK- und CRP-Bestimmungen in den Fällen, in denen diese Laborwerte von Ärzten angefordert wurden, die im Auftrag der Klägerin den Notfalldienst versahen.

11

a) Der Notfalldienst war - wie vom LSG ausgeführt - in der Vereinbarung vom 13.12.2002/ 6.1.2003 zwischen beiden aufgeteilt. Während der sog Öffnungszeiten (§ 1 Abs 1 des Vertrags: MoDiDo 19-23, MiFr 13-23, SaSo und feiertags 8-24 Uhr) oblag es der Beklagten, die Notfallpraxis betriebsfähig mit Personal auszustatten (§ 1 Abs 2 Satz 1 des Vertrags); in den übrigen Zeiten - also ab 23 bzw ab 24 Uhr - oblag dies dem Krankenhaus, das auch das ärztliche Personal zur Verfügung stellte (§ 1 Abs 1 Satz 2 iVm Abs 2 des Vertrags). Auch während der Zeiten, in denen der Beklagten die Organisation oblag, konnten bei Bedarf bzw auf Wunsch die am Krankenhaus angestellten Ärzte im Rahmen einer Nebentätigkeit(serlaubnis) in der Notfallpraxis mitarbeiten (§ 2 Abs 2 des Vertrags). Für den Fall, dass der in der Notfallpraxis diensthabende Arzt Leistungen wie Röntgen- und Laboruntersuchungen, die nicht in der Notfallpraxis durchgeführt werden konnten, für notfallmäßig erforderlich hielt, konnte er diese Leistungen vom Krankenhaus beziehen und dieses sie nach Muster 19 der bundeseinheitlich geltenden Vordruckvereinbarung bei der Beklagten abrechnen (§ 4 Abs 5 des Vertrags). Vorgesehen war ferner, dass das Krankenhaus auch die durch eigenes ärztliches Personal erbrachten Notfallleistungen einschließlich der weiteren Leistungen wie Röntgen- und Laborleistungen direkt mit der Beklagten abrechne (§ 4 Abs 6 des Vertrags mit einer gemäß Satz 3 auf 90 % abgesenkten Vergütung).

12

Diesem Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten lag ein dreiseitiger Vertrag gemäß § 115 Abs 1 iVm Abs 2 Satz 1 Nr 3 und 5 SGB V zugrunde, der am 10.5.1994 zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen sowie den KÄVen Nordrhein und Westfalen-Lippe sowie der Landeskrankenhausgesellschaft abgeschlossen worden war. In § 2 Abs 3 dieses Vertrags war vorgegeben, die Einzelheiten der Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes in einem weiteren Vertrag gemäß § 115 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V zu regeln, wie ihn die Klägerin und die beklagte KÄV dann auch am 13.12.2002/6.1.2003 abgeschlossen hatten.

13

b) Der Abrechnungsanspruch des Krankenhauses gegenüber der Beklagten gemäß § 4 Abs 5 und 6 des Vertrags vom 13.12.2002/6.1.2003 galt nur für "notfallmäßig erforderliche Leistungen wie Röntgen- oder Laboruntersuchungen, die nicht in der Notfallpraxis vorgehalten werden". Danach hatte die Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung, wenn (aa) Leistungen den Rahmen einer Notfall-Erstversorgung überschritten und (bb) das Krankenhaus dies zu verantworten hatte. In diesem Fall war die Beklagte berechtigt, dem Krankenhaus die Vergütung zu versagen; dh sie durfte insoweit die Honoraranforderung des Krankenhauses sachlich-rechnerisch richtigstellen.

14

aa) Eine Überschreitung des Rahmens einer Notfall-Erstversorgung war im Fall der Anforderungen der BAK- und CRP-Laboruntersuchungen gegeben.

15

Der Notfalldienst ist - nur - auf die Notfall-Erstversorgung ausgerichtet: Der Arzt darf nicht mehr Leistungen erbringen und verordnen, als es dem Rahmen der Notfall-Erstversorgung entspricht. Behandlungen im Rahmen des Notfalldienstes haben sich auf die Erstversorgung zu beschränken; sie sind darauf zu konzentrieren, Gefahren für Leib und Leben sowie unzumutbaren Schmerzen der Patienten zu begegnen sowie die Notwendigkeit einer stationären Behandlung abzuklären (vgl hierzu und zum Folgenden BSG vom 17.9.2008 - SozR 4-2500 § 75 Nr 10 RdNr 18 zur Abrechenbarkeit der Leistung der Fremdanamnese im Notfalldienst). Der Behandlungsumfang ist beschränkt auf die Maßnahmen, die bis zum erneuten Einsetzen der Regelversorgung in den üblichen Sprechstundenzeiten erforderlich sind (BSG aaO RdNr 18 mwN; ebenso auch BSG vom 5.2.2003, SozR 4-2500 § 75 Nr 1 RdNr 6 und 14) . Der Umfang der Diagnostik ist auf die Erstversorgung des Patienten ausgerichtet. Befunde, die dazu nicht benötigt werden, sind im Notfalldienst nicht zu erheben. Das schließt prinzipiell weder Röntgen- noch Laboruntersuchungen aus, begrenzt diese indessen vom Ziel der sofortigen, aber oft nur zeitlich begrenzten Behandlung her auf Maßnahmen, die bis zum Übergang des Patienten in die ambulante oder stationäre Regelversorgung unerlässlich sind. Der medizinische Bedarf für die Erstversorgung und nicht die medizinische Infrastruktur der Praxis, in der der Notfalldienst angeboten wird, bestimmen den Umfang der Diagnostik. So kann ein vollwertiger Notfalldienst nach wie vor in Arztpraxen durchgeführt werden, in denen - wenn überhaupt - nur einfache Laboruntersuchungen sofort ausgeführt werden können. Schon deshalb kann eine umfangreiche Labordiagnostik nicht zur Basisversorgung im organisierten Notfalldienst gehören.

16

Entsprechend diesen Abgrenzungen gehören BAK- und CRP-Laboruntersuchungen - jedenfalls im Regelfall - nicht zur Notfall-Erstversorgung. Sie sind für die Erstversorgung in der Regel medizinisch nicht erforderlich und sinnvoll. Die Ausprägung einer Alkoholintoxikation kann im Allgemeinen und typischerweise auch ohne BAK-Bestimmung anhand spezifischer Symptome zuverlässig und für die Notfallversorgung ausreichend festgestellt werden, wie das LSG dargelegt hat (vgl dort unter Hinweis auf Schmidt/Gastpar/Falkai/Gaebel, Evidenzbasierte Suchtmedizin, 2006, S 30). Regelmäßig reichen Anamnese und körperliche Untersuchung aus, um eine Akutbehandlung durchzuführen bzw die Notwendigkeit einer stationären Behandlung zu erkennen. Auch die Bestimmung des C-reaktiven Proteins gemäß Nr 4365 EBM-Ä aF überschreitet - jedenfalls im Regelfall - den Rahmen der Notfall-Erstversorgung. Eine solche Laborbestimmung geht schon vom zeitlichen Ablauf her über eine Notfall-Erstversorgung hinaus, denn ihr Ergebnis liegt erst nach Stunden vor. Für die Einbeziehung in die Notfall-Erstversorgung kann deshalb auch nicht angeführt werden, dass durch eine solche Untersuchung festgestellt werden kann, ob einem Entzündungsprozess eine bakterielle - mit Antibiotika behandelbare - oder eine virale Infektion zugrunde liegt (vgl Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 2012, 263. Aufl 2011, unter dem Stichwort "CRP"), und so vermieden werden kann, unter Umständen unnötigerweise - wenn nämlich eine Virusinfektion vorliegt - Antibiotika zu verordnen.

17

Der Senat hält nicht für völlig ausgeschlossen, dass in besonders gelagerten Einzelfällen die für den Notfalldienst verantwortlichen Ärzte die Bestimmung der BAK und/oder des CRP auch für die Erstversorgung eines Patienten für erforderlich halten können. Wegen des Ausnahmecharakters solcher Fälle müssten die insoweit maßgeblichen medizinischen Diagnosen jedenfalls für die Abrechnungsprüfung erkennbar sein. Bereits aus der Anforderung der BAK- bzw CRP-Bestimmung beim Krankenhauslabor oder aus der Dokumentation über die Notfallbehandlung - anhand der dokumentierten Befunde und/oder Diagnose - müssten sich die für diese ungewöhnliche Diagnostik im Notfalldienst maßgeblichen Umstände ergeben; möglicherweise würde es auch ausreichen, wenn die nähere Begründung im Verfahren des Widerspruchs gegen die sachlich-rechnerische Richtigstellung nachgeliefert wird. Jedenfalls darf eine solche Substantiierung vom Leistungserbringer im Notfalldienst bei der Erbringung normalerweise nur zur Regelversorgung gehöriger Leistungen gefordert werden; denn nur er ist in der Lage, die Umstände zu schildern, aus denen sich die Besonderheit des Falles ergeben könnte (zu vergleichbaren Substantiierungsanforderungen vgl die Senats-Rechtsprechung zur Wirtschaftlichkeitsprüfung zB BSG vom 21.3.2012 - B 6 KA 17/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 40 ff und BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 78/11 B - RdNr 8).

18

Dieser Darlegungsobliegenheit hat die Klägerin hier nicht genügt. Zu keinem der zahlreichen Fälle, in denen die BAK und/oder das CRP bestimmt worden sind, hat die Klägerin substantiiert mit der Abrechnung oder im Widerspruchsverfahren geltend gemacht, weshalb konkret trotz der jeder Notfallversorgung immanenten Beschränkung die umstrittenen Laboruntersuchungen durchgeführt werden mussten. Auch das LSG hat dahingehenden Feststellungen nicht getroffen (zu den Verfahrensrügen der Klägerin gegen das Vorgehen des LSG vgl unten RdNr 21).

19

Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Klärung, ob und unter welchen Voraussetzungen die Bestimmung des CRP als serologische Untersuchung (chemischer Nachweis) nach Nr 3850 des Abschnitts O I/II EBM-Ä aF im Notfalldienst erbracht werden kann. Zumindest liegt das Ergebnis dieser Bestimmung, die geringere Aussagekraft als die Untersuchung nach Nr 4365 des Abschnitts O III EBM-Ä aF hat, sofort vor, und deshalb kann allein diese Bestimmung für die Erstversorgung relevant sein. Die Leistung nach Nr 3850 aaO wird jedoch nach einem gänzlich anderen Verfahren erbracht als diejenige nach Nr 4365 EBM-Ä aF. Daher erfüllt die Bestimmung nach diesem Leistungstatbestand nicht (auch) den Tatbestand der Nr 3850 EBM-Ä aF. Dies schließt eine - hypothetische - Umwandlung der Ansätze nach Nr 4365 in solche nach Nr 3850 EBM-Ä aF aus.

20

bb) Die Verantwortung für die mithin unzulässigen Anforderungen von BAK- und CRP-Laboruntersuchungen trifft die Klägerin, soweit (Krankenhaus-)Ärzte im Rahmen des dem Krankenhaus obliegenden Notfalldienstes solche Laboruntersuchungen anforderten. Soweit die Organisation des Notfalldienstes dem Krankenhaus der Klägerin oblag (ab 23 bzw 24 Uhr, vgl oben 2. a ) , war die Tätigkeit der diensthabenden Ärzte in Anwendung des § 278 BGB dem Krankenhaus zuzurechnen; deshalb war die Beklagte berechtigt, dem Krankenhaus bzw seinem Träger das Honorar für alle diejenigen Leistungen zu versagen, die über die Notfall-Erstversorgung hinausgingen. Insoweit sind die vorinstanzlichen Feststellungen inhaltlich zutreffend.

21

c) Gegenüber diesem Ergebnis greifen die verfahrensrechtlichen Einwendungen, die die Klägerin erhoben hat, nicht durch. Ihre Ansicht, für Feststellungen zur (Nicht-)Erforderlichkeit von BAK- und CRP-Bestimmungen im Notfalldienst bedürfe es besonderer medizinischer Sachkunde - und diese müsse nicht nur bei den ehrenamtlichen Richtern, sondern bei dem Spruchkörper insgesamt vorliegen und auch im Einzelnen spezifiziert werden -, trifft nicht zu. Vielmehr kann die Beurteilung, ob solche Laborbestimmungen sich noch im Rahmen der Notfall-Erstversorgung halten oder ob sie darüber hinausgehen, anhand allgemein zugänglicher medizinischer Erkenntnisse erfolgen, für die es keiner größeren ärztlichen Sachkunde bedarf, als sie ohnehin jeder kassenarztrechtliche Spruchkörper schon aufgrund seiner Zusammensetzung gemäß § 12 Abs 3 SGG hat(vgl zur revisionsgerichtlichen Feststellung genereller Tatsachen zB BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 76; BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 55 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

22

Hieraus folgt zugleich, dass für das LSG kein Anlass bestanden hat, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Weiterhin ergibt sich für die Rüge der Klägerin, das LSG und seine ehrenamtlichen Richterinnen hätten die ihm vorgelegten Aktenordner auswerten müssen, dies aber nicht getan, die Folgerung, eine solche Auswertung hätte weder für das Verfahrensergebnis des LSG noch für das Revisionsverfahren Relevanz haben können; ein Verfahrensmangel lag mithin insoweit nicht vor (vgl § 164 Abs 2 Satz 3 SGG).

23

3. Klage und Revision der Klägerin sind indessen insoweit begründet, als BAK- und CRP-Laboruntersuchungen betroffen sind, denen Zielaufträge von solchen Ärzten an das Krankenhauslabor zugrunde lagen, die im Rahmen des von der beklagten KÄV organisierten Notfalldienstes tätig waren (MoDiDo 19-23, MiFr 13-23, SaSo und feiertags 8-24 Uhr, vgl oben 2. a ) . In solchen Fällen darf die Beklagte dem Krankenhaus das Honorar nicht versagen; denn insoweit waren die Aufträge nicht vom Krankenhaus zu verantworten, sondern von den Ärzten, die im Rahmen der Verantwortung der beklagten KÄV den Notfalldienst versahen. In diesen Fällen war das Krankenhaus(labor) nur der Auftragnehmer einer Überweisung, diesen trifft im Regelfall keine Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der angeforderten Leistungen.

24

a) Werden Zielaufträge von Ärzten, die im Rahmen des von der beklagten KÄV organisierten Notfalldienstes tätig sind, an das Krankenhaus(labor) gerichtet, so sind Auftraggeber und Auftragnehmer verschiedene Personen bzw Institutionen; insofern liegt es anders als in der oben unter 2. b bb dargelegten Konstellation. Dann bestimmen sich die Verantwortlichkeiten nach den Grundsätzen über Auftragsleistungen, die sich aus § 24 Bundesmantelvertrag-Ärzte, § 27 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen ergeben und die der Senat in seinem Urteil vom 8.7.1981 ausführlich dargestellt hat und an denen er weiterhin festhält (BSG vom 8.7.1981 - 6 RKa 3/79 - USK 81 118 S 475 ff = Juris RdNr 17 ff).

25

Nach diesen Grundsätzen ist im Falle eines gezielten Überweisungsauftrags - auch Zielauftrag genannt in Abgrenzung von Überweisungen zur Weiter- oder Mitbehandlung - der Auftragnehmer, der die vom Auftraggeber angeforderte Leistung erbringt, an den Überweisungsauftrag gebunden. Er darf nicht weniger und nicht mehr leisten, als sich aus dem Überweisungsauftrag ergibt (BSG aaO S 476-478 = Juris RdNr 22-25). Er darf nur dann mehr erbringen, als in dem zunächst erteilten Zielauftrag angegeben wurde, wenn dieser vom überweisenden Arzt vor der Auftragsausführung - evtl fernmündlich - erweitert worden ist (BSG aaO S 479 = Juris RdNr 28), bzw bei dessen Nichterreichbarkeit unter Umständen dann, wenn Dringlichkeit besteht und der Auftragnehmer den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde; und er muss dem Auftraggeber die Erweiterung anzeigen (vgl aaO S 478 = Juris RdNr 26). Die grundsätzliche Bindung an den Überweisungsauftrag hat zur Folge, dass der Auftragnehmer, wenn er mehr Leistungen erbringt als angefordert - außer in den genannten Sonderfällen nachträglicher Erweiterung oder der Dringlichkeit -, dafür keine Vergütung beanspruchen kann (vgl BSG aaO S 478 = Juris RdNr 25: "eigenmächtig über den erteilten Auftrag hinaus"). Weniger Leistungen erbringen als angefordert darf er ebenfalls grundsätzlich nicht; die Verantwortung für Inhalt und Umfang des Überweisungsauftrags hat der Auftraggeber (BSG aaO S 477 und 478 bzw RdNr 23 aE und 25 aE). Den Auftragnehmer trifft grundsätzlich keine Pflicht zur Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Umfangs des Auftrags. Dementsprechend hat er auch dann Anspruch auf Vergütung, wenn der Auftrag zu weit greift, zB nicht mehr vom Versorgungsauftrag gedeckt oder unwirtschaftlich ist.

26

Eine (Mit-)Verantwortung des Auftragnehmers kann nur dann in Betracht kommen, wenn sich ihm nach seinem Kenntnis- und Erfahrungsstand hätte aufdrängen müssen, dass der Auftraggeber außerhalb seines Versorgungsauftrags handelte oder eine medizinisch nicht sachgerechte oder nicht notwendige Leistung anforderte. In einem solchen Fall kann bzw muss der Auftragnehmer aufgrund der auch ihm selbst obliegenden Sorgfaltspflicht die Ausführung des Auftrags ablehnen (Fortführung von BSG vom 8.7.1981 aaO S 477 = Juris RdNr 25).

27

Die grundsätzliche Bindung des Empfängers an einen Zielauftrag gilt auch im Rahmen des organisierten Notfalldienstes. Soweit dieser von der KÄV organisiert wird, erteilen die Ärzte, die in der Notfallambulanz tätig werden, dem Krankenhaus Aufträge. Dabei ist zwischen der Verantwortung der Ärzte, die im von der KÄV organisierten Notfalldienst tätig werden, und denjenigen des Krankenhauses zu trennen. Wenn und soweit die Verantwortung bei der KÄV liegt, sind die von ihr eingesetzten Ärzte Auftraggeber und das Krankenhaus(labor) - nur - Auftragnehmer. Für den Umfang des Auftrags trägt der Arzt die Verantwortung, der die Laborleistungen beim Krankenhaus anfordert, und nicht das ausführende Krankenhaus. Dessen Anspruch auf Vergütung der auftragsgemäß erbrachten Leistungen kann grundsätzlich nicht entgegengesetzt werden, der Auftrag hätte so nicht erteilt werden dürfen.

28

b) Eine solche Konstellation mit dem Krankenhaus(labor) als Auftragnehmer war hier nicht nur dann gegeben, wenn ein Vertragsarzt den Notfalldienst für die KÄV wahrnahm und Laboruntersuchungen in Auftrag gab, sondern auch dann, wenn im Rahmen des von der KÄV organisierten Dienstes - dh in den Zeiten MoDiDo 19-23, MiFr 13-23, SaSo und feiertags 8-24 Uhr - ein Krankenhausarzt tätig war; dieser übte dann eine Nebentätigkeit aus (s § 2 Abs 2 des Vertrags vom 13.12.2002/6.1.2003: "im Rahmen einer Nebentätigkeitserlaubnis"), war also gerade nicht als Krankenhausarzt tätig. Dementsprechend war auch in dieser Konstellation der handelnde Arzt der Auftraggeber für die Laboruntersuchungen und das Krankenhaus lediglich Auftragnehmer.

29

Eine Ausnahmesituation, in der es sich dem Krankenhaus(labor) aufdrängen musste, dass die den Notfalldienst versehenden Ärzte die Bestimmung der BAK und/oder des CRP im Rahmen der Erstversorgung der Patienten nicht hätten in Auftrag geben dürfen, lag nicht vor. Die Mitarbeiter des Labors, bei denen die Bestimmung von Laborparametern angefordert wird, haben typischerweise keine Kenntnis von der akuten gesundheitlichen Situation des Patienten und von den Überlegungen, die den Arzt zur Anforderung der Werte veranlasst haben. Sie müssen den Auftrag zügig umsetzen und sich grundsätzlich darauf verlassen, dass diesem eine zumindest vertretbare medizinische Indikation zugrunde liegt. Das ist hinsichtlich der Bestimmung der BAK und des CRP auch im Notfalldienst - wie ausgeführt (RdNr 17) - nicht schlechthin ausgeschlossen. Weiterhin sind Fälle denkbar, in denen der Arzt im Notfalldienst die Bestimmung der BAK (auch) aus forensischen Gründen anfordert oder das CRP bestimmen lässt, weil er sich noch nicht schlüssig ist, ob er den Patienten stationär aufnehmen soll. Das alles können die Mitarbeiter des Labors weder wissen, noch müssen sie es aufklären. Sie müssen im Grundsatz Laboraufträge ausführen, ohne ständig befürchten zu müssen, sich gegenüber ihrem Arbeitgeber für die Ausführung eines Auftrags rechtfertigen zu müssen, weil dieser nachträglich als nicht erforderlich beurteilt wird. Solange Laborbestimmungen angefordert werden, die ihrer Art nach generell medizinisch erforderlich sein können, und keine Anhaltspunkte für ein interessengeleitetes Zusammenwirken von Auftraggeber und Labor bestehen, bleibt die Verantwortung für die Anforderung von Laborleistungen beim Auftraggeber.

30

Daraus ergibt sich für alle Fallkonstellationen eines Zielauftrags des für den von der KÄV organisierten Notfalldienst tätigen Arztes an das Krankenhauslabor, BAK- und/oder CRP-Laboruntersuchungen vorzunehmen, die Folgerung, dass das Krankenhaus Anspruch auf Vergütung der Laboruntersuchungen hat. Die von der Beklagten vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen und die darauf gestützte Vergütungsversagung waren rechtswidrig; Klage und Revision haben insoweit Erfolg.

31

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Wegen des teilweisen Obsiegens und teilweisen Unterliegens sind die Kosten gemäß § 155 Abs 1 Satz 1 VwGO verhältnismäßig zu teilen. Mangels näherer Feststellungen der Vorinstanzen hat der Senat die Gewichte des Unterliegens und des Obsiegens als ungefähr gleichwertig angenommen. Eine dem vergleichbare Relation haben auch die Angaben der Klägerin und der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ergeben; diese haben die Summen der von der KÄV und der vom Krankenhaus zu verantwortenden BAK- und CRP-Laboruntersuchungen ebenfalls als ungefähr gleich hoch geschätzt. Sie stimmten darin überein, dass nicht mehr feststellbar ist, wie das wirkliche Verhältnis der Summen zueinander im Quartal IV/2004 war.

(1) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Krankenhausträger im Land gemeinsam Verträge mit dem Ziel, durch enge Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten und zugelassenen Krankenhäusern eine nahtlose ambulante und stationäre Behandlung der Versicherten zu gewährleisten.

(2) Die Verträge regeln insbesondere

1.
die Förderung des Belegarztwesens und der Behandlung in Einrichtungen, in denen die Versicherten durch Zusammenarbeit mehrerer Vertragsärzte ambulant und stationär versorgt werden (Praxiskliniken),
2.
die gegenseitige Unterrichtung über die Behandlung der Patienten sowie über die Überlassung und Verwendung von Krankenunterlagen,
3.
die Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes; darüber hinaus können auf Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen ergänzende Regelungen zur Vergütung vereinbart werden,
4.
die Durchführung einer vor- und nachstationären Behandlung im Krankenhaus nach § 115a einschließlich der Prüfung der Wirtschaftlichkeit und der Verhinderung von Mißbrauch; in den Verträgen können von § 115a Abs. 2 Satz 1 bis 3 abweichende Regelungen vereinbart werden,
5.
die allgemeinen Bedingungen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus,
6.
ergänzende Vereinbarungen zu Voraussetzungen, Art und Umfang des Entlassmanagements nach § 39 Absatz 1a.
Sie sind für die Krankenkassen, die Vertragsärzte und die zugelassenen Krankenhäuser im Land unmittelbar verbindlich.

(3) Kommt ein Vertrag nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei das zuständige sektorenübergreifende Schiedsgremium gemäß § 89a.

(3a) (weggefallen)

(4) Kommt eine Regelung nach Absatz 1 bis 3 bis zum 31. Dezember 1990 ganz oder teilweise nicht zustande, wird ihr Inhalt durch Rechtsverordnung der Landesregierung bestimmt. Eine Regelung nach den Absätzen 1 bis 3 ist zulässig, solange und soweit die Landesregierung eine Rechtsverordnung nicht erlassen hat.

(5) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam sollen Rahmenempfehlungen zum Inhalt der Verträge nach Absatz 1 abgeben.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.