Landessozialgericht NRW Urteil, 11. Aug. 2015 - L 20 SO 316/12
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 26.06.2012 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für den Besuch einer Tagesbildungseinrichtung in Niedersachsen seit Beginn des Schuljahrs 2008/2009.
3Der am 00.00.2001 geborene Kläger, der über kein Einkommen verfügt, leidet im Wesentlichen an einer leichten Intelligenzminderung (IQ von 62) sowie einer generalisierten Angststörung.
4Von August 2005 bis 2008 besuchte er den heilpädagogischen Kindergarten am T in Bad M (Niedersachsen). Dieser ist von seinem Wohnort ca. 14,5 km entfernt; Träger ist der Beigeladene zu 2. Die Kosten für die heilpädagogischen Leistungen und die Fahrten zwischen Wohnung und Einrichtung übernahm der Beklagte unter Heranziehung der Eltern zu einem monatlichen Kostenanteil zunächst bis zum voraussichtlichen Beginn der Schulpflicht (Bescheide vom 17.12.2004 und 16.08.2005) sowie - nach Zurückstellung des Klägers vom Schulbesuch für das Schuljahr 2007/2008 - bis Juli 2008 (Bescheid vom 22.08.2007).
5Im Hinblick auf die bevorstehende Einschulung des Klägers stellte der Beigeladene zu 1 mit (bestandskräftig gewordenen) Bescheiden vom 12.06.2007 und 11.06.2008 den sonderpädagogischen Förderbedarf des Klägers im Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung" fest und wies den Kläger mit Wirkung vom 01.08.2007 einer entsprechenden Förderschule zu. Dabei ging der Beigeladene zu 1 im Bescheid vom 11.06.2008 davon aus, dass der Kläger demnächst die N-Schule in H als nächstgelegene entsprechende (nordrhein-westfälische) Förderschule besuchen werde. Anderenfalls sollten die Eltern den Beigeladenen zu 1 und die N-Schule informieren. Grundlage der Bescheide war u.a. ein pädagogisches Gutachten der Sonderschullehrerinnen C und I vom 30.05.2007, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
6Die N-Schule ist etwa 27 km von der Wohnung des Klägers entfernt; mittels Sammelbeförderung (Schülerspezialverkehr) würde ein Transport des Klägers zu dieser Schule pro Weg maximal 60 Minuten dauern. Der Unterricht an der N-Schule beginnt montags bis freitags gleitend zwischen 8.15 Uhr und 8.30 Uhr. Er endet montags bis donnerstags um 15.00 Uhr, freitags um 12.30 Uhr. Wegen der weiteren Rahmenbedingungen der dortigen Beschulung, u.a. der Größe der Schule und Klassen, der Organisation, des Förderkonzepts sowie des Betreuungsschlüssels wird auf die Bekundungen des dortigen Schulleiters, des Zeugen L, in dem zwischen den Beteiligten anhängig gewesenen Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Sozialgericht Detmold - S 16 SO 10/09 ER) sowie in der öffentlichen Sitzung vom 11.06.2014 des bei dem Senat anhängig gewesenen Streitverfahrens L 20 SO SO 418/11 Bezug genommen; die damalige Sitzungsniederschrift hat der Senat zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht.
7Mit Beginn des Schuljahrs 2008/2009 meldeten die Eltern den Kläger nicht auf der N-Schule, sondern auf der T-Schule in Bad M an. An dieser Schule wird der Kläger seither gefördert.
8Die T-Schule ist eine vom Land Niedersachsen anerkannte Tagesbildungsstätte. Sie liegt auf dem gleichen Gelände wie der Kindergarten Am T; Träger der Schule ist ebenfalls der Beigeladene zu 2. Die Fahrtzeit von der Wohnung des Klägers zur ca. 14,5 km entfernten Schule beträgt ausweislich eines verbreitet genutzten Routenplaners (www.falk.de/routenplaner) 17 Minuten; die Transportzeit mittels Sammelbeförderung (Schülerspezialverkehr) beträgt nach den Angaben der Eltern des Klägers etwa 20 bis 25 Minuten. Der Unterricht findet montags bis freitags von 7.45 Uhr bis 14.15 Uhr statt. Bezüglich der Rahmenbedingungen der Beschulung an der T-Schule wird auf die Bekundungen der Schulleiterin T1 in der öffentlichen Sitzung des Senats vom 11.08.2015 sowie im Eilverfahren (Sozialgericht Detmold - S 16 SO 10/09 ER) vom 20.08.2009 verwiesen. Die Kosten für den Besuch der T-Schule (zunächst monatlich ca. 2.100,00 EUR, seit Januar 2013 ca. 2.200 EUR und seit Januar 2014 ca. 2.500 EUR) trägt der Beklagte seit Januar 2009 vorläufig aufgrund einer entsprechenden einstweiligen Anordnung (Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 10.02.2009 - S 16 SO 10/09 ER; die dagegen eingelegte Beschwerde des Beklagten blieb erfolglos; LSG NRW, Beschluss vom 31.03.2010 - L 12 B 19/09 SO ER).
9Am 17.06.2008 beantragten die Eltern des Klägers beim Beklagten die Übernahme der Beschulungskosten des Klägers an der T-Schule ab Beginn des Schuljahres 2008/2009 als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII. Dabei verwiesen sie im Wesentlichen auf die im Vergleich zur N-Schule kleineren Klassen und geringeren Schülerzahlen sowie die wesentlich geringere Entfernung von der Wohnung der Familie. Zudem sei es für den Kläger, der bereits im Kindergarten einer längeren Eingewöhnungsphase bedurfte habe, wesentlich einfacher, in der ihm schon vertrauten Umgebung des Kindergartens zu bleiben.
10Mit Bescheid vom 17.07.2008 in der Gestalt des (nach Beteiligung sozial erfahrener Personen i.S.d. § 116 Abs. 2 SGB XII ergangenen) Widerspruchsbescheides vom 05.11.2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Der Kläger könne an der N-Schule in H und damit in Nordrhein-Westfalen angemessen und unentgeltlich gefördert werden. Die N-Schule sei zur Förderung des Klägers geeignet. Der Beigeladene zu 1 habe dem Kläger diese Schule durch Bescheide vom 11.06.2007 und 11.06.2008 für den Beklagten bindend zugewiesen. Mit der Zuweisungsentscheidung sei inzident auch eine Entscheidung über die Zumutbarkeit der täglichen Schülersammelbeförderung getroffen worden. Zwar sei auch die T-Schule geeignet, den Kläger angemessen zu beschulen. Die dortige Förderung sei jedoch mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden. Eine Beschulung an der T-Schule sei daher nach dem Subsidiaritätsprinzip (§ 2 Abs. 1 SGB XII) nicht notwendig und wegen der damit verbundenen Mehrkosten auch nicht durch das Wunsch- und Wahlrecht (§ 9 SGB XII) gerechtfertigt. Dies gelte auch, wenn durch kleinere Klassen an der T-Schule sowie die dem Kläger dort bereits vertraute Umgebung und somit kürzere Eingewöhnungszeit eine optimierte Förderung stattfinden könne.
11Mit seiner am 25.11.2008 bei dem Sozialgericht Detmold erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er ist bei seiner Auffassung verblieben, dass ihm wegen seiner Behinderungen ein Besuch der N-Schule nicht möglich sei. Die Schule sei wesentlich größer als die T-Schule und die Klassen mit teilweise mehr als zehn Schülern erheblich stärker. An der T-Schule sei die Betreuung vor allem wegen der Bildung von Kleingruppen in bestimmten Fächern (wie Mathematik, Deutsch und Sachkunde) intensiver. Insbesondere im Fach Deutsch benötige der Kläger eine kleine Klasse, weil er stark sprachverzögert sei. Bei einer Besprechung an der N-Schule habe den Eltern nicht zugesichert werden können, dass logopädische Maßnahmen während der Schulzeit erfolgen könnten; denn es sei nicht klar gewesen, ob ausreichend Therapeuten vorhanden seien. Auch weitere Fördermaßnahmen, wie therapeutisches Reiten oder Schwimmen, würden dort nicht immer ausreichend angeboten. Zudem wäre der Schultag für ihn an der N-Schule zu lang. Hinzu käme eine Fahrtzeit mit dem Schülerspezialtransport von mehr als 60 Minuten; dies belaste ihn wegen seiner Aufmerksamkeitsstörung und behinderungsbedingten Bewegungsunruhe erheblich. Abgesehen davon sei er anschließend nicht aufnahmefähig. Nach Schulschluss stattfindende Therapien seien deutlich weniger erfolgversprechend. Da der Kläger vor Schulbeginn den heilpädagogischen Kindergarten in Bad M besucht habe, sei die Einschulung an der im selben Gebäude befindlichen T-Schule wesentlich einfacher und dadurch entwicklungsfördernder gewesen. Da er auf Veränderungen äußerst sensibel und durch körperliche Begleiterscheinungen reagiere, sei ihm auch ein Schulwechsel nicht zumutbar. So habe er wegen einer für April 2012 geplanten Klassenfahrt bereits seit Ende des Jahres 2011 unter einer deutlichen Unruhe gelitten und vermehrt eingenässt; sein ohnehin eingeschränktes Konzentrationsvermögen sei noch weiter reduziert gewesen. Zur Stützung seines Vorbringens hat der Kläger auf ein von seinen Eltern in Auftrag gegebenes Gutachten des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie -psychotherapie D vom 08.10.2008 sowie dessen ergänzende Ausführungen im Eilverfahren, eine Stellungnahme der Heilpädagogin L1 aus Juni 2008, ein im Eilverfahren von Amts wegen in Auftrag gegebenes Gutachten des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H vom 21.02.2010 sowie die dortige Vernehmung des Kinderarztes des Klägers, Dr. X, verwiesen. Ferner hat der Kläger eine Stellungnahme des Sprachtherapeuten H A vom 12.09.2009 sowie des Allgemeinmediziners Dr. T vom 22.05.2012 vorgelegt. Auf den Inhalt dieser Unterlagen wird Bezug genommen. Die Bescheide des Beigeladenen zu 1 - so der Kläger weiter - stünden einer Beschulung an der T-Schule nicht entgegen; denn eine konkrete Zuweisung zur N-Schule sei darin nicht erfolgt. Ebenso wenig sei bedeutsam, dass es sich bei der T-Schule um eine niedersächsische Tagesbildungsstätte handele. Der Kläger könne auch dort seine Schulpflicht erfüllen.
12Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
13den Bescheid vom 17.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für die Beschulung in der T-Schule in Bad M ab der Einschulung zu übernehmen.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er hat an seinen Bescheiden festgehalten und unter Vorlage einer Stellungnahme eines Referatsleiters des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen vom 31.03.2011 ergänzend die Auffassung vertreten, die Übernahme der Beschulungskosten an der T-Schule scheide schon deshalb aus, weil der Kläger dort seine Schulpflicht nicht erfüllen könne; denn die T-Schule sei keine Schule, sondern eine Tagesbildungsstätte, deren Besuch gemäß § 162 des Niedersächsischen Schulgesetzes (Nieders. SchulG) zwar in Niedersachen, nicht hingegen in anderen Bundesländern der Schulpflicht genüge. In Nordrhein-Westfalen könnten Schulpflichtige ihre Schulpflicht lediglich an öffentlichen Schulen, Ersatzschulen oder an nach § 118 Abs. 2 SchulG anerkannten Ergänzungsschulen erfüllen. Ohnehin entfalte die Entscheidung des Beigeladenen zu 1, welche als Schulform eine Förderschule benenne, nicht nur für den Beklagten Tatbestandswirkung, sondern binde auch die Gerichte. Bei der T-Schule handele es sich aber nicht um eine Förderschule im Sinne dieser Zuweisungsentscheidung. Abgesehen davon stehe die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) der Übernahme der Beschulungskosten an der T-Schule entgegen; denn Art. 24 Abs. 2 lit. a UN-BRK verpflichte die Vertragsstaaten lediglich dazu, Menschen mit Behinderungen nicht behinderungsbedingt von einem unentgeltlichen Schulbesuch auszuschließen. Der Besuch der T-Schule sei jedoch nicht unentgeltlich. Im Übrigen könne der Kläger in Ansehung seiner Behinderungen (auch) an der N-Schule angemessen beschult werden. Insbesondere die Fahrtzeit zur Schule mit dem Schülerspezialverkehr sei dem Kläger zumutbar; anderenfalls sei der Schulträger verpflichtet, die Kosten für eine Beförderung mit Privatfahrzeugen zu tragen. Ein Schulwechsel könne dem Kläger abverlangt werden. Dauerhafte Nachteile seien hiermit jedenfalls nicht verbunden. Die Einschätzung des Privatgutachters D, der Kläger benötige überdurchschnittlich lange, um sich gegenüber neuen Therapeuten zu öffnen, überzeuge nicht. Der Arzt habe den Kläger im Rahmen der Diagnostik als offenes, kontaktfreudiges Kind erlebt. Zudem sei auch der Wechsel vom Kindergarten in die Schule gelungen.
17Der Beigeladene zu 1 hat keinen Antrag gestellt.
18Er hat die Auffassung vertreten, den Kläger in seinen Bescheiden vom 12.06.2007 und 11.06.2008 nicht verbindlich der N-Schule zugewiesen zu haben. Auch könne der Kläger an der T-Schule seine Schulpflicht erfüllen. Die N-Schule sei jedoch ebenfalls geeignet, den Kläger angemessen zu beschulen. Allerdings habe der Kreis H als Schulträger eine Übernahme der Kosten für eine Einzelbeförderung des Klägers zur N-Schule abgelehnt; auf das entsprechende Schreiben des Schulträgers vom 26.05.2011 wird verwiesen.
19Das Sozialgericht hat den Sachverständigen Dr. H um ergänzende Stellungnahme zu seinem (im Eilverfahren erstatteten) Gutachten vom 21.02.2010 gebeten. Auf den Inhalt der ergänzenden Stellungnahme vom 11.02.2012 wird Bezug genommen.
20Mit Urteil vom 26.06.2012 hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, die Kosten der Beschulung des Klägers an der T-Schule seit Einschulung zu übernehmen. Die Förderung des Klägers an dieser Schule sei i.S.d. §§ 53, 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 2 EinglhVO geeignet und erforderlich, um ihm eine im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht üblicherweise erreichbare Bildung zu ermöglichen. Nach der Beurteilung des Sachverständigen Dr. H bestünden erhebliche Zweifel, dass die N-Schule geeignet sei, den Kläger angemessen zu beschulen. Dies gelte zum einen wegen der Dauer der Fahrzeit, zum anderen im Hinblick auf die für einen Schulwechsel notwendige, dem Kläger jedoch unzumutbare Umstellungsleistung; denn werde die Integration in einem Ausmaß unterbrochen, dass - wie von Dr. H im günstigen Fall für die Dauer von einem halben bis zu einem Jahr angenommen - ggf. ein ganzes Schuljahr verloren gehe, so sei ein Schulwechsel nicht zumutbar. Ob Abweichendes gelte, wenn die Fahrtzeit zur N-Schule durch eine Einzelbeförderung reduziert werden könne, könne offen bleiben; denn der Schulträger habe dies mit Schreiben vom 26.05.2011 abgelehnt. Auf eine ggf. notwendige gerichtliche Durchsetzung der Einzelbeförderung gegenüber dem Kreis H könne der Kläger aber nicht zumutbar verwiesen werden. Der Kläger erfülle durch den Besuch der T-Schule auch seine Schulpflicht. Zudem habe der Beigeladene zu 1 ihm keine konkrete Schule zugewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der Entscheidung Bezug genommen.
21Gegen das ihm am 16.07.2012 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 03.08.2012 Berufung eingelegt. Er trägt im Hinblick auf die Dauer der Fahrtzeit ergänzend vor, es existierten keine fundierten wissenschaftlichen Studien über einen Zusammenhang zwischen der Länge der Transportzeiten und der anschließenden Lern- und Arbeitsfähigkeit von Schülern. Auch die Beweisaufnahme im Berufungsverfahren habe nicht ergeben, dass dem Kläger ein Wechsel an die N-Schule unzumutbar sei. Die von dem Sachverständigen Prof. Dr. M für den Fall eines Schulwechsels prognostizierte Umgewöhnungszeit von bis zu zwei Jahren überzeuge nicht; der Kläger sei während der dortigen Untersuchung offen und angstfrei aufgetreten. Ohnehin seien die Eltern des Klägers das Risiko eines möglichen Schulwechsels bei dessen Einschulung bewusst eingegangen.
22Der Beklagte beantragt,
23das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 26.06.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
24Der Kläger beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Er fühlt sich durch die Beurteilung des zweitinstanzlich mit einem Gutachten beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. M bestätigt. Im Hinblick auf die notwendige Vertrautheit des Umfeldes und der Bezugspersonen wäre eine Beschulung an der N-Schule schon bei seiner Einschulung nicht geeignet gewesen. Er reagiere auch weiterhin auf Veränderungen intensiv. Ein schulorganisatorisch notwendiger Wechsel der Klassenlehrerin zum 06.01.2015 habe zu psychischen Beschwerden (Unausgeglichenheit, Unzufriedenheit und Empfindsamkeit) und auch körperlichen Symptomen (Magenkrämpfe und Bauschmerzen) geführt, die hausärztlich mehrfach hätten behandelt werden müssen. In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte des Klägers klargestellt, keine Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII geltend zu machen.
27Der Beigeladene zu 1 stellt keinen Antrag.
28Er trägt vor, die T-Schule sei in besonderer Weise in der Lage, den individuellen pädagogischen Bedürfnisses des Klägers gerecht zu werden. Es sei daher weiterhin nicht beabsichtigt, eine etwaige Schulpflichtverletzung zu ahnden. Eine Umstellungszeit von sechs- bis zwölf Monaten, wie sie der Sachverständige Dr. H in seinem Gutachten für den Fall eines Schulwechsels angenommen habe , sei bezogen auf die gesamte Schulzeit zumutbar.
29Der Beigeladene zu 2 und der mit Beschluss des Senats vom 28.07.2015 Beigeladene zu 3 stellen keine Anträge und äußern sich nicht zu dem Verfahren.
30Der Senat hat zunächst die den Kläger betreffenden Leistungsnachweise, Zeugnisse und den Therapieplan von der T-Schule angefordert. Auf den Inhalt dieser Unterlagen wird verwiesen.
31Anschließend hat der Senat ein Gutachten des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie Prof. Dr. M (seinerzeit Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Universitätsklinik L) eingeholt. In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige seine gutachterlichen Ausführungen vom 08.05.2014 weiter erläutert. Wegen der Einzelheiten wird auf die schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
32Darüber hinaus hat die Schulleiterin der T-Schule in der mündlichen Verhandlung zu den dortigen Rahmenbedingungen der Beschulung und der Reaktion des Klägers auf Veränderungen Stellung genommen. Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift wird insofern verwiesen.
33Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Streitakten (gleichen Rubrums) S 16 SO 10/09 ER (SG Detmold) bzw. L 12 B 19/09 SO ER (LSG NRW) Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
34Entscheidungsgründe:
35Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
36A) Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 17.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2008 (§ 95 SGG). Da der Beklagte darin den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für den Besuch der T-Schule ab dem Schuljahr 2008/2009 vollständig und zukunftsoffen abgelehnt hat, ist Streitgegenstand in zeitlicher Hinsicht der gesamte Zeitraum vom Beginn des Schuljahres 2008/2009 bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (so entsprechend zur vollständigen Ablehnung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Form von Arbeitslosengeld II BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 52/06 R Rn. 12 m.w.N.).
37B) Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG) statthafte (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 54 Rn. 20a ff., 38 ff.; BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R Rn. 9) und auch im Übrigen zulässige Klage ist begründet.
38Der Beklagte hat die Übernahme der Kosten für den Besuch der T-Schule ab Einschulung des Klägers zu Unrecht abgelehnt. Der Kläger kann von dem Beklagten gemäß §§ 53 ff., 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 2 EinglhVO) die Übernahme dieser Kosten ab August 2008 (= Beginn des Schuljahrs 2008/2009) beanspruchen (dazu im Folgenden). Sonstige Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht (dazu weiter unten).
39I. Der Beklagte - nicht hingegen der (als örtlicher Träger der Sozialhilfe) vorsorglich Beigeladene zu 3 - ist für die Erbringung der begehrten Leistungen sachlich und örtlich zuständig.
40Insofern mag insbesondere offen bleiben, ob es sich bei der T-Schule um eine teilstationäre Einrichtung handelt, für welche der Beklagte gemäß § 97 Abs. 2 S. 1 SGB XII i.V.m. §§ 1, 2 AG-SGB XII NRW i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1a AV-SGB XII NRW und § 98 Abs. 2 S. 2 SGB XII als überörtlicher Träger Hilfen zu erbringen hat (vgl. zur - dort allerdings im Ergebnis offen gelassenen - Frage der Qualifizierung einer Schule als teilstationäre Einrichtung BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R).
41Denn der Beklagte ist (unabhängig von einer etwaigen originären Zuständigkeit) jedenfalls gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 SGB IX sachlich und örtlich für die streitbefangenen Hilfen zuständig. Nach diesen Vorschriften stellt der Rehabilitationsträger, sofern Leistungen zur Teilhabe erbracht werden, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist (§ 14 Abs. 1 S. 1, 1. Halbsatz SGB IX). Hält er sich für unzuständig, so leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu (§ 14 Abs. 1 S. 2 SGB IX). Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der erstangegangene Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf selbst unverzüglich fest (§ 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX). Auf diese Weise wird eine nach außen verbindliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers geschaffen, welche sich auf sämtliche Rechtsgrundlagen erstreckt, die in der Bedarfssituation in Betracht kommen (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R m.w.N.).
42§ 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX ist vorliegend anwendbar. Denn die Träger der Sozialhilfe - und damit auch der Beklagte - sind nach §§ 6 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 5 Nr. 4 SGB IX Rehabilitationsträger für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Zu derartigen Leistungen gehören auch solche der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII (vgl. Luthe in jurisPK-SGB IX, § 55 Rn. 4).
43Auch die (weiteren) Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX sind erfüllt. Der Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für den Besuch der T-Schule nicht gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags (am 17.06.2008) und im Übrigen auch nicht im Anschluss daran an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger, namentlich den Beigeladenen zu 3 als örtlichem Sozialhilfeträger, weitergeleitet. Folglich ist er nach § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX nicht nur sachlich, sondern auch örtlich zuständig geworden; denn diese Vorschrift legt sowohl die sachliche als auch die örtliche Zuständigkeit fest (Luik in jurisPK-SGB IX, 2. Auflage 2014, § 14 Rn. 45 unter Hinweis auf Welti in Luthe, Rehabilitationsrecht, 2009, S. 154) und verdrängt die Regelung des § 98 SGB XII (Luik, a.a.O. unter Hinweis auf Welti, a.a.O., LSG Schleswig-Holstein vom 09.11.2005 - L 9 B 268/05 SO ER).
44II. Die materiellen Voraussetzungen der §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 2 EinglhVO liegen vor.
45Nach §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII erhalten die in § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII genannten Personen Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu, wenn und solange nach den Besonderheiten des Einzelfalls Aussicht besteht, dass die Aufgaben der Eingliederungshilfe erfüllt werden. Dabei bleiben die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt (§ 54 Abs. 1 S. 1. 2. Halbsatz SGB XII). Was dabei unter dem Begriff "angemessene Schulbildung" zu verstehen ist, wird im Rahmen des SGB XII nicht definiert. Jedoch bestimmt § 12 Nr. 2 EinglhVO, dass die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch Maßnahmen der Schulbildung umfasst, wenn diese erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen eine im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht üblicherweise erreichbare Bildung zu ermöglichen.
461. Der Kläger gehört(e) aufgrund seiner schwerwiegenden dauerhaften Behinderungen zu dem von § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX erfassten Personenkreis.
47Nach § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen Leistungen der Eingliederungshilfe. Der Kläger leidet - was zwischen den Beteiligen auch unstreitig ist - unter einer solchen wesentlichen Behinderung; denn seine körperlichen Funktionen und geistigen Fähigkeiten weichen aufgrund einer geistigen Behinderung (IQ von 62) mit starker Beeinträchtigung der intellektuellen, sprachlichen und motorischen Fähigkeiten und einer generalisierten Angststörung von dem für sein Lebensalter typischen Zustand erheblich ab. Wegen dieser Behinderungen ist seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durchgehend und insbesondere auch in dem hier streitbefangenen Zeitraum seit Beginn des Schuljahrs 2008/2009 wesentlich beeinträchtigt.
48Der Senat folgt insoweit in erster Linie den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M in seinem Gutachten vom 08.05.2014. Dieser ist aufgrund eingehender Untersuchung des Klägers und sorgfältiger Befunderhebung unter Berücksichtigung der übrigen aktenkundigen medizinischen Unterlagen zu seiner Beurteilung gelangt. Zudem decken sich die von ihm erhobenen Diagnosen im Wesentlichen mit den Befunden des Dr. H in seinem Gutachten vom 21.02.2010. Dieser hat bei dem Kläger ebenfalls (u.a.) eine leichte Intelligenzminderung (mit deutlicher Verhaltensstörung und assoziierten Beeinträchtigungen hinsichtlich der Grob- und Feinmotorik, Artikulation und rezeptiver sowie expressiver Sprache) und darüber hinaus zwar keine generalisierte Angststörung, jedoch (u.a.) eine erhöhte Angstbereitschaft und einen Zustand nach emotionaler Störung mit Trennungsangst diagnostiziert. Im Übrigen besteht bei dem Kläger aufgrund der genannten Einschränkungen unstreitig ein sonderpädagogischer Förderbedarf; ein solcher begründet ohnehin stets die Annahme einer wesentlichen Behinderung im vorgenannten Sinne (vgl. BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R).
492. Zu den - somit für den Kläger in Betracht kommenden - Hilfen für eine angemessene Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII gehören auch die hier streitbefangenen Kosten für den Besuch der T-Schule.
50Der Qualifizierung der Übernahme von Beschulungskosten als "Hilfen" im gesetzlichen Sinne steht nicht entgegen, dass der Kläger nicht eine die Schulbildung begleitende Maßnahme, sondern die Übernahme der (gesamten) Kosten für den Besuch der T-Schule als solche begehrt.
51a) Zwar ist der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule - und damit im Regelfall auch das Schulgeld, mit welchem der Unterricht finanziert wird - den Regelungen der Eingliederungshilfe grundsätzlich entzogen (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R). Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII. Spricht dieser - ebenso wie § 12 EinglhVO - gerade von "Hilfen", so erfasst er grundsätzlich nur Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung (in Ergänzung der Beschulung als solcher) geeignet und erforderlich sind, Behinderungsfolgen zu beseitigen und zu mildern. Dementsprechend betreffen die Regelbeispiele einer solchen Hilfe in § 12 EinglhVO nur die Schulbildung begleitende Maßnahmen (vgl. zu alledem BSG, a.a.O.).
52b) Gleichwohl verbleibt auch im Kernbereich der Schulbildung ausnahmsweise Raum für Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn nämlich der Besuch einer öffentlichen (und damit für den Sozialhilfeträger kostenfreien) Schule aus objektiven Gründen (z.B. wegen der räumlichen Entfernung vom Wohnort) oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist (so BVerwG, Beschluss vom 02.09.2003 - 5 B 259/02; vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 8 SO 30/10 R unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 13.08.1992 - 5 C 70/88, sowie Beschluss vom 02.09.2003 - 5 B 259/02).
53c) Dem Kläger war der Besuch einer öffentlichen Schule jedoch aus schwerwiegenden subjektiven Gründen schon seit August 2008 nicht möglich bzw. nicht zumutbar.
54aa) Maßstab hierfür ist vor allem die Aufgabe der Sozialhilfe, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht, und ihn so weit wie möglich zu befähigen, unabhängig von ihr zu leben (vgl. § 1 SGB XII; vgl. insoweit auch BVerwG, Urteil vom 13.08.1992 - 5 C 70/88). Insofern mag vorliegend offen bleiben, ab wann die Grenze der Unzumutbarkeit überschritten sein kann, wenn - wie hier - die Übernahme der Kosten für den Besuch einer nicht vom zuständigen Schulträger bereitgestellten Schule streitbefangen ist. Jedenfalls dann, wenn seitens des zuständigen Schulträgers keine Schule zur Verfügung steht, die den Hilfebedürftigen unter Berücksichtigung seiner Behinderungen im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII angemessen beschulen könnte, liegen schwerwiegende subjektive Gründe vor, welche Eingliederungshilfe durch Übernahme der (gesamten) Beschulungskosten ausnahmsweise zulassen.
55bb) So aber liegt es hier; denn der Besuch der N-Schule - welche vom Beklagten sowie vom Schulamt des Kreises H als allein in Betracht kommende öffentliche Schule benannt wurde, und die mit Blick auf die räumlichen Verhältnisse auch die einzige in Nordrhein-Westfalen in Betracht zu ziehende einschlägige Förderschule ist - ist dem Kläger unter Berücksichtigung seiner schwerwiegenden Behinderungen seit Beginn des Schuljahrs 2008/2009 und auch später nicht zumutbar (dazu weiter unten). Vielmehr konnte und kann der Kläger lediglich an der T-Schule angemessen beschult werden. Allein diese Schule ist im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 2 EinglhVO geeignet und - mangels Zumutbarkeit des Besuchs der N-Schule - auch erforderlich, dem Kläger ein im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht üblicherweise erreichbare Bildung zu ermöglichen (dazu im Folgenden)
56(1) Dabei steht - abweichend von der Auffassung des Beklagten - zunächst Art. 24 Abs. 2 lit. a UN-BRK der Geeignetheit der T-Schule nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift stellen die Vertragsstaaten sicher, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderungen vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden. Bei dieser Vorschrift handelt es sich nicht um eine Verbotsnorm in dem Sinne, dass es den Vertragsstaaten verwehrt sei, behinderten Menschen den Besuch einer nicht unentgeltlichen Schule zu ermöglichen. Die UN-BRK vermittelt vielmehr subjektive (Mindest-)Ansprüche für behinderte Menschen, soweit sie unmittelbar anwendbar ("self-executing") ist (vgl. hierzu im Einzelnen den Beschluss des Senats vom 06.02.2014 - L 20 SO 436/13 B ER m.w.N.). Sie ist jedoch nicht geeignet, Ansprüche behinderter Menschen aus (sonstigen) nationalen Vorschriften - hier nach §§ 53 ff. SGB XII - einzuschränken oder sogar auszuschließen. Im Übrigen ist der Besuch der T-Schule für den Kläger ohnehin unentgeltlich, weil der Sozialhilfeträger zur Übernahme der Beschulungskosten verpflichtet ist.
57(2) Die Beschulung des Klägers an der T-Schule ist auch nicht schon im Hinblick auf die bestandskräftigen Bescheide des Beigeladenen zu 1 vom 12.06.2007 und 11.06.2008 ungeeignet. Der Bescheid vom 12.06.2007 benennt zwar die N-Schule (lediglich) als nächstgelegene Förderschule (in Nordhrein-Westfalen) mit dem Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung". Er trifft jedoch - was der Beigeladene zu 1 in seinen späteren Stellungnahmen auch ausdrücklich bestätigt - weder inzident eine den Beklagten bindende Entscheidung über die Eignung der N-Schule, noch weist er dem Kläger die N-Schule im Sinne von § 46 Abs. 6 SchulG NRW als Förderschule konkret zu. Eine Prüfung der Eignung der Schule unter behinderungsspezifischen Gesichtspunkten hat der Beigeladene zu 1 darin nicht getroffen. Die Schulbehörden entscheiden zwar mit bindender Wirkung gegenüber dem Sozialhilfeträger, in welchem Umfang eine bestimmte Beschulung den geistigen und körperlichen Fähigkeiten eines behinderten Menschen entspricht, hingegen in der Regel nicht darüber, an welcher konkreten Schule die Beschulung zu erfolgen hat (vgl. hierzu den Beschluss des Senats vom 06.09.2010 - 20 SO 450/10 B ER und das Urteil vom 11.06.2014 - L 20 SO 418/11). Vom schulrechtlichen Standpunkt aus betrachtet verblieb dem Kläger vielmehr letztlich ein Wahlrecht, welche geeignete Schule er besuchen will. Ohnehin wäre eine im Bescheid vom 12.06.2007 erfolgte konkrete Zuweisung der N-Schule durch den unmittelbar vor Einschulung des Klägers ergangenen Bescheid vom 11.06.2008 zumindest konkludent aufgehoben und daher gegenstandslos geworden (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X); denn darin ging der Beigeladene zu 1 ausdrücklich lediglich davon aus, dass der Kläger demnächst die N-Schule besuchen werde und bat die Eltern anderenfalls um entsprechende Information.
58Die in den Bescheiden erfolgte Zuweisung des Klägers an eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung" beinhaltet - abweichend von der Auffassung des Beklagten - auch keine (den Sozialhilfeträger und die Gerichte bindende) Zuweisung einer bestimmten Schulform, nämlich einer Förderschule (im Sinne des nordrhein-westfälischen Rechts). Entscheidend ist insofern (jedenfalls im Rahmen der Eingliederungshilfevorschriften) allein der zugewiesene sonderpädagogische Förderbedarf des Klägers. Dass das inhaltliche Konzept der T-Schule diesem Förderbedarf entspricht, auch wenn es sich hierbei nach niedersächsischem Recht um eine Tagesbildungsstätte handelt, wird aber weder von dem Beklagten noch von dem Beigeladenen zu 1 in Abrede gestellt. Auch letzterer geht im Übrigen nicht davon aus, dem Kläger in den genannten Bescheiden zugleich eine Schulform zugewiesen zu haben.
59(3) Schließlich steht einer Geeignetheit der T-Schule nicht entgegen, dass der Kläger durch den Besuch dieser niedersächsischen Tagesbildungsstätte seiner Schulpflicht nach nordrhein-westfälischem Schulrecht nicht nachkäme.
60(a) Zwar können in Nordrhein-Westfalen Schulpflichtige ihre Schulpflicht grundsätzlich nur an öffentlichen Schulen, Ersatzschulen oder an nach § 118 Abs. 2 SchulG NRW anerkannten Ergänzungsschulen erfüllen (vgl. § 34 Abs. 5 S. 1 SchulG NRW). Insbesondere fehlt im SchulG NRW eine § 162 S. 1 Nieders. SchulG entsprechende Regelung, wonach Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen ihre Schulpflicht auch durch den Besuch einer anerkannten Tagesbildungsstätte erfüllen. Auch hat die zuständige Schulaufsichtsbehörde dem Kläger bislang keine Ausnahmegenehmigung (etwa nach § 34 Abs. 5 S. 3 SchulG NRW) erteilt oder ein Ruhen der Schulpflicht (§ 40 Abs. 2 SchulG NRW) angeordnet.
61(b) Die nach niedersächsischem Recht erfolgte Erfassung der T-Schule als Tagesbildungsstätte kann indes (jedenfalls im Rahmen der Eingliederungshilfevorschriften) nicht ausschlaggebend sein. Der Senat hält vielmehr für entscheidend, dass der Bildungsauftrag der T-Schule (als Tagesbildungsstätte) inhaltlich mit dem Auftrag der in § 34 Abs. 5 S. 1 SchulG NRW genannten Schulen identisch ist. Vermittelt erstere nach ihrem gesamten Konzept inhaltlich wie die letzteren Wissen und Können an die Schülerinnen und Schüler, so leistet sie in der Sache eine ebenso geeignete Beschulung. Letztlich ist dies zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
62(c) Unabhängig hiervon ist die Erfüllung der Schulpflicht nach nordrhein-westfälischem Schulrecht ohnehin nicht Voraussetzung für Eingliederungshilfe als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Schon § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz SGB XII, wonach die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt bleiben, lässt schulrechtliche Verpflichtungen grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen Pflichten bestehen, ohne dass diese sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R). Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung sind vielmehr lediglich vorrangig an einer Einrichtung zu gewähren, durch deren Besuch der behinderte Mensch der allgemeinen Schulpflicht nach jeweiligem Landesrecht genügt.
63§ 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII lässt sich i.V.m. § 12 Nr. 2 EinglhVO und unter zusätzlicher Berücksichtigung des Nachranggrundsatzes (§ 2 Abs. 1 SGB XII) insofern entnehmen, dass nicht jedwede Hilfeleistung zu einer nach den Vorstellungen des behinderten Menschen bzw. seiner Erziehungsberechtigten bestmöglichen Schulbildung als Eingliederungshilfe verlangt werden kann. Vielmehr ist die schulische Förderung von Kindern nach Art. 7 Abs. 1 GG eine grundsätzlich allein den (öffentlichen) Schulträgern zugewiesene Aufgabe (BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 8 SO 30/10 R). Insbesondere besteht ein Ausschluss für die Übernahme von Schulkosten aufgrund der Gesetze der Länder, (zumindest) soweit die Schulbehörde der ihr möglichen vorrangigen Leistungsverpflichtung auch nachkommt (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB XII, 19. Erg.-Lfg. II/10, § 54 Rn. 44a; BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R). Steht hingegen fest, dass eine im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII angemessene Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht nicht zu erlangen ist, so kann unter dem Gesichtspunkt der Eingliederungshilfe die Übernahme von Kosten für eine anderweitige Beschulung des behinderten Menschen in Betracht kommen (LSG NRW, Urteil vom 15.05.2013 - L 20 SO 67/08; LSG Hessen, Urteil vom 22.11.2010 - L 9 SO 9/07 und zu § 35a SGB VIII; VGH Hessen, Urteil vom 20.08.2009 - 10 A 1799/08).
64Hierfür spricht schon der Wortlaut des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII, der keinen abschließenden Leistungskatalog möglicher Eingliederungshilfen enthält, sondern von Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung (nur) "insbesondere" im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht spricht. Zudem umfassen nach § 12 Nr. 2 EinglhVO Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung auch solche Maßnahmen der Schulbildung, die erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen eine "im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht" (lediglich) "üblicherweise erreichbare" Bildung zu ermöglichen. Insofern bildet die allgemeine Schulpflicht also nur den Vergleichsmaßstab dafür, in welchem Umfang bzw. in welchem Maße Leistungen der Eingliederungshilfe auch außerhalb der allgemeinen Schulpflicht erbracht werden können.
65Diese Lesart wird zudem durch Sinn und Zweck der Eingliederungshilfevorschriften gestützt. Diese sollen nicht vorrangig sicherstellen, dass der nach §§ 53 ff. SGB XII berechtigte Personenkreis seiner Schulpflicht gerecht wird, sondern dem behinderten Menschen nach dem Willen des Gesetzgebers die Integration in die Gesellschaft ermöglichen. § 53 Abs. 3 S. 1 SGB XII bestimmt insoweit als besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört vor allem, ihnen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder (auch nur), sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs. 3 S. 2 SGB XII). Mit Blick auf diese Ziele kann es jedenfalls dann nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, einem behinderten Menschen nach den - im Übrigen bundesrechtlichen - Eingliederungshilfevorschriften der §§ 53 ff. SGB XII eine angemessene Beschulung außerhalb der jeweiligen Landesgrenzen mit der Begründung zu versagen, dass dort die Schulpflicht nach landesrechtlichen Vorschriften nicht erfüllt werde, wenn das landesrechtliche Schul(pflicht-)system selbst eine angemessene Beschulung nicht sicherstellt (vgl. hierzu schon den Beschluss des Senats vom 15.08.2012 - L 20 SO 309/12 ER und das Urteil vom 11.06.2014 - L 20 SO 418/11).
66(d) Auf ein etwaiges schulrechtliches Wahl- und Bestimmungsrecht des behinderten Menschen bzw. seiner Eltern kommt es in diesem Zusammenhang im Übrigen von vornherein nicht an. Ein solches Wahlrecht ist allenfalls dann von Bedeutung, wenn (wie in dem der Entscheidung des BVerwG vom 26.10.2007 - 5 C 35.06 zugrunde liegenden Sachverhalt) der Besuch zweier Schulen im Raume steht, welche beide in das System der allgemeinen Schulpflicht des betroffenen Bundeslandes integriert sind. Im vorliegenden Fall liegt jedoch allein die N-Schule in Nordrhein-Westfalen, während sich die T-Schule in Niedersachen befindet.
67cc) Ausgehend von den dargestellten Kriterien ist mit Blick auf die Formulierungen in § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII (" angemessene Schulbildung ") und § 12 Nr. 2 EinglhVO (" üblicherweise erreichbare Bildung ") in einem ersten Schritt festzustellen, welches konkrete Bildungsziel für den behinderten Menschen in Betracht kommt (so auch Voelzke a.a.O. Rn. 40a; dazu im Folgenden). Daran anschließend ist zu prüfen, ob dieses Ziel mit den Möglichkeiten, welche das öffentliche Schulsystem für den Betroffenen bereithält, in zumutbarer Weise verfolgt werden kann oder nicht (dazu weiter unten). Im Rahmen dieses zweiten Prüfungsschritts sind unter "bereithalten" die Leistungen oder Rahmenbedingungen zu verstehen, die das öffentliche Bildungssystem dem behinderten Menschen tatsächlich zur Verfügung stellt, oder die der Betroffene im Rahmen zumutbarer Bemühungen rechtzeitig realisieren kann (vgl. das Urteil des Senats vom 15.05.2013 - L 20 SO 67/08; Scheider in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 19. Auflage 2015, § 53 Rn. 71 ff.; Voelzke a.a.O. Rn. 44a mit Hinweis m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 15.06.2000 - 16 A 3108/99 Rn. 17 a.E. und Rn. 22). Insoweit geht der Senat im Anschluss an die ablehnende Stellungnahme des Schulträgers vom 26.05.2011 davon aus, dass eine Individualbeförderung des Klägers zur N-Schule auf dessen Kosten nicht (rechtzeitig) durchsetzbar wäre (vgl. hierzu schon das Urteil des Senats vom 15.05.2013 - L 20 SO 67/08 m.w.N.).
68(1) Die für den Kläger in Betracht kommenden Bildungsziele, welche der Senat umfassend ermittelt hat, werden an der T-Schule in geeigneter Weise verfolgt.
69(a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, namentlich den schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M und dessen weiteren Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung sowie nach den dortigen Ausführungen der Schulleiterin der T-Schule, ist zwar seit Beginn des streitbefangenen Zeitraums nicht vorhersehbar, ob der Kläger bei Schulabschluss (nach dem 12. Schuljahr) einen formalen Bildungsabschluss - etwa vergleichbar der Qualifikation eines Hauptschulabschlusses oder dem Abschluss an einer Schule für Lernbehinderte - erreichen oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt jedenfalls eine angelernte Tätigkeit ausüben können wird. Der Kläger wird jedoch aller Voraussicht nach grundlegende Fähigkeiten wie Rechnen, Lesen und Schreiben erwerben bzw. ausbauen und - den nachvollziehbaren Darlegung der Schulleiterin folgend - nach Schulabschluss insbesondere ihm unbekannte Texte sinnentnehmend lesen können. Weitere - voraussichtlich erreichbare - Lernziele liegen vor allem darin, seine Aussprache und den verantwortungsbewussten Umgang mit Geld zu verbessern, seine geschichtlichen Kenntnisse und sein soziales Verhalten auszubauen sowie sein ohnehin in gutem Umfang vorhandenes "Weltwissen" zu fördern.
70(b) Die T-Schule, deren Schulkosten vorliegend im Streit stehen, ist im Sinne des § 12 Nr. 2 EinglhV geeignet, dem Kläger diese Bildungsziele erfolgversprechend zu vermitteln. Das gilt mit Blick sowohl auf die Schülerzahl, die Klassengröße und die sonstigen Rahmenbedingungen (insbesondere die Dauer der Anfahrt zur Schule) als auch auf die von der Schule vorgehaltenen pädagogischen und therapeutischen Angebote sowie das Förderkonzept. Dies steht unter Berücksichtigung der von der Leiterin der T-Schule beschriebenen Umstände der Beschulung sowie der Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. M und Dr. H fest. Die Sachverständigen sind insoweit in ihren Gutachten übereinstimmend zu der Einschätzung gelangt, dass die T-Schule geeignet ist, die von ihnen beschriebenen Lernziele zu fördern. Zweifel an dieser Beurteilung hat der Senat nicht; sie erscheint insbesondere vor dem Hintergrund der von den Sachverständigen behinderungsbedingt für notwendig erachteten Rahmenbedingungen für die Beschulung des Klägers sowie der diesbezüglichen Angaben der Schulleiterin in der mündlichen Verhandlung zutreffend.
71(aa) Zwar kommt es nach den Feststellungen der Sachverständigen für die Beurteilung der Geeignetheit auf die Größe der T-Schule (nach den Angaben der Schulleiterin seit Einschulung des Klägers zwischen 86 und 91 Schüler) und Klassen (fünf bis neun Schüler), die Dauer eines Schultags (von 8.00 Uhr bis 14.15 Uhr) und die Integration der logopädischen und ergotherapeutischen Förderung sowie des therapeutischen Reitens in den Schulalltag nicht entscheidend an. Im Hinblick auf die motorische Unruhe und die Irritierbarkeit des Klägers, die - den schlüssigen Ausführungen der Sachverständigen folgend - zunächst Symptome einer Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) aufwies, später jedoch vornehmlich durch ängstliches Verhalten zum Ausdruck gekommen ist, stellt eine Fahrtzeit zur Schule von einer Stunde und mehr (laut Einschätzung des Sachverständigen Dr. H schon von ca. 50 bis 60 Minuten) jedoch eine erhebliche Belastung dar, welche die Leistungsfähigkeit des Klägers und seine schulische Integration wahrscheinlich beeinträchtigt. Zweifel an der Richtigkeit dieser Beurteilung hat der Senat nicht. Sie erscheint insbesondere im Hinblick auf die von den Sachverständigen erhobenen Befunde und beschriebene Unruhe, welche nach den Angaben der Eltern auch bei längeren privaten Autofahrten auftritt, schlüssig und nachvollziehbar. Diesem Belastungsfaktor wird durch die T-Schule jedoch hinreichend Rechnung getragen; denn die Fahrt vom Wohnort des Klägers zur Schule dauert mit dem Schülerspezialtransport lediglich ca. 20 bis 25 Minuten.
72(bb) Die Beurteilung der Sachverständigen, der zufolge die T-Schule nach ihrem Förderkonzept einschließlich der Fahrtzeiten geeignet ist, den Kläger unter Berücksichtigung seiner Behinderungen angemessen zu beschulen, wird zudem weder von dem (im Eilverfahren als Zeuge gehörten) Kinderarzt des Klägers Dr. X noch dem Privatgutachter D in seinem schriftlichen Gutachten sowie seinen mündlichen Erläuterungen im Eilverfahren in Zweifel gezogen. Auch der Beklagte und der Beigeladene zu 1 gehen übereinstimmend davon aus, dass die T-Schule - wenn nicht sogar in besonderer Weise - in der Lage ist, dem Kläger die beschriebenen Bildungsziele erfolgversprechend zu vermitteln.
73(2) Der Besuch der T-Schule ist seit Schulbeginn (August 2008) nicht nur geeignet, sondern im Sinne des § 12 Nr. 2 EinglhVO auch erforderlich, um den Kläger angemessen zu beschulen; denn die vom Sachverständigen Prof. Dr. M und der Schulleiterin der T-Schule beschriebenen Lernziele können seither mit den Möglichkeiten, welche das öffentliche Schulsystem in Nordrhein-Westfalen für den Kläger bereit hält, nicht in zumutbarer Weise verfolgt werden.
74Zwar war das Förderkonzept der (von dem Beklagten einzig als geeignet benannten) N-Schule seit Beginn des streitigen Zeitraums ausreichend, um den Behinderungen des Klägers gerecht zu werden (dazu im Folgenden). Der Senat hat jedoch schon Zweifel, ob auch die sonstigen Rahmenbedingungen, namentlich die Dauer der Fahrt zur Schule, zur Erreichung der beschriebenen Förderziele geeignet war (dazu im Folgenden). Unabhängig hiervon war dem Kläger der Besuch der N-Schule aufgrund seiner Umstellungsschwierigkeiten schon bei Einschulung behinderungsbedingt nicht zumutbar. Gleiches gilt für einen späteren Schulwechsel (dazu weiter unten).
75(a) Im Anschluss an die Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass das eigentliche Förderkonzept der N-Schule seit Einschulung des Klägers im Schuljahr 2008/2009 zur Erreichung der beschriebenen Förderziele geeignet war. Insbesondere stehen die dortigen Schülerzahlen (nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Bekundungen des Zeugen L vom 11.06.2014 in dem Verfahren L 20 SO 418/11 zwischen ca. 180 und 169), die Klassenstärken (im Eingangsbereich sieben oder acht, später ca. zehn Schüler/innen), die tägliche Schulzeit (montags bis donnerstags 8.30 Uhr bis 15.00 Uhr, freitags bis 12.30 Uhr) einer dortigen Beschulung des Klägers seit Schulbeginn nicht entgegen.
76Ob der gleitende Schulanfang an der N-Schule (von 8.15 Uhr bis 8.30 Uhr) den Behinderungen des Klägers in gleicher Weise wie die T-Schule Rechnung trägt, obwohl dieser nach der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. M aufgrund seiner leichten Irritierbarkeit einen klaren Rahmen und damit auch hinsichtlich Schulbeginn und -ende eine zeitliche Struktur benötigt, lässt der Senat allerdings offen. Ebenso wenig bedarf es einer abschließenden Klärung, ob die sonstigen Rahmenbedingungen an der N-Schule (namentlich die Fahrtzeit zur Schule, welche nach den Bekundungen des Zeugen L im Streitverfahren L 20 SO 418/11 sowie im zwischen den Beteiligten geführten Eilverfahren maximal eine Stunde beträgt) den spezifischen Behinderungen des Klägers hätte genügen können. Die diesbezüglichen Zweifel des Senats gründen sich auf die bereits dargestellte übereinstimmende Beurteilung der Sachverständigen Prof. Dr. M und Dr. H. Danach stellt eine solche Fahrtzeit für den Kläger jedenfalls einen nicht unerheblichen Belastungsfaktor dar, der - ausgehend von den Ausführungen des Sachverständigen Dr. H - zumindest im Zusammenspiel mit weiteren Risikofaktoren, insbesondere einem Schulwechsel (dazu weiter unten), mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer konkreten Gefährdung der erreichbaren Bildungsziele führt.
77(b) Denn unabhängig von dem Förderkonzept und sonstigen Rahmenbedingungen war dem Kläger eine Beschulung an der N-Schule aufgrund der Besonderheiten seiner Behinderungen und damit verbundenen geringen Umstellungsfähigkeit jedenfalls schon nach Beendigung des Kindergartens (im Juli 2008) nicht zumutbar.
78Der Senat legt seiner Beurteilung auch insoweit in erster Linie die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M zugrunde. Bereits in seinem Gutachten vom 08.05.2014 hat der Sachverständige ausgeführt, dass der Kläger aufgrund seiner geistigen Behinderung und seiner Angststörung eine verlängerte Zeit benötige, um sich auf neue Umgebungen oder auf neue Situationen einzulassen und sich fremden Personen gegenüber öffnen zu können. Derartige Eingewöhnungsphasen, welche bis zu zwei Jahren in Anspruch nehmen könnten, seien mit einer psychischen Belastung verbunden und hätten unweigerlich Auswirkungen auf das erreichbare Bildungsniveau. Ergänzend hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung auf ausdrückliches Befragen erklärt, bei einer Einschulung des Klägers an der N-Schule sei sicherlich nicht nur dessen Entwicklung in den verschiedenen Leistungsbereichen weniger gut verlaufen als an der T-Schule. Vielmehr habe zudem die Gefahr bestanden, dass der Kläger die Schule insgesamt verweigere. Das gelte umso mehr, als der Kläger schon bei seinem Wechsel an die - dem Kindergarten räumlich angegliederte - T-Schule eine längere Eingewöhnungszeit benötigt habe; bei einem Wechsel vom Kindergarten auf die N-Schule wären aber weitaus größere Eingewöhnungsschwierigkeiten zu erwarten gewesen.
79Diese Beurteilung hält der Senat ebenfalls für überzeugend. Zwar konnte der Sachverständige auch in der mündlichen Verhandlung nicht konkreter darlegen, mit welchen (Entwicklungs-)Rückschritten im Einzelnen eine Einschulung des Klägers an der N-Schule verbunden gewesen wäre. Gleiches gilt für das zu erwartende Ausmaß von Rückschritten, namentlich die Zeit, welche der Kläger voraussichtlich benötigen würde, um sie wieder aufzufangen. Der Senat hält dies mit Blick darauf, dass die Erkrankung des Klägers eine derartige Prognose nur schwer zulässt, indes für nachvollziehbar. Dass ein Wechsel vom Kindergarten auf die N-Schule die Entwicklung des Klägers beeinträchtigt, hat der Sachverständige aber mit Sicherheit bejaht.
80Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Einschätzung hat der Senat nicht. Der Sachverständige hat unter Berücksichtigung der aktenkundigen medizinischen und psychologischen Berichte sowie der Schilderungen der Eltern des Klägers schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass jeder räumliche und personelle Wechsel für ein Kind mit dem Beschwerdebild des Klägers eine große Verunsicherung bedeutet und mit Eingewöhnungsschwierigkeiten sowie Rückschritten einhergeht, weil zunächst viel Anstrengung auf die Anpassung an die neue Situation verwendet werden muss.
81Bestätigt wird die Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. M zunächst durch den Sachverständigen Dr. H. Dieser ist in seinem Gutachten vom 21.02.2010 ebenfalls zu der Beurteilung gelangt, dass der Kläger erheblich größere Umstellungsschwierigkeiten hat als andere gleichaltrige behinderte Kinder, und dass eine Herausnahme aus der gewohnten personellen und räumlichen Umgebung einen entscheidenden Risikofaktor für eine adäquate schulische Förderung des Klägers darstellt. Auch der Kinderarzt des Klägers, Dr. X, hat anlässlich seiner Vernehmung im Rahmen des Eilverfahrens am 20.08.2009 bekundet, durch eine Veränderung der Umgebungssituation und der Ansprechpartner sei eine Stagnation, wenn nicht sogar ein Rückschritt in den Therapieerfolgen wahrscheinlich.
82Dass der Kläger schon seit früher Kindheit auf Veränderungen personeller und/oder räumlicher Art in besonderer Weise reagiert und daher überdurchschnittlich viel Zeit benötigt, um sich an neue Situationen zu gewöhnen, ergibt sich im Übrigen auch aus dem pädagogischen Gutachten der Sonderschullehrerinnen C und I vom 30.05.2007 zur Feststellung des Förderbedarfs. Danach bedurfte der Kläger schon im Kindergarten einer langen Eingewöhnungsphase, bevor er sich dort sicher und wohl fühlte; selbst nach fast zweijährigem Kindergartenbesuch reagierte er gegenüber fremden Personen weiterhin sehr zurückhaltend und verweigerte diesen die Mitarbeit.
83Dabei kommt erschwerend hinzu, dass etwaige Veränderungen beim Kläger - auch im Rahmen einer im Übrigen stabilen Umgebung - nicht nur zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit, sondern neben psychischen Symptomen auch zu erheblichen körperlichen Begleiterscheinungen führen. So berichtete die Schulleiterin der T-Schule in ihrer schriftlichen Stellungnahme aus Juni 2002 glaubhaft von Irritationen des Klägers anlässlich einer für April 2012 bevorstehenden Klassenfahrt, welche sich bereits ein halbes Jahr zuvor in Form von deutlicher (motorischer) Unruhe, vermehrtem Einnässen, Durchfall, Erbrechen sowie einer Beeinträchtigung des Konzentrationsvermögens, der Aussprache und des Redeflusses gezeigt hätten. Ebenso reagierte der Kläger nach den glaubhaften Schilderungen der Schulleiterin in der mündlichen Verhandlung auf einen Wechsel der Klassenlehrerin im Januar 2015 mit Unruhe, Unzufriedenheit, einer Einschränkung des Sprechflusses sowie einer - über das bei ihm übliche Maß hinausgehenden - verwaschenen Sprache und ließ sich auch auf Lernangebote nicht mehr ein. Obwohl die Klassenlehrerin die Klasse seit ca. Anfang Juli 2015 wieder übernommen hat, hat sich der Zustand des Klägers nach Angaben der Schulleiterin bislang, also ca. acht Monate nach dem Lehrerwechsel, noch nicht wieder vollständig normalisiert.
84Der Senat verkennt insoweit nicht, dass auch der Wechsel des Klägers vom Kindergarten an die T-Schule mit räumlichen und personellen Veränderungen verbunden war. Diese waren jedoch weitaus geringer, als es ein Wechsel vom Kindergarten zur N-Schule gewesen wäre; denn nach den glaubhaften Schilderungen der Leiterin der T-Schule in der mündlichen Verhandlung ist der Kindergarten der Schule nicht nur räumlich angegliedert. Vielmehr sind beide Einrichtungen auch personell miteinander verzahnt. Der Kläger kannte daher bei seiner Einschulung nicht nur das Gelände und Gebäude, sondern darüber hinaus bereits einzelne an der T-Schule tätige Therapeuten, den Fahrdienst sowie die Küche (einschließlich Personal).
85Der Einschätzung der Sachverständigen steht schließlich auch nicht entgegen, dass der Kläger anlässlich der Begutachtung durch den Sachverständigen Prof. Dr. M freundlich und offen auftrat und auch in dem Gutachten des Herrn D als fröhlich und zugewandt beschrieben wird; denn die nur temporären Begutachtungen erfolgten innerhalb einer sehr konstanten Grundsituation. Ein Wechsel vom Kindergarten am T auf die N-Schule wäre für den Kläger jedoch nicht nur mit kurzzeitigen räumlichen Veränderungen, sondern - neben einem veränderten Wegetransport (bzgl. Strecke und Fahrer) sowie Tagesablauf - insbesondere auch mit dem Austausch sämtlicher Betreuungskräfte und damit der maßgebenden Bezugspersonen verbunden, welche den Kläger während des gesamten Alltags im Kindergarten begleiten und fördern. Derartig einschneidende und vielschichtige Veränderungen sind aber von vornherein nicht vergleichbar mit Umständen wie einer einmaligen Begutachtung (bei der im Übrigen die Eltern des Klägers in der Nähe und erreichbar geblieben sind).
86(c) War dem Kläger - zusammenfassend - aber eine Einschulung an der N-Schule schon nach Abschluss des Kindergartens (im Sommer 2008) behinderungsbedingt nicht zumutbar, so war ihm auch ein späterer Wechsel auf diese Schule aus schwerwiegenden subjektiven Gründen (s.o.) unmöglich bzw. unzumutbar und der (weitere) Besuch der T-Schule aus diesem Grund auch über das Schuljahr 2008/2009 hinaus erforderlich im Sinne des § 12 Nr. 2 EinglhVO. Denn nach den überzeugenden Ausführungen insbesondere des Sachverständigen Prof. Dr. M in seinem Gutachten sowie seinen mündlichen Erläuterungen im Verhandlungstermin verursacht (auch) ein Schulwechsel bei dem Kläger verlängerte Eingewöhnungsphasen mit einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit, Angstsymptomen und Verhaltensauffälligkeiten bis hin (sogar) zu Aggressionen. Zudem wäre er ebenfalls mit der Gefahr verbunden, dass der Kläger die Schule insgesamt verweigert. Zweifel an der Richtigkeit auch dieser Beurteilung hat der Senat nicht. Insofern wird auf die obigen Ausführungen zu den zu erwartenden Auswirkungen bei einem Wechsel vom Kindergarten zur N-Schule verwiesen, die auch für einen späteren Schulwechsel gelten. Das gilt umso mehr, als ein Wechsel der Schule zumindest im gleichen Maße, im Hinblick auf den Verlust der gesamten bisherigen Mitschüler/innen sogar eher noch mit erheblicheren Veränderungen verbunden wäre als die Einschulung des Klägers an der N-Schule.
87dd) Der Umstand, dass der Kläger seine Schulbildung an der T-Schule entgegen der angefochtenen Entscheidung des Beklagten aufgenommen und auf diese Weise vollendete Tatsachen geschaffen hat, steht der Übernahme der Kosten für den Besuch der T-Schule von vornherein nicht entgegen. Das gilt schon deshalb, weil die Einschulung des Klägers an der N-Schule (deren Besuch der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden für angemessen erachtet hat) seinerzeit wegen der einschränkten Umstellungsfähigkeit des Klägers keine geeignete Fördermöglichkeit war (s.o.). Für die Folgezeit war der weitere Besuch der T-Schule wegen der Unzumutbarkeit eines Schulwechsels unverzichtbar.
88Der Senat weicht insofern nicht von seinem früheren Urteil vom 15.05.2013 - L 20 SO 67/08 ab. Zwar ist dort ausgeführt, dass die dortige Klägerin keine Vorteile daraus ziehen darf, dass sie entgegen der von ihr angefochtenen Entscheidung des Beklagten ihre Schulausbildung zunächst an der T-Schule begonnen hat und nunmehr mangels Anspruchs auf Übernahme der Beschulungskosten auf die N-Schule wechseln muss. In jenem Verfahren ließ sich jedoch - anders als hier - nicht feststellen, dass die (insoweit beweispflichtige) dortige Klägerin an der N-Schule nicht hätte angemessen beschult werden können, und dass deshalb eine Umschulung unzumutbar wäre. Unterscheiden sich jener und der vorliegende Sachverhalt deshalb wesentlich, so kann im hier zu entscheidenden Fall (bei dem kein Erkenntnisausfall vorliegt) offen bleiben, ob und inwiefern "Verschuldensgesichtspunkte" (die im Recht der Sozialhilfe einen zu deckenden Bedarf ohnehin grundsätzlich nicht entfallen lassen, sondern allenfalls unter engen Voraussetzungen eine Leistungseinschränkung bzw. einen Erstattungsanspruch nach sich ziehen können; vgl. § 26 bzw. § 103 SGB XII) hinsichtlich einer getroffenen Schulwahl berücksichtigungsfähig sein können.
893. Dem Anspruch des Klägers auf Übernahme seiner Beschulungskosten an der T-Schule als Eingliederungshilfe stehen sonstige Hindernisse nicht entgegen. Insbesondere verfügte der Kläger seit Schuljahresbeginn 2008/2009 durchgehend nicht über anzurechnendes Einkommen, wobei dieses ohnehin auf die Aufbringung der Mittel für die Kosten des Lebensunterhalts beschränkt wäre (vgl. § 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB XII). Etwaiges Vermögen des Klägers ist bei den hier in Rede stehenden Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung ohnehin nicht anspruchsmindernd oder -ausschließend zu berücksichtigen (vgl. § 92 Abs. 2 S. 2 i.V.m. S. 1 Nr. 2 i.V.m. SGB XII).
90C) Sonstige Anspruchsgrundlagen für eine Übernahme von Kosten im Zusammenhang mit der Beschulung des Klägers existieren nicht.
91I. Leistungen der Eingliederungshilfe des Jugendhilfeträgers nach § 35a SGB VIII scheiden aus. Zwar mag die Angststörung des Klägers eine seelische Behinderung im Sinne des § 35a Abs. 1 und 3 SGB VIII sein; eine solche kann grundsätzlich zu einer Leistungszuständigkeit des Jugendhilfeträgers führen. Leidet der Kläger jedoch zumindest auch unter einer wesentlichen geistigen Behinderung, ist nach der Abgrenzungsregelung des § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII der beklagte Sozialhilfeträger vorrangig zuständig (vgl. zu dieser Abgrenzung ausführlich etwa Urteil des Senats vom 18.01.2013 - L 20 SO 170/11 Rn. 59 ff. m.w.N.). Aus diesem Grund bedurfte es von vornherein keiner Beiladung des Jugendhilfeträgers.
92II. Schließlich wurde in der mündlichen Verhandlung für den Kläger ausdrücklich klargestellt, dass Leistungen nach dem Dritten bzw. Vierten Kapitel des SGB XII (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 Rn. 18) nicht geltend gemacht werden.
93D) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache. Die Kosten der Beigeladenen waren nicht zu erstatten, weil sie keinen Antrag gestellt haben (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 18.04.2011 - L 20 SO 78/10 Rn. 62 und vom 08.06.2015 - L 20 SO 473/12; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 193 Rn. 3b).
94E) Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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Urteil einreichenLandessozialgericht NRW Urteil, 11. Aug. 2015 - L 20 SO 316/12 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Soweit Landesrecht nichts Abweichendes bestimmt, sind vor dem Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften sozial erfahrene Dritte zu hören, insbesondere aus Vereinigungen, die Bedürftige betreuen, oder aus Vereinigungen von Sozialleistungsempfängern.
(2) Soweit Landesrecht nichts Abweichendes bestimmt, sind vor dem Erlass des Verwaltungsaktes über einen Widerspruch gegen die Ablehnung der Sozialhilfe oder gegen die Festsetzung ihrer Art und Höhe Dritte, wie sie in Absatz 1 bezeichnet sind, beratend zu beteiligen.
(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(1) Die Leistungen richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt.
(2) Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Wünschen der Leistungsberechtigten, den Bedarf stationär oder teilstationär zu decken, soll nur entsprochen werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden kann und wenn mit der Einrichtung Vereinbarungen nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches bestehen. Der Träger der Sozialhilfe soll in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre.
(3) Auf Wunsch der Leistungsberechtigten sollen sie in einer Einrichtung untergebracht werden, in der sie durch Geistliche ihres Bekenntnisses betreut werden können.
Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2010 wird zurückgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Im Streit ist die Übernahme von Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
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Der 1997 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an dem sogenannten Rubinstein-Taybi-Syndrom mit Absence-Epilepsie, verzögerter Entwicklung, Minderwuchs und geistiger Behinderung, verbunden mit Hyperaktivität und teilweiser Aggressivität. Er lebt seit seinem 4. Lebensmonat in einer Pflegefamilie, in die er direkt nach dem Klinikaufenthalt nach seiner Geburt aufgenommen wurde. Das staatliche Schulamt für den Landkreis G. und den V. stellte beim Kläger einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Sinne des Besuchs einer Schule für praktisch Bildbare fest und wies ihn zum 1.8.2005 der staatlichen M.-Schule in G. zu. Da die Pflegeeltern die sonderpädagogische Förderung des Klägers an der nach den Grundsätzen der anthroposophischen Heilpädagogik und der Waldorfpädagogik unterrichtenden privaten B.-Schule wünschten, erklärte das staatliche Schulamt gleichzeitig sein Einverständnis, den sonderpädagogischen Förderbedarf dort zu erfüllen, sofern die Frage der Kostenübernahme mit dem Schulverwaltungsamt des Kreisausschusses des Landkreises G. geklärt sei (Bescheid vom 31.5.2005). Nachdem die Pflegeeltern für den Kläger mit dem Träger der B.-Schule einen Schulvertrag ab 1.8.2005 abgeschlossen und dabei ein monatliches Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro vereinbart hatten, wurde der Kläger am 5.9.2005 in die B.-Schule eingeschult. Den vom Träger der Schule - nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) - namens und im Auftrag der Pflegeeltern gestellten Antrag auf Übernahme des Schulgelds lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 22.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 19.4.2006).
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Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts
Gießen vom 11.11.2008; Urteil des Hessischen LSG vom 22.11.2010) . Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Besuch der B.-Schule sei keine für eine angemessene Schulbildung des Klägers erforderliche Maßnahme. Hieran ändere auch die schulrechtliche Einstufung durch das staatliche Schulamt, an die der Sozialhilfeträger gebunden sei, nichts, weil eine Zuweisung nur an die staatliche M.-Schule erfolgt sei, während der Besuch der B.-Schule ausschließlich als mögliche Beschulungsalternative gestattet worden sei. Beide Schulen seien geeignete Förderschulen zur Erfüllung des besonderen sonderpädagogischen Bedarfs des Klägers. Auch das Elternrecht aus Art 6 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) biete als Abwehrrecht keinen Anspruch auf Vermittlung pädagogischer Lehrinhalte und Bildungsziele außerhalb öffentlicher Schulen. Ein Anspruch könne auch nicht aus Art 7 Abs 4 Satz 1 GG hergeleitet werden, weil insoweit nur das private Ersatzschulwesen geschützt werde, nicht jedoch auch das Recht der Eltern, eine private Ersatzschule kostenfrei zu wählen.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII und § 12 Eingliederungshilfeverordnung (Eingliederungshilfe-VO) und macht Verfahrensfehler geltend. Zu Unrecht gehe das LSG davon aus, dass der Besuch einer privaten Förderschule und der damit verbundene Schulgeldaufwand bei Bestehen einer gleichwertigen kostenfreien Beschulungsmöglichkeit nicht erforderlich iS von § 12 Eingliederungshilfe-VO sei. Zwar hätte sein schulischer Förderbedarf auch durch den Besuch der M.-Schule sichergestellt werden können; das Berufungsgericht lasse aber unberücksichtigt, dass die Pflegeeltern mit ihrer Auswahlentscheidung den von den staatlichen Schulbehörden eingeräumten Rahmen mit einer für den beklagten Sozialhilfeträger ebenso verbindlichen Weise ausgefüllt hätten, wie dies durch eine förmliche Zuweisung der Schulbehörden geschehen wäre. Folge man der Auffassung des LSG liefen das eingeräumte Wahlrecht und letztlich die Bestimmung des § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII leer, wenn Eltern die mit dem Schulbesuch verbundenen Kosten nicht aufbringen könnten. Sei schulrechtlich eine Wahlfreiheit zwischen öffentlicher Förder- und privater Ersatzschule eröffnet, setze eine generelle Beschränkung der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung auf den Besuch öffentlicher Schulen nach der Rechtsprechung des 6. Senats des LSG (Urteil vom 18.8.2010 - L 6 SO 5/10) verfassungsrechtlich eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers voraus. Durch den unterlassenen Hinweis, dem 6. Senat nicht folgen zu wollen, habe das LSG das rechtliche Gehör verletzt (Überraschungsentscheidung). Auch habe sich das LSG nicht mit dem Vortrag auseinandergesetzt, dass der Beklagte mit seiner (des Klägers) Beschulung in der B.-Schule einverstanden gewesen sei und sich hieraus die Verpflichtung ableite, auch für die entstehenden Beschulungskosten einzustehen. Unterblieben sei schließlich die Prüfung, ob eine Aufnahme in die M.-Schule nicht an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre.
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 zu zahlen.
- 6
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Auffassung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
) . Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des monatlichen Schulgelds in Höhe von 303,92 Euro bzw in Höhe des für Oktober 2009 maßgeblichen Teils davon für den Besuch der B.-Schule.
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zulässigerweise nur der Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 (§ 95 SGG) über die Ablehnung der Übernahme des Schulgelds als abgrenzbaren Streitgegenstand im Rahmen der Eingliederungshilfe. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG). Sozial erfahrene Dritte waren vor Erlass des Widerspruchsbescheids nicht zu beteiligen (§ 116 Abs 2 SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 iVm § 8 Abs 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
vom 20.12.2004 - GVBl 488) . Nicht Streitgegenstand sind Leistungen für den Lebensunterhalt, auch nicht im Rahmen des sog Meistbegünstigungsprinzips, wonach zur Sicherstellung einer möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte (§ 2 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil -; vgl dazu: Voelzke in juris PraxisKommentar SGB I, 2. Aufl 2011 - online -, § 2 RdNr 26; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB I, K § 2 RdNr 44, Stand Dezember 2005) , Anträge bzw Rechtsbehelfe ohne Bindung an den Wortlaut nach dem wirklichen Willen des Antragstellers auszulegen sind (BSG SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 13); denn eine abweichende Festlegung des Bedarfs wegen der Verpflichtung zur Zahlung des Schulgelds (§ 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII) kommt ohnedies nicht in Betracht (siehe dazu unten).
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Nach § 53 Abs 1 Satz 1(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) iVm § 54 Abs 1 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch; für die Zeit ab 5.8.2009 in der Normfassung des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.7.2009 - BGBl I 2495) erhalten Personen, die durch eine Behinderung iS von § 2 Abs 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
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Vorliegend ist es schon fraglich, ob der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs 1 HAG/SGB XII idF des Gesetzes vom 20.12.2004) für den streitigen Anspruch auf Übernahme des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe der sachlich zuständige Sozialhilfeträger ist. Abweichend von § 100 Bundessozialhilfegesetz(BSHG; in der nach Art 68 Abs 2 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch bis 31.12.2006 fortgeltenden Fassung) bzw ab 1.7.2007 § 97 Abs 3 Nr 1 SGB XII (Art 70 Abs 2 S 6 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) regelt § 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm § 2 Abs 1 Nr 1 HAG/SGB XII(bis 31.6.2006 in der nach § 13 Abs 3 HAG/SGB XII bestimmten Fassung) die sachliche Zuständigkeit von örtlichem bzw überörtlichem Sozialhilfeträger. Danach ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII nur sachlich zuständig, sofern diese in einer Einrichtung zur stationären oder teilstationären Betreuung zu gewähren sind. Eine (teilstationäre) "Einrichtung" im Sinne des SGB XII (§ 13 SGB XII)ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und Leistungen der Sozialhilfe erbringt (BVerwGE 95, 149, 152; Bundesverwaltungsgericht
, Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 42/91 -, FEVS 45, 52 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 13/91 -, FEVS 45, 183 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 17/91 -, ZfSH/SGB 1995, 535 ff; BSGE 106, 264 ff RdNr 13 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2) .
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Ob eine Schule (anders als etwa die der Schule angegliederte Behinderteneinrichtung) eine teilstationäre Einrichtung in diesem Sinne ist, insbesondere Leistungen der Sozialhilfe erbringt (vgl dazu BVerwGE 48, 228, 231, das zwischen allgemeinen Schulen und Schulen unterscheidet, in denen über die bloße Vermittlung des Lernstoffs hinaus ein besonderes Maß an Betreuung erforderlich ist), ist zweifelhaft, wobei es für die Ablehnung der Leistung wegen Unzuständigkeit genügt, dass Sozialhilfeleistungen geltend gemacht werden. Für die Begründung der sachlichen Zuständigkeit ist es jedenfalls nicht - wie der Beklagte meint - ausreichend, dass er aufgrund langjähriger Praxis bei Pflegefamilienverhältnissen (im Rahmen des § 97 Abs 5 SGB XII) auch die Begleitkosten übernimmt, sofern diese übernahmefähig sind. Eine solche Annex-Kompetenz, wie sie etwa § 2 Abs 2 HAG/SGB XII(in der bis 31.12.2006 geltenden Fassung) vorsieht, setzt nämlich die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers für die im Rahmen eines Pflegefamilienverhältnisses zu erbringende Eingliederungshilfe voraus, an der es vorliegend fehlen könnte. Im Ergebnis kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, weil der Kläger auch bei unterstellter sachlicher Zuständigkeit des Beklagten keinen Anspruch auf die im Streit stehende Leistung hat.
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Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII für eine Pflichtleistung. Die Voraussetzungen für eine Behinderung nach § 2 Abs 1 SGB IX sind erfüllt, wenn die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach den Feststellungen des LSG liegt eine solche Behinderung vor.
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Die geistige Behinderung ist auch wesentlich. Wann dies der Fall ist, ist § 2 Eingliederungshilfe-VO zu entnehmen, wonach eine wesentliche Behinderung vorliegt, wenn infolge einer Schwäche der geistigen Kräfte in erheblichem Umfang die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft eingeschränkt ist. Dies richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls und hängt deshalb von sehr unterschiedlichen, durch die individuelle Behinderung geprägten Umständen ab (BVerwG Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr 12 S 2). Insoweit ist wie bei der Prüfung der Behinderung auch ihre Wesentlichkeit wertend auszurichten, insbesondere an den Auswirkungen für die Eingliederung in die Gesellschaft. Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt (vgl BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Stehen - wie hier - die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme des Klägers am Unterricht in einer allgemeinen (Grund-)Schule entgegen (vgl auch BVerwG, Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02), weil Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können, und erfordert die geistige Behinderung deshalb einen sonderpädagogischen Förderbedarf, um die mögliche Vermittlung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten überhaupt erst zu ermöglichen, ist die Behinderung nach den oben aufgezeigten Grundsätzen wesentlich; denn eine Grundschulbildung bildet die essentielle Basis für jegliche weitere Schullaufbahn (vgl: BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8; BSGE 109, 199 ff RdNr 22 = SozR 4-2500 § 33 Nr 37).
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Gehört der Kläger danach zwar zu dem leistungsberechtigten Personenkreis, scheitert ein Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds aber daran, dass es sich insoweit nicht um eine Leistung der Eingliederungshilfe handelt. Nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Erfasst sind von dem Wortlaut der Vorschrift ("Hilfen") nur Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSGE 110, 301 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Dies bestätigt auch § 12 Eingliederungshilfe-VO, der seinerseits nur von "Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung" spricht. Die von dieser Hilfe nach § 12 Eingliederungshilfe-VO (auch) erfassten Regelbeispiele betreffen dementsprechend nur die Schulbildung begleitende Maßnahmen. Die Schulbildung selbst, also der Kernbereich der pädagogischen Arbeit, der sich nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmt, obliegt hingegen allein den Schulträgern. Art 7 Abs 1 GG überträgt dem Staat einen (außerhalb des Sozialhilferechts liegenden) eigenständigen Unterrichts- und Bildungsauftrag im Schulbereich (BSG, aaO, RdNr 21; BVerfGE 47, 46, 71 f; 98, 218, 241).
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Dass der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule den Regelungen über die Eingliederungshilfe entzogen ist, bestätigt § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII dadurch, dass die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht(hier: Art 56 ff Hessische Landesverfassung iVm dem Hessischen Schulgesetz idF vom 14.6.2005 - GVBl 441) unberührt bleiben sollen. Die schulrechtlichen Verpflichtungen bestehen also grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen (BSG aaO). Auch das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 13.8.1992 - 5 C 70/88 - (Buchholz 436.0 § 11 BSHG Nr 16 S 3) ausgeführt, dass der Staat mit der Einrichtung der öffentlichen Grundschulen seinen Bildungs- und Erziehungsauftrag aus Art 7 Abs 1 GG nachkomme und die Schulgeldfreiheit aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialhilferechts gefunden habe, sodass für einen Rechtsanspruch gegen den Sozialhilfeträger zur Deckung eines im Grundschulalter angemessenen Bildungsbedarfs Aufnahmebeiträge und monatliches Schulgeld für den Besuch einer privaten Grundschule als Sozialhilfeleistung nicht zu übernehmen seien. Dabei ist das BVerwG in Bezug auf die erforderliche Hilfe nicht von einer nach Maßgabe des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe zu lösenden Anspruchskonkurrenz, sondern von einem Verhältnis der "Spezialität" ausgegangen, wobei es eine Ausnahme von diesem Grundsatz für möglich hielt, wenn der Besuch einer öffentlichen Grundschule aus objektiven Gründen (zB wegen ihrer räumlichen Entfernung vom Wohnort) oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Diese Rechtsprechung hat das BVerwG auch für Leistungen der Eingliederungshilfe bestätigt (Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02) und ausdrücklich ausgeführt, dass ein nachrangiges Eintreten der Sozialhilfe (nur) für solche Bedarfe nicht ausgeschlossen sei, die nicht in der Deckung des unmittelbaren Ausbildungsbedarfs im Rahmen der Schulpflicht bestünden, sondern damit lediglich - mehr oder weniger eng - zusammenhingen, etwa wie bei der Bereitstellung eines Integrationshelfers für behinderte Kinder an Regelschulen.
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Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe. Zu dem Kernbereich der Schule gehören alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen Lehrziele zu erreichen, in erster Linie also der (unentgeltliche) Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen Kenntnisse vermitteln soll. Damit unterliegt auch das vom Kläger begehrte Schulgeld unmittelbar diesem Kernbereich, weil die Übernahme des Schulgelds die von der Schule selbst zu erbringende Leistung, also den Unterricht, finanziert, mithin den schulischen Bildungsauftrag erfüllt und keine bloß unterstützende Leistung im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung darstellt. Wie die Entscheidung des Schulamts auszulegen ist und inwieweit sie auch für den Beklagten Bindungswirkung entfaltet (vgl dazu BVerwGE 130, 1 ff), ist danach ohne Belang. Ebenso spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass sich der Beklagte mit der Beschulung in die B.-Schule einverstanden erklärt hat. Die Ausübung eines Wahlrechts, welche Schule besucht wird, hat nicht zur Folge, dass der Sozialhilfeträger ein etwaiges Schulgeld zahlen müsste.
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Schulgeld wäre - abgesehen davon, dass es hier nicht Streitgegenstand ist (siehe oben) - auch nicht nach den Regelungen des Dritten bzw Vierten Kapitels des SGB XII zu erbringen. Entsprechende Leistungen könnten ggf zwar durch eine abweichende Festlegung des Regelsatzes nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII in der bis 31.12.2010 geltenden alten Fassung erbracht werden, dies würde aber voraussetzen, dass der Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abwiche. Der auf das Schulgeld gerichtete höhere Bedarf des Klägers wäre aber nicht unabweisbar. Nach den Feststellungen des LSG besteht für den Kläger eine gleichwertige und unentgeltliche Möglichkeit des Schulbesuchs an der Schule für praktisch Bildbare.
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Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht schon darin zu sehen, dass das LSG - ohne ausdrücklichen Hinweis - einer Entscheidung eines anderen Senats desselben Gerichts nicht folgt. Da der Kläger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung des Schulgelds hat, erübrigt sich im Übrigen - weil absolute Revisionsgründe nicht geltend gemacht werden - ein weiteres Eingehen auf den vermeintlichen Verfahrensfehler. Gleiches gilt für die behauptete Gehörsverletzung durch Übergehen des Vortrags, der Beklagte habe sich mit der Beschulung in der B.-Schule einverstanden erklärt (dazu auch oben). Soweit schließlich moniert wird, das LSG habe nicht geprüft, ob die Aufnahme in der M.-Schule an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre (Verletzung der Amtsaufklärungspflicht; § 103 SGG), hätte dargelegt werden müssen (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG), warum sich das LSG - trotz Zuweisung des Klägers in die M.-Schule und Streitgegenstandsbegrenzung auf die Eingliederungshilfe - hätte gedrängt fühlen müssen, entsprechende Ermittlungen anzustellen. Für die Eingliederungshilfe wäre jedenfalls eine entsprechende Klärung ohne Bedeutung.
(1) Für die Sozialhilfe sachlich zuständig ist der örtliche Träger der Sozialhilfe, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist.
(2) Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird nach Landesrecht bestimmt. Dabei soll berücksichtigt werden, dass so weit wie möglich für Leistungen im Sinne von § 8 Nr. 1 bis 6 jeweils eine einheitliche sachliche Zuständigkeit gegeben ist.
(3) Soweit Landesrecht keine Bestimmung nach Absatz 2 Satz 1 enthält, ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für
- 1.
(weggefallen) - 2.
Leistungen der Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 bis 66, - 3.
Leistungen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach den §§ 67 bis 69, - 4.
Leistungen der Blindenhilfe nach § 72
(4) Die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung umfasst auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, sowie für eine Leistung nach § 74.
(5) (weggefallen)
(1) Für die Sozialhilfe örtlich zuständig ist der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Diese Zuständigkeit bleibt bis zur Beendigung der Leistung auch dann bestehen, wenn die Leistung außerhalb seines Bereichs erbracht wird.
(1a) Abweichend von Absatz 1 ist im Falle der Auszahlung der Leistungen nach § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und bei Anwendung von § 34a Absatz 7 der nach § 34c zuständige Träger der Sozialhilfe zuständig, in dessen örtlichem Zuständigkeitsbereich die Schule liegt. Die Zuständigkeit nach Satz 1 umfasst auch Leistungen an Schülerinnen und Schüler, für die im Übrigen ein anderer Träger der Sozialhilfe nach Absatz 1 örtlich zuständig ist oder wäre.
(2) Für die stationäre Leistung ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Waren bei Einsetzen der Sozialhilfe die Leistungsberechtigten aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall ein, ist der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend. Steht innerhalb von vier Wochen nicht fest, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt nach Satz 1 oder 2 begründet worden ist oder ist ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln oder liegt ein Eilfall vor, hat der nach Absatz 1 zuständige Träger der Sozialhilfe über die Leistung unverzüglich zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen. Wird ein Kind in einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 geboren, tritt an die Stelle seines gewöhnlichen Aufenthalts der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter.
(3) In den Fällen des § 74 ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der bis zum Tod der leistungsberechtigten Person Sozialhilfe leistete, in den anderen Fällen der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Sterbeort liegt.
(4) Für Hilfen an Personen, die sich in Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten oder aufgehalten haben, gelten die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 106 und 109 entsprechend.
(5) Für die Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Siebten und Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Vor Inkrafttreten dieses Buches begründete Zuständigkeiten bleiben hiervon unberührt.
(6) Soweit Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des Neunten Buches zu erbringen sind, richtet sich die örtliche Zuständigkeit für gleichzeitig zu erbringende Leistungen nach diesem Buch nach § 98 des Neunten Buches, soweit das Landesrecht keine abweichende Regelung trifft.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2010 wird zurückgewiesen.
-
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Im Streit ist die Übernahme von Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
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Der 1997 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an dem sogenannten Rubinstein-Taybi-Syndrom mit Absence-Epilepsie, verzögerter Entwicklung, Minderwuchs und geistiger Behinderung, verbunden mit Hyperaktivität und teilweiser Aggressivität. Er lebt seit seinem 4. Lebensmonat in einer Pflegefamilie, in die er direkt nach dem Klinikaufenthalt nach seiner Geburt aufgenommen wurde. Das staatliche Schulamt für den Landkreis G. und den V. stellte beim Kläger einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Sinne des Besuchs einer Schule für praktisch Bildbare fest und wies ihn zum 1.8.2005 der staatlichen M.-Schule in G. zu. Da die Pflegeeltern die sonderpädagogische Förderung des Klägers an der nach den Grundsätzen der anthroposophischen Heilpädagogik und der Waldorfpädagogik unterrichtenden privaten B.-Schule wünschten, erklärte das staatliche Schulamt gleichzeitig sein Einverständnis, den sonderpädagogischen Förderbedarf dort zu erfüllen, sofern die Frage der Kostenübernahme mit dem Schulverwaltungsamt des Kreisausschusses des Landkreises G. geklärt sei (Bescheid vom 31.5.2005). Nachdem die Pflegeeltern für den Kläger mit dem Träger der B.-Schule einen Schulvertrag ab 1.8.2005 abgeschlossen und dabei ein monatliches Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro vereinbart hatten, wurde der Kläger am 5.9.2005 in die B.-Schule eingeschult. Den vom Träger der Schule - nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) - namens und im Auftrag der Pflegeeltern gestellten Antrag auf Übernahme des Schulgelds lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 22.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 19.4.2006).
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Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts
Gießen vom 11.11.2008; Urteil des Hessischen LSG vom 22.11.2010) . Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Besuch der B.-Schule sei keine für eine angemessene Schulbildung des Klägers erforderliche Maßnahme. Hieran ändere auch die schulrechtliche Einstufung durch das staatliche Schulamt, an die der Sozialhilfeträger gebunden sei, nichts, weil eine Zuweisung nur an die staatliche M.-Schule erfolgt sei, während der Besuch der B.-Schule ausschließlich als mögliche Beschulungsalternative gestattet worden sei. Beide Schulen seien geeignete Förderschulen zur Erfüllung des besonderen sonderpädagogischen Bedarfs des Klägers. Auch das Elternrecht aus Art 6 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) biete als Abwehrrecht keinen Anspruch auf Vermittlung pädagogischer Lehrinhalte und Bildungsziele außerhalb öffentlicher Schulen. Ein Anspruch könne auch nicht aus Art 7 Abs 4 Satz 1 GG hergeleitet werden, weil insoweit nur das private Ersatzschulwesen geschützt werde, nicht jedoch auch das Recht der Eltern, eine private Ersatzschule kostenfrei zu wählen.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII und § 12 Eingliederungshilfeverordnung (Eingliederungshilfe-VO) und macht Verfahrensfehler geltend. Zu Unrecht gehe das LSG davon aus, dass der Besuch einer privaten Förderschule und der damit verbundene Schulgeldaufwand bei Bestehen einer gleichwertigen kostenfreien Beschulungsmöglichkeit nicht erforderlich iS von § 12 Eingliederungshilfe-VO sei. Zwar hätte sein schulischer Förderbedarf auch durch den Besuch der M.-Schule sichergestellt werden können; das Berufungsgericht lasse aber unberücksichtigt, dass die Pflegeeltern mit ihrer Auswahlentscheidung den von den staatlichen Schulbehörden eingeräumten Rahmen mit einer für den beklagten Sozialhilfeträger ebenso verbindlichen Weise ausgefüllt hätten, wie dies durch eine förmliche Zuweisung der Schulbehörden geschehen wäre. Folge man der Auffassung des LSG liefen das eingeräumte Wahlrecht und letztlich die Bestimmung des § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII leer, wenn Eltern die mit dem Schulbesuch verbundenen Kosten nicht aufbringen könnten. Sei schulrechtlich eine Wahlfreiheit zwischen öffentlicher Förder- und privater Ersatzschule eröffnet, setze eine generelle Beschränkung der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung auf den Besuch öffentlicher Schulen nach der Rechtsprechung des 6. Senats des LSG (Urteil vom 18.8.2010 - L 6 SO 5/10) verfassungsrechtlich eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers voraus. Durch den unterlassenen Hinweis, dem 6. Senat nicht folgen zu wollen, habe das LSG das rechtliche Gehör verletzt (Überraschungsentscheidung). Auch habe sich das LSG nicht mit dem Vortrag auseinandergesetzt, dass der Beklagte mit seiner (des Klägers) Beschulung in der B.-Schule einverstanden gewesen sei und sich hieraus die Verpflichtung ableite, auch für die entstehenden Beschulungskosten einzustehen. Unterblieben sei schließlich die Prüfung, ob eine Aufnahme in die M.-Schule nicht an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre.
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Auffassung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
) . Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des monatlichen Schulgelds in Höhe von 303,92 Euro bzw in Höhe des für Oktober 2009 maßgeblichen Teils davon für den Besuch der B.-Schule.
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zulässigerweise nur der Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 (§ 95 SGG) über die Ablehnung der Übernahme des Schulgelds als abgrenzbaren Streitgegenstand im Rahmen der Eingliederungshilfe. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG). Sozial erfahrene Dritte waren vor Erlass des Widerspruchsbescheids nicht zu beteiligen (§ 116 Abs 2 SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 iVm § 8 Abs 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
vom 20.12.2004 - GVBl 488) . Nicht Streitgegenstand sind Leistungen für den Lebensunterhalt, auch nicht im Rahmen des sog Meistbegünstigungsprinzips, wonach zur Sicherstellung einer möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte (§ 2 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil -; vgl dazu: Voelzke in juris PraxisKommentar SGB I, 2. Aufl 2011 - online -, § 2 RdNr 26; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB I, K § 2 RdNr 44, Stand Dezember 2005) , Anträge bzw Rechtsbehelfe ohne Bindung an den Wortlaut nach dem wirklichen Willen des Antragstellers auszulegen sind (BSG SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 13); denn eine abweichende Festlegung des Bedarfs wegen der Verpflichtung zur Zahlung des Schulgelds (§ 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII) kommt ohnedies nicht in Betracht (siehe dazu unten).
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Nach § 53 Abs 1 Satz 1(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) iVm § 54 Abs 1 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch; für die Zeit ab 5.8.2009 in der Normfassung des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.7.2009 - BGBl I 2495) erhalten Personen, die durch eine Behinderung iS von § 2 Abs 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
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Vorliegend ist es schon fraglich, ob der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs 1 HAG/SGB XII idF des Gesetzes vom 20.12.2004) für den streitigen Anspruch auf Übernahme des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe der sachlich zuständige Sozialhilfeträger ist. Abweichend von § 100 Bundessozialhilfegesetz(BSHG; in der nach Art 68 Abs 2 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch bis 31.12.2006 fortgeltenden Fassung) bzw ab 1.7.2007 § 97 Abs 3 Nr 1 SGB XII (Art 70 Abs 2 S 6 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) regelt § 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm § 2 Abs 1 Nr 1 HAG/SGB XII(bis 31.6.2006 in der nach § 13 Abs 3 HAG/SGB XII bestimmten Fassung) die sachliche Zuständigkeit von örtlichem bzw überörtlichem Sozialhilfeträger. Danach ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII nur sachlich zuständig, sofern diese in einer Einrichtung zur stationären oder teilstationären Betreuung zu gewähren sind. Eine (teilstationäre) "Einrichtung" im Sinne des SGB XII (§ 13 SGB XII)ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und Leistungen der Sozialhilfe erbringt (BVerwGE 95, 149, 152; Bundesverwaltungsgericht
, Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 42/91 -, FEVS 45, 52 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 13/91 -, FEVS 45, 183 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 17/91 -, ZfSH/SGB 1995, 535 ff; BSGE 106, 264 ff RdNr 13 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2) .
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Ob eine Schule (anders als etwa die der Schule angegliederte Behinderteneinrichtung) eine teilstationäre Einrichtung in diesem Sinne ist, insbesondere Leistungen der Sozialhilfe erbringt (vgl dazu BVerwGE 48, 228, 231, das zwischen allgemeinen Schulen und Schulen unterscheidet, in denen über die bloße Vermittlung des Lernstoffs hinaus ein besonderes Maß an Betreuung erforderlich ist), ist zweifelhaft, wobei es für die Ablehnung der Leistung wegen Unzuständigkeit genügt, dass Sozialhilfeleistungen geltend gemacht werden. Für die Begründung der sachlichen Zuständigkeit ist es jedenfalls nicht - wie der Beklagte meint - ausreichend, dass er aufgrund langjähriger Praxis bei Pflegefamilienverhältnissen (im Rahmen des § 97 Abs 5 SGB XII) auch die Begleitkosten übernimmt, sofern diese übernahmefähig sind. Eine solche Annex-Kompetenz, wie sie etwa § 2 Abs 2 HAG/SGB XII(in der bis 31.12.2006 geltenden Fassung) vorsieht, setzt nämlich die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers für die im Rahmen eines Pflegefamilienverhältnisses zu erbringende Eingliederungshilfe voraus, an der es vorliegend fehlen könnte. Im Ergebnis kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, weil der Kläger auch bei unterstellter sachlicher Zuständigkeit des Beklagten keinen Anspruch auf die im Streit stehende Leistung hat.
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Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII für eine Pflichtleistung. Die Voraussetzungen für eine Behinderung nach § 2 Abs 1 SGB IX sind erfüllt, wenn die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach den Feststellungen des LSG liegt eine solche Behinderung vor.
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Die geistige Behinderung ist auch wesentlich. Wann dies der Fall ist, ist § 2 Eingliederungshilfe-VO zu entnehmen, wonach eine wesentliche Behinderung vorliegt, wenn infolge einer Schwäche der geistigen Kräfte in erheblichem Umfang die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft eingeschränkt ist. Dies richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls und hängt deshalb von sehr unterschiedlichen, durch die individuelle Behinderung geprägten Umständen ab (BVerwG Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr 12 S 2). Insoweit ist wie bei der Prüfung der Behinderung auch ihre Wesentlichkeit wertend auszurichten, insbesondere an den Auswirkungen für die Eingliederung in die Gesellschaft. Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt (vgl BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Stehen - wie hier - die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme des Klägers am Unterricht in einer allgemeinen (Grund-)Schule entgegen (vgl auch BVerwG, Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02), weil Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können, und erfordert die geistige Behinderung deshalb einen sonderpädagogischen Förderbedarf, um die mögliche Vermittlung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten überhaupt erst zu ermöglichen, ist die Behinderung nach den oben aufgezeigten Grundsätzen wesentlich; denn eine Grundschulbildung bildet die essentielle Basis für jegliche weitere Schullaufbahn (vgl: BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8; BSGE 109, 199 ff RdNr 22 = SozR 4-2500 § 33 Nr 37).
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Gehört der Kläger danach zwar zu dem leistungsberechtigten Personenkreis, scheitert ein Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds aber daran, dass es sich insoweit nicht um eine Leistung der Eingliederungshilfe handelt. Nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Erfasst sind von dem Wortlaut der Vorschrift ("Hilfen") nur Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSGE 110, 301 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Dies bestätigt auch § 12 Eingliederungshilfe-VO, der seinerseits nur von "Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung" spricht. Die von dieser Hilfe nach § 12 Eingliederungshilfe-VO (auch) erfassten Regelbeispiele betreffen dementsprechend nur die Schulbildung begleitende Maßnahmen. Die Schulbildung selbst, also der Kernbereich der pädagogischen Arbeit, der sich nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmt, obliegt hingegen allein den Schulträgern. Art 7 Abs 1 GG überträgt dem Staat einen (außerhalb des Sozialhilferechts liegenden) eigenständigen Unterrichts- und Bildungsauftrag im Schulbereich (BSG, aaO, RdNr 21; BVerfGE 47, 46, 71 f; 98, 218, 241).
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Dass der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule den Regelungen über die Eingliederungshilfe entzogen ist, bestätigt § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII dadurch, dass die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht(hier: Art 56 ff Hessische Landesverfassung iVm dem Hessischen Schulgesetz idF vom 14.6.2005 - GVBl 441) unberührt bleiben sollen. Die schulrechtlichen Verpflichtungen bestehen also grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen (BSG aaO). Auch das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 13.8.1992 - 5 C 70/88 - (Buchholz 436.0 § 11 BSHG Nr 16 S 3) ausgeführt, dass der Staat mit der Einrichtung der öffentlichen Grundschulen seinen Bildungs- und Erziehungsauftrag aus Art 7 Abs 1 GG nachkomme und die Schulgeldfreiheit aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialhilferechts gefunden habe, sodass für einen Rechtsanspruch gegen den Sozialhilfeträger zur Deckung eines im Grundschulalter angemessenen Bildungsbedarfs Aufnahmebeiträge und monatliches Schulgeld für den Besuch einer privaten Grundschule als Sozialhilfeleistung nicht zu übernehmen seien. Dabei ist das BVerwG in Bezug auf die erforderliche Hilfe nicht von einer nach Maßgabe des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe zu lösenden Anspruchskonkurrenz, sondern von einem Verhältnis der "Spezialität" ausgegangen, wobei es eine Ausnahme von diesem Grundsatz für möglich hielt, wenn der Besuch einer öffentlichen Grundschule aus objektiven Gründen (zB wegen ihrer räumlichen Entfernung vom Wohnort) oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Diese Rechtsprechung hat das BVerwG auch für Leistungen der Eingliederungshilfe bestätigt (Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02) und ausdrücklich ausgeführt, dass ein nachrangiges Eintreten der Sozialhilfe (nur) für solche Bedarfe nicht ausgeschlossen sei, die nicht in der Deckung des unmittelbaren Ausbildungsbedarfs im Rahmen der Schulpflicht bestünden, sondern damit lediglich - mehr oder weniger eng - zusammenhingen, etwa wie bei der Bereitstellung eines Integrationshelfers für behinderte Kinder an Regelschulen.
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Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe. Zu dem Kernbereich der Schule gehören alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen Lehrziele zu erreichen, in erster Linie also der (unentgeltliche) Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen Kenntnisse vermitteln soll. Damit unterliegt auch das vom Kläger begehrte Schulgeld unmittelbar diesem Kernbereich, weil die Übernahme des Schulgelds die von der Schule selbst zu erbringende Leistung, also den Unterricht, finanziert, mithin den schulischen Bildungsauftrag erfüllt und keine bloß unterstützende Leistung im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung darstellt. Wie die Entscheidung des Schulamts auszulegen ist und inwieweit sie auch für den Beklagten Bindungswirkung entfaltet (vgl dazu BVerwGE 130, 1 ff), ist danach ohne Belang. Ebenso spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass sich der Beklagte mit der Beschulung in die B.-Schule einverstanden erklärt hat. Die Ausübung eines Wahlrechts, welche Schule besucht wird, hat nicht zur Folge, dass der Sozialhilfeträger ein etwaiges Schulgeld zahlen müsste.
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Schulgeld wäre - abgesehen davon, dass es hier nicht Streitgegenstand ist (siehe oben) - auch nicht nach den Regelungen des Dritten bzw Vierten Kapitels des SGB XII zu erbringen. Entsprechende Leistungen könnten ggf zwar durch eine abweichende Festlegung des Regelsatzes nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII in der bis 31.12.2010 geltenden alten Fassung erbracht werden, dies würde aber voraussetzen, dass der Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abwiche. Der auf das Schulgeld gerichtete höhere Bedarf des Klägers wäre aber nicht unabweisbar. Nach den Feststellungen des LSG besteht für den Kläger eine gleichwertige und unentgeltliche Möglichkeit des Schulbesuchs an der Schule für praktisch Bildbare.
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Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht schon darin zu sehen, dass das LSG - ohne ausdrücklichen Hinweis - einer Entscheidung eines anderen Senats desselben Gerichts nicht folgt. Da der Kläger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung des Schulgelds hat, erübrigt sich im Übrigen - weil absolute Revisionsgründe nicht geltend gemacht werden - ein weiteres Eingehen auf den vermeintlichen Verfahrensfehler. Gleiches gilt für die behauptete Gehörsverletzung durch Übergehen des Vortrags, der Beklagte habe sich mit der Beschulung in der B.-Schule einverstanden erklärt (dazu auch oben). Soweit schließlich moniert wird, das LSG habe nicht geprüft, ob die Aufnahme in der M.-Schule an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre (Verletzung der Amtsaufklärungspflicht; § 103 SGG), hätte dargelegt werden müssen (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG), warum sich das LSG - trotz Zuweisung des Klägers in die M.-Schule und Streitgegenstandsbegrenzung auf die Eingliederungshilfe - hätte gedrängt fühlen müssen, entsprechende Ermittlungen anzustellen. Für die Eingliederungshilfe wäre jedenfalls eine entsprechende Klärung ohne Bedeutung.
(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.
(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.
(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.
(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.
Tenor
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Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 wird zurückgewiesen.
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Die Beigeladene trägt die Kosten der Klägerin im Revisionsverfahren. Die Beklagte trägt die durch die Rücknahme der Revision entstandenen Kosten. Im Übrigen sind im Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
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Streitig ist die Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung der Klägerin in Höhe von 1956,90 Euro, wobei die Beklagte - insoweit in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen - die Beigeladene und umgekehrt die Beigeladene die Beklagte als im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig und passivlegitimiert ansieht.
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Die 1965 geborene Klägerin ist bei dem beklagten Rentenversicherungsträger renten- und bei der beigeladenen Krankenkasse krankenversichert. Sie leidet an einer progredienten hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit rechts, einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit links sowie an einem beidseitigen Tinnitus. Deshalb ist sie seit langer Zeit auf ein Hörgerät angewiesen. Sie ist Diplom-Pflegewirtin und seit Mai 2006 als Qualitätsmanagementbeauftragte bei einem Wohlfahrtsverband beschäftigt.
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Der behandelnde Vertragsarzt verordnete der Klägerin am 9.6.2006 wegen der beidseitigen Schallempfindungsschwerhörigkeit eine Hörhilfe links, da die bisherige Hörhilfe "zu alt" sei. In der Folgezeit versorgte das Hörakustikstudio S., ein Vertragspartner der Beigeladenen iS von § 126 Abs 1 S 1 SGB V, die Klägerin mit dem Hörgerät Savia 211 (Dokumentation zur Hörgeräteanpassung vom 28.9.2006). Zuvor hatte der Leistungserbringer zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem 12.7.2006 der Beigeladenen die Versorgung der Klägerin angezeigt und hierzu das Formular nach Anlage 3 des "Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen" verwendet. Ausweislich eines Ausdrucks der unter dem Namen der Klägerin gespeicherten elektronischen Daten dokumentierte die Beigeladene einen "Antrag vom 12.07.2006", unter dem Status Preisprüfung den Vermerk "Endgültig entschieden am 12.07.2006" und unter der Überschrift Leistungsfälle und Zusätze "Hilfsmittel - 12.07.2006 - 132003. Hörgerät li. Versorgungspauschale bewilligt". Am 23.10.2006 stellte der Leistungserbringer der Klägerin für das Hörgerät nebst Nature-Otoplastik und Reparatur-Pauschale "abzüglich der Krankenkassen-Anteile" 1956,90 Euro in Rechnung, die diese vollständig beglich. Dem Leistungserbringer überwies die Beigeladene im November 2006 einen Betrag von 655 Euro; damit waren unter Abzug der Zuzahlung der Klägerin von 10 Euro (§ 33 Abs 8 iVm § 61 SGB V) der Festbetrag für das Hörgerät von 421 Euro sowie die Kosten der Otoplastik (35 Euro) und die Reparatur-Pauschale (209 Euro) abgedeckt.
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Im Hinblick auf die absehbare Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu leisten, hatte die Klägerin am 25.7.2006 bei der Beklagten Leistungen zur Rehabilitation für Versicherte in Form einer Kostenübernahme für ein höherwertiges Hörgerät beantragt und zur Begründung ausgeführt, ohne die begehrte Versorgung könne sie die Fortbildung von Mitarbeitern, die Moderation von Qualitätszirkeln und die Leitung von Arbeitsgruppen und damit Schwerpunkte ihrer Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte nicht mehr ausüben. Die Beklagte lehnte dies ab, weil Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur dann in Form eines Hilfsmittels erbracht werden könnten, wenn dieses ausschließlich zur Ausübung eines bestimmten Berufes oder zur Teilnahme an einer bestimmten beruflich vorbereitenden Maßnahme benötigt werde. Dies sei nach ärztlicher Prüfung bei der Klägerin nicht der Fall; die gewählte höherwertige Ausstattung des Hörgeräts diene nicht ausschließlich der Ausübung des Berufs als Qualitätsmanagementbeauftragte, sondern vielmehr für jeden Bereich des täglichen Lebens bzw für jedwede Form der Berufsausübung (Bescheid vom 3.8.2006, Widerspruchsbescheid vom 22.11.2006).
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Das SG hat die Krankenkasse der Versicherten beigeladen und die gegen den Rentenversicherungsträger gerichtete Klage abgewiesen, gleichzeitig aber die Beigeladene verurteilt, der Klägerin die Kosten für das selbst beschaffte Hörgerät in Höhe von 1956,90 Euro zu erstatten (Urteil vom 30.11.2009). Das LSG hat die von der Beigeladenen eingelegte Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2006 aufgehoben wird (Urteil vom 25.11.2010): Die Beigeladene sei nach § 14 SGB IX als erstangegangener Träger zuständig geworden. Bei der Versorgungsanzeige des Leistungserbringers handele es sich jedenfalls auch um einen Leistungsantrag der Klägerin, da die Beigeladene unmissverständlich darüber informiert worden sei, dass die Klägerin ein Hörgerät wünsche. Davon sei die Beigeladene selbst ausgegangen, weil sie durch die Zahlung des Festbetrags an den Leistungserbringer eine antragsabhängige Leistung erbracht habe. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beigeladene auf Kostenerstattung beruhe auf § 15 Abs 1 SGB IX. Sie habe sich das Hörgerät erst am 23.10.2006 und damit nach der Ablehnung durch die Beklagte (Bescheid vom 3.8.2006) selbst beschafft. Der dem Anspruch auf Kostenerstattung zugrunde liegende Sachleistungsanspruch ergebe sich aus § 9 Abs 1 und 2, § 15 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 26 Abs 1 und 2 Nr 6, § 31 SGB IX, da die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit ohne die begehrte Versorgung nicht weiter hätte ausüben können.
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Mit der vom LSG zugelassenen Revision wendet sich die Beigeladene in erster Linie dagegen, nach § 14 SGB IX als erstangegangener Leistungsträger zu gelten und damit für den Versorgungsfall zuständig geworden zu sein. Bei ihr sei kein Antrag der Klägerin eingegangen. Die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung, durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten geklärt werde. Sie habe erstmals im Rahmen des Abschlussberichts des Hörakustikstudios Anhaltspunkte für entstandene Mehrkosten erhalten. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin aber längst ihren Teilhabeantrag bei der Beklagten gestellt. Im Übrigen bestehe kein Anspruch über den bereits bezahlten Festbetrag hinaus.
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Die Beigeladene beantragt,
die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.11.2010 und des SG Berlin vom 30.11.2009 zu ändern und die Klage im Hinblick auf sie als Beigeladene abzuweisen.
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Die Klägerin und die Beklagte verteidigen das angefochtene Berufungsurteil und beantragen jeweils,
die Revision zurückzuweisen.
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Die Beklagte hatte ursprünglich ebenfalls Revision eingelegt (Telefax vom 22.2.2011), diese aber mangels Beschwer wieder zurückgenommen (Schriftsatz vom 18.3.2011).
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beigeladenen ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat, wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben, gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Erstattung der durch den Festbetrag nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 1956,90 Euro. Dieser Anspruch besteht zwar nicht gegen die Beigeladene als für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zuständigem Leistungsträger (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V); leistungspflichtig ist die Beigeladene jedoch als im Verhältnis zur Klägerin auch für die rentenversicherungsrechtliche Hilfsmittelversorgung zuständig gewordener erstangegangener Leistungsträger (Erstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 iVm § 14 Abs 1 SGB IX).
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1. Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der den Festbetrag (§ 36 SGB V) übersteigenden Kosten des Hörgeräts entweder durch die Beklagte oder durch die Beigeladene. Insoweit ist der beim LSG anhängig gewesene Streitstoff vollständig auch beim BSG angefallen, obwohl nach der Rücknahme des von der Beklagten eingelegten Rechtsmittels nur noch die von der Beigeladenen eingelegte Revision zur Entscheidung ansteht und die Klägerin schon gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte nicht mit einem eigenen Rechtsmittel - etwa im Wege der Anschlussberufung zu der von der Beigeladenen eingelegten Berufung - vorgegangen war. Das ergibt sich aus der durch § 75 Abs 5 SGG eröffneten - und einer sowohl vom SG als auch vom LSG realisierten - Befugnis, anstelle des verklagten Versicherungs- oder Leistungsträgers nach Beiladung den tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten Träger zu verurteilen. Diese prozessual vorgesehene Möglichkeit der Verurteilung auf Beiladung dient vor allem der Prozessökonomie, einer Klageänderung (§ 99 SGG) bedarf es dabei nicht. Um der Vorstellung des SGG-Gesetzgebers in vollem Umfang gerecht werden zu können, muss auch die nächste Instanz über alle in Frage kommenden prozessualen Ansprüche entscheiden können, wenn nur der unterlegene - beigeladene - Versicherungsträger Rechtsmittel eingelegt hat, wie es hier bereits im Berufungsrechtszug geschehen war und nunmehr auch im Revisionsverfahren der Fall ist. Anderenfalls könnten einander widersprechende Entscheidungen ergehen mit der Folge, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren zunächst gegen den einen Versicherungsträger und in einer weiteren Instanz gegen den anderen Träger nicht durchdringt, obwohl feststeht, dass gegen einen von beiden jedenfalls der Anspruch besteht. Der Kläger müsste ggf ein Wiederaufnahmeverfahren nach § 180 SGG betreiben, also ein weiteres Verfahren einleiten; dies wäre in höchstem Maße prozessunökonomisch und soll durch die Regelung des § 75 Abs 5 SGG gerade vermieden werden. Deshalb muss im Revisionsverfahren - wie das BSG schon wiederholt ausgeführt hat - auch über den Anspruch entschieden werden, der gegen die Beklagte gerichtet war, obgleich die Klage gegen diese abgewiesen worden ist und nur die verurteilte Beigeladene im zweiten Rechtszug Berufung und im dritten Rechtszug Revision eingelegt hat (BSGE 9, 67, 69 f; BSG SozR 2200 § 1237a Nr 16 S 37; BSG SozR 2200 § 1236 Nr 31 S 57 f; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 10).
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist also im Verhältnis zu der von der Klägerin im Klagewege in Anspruch genommenen Beklagten deren Bescheid vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2006, mit der die Übernahme (Sachleistungsanspruch) bzw später die Erstattung (Kostenerstattungsanspruch) der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 1956,90 Euro abgelehnt worden war. Verfahrensgegenstand ist aber auch die für das Verhältnis der Klägerin zu der Beigeladenen maßgebende Entscheidung vom 12.7.2006, die begehrte Hörgeräteversorgung auf den Festbetrag zu beschränken, eine technisch aufwändigere und teurere Versorgung also abzulehnen. Über diese Verwaltungsentscheidung der Beigeladenen ist zu befinden, weil eine unmittelbare Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG voraussetzt, dass dieser Ablehnungsentscheidung im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen keine Bindungswirkung zukommt. Im Falle einer solchen Bindungswirkung wäre eine Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG ausgeschlossen(BSG SozR 1500 § 75 Nr 38; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 75 RdNr 18b).
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2. Die Klägerin macht den Anspruch auf Kostenerstattung für die in Höhe von 1956,90 Euro selbst finanzierte Hörgeräteversorgung zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG geltend. Die Klage ist gegenüber der Beklagten fristgerecht nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren (§ 87 SGG) erhoben worden und auch ansonsten zulässig. Die Verurteilung der Beigeladenen kann auf der Grundlage des § 75 Abs 5 SGG erfolgen; hierzu bedarf es insbesondere keines abgeschlossenen Vorverfahrens iS des § 83 SGG(Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu § 75 SGG).
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3. Die Klägerin hat sich mit ihrem Begehren nach einer verbesserten Hörgeräteversorgung zunächst an die Beigeladene als krankenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 33 SGB V) und nach Kenntnis von deren auf den Festbetrag (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V) beschränkter Leistungsbewilligung zusätzlich an die Beklagte als rentenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 15 Abs 1 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 SGB IX) gewandt, um auch den offenen Restbetrag als Versicherungsleistung gewährt zu bekommen. Die Zuständigkeit der Beklagten als für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 9 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 5 Nr 2 und § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX) einstandspflichtigen Versicherungsträger kam hier in Betracht, weil die als Diplom-Pflegewirtin ausgebildete Klägerin die Notwendigkeit der verbesserten Hörgeräteversorgung damit begründet hat, anderenfalls ihre gerade erst angetretene neue Beschäftigung als Qualitätsmanagementbeauftragte für den Pflegesektor eines Wohlfahrtsverbandes nicht (mehr) ausüben zu können.
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Der Frage nach der rentenversicherungsrechtlichen Zuständigkeit der Beklagten für die begehrte Rehabilitationsleistung stellt sich jedoch nur, wenn der Leistungsantrag der Klägerin vom 25.7.2006 mit Blick auf die Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX als rehabilitationsrechtlicher Erstantrag zu werten ist. Ist er hingegen nur als wiederholender Antrag (Zweitantrag) im Rahmen eines durch den bereits Ende Juni/Anfang Juli 2006 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag eingeleiteten einheitlichen rehabilitationsrechtlichen Verwaltungsverfahrens anzusehen, wäre eine rentenversicherungsrechtliche Zuständigkeit der Beklagten nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im ausschließlich maßgeblichen Außenverhältnis zur Klägerin ausgeschlossen. Vielmehr wäre dann die Beigeladene im Verhältnis zur Klägerin allein zuständiger Rehabilitationsträger für den Versorgungsfall geworden. Das ist nach den Gegebenheiten dieses Falles zu bejahen.
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a) Nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX verliert der materiell-rechtlich - eigentlich - zuständige Rehabilitationsträger(§ 6 SGB IX) im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger (hier: die beigeladene Krankenkasse) eine iS von § 14 Abs 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Sinn dieser Regelung ist es, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern schnell und dauerhaft die Zuständigkeit zu klären und so Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (vgl BT-Drucks 14/5074 S 95 zu Nr 5 und S 102 f zu § 14). Deshalb ist der erstangegangene Rehabilitationsträger gehalten, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe festzustellen, ob er nach dem für ihn geltenden gesetzlichen Regelwerk für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs 4 SGB V(§ 14 Abs 1 S 1 SGB IX). Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden - vor allem in den Systemen der Unfallversicherung und der sozialen Entschädigung - und ist diese Klärung in der Frist nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der dem Grunde nach zuständig wäre und die Leistung dann zunächst ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt(§ 14 Abs 1 S 2 und 3 SGB IX). Anderenfalls bestimmt § 14 Abs 2 S 1 SGB IX: "Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest." Diese Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 23). Dadurch wird eine nach außen verbindliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers geschaffen, die intern die Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers unberührt lässt und die Träger insoweit auf den nachträglichen Ausgleich nach § 14 Abs 4 S 1 SGB IX und §§ 102 ff SGB X verweist(BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14-16).
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b) Erstangegangener Rehabilitationsträger iS von § 14 SGB IX ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist. Diese Befassungswirkung fällt nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich auch nach einer verbindlichen abschließenden Entscheidung des erstangegangenen Trägers nicht weg. Vielmehr behält der erstmals befasste Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig auch dann weiter bei, wenn er, ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben, das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt(vgl § 8 SGB X), selbst wenn dieser bindend wird. Er bleibt deshalb auch für ein mögliches Verfahren nach § 44 SGB X zuständig, selbst wenn die Rechtswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift dann nur darin liegt, dass er die außerhalb seiner "eigentlichen" Zuständigkeit liegenden, nach dem Vorstehenden einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht beachtet hat(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 10; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 31; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 24).
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4. Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die beigeladene Krankenkasse als erstangegangener Rehabilitationsträger für die begehrte Hörgeräteversorgung iS des § 14 SGB IX anzusehen. Die Beigeladene ist im Außenverhältnis zur Klägerin mangels Weiterleitung des Leistungsantrags an die Beklagte nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX für das Versorgungsbegehren ausschließlich zuständig geworden; dies schließt eine Zuständigkeit der Beklagten für die Erfüllung des Kostenerstattungsanspruchs als Rentenversicherungsträger aus.
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a) Leistungen der GKV werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt (§ 19 S 1 SGB IV). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V), und zwar nach Maßgabe des § 33 SGB V. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V) zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß § 12 Abs 2 SGB V mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist(BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 17 RdNr 13). Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (§ 2 Abs 2 S 3 SGB V). Im vorliegenden Fall maßgeblich ist der zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR und dem damaligen Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V. sowie dem damaligen Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V. für die Zeit ab 1.1.2004 geschlossene Vertrag nach §§ 126, 127 SGB V. Danach erfolgt die Abgabe von Hörhilfen auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung oder einer Bewilligung der Ersatzkassen (§ 4 Nr 1 S 1 des Vertrages). Unter der Überschrift "Verfahren bei vorheriger ärztlicher Verordnung" ist ua Folgendes vereinbart worden: "Nach Vorlage der Verordnung durch den Versicherten erstattet der Leistungserbringer eine Versorgungsanzeige (Anlage 3) gegenüber der leistungspflichtigen Ersatzkasse. Der Leistungserbringer erhält nach Prüfung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen ein Bewilligungsschreiben der Ersatzkasse. Die Versorgung kann abgerechnet werden, wenn die zur Versorgung geeigneten Hörhilfen nach der Anpassung an den Versicherten ausgeliefert sind und der HNO-Arzt eine ausreichende Hörverbesserung und die Zweckmäßigkeit der Hörhilfe bestätigt hat" (§ 4 Nr 1 S 2 des Vertrages).
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b) Der Senat kann offenlassen, ob die maßgebliche Antragstellung iS des § 14 SGB IX durch Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung vom 9.6.2006 seitens der Klägerin an den Hörgeräteakustiker oder erst durch dessen Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse erfolgt ist. In dem einen wie in dem anderen Fall läge ein Leistungsbegehren der Klägerin und damit ein Leistungsantrag iS des § 19 S 1 SGB IV vor, der in der Zeit zwischen dem 9.6.2006 (Tag der vertragsärztlichen Verordnung) und dem 12.7.2006 (Tag der Verwaltungsentscheidung) bei der Beigeladenen eingegangen ist. Deren Einwand, die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungsbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V), durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten (vgl § 19 Abs 1 SGB V) geklärt werde, ist unzutreffend und wirklichkeitsfremd. Wenn sich ein Rehabilitationsträger - wie hier und bei der Hörgeräteversorgung wohl allgemein üblich - seiner leistungsrechtlichen Verantwortung durch sog "Verträge zur Komplettversorgung" nahezu vollständig entzieht und dem Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlässt, ob dem Versicherten eine Teilhabeleistung (wenn auch nur zum Festbetrag) zuteil wird, dann erfüllt er weder seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33 SGB V noch befolgt er die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit(§ 12 Abs 1 und § 70 Abs 1 S 2 SGB V). Wer sich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§ 16 SGB I) verweigert, kann sich nicht darauf berufen, es sei bei ihm kein Antrag gestellt worden. Es mutet zudem abenteuerlich an, dass die Rehabilitationsträger die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln - hier: Hörgeräte - praktisch nicht mehr selbst vornehmen, sondern in die Hände der Leistungserbringer "outgesourced" haben. Dass ein solches Vorgehen weder dem Grundgedanken der Festbetragsregelung gerecht wird noch zur Kostendämpfung beiträgt, dürfte klar auf der Hand liegen. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Beigeladene hinsichtlich der erfolgten Versorgung keinerlei nachprüfbare Unterlagen vorlegen konnte, wie dies in ihrem "Vertrag zur Komplettversorgung" mit den Hörgeräteakustikern vorgeschrieben ist. Es existiert lediglich ein Datenauszug, der mit Datum 12.7.2006 die Bewilligung eines Hörgeräts und des Festbetrages dokumentiert - ohne jede weitere Überprüfung des Leistungsfalles. Der Senat hält eine derartige Praxis im Umgang mit dem Leistungsrecht des SGB V für nicht mehr akzeptabel.
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c) Der Antrag der Klägerin richtet sich auf die Versorgung mit einem Hörgerät und ist als solcher nach ständiger Rechtsprechung des BSG ein Antrag auf Teilhabeleistungen iS von § 14 Abs 1 S 1 SGB IX(BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8, RdNr 18). Dabei geht es nach der Auslegungsregel des § 2 Abs 2 SGB I um eine umfassende, nach Maßgabe des Leistungsrechts des Sozialgesetzbuches (hier: des Leistungsrechts der GKV nach dem SGB V sowie des Leistungsrechts der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI) bestmögliche Versorgung mit einem neuen Hörgerät. Eine solche Auslegung des Leistungsbegehrens schließt die Aufspaltung des klägerischen Begehrens in zwei separate Leistungsanträge, nämlich in einem Antrag auf Bewilligung eines Festbetrages ("Normalversorgung", § 12 Abs 2 SGB V) und einen weiteren Antrag auf Bewilligung einer über den Festbetrag hinausgehenden, technisch anspruchsvolleren und teureren Versorgung ("Premiumversorgung"), von vornherein aus. Es ist also von einem einheitlichen, spätestens am 12.7.2006 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag auszugehen.
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d) Dieser Antrag entspricht inhaltlich den Anforderungen, die an einen Antrag nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX zu stellen sind.
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Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut genügt ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe, um die Zuständigkeitsprüfung des erstangegangenen Leistungsträgers und die Zwei-Wochen-Frist in Gang zu setzen. Ein solcher lag hier - wie bereits dargestellt - jedenfalls in Form der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios spätestens am 12.7.2006 vor. Eine andere Auslegung liefe dem Gesetzeszweck zuwider, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen im gegliederten System entgegenzuwirken (BT-Drucks 14/5074 S 102 f zu § 14). Soweit die Beigeladene darauf hinweist, dass dem Antrag der Klägerin, hier also der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios und der beigefügten vertragsärztlichen Verordnung, die für eine Zuständigkeitsprüfung notwendigen Angaben fehlten, wäre es ihre Aufgabe als Versicherungsträger gewesen, diese Angaben zu ermitteln. Dies ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Pflicht zur Zuständigkeitsprüfung nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX in Verbindung mit dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 Abs 1 SGB X.
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Auch der Hinweis der Beigeladenen auf die "Gemeinsamen Empfehlungen" der Rehabilitationsträger nach § 13 SGB IX führt zu keiner anderen Bewertung. Die Beigeladene vertritt die Auffassung, ein Antrag auf Teilhabe iS des § 14 Abs 1 S 1 SGB IX liege erst vor, wenn der Rehabilitationsträger über jene Aufgaben und Unterlagen verfüge, die eine Beurteilung der Zuständigkeit ermöglichten(§ 1 Abs 1 S 2 und 3 der Gemeinsamen Empfehlung nach § 13 Abs 2 Nr 3 SGB IX über die Ausgestaltung des in § 14 SGB IX bestimmten Verfahrens idF vom 28.9.2010). Die Behörde müsse solange nicht von einem Teilhabeleistungsantrag ausgehen, als bei verständiger Würdigung nicht erkennbar sei, dass und aus welchem Sozialleistungsbereich der Antragsteller Sozialleistungen begehre. Jede andere Bewertung würde die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen sprengen.
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Die Frage, ob dieser Rechtsauffassung der Beigeladenen und der ihr zugrunde liegenden Empfehlung nach § 13 Abs 2 Nr 3 SGB IX partiell zugestimmt werden kann oder ob die Empfehlung in dieser Allgemeinheit überhaupt mit § 14 Abs 1 S 1 SGB IX zu vereinbaren ist, braucht an dieser Stelle nicht abschließend entschieden zu werden; denn ein an die Krankenkasse gerichteter Antrag auf Versorgung mit einem Hörgerät ist jedenfalls auch auf Leistungen zur Teilhabe iS von §§ 1, 4 und 5 SGB IX gerichtet. Wie bereits ausgeführt, will der Versicherte im Zweifel die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen; ein einmal gestellter Antrag ist also umfassend, dh auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen und Anspruchsgrundlagen hin zu prüfen (BSG SozR 4-2600 § 236a Nr 2 RdNr 21; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 27; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 14; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34), und insbesondere nicht "künstlich" in separate Teil-Leistungsanträge für die verschiedenen in Betracht kommenden Teilhabeleistungen aufzuspalten. Deshalb hatte die Beigeladene den Leistungsantrag von vornherein sowohl unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation (§ 5 Nr 1, § 31 SGB IX, § 33 SGB V) als auch unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Nr 2, § 33 Abs 8 S 1 Nr 4 SGB IX, §§ 9, 15 SGB VI) zu prüfen und danach die Zuständigkeit zu bestimmen. Die Frage, ob die Hörgeräteversorgung auch (oder nur) zur weiteren Berufsausübung benötigt wurde, hätte ohne Weiteres durch eine Nachfrage bei der Klägerin (zB per Telefon) geklärt werden können und berechtigte grundsätzlich nicht zu einer Verschiebung des Beginns der Zwei-Wochen-Frist des § 14 Abs 1 S 1 SGB IX. Der Gesetzgeber hat mit gutem Grund eine strenge Zwei-Wochen-Frist für die Prüfung der Zuständigkeit für die Entscheidung von Anträgen auf Teilhabeleistungen gesetzt und deren Verlängerung nicht vorgesehen (vgl § 14 Abs 1 S 3 SGB IX).
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e) Nachdem die Beigeladene den Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb von zwei Wochen ab dessen Eingang weitergeleitet hat, oblag es ihr, unverzüglich den Rehabilitationsbedarf der Klägerin festzustellen (§ 14 Abs 2 S 1 SGB IX). Diese Zuständigkeit der Beigeladenen ist ausschließlicher Natur; denn die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX schließt im Außenverhältnis zum Versicherten die Zuständigkeiten aller anderen Träger aus(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 12 ff; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 16; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 15; stRspr). Im Verhältnis zwischen dem erstangegangenen Träger und dem Leistungsberechtigten ist also der Anspruch anhand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind. Darüber hinaus verlieren alle anderen Träger innerhalb des durch den Leistungsantrag ausgelösten Verwaltungsverfahrens ihre Zuständigkeit für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen, was wiederum zur Folge hat, dass eventuell ergangene Bescheide wegen sachlicher Unzuständigkeit aufzuheben sind (BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 16). Dementsprechend hat das LSG zu Recht die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten mangels Zuständigkeit aufgehoben.
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5. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Beigeladene und nicht die Beklagte als für die Erstattung des von der Klägerin getragenen Kostenanteils in Höhe von 1956,90 Euro zuständig erachtet. Die Kostenerstattungspflicht der Beigeladenen beruht allerdings nicht auf ihrer Funktion als originär zuständiger Krankenversicherungsträger, sondern auf ihrer Eigenschaft als nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX umfassend zuständig gewordener erstangegangener Rehabilitationsträger, der die begehrte Teilhabeleistung auch unter dem Aspekt einer dem Rentenversicherungsträger obliegenden Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben(§ 5 Nr 2, § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX) zu prüfen hatte. Da die rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren, hätte die Beigeladene die der Klägerin angepasste Hörgeräteversorgung als Sachleistung erbringen müssen; die Beschränkung der Leistung auf den Festbetrag (§ 36 SGB V) war rechtswidrig.
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6. Grundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs gegen die Beigeladene als zuständiger Krankenversicherungsträger ist § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(hier idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Danach gilt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht, wie in der Rechtsprechung des BSG geklärt ist, nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr; vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 12; vgl zum Ganzen auch Hauck in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 233 ff). Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; eingehend Hauck, aaO, mwN). Diese Voraussetzungen wären nur erfüllt, wenn die Beigeladene ihre Leistungspflicht nach dem Leistungsrecht des SGB V zu Unrecht auf den Festbetrag begrenzt und die vollständige Erfüllung des gegebenen Leistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil der Klägerin kein krankenversicherungsrechtlicher Anspruch auf die angepasste "Primärversorgung" zustand.
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7. Rechtsgrundlage des in erster Linie verfolgten krankenversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 S 1 SGB V, hier in der zum Zeitpunkt der Leistungsverschaffung geltenden Fassung des Art 1 Nr 20 Buchst a bb des Gesetzes zur Modernisierung der GKV(GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, im Folgenden: § 33 SGB V aF). Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um entweder den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Demgemäß besteht nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V ein Anspruch auf Hörhilfen, die nur von hörbehinderten Menschen benutzt werden und deshalb kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sind, auch nicht nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen sind und weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung dienen, soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen(§ 12 Abs 1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind.
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8. Der von den Krankenkassen geschuldete Behinderungsausgleich bemisst sich nach ständiger Rechtsprechung des für die GKV-Hilfsmittelversorgung ausschließlich zuständigen 3. Senats des BSG entscheidend danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 14 ff). Insoweit hat der in § 33 Abs 1 S 1 SGB V als 3. Variante genannte Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) für die im Rahmen der GKV gebotene Hilfsmittelversorgung zwei Ebenen.
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a) Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion - hier das Hören - selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V). Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Das Maß der notwendigen Versorgung würde deshalb verkannt, wenn die Krankenkassen ihren Versicherten Hörgeräte ungeachtet hörgerätetechnischer Verbesserungen nur "zur Verständigung beim Einzelgespräch unter direkter Ansprache" zur Verfügung stellen müssten. Teil des von den Krankenkassen nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V geschuldeten - möglichst vollständigen - Behinderungsausgleichs ist es vielmehr, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V)jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen. Das schließt - wie die Beigeladene zu Recht nicht in Zweifel gezogen hat - je nach Notwendigkeit auch die Versorgung mit digitalen Hörgeräten ein.
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b) Beschränkter sind die Leistungspflichten der GKV, wenn die Erhaltung bzw Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich ist und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). Dann sind die Krankenkassen ständiger Rechtsprechung des Senats zufolge nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV deshalb nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören nach ständiger Rechtsprechung des BSG das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Für den Ausgleich darüber hinausreichender Behinderungsfolgen haben beim mittelbaren Behinderungsausgleich hingegen ggf andere Sozialleistungssysteme Sorge zu tragen.
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c) Dies gilt entgegen einer als überholt anzusehenden (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 17) Entscheidung des 13. Senats des BSG vom 21.8.2008 (BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7 - digitales Hörgerät für Lagerarbeiter) auch für Gebrauchsvorteile im Beruf. Seiner Ansicht nach sollten die Krankenkassen auch für Hilfsmittel in Anspruch genommen werden können, die (nur) für die Berufsausübung erforderlich sind (aaO, RdNr 43). Dem ist nicht zu folgen, weil Auswirkungen bei der oder auf die Berufsausübung für die Hilfsmittelgewährung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich sind. Für Leistungen der medizinischen Rehabilitation und demgemäß nach § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX auch für die Versorgung mit Hilfsmitteln sind die Krankenkassen nicht allein zuständig, sondern ebenso Rehabilitationsträger wie ua die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung(vgl §§ 9 Abs 1 S 1, 15 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 31 SGB IX) und die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl § 31 Abs 1 S 1 SGB VII). Dies rechtfertigt die Leistungsbegrenzung in der GKV auf solche Hilfsmittel, mit denen die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden können und die damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffen (stRspr; vgl zuletzt BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12 - schwenkbarer Autositz bei Wachkomaversorgung; BSGE 91, 60 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10 - Rollstuhl-Ladeboy; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 185 - Rollstuhl-Bike; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32 S 191 - Therapie-Tandem). Die demgegenüber vom 13. Senat des BSG angeführte und noch zu §§ 182, 182b Reichsversicherungsordnung ergangene frühere Rechtsprechung(insbesondere BSG SozR 2200 § 182b Nr 36 und BSG SozR 2200 § 182 Nr 116) ist unter Geltung des SGB V nicht weiterverfolgt worden. Hätte die GKV heute auch noch jenseits des elementaren Basisausgleichs für den Ausgleich jeglicher mittelbarer Behinderungsfolgen aufzukommen, wäre die überkommene und im SGB IX ausdrücklich bekräftigte (vgl § 6 Abs 1 und 2, § 7 S 2 SGB IX)Aufgabenteilung zwischen den Krankenkassen einerseits sowie den Trägern ua der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung andererseits auf dem Gebiet der medizinischen Rehabilitation hinfällig. Ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile sind demgemäß für die Hilfsmittelversorgung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich. Ist ein Versicherter für die Anforderungen des allgemeinen Alltagslebens ausreichend versorgt, kommt es auf etwaige zusätzliche Nutzungsvorteile im Erwerbsleben ohnehin nicht an. Umgekehrt kann ein Hilfsmittelanspruch gegen die GKV nicht auf ausschließlich berufliche Nutzungsvorteile gestützt werden, wenn das Hilfsmittel ansonsten keine allgemeinen Grundbedürfnisse betrifft und seine Nutzung die Auswirkungen der Behinderung nicht im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert.
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d) Begrenzt ist der so umrissene Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs 1 S 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der GKV ist eine kostenaufwändige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Das gilt bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich insbesondere durch Prothesen für grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249 - C-Leg I; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 S 255 - Damenperücke; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15). Dasselbe gilt für lediglich ästhetische Vorteile (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 - Damenperücke). Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 34 zur Versorgung mit einer - dem mittelbaren Behinderungsausgleich dienenden - Mikroportanlage). Weitere Grenzen der Leistungspflicht können schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153 und Nr 44 S 250 - jeweils mwN).
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9. Nach diesen Grundsätzen zur Versorgung Versicherter mit Hilfsmitteln zum Ausgleich von Behinderungen steht der Klägerin der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V nicht zu, weil es an dem hierfür nötigen Sachleistungsanspruch auf Ausstattung mit dem angepassten Hörgerät(§ 33 SGB V) fehlt.
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Das LSG hat auf der Grundlage des Gutachtens des Hörgeräteakustikers W. vom 3.12.2008 festgestellt, die Klägerin benötige das höherwertige Premiumgerät lediglich wegen ihrer beruflichen Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbandes. Der Schwerpunkt dieser auf der Ausbildung der Klägerin als Diplom-Pflegewirtin aufbauenden Tätigkeit liege in der Leitung und Moderation von Arbeitsgruppen in Qualitätszirkeln sowie in der Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen zur Altenpflege. Diese Moderatoren- und Dozententätigkeit stelle besondere Anforderungen an die Hörfähigkeit, weil der Betroffene wegen der üblicherweise vorhandenen Störgeräusche einem spezifischen akustischen Umfeld ausgesetzt sei, das sich zB von einer normalen Bürotätigkeit deutlich unterscheide. Außerdem bestehe bei der Klägerin die medizinische Besonderheit, dass sie nur auf einem Ohr mit einer Hörhilfe versorgt werden könne, wodurch sie im Hinblick auf das Richtungshören und Verstehen im Störgeräusch gegenüber einer beidseitigen Versorgung sehr im Nachteil sei, weil alle Schallereignisse auf das linke Ohr treffen würden und so der Nutzschall und der Störschall nur sehr schwer voneinander getrennt werden könnten. Ohne das gewählte Premiumgerät sei die weitere Berufsausübung als Qualitätsmanagementbeauftragte erheblich gefährdet; eine Versorgung mit einem - zum Festbetrag erhältlichen - Basis- oder Komfortgerät sei nicht ausreichend.
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Diese Feststellungen des LSG sind im Revisionsverfahren nicht angegriffen worden und für den erkennenden Senat daher bindend (§ 163 SGG). Anhaltspunkte dafür, dass die zusätzlichen Nutzungsvorteile des gewählten Premiumgeräts über den beruflichen Nutzen hinaus Auswirkungen der Hörbehinderung der Klägerin im gesamten Alltagsleben mindern, sind weder vom LSG festgestellt worden noch anderweitig ersichtlich. So stellen insbesondere der Antrag der Klägerin bei der Beklagten vom 25.7.2006 sowie ihre Rechtsbehelfsbegründungen stets darauf ab, dass das neue Premiumgerät zur Berufsausübung nötig sei. Danach bleibt festzuhalten, dass die Beigeladene den gegen sie nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V bestehenden krankenversicherungsrechtlichen Versorgungsanspruch durch die Zahlung des Festbetrages erfüllt hat(§ 12 Abs 2 SGB V), weil für den Alltagsgebrauch ein zum Festbetrag erhältliches Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Hörgerät offenbar noch ausgereicht hätte. Für weitergehende Primäransprüche der Klägerin nach dem SGB V bestehe nach den Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte.
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10. Die Klage ist allerdings begründet, weil der Klägerin ein solcher weitergehender Primäranspruch nach dem Rentenversicherungsrecht zugestanden hätte, für dessen Erfüllung die Beigeladene als erstangegangener Rehabilitationsträger nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig war.
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Rechtsgrundlage des aus der Selbstbeschaffung der Leistung resultierenden rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs ist § 15 Abs 1 S 3 und 4 SGB IX: "Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist(gemeint ist damit die dem Rehabilitationsträger zu setzende angemessene Nachfrist nach § 15 Abs 1 S 2 SGB IX) eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. Der Erstattungsanspruch besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat." Im vorliegenden Fall geht es um einen Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX, weil die Beigeladene ihre Leistungspflicht auf den Festbetrag beschränkt und damit den weitergehenden Antrag auf Ausstattung mit dem höherwertigen Premiumgerät abgelehnt hat(BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 9).
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a) Die Regelungen des § 15 Abs 1 S 3 und 4 SGB IX sind auch im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung unmittelbar anwendbar(BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 12). Dem steht insbesondere § 7 S 2 SGB IX nicht entgegen, wonach die Zuständigkeit der Träger und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe(§§ 4, 5 SGB IX) nach den für die jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen zu bestimmen sind. Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift bezieht sich diese Verweisung nur auf Teilhabeleistungen - also die Primäransprüche - selbst, nicht jedoch auf den hier streitbefangenen Kostenerstattungsanspruch.
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b) Die Beigeladene ist auch hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs nach § 15 Abs 1 SGB IX passivlegitimiert. "Zuständiger Rehabilitationsträger" iS von § 15 Abs 1 S 4 SGB IX ist der nach § 14 SGB IX zuständige Träger(BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 14).
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11. Bei dem rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX handelt es sich um einen Parallelanspruch zum krankenversicherungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V. Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn der nach § 14 SGB IX zuständige Rehabilitationsträger die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte bzw Leistungsberechtigte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten bzw Leistungsberechtigten ausgelöst hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
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12. Rechtsfehlerfrei hat das LSG entschieden, dass der Kostenerstattungsanspruch nicht an der fehlenden Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung scheitert. Ansprüche nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX sind - ebenso wie nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V - zwar nur gegeben, wenn der zuständige Rehabilitationsträger (hier die Krankenkasse) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten "dadurch" Kosten für die selbst beschaffte Leistung entstanden sind. Dazu muss die Kostenbelastung des Versicherten der ständigen Rechtsprechung des BSG zufolge wesentlich auf der Leistungsversagung des Trägers beruhen (vgl etwa BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 24). Hieran fehlt es, wenn dieser vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 15 S 74 mwN; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16, RdNr 13 mwN), oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (stRspr; vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29). Das ist hier nicht der Fall.
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"Selbst verschafft" ist eine Hilfsmittel-Leistung nicht schon mit deren Auswahl. Die Auswahl ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet und scheidet deshalb mit Ausnahme von Fällen der Vorfestlegung - für die hier nichts festgestellt ist - als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus. Anspruchshindernd ist vielmehr, wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, erst ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 22). Unschädlich sind danach Auswahlentscheidungen, die den Versicherten nicht endgültig binden und die regelmäßig Voraussetzung für den Leistungsantrag sind, wie bei der Hörgeräteversorgung die Prüfung der Eignung und Anpassungsfähigkeit der in Betracht kommenden Geräte. Dazu gehört auch eine probeweise Hörgeräteüberlassung. Anders ist es erst dann, wenn der Versicherte bereits vor der Entscheidung des Trägers eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingeht und der Leistungserbringer demgemäß auch im Falle der Ablehnung des Leistungsbegehrens durch den Träger die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels verlangen kann. Ein solcher Leistungsausschlussgrund liegt nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und den Senat deshalb bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht vor. Das LSG hat vielmehr ausgeführt, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstverschaffung erst deutlich nach der - in der Beschränkung auf den Festbetrag liegenden - Teil-Ablehnung der Beigeladenen vom 12.7.2006, nämlich im Oktober 2006, getroffen hat. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstbeschaffung sogar auch erst nach dem Zugang des Ablehnungsbescheides der Beklagten vom 3.8.2006 getroffen hat, weil es im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX nur auf die rechtswidrige Leistungsablehnung durch den nach § 14 SGB IX zuständigen Rehabilitationsträger ankommt.
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13. Die ablehnende Entscheidung der Beigeladenen war rechtswidrig, weil sie den Anspruch der Klägerin nach §§ 9, 15 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX unberücksichtigt gelassen hat.
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a) Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 9 Abs 1 SGB VI), wenn die persönlichen (§ 10 SGB VI) und versicherungsrechtlichen (§ 11 SGB VI) Voraussetzungen erfüllt und die Leistungen nicht nach § 12 SGB VI ausgeschlossen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind hier erfüllt.
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Die Klägerin fällt in den persönlichen Anwendungsbereich (§ 10 SGB VI), weil sie hörbehindert ist und deshalb - wie bereits ausgeführt - typische Anforderungen ihrer Berufstätigkeit gemäß der Stellenbeschreibung ohne die notwendige Hörgeräteversorgung nicht (mehr) erfüllen konnte; dabei ist auf die konkret ausgeübte Beschäftigung - hier als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbands - und nicht auf die generelle Erwerbsfähigkeit iS von § 43 Abs 2 S 2 SGB VI abzustellen. Für den Fall der Versorgung mit einem den Anforderungen ihrer Beschäftigung an die Hörfähigkeit entsprechenden Hörgerät bestand eine positive Rehabilitationsprognose. Anhaltspunkte für das Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 11 SGB VI) oder einen Ausschluss der Leistungspflicht nach § 12 SGB VI bestehen nicht; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
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b) Die Klägerin erfüllt zudem die besonderen Voraussetzungen der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger. Gemäß § 9 Abs 1 SGB VI kann die Rentenversicherung ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 15 SGB VI erbringen, für die in Abs 1 S 1 jener Vorschrift auf die rehabilitationsrechtlichen Bestimmungen der §§ 26 bis 31 SGB IX verwiesen wird. Nach § 26 Abs 1 Nr 2 SGB IX werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter Menschen erbracht, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, zu überwinden oder zu mindern. Zu diesen Leistungen gehören nach § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX auch Hilfsmittel, deren Erbringung wiederum in § 31 SGB IX näher geregelt ist. Hierzu zählen nach § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ua Hilfsmittel, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt.
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Als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich dient ein Hörgerät ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist(BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 15). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ein Grundbedürfnis iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ist. Die vom erkennenden Senat im Rahmen der Anwendung von § 33 SGB V vorgenommene Begrenzung auf Nutzungsvorteile, die eine Behinderung (auch) im gesamten täglichen Leben ausgleichen oder mildern, begründet sich mit dem gegliederten System der Sozialversicherung und dient der Abgrenzung der Leistungen der Krankenkassen von denen anderer Rehabilitationsträger und kommt damit - außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der GKV - naturgemäß nicht zur Anwendung.
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14. Damit standen Art, Dauer, Umfang und Durchführung der Rehabilitationsleistung, dh welche Leistungen in Betracht kommen (§ 13 Abs 1 S 1 SGB VI), grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Leistungsträgers (BSGE 85, 298, 300 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 3; BSG SozR 3-5765 § 10 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 3-1200 § 39 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 3 RdNr 35; BSG SozR 4-5765 § 7 Nr 1 RdNr 11; BSG Urteil vom 12.12.2011 - B 13 R 21/10 R - Juris RdNr 27; stRspr). Es kann dahingestellt bleiben, ob die fehlende Möglichkeit des Leistungsträgers, dieses Auswahlermessen auszuüben, das Entstehen des Kostenerstattungsanspruchs im Einzelfall hindern könnte. Denn nach den nicht angegriffenen und damit bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG war die Versorgung der Klägerin mit dem Premiumhörgerät zur Fortsetzung ihrer Erwerbstätigkeit zwingend erforderlich, sodass eine sog "Ermessensreduzierung auf Null" vorliegt. Damit sind die der Klägerin entstandenen Kosten in Höhe von 1956,90 Euro auch erforderlich iS von § 15 Abs 1 S 3 SGB IX. Die Klägerin hat somit materiell-rechtlich gegen die Beigeladene Anspruch auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der von ihr gewählten notwendigen Hörgeräteversorgung.
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15. Die Beigeladene hätte somit bei rechtmäßigem Verfahrensablauf dem Antrag der Klägerin auf Gewährung des erforderlichen neuen Hörgeräts in Premiumausführung stattgeben müssen, und zwar einerseits als originär zuständiger Krankenversicherungsträger in Höhe des Festbetrags (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V), weil das Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Gerät dient und trotz seiner berufsbedingt erforderlichen aufwändigen Ausstattung auch im Alltagsleben benutzt wird (§ 33 SGB V), und andererseits als erstangegangener Rehabilitationsträger (§ 14 SGB IX) in Höhe der Mehrkosten, weil sie auch für die rentenversicherungsrechtlichen Ansprüche zuständig geworden ist und das Hörgerät zur Berufsausübung als Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation im Zuge der Teilhabe am Arbeitsleben benötigt wird (§§ 9, 15 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX). Die Zuständigkeit nach § 14 SGB IX hätte die Beigeladene dadurch vermeiden können, dass sie innerhalb der Prüfungsfrist des § 14 Abs 1 S 1 und 2 SGB IX zugleich mit der Bewilligung des Festbetrags den Leistungsantrag hinsichtlich der Mehrkosten an die Beklagte als insoweit zuständigen Rentenversicherungsträger weitergeleitet hätte.
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Dieses Nebeneinander von zwei sozialversicherungsrechtlichen Zuständigkeiten für eine einheitliche Sozialleistung ist sachlich geboten und im Hilfsmittelbereich auch nicht systemfremd. Wählt ein Versicherter ein zum Behinderungsausgleich geeignetes Hilfsmittel in einer über das medizinisch Notwendige hinausgehenden aufwändigeren Ausführung, trägt die Krankenkasse nur die Kosten des Hilfsmittels in der notwendigen Ausstattung, während die Mehrkosten grundsätzlich vom Versicherten selbst zu tragen sind (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX). Ist die höherwertige Ausstattung dagegen zwar nicht für den Alltagsgebrauch, wohl aber aus rein beruflichen Gründen erforderlich, fallen die Mehrkosten, die sonst der Versicherte selbst tragen müsste, dem Rentenversicherungsträger zur Last. Für medizinische Hilfsmittel (§ 33 SGB V), die zugleich Pflegehilfsmittel sind (§ 40 Abs 1 SGB XI) und deswegen als Hilfsmittel mit Doppelfunktion sowohl von den Krankenkassen als auch von den Pflegekassen zu finanzieren sind, hat der Gesetzgeber einen eigenständigen Finanzausgleich nach § 40 Abs 5 SGB XI geschaffen.
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16. Die Verurteilung der Beigeladenen zur Erstattung des Betrages von 1956,90 Euro ist nach § 75 Abs 5 SGG möglich. Insbesondere besteht die hierfür nötige Wechselwirkung, weil der streitige Anspruch sich nur entweder gegen die Beklagte oder gegen die Beigeladene richten kann.
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Der Verurteilung der Beigeladenen steht auch nicht ihre Entscheidung vom 12.7.2006 entgegen, dem Leistungsantrag der Klägerin nur in Form des Festbetrags (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V) stattzugeben, die Übernahme der darüber hinausgehenden Kosten aber abzulehnen; denn diese Entscheidung ist im Verhältnis zur Klägerin nicht in Bestandskraft erwachsen.
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a) Bei dieser Entscheidung der Beigeladenen handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 31 SGB X), der zwar dem Hörakustiker entsprechend den vertraglichen Regelungen (vgl § 4 Nr 1 des Vertrages) in Gestalt eines formlosen Bewilligungsschreibens zur Kenntnis gegeben worden ist, nicht aber als förmlicher, mit einer Rechtsmittelbelehrung versehener Bescheid der Klägerin zugesandt oder auf andere Weise bekannt gegeben worden ist, wie es § 37 SGB X verlangt. Dennoch ist der Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin wirksam geworden, weil offensichtlich der Hörakustiker die Klägerin im Zeitraum zwischen dem 12. und 25.7.2006 über die Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu zahlen, unterrichtet hat. Mit dieser - von der Beigeladenen auch so gewollten - Unterrichtung ist der Verwaltungsakt der Klägerin bekannt gegeben und damit auch wirksam geworden (§ 39 Abs 1 SGB X). Nicht nachvollziehbar ist allerdings, weshalb die Beigeladene ihre Entscheidung nicht in Form eines ordnungsgemäßen Bescheids bekannt gegeben hat (§ 37 SGB X).
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b) Dieser Verwaltungsakt hat gegenüber der Klägerin keine Bestandskraft erlangt (§ 77 SGG). Zwar hat die Klägerin gegen die Entscheidung bei der Beigeladenen nicht ausdrücklich Widerspruch erhoben (§ 83 SGG). Sie hat aber mit ihrer Antragstellung bei der Beklagten am 25.7.2006, die als unmittelbare Reaktion auf die kurz zuvor erhaltene Mitteilung über die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag zu werten ist, deutlich gemacht, mit dieser Leistungsbegrenzung nicht einverstanden zu sein.
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Diesen Antrag, der inhaltlich nichts anderes ist als die Einwendung gegen die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag, muss sich die Beigeladene nach der Zielsetzung des § 14 SGB IX als Rechtsbehelf gegen ihre Entscheidung zurechnen lassen. Ziel des § 14 SGB IX ist es, im Interesse des behinderten Menschen durch die rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken(BT-Drucks 14/5074 S 102). Ein möglicher Nachteil des gegliederten Systems ist es, dass der behinderte Mensch die von ihm begehrte Rehabilitationsleistung bei allen in Betracht kommenden Leistungsträgern verfolgen und dabei ggf eine Vielzahl von Verwaltungs- und weitergehenden Rechtsbehelfsverfahren führen muss, um keinen Nachteil zu erleiden. Diesem "Systemmangel" begegnet § 14 SGB IX erstens durch die Verpflichtung des erstangegangenen Leistungsträgers, kurzfristig die Zuständigkeit zu prüfen, um zweitens den Antrag an den für zuständig erkannten anderen Träger weiterzuleiten oder anderenfalls selbst umfassend zu prüfen. Für den behinderten Menschen soll es einen Antrag bzw ein Antragsverfahren mit einer abschließenden Verwaltungsentscheidung geben. Lässt aber der erstangegangene Leistungsträger - wie hier - die Vorgaben des § 14 SGB IX unberücksichtigt, sodass sich der behinderte Mensch selbst auf die Suche nach einem ggf anderweitig zuständigen Rehabilitationsträger macht, müssen - um der Zielsetzung des § 14 SGB IX zu entsprechen, keinen Nachteil durch das gegliederte System auszulösen - die von ihm angestoßenen Verwaltungsverfahren rechtstechnisch als ein einheitliches Verwaltungsverfahren angesehen werden. Dies muss zumindest dann gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - der erstangegangene Leistungsträger seine Ablehnungsentscheidung nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat, sodass für den behinderten Menschen nicht erkennbar ist, welche Maßnahmen er treffen muss, um seine Rechte weiterverfolgen zu können.
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Geht man aber von einem einheitlichen Verwaltungsverfahren aus, das bei der Beigeladenen begonnen und durch die Antragstellung bei der Beklagten fortgeführt wurde, muss der Antrag der Klägerin vom 25.7.2006 auf Versorgung mit dem Premiumhörgerät zumindest auch als Widerspruch gegen die entsprechend ablehnende Entscheidung der Beigeladenen vom 12.7.2006 angesehen werden, sodass diese Entscheidung nicht bestandskräftig werden konnte. Der fehlende Abschluss des Widerspruchsverfahrens hindert eine Verurteilung der Beigeladenen im vorliegenden Rechtsstreit nicht (Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu § 75 SGG).
(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.
(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.
(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.
(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.
(1) Träger der Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsträger) können sein:
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die gesetzlichen Krankenkassen für Leistungen nach § 5 Nummer 1 und 3, - 2.
die Bundesagentur für Arbeit für Leistungen nach § 5 Nummer 2 und 3, - 3.
die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 3 und 5; für Versicherte nach § 2 Absatz 1 Nummer 8 des Siebten Buches die für diese zuständigen Unfallversicherungsträger für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 5, - 4.
die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 3, der Träger der Alterssicherung der Landwirte für Leistungen nach § 5 Nummer 1 und 3, - 5.
die Träger der Kriegsopferversorgung und die Träger der Kriegsopferfürsorge im Rahmen des Rechts der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 5, - 6.
die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für Leistungen nach § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5 sowie - 7.
die Träger der Eingliederungshilfe für Leistungen nach § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5.
(2) Die Rehabilitationsträger nehmen ihre Aufgaben selbständig und eigenverantwortlich wahr.
(3) Die Bundesagentur für Arbeit ist auch Rehabilitationsträger für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit Behinderungen im Sinne des Zweiten Buches, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist. Die Zuständigkeit der Jobcenter nach § 6d des Zweiten Buches für die Leistungen zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nach § 16 Absatz 1 des Zweiten Buches bleibt unberührt. Die Bundesagentur für Arbeit stellt den Rehabilitationsbedarf fest. Sie beteiligt das zuständige Jobcenter nach § 19 Absatz 1 Satz 2 und berät das Jobcenter zu den von ihm zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 16 Absatz 1 Satz 3 des Zweiten Buches. Das Jobcenter entscheidet über diese Leistungen innerhalb der in Kapitel 4 genannten Fristen.
(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.
(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.
(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.
(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.
(1) Für die Sozialhilfe örtlich zuständig ist der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Diese Zuständigkeit bleibt bis zur Beendigung der Leistung auch dann bestehen, wenn die Leistung außerhalb seines Bereichs erbracht wird.
(1a) Abweichend von Absatz 1 ist im Falle der Auszahlung der Leistungen nach § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und bei Anwendung von § 34a Absatz 7 der nach § 34c zuständige Träger der Sozialhilfe zuständig, in dessen örtlichem Zuständigkeitsbereich die Schule liegt. Die Zuständigkeit nach Satz 1 umfasst auch Leistungen an Schülerinnen und Schüler, für die im Übrigen ein anderer Träger der Sozialhilfe nach Absatz 1 örtlich zuständig ist oder wäre.
(2) Für die stationäre Leistung ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Waren bei Einsetzen der Sozialhilfe die Leistungsberechtigten aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall ein, ist der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend. Steht innerhalb von vier Wochen nicht fest, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt nach Satz 1 oder 2 begründet worden ist oder ist ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln oder liegt ein Eilfall vor, hat der nach Absatz 1 zuständige Träger der Sozialhilfe über die Leistung unverzüglich zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen. Wird ein Kind in einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 geboren, tritt an die Stelle seines gewöhnlichen Aufenthalts der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter.
(3) In den Fällen des § 74 ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der bis zum Tod der leistungsberechtigten Person Sozialhilfe leistete, in den anderen Fällen der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Sterbeort liegt.
(4) Für Hilfen an Personen, die sich in Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten oder aufgehalten haben, gelten die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 106 und 109 entsprechend.
(5) Für die Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Siebten und Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Vor Inkrafttreten dieses Buches begründete Zuständigkeiten bleiben hiervon unberührt.
(6) Soweit Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des Neunten Buches zu erbringen sind, richtet sich die örtliche Zuständigkeit für gleichzeitig zu erbringende Leistungen nach diesem Buch nach § 98 des Neunten Buches, soweit das Landesrecht keine abweichende Regelung trifft.
(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2010 wird zurückgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Im Streit ist die Übernahme von Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
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Der 1997 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an dem sogenannten Rubinstein-Taybi-Syndrom mit Absence-Epilepsie, verzögerter Entwicklung, Minderwuchs und geistiger Behinderung, verbunden mit Hyperaktivität und teilweiser Aggressivität. Er lebt seit seinem 4. Lebensmonat in einer Pflegefamilie, in die er direkt nach dem Klinikaufenthalt nach seiner Geburt aufgenommen wurde. Das staatliche Schulamt für den Landkreis G. und den V. stellte beim Kläger einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Sinne des Besuchs einer Schule für praktisch Bildbare fest und wies ihn zum 1.8.2005 der staatlichen M.-Schule in G. zu. Da die Pflegeeltern die sonderpädagogische Förderung des Klägers an der nach den Grundsätzen der anthroposophischen Heilpädagogik und der Waldorfpädagogik unterrichtenden privaten B.-Schule wünschten, erklärte das staatliche Schulamt gleichzeitig sein Einverständnis, den sonderpädagogischen Förderbedarf dort zu erfüllen, sofern die Frage der Kostenübernahme mit dem Schulverwaltungsamt des Kreisausschusses des Landkreises G. geklärt sei (Bescheid vom 31.5.2005). Nachdem die Pflegeeltern für den Kläger mit dem Träger der B.-Schule einen Schulvertrag ab 1.8.2005 abgeschlossen und dabei ein monatliches Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro vereinbart hatten, wurde der Kläger am 5.9.2005 in die B.-Schule eingeschult. Den vom Träger der Schule - nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) - namens und im Auftrag der Pflegeeltern gestellten Antrag auf Übernahme des Schulgelds lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 22.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 19.4.2006).
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Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts
Gießen vom 11.11.2008; Urteil des Hessischen LSG vom 22.11.2010) . Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Besuch der B.-Schule sei keine für eine angemessene Schulbildung des Klägers erforderliche Maßnahme. Hieran ändere auch die schulrechtliche Einstufung durch das staatliche Schulamt, an die der Sozialhilfeträger gebunden sei, nichts, weil eine Zuweisung nur an die staatliche M.-Schule erfolgt sei, während der Besuch der B.-Schule ausschließlich als mögliche Beschulungsalternative gestattet worden sei. Beide Schulen seien geeignete Förderschulen zur Erfüllung des besonderen sonderpädagogischen Bedarfs des Klägers. Auch das Elternrecht aus Art 6 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) biete als Abwehrrecht keinen Anspruch auf Vermittlung pädagogischer Lehrinhalte und Bildungsziele außerhalb öffentlicher Schulen. Ein Anspruch könne auch nicht aus Art 7 Abs 4 Satz 1 GG hergeleitet werden, weil insoweit nur das private Ersatzschulwesen geschützt werde, nicht jedoch auch das Recht der Eltern, eine private Ersatzschule kostenfrei zu wählen.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII und § 12 Eingliederungshilfeverordnung (Eingliederungshilfe-VO) und macht Verfahrensfehler geltend. Zu Unrecht gehe das LSG davon aus, dass der Besuch einer privaten Förderschule und der damit verbundene Schulgeldaufwand bei Bestehen einer gleichwertigen kostenfreien Beschulungsmöglichkeit nicht erforderlich iS von § 12 Eingliederungshilfe-VO sei. Zwar hätte sein schulischer Förderbedarf auch durch den Besuch der M.-Schule sichergestellt werden können; das Berufungsgericht lasse aber unberücksichtigt, dass die Pflegeeltern mit ihrer Auswahlentscheidung den von den staatlichen Schulbehörden eingeräumten Rahmen mit einer für den beklagten Sozialhilfeträger ebenso verbindlichen Weise ausgefüllt hätten, wie dies durch eine förmliche Zuweisung der Schulbehörden geschehen wäre. Folge man der Auffassung des LSG liefen das eingeräumte Wahlrecht und letztlich die Bestimmung des § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII leer, wenn Eltern die mit dem Schulbesuch verbundenen Kosten nicht aufbringen könnten. Sei schulrechtlich eine Wahlfreiheit zwischen öffentlicher Förder- und privater Ersatzschule eröffnet, setze eine generelle Beschränkung der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung auf den Besuch öffentlicher Schulen nach der Rechtsprechung des 6. Senats des LSG (Urteil vom 18.8.2010 - L 6 SO 5/10) verfassungsrechtlich eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers voraus. Durch den unterlassenen Hinweis, dem 6. Senat nicht folgen zu wollen, habe das LSG das rechtliche Gehör verletzt (Überraschungsentscheidung). Auch habe sich das LSG nicht mit dem Vortrag auseinandergesetzt, dass der Beklagte mit seiner (des Klägers) Beschulung in der B.-Schule einverstanden gewesen sei und sich hieraus die Verpflichtung ableite, auch für die entstehenden Beschulungskosten einzustehen. Unterblieben sei schließlich die Prüfung, ob eine Aufnahme in die M.-Schule nicht an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre.
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Auffassung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
) . Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des monatlichen Schulgelds in Höhe von 303,92 Euro bzw in Höhe des für Oktober 2009 maßgeblichen Teils davon für den Besuch der B.-Schule.
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zulässigerweise nur der Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 (§ 95 SGG) über die Ablehnung der Übernahme des Schulgelds als abgrenzbaren Streitgegenstand im Rahmen der Eingliederungshilfe. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG). Sozial erfahrene Dritte waren vor Erlass des Widerspruchsbescheids nicht zu beteiligen (§ 116 Abs 2 SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 iVm § 8 Abs 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
vom 20.12.2004 - GVBl 488) . Nicht Streitgegenstand sind Leistungen für den Lebensunterhalt, auch nicht im Rahmen des sog Meistbegünstigungsprinzips, wonach zur Sicherstellung einer möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte (§ 2 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil -; vgl dazu: Voelzke in juris PraxisKommentar SGB I, 2. Aufl 2011 - online -, § 2 RdNr 26; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB I, K § 2 RdNr 44, Stand Dezember 2005) , Anträge bzw Rechtsbehelfe ohne Bindung an den Wortlaut nach dem wirklichen Willen des Antragstellers auszulegen sind (BSG SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 13); denn eine abweichende Festlegung des Bedarfs wegen der Verpflichtung zur Zahlung des Schulgelds (§ 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII) kommt ohnedies nicht in Betracht (siehe dazu unten).
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Nach § 53 Abs 1 Satz 1(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) iVm § 54 Abs 1 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch; für die Zeit ab 5.8.2009 in der Normfassung des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.7.2009 - BGBl I 2495) erhalten Personen, die durch eine Behinderung iS von § 2 Abs 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
- 11
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Vorliegend ist es schon fraglich, ob der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs 1 HAG/SGB XII idF des Gesetzes vom 20.12.2004) für den streitigen Anspruch auf Übernahme des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe der sachlich zuständige Sozialhilfeträger ist. Abweichend von § 100 Bundessozialhilfegesetz(BSHG; in der nach Art 68 Abs 2 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch bis 31.12.2006 fortgeltenden Fassung) bzw ab 1.7.2007 § 97 Abs 3 Nr 1 SGB XII (Art 70 Abs 2 S 6 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) regelt § 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm § 2 Abs 1 Nr 1 HAG/SGB XII(bis 31.6.2006 in der nach § 13 Abs 3 HAG/SGB XII bestimmten Fassung) die sachliche Zuständigkeit von örtlichem bzw überörtlichem Sozialhilfeträger. Danach ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII nur sachlich zuständig, sofern diese in einer Einrichtung zur stationären oder teilstationären Betreuung zu gewähren sind. Eine (teilstationäre) "Einrichtung" im Sinne des SGB XII (§ 13 SGB XII)ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und Leistungen der Sozialhilfe erbringt (BVerwGE 95, 149, 152; Bundesverwaltungsgericht
, Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 42/91 -, FEVS 45, 52 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 13/91 -, FEVS 45, 183 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 17/91 -, ZfSH/SGB 1995, 535 ff; BSGE 106, 264 ff RdNr 13 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2) .
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Ob eine Schule (anders als etwa die der Schule angegliederte Behinderteneinrichtung) eine teilstationäre Einrichtung in diesem Sinne ist, insbesondere Leistungen der Sozialhilfe erbringt (vgl dazu BVerwGE 48, 228, 231, das zwischen allgemeinen Schulen und Schulen unterscheidet, in denen über die bloße Vermittlung des Lernstoffs hinaus ein besonderes Maß an Betreuung erforderlich ist), ist zweifelhaft, wobei es für die Ablehnung der Leistung wegen Unzuständigkeit genügt, dass Sozialhilfeleistungen geltend gemacht werden. Für die Begründung der sachlichen Zuständigkeit ist es jedenfalls nicht - wie der Beklagte meint - ausreichend, dass er aufgrund langjähriger Praxis bei Pflegefamilienverhältnissen (im Rahmen des § 97 Abs 5 SGB XII) auch die Begleitkosten übernimmt, sofern diese übernahmefähig sind. Eine solche Annex-Kompetenz, wie sie etwa § 2 Abs 2 HAG/SGB XII(in der bis 31.12.2006 geltenden Fassung) vorsieht, setzt nämlich die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers für die im Rahmen eines Pflegefamilienverhältnisses zu erbringende Eingliederungshilfe voraus, an der es vorliegend fehlen könnte. Im Ergebnis kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, weil der Kläger auch bei unterstellter sachlicher Zuständigkeit des Beklagten keinen Anspruch auf die im Streit stehende Leistung hat.
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Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII für eine Pflichtleistung. Die Voraussetzungen für eine Behinderung nach § 2 Abs 1 SGB IX sind erfüllt, wenn die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach den Feststellungen des LSG liegt eine solche Behinderung vor.
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Die geistige Behinderung ist auch wesentlich. Wann dies der Fall ist, ist § 2 Eingliederungshilfe-VO zu entnehmen, wonach eine wesentliche Behinderung vorliegt, wenn infolge einer Schwäche der geistigen Kräfte in erheblichem Umfang die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft eingeschränkt ist. Dies richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls und hängt deshalb von sehr unterschiedlichen, durch die individuelle Behinderung geprägten Umständen ab (BVerwG Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr 12 S 2). Insoweit ist wie bei der Prüfung der Behinderung auch ihre Wesentlichkeit wertend auszurichten, insbesondere an den Auswirkungen für die Eingliederung in die Gesellschaft. Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt (vgl BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Stehen - wie hier - die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme des Klägers am Unterricht in einer allgemeinen (Grund-)Schule entgegen (vgl auch BVerwG, Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02), weil Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können, und erfordert die geistige Behinderung deshalb einen sonderpädagogischen Förderbedarf, um die mögliche Vermittlung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten überhaupt erst zu ermöglichen, ist die Behinderung nach den oben aufgezeigten Grundsätzen wesentlich; denn eine Grundschulbildung bildet die essentielle Basis für jegliche weitere Schullaufbahn (vgl: BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8; BSGE 109, 199 ff RdNr 22 = SozR 4-2500 § 33 Nr 37).
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Gehört der Kläger danach zwar zu dem leistungsberechtigten Personenkreis, scheitert ein Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds aber daran, dass es sich insoweit nicht um eine Leistung der Eingliederungshilfe handelt. Nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Erfasst sind von dem Wortlaut der Vorschrift ("Hilfen") nur Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSGE 110, 301 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Dies bestätigt auch § 12 Eingliederungshilfe-VO, der seinerseits nur von "Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung" spricht. Die von dieser Hilfe nach § 12 Eingliederungshilfe-VO (auch) erfassten Regelbeispiele betreffen dementsprechend nur die Schulbildung begleitende Maßnahmen. Die Schulbildung selbst, also der Kernbereich der pädagogischen Arbeit, der sich nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmt, obliegt hingegen allein den Schulträgern. Art 7 Abs 1 GG überträgt dem Staat einen (außerhalb des Sozialhilferechts liegenden) eigenständigen Unterrichts- und Bildungsauftrag im Schulbereich (BSG, aaO, RdNr 21; BVerfGE 47, 46, 71 f; 98, 218, 241).
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Dass der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule den Regelungen über die Eingliederungshilfe entzogen ist, bestätigt § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII dadurch, dass die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht(hier: Art 56 ff Hessische Landesverfassung iVm dem Hessischen Schulgesetz idF vom 14.6.2005 - GVBl 441) unberührt bleiben sollen. Die schulrechtlichen Verpflichtungen bestehen also grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen (BSG aaO). Auch das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 13.8.1992 - 5 C 70/88 - (Buchholz 436.0 § 11 BSHG Nr 16 S 3) ausgeführt, dass der Staat mit der Einrichtung der öffentlichen Grundschulen seinen Bildungs- und Erziehungsauftrag aus Art 7 Abs 1 GG nachkomme und die Schulgeldfreiheit aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialhilferechts gefunden habe, sodass für einen Rechtsanspruch gegen den Sozialhilfeträger zur Deckung eines im Grundschulalter angemessenen Bildungsbedarfs Aufnahmebeiträge und monatliches Schulgeld für den Besuch einer privaten Grundschule als Sozialhilfeleistung nicht zu übernehmen seien. Dabei ist das BVerwG in Bezug auf die erforderliche Hilfe nicht von einer nach Maßgabe des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe zu lösenden Anspruchskonkurrenz, sondern von einem Verhältnis der "Spezialität" ausgegangen, wobei es eine Ausnahme von diesem Grundsatz für möglich hielt, wenn der Besuch einer öffentlichen Grundschule aus objektiven Gründen (zB wegen ihrer räumlichen Entfernung vom Wohnort) oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Diese Rechtsprechung hat das BVerwG auch für Leistungen der Eingliederungshilfe bestätigt (Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02) und ausdrücklich ausgeführt, dass ein nachrangiges Eintreten der Sozialhilfe (nur) für solche Bedarfe nicht ausgeschlossen sei, die nicht in der Deckung des unmittelbaren Ausbildungsbedarfs im Rahmen der Schulpflicht bestünden, sondern damit lediglich - mehr oder weniger eng - zusammenhingen, etwa wie bei der Bereitstellung eines Integrationshelfers für behinderte Kinder an Regelschulen.
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Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe. Zu dem Kernbereich der Schule gehören alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen Lehrziele zu erreichen, in erster Linie also der (unentgeltliche) Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen Kenntnisse vermitteln soll. Damit unterliegt auch das vom Kläger begehrte Schulgeld unmittelbar diesem Kernbereich, weil die Übernahme des Schulgelds die von der Schule selbst zu erbringende Leistung, also den Unterricht, finanziert, mithin den schulischen Bildungsauftrag erfüllt und keine bloß unterstützende Leistung im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung darstellt. Wie die Entscheidung des Schulamts auszulegen ist und inwieweit sie auch für den Beklagten Bindungswirkung entfaltet (vgl dazu BVerwGE 130, 1 ff), ist danach ohne Belang. Ebenso spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass sich der Beklagte mit der Beschulung in die B.-Schule einverstanden erklärt hat. Die Ausübung eines Wahlrechts, welche Schule besucht wird, hat nicht zur Folge, dass der Sozialhilfeträger ein etwaiges Schulgeld zahlen müsste.
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Schulgeld wäre - abgesehen davon, dass es hier nicht Streitgegenstand ist (siehe oben) - auch nicht nach den Regelungen des Dritten bzw Vierten Kapitels des SGB XII zu erbringen. Entsprechende Leistungen könnten ggf zwar durch eine abweichende Festlegung des Regelsatzes nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII in der bis 31.12.2010 geltenden alten Fassung erbracht werden, dies würde aber voraussetzen, dass der Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abwiche. Der auf das Schulgeld gerichtete höhere Bedarf des Klägers wäre aber nicht unabweisbar. Nach den Feststellungen des LSG besteht für den Kläger eine gleichwertige und unentgeltliche Möglichkeit des Schulbesuchs an der Schule für praktisch Bildbare.
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Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht schon darin zu sehen, dass das LSG - ohne ausdrücklichen Hinweis - einer Entscheidung eines anderen Senats desselben Gerichts nicht folgt. Da der Kläger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung des Schulgelds hat, erübrigt sich im Übrigen - weil absolute Revisionsgründe nicht geltend gemacht werden - ein weiteres Eingehen auf den vermeintlichen Verfahrensfehler. Gleiches gilt für die behauptete Gehörsverletzung durch Übergehen des Vortrags, der Beklagte habe sich mit der Beschulung in der B.-Schule einverstanden erklärt (dazu auch oben). Soweit schließlich moniert wird, das LSG habe nicht geprüft, ob die Aufnahme in der M.-Schule an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre (Verletzung der Amtsaufklärungspflicht; § 103 SGG), hätte dargelegt werden müssen (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG), warum sich das LSG - trotz Zuweisung des Klägers in die M.-Schule und Streitgegenstandsbegrenzung auf die Eingliederungshilfe - hätte gedrängt fühlen müssen, entsprechende Ermittlungen anzustellen. Für die Eingliederungshilfe wäre jedenfalls eine entsprechende Klärung ohne Bedeutung.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. November 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Im Streit ist die Erstattung von Kosten für die Fortführung einer Maßnahme ("Montessori-Therapie") in der Zeit vom 1.1. bis 31.7.2006.
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Die 1998 geborene Klägerin litt an einer rezeptiven und expressiven Sprachentwicklungsverzögerung mit auditiver Gedächtnisschwäche und wurde deshalb vom Beklagten ab Mitte 2003 bis zum Ende der Kindergartenzeit Ende Juli 2005 durch die Übernahme von Kosten für eine (nicht ärztlich verordnete) "Montessori-Einzeltherapie" gefördert. Auch nach Einschulung der Klägerin in die Regelschule übernahm der Beklagte die Kosten einer Stunde "Montessori-Einzeltherapie" pro Woche für die Zeit vom 19.9. bis 31.12.2005, lehnte jedoch die Kostenübernahme für die Fortführung der Maßnahme ab 1.1.2006 mit der Begründung ab, dass Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) nur für begleitende Hilfen in Betracht komme, während pädagogische Maßnahmen wie die durchgeführte Montessori-Therapie in den Verantwortungsbereich der Schule fielen (Bescheid vom 30.9.2005; Widerspruchsbescheid vom 13.4.2006). Die Kosten der in der Zeit vom 1.1. bis 31.7.2006 durchgeführten Therapiestunden haben daraufhin die Eltern der Klägerin getragen.
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Das Sozialgericht (SG) hat der auf Erstattung dieser Kosten in Höhe von 1181,50 Euro gerichteten Klage - weil die Maßnahme sowohl therapeutische als auch pädagogische Elemente enthalte - nur teilweise entsprochen und den Beklagten verurteilt, der Klägerin "für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 2006 Eingliederungshilfe für die durchgeführte Montessori-Therapie in Höhe von 590,75 Euro zu gewähren" (Urteil vom 21.10.2008). Auf die Berufungen beider Beteiligten hat das Landessozialgericht (LSG) den Beklagten unter Zurückweisung von dessen Berufung verurteilt, der Klägerin die gesamten Kosten in Höhe von 1181,50 Euro zu erstatten (Urteil vom 18.11.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Pflicht zur Übernahme der Kosten ergebe sich aus § 19 Abs 3 SGB XII iVm § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII, § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII und § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-Verordnung (Eingliederungshilfe-VO). Es habe sich bei der Therapie um eine heilpädagogische oder sonstige geeignete und erforderliche Maßnahme gehandelt, die der Klägerin den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht habe ermöglichen oder erleichtern sollen. Der Nachranggrundsatz (§ 2 Abs 1 SGB XII)stehe der Leistungspflicht nicht deshalb entgegen, weil die Montessori-Therapie auch pädagogische Elemente enthalte; sie sei nach den landesrechtlichen Vorschriften des Schulrechts nicht dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit im Sinne des schulischen Erziehungs- und Bildungsauftrags zuzurechnen. Schließlich stehe der Gewährung der Eingliederungshilfe nicht entgegen, dass die Eltern der Klägerin die Therapie bereits bezahlt hätten.
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Mit der Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 2 Abs 1 SGB XII. Nach § 15 Abs 4 Schulgesetz für Baden-Württemberg sei die Förderung behinderter Schüler Aufgabe der Schule selbst, sodass diese für Hilfen zur angemessenen Schulbildung eintrittspflichtig sei. Unzutreffend sei die Feststellung des LSG, es handele sich bei der Montessori-Therapie um eine begleitende, nicht um eine sonderpädagogische Maßnahme. Das LSG habe insoweit sowie zur Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten und seine Amtsermittlungspflicht verletzt, weil es die Feststellungen der Therapeutin und des Sachverständigen kritiklos übernommen und sich damit ua auf die Ausführungen eines Diplom-Psychologen gestützt habe, der weder durch Habilitation noch durch Promotion eine besondere wissenschaftliche Qualifikation nachweisen könne.
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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin aufzuheben und das Urteil des SG unter vollständiger Abweisung der Klage abzuändern.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurück-verweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
) . Es fehlen ausreichende Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) für ein abschließendes Urteil.
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Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 30.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.4.2006 (§ 95 SGG), soweit darin die Übernahme von Kosten (1181,50 Euro) für eine in der Zeit vom 1.1. bis 31.7.2006 durchgeführte Therapie (Montessori-Einzeltherapie) abgelehnt worden ist. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4, § 56 SGG).
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Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Insbesondere ist weder eine Beiladung der für die Klägerin zuständigen Krankenkasse (KK) noch eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe noch der Therapeutin der Klägerin erforderlich. Nach § 75 Abs 2 Satz 1 1. Alt SGG sind Dritte nämlich (nur) beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (echte notwendige Beiladung); diese Voraussetzungen sind für keinen der Bezeichneten erfüllt. Über eine unechte notwendige Beiladung war mangels Rüge im Revisionsverfahren (s zu dieser Voraussetzung nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 75 RdNr 13b mwN) nicht zu befinden.
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Eine notwendige Beiladung der KK im Hinblick auf § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) scheidet aus(vgl zur notwendigen Beiladung wegen unterlassener Weiterleitung des Antrags an den "eigentlich zuständigen" Träger der Teilhabeleistung nur BSGE 93, 283 ff RdNr 6 ff = SozR 4-3250 § 14 Nr 1). Die durchgeführte Maßnahme stellt keine Leistung zur Teilhabe iS der §§ 4, 5 Nr 1, 14 SGB IX dar; denn die KKen sind abweichend von den Vorschriften des SGB IX (vgl § 7 SGB IX) nur unter den Voraussetzungen des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (
vgl § 11 Abs 2, §§ 40 ff SGB V) zur Erbringung medizinischer Rehabilitationsleistungen verpflichtet (BSGE 98, 277 ff RdNr 18 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4). Trotz des Aspektes bzw des Ziels der (Wieder-)Herstellung der Gesundheit haben jedoch nicht alle Maßnahmen des SGB V rehabilitativen Charakter in einem Sinn, der dem Verständnis des SGB V über eine Teilhabeleistung entspricht. Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob der Begriff der Teilhabeleistung des § 14 SGB IX eigenständig (weit) oder (nur) nach dem Verständnis des SGB V auszulegen ist. Vorliegend gehörte die durchgeführte Maßnahme ohnedies nicht zum Leistungskatalog des SGB V, sodass schon deshalb keine Zuständigkeit des Beklagten nach § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX eingetreten ist und eine echte notwendige - ebenso wie im Übrigen eine unechte - Beiladung der KK ausscheidet.
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Ein Kostenerstattungsanspruch für eine vom Versicherten selbstbeschaffte Leistung des SGB V würde voraussetzen, dass diese allgemein als Sach- oder Dienstleistung hätte erbracht werden müssen. Wie das LSG zu Recht erkannt hat, liegen die Voraussetzungen für einen Sachleistungsanspruch auf Gewährung der durchgeführten Therapie im Jahre 2006 nicht vor. Nach den insoweit unangefochtenen Tatsachenfeststellungen des LSG käme, weil die Therapie nicht von ärztlichen Fachkräften erbracht worden ist, allenfalls eine medizinische Dienstleistung in der Gestalt eines Heilmittels iS des § 32 SGB V(zum Heilmittelbegriff s: BSGE 88, 204, 206 ff = SozR 3-2500 § 33 Nr 41 S 229 ff; BSGE 96, 153 ff RdNr 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7) in Betracht.
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Der Heilmittelanspruch eines Versicherten (§ 11 Abs 1 Nr 4, § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und Nr 3 SGB V)unterliegt jedoch den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Insoweit sind neue Heilmittel grundsätzlich nur dann von der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien (RL) nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V über die Versorgung mit Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-RL) Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat(§ 138 SGB V). Die Beurteilung der Neuheit eines Heilmittels richtet sich unter formalen Gesichtspunkten danach, ob es nach dem Stand der Beschlüsse des GBA bei Inkrafttreten des § 138 SGB V (am 1.1.1989) Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung war oder seitdem einbezogen worden ist (Bundessozialgericht
SozR 3-2500 § 138 Nr 2 S 26, 28 und 31; BSGE 94, 221 ff RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25). Dies trifft für die Montessori-Therapie nicht zu, wie den Heilmittel-RL zu entnehmen ist, in die sie als verordnungsfähige Leistung nicht aufgenommen wurde; sie ist mithin als mögliches Heilmittel neu. Der GBA hat demgemäß in einem zusammenfassenden Bericht des Unterausschusses "Heil- und Hilfsmittel" des Bundesausschusses vom 18.5.2005 über die Beratungen gemäß § 138 SGB V zur konduktiven Förderung nach Petö(abgerufen über das Internet am 15.5.2012 über http://www.g-ba.de/downloads/40-268-256/2005-05-18-Abschluss-Petoe.pdf ) auch ausgeführt, die Wirksamkeit der Montessori-Therapie sei in wissenschaftlichen Studien nicht eindeutig belegt (S 165). Die somit notwendige Empfehlung für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung fehlt. Zudem mangelt es an der nach § 73 Abs 2 Nr 7 SGB V vorausgesetzten ärztlichen Verordnung(s dazu BSGE 73, 271 ff = SozR 3-2500 § 13 Nr 4), sodass es auf einen eventuellen indikationsbezogenen Ausschluss über § 32 Abs 1 Satz 2 SGB V in den Heilmittel-RL nicht mehr ankommt.
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Ein Anspruch aus § 43a SGB V(in der im streitbefangenen Zeitraum geltenden Fassung; Abs 2 wurde erst mit Wirkung ab 23.7.2009 eingeführt) scheidet von vornherein aus. Danach haben versicherte Kinder (nur) Anspruch auf nichtärztliche sozialpädiatrische, insbesondere auch psychologische, heilpädagogische und psychosoziale Leistungen, wenn sie unter ärztlicher Verantwortung erbracht werden und erforderlich sind, um eine Krankheit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und einen Behandlungsplan aufzustellen. Nach den insoweit unangegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG diente die Maßnahme jedoch weder der Früherkennung noch stand sie unter ärztlicher Verantwortung. Es kann dahinstehen, ob der Senat an diese Feststellung entgegen § 163 SGG deshalb nicht gebunden ist, weil sie im Rahmen der von Amts wegen zu überprüfenden Beiladungsnotwendigkeit von Bedeutung ist(s dazu nur Leitherer, aaO, § 163 RdNr 5b mwN); denn diese Feststellung des LSG ist in der Sache ohnedies nicht zu beanstanden.
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Eine Beiladung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe als "eigentlich zuständigen" Rehabilitationsträgers iS des § 6 Abs 1 Nr 6 SGB IX im Hinblick auf § 14 SGB IX dürfte schon deshalb ausscheiden, weil der Beklagte auch der nach §§ 69, 85, 86 Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) iVm § 1 Kinder- und Jugendhilfegesetz für Baden-Württemberg (LKJHG) vom 14.4.2005 (Gesetzblatt
376) - zur Überprüfung des Landesrechts ist der Senat entgegen § 202 SGG iVm § 560 Zivilprozessordnung (ZPO) mangels Berücksichtigung durch das LSG befugt(vgl nur das Senatsurteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/10 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 14 mwN) - für die einzig denkbare Leistung des § 35a SGB VIII als Jugendhilfeträger zuständig sein dürfte. Einer genaueren Überprüfung, ob nach den Vorschriften der §§ 5, 6 LKJHG ausnahmsweise eine Zuständigkeit der landkreisangehörigen Gemeinden begründet worden ist, bedarf es nicht, denn auch dann wäre die Gemeinde nicht notwendig beizuladen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zuletzt BVerwG, Urteil vom 19.10.2011 - 5 C 6/11 -, ZFSH/SGB 2012, 33, 35 f), der sich der Senat anschließt, wäre vorliegend von einer vorrangigen Leistungspflicht des beklagten Sozialhilfeträgers (Leistungen der Eingliederungshilfe für ua geistig behinderte junge Menschen) gemäß § 10 Abs 4 SGB VIII(in der seit 1.10.2005 geltenden Fassung) auszugehen. Aufgaben, Ziele und die Leistungen richten sich nämlich ohnedies nach den Vorschriften des SGB XII (§ 35a Abs 3 SGB VIII), decken sich also (vgl zum Erfordernis der Gleichheit oder Gleichartigkeit BVerwG aaO), und bei der Klägerin liegt jedenfalls eine wesentliche geistige Behinderung vor (dazu später). Es kann deshalb dahinstehen, ob sich eine Maßnahmenotwendigkeit auch aufgrund einer seelischen (= psychischen) Behinderung ergeben würde und wodurch sich diese von der geistigen abgrenzt.
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Schließlich ist auch nicht die Therapeutin der Klägerin notwendig beizuladen. Zwar ist der sozialhilferechtliche Leistungserbringer iS des § 75 SGB XII - und zwar auch bei ambulanten Diensten(§ 75 Abs 1 Satz 1 SGB XII; vgl Jaritz/Eicher, juris PraxisKommentar
-SGB XII, § 75 SGB XII RdNr 24) - bei einer beantragten Kostenübernahme, also einem Schuldbeitritt durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung (vgl nur BSGE 102, 1 ff RdNr 25 ff = SozR 4-1500 § 75 Nr 9), notwendig beizuladen (BSG, aaO, RdNr 13 ff). Vorliegend verlangt die Klägerin jedoch nicht die Kostenübernahme durch den Beklagten im Rahmen einer Sachleistung im weiten Sinne, sondern die Erstattung der bereits beglichenen Therapiekosten als Geldleistung.
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Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung durch den zuständigen (§ 97 Abs 1, § 98 Abs 1 SGB XII iVm § 3 Abs 2 Satz 1 SGB XII und §§ 1, 2 Ausführungsgesetz Baden-Württemberg zum SGB XII vom 1.7.2004 - GBl 534; zur eigenständigen Prüfung des Landesrechts ist der Senat mangels Berücksichtigung durch das LSG entgegen § 202 SGG iVm § 560 ZPO befugt - vgl das Senatsurteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/10 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 14 mwN) Beklagten ist § 15 Abs 1 Satz 4 2. Alt SGB IX. Danach sind selbstbeschaffte Leistungen zu erstatten, wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (vgl dazu BSGE 102, 126 ff RdNr 11 f = SozR 4-3500 § 54 Nr 3). Ob der Beklagte die Übernahme der Kosten für die durchgeführte Therapie ab 1.1.2006 "zu Unrecht" abgelehnt hat, lässt sich allerdings anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht abschließend beurteilen. Grundlage dafür ist § 19 Abs 3 SGB XII(hier in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) iVm §§ 53, 54 Abs 1 Nr 1 SGB XII und § 12 Abs 1 Nr 1 Eingliederungshilfe-VO. Hilfen nach § 19 Abs 3 SGB XII werden unter den besonderen Voraussetzungen der Vorschriften des Fünften und Neunten Kapitels geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten ist.
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Die Klägerin erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII für eine Pflichtleistung. Nach dieser Vorschrift werden Pflichtleistungen nur an Personen erbracht, die durch eine Behinderung iS des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 SGB IX sind erfüllt, wenn - soweit einschlägig - die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach den in diesem Punkt unangegriffenen Tatsachenfeststellungen des LSG liegt eine Behinderung im bezeichneten Sinn bei der Klägerin vor, die an einer geistigen Leistungsstörung (s insoweit zur Legasthenie BVerwG, Urteil vom 28.9.1995 - 5 C 21/93 -, FEVS 46, 360 ff), nämlich einer ausgeprägten rezeptiven und expressiven Sprachentwicklungsverzögerung mit auditiver Gedächtnisschwäche, litt; diese geistige Behinderung war auch wesentlich.
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Wann dies der Fall ist, ergibt sich aus § 2 Eingliederungshilfe-VO. Er verlangt, dass infolge einer Schwäche der geistigen Kräfte in erheblichem Umfange die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist (vgl allgemein dazu Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, § 53 SGB XII RdNr 20 ff; Heinz, ZfF 2010, 79 ff). Dies ist jedenfalls zu bejahen, wenn - wie hier - die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme am Unterricht in einer Grundschule entgegenstehen (vgl auch BVerwG, Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02), weil Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können; denn eine Grundschulbildung bildet die essentielle Basis für jegliche weitere Schullaufbahn (vgl BSG, Urteil vom 3.11.2011 - B 3 KR 8/11 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 22) bzw eine valide spätere berufliche Tätigkeit. Insoweit ist wie bei der Prüfung einer Behinderung selbst auch ihre Wesentlichkeit wertend auszurichten an den Auswirkungen für die Eingliederung in der Gesellschaft (so wohl auch BVerwG, Urteil vom 28.9.1995 - 5 C 21/93 -, FEVS 46, 360 ff). Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt.
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Nicht abschließend entschieden werden kann indes, ob die im Jahre 2006 durchgeführte Therapie geeignet und erforderlich war, der Klägerin den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern, ob also iS des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII nach der Besonderheit des Einzelfalles die Aussicht bestand, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden konnte. Diese allgemeine Voraussetzung konkretisierend bezeichnet § 54 Abs 1 Nr 1 SGB XII(hier idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) als Leistungen der Eingliederungshilfe insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht. Nach § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-VO umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern.
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Wie bereits § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII verdeutlicht ("nach der Besonderheit des Einzelfalles"), liegt § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII iVm § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-VO ein individualisiertes Förderverständnis zugrunde(BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22). Eine Unterscheidung der Maßnahmen nach ihrer Art, etwa nach pädagogischen oder nichtpädagogischen bzw begleitenden, ist rechtlich nicht geboten, weil grundsätzlich alle Maßnahmen in Betracht kommen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSGE 101, 79 ff RdNr 27 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 1). Deshalb können von der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers auch Maßnahmen umfasst werden, die zum Aufgabenbereich der Schulverwaltung gehören. Ausgeschlossen sind allerdings Maßnahmen, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen sind, der sich nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmt. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII ausdrücklich anordnet, die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht sollten unberührt bleiben. Die schulrechtlichen Verpflichtungen stehen mithin grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen. Zum anderen normiert § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII lediglich Hilfen, mithin unterstützende Leistungen, überlässt damit die Schulbildung selbst aber den Schulträgern. Der Kernbereich der schulischen Arbeit liegt damit nach Sinn und Zweck der §§ 53, 54 SGB XII gänzlich außerhalb der Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers(ähnlich bereits, wenn auch mit anderer Begründung, BVerwG, Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02 - juris RdNr 17 mwN; BVerwG, Urteil vom 30.4.1992 - 5 C 1/88 - NVwZ 1993, 995, 996 f).
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Nach diesen Maßstäben kann die durchgeführte Maßnahme eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung sein, weil sie - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - jedenfalls nicht den Kernbereich der schulischen pädagogischen Arbeit berührt, ohne dass dieser genau bestimmt werden müsste. Die durchgeführte Therapie, die nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des LSG den Prinzipien der Montessori-Therapie gefolgt ist, weist den Charakter einer nur unterstützenden und außerhalb des schulischen Betriebs stattfindenden Hilfe auf. Im Rahmen eines ganzheitlichen Denkansatzes sollten unter Verwendung von unterschiedlichem Material vielfältige Bereiche ua der Wahrnehmung, des Sprachverständnisses, der Mathematik, der Geografie, der Biologie und der Umwelt (nur) durch ein zurückhaltendes Angebot von Hilfe und Unterstützung, auch durch "sensibles Beobachten", durch den Therapeuten gefördert werden (hierzu insgesamt der in der Gerichtsakte befindliche "Infobrief über die Montessori-Therapie für Fachstellen" des Montessori-Bundesverbands eV, Mengkofen; zur Zulässigkeit der Feststellung genereller Tatsachen in der Revisionsinstanz s nur BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 28 mwN).
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Soweit das LSG in seiner Entscheidung die Ausführungen des Sachverständigen und die Äußerungen der früheren Klassenlehrerin der Klägerin zur Geeignetheit und Erforderlichkeit der Therapie wiedergegeben und verwertet sowie ausgeführt hat, dass die Therapie "nach dem Förderplan der Montessori-Therapeutin gezielt auf den Aufbau der auditiven Wahrnehmungsleistung abgestimmt" gewesen sei, reicht dies jedoch für eine Beurteilung der individuellen Geeignetheit und Erforderlichkeit der durchgeführten Therapie nicht aus. Erforderlich sind vielmehr konkrete Feststellungen dazu, wie die Klägerin betreut worden ist und wie sich dies im Einzelnen auf die individuelle Lernfähigkeit der Klägerin unter prognostischer Sicht - abgestellt auf den Zeitpunkt der Entscheidung (vgl nur allgemein dazu BSG SozR 4-4300 § 86 Nr 1 RdNr 15) - auswirken sollte. Allgemein gehaltene Bewertungen der Montessori-Therapie, ihrer Ziele und Methoden, können diese Beurteilung nicht ersetzen. Da das LSG nach der Zurückverweisung der Sache die fehlenden Feststellungen nachzuholen hat, kommt es auf die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen des Beklagten nicht an. Im Rahmen der Erforderlichkeit der Hilfe wird das LSG auch die Anzahl der Therapiestunden zu überprüfen haben.
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Schließlich wird es anhand der schuldrechtlichen Vereinbarungen mit der Therapeutin die Höhe der der Klägerin (bzw ihren Eltern) entstandenen und damit übernahme- und erstattungsfähigen Kosten zu ermitteln haben, wobei ohne Bedeutung ist, ob mit der Therapeutin Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII geschlossen sind und - wenn ja - welche Vergütung darin für die Therapiestunden vorgesehen war. Eine diesbezügliche rechtliche Unsicherheit kann sich nicht zu Lasten der Klägerin auswirken (vgl BSGE 102, 126 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 54 Nr 3). Dies gilt umso mehr, als sich Umfang der Behandlung und Vergütung offenbar im Rahmen dessen bewegen, was vom Beklagten in der Zeit zuvor übernommen worden ist. Ob die Voraussetzungen einer Schuldverpflichtung der Klägerin bzw ihrer Eltern gegenüber der Therapeutin und der Angemessenheit der Kosten normimmanent aus §§ 53, 54 SGB XII oder aus § 9 Abs 1 SGB XII (Leistungen nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Bedarfs) zu entnehmen sind, kann offen bleiben. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bedarf dies schon deshalb keiner näheren Begründung, weil nicht ersichtlich ist, dass sich in vorliegender Konstellation hieraus unterschiedliche Rechtsfragen ergäben.
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Entgegen der Ansicht des Beklagten steht einem Kostenerstattungsanspruch der Klägerin § 2 Abs 1 SGB XII (sog Nachranggrundsatz) nicht entgegen. Danach erhält Sozialhilfe nicht, wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Diese Vorschrift ist, wenn andere Leistungen - wie hier - tatsächlich nicht erbracht werden, keine eigenständige Ausschlussnorm, sondern ihr kommt regelmäßig nur im Zusammenhang mit ergänzenden bzw konkretisierenden sonstigen Vorschriften des SGB XII Bedeutung zu; ein Leistungsausschluss ohne Rückgriff auf andere Normen des SGB XII ist mithin allenfalls in extremen Ausnahmefällen denkbar, etwa wenn sich der Bedürftige generell eigenen Bemühungen verschließt und Ansprüche ohne weiteres realisierbar sind (BSG, Urteil vom 2.2.2010 - B 8 SO 21/08 R - RdNr 13; Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1; Urteil vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 16/07 R - RdNr 15). Eine Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Arbeit der Schule ist deshalb in aller Regel zu bejahen, solange und soweit die Schule - wie hier - eine entsprechende Hilfe nicht gewährt, ja sogar darauf verweist, sie nicht erbringen zu können. Ob sie dazu verpflichtet ist, ist unerheblich. Der Sozialhilfeträger muss ggf mittels einer Überleitungsanzeige (§ 93 SGB XII) beim zuständigen Schulträger Rückgriff nehmen. Soweit der Beklagte mit seiner Revision in diesem Zusammenhang eine fehlerhafte Auslegung des Landesschulrechts rügt, kommt es darauf unabhängig davon, inwieweit der Senat diese Auslegung überhaupt überprüfen darf (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO), für die Entscheidung nicht an.
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Dem Kostenerstattungsanspruch steht schließlich nicht entgegen, dass die Eltern der Klägerin die angefallenen Kosten bereits getragen haben. Sozialhilfeleistungen setzen zwar vom Grundgedanken her einen aktuellen Bedarf voraus; dies gilt allerdings aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Grundgesetz) nicht bei einer rechtswidrigen Ablehnung der Hilfegewährung und zwischenzeitlicher Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe oder Hilfe Dritter, wenn der Hilfesuchende innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Rechtsbehelf eingelegt hat und im Rechtsbehelfsverfahren die Hilfegewährung erst erstreiten muss (BSG, Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R -, BSGE 104, 213 ff RdNr 14 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20; vgl auch zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende -
: BSG, Urteil vom 6.10.2011 - B 14 AS 66/11 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 19, und Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 46/11 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 17 mwN) .
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Ermittlungen darüber, ob die Klägerin im Falle des Klageerfolgs ihren Eltern deren Auslagen erstatten muss oder zumindest wird (vgl dazu in einer anderen Konstellation BSG, Urteil vom 6.10.2011 - B 14 AS 66/11 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 19), sind entbehrlich. Im Rahmen der Vermögenssorge (§ 1926 Bürgerliches Gesetzbuch)für ein achtjähriges Kind sind Vereinbarungen über eine Rückerstattung der Kosten besonderer Sozialhilfeleistungen (§ 84 Abs 2 SGB XII ist nicht anwendbar, weil § 92 Abs 1 Satz 2 SGB XII insoweit als Sonderregelung vorgeht), die die Eltern übernommen haben, weil der Sozialhilfeträger die Leistung abgelehnt hat, bei realitätsnaher Sichtweise unüblich. Unerheblich ist es auch, ob und inwieweit in der Übernahme dieser Kosten eine tatsächliche Unterhaltszahlung zu sehen sein könnte. Eine solche Prüfung würde den Zweck des § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB XII(hier in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) konterkarieren, die Eltern behinderter mit denen nichtbehinderter Kinder hinsichtlich der aus einer angemessenen Schulbildung ihrer Kinder folgenden Lasten wirtschaftlich gleichzustellen (so bereits BVerwGE 94, 127, 135 f mwN zur Vorgängervorschrift des § 43 Abs 2 Satz 1 Nr 2 und Satz 2 Bundessozialhilfegesetz).
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Aus § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB XII ergibt sich zugleich, dass auf Leistungen weder Einkommen der Klägerin noch Einkommen ihrer Eltern anzurechnen ist; denn nach Satz 1 ist eine Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten. Eine Vermögensanrechnung unterbleibt völlig (Satz 2). Die Beschränkung auf die Kosten des Lebensunterhalts in § 92 Abs 2 Satz 1 SGB XII bedeutet, dass Aufwendungen des Sozialhilfeträgers für die besonderen Hilfen nicht zu erstatten sind, soweit nicht integraler Bestandteil dieser Hilfen Kosten des Lebensunterhalts sind(Behrend in jurisPK-SGB XII, § 92 SGB XII RdNr 23 mwN). Dies war indes bei der durchgeführten Therapie nicht der Fall. Insoweit setzt § 92 Abs 2 SGB XII nicht voraus, dass gleichzeitig die in § 92 Abs 1 SGB XII beschriebenen Merkmale für die Hilfe für eine stationäre Einrichtung, für eine Tageseinrichtung für behinderte Menschen oder für ärztliche oder ärztlich verordnete Maßnahmen vorliegen(Behrend, aaO, RdNr 22 mwN).
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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Aufgabe der Sozialhilfe ist es, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Leistung soll sie so weit wie möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben; darauf haben auch die Leistungsberechtigten nach ihren Kräften hinzuarbeiten. Zur Erreichung dieser Ziele haben die Leistungsberechtigten und die Träger der Sozialhilfe im Rahmen ihrer Rechte und Pflichten zusammenzuwirken.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 16.06.2011 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 01.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 verurteilt, die Kosten des Besuchs der T-Schule in C durch die Klägerin seit August 2010 zu übernehmen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für den Besuch einer Tagesbildungsstätte in Niedersachsen seit Beginn des Schuljahrs 2010/2011 nach dem SGB XII.
3Die am 00.00.2003 geborene Klägerin, die weder über Einkommen noch über Vermögen verfügt, leidet im Wesentlichen an einer chromosomalen Störung in Form des sog. Pallister-Kilian-Syndroms (Mosaik-Tetrasomie 12p), welche mit einer globalen Entwicklungsverzögerung einhergeht. Darüber hinaus bestehen bei ihr ein frühkindlicher Autismus sowie der Verdacht auf eine schwerste Intelligenzminderung. Sie lebt mit ihren Eltern und Geschwistern in W/Nordrhein-Westfalen, nahe der Landesgrenze zu Niedersachsen.
4Von August 2008 bis Juli 2010 besuchte die Klägerin den heilpädagogischen Kindergarten B in C (Niedersachsen). Dieser ist von ihrem Wohnort 13 km entfernt; Träger ist der Beigeladene zu 2. Die Kosten für die heilpädagogischen Leistungen sowie für die Fahrten zwischen Wohnung und Einrichtung übernahm der Beklagte zunächst für die Zeit von August 2008 bis zum voraussichtlichen Beginn der Schulpflicht am 31.07.2009 (Bescheid vom 27.01.2009) sowie - nach Zurückstellung der Klägerin vom Schulbesuch für das Schuljahr 2009/2010 - bis Juli 2010 (Bescheid vom 12.05.2009).
5Im Hinblick auf die bevorstehende Einschulung der Klägerin stellte das Schulamt des Kreises H mit (bestandskräftig gewordenem) Bescheid vom 25.03.2009 den sonderpädagogischen Förderbedarf der Klägerin im Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung" fest und wies sie einer entsprechenden Förderschule zu. Zugleich benannte es die N-Schule in H als nächstgelegene entsprechende (nordrhein-westfälische) Förderschule und bat die Eltern, die Klägerin dort anzumelden.
6Die N-Schule ist etwa 24,5 km von der Wohnung der Klägerin entfernt; mittels Sammelbeförderung (Schülerspezialverkehr) würde ein Transport der Klägerin zu dieser Schule pro Weg maximal 60 Minuten dauern. Der Unterricht an der N-Schule beginnt montags bis freitags gleitend zwischen 8.15 Uhr und 8.30 Uhr. Er endet montags bis donnerstags um 15.00 Uhr, freitags um 12.30 Uhr. Wegen der weiteren Rahmenbedingungen der dortigen Beschulung, u.a. der Größe der Schule und Klassen, der Organisation, des Förderkonzepts sowie des Betreuungsschlüssels wird auf die Bekundungen des dortigen Schulleiters, des Zeugen L, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Bezug genommen, ferner auf dessen Stellungnahme vom 24.04.2009 aus dem Verfahren L 20 SO 67/08 (LSG NRW) sowie den aktuellen Internetauftritt der N-Schule, welche der Senat zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat.
7Mit Beginn des Schuljahrs 2010/2011 meldeten die Eltern die Klägerin nicht auf der N-Schule, sondern auf der T-Schule in C an. An dieser Schule wird die Klägerin seither gefördert.
8Die T-Schule ist eine vom Land Niedersachsen anerkannte Tagesbildungsstätte. Sie liegt auf dem gleichen Gelände wie der Kindergarten B; Träger der Schule ist ebenfalls der Beigeladene zu 2. Die Fahrtzeit von der Wohnung der Klägerin zur 13 km entfernten Schule beträgt ausweislich eines verbreitet genutzten Routenplaners (www.falk.de/routenplaner) 17 Minuten; die Transportzeit mittels Sammelbeförderung (Schülerspezialverkehr) dauert nach den Angaben der Eltern der Klägerin etwa 15 Minuten. Der Unterricht findet montags bis freitags von 7.45 Uhr bis 14.15 Uhr statt. Die Schule verfügt über einen Fachdienst für Autismus-Spektrum-Störungen mit einer Diplom-Psychologin, einer Sozialpädagogin und einer Ergotherapeutin. Dieser Fachdienst betreut diejenigen Schüler/innen, welche aufgrund eines frühkindlichen Autismus einen spezifischen Unterstützungsbedarf haben, u.a. in Form von Einzeltherapien während der Schulzeit. Bezüglich der weiteren Rahmenbedingungen der Beschulung an der T-Schule wird auf die Stellungnahmen der Schulleiterin T1 vom 11.11.2013 und 31.01.2013 verwiesen. Die Kosten für den Besuch der T-Schule (monatlich ca. 2.100,00 EUR) trägt der Beklagte seit Beginn des Schuljahrs 2011/2012 vorläufig aufgrund entsprechender einstweiliger Anordnungen des erkennenden Senats.
9Am 20.11.2009 beantragten die Eltern der Klägerin beim Beklagten die Übernahme der Beschulungskosten an der T-Schule ab Beginn des Schuljahres 2010/2011 als sozialhilfeweise Eingliederungshilfe. Sie verwiesen auf den dortigen Fachdienst für Kinder mit autistischen Verhaltensweisen sowie den für derart beeinträchtigte Kinder geeigneten Unterricht. Zudem werde dort in allen Klassen eine Methode der unterstützen Kommunikation angewandt, auf welche die Klägerin wegen fehlender Lautsprache angewiesen sei. Häufige Infekte der Klägerin erforderten zudem eine zügige Erreichbarkeit der Schule durch die Eltern; dies sei bei der T-Schule bei 15-minütiger Entfernung von der Wohnung der Familie und 10-minütiger Entfernung vom Arbeitsplatz des Vaters gewährleistet. Ohnehin müsse die bisherige intensive Therapie und Förderung der Klägerin, welche in der Vergangenheit in enger Kooperation zwischen Therapeuten, Pädagogen und den Eltern erfolgt sei, dringend weitergeführt werden. Dies sei nur möglich, wenn die Eltern den Schulort schnell erreichen könnten.
10Mit Bescheid vom 01.04.2010 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zwar sei er sachlich und örtlich zuständig. Die Klägerin könne jedoch an der N-Schule in H und damit in Nordrhein-Westfalen angemessen und unentgeltlich gefördert werden. Dass diese Schule zur Förderung der Klägerin geeignet sei, habe das Schulamt im Bescheid vom 25.03.2009 inzident und für den Beklagten bindend (BVerwG, Urteil vom 28.04.2005 - 5 C 20/04) bejaht. Auch der Schulwegetransport zur N-Schule sei der Klägerin nach den einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen zumutbar; gegebenenfalls müsse im Rahmen der Ausgestaltung des Schülertransports auf Besonderheiten in der Person der Klägerin Rücksicht genommen werden. Ein Besuch der T-Schule sei demgegenüber mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden, weil weder das Schulgeld noch die Fahrtkosten vom Schulträger bzw. vom Land Nordrhein-Westfalen übernommen würden. Eine Beschulung an der T-Schule sei daher nach dem Subsidiaritätsprinzip (§ 2 Abs. 1 SGB XII) nicht notwendig und wegen der damit einhergehenden Mehrkosten auch nicht durch das Wunsch- und Wahlrecht (§ 9 SGB XII) gerechtfertigt. Dies gelte auch, wenn durch kleinere Klassen an der T-Schule und eine der Klägerin dort bereits vertraute Umgebung eine optimiertere Förderung stattfinden könne.
11Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein mit der Begründung, ein Besuch der N-Schule wäre mit erheblichen körperlichen Belastungen verbunden, so dass sie dort nicht angemessen beschult werden könnte. Sie leide unter einer extremen Mehrfachbehinderung, bei der eine Kommunikation mit anderen Menschen nur unter äußerst schwierigen Bedingungen möglich sei. Sie sei insbesondere nicht in der Lage, ihre Bedürfnisse selbst zu äußern. Neben ihrer körperlichen und geistigen Behinderung führten häufige Infektionskrankheiten oftmals zu einer rapiden Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes und erforderten eine ärztliche Untersuchung und Behandlung durch bekannte Betreuungspersonen. So seien seit Dezember 2009 insgesamt fünf Mittelohrentzündungen aufgetreten. Zudem habe sie im März 2010 bei einem Unfall eine Gehirnerschütterung erlitten. Die Klägerin hat eine schulärztliche Stellungnahme des Kreises H (Fachärztin für Kinderheilkunde Dr. L) vom 27.05.2010 sowie einen Zwischenbericht des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) des Evangelischen Krankenhauses (EVK) C (Fachärzte für Kinderheilkunde bzw. Neuropädiatrie Dres. C und Q) vom 19.04.2010 (erstellt anlässlich einer ambulanten Vorstellung der Klägerin vom 13.04.2010) vorgelegt; auf diese Unterlagen wird Bezug genommen.
12Mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2010 wies der Beklagte nach Beteiligung sozial erfahrener Personen den Widerspruch zurück. Die Beschulung eines jeden Schülers bzw. einer jeden Schülerin könne in Nordrhein-Westfalen aus Landesmitteln angemessen im Rahmen des dortigen differenzierten Sonder-/Förderschulwesens erfolgen. Die Funktionseinbußen der Klägerin seien nicht in einer Weise erheblich, dass ihr eine entsprechende Beschulung nicht möglich bzw. zumutbar sei.
13Mit ihrer am 30.07.2010 bei dem Sozialgericht Detmold erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie ist bei ihrer Auffassung verblieben, dass ihr wegen ihrer Behinderungen ein Besuch der N-Schule nicht möglich sei. Ihre Eltern hätten sich anlässlich der bevorstehenden Einschulung diese Schule angesehen. Sie sei wesentlich größer als die T Schule; der Gebäudekomplex sei weniger übersichtlich. Zudem seien die Klassen dort mit teilweise mehr als 10 Schüler/innen erheblich stärker als an der T-Schule. Der Schultag wäre für sie an der N-Schule zu lang. Hinzu käme eine Fahrtzeit mit dem Schülerspezialtransport von annähernd 60 Minuten; wegen ihrer Muskelschwäche würde dies jedoch zu Problemen führen. Abgesehen davon wäre sie anschließend nicht mehr aufnahmefähig. Ohnehin sei ein Verbleib in der ihr bereits vom Kindergarten her vertrauten Einrichtung wichtig. Sie benötige eine extrem lange Eingewöhnungszeit; so habe sie mehr als ein Jahr gebraucht, um sich an den Kindergarten zu gewöhnen. Darüber hinaus habe die N-Schule ihren Eltern keine direkten Informationen hinsichtlich einer notwendigen Autismusbehandlung erteilt, sondern insoweit stets nur auf das Westfälische Institut für Entwicklungsförderung (WIE) in C verwiesen. Die Klägerin hat weitere ärztliche bzw. psychologische Berichte (Behandlungsberichte des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin bzw. Neuropädiatrie Dr. L1 - Chefarzt der I Klinik I, Neurologisches Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche - vom 09.07.2010, der Diplom-Psychologin M und der Erzieherin N - ebenda - vom 16.07.2010 sowie der Logopädin H vom 01.04.2010) vorgelegt, auf deren Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird. Der Übernahme der Beschulungskosten stehe - so die Klägerin weiter - keineswegs entgegen, dass die T-Schule eine niedersächsische Tagesbildungsstätte sei. Sie könne auch dort ihre Schulpflicht erfüllen. Allein aus der Formulierung in § 34 Abs. 5 SchulG NRW ergebe sich nichts Gegenteiliges. Werde die T-Schule durch das niedersächsische Schulgesetz einer Schule gleichgestellt, müsse diese Schule mit Blick auf Sinn und Zweck des § 34 SchulG NRW nach nordrhein-westfälischem Schulrecht ebenso als deutsche Schule gelten. Abgesehen davon lasse § 34 Abs. 5 S. 2 SchulG NRW Ausnahmen von der Schulpflicht aus wichtigem Grund zu. Eine solche Ausnahme liege hier mit Blick auf ihre Behinderungen vor.
14Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
15den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 01.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 zu verpflichten, die Kosten des Besuchs der T-Schule in C durch die Klägerin im Rahmen der Eingliederungshilfe ab August 2010 für die Klägerin zu übernehmen.
16Der Beklagte hat beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Er hat an seinen Bescheiden festgehalten und unter Vorlage einer Stellungnahme eines Referatsleiters des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen vom 31.03.2011 ergänzend die Auffassung vertreten, die Übernahme der Beschulungskosten an der T-Schule scheide schon deshalb aus, weil die Klägerin dort ihre Schulpflicht nicht erfüllen könne. Ein wichtiger Grund für die ausnahmsweise Erfüllung der Schulpflicht an einem anderen Ort als einer deutschen Schule im Sinne von § 34 Abs. 5 S. 2 SchulG NRW liege nicht vor. Denn die T-Schule sei keine Schule, sondern eine Tagesbildungsstätte, deren Besuch gemäß § 162 Nieders. SchulG zwar in Niedersachen, nicht hingegen in anderen Bundesländern der Schulpflicht genüge. In Nordrhein-Westfalen könnten Schulpflichtige ihre Schulpflicht lediglich an öffentlichen Schulen, Ersatzschulen oder an nach § 118 Abs. 2 SchulG NRW anerkannten Ergänzungsschulen erfüllen. Ohnehin entfalte die Entscheidung des Schulamtes vom 25.03.2009, welche die N-Schule als nächstgelegene Förderschule benenne, nicht nur für den Beklagten Tatbestandswirkung, sondern binde auch die Gerichte. Die Klägerin könne auch in Ansehung ihrer Behinderungen an der N-Schule angemessen beschult werden; insbesondere stehe dem ihre autistische Störung nicht entgegen. Insoweit hat der Beklagte ergänzend eine Stellungnahme des Zeugen L vom 02.11.2010 vorgelegt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
19Das Sozialgericht hat eine Auskunft des Schulamts des Kreises H vom 22.02.2011 eingeholt. Danach hat das Schulamt mit seinem Bescheid vom 25.03.2009 keine konkrete und verbindliche Zuweisungsentscheidung im Sinne des § 46 Abs. 6 SchulG NRW getroffen; die N-Schule sei ohne nähere Prüfung ihrer Eignung allein als für den Förderbedarf der Antragstellerin abstrakt zuständiger Förderort benannt worden.
20Mit Urteil vom 16.06.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Eingliederungshilfe in Form einer Übernahme der Kosten für den Besuch der T-Schule nach § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII scheide schon deshalb aus, weil die Klägerin durch den Besuch einer in Niedersachsen gelegenen Tagesbildungsstätte ihrer Schulpflicht nach nordrhein-westfälischem Schulrecht nicht genüge und mindestens an einer geeigneten Schule in Nordrhein-Westfalen angemessen beschult werden könne. Der Bescheid des Schulamtes verpflichte die Klägerin zwar nicht bindend zu einem Besuch der darin benannten N-Schule. Gleichwohl habe das Schulamt diese Schule als abstrakt geeignet festgestellt; gesundheitliche Gründe, die dieser abstrakten Eignung entgegenstünden, seien nicht erkennbar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
21Gegen das ihrer Bevollmächtigten am 28.06.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.07.2011 Berufung eingelegt. Sie trägt im Hinblick auf einen etwaigen Wechsel an die N-Schule ergänzend vor, sich auf neue Therapeuten kaum einlassen zu können und durch jegliche neue Umgebung und Umstellung in ihrem Entwicklungszustand weit zurückgeworfen zu werden. So habe sie nach einem Personalwechsel an der T-Schule bereits ein halbes Jahr und länger mit Schwierigkeiten kämpfen müssen. Die Konsequenzen eines Wechsels der Schule, der Bezugspersonen, der Therapeuten, des Schulprogramms, des Tagesablaufs sowie des Schulwegetransports seien für sie unzumutbar und dürften - im Anschluss an die zweitinstanzliche Beweisaufnahme, insbesondere ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M - zu einer deutlichen Entwicklungsverzögerung führen. Zudem sei die Autismus-Förderung an der T-Schule wesentlich differenzierter als auf der N-Schule. Ihre Eltern hätten vor der Einschulung mehrfach bei der N-Schule vorgesprochen und nach einer individuell angepassten Förderung gefragt. Ihnen sei mitgeteilt worden, dass man zum Entspannen lediglich den sog. Snoezelen-Raum aufsuchen würde, wenn sie - die Klägerin - nicht in der Lage sei, lange im Klassenverband zu bleiben. Das WIE habe die Auskunft erteilt, für die in Kooperation mit der N-Schule durchgeführte autismusspezifische Einzelförderung gebe es Wartelisten. Auch würden autistische Kinder in C, also außerhalb der N-Schule, gefördert, was mit einer zusätzlichen Fahrt verbunden wäre. Während langer Fahrtzeiten füge sie sich aufgrund von Wahrnehmungsstörungen jedoch häufig Schmerzen zu. Ferner könnten in der Regel nur ihre Eltern ihren Gesundheitszustand richtig einschätzen; selbst Ärzte seien bei der Diagnose auf deren Hilfe angewiesen. Im November/Dezember 2013 sowie im Januar 2014 hätten ihre Eltern sie dreimal krankheitsbedingt von der Schule abholen müssen.
22In der mündlichen Verhandlung hat die Bevollmächtigte der Klägerin klargestellt, weder Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII noch eine Übernahme von Fahrtkosten für den Schulbesuch geltend zu machen. Sie begehre vielmehr allein die Übernahme der Kosten für den Besuch der T-Schule.
23Die Klägerin beantragt,
24das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 16.06.2011 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 01.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 06.07.2010 zu verpflichten, die Kosten des Besuchs der T-Schule in C durch die Klägerin seit August 2010 zu übernehmen,
25hilfsweise, über folgende Beweisanträge Beweis zu erheben:
261. Was ist für die Klägerin zumutbar, erforderlich und geeignet - der Schulweg mit dem Bus und der gesamte Schultag inklusive Abfahrt und Ankunft zu Hause zur N-Schule in H oder das Äquivalent (Schulweg und gesamter Schultag) zur T-Schule?
272. Wie schnell müssen die Eltern im Falle eines medizinischen Notfalls der Klägerin vor Ort sein und wie lange dauert die Fahrt zwischen Wohnort und N-Schule bzw. der T-Schule für die Eltern werktags tagsüber tatsächlich? Die gleiche Frage des tatsächlichen Weges gilt für die Fahrt des Vaters der Klägerin von seinem Arbeitsplatz in E.
28Der Beklagte beantragt,
29die Berufung zurückzuweisen.
30Er hält daran fest, dass schon der Bescheid des Schulamts dem geltend gemachten Anspruch entgegenstehe; denn dieser regle verbindlich die von der Klägerin zu besuchende Schulform. Zudem könne die Klägerin durch den Besuch der Tagesbildungsstätte in Niedersachsen ihre Schulpflicht nicht erfüllen. Durch eine antragsgemäße Verurteilung würde der Beklagte gezwungen, entgegen Art. 20 Abs. 3 GG die fortgesetzte Begehung einer - rechtlich unstreitigen - Ordnungswidrigkeit zu finanzieren. Die N-Schule sei für die Klägerin trotz deren Behinderungen geeignet. Hinsichtlich der Klassengröße und des Betreuungsschlüssels bestünden keine signifikanten Unterschiede zur T-Schule. Die Fahrtzeit zur N-Schule sei nicht viel länger als zur T-Schule. Die vom Sachverständigen Prof. Dr. M bei einem Wechsel des vertrauten Umfelds oder der Bezugspersonen angenommene temporäre Entwicklungsverzögerung träte bei einem Wechsel zur N-Schule lediglich einmalig auf. Dies sei der Klägerin zumutbar; denn auch andere Ereignisse, beispielsweise eine stationäre Krankenbehandlung oder ein Wechsel/Ausfall der Beschäftigten der T-Schule, könnten jederzeit den gleichen Effekt auslösen.
31Die mit Beschluss vom 05.08.2013 Beigeladenen stellen keinen Antrag.
32Der Beigeladene zu 2 hält die T-Schule zur Beschulung der Klägerin für geeignet. Bezüglich seiner Angaben zu dortigen Beschulungsbedingungen sowie die Entwicklung der Klägerin wird auf die Stellungnahmen der Schulleiterin der T-Schule vom 11.11.2013 und 31.01.2013 verwiesen.
33Der Senat hat zunächst Befundberichte des Facharztes für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Dr. X und der Kinderärztin Dr. Q (SPZ) vom 13.09.2011 eingeholt. Ferner hat er die Klägerin betreffende Förderpläne und Zeugnisse sowie die Dokumentation des Fachdienstes für Autismus von der T-Schule beigezogen. Auf den Inhalt dieser Unterlagen wird Bezug genommen.
34Anschließend hat der Senat ein Gutachten des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Neurologie und Psychiatrie sowie Diplom-Psychologen Prof. Dr. M (Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Universitätsklinik L) vom 24.05.2012 nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 12.11.2012 und 08.04.2013 eingeholt. In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige seine gutachterlichen Ausführungen weiter erläutert. Wegen der Einzelheiten wird auf die schriftlichen Äußerungen des Sachverständigen sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
35Der Senat hat zudem den Zeugen L schriftlich sowie in der mündlichen Verhandlung zu den Rahmenbedingungen der Beschulung an der von ihm geleiteten N-Schule befragt. Insoweit wird auf dessen schriftliche Auskunft vom 24.09.2013 sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Darüber hinaus hat der Senat eine Stellungnahme des Zeugen L vom 24.04.2009 aus dem Verfahren L 20 SO 67/08 (LSG NRW) sowie den aktuellen Internetauftritt der N-Schule zum Gegenstand des Verfahrens gemacht; auch hierauf wird Bezug genommen.
36Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, des Schulamtes des Kreises H sowie der Streitakten (gleichen Rubrums) S 2 SO 204/10 ER (SG Detmold) bzw. L 20 SO 450/10 ER (LSG NRW) Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
37Entscheidungsgründe:
38Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
39A. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 01.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 (§ 95 SGG). Da der Beklagte darin den Antrag der Klägerin auf Übernahme von Kosten für den Besuch der T-Schule "ab dem (.) Schuljahr 2010/2011" vollständig und zukunftsoffen abgelehnt hat, ist Streitgegenstand in zeitlicher Hinsicht der gesamte Zeitraum vom Beginn des Schuljahres 2010/2011 (= August 2010) bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 52/06 R Rn. 12 m.w.N.).
40B. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG) statthafte (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 54 Rn. 20a ff., 38 ff.; BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R Rn. 9) und auch im Übrigen zulässige Klage ist begründet. Der Beklagte hat die Übernahme der Kosten für den Besuch der T-Schule ab Beginn des Schuljahrs 2010/2011 zu Unrecht abgelehnt. Die Klägerin kann vom Beklagten gemäß §§ 53 ff., 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 2 Eingliederungshilfeverordnung (EinglhVO) die Übernahme dieser Kosten ab August 2010 (= Beginn des Schuljahrs 2010/2011) beanspruchen (dazu im Folgenden). Sonstige Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht (dazu weiter unten).
41I. Der Beklagte - nicht hingegen der (als örtlicher Träger der Sozialhilfe) vorsorglich Beigeladene zu 1 - ist für die Erbringung der begehrten Leistungen sachlich und örtlich zuständig.
42Insofern mag insbesondere offen bleiben, ob es sich bei der T-Schule um eine teilstationäre Einrichtung handelt, für welche der Beklagte gemäß § 97 Abs. 2 S. 1 SGB XII i.V.m. §§ 1, 2 AG-SGB XII NRW i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1a AV-SGB XII NRW und § 98 Abs. 2 S. 2 SGB XII als überörtlicher Träger Hilfen zu erbringen hat (vgl. zur - dort allerdings im Ergebnis offen gelassenen - Frage der Qualifizierung einer Schule als teilstationäre Einrichtung BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R).
43Denn der Beklagte ist (unabhängig von einer etwaigen originären Zuständigkeit) jedenfalls gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 SGB IX sachlich und örtlich für die streitbefangenen Hilfen zuständig. Nach diesen Vorschriften stellt der Rehabilitationsträger, sofern Leistungen zur Teilhabe erbracht werden, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist (§ 14 Abs. 1 S. 1, 1. Halbsatz SGB IX). Hält er sich für unzuständig, so leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu (§ 14 Abs. 1 S. 2 SGB IX). Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der erstangegangene Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf selbst unverzüglich fest (§ 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX). Auf diese Weise wird eine nach außen verbindliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers geschaffen, welche sich auf sämtliche Rechtsgrundlagen erstreckt, die in der Bedarfssituation in Betracht kommen (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R m.w.N.).
44§ 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX ist vorliegend anwendbar. Denn die Träger der Sozialhilfe - und damit auch der Beklagte - sind nach §§ 6 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 5 Nr. 4 SGB IX Rehabilitationsträger für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Zu derartigen Leistungen gehören auch solche der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII (vgl. Luthe in jurisPK-SGB IX, § 55 Rn. 4).
45Auch die (weiteren) Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX sind erfüllt. Der Beklagte hat den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Kosten für den Besuch der T-Schule vom 20.11.2009 nicht gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags (20.11.2009) und im Übrigen auch nicht im Anschluss daran an den Beigeladenen zu 1 oder einen anderen aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet. Folglich ist er nach § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX nicht nur sachlich, sondern auch örtlich zuständig geworden; denn diese Vorschrift legt sowohl die sachliche als auch die örtliche Zuständigkeit fest (Luik in jurisPK-SGB IX, § 14 Rn. 45 unter Hinweis auf Welti in Luthe, Rehabilitationsrecht, 2009, S. 154) und verdrängt die Regelung des § 98 SGB XII (Luik, a.a.O. unter Hinweis auf Welti, a.a.O., LSG Schleswig-Holstein vom 09.11.2005 - L 9 B 268/05 SO ER).
46II. Die materiellen Voraussetzungen der §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 2 EinglhVO liegen ebenfalls vor.
47Nach §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII erhalten die in § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII genannten Personen Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu, wenn und solange nach den Besonderheiten des Einzelfalls Aussicht besteht, dass die Aufgaben der Eingliederungshilfe erfüllt werden. Dabei bleiben die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt (§ 54 Abs. 1 S. 1. 2. Halbsatz SGB XII). Was dabei unter dem Begriff "angemessene Schulbildung" zu verstehen ist, wird im Rahmen des SGB XII nicht definiert. Jedoch bestimmt § 12 Nr. 2 EinglH-VO, dass die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch Maßnahmen der Schulbildung umfasst, wenn diese erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen eine im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht üblicherweise erreichbare Bildung zu ermöglichen.
481. Die Klägerin gehörte aufgrund ihrer schwerwiegenden dauerhaften Behinderungen zu dem von § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX erfassten Personenkreis.
49Nach § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen Leistungen der Eingliederungshilfe. Die Klägerin leidet - was zwischen den Beteiligen auch unstreitig ist - unter einer solchen wesentlichen Behinderung; denn ihre körperlichen Funktionen und geistigen Fähigkeiten weichen aufgrund eines Pallister-Kilian-Syndroms mit globaler Entwicklungsverzögerung, frühkindlichen Autismus sowie Verdachts auf eine schwerste Intelligenzminderung von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand erheblich ab. Wegen dieser Behinderungen ist ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durchgehend und insbesondere auch in dem hier streitbefangenen Zeitraum seit Beginn des Schuljahrs 2010/2011 wesentlich beeinträchtigt. Der Senat folgt insoweit in erster Linie den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M in seinem Gutachten vom 24.05.2012. Dieser ist aufgrund eingehender Untersuchung der Klägerin und sorgfältiger Befunderhebung unter Berücksichtigung der übrigen aktenkundigen medizinischen Unterlagen zu seiner Beurteilung gelangt. Zudem decken sich die von ihm erhobenen Diagnosen im Wesentlichen mit denjenigen in den Befundberichten bzw. Arztbriefen der die Klägerin behandelnden Ärzte Dres. X und Q aus den Jahren 2010 und 2011. Im Übrigen besteht bei der Klägerin aufgrund der genannten Einschränkungen ein sonderpädagogischer Förderbedarf; ein solcher begründet ohnehin stets die Annahme einer wesentlichen Behinderung im vorgenannten Sinne (vgl. BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R).
502. Zu den - somit für die Klägerin in Betracht kommenden - Hilfen für eine angemessene Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII gehören auch die hier streitbefangenen Kosten für den Besuch der T-Schule.
51Der Qualifizierung der Übernahme von Beschulungskosten als "Hilfen" im gesetzlichen Sinne steht nicht entgegen, dass die Klägerin nicht eine die Schulbildung begleitende Maßnahme, sondern die Übernahme der (gesamten) Kosten für den Besuch der T-Schule als solche begehrt.
52a) Zwar ist der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule - und damit im Regelfall auch das Schulgeld, mit welchem der Unterricht finanziert wird - den Regelungen der Eingliederungshilfe grundsätzlich entzogen (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R). Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII. Spricht dieser - ebenso wie § 12 EinglhVO - gerade von "Hilfen", so erfasst er grundsätzlich nur Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung (in Ergänzung der Beschulung als solcher) geeignet und erforderlich sind, Behinderungsfolgen zu beseitigen und zu mildern. Dementsprechend betreffen die Regelbeispiele einer solchen Hilfe in § 12 EinglhVO nur die Schulbildung begleitende Maßnahmen (vgl. zu alledem BSG, a.a.O.).
53b) Gleichwohl verbleibt auch im Kernbereich der Schulbildung ausnahmsweise Raum für Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn nämlich der Besuch einer öffentlichen (und damit für den Sozialhilfeträger kostenfreien) Schule aus objektiven Gründen (z.B. wegen der räumlichen Entfernung vom Wohnort) oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist (so BVerwG, Beschluss vom 02.09.2003 - 5 B 259/02; vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 8 SO 30/10 R unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 13.08.1992 - 5 C 70/88, sowie Beschluss vom 02.09.2003 - 5 B 259/02).
54Der Klägerin war der Besuch einer öffentlichen Schule jedoch aus schwerwiegenden subjektiven Gründen schon seit August 2010 nicht möglich bzw. nicht zumutbar.
55aa) Maßstab hierfür ist vor allem die Aufgabe der Sozialhilfe, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht, und ihn so weit wie möglich zu befähigen, unabhängig von ihr zu leben (vgl. § 1 SGB XII; vgl. insoweit auch BVerwG, Urteil vom 13.08.1992 - 5 C 70/88). Insofern mag vorliegend offen bleiben, ab wann die Grenze der Unzumutbarkeit überschritten sein kann, wenn - wie hier - die Übernahme der Kosten für den Besuch einer nicht vom zuständigen Schulträger bereitgestellten Schule streitbefangen ist. Jedenfalls dann, wenn seitens des zuständigen Schulträgers keine Schule zur Verfügung steht, die den Hilfebedürftigen unter Berücksichtigung seiner Behinderungen im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII angemessen beschulen könnte, liegen schwerwiegende subjektive Gründe vor, welche Eingliederungshilfe durch Übernahme der (gesamten) Beschulungskosten ausnahmsweise zulassen.
56bb) So aber liegt es aber hier. Denn der Besuch der N-Schule - welche vom Beklagten sowie vom Schulamt des Kreises H als allein in Betracht kommende öffentliche Schule benannt wurde, und die mit Blick auf die räumlichen Verhältnisse auch die einzige in Nordrhein-Westfalen in Betracht kommende einschlägige Förderschule ist - ist der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer schwerwiegenden Behinderungen seit Beginn des Schuljahrs 2010/2011 und auch später nicht zumutbar (dazu weiter unten). Vielmehr konnte und kann sie lediglich an der T-Schule angemessen beschult werden. Allein diese Schule ist im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 2 EinglhVO geeignet und - mangels Zumutbarkeit des Besuchs der N-Schule - auch erforderlich, der Klägerin eine im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht üblicherweise erreichbare Bildung zu ermöglichen (dazu im Folgenden).
57(1) Dabei steht - anders als der Beklagte meint - der Geeignetheit der T-Schule nicht etwa der bestandskräftige Bescheid des Schulamtes vom 24.03.2009 entgegen. Dieser benennt zwar die N-Schule (lediglich) als nächstgelegene Förderschule mit dem Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung". Er trifft jedoch - was die Schulbehörde in ihrer späteren Stellungnahme vom 22.02.2011 auch ausdrücklich bestätigt - weder inzident eine den Beklagten bindende Entscheidung über die Eignung der N-Schule, noch weist er der Klägerin die N-Schule im Sinne von § 46 Abs. 6 SchulG NRW als Förderschule konkret zu. Dementsprechend hat das Schulamt auf Anfrage des Senats in dem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes L 20 450/10 B ER mit weiterem Schreiben vom 30.08.2010 ergänzend mitgeteilt, diese "Benennung" orientiere sich lediglich an den Bestimmungen zur Ausführung des § 97 Abs. 4 SchulG NRW bzw. der Schülerfahrkostenverordnung (SchfkVO) und bezeichne damit die örtlich nähere von zwei abstrakt für die Klägerin in Betracht kommenden Schulen im Kreis H. Eine Prüfung der Eignung der Schule unter behinderungsspezifischen Gesichtspunkten war damit jedoch nicht verbunden. Die Schulbehörden entscheiden zwar mit bindender Wirkung gegenüber dem Sozialhilfeträger, in welchem Umfang eine bestimmte Beschulung den geistigen und körperlichen Fähigkeiten eines behinderten Menschen entspricht, hingegen in der Regel nicht darüber, an welcher konkreten Schule die Beschulung zu erfolgen hat (vgl. hierzu den Beschluss des Senats vom 06.09.2010 - 20 SO 450/10 B ER). Aus schulrechtlichem Standpunkt verblieb der Klägerin vielmehr - was das Schulamt in der Stellungnahme vom 22.02.2011 selbst ausgeführt hat - letztlich ein Wahlrecht, welche geeignete Schule sie besuchen will.
58(2) Ebenso wenig steht einer Geeignetheit der T-Schule entgegen, dass die Klägerin durch den Besuch dieser niedersächsischen Tagesbildungsstätte ihrer Schulpflicht nach nordrhein-westfälischem Schulrecht nicht nachkäme.
59(a) Zwar können in Nordrhein-Westfalen Schulpflichtige ihre Schulpflicht grundsätzlich nur an öffentlichen Schulen, Ersatzschulen oder an nach § 118 Abs. 2 SchulG NRW anerkannten Ergänzungsschulen erfüllen (vgl. § 34 Abs. 5 S. 1 SchulG NRW). Insbesondere fehlt im SchulG NRW eine § 162 S. 1 Nieders. SchulG entsprechende Regelung, wonach Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen ihre Schulpflicht auch durch den Besuch einer anerkannten Tagesbildungsstätte erfüllen. Auch hat die zuständige Schulaufsichtsbehörde der Klägerin bislang keine Ausnahmegenehmigung (etwa nach § 34 Abs. 5 S. 3 SchulG NRW) erteilt und auch kein Ruhen der Schulpflicht (§ 40 Abs. 2 SchulG NRW) angeordnet.
60(b) Die nach niedersächsischem Recht erfolgte Erfassung der T-Schule als Tagesbildungsstätte kann indes (jedenfalls im Rahmen der Eingliederungshilfevorschriften) nicht ausschlaggebend sein. Der Senat hält vielmehr für entscheidend, dass der Bildungsauftrag der T-Schule (als Tagesbildungsstätte) inhaltlich mit dem Auftrag der in § 34 Abs. 5 S. 1 SchulG NRW genannten Schulen identisch ist. Vermittelt erstere nach ihrem gesamten Konzept inhaltlich wie die letzteren Wissen und Können an die Schülerinnen und Schüler, so leistet sie in der Sache eine ebenso geeignete Beschulung. Letztlich ist dies zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
61(c) Unabhängig hiervon ist die Erfüllung der Schulpflicht nach nordrhein-westfälischem Schulrecht ohnehin nicht Voraussetzung für Eingliederungshilfe als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Schon § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz SGB XII, wonach die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt bleiben, lässt schulrechtliche Verpflichtungen grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen Pflichten bestehen, ohne dass diese sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R). Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung sind vielmehr lediglich vorrangig an einer Einrichtung zu gewähren, durch deren Besuch der behinderte Mensch der allgemeinen Schulpflicht nach jeweiligem Landesrecht genügt.
62§ 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII lässt sich i.V.m. § 12 Nr. 2 EinglhVO und unter zusätzlicher Berücksichtigung des Nachranggrundsatzes (§ 2 Abs. 1 SGB XII) insofern entnehmen, dass nicht jedwede Hilfeleistung zu einer nach den Vorstellungen des behinderten Menschen bzw. seiner Erziehungsberechtigten bestmöglichen Schulbildung als Eingliederungshilfe verlangt werden kann. Vielmehr ist die schulische Förderung von Kindern nach Art. 7 Abs. 1 GG eine grundsätzlich allein den (öffentlichen) Schulträgern zugewiesene Aufgabe (BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 8 SO 30/10 R). Insbesondere besteht ein Ausschluss für die Übernahme von Schulkosten aufgrund der Gesetze der Länder, (zumindest) soweit die Schulbehörde der ihr möglichen vorrangigen Leistungsverpflichtung auch nachkommt (Voelzke, in Hauck/Noftz, SGB XII, 19. Erg.-Lfg. II/10, § 54 Rn. 44a; BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R). Steht hingegen fest, dass eine im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII angemessene Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht nicht zu erlangen ist, so kann unter dem Gesichtspunkt der Eingliederungshilfe die Übernahme von Kosten für eine anderweitige Beschulung des behinderten Menschen in Betracht kommen (LSG NRW, Urteil vom 15.05.2013 - L 20 SO 67/08; LSG Hessen, Urteil vom 22.11.2010 - L 9 SO 9/07 und zu § 35a SGB VIII; VGH Hessen, Urteil vom 20.08.2009 - 10 A 1799/08).
63Hierfür spricht schon der Wortlaut des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII, der keinen abschließenden Leistungskatalog möglicher Eingliederungshilfen enthält, sondern von Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung (nur) "insbesondere" im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht spricht. Zudem umfassen nach § 12 Nr. 2 EinglhVO Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung auch solche Maßnahmen der Schulbildung, die erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen eine "im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht" (lediglich) "üblicherweise erreichbare" Bildung zu ermöglichen. Insofern bildet die allgemeine Schulpflicht also nur den Vergleichsmaßstab dafür, in welchem Umfang bzw. in welchem Maße Leistungen der Eingliederungshilfe auch außerhalb der allgemeinen Schulpflicht erbracht werden können.
64Diese Lesart wird zudem durch Sinn und Zweck der Eingliederungshilfevorschriften gestützt. Diese sollen nicht vorrangig sicherstellen, dass der nach §§ 53 ff. SGB XII berechtigte Personenkreis seiner Schulpflicht gerecht wird, sondern dem behinderten Menschen nach dem Willen des Gesetzgebers die Integration in die Gesellschaft ermöglichen. § 53 Abs. 3 S. 1 SGB XII bestimmt insoweit als besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört vor allem, ihnen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder (auch nur), sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs. 3 S. 2 SGB XII). Mit Blick auf diese Ziele kann es jedenfalls dann nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, einem behinderten Menschen nach den - im Übrigen bundesrechtlichen - Eingliederungshilfevorschriften der §§ 53 ff. SGB XII eine angemessene Beschulung außerhalb der jeweiligen Landesgrenzen mit der Begründung zu versagen, dass dort die Schulpflicht nach landesrechtlichen Vorschriften nicht erfüllt werde, wenn das landesrechtliche Schul(pflicht-)system selbst eine angemessene Beschulung nicht sicherstellt (vgl. hierzu schon den Beschluss des Senats vom 15.08.2012 - L 20 SO 309/12 ER).
65(d) Auf ein etwaiges schulrechtliches Wahl- und Bestimmungsrecht des behinderten Menschen bzw. seiner Eltern kommt es in diesem Zusammenhang im Übrigen von vornherein nicht an. Ein solches Wahlrecht ist allenfalls dann von Bedeutung, wenn (wie in dem der Entscheidung des BVerwG vom 26.10.2007 - 5 C 35.06 zugrunde liegenden Sachverhalt) der Besuch zweier Schulen im Raume steht, welche beide in das System der allgemeinen Schulpflicht des betroffenen Bundeslandes integriert sind. Im vorliegenden Fall liegt jedoch allein die N-Schule in Nordrhein-Westfalen, während sich die T-Schule in Niedersachen befindet.
66cc) Ausgehend von den dargestellten Kriterien ist mit Blick auf die Formulierungen in § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII (" angemessene Schulbildung ") und § 12 Nr. 2 EinglhVO (" üblicherweise erreichbare Bildung ") in einem ersten Schritt festzustellen, welches konkrete Bildungsziel für den behinderten Menschen in Betracht kommt (so auch Voelzke a.a.O. Rn. 40a; dazu im Folgenden). Daran anschließend ist zu prüfen, ob dieses Ziel mit den Möglichkeiten, welche das öffentliche Schulsystem für den Betroffenen bereithält, in zumutbarer Weise verfolgt werden kann oder nicht (dazu weiter unten). Im Rahmen dieses zweiten Prüfungsschritts sind unter "bereithalten" die Leistungen oder Rahmenbedingungen zu verstehen, die das öffentliche Bildungssystem dem behinderten Menschen tatsächlich zur Verfügung stellt, oder die der Betroffene im Rahmen zumutbarer Bemühungen rechtzeitig realisieren kann (vgl. das Urteil des Senats vom 15.05.2013 - L 20 SO 67/08; Scheider in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2010, § 53 Rn. 71; Voelzke a.a.O. Rn. 44a mit Hinweis m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.06.2000 - 16 A 3108/99 Rn. 17 a.E. und Rn. 22).
67(1) Die für die Klägerin in Betracht kommenden Bildungsziele hat der Senat umfassend ermittelt; diese Bildungsziele werden an der von ihr besuchten T-Schule im Übrigen konsequent in geeigneter Weise verfolgt.
68(a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, namentlich den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M in seinen schriftlichen Äußerungen sowie seinen weiteren Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung, ist der Senat davon überzeugt, dass das für die Klägerin anzustrebende Bildungsziel seit Beginn des streitbefangenen Zeitraums weit unterhalb der Qualifikation eines formalen Bildungsabschlusses (wie etwa eines Hauptschulabschlusses) anzusiedeln ist. Die Klägerin wird aller Voraussicht nach basale Fähigkeiten wie Rechnen, Lesen und Schreiben nicht erlernen. Vielmehr liegen ihre Lernziele - den nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen vor allem in seiner Stellungnahme vom 08.04.2013 sowie seinen mündlichen Erläuterungen folgend - im Wesentlichen darin, kommunikative und interaktive Fähigkeiten zu erlernen bzw. zu verbessern, Alltagsfertigkeiten zu erwerben und auszubauen sowie ihre Selbstbeschäftigung zu fördern. Das betrifft konkret erstens das Erlernen und Anwenden von Symbolen und Symbolhandlungen durch Bilder und Piktogramme für verschiedene Alltagssituationen und Kommunikationsanlässe (= Bereich der Kommunikation und sozialen Interaktion), zweitens die bessere Koordination der Abläufe des Essvorgangs und Erlangung einer größeren Selbständigkeit bei den Mahlzeiten sowie die Verbesserung der Körperhygiene (= Bereich der Alltagsfähigkeiten), und schließlich drittens die Intensivierung der Erkundung der Umgebung sowie das Begreifen und Ausüben einfacher Spiele oder Beschäftigungen (= Bereich der Selbstbeschäftigung).
69(b) Die T-Schule, deren Schulkosten vorliegend im Streit stehen, ist im Sinne des § 12 Nr. 2 EinglhV geeignet, der Klägerin diese Bildungsziele erfolgversprechend zu vermitteln. Das gilt sowohl mit Blick auf die Schülerzahl, die Klassengröße und die sonstigen Rahmenbedingungen (insbesondere die Dauer der Anfahrt zur Schule) als auch auf die von der Schule vorgehaltenen pädagogischen und therapeutischen Angebote sowie das Förderkonzept. Dies steht unter Berücksichtigung der von der Leiterin der T-Schule beschriebenen dortigen Umstände der Beschulung sowie der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M fest und wird auch vom Beklagten nicht bestritten. Der Sachverständige ist insoweit in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08.04.2013 zu der Einschätzung gelangt, dass die T-Schule "in höchstem Maße" geeignet ist, die von ihm beschriebenen Lernziele zu fördern. Zweifel an dieser Beurteilung hat der Senat nicht. Sie erscheint insbesondere vor dem Hintergrund der vom Sachverständigen behinderungsbedingt für notwendig erachteten Rahmenbedingungen für die Beschulung der Klägerin sowie der diesbezüglichen Angaben der Schulleiterin der T-Schule in ihrer Stellungnahme vom 11.11.2013 sowie in der mündlichen Verhandlung schlüssig.
70(aa) Zwar kommt es nach den Feststellungen des Sachverständigen für die Beurteilung der Geeignetheit auf die Größe der T -Schule (nach den Angaben der Schulleiterin im Schuljahr 2013/2014 86 Schüler) und Klassen (5 bis 9 Schüler), die Dauer eines Schultags (von 8:00 Uhr bis 14:15 Uhr) sowie die Dauer der Fahrt zur Schule (ca. 17 Minuten) nicht entscheidend an. Im Hinblick auf den erheblichen Förderbedarf und die schnelle Überforderung der (u.a.) geistig schwerstbehinderten Klägerin bei Unruhe im Umfeld ist ihre adäquate Beschulung jedoch - den nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen folgend - nur dann möglich, wenn sie bei Bedarf kurzfristig aus der Klasse herausgenommen und ihr im Rahmen einer Einzelbetreuung (außerhalb oder innerhalb des Klassenraums) Möglichkeiten zum Stressabbau und Rückzug geboten werden können. Dass die T-Schule diesen Anforderungen gerecht wird, steht unter Zugrundelegung der Angaben der Schulleiterin vom 11.11.2013 fest. Danach wird jede Klasse konstant durch zwei Lehrkräfte sowie im Bedarfsfall durch zusätzliche Hilfskräfte betreut, die eine vorübergehende Einzelbetreuung der Klägerin jederzeit sicherstellen können.
71(bb) Darüber hinaus trägt das Konzept der T-Schule auch den Auswirkungen der bei der Klägerin bestehenden autistischen Störung und den insoweit von dem Sachverständigen nachvollziehbar für notwendig erachteten Beschulungsbedingungen hinreichend Rechnung.
72Der Sachverständige hat insofern (insbesondere in seiner ergänzenden Stellungnahme aus 12.11.2012) deutlich gemacht, dass die Klägerin einer konsequenten autismusspezifischen Förderung im Bereich der Schule bedarf, die nicht auf gelegentlich angebotene Einzelförderung im schulischen Kontext beschränkt sein, sondern sich zudem in der Gesamtkonzeption des Unterrichts und des schulischen Alltags widerspiegeln soll. Dabei sollten sämtliche Lehrer über grundlegende Kenntnisse und lerntheoretische Techniken (Verstärkung, Prompting, Fading), insbesondere der angewandten Verhaltensanalyse, im Umgang mit Kindern verfügen, welche unter einer Störung aus dem Autismusspektrum leiden. Das gilt nach den Ausführungen des Sachverständigen sowohl im Hinblick auf die soziale Interaktion und Kommunikation als auch auf die häufig begrenzten, repetitiven und stereotypen Verhaltensmuster solcher Kinder.
73Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Einschätzung des Sachverständigen. Sie erscheint vor allem mit Blick auf die von ihm in seinem Gutachten vom 24.05.2012 erhobenen Befunde, nach denen die Klägerin bereits im Schuljahr 2010/2011 unter einem frühkindlichen Autismus litt, schlüssig. Bestätigt werden diese Ausführungen im Übrigen durch den Zwischenbericht des EVK C vom 19.04.2010, in welchem Dres. C und Q (offenbar erstmals) eine tiefgreifende Entwicklungsstörung mit autistischen Zügen beschrieben haben. Zudem hat auch der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin bzw. Neuropädiatrie Dr. L1, der die Klägerin während einer stationären neuropädiatrischen Rehabilitation und damit über einen längeren Zeitraum beobachten konnte, in seinem Behandlungsbericht vom 09.07.2010 wesentliche Symptome eines frühkindlichen Autismus (u.a. kaum vorhandene Kontaktaufnahme, kaum Entwicklung von aktiver Sprache, zwanghafte Verhaltensweisen, stereotype Verhaltensmuster, Abhängigkeit von vorgegebenen Mustern und Ritualen sowie Selbststimulation durch Zufügen von Schmerzen) festgestellt.
74(cc) Dass die Klägerin mit Blick auf ihren frühkindlichen Autismus besonderer Förderung bedarf, welche über eine Einzelförderung im Rahmen zeitlich begrenzter Therapieeinheiten hinausgeht und sich in der Gesamtkonzeption des Unterrichts und des schulischen Alltags widerspiegeln soll, hat der Sachverständige nachvollziehbar dargelegt. Danach erfordern die soziale Interaktion und Kommunikation sowie die häufig begrenzten, repetitiven und stereotypen Verhaltensmuster von Kindern, die unter einer autistischen Störung leiden, u.a. besondere lerntheoretische Techniken sowie das Zerlegen komplexer Handlungsfolgen in möglichst kleine Teilschritte, welche jeweils möglichst genau und konsistent sowie operant verstärkt werden müssen. Zudem bedarf es klarer Strukturen und Abläufe sowie der Visualisierung durch vor allem Bilder, Postkarten oder Handzeichen, welche oft erfolgreicher sind als eine komplexe Sprache, subtile Mimik und Gestik.
75Diesen Anforderungen trägt die T-Schule in geeigneter Weise - wenn nicht sogar in besonderem Maße - Rechnung. Nach den Angaben der Schulleiterin in ihrer Stellungnahme vom 11.11.2013 fördert der dortige Fachdienst für Autismus-Spektrum-Störungen die Schüler/innen, welche aufgrund eines frühkindlichen Autismus einen spezifischen Unterstützungsbedarf haben, nicht nur in Form von Einzeltherapien während der Schulzeit. Vielmehr ist der gesamte Schulalltag durch klare Strukturen, individuell angepasste Orientierungshilfen (z.B. sog. TEACCH-Uhren) und unterstützte Kommunikation geprägt. Sämtliche Lehrkräfte, pädagogische Mitarbeiter und Therapeuten, welche an der T-Schule unterrichten bzw. Therapien durchführen, sind zum einen im Hinblick auf die Auswirkungen einer Störung aus dem Autismusspektrum auf die Entwicklung der betroffenen Schüler/innen unter besonderer Berücksichtigung von Interaktion, Kommunikation und Verarbeitung der Wahrnehmung geschult. Zum anderen verfügen sie über Kenntnisse zur unterstützten Kommunikation durch "TEACCH" (= Treatment and Education of Autistic and related Communication handicapped Children, dt.: Behandlung und pädagogische Förderung autistischer und in ähnlicher Weise kommunikationsbehinderter Kinder), autismusspezifischer Verhaltenstherapie und leichter Sprache. Dabei findet neben externen Fortbildungsangeboten eine kontinuierliche Beratung und Supervision der (Lehr-)Kräfte durch den Fachdienst statt, wobei u.a. in Abständen von zwei Monaten für alle Lehrkräfte, deren Klasse von einem Schüler mit einer Störung aus dem Autismusspektrum besucht wird, weitergehende vertiefende Schulungen erfolgen.
76(dd) Die Beurteilung des Sachverständigen, der zufolge die T-Schule nach ihrem Schulkonzept geeignet ist, die Klägerin unter Berücksichtigung ihres frühkindlichen Autismus angemessen zu beschulen, wird zudem bestätigt durch die vorliegenden Befund- bzw. Arztberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte. Diese sind übereinstimmend zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin auch unter Berücksichtigung ihrer autistischen Störung in der T-Schule beschult werden kann.
77(2) Der Besuch der T Schule ist seit Schulbeginn (August 2010) nicht nur geeignet, sondern auch im Sinne des § 12 Nr. 2 EinglhVO erforderlich, um die Klägerin angemessen zu beschulen; denn die vom Sachverständigen Prof. Dr. M beschriebenen Lernziele können seither mit den Möglichkeiten, welche das öffentliche Schulsystem in Nordrhein-Westfalen für die Klägerin bereit hält, nicht in zumutbarer Weise verfolgt werden.
78Zunächst, d.h. zumindest im Schuljahr 2010/2011, war das Förderkonzept der (von der Beklagten einzig als geeignet benannten) N-Schule nicht ausreichend, um den Behinderungen der Klägerin gerecht zu werden (dazu im Folgenden). Anschließend war der Klägerin jedenfalls ein Schulwechsel behinderungsbedingt nicht mehr zumutbar (dazu weiter unten).
79(a) Im Anschluss an die Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass die N-Schule jedenfalls im Schuljahr 2010/2011 zur Erreichung der beschriebenen Förderziele (noch) nicht geeignet war. Zwar mögen unter Zugrundelegung der schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M insbesondere die dortigen Schülerzahlen (nach den Bekundungen des Zeugen L im Verhandlungstermin seit dem Jahr 2010 zwischen ca. 180 und 169), die Klassenstärken (im Eingangsbereich sieben oder acht, später ca. zehn Schüler/innen), die tägliche Schulzeit (montags bis donnerstags 8.30 Uhr bis 15.00 Uhr, freitags bis 12.30 Uhr) und die Dauer des Schulwegs mit dem Schülerspezialtransport (maximal eine Stunde) einer dortigen Beschulung der Klägerin seit Schulbeginn nicht entgegenstehen. Auch bietet die N-Schule aufgrund ihres Betreuungsschlüssels in gleicher Weise wie die T-Schule die Möglichkeit, die Klägerin - wie vom Sachverständigen für notwendig erachtet - bei Bedarf kurzfristig aus der Klasse herauszunehmen und ihr im Rahmen einer Einzelbetreuung (außerhalb oder innerhalb des Klassenraums) Stressabbau und einen vorübergehenden Rückzug zu bieten. Der Senat legt insoweit ebenfalls die Angaben des Zeugen L in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 24.09.2013 sowie bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung zugrunde. Danach erfolgt ca. 85 % des Unterrichts in Anwesenheit von zwei Lehrkräften; zusätzlich werden je nach Bedarf weitere Hilfskräfte (in der Regel mindestens eine) eingesetzt, insbesondere Mitarbeiter/innen im freiwilligen sozialen Jahr und Integrationshelfer/innen, die bei entsprechender Veranlassung jederzeit Schüler/innen auch außerhalb des Klassenraums betreuen können.
80Indes wurde das Förderkonzept der N-Schule zumindest im Schuljahr 2010/2011 der (im Zusammenhang mit den weiteren individuellen Einschränkungen infolge des Pallister-Kilian-Syndroms zu berücksichtigenden) autistischen Störung der Klägerin (noch) nicht gerecht. Das gilt sowohl im Hinblick auf die Unterrichtsgestaltung als auch auf die insofern notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten der Lehrkräfte. Zwar hat der Zeuge L in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 24.09.2013 ausgeführt, dass an der N-Schule nicht nur eine autismusspezifische Einzelförderung (in der Regel zwei Therapiestunden pro Woche) stattfinde, sondern auch eine entsprechende Förderung nach dem TEACCH-Konzept während des Unterrichts und im schulischen Alltag. Bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung hat er jedoch klarstellend bekundet, das TEACCH-Konzept sei an der N-Schule erst im Laufe des Jahres 2011 und im Anschluss an eine (lediglich) eintägige Schulung der Lehrkräfte eingeführt worden; zuvor sei hingegen - wie von ihm in einer E-Mail an den Beklagten vom 02.11.2010 beschrieben - kein einheitliches innerschulisches Konzept für Schüler mit einer Störung aus dem Autismusspektrum angewandt worden. Im Übrigen entzog es sich der Kenntnis des Zeugen, in welchem Umfang die Lehrkräfte das erlernte TEACCH-Konzept (z.B. im Hinblick auf die notwendige Reduzierung verbaler Informationen) selbst gegenwärtig im Unterricht tatsächlich umsetzen. Dies zugrundelegend, fehlte es selbst nach dem Schuljahr 2010/2011 noch an konsequenter Beratung und Supervision der Lehrkräfte.
81(b) Es bedarf keiner abschließenden Klärung, ob die autismusspezifische Förderung jedenfalls in Folgeschuljahren an der N-Schule der spezifischen Behinderung der Klägerin hätte genügen können. Denn im Anschluss an ihre zu Recht an der T-Schule erfolgte Einschulung war ihr jedenfalls ein Wechsel zur N-Schule spätestens nach Absolvierung des ersten Schuljahrs (2010/2011) - wenn nicht schon (was der Senat offen lassen kann) nach Beendigung des Kindergartens B (Mitte des Jahres 2010) - aufgrund der Besonderheiten ihrer Behinderung, insbesondere mit Blick auf ihre autistische Störung, nicht mehr zumutbar.
82(aa) Der Senat legt seiner Beurteilung auch insoweit in erster Linie die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M zugrunde. Bereits in seinem Gutachten vom 24.05.2012 (daneben in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08.04.2013) ist er zu der Einschätzung gelangt ist, ein Schulwechsel würde bei der Klägerin mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer zeitweisen Verlangsamung der angestoßenen Lernprozesse führen; von einem solchen Wechsel hat er daher "klar abgeraten". Ergänzend hat er in seiner Stellungnahme vom 08.04.2013 einen Schulwechsel wegen der massiven Einschränkungen der Klägerin, ihrer autistischen Störung sowie ihrer aktuell sehr positiven Entwicklung aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht für nicht vertretbar gehalten. In der mündlichen Verhandlung hat er schließlich auf ausdrückliches Befragen erklärt, schon zur Zeit der Einschulung (im Jahr 2010) den Besuch der - dem zuvor besuchten Kindergarten B angegliederten - T-Schule für klar empfehlenswert gehalten zu haben (ob bereits allein dies einer Einschulung der Klägerin an der N-Schule entgegengestanden hätte, kann der Senat indes offen lassen).
83Auch diese Beurteilung des Sachverständigen zur Unzumutbarkeit eines Schulwechsels hält der Senat für überzeugend. Zwar konnte der Sachverständige auch in der mündlichen Verhandlung nicht konkreter angeben, mit welchen Rückschritten im Einzelnen ein solcher Wechsel bei der Klägerin verbunden wäre. Gleiches gilt für das zu erwartende Ausmaß der Rückschritte, namentlich die Zeit, welche die Klägerin benötigen würde, um sie wieder aufzufangen. Der Senat hält dies mit Blick darauf, dass das Pallister-Kilian-Syndrom - den Ausführungen des Sachverständigen folgend - eine äußerst seltene Erkrankung ist, die eine derartige Prognose nur schwer zulässt, indes für nachvollziehbar. Dass eine Umschulung bei der Klägerin jedenfalls mit erheblichen Rückschritten verbunden ist, welche - so die Ausführungen im Gutachten vom 24.05.2012 - mit Rücksicht auf die massiven Beeinträchtigungen der Klägerin und die enorme Bedeutung auch kleiner Entwicklungsschritte nicht vertretbar erscheint, hat der Sachverständige jedoch mit "großer Sicherheit" bejaht. Bedenken an der Richtigkeit dieser Einschätzung hat der Senat nicht. Der Sachverständige hat insofern unter Berücksichtigung der aktenkundigen medizinischen und psychologischen Berichte sowie der Schilderungen der Eltern der Klägerin schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass jeder räumliche Wechsel für ein Kind mit dem Beschwerdebild der Klägerin eine große Verunsicherung bedeutet, und dass er mit Eingewöhnungsschwierigkeiten sowie Rückschritten einhergeht, weil zunächst viel Anstrengung auf die Anpassung an die neue Situation verwendet werden muss.
84(bb) Bestätigt wird diese Einschätzung durch die Diplom-Psychologin M und die Erzieherin N (I Klinik I). Diese haben in ihrem neuropsychologischen Abschlussbericht vom 16.07.2010 u.a. wegen der autistischen Störung der Klägerin von einer Änderung des gewohnten Umfelds bzw. von einer Beschulung in der N-Schule dringend abgeraten. Auch der Arzt für Kinder- und Jugendmedizin Dr. X hat in seinem Befundbericht vom 13.09.2011 im Zusammenhang mit einem Wechsel von Schule und Therapeuten auf eine (mögliche) Gefährdung der bisher gemachten Fortschritte hingewiesen.
85(cc) Der Einschätzung des Sachverständigen steht auch nicht entgegen, dass der Schulbericht des Kindergartens B aus Oktober 2008 von einer gelassenen Reaktion der Klägerin auf kurzzeitige Veränderungen spricht. Denn diese temporären Erlebnisse (z.B. durch Besuch des Zoos bzw. Besuche außenstehender Personen in der Gruppe) erfolgten - den glaubhaften Angaben der Schulleiterin T1 in der mündlichen Verhandlung folgend - innerhalb einer damals sehr konstanten personellen Grundsituation der Kindergartengruppe und ihrer Betreuer/innen. Ein Wechsel der Schule wäre für die Klägerin jedoch nicht nur mit kurzzeitigen räumlichen Veränderungen, sondern - neben einem geänderten Schulwegetransport, Tagesablauf und Schulprogramm sowie Verlust der gesamten bisherigen Mitschüler/innen - insbesondere auch mit einem Austausch sämtlicher Lehr- und Betreuungskräfte und damit der maßgebenden Bezugspersonen verbunden, welche die Klägerin während des gesamten Schulalltags begleiten und fördern. Derartig einschneidende und vielschichtige Veränderungen sind im Übrigen - entgegen der Auffassung des Beklagten - von vornherein nicht vergleichbar mit Umständen wie einem stationären Krankenhausaufenthalt oder einem Wechsel bzw. Ausfall einzelner Lehrkräfte oder Betreuungspersonen, die naturgemäß in jedem Schulalltag vorkommen können.
86(c) War - zusammenfassend - der Klägerin aber ein Schulwechsel spätestens nach Absolvierung des ersten Schuljahres (Schuljahr 2010/2011) behinderungsbedingt nicht mehr zumutbar, so war ihr - selbst wenn die N-Schule wegen zwischenzeitlich erweiterter autismusspezifischer Lehrinhalte geeignet gewesen sein sollte, die Klägerin angemessen zu beschulen - ein Wechsel auf diese Schule aus schwerwiegenden subjektiven Gründen (s.o.) unmöglich bzw. unzumutbar. Der (weitere) Besuch der T-Schule war aus diesem Grund auch über das Schuljahr 2010/2011 hinaus erforderlich im Sinne des § 12 Nr. 2 EinglhVO.
87dd) Der Umstand, dass die Klägerin ihre Schulbildung an der T-Schule entgegen der angefochtenen Entscheidung des Beklagten aufgenommen und auf diese Weise vollendete Tatsachen geschaffen hat, steht der Übernahme der Kosten für den Besuch der T-Schule von vornherein nicht entgegen. Das gilt zumindest für das Schuljahr 2010/2011 schon deshalb, weil die N-Schule (deren Besuch der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden für angemessen erachtet hat) seinerzeit keine geeignete, auf die Besonderheiten der zusammenwirkenden Behinderungen der Klägerin abgestellte Förderung zur Verfügung hätte stellen können (s.o.). Für die Folgezeit aber war schon wegen Unzumutbarkeit eines Schulwechsels der weitere Besuch der T-Schule für die weitere Eingliederung der Klägerin unverzichtbar.
88Der Senat weicht insofern nicht von seinem früheren Urteil vom 15.05.2013 - L 20 SO 67/08 ab. Zwar ist dort ausgeführt, dass die dortige Klägerin keine Vorteile daraus ziehen darf, dass sie entgegen der von ihr angefochtenen Entscheidung des Beklagten ihre Schulausbildung zunächst an der T-Schule begonnen hat und nunmehr mangels Anspruchs auf Übernahme der Beschulungskosten auf die N-Schule wechseln muss. In jenem Fall ließ sich jedoch - anders als jetzt - nicht feststellen, dass die (insoweit beweispflichtige) dortige Klägerin an der N-Schule nicht hätte angemessen beschult werden können, und dass deshalb eine Umschulung unzumutbar wäre. Unterscheiden sich jener und der vorliegende Sachverhalt deshalb wesentlich, so kann im jetzigen Fall (bei dem kein Ermittlungsausfall vorliegt) offen bleiben, ob und inwiefern "Verschuldensgesichtspunkte" (die im Recht der Sozialhilfe einen zu deckenden Bedarf ohnehin grundsätzlich nicht entfallen lassen, sondern allenfalls unter engen Voraussetzungen eine Leistungseinschränkung bzw. einen Erstattungsanspruch nach sich ziehen können; vgl. § 26 bzw. § 103 SGB XII) hinsichtlich der getroffenen Schulwahl berücksichtigungsfähig sind.
893. Dem Anspruch der Klägerin auf Übernahme ihrer Beschulungskosten an der T-Schule als Eingliederungshilfe stehen sonstige Hindernisse nicht entgegen. Insbesondere verfügte die Klägerin durchgehend seit Schuljahresbeginn 2010/2011 weder über anzurechnendes Einkommen noch Vermögen (wobei letzteres bei den hier in Rede stehenden Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung ohnehin nicht anspruchsmindernd oder -ausschließend zu berücksichtigen wäre - vgl. § 92 Abs. 2 S. 2 i.V.m. S. 1 Nr. 2 i.V.m. SGB XII - und ersteres auf die Aufbringung der Mittel für die Kosten des Lebensunterhalts beschränkt wäre - vgl. § 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB XII -).
90C. Sonstige Anspruchsgrundlagen für eine Übernahme von Kosten im Zusammenhang mit der Beschulung der Klägerin existieren nicht.
91I. Leistungen der Eingliederungshilfe des Jugendhilfeträgers nach § 35a SGB VIII scheiden aus. Zwar mag der frühkindliche Autismus der Klägerin eine seelische Behinderung im Sinne des § 35a Abs. 1 und 3 SGB VIII sein; eine solche kann grundsätzlich zu einer Leistungszuständigkeit des Jugendhilfeträgers führen. Leidet die Klägerin jedoch zumindest auch unter einer wesentlichen geistigen Behinderung, ist nach der Abgrenzungsregelung des § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII der beklagte Sozialhilfeträger vorrangig zuständig (vgl. zu dieser Abgrenzung ausführlich etwa Urteil des Senats vom 18.01.2013 - L 20 SO 170/11 Rn. 59 ff. m.w.N.). Aus diesem Grund bedurfte es von vornherein keiner Beiladung des Jugendhilfeträgers.
92II. Schließlich wurde in der mündlichen Verhandlung für die Klägerin ausdrücklich klargestellt, dass Leistungen nach dem Dritten bzw. Vierten Kapitel des SGB XII (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 Rn. 18) nicht geltend gemacht werden.
93D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
94E. Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.
(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2010 wird zurückgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Im Streit ist die Übernahme von Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
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Der 1997 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an dem sogenannten Rubinstein-Taybi-Syndrom mit Absence-Epilepsie, verzögerter Entwicklung, Minderwuchs und geistiger Behinderung, verbunden mit Hyperaktivität und teilweiser Aggressivität. Er lebt seit seinem 4. Lebensmonat in einer Pflegefamilie, in die er direkt nach dem Klinikaufenthalt nach seiner Geburt aufgenommen wurde. Das staatliche Schulamt für den Landkreis G. und den V. stellte beim Kläger einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Sinne des Besuchs einer Schule für praktisch Bildbare fest und wies ihn zum 1.8.2005 der staatlichen M.-Schule in G. zu. Da die Pflegeeltern die sonderpädagogische Förderung des Klägers an der nach den Grundsätzen der anthroposophischen Heilpädagogik und der Waldorfpädagogik unterrichtenden privaten B.-Schule wünschten, erklärte das staatliche Schulamt gleichzeitig sein Einverständnis, den sonderpädagogischen Förderbedarf dort zu erfüllen, sofern die Frage der Kostenübernahme mit dem Schulverwaltungsamt des Kreisausschusses des Landkreises G. geklärt sei (Bescheid vom 31.5.2005). Nachdem die Pflegeeltern für den Kläger mit dem Träger der B.-Schule einen Schulvertrag ab 1.8.2005 abgeschlossen und dabei ein monatliches Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro vereinbart hatten, wurde der Kläger am 5.9.2005 in die B.-Schule eingeschult. Den vom Träger der Schule - nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) - namens und im Auftrag der Pflegeeltern gestellten Antrag auf Übernahme des Schulgelds lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 22.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 19.4.2006).
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Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts
Gießen vom 11.11.2008; Urteil des Hessischen LSG vom 22.11.2010) . Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Besuch der B.-Schule sei keine für eine angemessene Schulbildung des Klägers erforderliche Maßnahme. Hieran ändere auch die schulrechtliche Einstufung durch das staatliche Schulamt, an die der Sozialhilfeträger gebunden sei, nichts, weil eine Zuweisung nur an die staatliche M.-Schule erfolgt sei, während der Besuch der B.-Schule ausschließlich als mögliche Beschulungsalternative gestattet worden sei. Beide Schulen seien geeignete Förderschulen zur Erfüllung des besonderen sonderpädagogischen Bedarfs des Klägers. Auch das Elternrecht aus Art 6 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) biete als Abwehrrecht keinen Anspruch auf Vermittlung pädagogischer Lehrinhalte und Bildungsziele außerhalb öffentlicher Schulen. Ein Anspruch könne auch nicht aus Art 7 Abs 4 Satz 1 GG hergeleitet werden, weil insoweit nur das private Ersatzschulwesen geschützt werde, nicht jedoch auch das Recht der Eltern, eine private Ersatzschule kostenfrei zu wählen.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII und § 12 Eingliederungshilfeverordnung (Eingliederungshilfe-VO) und macht Verfahrensfehler geltend. Zu Unrecht gehe das LSG davon aus, dass der Besuch einer privaten Förderschule und der damit verbundene Schulgeldaufwand bei Bestehen einer gleichwertigen kostenfreien Beschulungsmöglichkeit nicht erforderlich iS von § 12 Eingliederungshilfe-VO sei. Zwar hätte sein schulischer Förderbedarf auch durch den Besuch der M.-Schule sichergestellt werden können; das Berufungsgericht lasse aber unberücksichtigt, dass die Pflegeeltern mit ihrer Auswahlentscheidung den von den staatlichen Schulbehörden eingeräumten Rahmen mit einer für den beklagten Sozialhilfeträger ebenso verbindlichen Weise ausgefüllt hätten, wie dies durch eine förmliche Zuweisung der Schulbehörden geschehen wäre. Folge man der Auffassung des LSG liefen das eingeräumte Wahlrecht und letztlich die Bestimmung des § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII leer, wenn Eltern die mit dem Schulbesuch verbundenen Kosten nicht aufbringen könnten. Sei schulrechtlich eine Wahlfreiheit zwischen öffentlicher Förder- und privater Ersatzschule eröffnet, setze eine generelle Beschränkung der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung auf den Besuch öffentlicher Schulen nach der Rechtsprechung des 6. Senats des LSG (Urteil vom 18.8.2010 - L 6 SO 5/10) verfassungsrechtlich eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers voraus. Durch den unterlassenen Hinweis, dem 6. Senat nicht folgen zu wollen, habe das LSG das rechtliche Gehör verletzt (Überraschungsentscheidung). Auch habe sich das LSG nicht mit dem Vortrag auseinandergesetzt, dass der Beklagte mit seiner (des Klägers) Beschulung in der B.-Schule einverstanden gewesen sei und sich hieraus die Verpflichtung ableite, auch für die entstehenden Beschulungskosten einzustehen. Unterblieben sei schließlich die Prüfung, ob eine Aufnahme in die M.-Schule nicht an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre.
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Auffassung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
) . Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des monatlichen Schulgelds in Höhe von 303,92 Euro bzw in Höhe des für Oktober 2009 maßgeblichen Teils davon für den Besuch der B.-Schule.
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zulässigerweise nur der Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 (§ 95 SGG) über die Ablehnung der Übernahme des Schulgelds als abgrenzbaren Streitgegenstand im Rahmen der Eingliederungshilfe. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG). Sozial erfahrene Dritte waren vor Erlass des Widerspruchsbescheids nicht zu beteiligen (§ 116 Abs 2 SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 iVm § 8 Abs 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
vom 20.12.2004 - GVBl 488) . Nicht Streitgegenstand sind Leistungen für den Lebensunterhalt, auch nicht im Rahmen des sog Meistbegünstigungsprinzips, wonach zur Sicherstellung einer möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte (§ 2 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil -; vgl dazu: Voelzke in juris PraxisKommentar SGB I, 2. Aufl 2011 - online -, § 2 RdNr 26; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB I, K § 2 RdNr 44, Stand Dezember 2005) , Anträge bzw Rechtsbehelfe ohne Bindung an den Wortlaut nach dem wirklichen Willen des Antragstellers auszulegen sind (BSG SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 13); denn eine abweichende Festlegung des Bedarfs wegen der Verpflichtung zur Zahlung des Schulgelds (§ 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII) kommt ohnedies nicht in Betracht (siehe dazu unten).
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Nach § 53 Abs 1 Satz 1(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) iVm § 54 Abs 1 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch; für die Zeit ab 5.8.2009 in der Normfassung des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.7.2009 - BGBl I 2495) erhalten Personen, die durch eine Behinderung iS von § 2 Abs 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
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Vorliegend ist es schon fraglich, ob der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs 1 HAG/SGB XII idF des Gesetzes vom 20.12.2004) für den streitigen Anspruch auf Übernahme des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe der sachlich zuständige Sozialhilfeträger ist. Abweichend von § 100 Bundessozialhilfegesetz(BSHG; in der nach Art 68 Abs 2 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch bis 31.12.2006 fortgeltenden Fassung) bzw ab 1.7.2007 § 97 Abs 3 Nr 1 SGB XII (Art 70 Abs 2 S 6 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) regelt § 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm § 2 Abs 1 Nr 1 HAG/SGB XII(bis 31.6.2006 in der nach § 13 Abs 3 HAG/SGB XII bestimmten Fassung) die sachliche Zuständigkeit von örtlichem bzw überörtlichem Sozialhilfeträger. Danach ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII nur sachlich zuständig, sofern diese in einer Einrichtung zur stationären oder teilstationären Betreuung zu gewähren sind. Eine (teilstationäre) "Einrichtung" im Sinne des SGB XII (§ 13 SGB XII)ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und Leistungen der Sozialhilfe erbringt (BVerwGE 95, 149, 152; Bundesverwaltungsgericht
, Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 42/91 -, FEVS 45, 52 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 13/91 -, FEVS 45, 183 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 17/91 -, ZfSH/SGB 1995, 535 ff; BSGE 106, 264 ff RdNr 13 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2) .
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Ob eine Schule (anders als etwa die der Schule angegliederte Behinderteneinrichtung) eine teilstationäre Einrichtung in diesem Sinne ist, insbesondere Leistungen der Sozialhilfe erbringt (vgl dazu BVerwGE 48, 228, 231, das zwischen allgemeinen Schulen und Schulen unterscheidet, in denen über die bloße Vermittlung des Lernstoffs hinaus ein besonderes Maß an Betreuung erforderlich ist), ist zweifelhaft, wobei es für die Ablehnung der Leistung wegen Unzuständigkeit genügt, dass Sozialhilfeleistungen geltend gemacht werden. Für die Begründung der sachlichen Zuständigkeit ist es jedenfalls nicht - wie der Beklagte meint - ausreichend, dass er aufgrund langjähriger Praxis bei Pflegefamilienverhältnissen (im Rahmen des § 97 Abs 5 SGB XII) auch die Begleitkosten übernimmt, sofern diese übernahmefähig sind. Eine solche Annex-Kompetenz, wie sie etwa § 2 Abs 2 HAG/SGB XII(in der bis 31.12.2006 geltenden Fassung) vorsieht, setzt nämlich die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers für die im Rahmen eines Pflegefamilienverhältnisses zu erbringende Eingliederungshilfe voraus, an der es vorliegend fehlen könnte. Im Ergebnis kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, weil der Kläger auch bei unterstellter sachlicher Zuständigkeit des Beklagten keinen Anspruch auf die im Streit stehende Leistung hat.
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Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII für eine Pflichtleistung. Die Voraussetzungen für eine Behinderung nach § 2 Abs 1 SGB IX sind erfüllt, wenn die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach den Feststellungen des LSG liegt eine solche Behinderung vor.
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Die geistige Behinderung ist auch wesentlich. Wann dies der Fall ist, ist § 2 Eingliederungshilfe-VO zu entnehmen, wonach eine wesentliche Behinderung vorliegt, wenn infolge einer Schwäche der geistigen Kräfte in erheblichem Umfang die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft eingeschränkt ist. Dies richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls und hängt deshalb von sehr unterschiedlichen, durch die individuelle Behinderung geprägten Umständen ab (BVerwG Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr 12 S 2). Insoweit ist wie bei der Prüfung der Behinderung auch ihre Wesentlichkeit wertend auszurichten, insbesondere an den Auswirkungen für die Eingliederung in die Gesellschaft. Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt (vgl BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Stehen - wie hier - die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme des Klägers am Unterricht in einer allgemeinen (Grund-)Schule entgegen (vgl auch BVerwG, Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02), weil Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können, und erfordert die geistige Behinderung deshalb einen sonderpädagogischen Förderbedarf, um die mögliche Vermittlung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten überhaupt erst zu ermöglichen, ist die Behinderung nach den oben aufgezeigten Grundsätzen wesentlich; denn eine Grundschulbildung bildet die essentielle Basis für jegliche weitere Schullaufbahn (vgl: BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8; BSGE 109, 199 ff RdNr 22 = SozR 4-2500 § 33 Nr 37).
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Gehört der Kläger danach zwar zu dem leistungsberechtigten Personenkreis, scheitert ein Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds aber daran, dass es sich insoweit nicht um eine Leistung der Eingliederungshilfe handelt. Nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Erfasst sind von dem Wortlaut der Vorschrift ("Hilfen") nur Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSGE 110, 301 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Dies bestätigt auch § 12 Eingliederungshilfe-VO, der seinerseits nur von "Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung" spricht. Die von dieser Hilfe nach § 12 Eingliederungshilfe-VO (auch) erfassten Regelbeispiele betreffen dementsprechend nur die Schulbildung begleitende Maßnahmen. Die Schulbildung selbst, also der Kernbereich der pädagogischen Arbeit, der sich nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmt, obliegt hingegen allein den Schulträgern. Art 7 Abs 1 GG überträgt dem Staat einen (außerhalb des Sozialhilferechts liegenden) eigenständigen Unterrichts- und Bildungsauftrag im Schulbereich (BSG, aaO, RdNr 21; BVerfGE 47, 46, 71 f; 98, 218, 241).
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Dass der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule den Regelungen über die Eingliederungshilfe entzogen ist, bestätigt § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII dadurch, dass die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht(hier: Art 56 ff Hessische Landesverfassung iVm dem Hessischen Schulgesetz idF vom 14.6.2005 - GVBl 441) unberührt bleiben sollen. Die schulrechtlichen Verpflichtungen bestehen also grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen (BSG aaO). Auch das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 13.8.1992 - 5 C 70/88 - (Buchholz 436.0 § 11 BSHG Nr 16 S 3) ausgeführt, dass der Staat mit der Einrichtung der öffentlichen Grundschulen seinen Bildungs- und Erziehungsauftrag aus Art 7 Abs 1 GG nachkomme und die Schulgeldfreiheit aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialhilferechts gefunden habe, sodass für einen Rechtsanspruch gegen den Sozialhilfeträger zur Deckung eines im Grundschulalter angemessenen Bildungsbedarfs Aufnahmebeiträge und monatliches Schulgeld für den Besuch einer privaten Grundschule als Sozialhilfeleistung nicht zu übernehmen seien. Dabei ist das BVerwG in Bezug auf die erforderliche Hilfe nicht von einer nach Maßgabe des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe zu lösenden Anspruchskonkurrenz, sondern von einem Verhältnis der "Spezialität" ausgegangen, wobei es eine Ausnahme von diesem Grundsatz für möglich hielt, wenn der Besuch einer öffentlichen Grundschule aus objektiven Gründen (zB wegen ihrer räumlichen Entfernung vom Wohnort) oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Diese Rechtsprechung hat das BVerwG auch für Leistungen der Eingliederungshilfe bestätigt (Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02) und ausdrücklich ausgeführt, dass ein nachrangiges Eintreten der Sozialhilfe (nur) für solche Bedarfe nicht ausgeschlossen sei, die nicht in der Deckung des unmittelbaren Ausbildungsbedarfs im Rahmen der Schulpflicht bestünden, sondern damit lediglich - mehr oder weniger eng - zusammenhingen, etwa wie bei der Bereitstellung eines Integrationshelfers für behinderte Kinder an Regelschulen.
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Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe. Zu dem Kernbereich der Schule gehören alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen Lehrziele zu erreichen, in erster Linie also der (unentgeltliche) Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen Kenntnisse vermitteln soll. Damit unterliegt auch das vom Kläger begehrte Schulgeld unmittelbar diesem Kernbereich, weil die Übernahme des Schulgelds die von der Schule selbst zu erbringende Leistung, also den Unterricht, finanziert, mithin den schulischen Bildungsauftrag erfüllt und keine bloß unterstützende Leistung im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung darstellt. Wie die Entscheidung des Schulamts auszulegen ist und inwieweit sie auch für den Beklagten Bindungswirkung entfaltet (vgl dazu BVerwGE 130, 1 ff), ist danach ohne Belang. Ebenso spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass sich der Beklagte mit der Beschulung in die B.-Schule einverstanden erklärt hat. Die Ausübung eines Wahlrechts, welche Schule besucht wird, hat nicht zur Folge, dass der Sozialhilfeträger ein etwaiges Schulgeld zahlen müsste.
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Schulgeld wäre - abgesehen davon, dass es hier nicht Streitgegenstand ist (siehe oben) - auch nicht nach den Regelungen des Dritten bzw Vierten Kapitels des SGB XII zu erbringen. Entsprechende Leistungen könnten ggf zwar durch eine abweichende Festlegung des Regelsatzes nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII in der bis 31.12.2010 geltenden alten Fassung erbracht werden, dies würde aber voraussetzen, dass der Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abwiche. Der auf das Schulgeld gerichtete höhere Bedarf des Klägers wäre aber nicht unabweisbar. Nach den Feststellungen des LSG besteht für den Kläger eine gleichwertige und unentgeltliche Möglichkeit des Schulbesuchs an der Schule für praktisch Bildbare.
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Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht schon darin zu sehen, dass das LSG - ohne ausdrücklichen Hinweis - einer Entscheidung eines anderen Senats desselben Gerichts nicht folgt. Da der Kläger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung des Schulgelds hat, erübrigt sich im Übrigen - weil absolute Revisionsgründe nicht geltend gemacht werden - ein weiteres Eingehen auf den vermeintlichen Verfahrensfehler. Gleiches gilt für die behauptete Gehörsverletzung durch Übergehen des Vortrags, der Beklagte habe sich mit der Beschulung in der B.-Schule einverstanden erklärt (dazu auch oben). Soweit schließlich moniert wird, das LSG habe nicht geprüft, ob die Aufnahme in der M.-Schule an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre (Verletzung der Amtsaufklärungspflicht; § 103 SGG), hätte dargelegt werden müssen (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG), warum sich das LSG - trotz Zuweisung des Klägers in die M.-Schule und Streitgegenstandsbegrenzung auf die Eingliederungshilfe - hätte gedrängt fühlen müssen, entsprechende Ermittlungen anzustellen. Für die Eingliederungshilfe wäre jedenfalls eine entsprechende Klärung ohne Bedeutung.
(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.
(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.
(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.
(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.
(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.
(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. November 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Im Streit ist die Erstattung von Kosten für die Fortführung einer Maßnahme ("Montessori-Therapie") in der Zeit vom 1.1. bis 31.7.2006.
- 2
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Die 1998 geborene Klägerin litt an einer rezeptiven und expressiven Sprachentwicklungsverzögerung mit auditiver Gedächtnisschwäche und wurde deshalb vom Beklagten ab Mitte 2003 bis zum Ende der Kindergartenzeit Ende Juli 2005 durch die Übernahme von Kosten für eine (nicht ärztlich verordnete) "Montessori-Einzeltherapie" gefördert. Auch nach Einschulung der Klägerin in die Regelschule übernahm der Beklagte die Kosten einer Stunde "Montessori-Einzeltherapie" pro Woche für die Zeit vom 19.9. bis 31.12.2005, lehnte jedoch die Kostenübernahme für die Fortführung der Maßnahme ab 1.1.2006 mit der Begründung ab, dass Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) nur für begleitende Hilfen in Betracht komme, während pädagogische Maßnahmen wie die durchgeführte Montessori-Therapie in den Verantwortungsbereich der Schule fielen (Bescheid vom 30.9.2005; Widerspruchsbescheid vom 13.4.2006). Die Kosten der in der Zeit vom 1.1. bis 31.7.2006 durchgeführten Therapiestunden haben daraufhin die Eltern der Klägerin getragen.
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Das Sozialgericht (SG) hat der auf Erstattung dieser Kosten in Höhe von 1181,50 Euro gerichteten Klage - weil die Maßnahme sowohl therapeutische als auch pädagogische Elemente enthalte - nur teilweise entsprochen und den Beklagten verurteilt, der Klägerin "für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 2006 Eingliederungshilfe für die durchgeführte Montessori-Therapie in Höhe von 590,75 Euro zu gewähren" (Urteil vom 21.10.2008). Auf die Berufungen beider Beteiligten hat das Landessozialgericht (LSG) den Beklagten unter Zurückweisung von dessen Berufung verurteilt, der Klägerin die gesamten Kosten in Höhe von 1181,50 Euro zu erstatten (Urteil vom 18.11.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Pflicht zur Übernahme der Kosten ergebe sich aus § 19 Abs 3 SGB XII iVm § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII, § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII und § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-Verordnung (Eingliederungshilfe-VO). Es habe sich bei der Therapie um eine heilpädagogische oder sonstige geeignete und erforderliche Maßnahme gehandelt, die der Klägerin den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht habe ermöglichen oder erleichtern sollen. Der Nachranggrundsatz (§ 2 Abs 1 SGB XII)stehe der Leistungspflicht nicht deshalb entgegen, weil die Montessori-Therapie auch pädagogische Elemente enthalte; sie sei nach den landesrechtlichen Vorschriften des Schulrechts nicht dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit im Sinne des schulischen Erziehungs- und Bildungsauftrags zuzurechnen. Schließlich stehe der Gewährung der Eingliederungshilfe nicht entgegen, dass die Eltern der Klägerin die Therapie bereits bezahlt hätten.
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Mit der Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 2 Abs 1 SGB XII. Nach § 15 Abs 4 Schulgesetz für Baden-Württemberg sei die Förderung behinderter Schüler Aufgabe der Schule selbst, sodass diese für Hilfen zur angemessenen Schulbildung eintrittspflichtig sei. Unzutreffend sei die Feststellung des LSG, es handele sich bei der Montessori-Therapie um eine begleitende, nicht um eine sonderpädagogische Maßnahme. Das LSG habe insoweit sowie zur Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten und seine Amtsermittlungspflicht verletzt, weil es die Feststellungen der Therapeutin und des Sachverständigen kritiklos übernommen und sich damit ua auf die Ausführungen eines Diplom-Psychologen gestützt habe, der weder durch Habilitation noch durch Promotion eine besondere wissenschaftliche Qualifikation nachweisen könne.
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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin aufzuheben und das Urteil des SG unter vollständiger Abweisung der Klage abzuändern.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurück-verweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
) . Es fehlen ausreichende Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) für ein abschließendes Urteil.
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Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 30.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.4.2006 (§ 95 SGG), soweit darin die Übernahme von Kosten (1181,50 Euro) für eine in der Zeit vom 1.1. bis 31.7.2006 durchgeführte Therapie (Montessori-Einzeltherapie) abgelehnt worden ist. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4, § 56 SGG).
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Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Insbesondere ist weder eine Beiladung der für die Klägerin zuständigen Krankenkasse (KK) noch eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe noch der Therapeutin der Klägerin erforderlich. Nach § 75 Abs 2 Satz 1 1. Alt SGG sind Dritte nämlich (nur) beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (echte notwendige Beiladung); diese Voraussetzungen sind für keinen der Bezeichneten erfüllt. Über eine unechte notwendige Beiladung war mangels Rüge im Revisionsverfahren (s zu dieser Voraussetzung nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 75 RdNr 13b mwN) nicht zu befinden.
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Eine notwendige Beiladung der KK im Hinblick auf § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) scheidet aus(vgl zur notwendigen Beiladung wegen unterlassener Weiterleitung des Antrags an den "eigentlich zuständigen" Träger der Teilhabeleistung nur BSGE 93, 283 ff RdNr 6 ff = SozR 4-3250 § 14 Nr 1). Die durchgeführte Maßnahme stellt keine Leistung zur Teilhabe iS der §§ 4, 5 Nr 1, 14 SGB IX dar; denn die KKen sind abweichend von den Vorschriften des SGB IX (vgl § 7 SGB IX) nur unter den Voraussetzungen des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (
vgl § 11 Abs 2, §§ 40 ff SGB V) zur Erbringung medizinischer Rehabilitationsleistungen verpflichtet (BSGE 98, 277 ff RdNr 18 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4). Trotz des Aspektes bzw des Ziels der (Wieder-)Herstellung der Gesundheit haben jedoch nicht alle Maßnahmen des SGB V rehabilitativen Charakter in einem Sinn, der dem Verständnis des SGB V über eine Teilhabeleistung entspricht. Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob der Begriff der Teilhabeleistung des § 14 SGB IX eigenständig (weit) oder (nur) nach dem Verständnis des SGB V auszulegen ist. Vorliegend gehörte die durchgeführte Maßnahme ohnedies nicht zum Leistungskatalog des SGB V, sodass schon deshalb keine Zuständigkeit des Beklagten nach § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX eingetreten ist und eine echte notwendige - ebenso wie im Übrigen eine unechte - Beiladung der KK ausscheidet.
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Ein Kostenerstattungsanspruch für eine vom Versicherten selbstbeschaffte Leistung des SGB V würde voraussetzen, dass diese allgemein als Sach- oder Dienstleistung hätte erbracht werden müssen. Wie das LSG zu Recht erkannt hat, liegen die Voraussetzungen für einen Sachleistungsanspruch auf Gewährung der durchgeführten Therapie im Jahre 2006 nicht vor. Nach den insoweit unangefochtenen Tatsachenfeststellungen des LSG käme, weil die Therapie nicht von ärztlichen Fachkräften erbracht worden ist, allenfalls eine medizinische Dienstleistung in der Gestalt eines Heilmittels iS des § 32 SGB V(zum Heilmittelbegriff s: BSGE 88, 204, 206 ff = SozR 3-2500 § 33 Nr 41 S 229 ff; BSGE 96, 153 ff RdNr 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7) in Betracht.
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Der Heilmittelanspruch eines Versicherten (§ 11 Abs 1 Nr 4, § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und Nr 3 SGB V)unterliegt jedoch den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Insoweit sind neue Heilmittel grundsätzlich nur dann von der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien (RL) nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V über die Versorgung mit Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-RL) Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat(§ 138 SGB V). Die Beurteilung der Neuheit eines Heilmittels richtet sich unter formalen Gesichtspunkten danach, ob es nach dem Stand der Beschlüsse des GBA bei Inkrafttreten des § 138 SGB V (am 1.1.1989) Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung war oder seitdem einbezogen worden ist (Bundessozialgericht
SozR 3-2500 § 138 Nr 2 S 26, 28 und 31; BSGE 94, 221 ff RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25). Dies trifft für die Montessori-Therapie nicht zu, wie den Heilmittel-RL zu entnehmen ist, in die sie als verordnungsfähige Leistung nicht aufgenommen wurde; sie ist mithin als mögliches Heilmittel neu. Der GBA hat demgemäß in einem zusammenfassenden Bericht des Unterausschusses "Heil- und Hilfsmittel" des Bundesausschusses vom 18.5.2005 über die Beratungen gemäß § 138 SGB V zur konduktiven Förderung nach Petö(abgerufen über das Internet am 15.5.2012 über http://www.g-ba.de/downloads/40-268-256/2005-05-18-Abschluss-Petoe.pdf ) auch ausgeführt, die Wirksamkeit der Montessori-Therapie sei in wissenschaftlichen Studien nicht eindeutig belegt (S 165). Die somit notwendige Empfehlung für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung fehlt. Zudem mangelt es an der nach § 73 Abs 2 Nr 7 SGB V vorausgesetzten ärztlichen Verordnung(s dazu BSGE 73, 271 ff = SozR 3-2500 § 13 Nr 4), sodass es auf einen eventuellen indikationsbezogenen Ausschluss über § 32 Abs 1 Satz 2 SGB V in den Heilmittel-RL nicht mehr ankommt.
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Ein Anspruch aus § 43a SGB V(in der im streitbefangenen Zeitraum geltenden Fassung; Abs 2 wurde erst mit Wirkung ab 23.7.2009 eingeführt) scheidet von vornherein aus. Danach haben versicherte Kinder (nur) Anspruch auf nichtärztliche sozialpädiatrische, insbesondere auch psychologische, heilpädagogische und psychosoziale Leistungen, wenn sie unter ärztlicher Verantwortung erbracht werden und erforderlich sind, um eine Krankheit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und einen Behandlungsplan aufzustellen. Nach den insoweit unangegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG diente die Maßnahme jedoch weder der Früherkennung noch stand sie unter ärztlicher Verantwortung. Es kann dahinstehen, ob der Senat an diese Feststellung entgegen § 163 SGG deshalb nicht gebunden ist, weil sie im Rahmen der von Amts wegen zu überprüfenden Beiladungsnotwendigkeit von Bedeutung ist(s dazu nur Leitherer, aaO, § 163 RdNr 5b mwN); denn diese Feststellung des LSG ist in der Sache ohnedies nicht zu beanstanden.
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Eine Beiladung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe als "eigentlich zuständigen" Rehabilitationsträgers iS des § 6 Abs 1 Nr 6 SGB IX im Hinblick auf § 14 SGB IX dürfte schon deshalb ausscheiden, weil der Beklagte auch der nach §§ 69, 85, 86 Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) iVm § 1 Kinder- und Jugendhilfegesetz für Baden-Württemberg (LKJHG) vom 14.4.2005 (Gesetzblatt
376) - zur Überprüfung des Landesrechts ist der Senat entgegen § 202 SGG iVm § 560 Zivilprozessordnung (ZPO) mangels Berücksichtigung durch das LSG befugt(vgl nur das Senatsurteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/10 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 14 mwN) - für die einzig denkbare Leistung des § 35a SGB VIII als Jugendhilfeträger zuständig sein dürfte. Einer genaueren Überprüfung, ob nach den Vorschriften der §§ 5, 6 LKJHG ausnahmsweise eine Zuständigkeit der landkreisangehörigen Gemeinden begründet worden ist, bedarf es nicht, denn auch dann wäre die Gemeinde nicht notwendig beizuladen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zuletzt BVerwG, Urteil vom 19.10.2011 - 5 C 6/11 -, ZFSH/SGB 2012, 33, 35 f), der sich der Senat anschließt, wäre vorliegend von einer vorrangigen Leistungspflicht des beklagten Sozialhilfeträgers (Leistungen der Eingliederungshilfe für ua geistig behinderte junge Menschen) gemäß § 10 Abs 4 SGB VIII(in der seit 1.10.2005 geltenden Fassung) auszugehen. Aufgaben, Ziele und die Leistungen richten sich nämlich ohnedies nach den Vorschriften des SGB XII (§ 35a Abs 3 SGB VIII), decken sich also (vgl zum Erfordernis der Gleichheit oder Gleichartigkeit BVerwG aaO), und bei der Klägerin liegt jedenfalls eine wesentliche geistige Behinderung vor (dazu später). Es kann deshalb dahinstehen, ob sich eine Maßnahmenotwendigkeit auch aufgrund einer seelischen (= psychischen) Behinderung ergeben würde und wodurch sich diese von der geistigen abgrenzt.
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Schließlich ist auch nicht die Therapeutin der Klägerin notwendig beizuladen. Zwar ist der sozialhilferechtliche Leistungserbringer iS des § 75 SGB XII - und zwar auch bei ambulanten Diensten(§ 75 Abs 1 Satz 1 SGB XII; vgl Jaritz/Eicher, juris PraxisKommentar
-SGB XII, § 75 SGB XII RdNr 24) - bei einer beantragten Kostenübernahme, also einem Schuldbeitritt durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung (vgl nur BSGE 102, 1 ff RdNr 25 ff = SozR 4-1500 § 75 Nr 9), notwendig beizuladen (BSG, aaO, RdNr 13 ff). Vorliegend verlangt die Klägerin jedoch nicht die Kostenübernahme durch den Beklagten im Rahmen einer Sachleistung im weiten Sinne, sondern die Erstattung der bereits beglichenen Therapiekosten als Geldleistung.
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Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung durch den zuständigen (§ 97 Abs 1, § 98 Abs 1 SGB XII iVm § 3 Abs 2 Satz 1 SGB XII und §§ 1, 2 Ausführungsgesetz Baden-Württemberg zum SGB XII vom 1.7.2004 - GBl 534; zur eigenständigen Prüfung des Landesrechts ist der Senat mangels Berücksichtigung durch das LSG entgegen § 202 SGG iVm § 560 ZPO befugt - vgl das Senatsurteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/10 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 14 mwN) Beklagten ist § 15 Abs 1 Satz 4 2. Alt SGB IX. Danach sind selbstbeschaffte Leistungen zu erstatten, wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (vgl dazu BSGE 102, 126 ff RdNr 11 f = SozR 4-3500 § 54 Nr 3). Ob der Beklagte die Übernahme der Kosten für die durchgeführte Therapie ab 1.1.2006 "zu Unrecht" abgelehnt hat, lässt sich allerdings anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht abschließend beurteilen. Grundlage dafür ist § 19 Abs 3 SGB XII(hier in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) iVm §§ 53, 54 Abs 1 Nr 1 SGB XII und § 12 Abs 1 Nr 1 Eingliederungshilfe-VO. Hilfen nach § 19 Abs 3 SGB XII werden unter den besonderen Voraussetzungen der Vorschriften des Fünften und Neunten Kapitels geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten ist.
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Die Klägerin erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII für eine Pflichtleistung. Nach dieser Vorschrift werden Pflichtleistungen nur an Personen erbracht, die durch eine Behinderung iS des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 SGB IX sind erfüllt, wenn - soweit einschlägig - die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach den in diesem Punkt unangegriffenen Tatsachenfeststellungen des LSG liegt eine Behinderung im bezeichneten Sinn bei der Klägerin vor, die an einer geistigen Leistungsstörung (s insoweit zur Legasthenie BVerwG, Urteil vom 28.9.1995 - 5 C 21/93 -, FEVS 46, 360 ff), nämlich einer ausgeprägten rezeptiven und expressiven Sprachentwicklungsverzögerung mit auditiver Gedächtnisschwäche, litt; diese geistige Behinderung war auch wesentlich.
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Wann dies der Fall ist, ergibt sich aus § 2 Eingliederungshilfe-VO. Er verlangt, dass infolge einer Schwäche der geistigen Kräfte in erheblichem Umfange die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist (vgl allgemein dazu Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, § 53 SGB XII RdNr 20 ff; Heinz, ZfF 2010, 79 ff). Dies ist jedenfalls zu bejahen, wenn - wie hier - die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme am Unterricht in einer Grundschule entgegenstehen (vgl auch BVerwG, Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02), weil Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können; denn eine Grundschulbildung bildet die essentielle Basis für jegliche weitere Schullaufbahn (vgl BSG, Urteil vom 3.11.2011 - B 3 KR 8/11 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 22) bzw eine valide spätere berufliche Tätigkeit. Insoweit ist wie bei der Prüfung einer Behinderung selbst auch ihre Wesentlichkeit wertend auszurichten an den Auswirkungen für die Eingliederung in der Gesellschaft (so wohl auch BVerwG, Urteil vom 28.9.1995 - 5 C 21/93 -, FEVS 46, 360 ff). Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt.
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Nicht abschließend entschieden werden kann indes, ob die im Jahre 2006 durchgeführte Therapie geeignet und erforderlich war, der Klägerin den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern, ob also iS des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII nach der Besonderheit des Einzelfalles die Aussicht bestand, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden konnte. Diese allgemeine Voraussetzung konkretisierend bezeichnet § 54 Abs 1 Nr 1 SGB XII(hier idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) als Leistungen der Eingliederungshilfe insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht. Nach § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-VO umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern.
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Wie bereits § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII verdeutlicht ("nach der Besonderheit des Einzelfalles"), liegt § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII iVm § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-VO ein individualisiertes Förderverständnis zugrunde(BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22). Eine Unterscheidung der Maßnahmen nach ihrer Art, etwa nach pädagogischen oder nichtpädagogischen bzw begleitenden, ist rechtlich nicht geboten, weil grundsätzlich alle Maßnahmen in Betracht kommen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSGE 101, 79 ff RdNr 27 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 1). Deshalb können von der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers auch Maßnahmen umfasst werden, die zum Aufgabenbereich der Schulverwaltung gehören. Ausgeschlossen sind allerdings Maßnahmen, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen sind, der sich nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmt. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII ausdrücklich anordnet, die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht sollten unberührt bleiben. Die schulrechtlichen Verpflichtungen stehen mithin grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen. Zum anderen normiert § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII lediglich Hilfen, mithin unterstützende Leistungen, überlässt damit die Schulbildung selbst aber den Schulträgern. Der Kernbereich der schulischen Arbeit liegt damit nach Sinn und Zweck der §§ 53, 54 SGB XII gänzlich außerhalb der Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers(ähnlich bereits, wenn auch mit anderer Begründung, BVerwG, Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02 - juris RdNr 17 mwN; BVerwG, Urteil vom 30.4.1992 - 5 C 1/88 - NVwZ 1993, 995, 996 f).
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Nach diesen Maßstäben kann die durchgeführte Maßnahme eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung sein, weil sie - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - jedenfalls nicht den Kernbereich der schulischen pädagogischen Arbeit berührt, ohne dass dieser genau bestimmt werden müsste. Die durchgeführte Therapie, die nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des LSG den Prinzipien der Montessori-Therapie gefolgt ist, weist den Charakter einer nur unterstützenden und außerhalb des schulischen Betriebs stattfindenden Hilfe auf. Im Rahmen eines ganzheitlichen Denkansatzes sollten unter Verwendung von unterschiedlichem Material vielfältige Bereiche ua der Wahrnehmung, des Sprachverständnisses, der Mathematik, der Geografie, der Biologie und der Umwelt (nur) durch ein zurückhaltendes Angebot von Hilfe und Unterstützung, auch durch "sensibles Beobachten", durch den Therapeuten gefördert werden (hierzu insgesamt der in der Gerichtsakte befindliche "Infobrief über die Montessori-Therapie für Fachstellen" des Montessori-Bundesverbands eV, Mengkofen; zur Zulässigkeit der Feststellung genereller Tatsachen in der Revisionsinstanz s nur BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 28 mwN).
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Soweit das LSG in seiner Entscheidung die Ausführungen des Sachverständigen und die Äußerungen der früheren Klassenlehrerin der Klägerin zur Geeignetheit und Erforderlichkeit der Therapie wiedergegeben und verwertet sowie ausgeführt hat, dass die Therapie "nach dem Förderplan der Montessori-Therapeutin gezielt auf den Aufbau der auditiven Wahrnehmungsleistung abgestimmt" gewesen sei, reicht dies jedoch für eine Beurteilung der individuellen Geeignetheit und Erforderlichkeit der durchgeführten Therapie nicht aus. Erforderlich sind vielmehr konkrete Feststellungen dazu, wie die Klägerin betreut worden ist und wie sich dies im Einzelnen auf die individuelle Lernfähigkeit der Klägerin unter prognostischer Sicht - abgestellt auf den Zeitpunkt der Entscheidung (vgl nur allgemein dazu BSG SozR 4-4300 § 86 Nr 1 RdNr 15) - auswirken sollte. Allgemein gehaltene Bewertungen der Montessori-Therapie, ihrer Ziele und Methoden, können diese Beurteilung nicht ersetzen. Da das LSG nach der Zurückverweisung der Sache die fehlenden Feststellungen nachzuholen hat, kommt es auf die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen des Beklagten nicht an. Im Rahmen der Erforderlichkeit der Hilfe wird das LSG auch die Anzahl der Therapiestunden zu überprüfen haben.
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Schließlich wird es anhand der schuldrechtlichen Vereinbarungen mit der Therapeutin die Höhe der der Klägerin (bzw ihren Eltern) entstandenen und damit übernahme- und erstattungsfähigen Kosten zu ermitteln haben, wobei ohne Bedeutung ist, ob mit der Therapeutin Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII geschlossen sind und - wenn ja - welche Vergütung darin für die Therapiestunden vorgesehen war. Eine diesbezügliche rechtliche Unsicherheit kann sich nicht zu Lasten der Klägerin auswirken (vgl BSGE 102, 126 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 54 Nr 3). Dies gilt umso mehr, als sich Umfang der Behandlung und Vergütung offenbar im Rahmen dessen bewegen, was vom Beklagten in der Zeit zuvor übernommen worden ist. Ob die Voraussetzungen einer Schuldverpflichtung der Klägerin bzw ihrer Eltern gegenüber der Therapeutin und der Angemessenheit der Kosten normimmanent aus §§ 53, 54 SGB XII oder aus § 9 Abs 1 SGB XII (Leistungen nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Bedarfs) zu entnehmen sind, kann offen bleiben. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bedarf dies schon deshalb keiner näheren Begründung, weil nicht ersichtlich ist, dass sich in vorliegender Konstellation hieraus unterschiedliche Rechtsfragen ergäben.
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Entgegen der Ansicht des Beklagten steht einem Kostenerstattungsanspruch der Klägerin § 2 Abs 1 SGB XII (sog Nachranggrundsatz) nicht entgegen. Danach erhält Sozialhilfe nicht, wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Diese Vorschrift ist, wenn andere Leistungen - wie hier - tatsächlich nicht erbracht werden, keine eigenständige Ausschlussnorm, sondern ihr kommt regelmäßig nur im Zusammenhang mit ergänzenden bzw konkretisierenden sonstigen Vorschriften des SGB XII Bedeutung zu; ein Leistungsausschluss ohne Rückgriff auf andere Normen des SGB XII ist mithin allenfalls in extremen Ausnahmefällen denkbar, etwa wenn sich der Bedürftige generell eigenen Bemühungen verschließt und Ansprüche ohne weiteres realisierbar sind (BSG, Urteil vom 2.2.2010 - B 8 SO 21/08 R - RdNr 13; Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1; Urteil vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 16/07 R - RdNr 15). Eine Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Arbeit der Schule ist deshalb in aller Regel zu bejahen, solange und soweit die Schule - wie hier - eine entsprechende Hilfe nicht gewährt, ja sogar darauf verweist, sie nicht erbringen zu können. Ob sie dazu verpflichtet ist, ist unerheblich. Der Sozialhilfeträger muss ggf mittels einer Überleitungsanzeige (§ 93 SGB XII) beim zuständigen Schulträger Rückgriff nehmen. Soweit der Beklagte mit seiner Revision in diesem Zusammenhang eine fehlerhafte Auslegung des Landesschulrechts rügt, kommt es darauf unabhängig davon, inwieweit der Senat diese Auslegung überhaupt überprüfen darf (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO), für die Entscheidung nicht an.
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Dem Kostenerstattungsanspruch steht schließlich nicht entgegen, dass die Eltern der Klägerin die angefallenen Kosten bereits getragen haben. Sozialhilfeleistungen setzen zwar vom Grundgedanken her einen aktuellen Bedarf voraus; dies gilt allerdings aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Grundgesetz) nicht bei einer rechtswidrigen Ablehnung der Hilfegewährung und zwischenzeitlicher Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe oder Hilfe Dritter, wenn der Hilfesuchende innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Rechtsbehelf eingelegt hat und im Rechtsbehelfsverfahren die Hilfegewährung erst erstreiten muss (BSG, Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R -, BSGE 104, 213 ff RdNr 14 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20; vgl auch zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende -
: BSG, Urteil vom 6.10.2011 - B 14 AS 66/11 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 19, und Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 46/11 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 17 mwN) .
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Ermittlungen darüber, ob die Klägerin im Falle des Klageerfolgs ihren Eltern deren Auslagen erstatten muss oder zumindest wird (vgl dazu in einer anderen Konstellation BSG, Urteil vom 6.10.2011 - B 14 AS 66/11 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 19), sind entbehrlich. Im Rahmen der Vermögenssorge (§ 1926 Bürgerliches Gesetzbuch)für ein achtjähriges Kind sind Vereinbarungen über eine Rückerstattung der Kosten besonderer Sozialhilfeleistungen (§ 84 Abs 2 SGB XII ist nicht anwendbar, weil § 92 Abs 1 Satz 2 SGB XII insoweit als Sonderregelung vorgeht), die die Eltern übernommen haben, weil der Sozialhilfeträger die Leistung abgelehnt hat, bei realitätsnaher Sichtweise unüblich. Unerheblich ist es auch, ob und inwieweit in der Übernahme dieser Kosten eine tatsächliche Unterhaltszahlung zu sehen sein könnte. Eine solche Prüfung würde den Zweck des § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB XII(hier in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) konterkarieren, die Eltern behinderter mit denen nichtbehinderter Kinder hinsichtlich der aus einer angemessenen Schulbildung ihrer Kinder folgenden Lasten wirtschaftlich gleichzustellen (so bereits BVerwGE 94, 127, 135 f mwN zur Vorgängervorschrift des § 43 Abs 2 Satz 1 Nr 2 und Satz 2 Bundessozialhilfegesetz).
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Aus § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB XII ergibt sich zugleich, dass auf Leistungen weder Einkommen der Klägerin noch Einkommen ihrer Eltern anzurechnen ist; denn nach Satz 1 ist eine Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten. Eine Vermögensanrechnung unterbleibt völlig (Satz 2). Die Beschränkung auf die Kosten des Lebensunterhalts in § 92 Abs 2 Satz 1 SGB XII bedeutet, dass Aufwendungen des Sozialhilfeträgers für die besonderen Hilfen nicht zu erstatten sind, soweit nicht integraler Bestandteil dieser Hilfen Kosten des Lebensunterhalts sind(Behrend in jurisPK-SGB XII, § 92 SGB XII RdNr 23 mwN). Dies war indes bei der durchgeführten Therapie nicht der Fall. Insoweit setzt § 92 Abs 2 SGB XII nicht voraus, dass gleichzeitig die in § 92 Abs 1 SGB XII beschriebenen Merkmale für die Hilfe für eine stationäre Einrichtung, für eine Tageseinrichtung für behinderte Menschen oder für ärztliche oder ärztlich verordnete Maßnahmen vorliegen(Behrend, aaO, RdNr 22 mwN).
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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2010 wird zurückgewiesen.
-
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Im Streit ist die Übernahme von Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
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Der 1997 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an dem sogenannten Rubinstein-Taybi-Syndrom mit Absence-Epilepsie, verzögerter Entwicklung, Minderwuchs und geistiger Behinderung, verbunden mit Hyperaktivität und teilweiser Aggressivität. Er lebt seit seinem 4. Lebensmonat in einer Pflegefamilie, in die er direkt nach dem Klinikaufenthalt nach seiner Geburt aufgenommen wurde. Das staatliche Schulamt für den Landkreis G. und den V. stellte beim Kläger einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Sinne des Besuchs einer Schule für praktisch Bildbare fest und wies ihn zum 1.8.2005 der staatlichen M.-Schule in G. zu. Da die Pflegeeltern die sonderpädagogische Förderung des Klägers an der nach den Grundsätzen der anthroposophischen Heilpädagogik und der Waldorfpädagogik unterrichtenden privaten B.-Schule wünschten, erklärte das staatliche Schulamt gleichzeitig sein Einverständnis, den sonderpädagogischen Förderbedarf dort zu erfüllen, sofern die Frage der Kostenübernahme mit dem Schulverwaltungsamt des Kreisausschusses des Landkreises G. geklärt sei (Bescheid vom 31.5.2005). Nachdem die Pflegeeltern für den Kläger mit dem Träger der B.-Schule einen Schulvertrag ab 1.8.2005 abgeschlossen und dabei ein monatliches Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro vereinbart hatten, wurde der Kläger am 5.9.2005 in die B.-Schule eingeschult. Den vom Träger der Schule - nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) - namens und im Auftrag der Pflegeeltern gestellten Antrag auf Übernahme des Schulgelds lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 22.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 19.4.2006).
- 3
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Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts
Gießen vom 11.11.2008; Urteil des Hessischen LSG vom 22.11.2010) . Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Besuch der B.-Schule sei keine für eine angemessene Schulbildung des Klägers erforderliche Maßnahme. Hieran ändere auch die schulrechtliche Einstufung durch das staatliche Schulamt, an die der Sozialhilfeträger gebunden sei, nichts, weil eine Zuweisung nur an die staatliche M.-Schule erfolgt sei, während der Besuch der B.-Schule ausschließlich als mögliche Beschulungsalternative gestattet worden sei. Beide Schulen seien geeignete Förderschulen zur Erfüllung des besonderen sonderpädagogischen Bedarfs des Klägers. Auch das Elternrecht aus Art 6 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) biete als Abwehrrecht keinen Anspruch auf Vermittlung pädagogischer Lehrinhalte und Bildungsziele außerhalb öffentlicher Schulen. Ein Anspruch könne auch nicht aus Art 7 Abs 4 Satz 1 GG hergeleitet werden, weil insoweit nur das private Ersatzschulwesen geschützt werde, nicht jedoch auch das Recht der Eltern, eine private Ersatzschule kostenfrei zu wählen.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII und § 12 Eingliederungshilfeverordnung (Eingliederungshilfe-VO) und macht Verfahrensfehler geltend. Zu Unrecht gehe das LSG davon aus, dass der Besuch einer privaten Förderschule und der damit verbundene Schulgeldaufwand bei Bestehen einer gleichwertigen kostenfreien Beschulungsmöglichkeit nicht erforderlich iS von § 12 Eingliederungshilfe-VO sei. Zwar hätte sein schulischer Förderbedarf auch durch den Besuch der M.-Schule sichergestellt werden können; das Berufungsgericht lasse aber unberücksichtigt, dass die Pflegeeltern mit ihrer Auswahlentscheidung den von den staatlichen Schulbehörden eingeräumten Rahmen mit einer für den beklagten Sozialhilfeträger ebenso verbindlichen Weise ausgefüllt hätten, wie dies durch eine förmliche Zuweisung der Schulbehörden geschehen wäre. Folge man der Auffassung des LSG liefen das eingeräumte Wahlrecht und letztlich die Bestimmung des § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII leer, wenn Eltern die mit dem Schulbesuch verbundenen Kosten nicht aufbringen könnten. Sei schulrechtlich eine Wahlfreiheit zwischen öffentlicher Förder- und privater Ersatzschule eröffnet, setze eine generelle Beschränkung der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung auf den Besuch öffentlicher Schulen nach der Rechtsprechung des 6. Senats des LSG (Urteil vom 18.8.2010 - L 6 SO 5/10) verfassungsrechtlich eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers voraus. Durch den unterlassenen Hinweis, dem 6. Senat nicht folgen zu wollen, habe das LSG das rechtliche Gehör verletzt (Überraschungsentscheidung). Auch habe sich das LSG nicht mit dem Vortrag auseinandergesetzt, dass der Beklagte mit seiner (des Klägers) Beschulung in der B.-Schule einverstanden gewesen sei und sich hieraus die Verpflichtung ableite, auch für die entstehenden Beschulungskosten einzustehen. Unterblieben sei schließlich die Prüfung, ob eine Aufnahme in die M.-Schule nicht an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre.
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Auffassung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
) . Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des monatlichen Schulgelds in Höhe von 303,92 Euro bzw in Höhe des für Oktober 2009 maßgeblichen Teils davon für den Besuch der B.-Schule.
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zulässigerweise nur der Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 (§ 95 SGG) über die Ablehnung der Übernahme des Schulgelds als abgrenzbaren Streitgegenstand im Rahmen der Eingliederungshilfe. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG). Sozial erfahrene Dritte waren vor Erlass des Widerspruchsbescheids nicht zu beteiligen (§ 116 Abs 2 SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 iVm § 8 Abs 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
vom 20.12.2004 - GVBl 488) . Nicht Streitgegenstand sind Leistungen für den Lebensunterhalt, auch nicht im Rahmen des sog Meistbegünstigungsprinzips, wonach zur Sicherstellung einer möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte (§ 2 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil -; vgl dazu: Voelzke in juris PraxisKommentar SGB I, 2. Aufl 2011 - online -, § 2 RdNr 26; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB I, K § 2 RdNr 44, Stand Dezember 2005) , Anträge bzw Rechtsbehelfe ohne Bindung an den Wortlaut nach dem wirklichen Willen des Antragstellers auszulegen sind (BSG SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 13); denn eine abweichende Festlegung des Bedarfs wegen der Verpflichtung zur Zahlung des Schulgelds (§ 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII) kommt ohnedies nicht in Betracht (siehe dazu unten).
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Nach § 53 Abs 1 Satz 1(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) iVm § 54 Abs 1 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch; für die Zeit ab 5.8.2009 in der Normfassung des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.7.2009 - BGBl I 2495) erhalten Personen, die durch eine Behinderung iS von § 2 Abs 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
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Vorliegend ist es schon fraglich, ob der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs 1 HAG/SGB XII idF des Gesetzes vom 20.12.2004) für den streitigen Anspruch auf Übernahme des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe der sachlich zuständige Sozialhilfeträger ist. Abweichend von § 100 Bundessozialhilfegesetz(BSHG; in der nach Art 68 Abs 2 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch bis 31.12.2006 fortgeltenden Fassung) bzw ab 1.7.2007 § 97 Abs 3 Nr 1 SGB XII (Art 70 Abs 2 S 6 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) regelt § 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm § 2 Abs 1 Nr 1 HAG/SGB XII(bis 31.6.2006 in der nach § 13 Abs 3 HAG/SGB XII bestimmten Fassung) die sachliche Zuständigkeit von örtlichem bzw überörtlichem Sozialhilfeträger. Danach ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII nur sachlich zuständig, sofern diese in einer Einrichtung zur stationären oder teilstationären Betreuung zu gewähren sind. Eine (teilstationäre) "Einrichtung" im Sinne des SGB XII (§ 13 SGB XII)ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und Leistungen der Sozialhilfe erbringt (BVerwGE 95, 149, 152; Bundesverwaltungsgericht
, Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 42/91 -, FEVS 45, 52 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 13/91 -, FEVS 45, 183 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 17/91 -, ZfSH/SGB 1995, 535 ff; BSGE 106, 264 ff RdNr 13 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2) .
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Ob eine Schule (anders als etwa die der Schule angegliederte Behinderteneinrichtung) eine teilstationäre Einrichtung in diesem Sinne ist, insbesondere Leistungen der Sozialhilfe erbringt (vgl dazu BVerwGE 48, 228, 231, das zwischen allgemeinen Schulen und Schulen unterscheidet, in denen über die bloße Vermittlung des Lernstoffs hinaus ein besonderes Maß an Betreuung erforderlich ist), ist zweifelhaft, wobei es für die Ablehnung der Leistung wegen Unzuständigkeit genügt, dass Sozialhilfeleistungen geltend gemacht werden. Für die Begründung der sachlichen Zuständigkeit ist es jedenfalls nicht - wie der Beklagte meint - ausreichend, dass er aufgrund langjähriger Praxis bei Pflegefamilienverhältnissen (im Rahmen des § 97 Abs 5 SGB XII) auch die Begleitkosten übernimmt, sofern diese übernahmefähig sind. Eine solche Annex-Kompetenz, wie sie etwa § 2 Abs 2 HAG/SGB XII(in der bis 31.12.2006 geltenden Fassung) vorsieht, setzt nämlich die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers für die im Rahmen eines Pflegefamilienverhältnisses zu erbringende Eingliederungshilfe voraus, an der es vorliegend fehlen könnte. Im Ergebnis kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, weil der Kläger auch bei unterstellter sachlicher Zuständigkeit des Beklagten keinen Anspruch auf die im Streit stehende Leistung hat.
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Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII für eine Pflichtleistung. Die Voraussetzungen für eine Behinderung nach § 2 Abs 1 SGB IX sind erfüllt, wenn die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach den Feststellungen des LSG liegt eine solche Behinderung vor.
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Die geistige Behinderung ist auch wesentlich. Wann dies der Fall ist, ist § 2 Eingliederungshilfe-VO zu entnehmen, wonach eine wesentliche Behinderung vorliegt, wenn infolge einer Schwäche der geistigen Kräfte in erheblichem Umfang die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft eingeschränkt ist. Dies richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls und hängt deshalb von sehr unterschiedlichen, durch die individuelle Behinderung geprägten Umständen ab (BVerwG Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr 12 S 2). Insoweit ist wie bei der Prüfung der Behinderung auch ihre Wesentlichkeit wertend auszurichten, insbesondere an den Auswirkungen für die Eingliederung in die Gesellschaft. Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt (vgl BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Stehen - wie hier - die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme des Klägers am Unterricht in einer allgemeinen (Grund-)Schule entgegen (vgl auch BVerwG, Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02), weil Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können, und erfordert die geistige Behinderung deshalb einen sonderpädagogischen Förderbedarf, um die mögliche Vermittlung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten überhaupt erst zu ermöglichen, ist die Behinderung nach den oben aufgezeigten Grundsätzen wesentlich; denn eine Grundschulbildung bildet die essentielle Basis für jegliche weitere Schullaufbahn (vgl: BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8; BSGE 109, 199 ff RdNr 22 = SozR 4-2500 § 33 Nr 37).
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Gehört der Kläger danach zwar zu dem leistungsberechtigten Personenkreis, scheitert ein Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds aber daran, dass es sich insoweit nicht um eine Leistung der Eingliederungshilfe handelt. Nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Erfasst sind von dem Wortlaut der Vorschrift ("Hilfen") nur Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSGE 110, 301 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Dies bestätigt auch § 12 Eingliederungshilfe-VO, der seinerseits nur von "Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung" spricht. Die von dieser Hilfe nach § 12 Eingliederungshilfe-VO (auch) erfassten Regelbeispiele betreffen dementsprechend nur die Schulbildung begleitende Maßnahmen. Die Schulbildung selbst, also der Kernbereich der pädagogischen Arbeit, der sich nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmt, obliegt hingegen allein den Schulträgern. Art 7 Abs 1 GG überträgt dem Staat einen (außerhalb des Sozialhilferechts liegenden) eigenständigen Unterrichts- und Bildungsauftrag im Schulbereich (BSG, aaO, RdNr 21; BVerfGE 47, 46, 71 f; 98, 218, 241).
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Dass der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule den Regelungen über die Eingliederungshilfe entzogen ist, bestätigt § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII dadurch, dass die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht(hier: Art 56 ff Hessische Landesverfassung iVm dem Hessischen Schulgesetz idF vom 14.6.2005 - GVBl 441) unberührt bleiben sollen. Die schulrechtlichen Verpflichtungen bestehen also grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen (BSG aaO). Auch das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 13.8.1992 - 5 C 70/88 - (Buchholz 436.0 § 11 BSHG Nr 16 S 3) ausgeführt, dass der Staat mit der Einrichtung der öffentlichen Grundschulen seinen Bildungs- und Erziehungsauftrag aus Art 7 Abs 1 GG nachkomme und die Schulgeldfreiheit aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialhilferechts gefunden habe, sodass für einen Rechtsanspruch gegen den Sozialhilfeträger zur Deckung eines im Grundschulalter angemessenen Bildungsbedarfs Aufnahmebeiträge und monatliches Schulgeld für den Besuch einer privaten Grundschule als Sozialhilfeleistung nicht zu übernehmen seien. Dabei ist das BVerwG in Bezug auf die erforderliche Hilfe nicht von einer nach Maßgabe des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe zu lösenden Anspruchskonkurrenz, sondern von einem Verhältnis der "Spezialität" ausgegangen, wobei es eine Ausnahme von diesem Grundsatz für möglich hielt, wenn der Besuch einer öffentlichen Grundschule aus objektiven Gründen (zB wegen ihrer räumlichen Entfernung vom Wohnort) oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Diese Rechtsprechung hat das BVerwG auch für Leistungen der Eingliederungshilfe bestätigt (Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02) und ausdrücklich ausgeführt, dass ein nachrangiges Eintreten der Sozialhilfe (nur) für solche Bedarfe nicht ausgeschlossen sei, die nicht in der Deckung des unmittelbaren Ausbildungsbedarfs im Rahmen der Schulpflicht bestünden, sondern damit lediglich - mehr oder weniger eng - zusammenhingen, etwa wie bei der Bereitstellung eines Integrationshelfers für behinderte Kinder an Regelschulen.
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Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe. Zu dem Kernbereich der Schule gehören alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen Lehrziele zu erreichen, in erster Linie also der (unentgeltliche) Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen Kenntnisse vermitteln soll. Damit unterliegt auch das vom Kläger begehrte Schulgeld unmittelbar diesem Kernbereich, weil die Übernahme des Schulgelds die von der Schule selbst zu erbringende Leistung, also den Unterricht, finanziert, mithin den schulischen Bildungsauftrag erfüllt und keine bloß unterstützende Leistung im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung darstellt. Wie die Entscheidung des Schulamts auszulegen ist und inwieweit sie auch für den Beklagten Bindungswirkung entfaltet (vgl dazu BVerwGE 130, 1 ff), ist danach ohne Belang. Ebenso spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass sich der Beklagte mit der Beschulung in die B.-Schule einverstanden erklärt hat. Die Ausübung eines Wahlrechts, welche Schule besucht wird, hat nicht zur Folge, dass der Sozialhilfeträger ein etwaiges Schulgeld zahlen müsste.
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Schulgeld wäre - abgesehen davon, dass es hier nicht Streitgegenstand ist (siehe oben) - auch nicht nach den Regelungen des Dritten bzw Vierten Kapitels des SGB XII zu erbringen. Entsprechende Leistungen könnten ggf zwar durch eine abweichende Festlegung des Regelsatzes nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII in der bis 31.12.2010 geltenden alten Fassung erbracht werden, dies würde aber voraussetzen, dass der Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abwiche. Der auf das Schulgeld gerichtete höhere Bedarf des Klägers wäre aber nicht unabweisbar. Nach den Feststellungen des LSG besteht für den Kläger eine gleichwertige und unentgeltliche Möglichkeit des Schulbesuchs an der Schule für praktisch Bildbare.
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Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht schon darin zu sehen, dass das LSG - ohne ausdrücklichen Hinweis - einer Entscheidung eines anderen Senats desselben Gerichts nicht folgt. Da der Kläger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung des Schulgelds hat, erübrigt sich im Übrigen - weil absolute Revisionsgründe nicht geltend gemacht werden - ein weiteres Eingehen auf den vermeintlichen Verfahrensfehler. Gleiches gilt für die behauptete Gehörsverletzung durch Übergehen des Vortrags, der Beklagte habe sich mit der Beschulung in der B.-Schule einverstanden erklärt (dazu auch oben). Soweit schließlich moniert wird, das LSG habe nicht geprüft, ob die Aufnahme in der M.-Schule an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre (Verletzung der Amtsaufklärungspflicht; § 103 SGG), hätte dargelegt werden müssen (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG), warum sich das LSG - trotz Zuweisung des Klägers in die M.-Schule und Streitgegenstandsbegrenzung auf die Eingliederungshilfe - hätte gedrängt fühlen müssen, entsprechende Ermittlungen anzustellen. Für die Eingliederungshilfe wäre jedenfalls eine entsprechende Klärung ohne Bedeutung.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 16.06.2011 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 01.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 verurteilt, die Kosten des Besuchs der T-Schule in C durch die Klägerin seit August 2010 zu übernehmen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für den Besuch einer Tagesbildungsstätte in Niedersachsen seit Beginn des Schuljahrs 2010/2011 nach dem SGB XII.
3Die am 00.00.2003 geborene Klägerin, die weder über Einkommen noch über Vermögen verfügt, leidet im Wesentlichen an einer chromosomalen Störung in Form des sog. Pallister-Kilian-Syndroms (Mosaik-Tetrasomie 12p), welche mit einer globalen Entwicklungsverzögerung einhergeht. Darüber hinaus bestehen bei ihr ein frühkindlicher Autismus sowie der Verdacht auf eine schwerste Intelligenzminderung. Sie lebt mit ihren Eltern und Geschwistern in W/Nordrhein-Westfalen, nahe der Landesgrenze zu Niedersachsen.
4Von August 2008 bis Juli 2010 besuchte die Klägerin den heilpädagogischen Kindergarten B in C (Niedersachsen). Dieser ist von ihrem Wohnort 13 km entfernt; Träger ist der Beigeladene zu 2. Die Kosten für die heilpädagogischen Leistungen sowie für die Fahrten zwischen Wohnung und Einrichtung übernahm der Beklagte zunächst für die Zeit von August 2008 bis zum voraussichtlichen Beginn der Schulpflicht am 31.07.2009 (Bescheid vom 27.01.2009) sowie - nach Zurückstellung der Klägerin vom Schulbesuch für das Schuljahr 2009/2010 - bis Juli 2010 (Bescheid vom 12.05.2009).
5Im Hinblick auf die bevorstehende Einschulung der Klägerin stellte das Schulamt des Kreises H mit (bestandskräftig gewordenem) Bescheid vom 25.03.2009 den sonderpädagogischen Förderbedarf der Klägerin im Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung" fest und wies sie einer entsprechenden Förderschule zu. Zugleich benannte es die N-Schule in H als nächstgelegene entsprechende (nordrhein-westfälische) Förderschule und bat die Eltern, die Klägerin dort anzumelden.
6Die N-Schule ist etwa 24,5 km von der Wohnung der Klägerin entfernt; mittels Sammelbeförderung (Schülerspezialverkehr) würde ein Transport der Klägerin zu dieser Schule pro Weg maximal 60 Minuten dauern. Der Unterricht an der N-Schule beginnt montags bis freitags gleitend zwischen 8.15 Uhr und 8.30 Uhr. Er endet montags bis donnerstags um 15.00 Uhr, freitags um 12.30 Uhr. Wegen der weiteren Rahmenbedingungen der dortigen Beschulung, u.a. der Größe der Schule und Klassen, der Organisation, des Förderkonzepts sowie des Betreuungsschlüssels wird auf die Bekundungen des dortigen Schulleiters, des Zeugen L, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Bezug genommen, ferner auf dessen Stellungnahme vom 24.04.2009 aus dem Verfahren L 20 SO 67/08 (LSG NRW) sowie den aktuellen Internetauftritt der N-Schule, welche der Senat zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat.
7Mit Beginn des Schuljahrs 2010/2011 meldeten die Eltern die Klägerin nicht auf der N-Schule, sondern auf der T-Schule in C an. An dieser Schule wird die Klägerin seither gefördert.
8Die T-Schule ist eine vom Land Niedersachsen anerkannte Tagesbildungsstätte. Sie liegt auf dem gleichen Gelände wie der Kindergarten B; Träger der Schule ist ebenfalls der Beigeladene zu 2. Die Fahrtzeit von der Wohnung der Klägerin zur 13 km entfernten Schule beträgt ausweislich eines verbreitet genutzten Routenplaners (www.falk.de/routenplaner) 17 Minuten; die Transportzeit mittels Sammelbeförderung (Schülerspezialverkehr) dauert nach den Angaben der Eltern der Klägerin etwa 15 Minuten. Der Unterricht findet montags bis freitags von 7.45 Uhr bis 14.15 Uhr statt. Die Schule verfügt über einen Fachdienst für Autismus-Spektrum-Störungen mit einer Diplom-Psychologin, einer Sozialpädagogin und einer Ergotherapeutin. Dieser Fachdienst betreut diejenigen Schüler/innen, welche aufgrund eines frühkindlichen Autismus einen spezifischen Unterstützungsbedarf haben, u.a. in Form von Einzeltherapien während der Schulzeit. Bezüglich der weiteren Rahmenbedingungen der Beschulung an der T-Schule wird auf die Stellungnahmen der Schulleiterin T1 vom 11.11.2013 und 31.01.2013 verwiesen. Die Kosten für den Besuch der T-Schule (monatlich ca. 2.100,00 EUR) trägt der Beklagte seit Beginn des Schuljahrs 2011/2012 vorläufig aufgrund entsprechender einstweiliger Anordnungen des erkennenden Senats.
9Am 20.11.2009 beantragten die Eltern der Klägerin beim Beklagten die Übernahme der Beschulungskosten an der T-Schule ab Beginn des Schuljahres 2010/2011 als sozialhilfeweise Eingliederungshilfe. Sie verwiesen auf den dortigen Fachdienst für Kinder mit autistischen Verhaltensweisen sowie den für derart beeinträchtigte Kinder geeigneten Unterricht. Zudem werde dort in allen Klassen eine Methode der unterstützen Kommunikation angewandt, auf welche die Klägerin wegen fehlender Lautsprache angewiesen sei. Häufige Infekte der Klägerin erforderten zudem eine zügige Erreichbarkeit der Schule durch die Eltern; dies sei bei der T-Schule bei 15-minütiger Entfernung von der Wohnung der Familie und 10-minütiger Entfernung vom Arbeitsplatz des Vaters gewährleistet. Ohnehin müsse die bisherige intensive Therapie und Förderung der Klägerin, welche in der Vergangenheit in enger Kooperation zwischen Therapeuten, Pädagogen und den Eltern erfolgt sei, dringend weitergeführt werden. Dies sei nur möglich, wenn die Eltern den Schulort schnell erreichen könnten.
10Mit Bescheid vom 01.04.2010 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zwar sei er sachlich und örtlich zuständig. Die Klägerin könne jedoch an der N-Schule in H und damit in Nordrhein-Westfalen angemessen und unentgeltlich gefördert werden. Dass diese Schule zur Förderung der Klägerin geeignet sei, habe das Schulamt im Bescheid vom 25.03.2009 inzident und für den Beklagten bindend (BVerwG, Urteil vom 28.04.2005 - 5 C 20/04) bejaht. Auch der Schulwegetransport zur N-Schule sei der Klägerin nach den einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen zumutbar; gegebenenfalls müsse im Rahmen der Ausgestaltung des Schülertransports auf Besonderheiten in der Person der Klägerin Rücksicht genommen werden. Ein Besuch der T-Schule sei demgegenüber mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden, weil weder das Schulgeld noch die Fahrtkosten vom Schulträger bzw. vom Land Nordrhein-Westfalen übernommen würden. Eine Beschulung an der T-Schule sei daher nach dem Subsidiaritätsprinzip (§ 2 Abs. 1 SGB XII) nicht notwendig und wegen der damit einhergehenden Mehrkosten auch nicht durch das Wunsch- und Wahlrecht (§ 9 SGB XII) gerechtfertigt. Dies gelte auch, wenn durch kleinere Klassen an der T-Schule und eine der Klägerin dort bereits vertraute Umgebung eine optimiertere Förderung stattfinden könne.
11Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein mit der Begründung, ein Besuch der N-Schule wäre mit erheblichen körperlichen Belastungen verbunden, so dass sie dort nicht angemessen beschult werden könnte. Sie leide unter einer extremen Mehrfachbehinderung, bei der eine Kommunikation mit anderen Menschen nur unter äußerst schwierigen Bedingungen möglich sei. Sie sei insbesondere nicht in der Lage, ihre Bedürfnisse selbst zu äußern. Neben ihrer körperlichen und geistigen Behinderung führten häufige Infektionskrankheiten oftmals zu einer rapiden Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes und erforderten eine ärztliche Untersuchung und Behandlung durch bekannte Betreuungspersonen. So seien seit Dezember 2009 insgesamt fünf Mittelohrentzündungen aufgetreten. Zudem habe sie im März 2010 bei einem Unfall eine Gehirnerschütterung erlitten. Die Klägerin hat eine schulärztliche Stellungnahme des Kreises H (Fachärztin für Kinderheilkunde Dr. L) vom 27.05.2010 sowie einen Zwischenbericht des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) des Evangelischen Krankenhauses (EVK) C (Fachärzte für Kinderheilkunde bzw. Neuropädiatrie Dres. C und Q) vom 19.04.2010 (erstellt anlässlich einer ambulanten Vorstellung der Klägerin vom 13.04.2010) vorgelegt; auf diese Unterlagen wird Bezug genommen.
12Mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2010 wies der Beklagte nach Beteiligung sozial erfahrener Personen den Widerspruch zurück. Die Beschulung eines jeden Schülers bzw. einer jeden Schülerin könne in Nordrhein-Westfalen aus Landesmitteln angemessen im Rahmen des dortigen differenzierten Sonder-/Förderschulwesens erfolgen. Die Funktionseinbußen der Klägerin seien nicht in einer Weise erheblich, dass ihr eine entsprechende Beschulung nicht möglich bzw. zumutbar sei.
13Mit ihrer am 30.07.2010 bei dem Sozialgericht Detmold erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie ist bei ihrer Auffassung verblieben, dass ihr wegen ihrer Behinderungen ein Besuch der N-Schule nicht möglich sei. Ihre Eltern hätten sich anlässlich der bevorstehenden Einschulung diese Schule angesehen. Sie sei wesentlich größer als die T Schule; der Gebäudekomplex sei weniger übersichtlich. Zudem seien die Klassen dort mit teilweise mehr als 10 Schüler/innen erheblich stärker als an der T-Schule. Der Schultag wäre für sie an der N-Schule zu lang. Hinzu käme eine Fahrtzeit mit dem Schülerspezialtransport von annähernd 60 Minuten; wegen ihrer Muskelschwäche würde dies jedoch zu Problemen führen. Abgesehen davon wäre sie anschließend nicht mehr aufnahmefähig. Ohnehin sei ein Verbleib in der ihr bereits vom Kindergarten her vertrauten Einrichtung wichtig. Sie benötige eine extrem lange Eingewöhnungszeit; so habe sie mehr als ein Jahr gebraucht, um sich an den Kindergarten zu gewöhnen. Darüber hinaus habe die N-Schule ihren Eltern keine direkten Informationen hinsichtlich einer notwendigen Autismusbehandlung erteilt, sondern insoweit stets nur auf das Westfälische Institut für Entwicklungsförderung (WIE) in C verwiesen. Die Klägerin hat weitere ärztliche bzw. psychologische Berichte (Behandlungsberichte des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin bzw. Neuropädiatrie Dr. L1 - Chefarzt der I Klinik I, Neurologisches Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche - vom 09.07.2010, der Diplom-Psychologin M und der Erzieherin N - ebenda - vom 16.07.2010 sowie der Logopädin H vom 01.04.2010) vorgelegt, auf deren Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird. Der Übernahme der Beschulungskosten stehe - so die Klägerin weiter - keineswegs entgegen, dass die T-Schule eine niedersächsische Tagesbildungsstätte sei. Sie könne auch dort ihre Schulpflicht erfüllen. Allein aus der Formulierung in § 34 Abs. 5 SchulG NRW ergebe sich nichts Gegenteiliges. Werde die T-Schule durch das niedersächsische Schulgesetz einer Schule gleichgestellt, müsse diese Schule mit Blick auf Sinn und Zweck des § 34 SchulG NRW nach nordrhein-westfälischem Schulrecht ebenso als deutsche Schule gelten. Abgesehen davon lasse § 34 Abs. 5 S. 2 SchulG NRW Ausnahmen von der Schulpflicht aus wichtigem Grund zu. Eine solche Ausnahme liege hier mit Blick auf ihre Behinderungen vor.
14Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
15den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 01.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 zu verpflichten, die Kosten des Besuchs der T-Schule in C durch die Klägerin im Rahmen der Eingliederungshilfe ab August 2010 für die Klägerin zu übernehmen.
16Der Beklagte hat beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Er hat an seinen Bescheiden festgehalten und unter Vorlage einer Stellungnahme eines Referatsleiters des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen vom 31.03.2011 ergänzend die Auffassung vertreten, die Übernahme der Beschulungskosten an der T-Schule scheide schon deshalb aus, weil die Klägerin dort ihre Schulpflicht nicht erfüllen könne. Ein wichtiger Grund für die ausnahmsweise Erfüllung der Schulpflicht an einem anderen Ort als einer deutschen Schule im Sinne von § 34 Abs. 5 S. 2 SchulG NRW liege nicht vor. Denn die T-Schule sei keine Schule, sondern eine Tagesbildungsstätte, deren Besuch gemäß § 162 Nieders. SchulG zwar in Niedersachen, nicht hingegen in anderen Bundesländern der Schulpflicht genüge. In Nordrhein-Westfalen könnten Schulpflichtige ihre Schulpflicht lediglich an öffentlichen Schulen, Ersatzschulen oder an nach § 118 Abs. 2 SchulG NRW anerkannten Ergänzungsschulen erfüllen. Ohnehin entfalte die Entscheidung des Schulamtes vom 25.03.2009, welche die N-Schule als nächstgelegene Förderschule benenne, nicht nur für den Beklagten Tatbestandswirkung, sondern binde auch die Gerichte. Die Klägerin könne auch in Ansehung ihrer Behinderungen an der N-Schule angemessen beschult werden; insbesondere stehe dem ihre autistische Störung nicht entgegen. Insoweit hat der Beklagte ergänzend eine Stellungnahme des Zeugen L vom 02.11.2010 vorgelegt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
19Das Sozialgericht hat eine Auskunft des Schulamts des Kreises H vom 22.02.2011 eingeholt. Danach hat das Schulamt mit seinem Bescheid vom 25.03.2009 keine konkrete und verbindliche Zuweisungsentscheidung im Sinne des § 46 Abs. 6 SchulG NRW getroffen; die N-Schule sei ohne nähere Prüfung ihrer Eignung allein als für den Förderbedarf der Antragstellerin abstrakt zuständiger Förderort benannt worden.
20Mit Urteil vom 16.06.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Eingliederungshilfe in Form einer Übernahme der Kosten für den Besuch der T-Schule nach § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII scheide schon deshalb aus, weil die Klägerin durch den Besuch einer in Niedersachsen gelegenen Tagesbildungsstätte ihrer Schulpflicht nach nordrhein-westfälischem Schulrecht nicht genüge und mindestens an einer geeigneten Schule in Nordrhein-Westfalen angemessen beschult werden könne. Der Bescheid des Schulamtes verpflichte die Klägerin zwar nicht bindend zu einem Besuch der darin benannten N-Schule. Gleichwohl habe das Schulamt diese Schule als abstrakt geeignet festgestellt; gesundheitliche Gründe, die dieser abstrakten Eignung entgegenstünden, seien nicht erkennbar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
21Gegen das ihrer Bevollmächtigten am 28.06.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.07.2011 Berufung eingelegt. Sie trägt im Hinblick auf einen etwaigen Wechsel an die N-Schule ergänzend vor, sich auf neue Therapeuten kaum einlassen zu können und durch jegliche neue Umgebung und Umstellung in ihrem Entwicklungszustand weit zurückgeworfen zu werden. So habe sie nach einem Personalwechsel an der T-Schule bereits ein halbes Jahr und länger mit Schwierigkeiten kämpfen müssen. Die Konsequenzen eines Wechsels der Schule, der Bezugspersonen, der Therapeuten, des Schulprogramms, des Tagesablaufs sowie des Schulwegetransports seien für sie unzumutbar und dürften - im Anschluss an die zweitinstanzliche Beweisaufnahme, insbesondere ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M - zu einer deutlichen Entwicklungsverzögerung führen. Zudem sei die Autismus-Förderung an der T-Schule wesentlich differenzierter als auf der N-Schule. Ihre Eltern hätten vor der Einschulung mehrfach bei der N-Schule vorgesprochen und nach einer individuell angepassten Förderung gefragt. Ihnen sei mitgeteilt worden, dass man zum Entspannen lediglich den sog. Snoezelen-Raum aufsuchen würde, wenn sie - die Klägerin - nicht in der Lage sei, lange im Klassenverband zu bleiben. Das WIE habe die Auskunft erteilt, für die in Kooperation mit der N-Schule durchgeführte autismusspezifische Einzelförderung gebe es Wartelisten. Auch würden autistische Kinder in C, also außerhalb der N-Schule, gefördert, was mit einer zusätzlichen Fahrt verbunden wäre. Während langer Fahrtzeiten füge sie sich aufgrund von Wahrnehmungsstörungen jedoch häufig Schmerzen zu. Ferner könnten in der Regel nur ihre Eltern ihren Gesundheitszustand richtig einschätzen; selbst Ärzte seien bei der Diagnose auf deren Hilfe angewiesen. Im November/Dezember 2013 sowie im Januar 2014 hätten ihre Eltern sie dreimal krankheitsbedingt von der Schule abholen müssen.
22In der mündlichen Verhandlung hat die Bevollmächtigte der Klägerin klargestellt, weder Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII noch eine Übernahme von Fahrtkosten für den Schulbesuch geltend zu machen. Sie begehre vielmehr allein die Übernahme der Kosten für den Besuch der T-Schule.
23Die Klägerin beantragt,
24das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 16.06.2011 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 01.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 06.07.2010 zu verpflichten, die Kosten des Besuchs der T-Schule in C durch die Klägerin seit August 2010 zu übernehmen,
25hilfsweise, über folgende Beweisanträge Beweis zu erheben:
261. Was ist für die Klägerin zumutbar, erforderlich und geeignet - der Schulweg mit dem Bus und der gesamte Schultag inklusive Abfahrt und Ankunft zu Hause zur N-Schule in H oder das Äquivalent (Schulweg und gesamter Schultag) zur T-Schule?
272. Wie schnell müssen die Eltern im Falle eines medizinischen Notfalls der Klägerin vor Ort sein und wie lange dauert die Fahrt zwischen Wohnort und N-Schule bzw. der T-Schule für die Eltern werktags tagsüber tatsächlich? Die gleiche Frage des tatsächlichen Weges gilt für die Fahrt des Vaters der Klägerin von seinem Arbeitsplatz in E.
28Der Beklagte beantragt,
29die Berufung zurückzuweisen.
30Er hält daran fest, dass schon der Bescheid des Schulamts dem geltend gemachten Anspruch entgegenstehe; denn dieser regle verbindlich die von der Klägerin zu besuchende Schulform. Zudem könne die Klägerin durch den Besuch der Tagesbildungsstätte in Niedersachsen ihre Schulpflicht nicht erfüllen. Durch eine antragsgemäße Verurteilung würde der Beklagte gezwungen, entgegen Art. 20 Abs. 3 GG die fortgesetzte Begehung einer - rechtlich unstreitigen - Ordnungswidrigkeit zu finanzieren. Die N-Schule sei für die Klägerin trotz deren Behinderungen geeignet. Hinsichtlich der Klassengröße und des Betreuungsschlüssels bestünden keine signifikanten Unterschiede zur T-Schule. Die Fahrtzeit zur N-Schule sei nicht viel länger als zur T-Schule. Die vom Sachverständigen Prof. Dr. M bei einem Wechsel des vertrauten Umfelds oder der Bezugspersonen angenommene temporäre Entwicklungsverzögerung träte bei einem Wechsel zur N-Schule lediglich einmalig auf. Dies sei der Klägerin zumutbar; denn auch andere Ereignisse, beispielsweise eine stationäre Krankenbehandlung oder ein Wechsel/Ausfall der Beschäftigten der T-Schule, könnten jederzeit den gleichen Effekt auslösen.
31Die mit Beschluss vom 05.08.2013 Beigeladenen stellen keinen Antrag.
32Der Beigeladene zu 2 hält die T-Schule zur Beschulung der Klägerin für geeignet. Bezüglich seiner Angaben zu dortigen Beschulungsbedingungen sowie die Entwicklung der Klägerin wird auf die Stellungnahmen der Schulleiterin der T-Schule vom 11.11.2013 und 31.01.2013 verwiesen.
33Der Senat hat zunächst Befundberichte des Facharztes für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Dr. X und der Kinderärztin Dr. Q (SPZ) vom 13.09.2011 eingeholt. Ferner hat er die Klägerin betreffende Förderpläne und Zeugnisse sowie die Dokumentation des Fachdienstes für Autismus von der T-Schule beigezogen. Auf den Inhalt dieser Unterlagen wird Bezug genommen.
34Anschließend hat der Senat ein Gutachten des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Neurologie und Psychiatrie sowie Diplom-Psychologen Prof. Dr. M (Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Universitätsklinik L) vom 24.05.2012 nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 12.11.2012 und 08.04.2013 eingeholt. In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige seine gutachterlichen Ausführungen weiter erläutert. Wegen der Einzelheiten wird auf die schriftlichen Äußerungen des Sachverständigen sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
35Der Senat hat zudem den Zeugen L schriftlich sowie in der mündlichen Verhandlung zu den Rahmenbedingungen der Beschulung an der von ihm geleiteten N-Schule befragt. Insoweit wird auf dessen schriftliche Auskunft vom 24.09.2013 sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Darüber hinaus hat der Senat eine Stellungnahme des Zeugen L vom 24.04.2009 aus dem Verfahren L 20 SO 67/08 (LSG NRW) sowie den aktuellen Internetauftritt der N-Schule zum Gegenstand des Verfahrens gemacht; auch hierauf wird Bezug genommen.
36Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, des Schulamtes des Kreises H sowie der Streitakten (gleichen Rubrums) S 2 SO 204/10 ER (SG Detmold) bzw. L 20 SO 450/10 ER (LSG NRW) Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
37Entscheidungsgründe:
38Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
39A. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 01.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 (§ 95 SGG). Da der Beklagte darin den Antrag der Klägerin auf Übernahme von Kosten für den Besuch der T-Schule "ab dem (.) Schuljahr 2010/2011" vollständig und zukunftsoffen abgelehnt hat, ist Streitgegenstand in zeitlicher Hinsicht der gesamte Zeitraum vom Beginn des Schuljahres 2010/2011 (= August 2010) bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 52/06 R Rn. 12 m.w.N.).
40B. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG) statthafte (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 54 Rn. 20a ff., 38 ff.; BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R Rn. 9) und auch im Übrigen zulässige Klage ist begründet. Der Beklagte hat die Übernahme der Kosten für den Besuch der T-Schule ab Beginn des Schuljahrs 2010/2011 zu Unrecht abgelehnt. Die Klägerin kann vom Beklagten gemäß §§ 53 ff., 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 2 Eingliederungshilfeverordnung (EinglhVO) die Übernahme dieser Kosten ab August 2010 (= Beginn des Schuljahrs 2010/2011) beanspruchen (dazu im Folgenden). Sonstige Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht (dazu weiter unten).
41I. Der Beklagte - nicht hingegen der (als örtlicher Träger der Sozialhilfe) vorsorglich Beigeladene zu 1 - ist für die Erbringung der begehrten Leistungen sachlich und örtlich zuständig.
42Insofern mag insbesondere offen bleiben, ob es sich bei der T-Schule um eine teilstationäre Einrichtung handelt, für welche der Beklagte gemäß § 97 Abs. 2 S. 1 SGB XII i.V.m. §§ 1, 2 AG-SGB XII NRW i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1a AV-SGB XII NRW und § 98 Abs. 2 S. 2 SGB XII als überörtlicher Träger Hilfen zu erbringen hat (vgl. zur - dort allerdings im Ergebnis offen gelassenen - Frage der Qualifizierung einer Schule als teilstationäre Einrichtung BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R).
43Denn der Beklagte ist (unabhängig von einer etwaigen originären Zuständigkeit) jedenfalls gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 SGB IX sachlich und örtlich für die streitbefangenen Hilfen zuständig. Nach diesen Vorschriften stellt der Rehabilitationsträger, sofern Leistungen zur Teilhabe erbracht werden, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist (§ 14 Abs. 1 S. 1, 1. Halbsatz SGB IX). Hält er sich für unzuständig, so leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu (§ 14 Abs. 1 S. 2 SGB IX). Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der erstangegangene Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf selbst unverzüglich fest (§ 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX). Auf diese Weise wird eine nach außen verbindliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers geschaffen, welche sich auf sämtliche Rechtsgrundlagen erstreckt, die in der Bedarfssituation in Betracht kommen (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R m.w.N.).
44§ 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX ist vorliegend anwendbar. Denn die Träger der Sozialhilfe - und damit auch der Beklagte - sind nach §§ 6 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 5 Nr. 4 SGB IX Rehabilitationsträger für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Zu derartigen Leistungen gehören auch solche der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII (vgl. Luthe in jurisPK-SGB IX, § 55 Rn. 4).
45Auch die (weiteren) Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX sind erfüllt. Der Beklagte hat den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Kosten für den Besuch der T-Schule vom 20.11.2009 nicht gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags (20.11.2009) und im Übrigen auch nicht im Anschluss daran an den Beigeladenen zu 1 oder einen anderen aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet. Folglich ist er nach § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX nicht nur sachlich, sondern auch örtlich zuständig geworden; denn diese Vorschrift legt sowohl die sachliche als auch die örtliche Zuständigkeit fest (Luik in jurisPK-SGB IX, § 14 Rn. 45 unter Hinweis auf Welti in Luthe, Rehabilitationsrecht, 2009, S. 154) und verdrängt die Regelung des § 98 SGB XII (Luik, a.a.O. unter Hinweis auf Welti, a.a.O., LSG Schleswig-Holstein vom 09.11.2005 - L 9 B 268/05 SO ER).
46II. Die materiellen Voraussetzungen der §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 2 EinglhVO liegen ebenfalls vor.
47Nach §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII erhalten die in § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII genannten Personen Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu, wenn und solange nach den Besonderheiten des Einzelfalls Aussicht besteht, dass die Aufgaben der Eingliederungshilfe erfüllt werden. Dabei bleiben die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt (§ 54 Abs. 1 S. 1. 2. Halbsatz SGB XII). Was dabei unter dem Begriff "angemessene Schulbildung" zu verstehen ist, wird im Rahmen des SGB XII nicht definiert. Jedoch bestimmt § 12 Nr. 2 EinglH-VO, dass die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch Maßnahmen der Schulbildung umfasst, wenn diese erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen eine im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht üblicherweise erreichbare Bildung zu ermöglichen.
481. Die Klägerin gehörte aufgrund ihrer schwerwiegenden dauerhaften Behinderungen zu dem von § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX erfassten Personenkreis.
49Nach § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen Leistungen der Eingliederungshilfe. Die Klägerin leidet - was zwischen den Beteiligen auch unstreitig ist - unter einer solchen wesentlichen Behinderung; denn ihre körperlichen Funktionen und geistigen Fähigkeiten weichen aufgrund eines Pallister-Kilian-Syndroms mit globaler Entwicklungsverzögerung, frühkindlichen Autismus sowie Verdachts auf eine schwerste Intelligenzminderung von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand erheblich ab. Wegen dieser Behinderungen ist ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durchgehend und insbesondere auch in dem hier streitbefangenen Zeitraum seit Beginn des Schuljahrs 2010/2011 wesentlich beeinträchtigt. Der Senat folgt insoweit in erster Linie den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M in seinem Gutachten vom 24.05.2012. Dieser ist aufgrund eingehender Untersuchung der Klägerin und sorgfältiger Befunderhebung unter Berücksichtigung der übrigen aktenkundigen medizinischen Unterlagen zu seiner Beurteilung gelangt. Zudem decken sich die von ihm erhobenen Diagnosen im Wesentlichen mit denjenigen in den Befundberichten bzw. Arztbriefen der die Klägerin behandelnden Ärzte Dres. X und Q aus den Jahren 2010 und 2011. Im Übrigen besteht bei der Klägerin aufgrund der genannten Einschränkungen ein sonderpädagogischer Förderbedarf; ein solcher begründet ohnehin stets die Annahme einer wesentlichen Behinderung im vorgenannten Sinne (vgl. BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R).
502. Zu den - somit für die Klägerin in Betracht kommenden - Hilfen für eine angemessene Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII gehören auch die hier streitbefangenen Kosten für den Besuch der T-Schule.
51Der Qualifizierung der Übernahme von Beschulungskosten als "Hilfen" im gesetzlichen Sinne steht nicht entgegen, dass die Klägerin nicht eine die Schulbildung begleitende Maßnahme, sondern die Übernahme der (gesamten) Kosten für den Besuch der T-Schule als solche begehrt.
52a) Zwar ist der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule - und damit im Regelfall auch das Schulgeld, mit welchem der Unterricht finanziert wird - den Regelungen der Eingliederungshilfe grundsätzlich entzogen (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R). Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII. Spricht dieser - ebenso wie § 12 EinglhVO - gerade von "Hilfen", so erfasst er grundsätzlich nur Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung (in Ergänzung der Beschulung als solcher) geeignet und erforderlich sind, Behinderungsfolgen zu beseitigen und zu mildern. Dementsprechend betreffen die Regelbeispiele einer solchen Hilfe in § 12 EinglhVO nur die Schulbildung begleitende Maßnahmen (vgl. zu alledem BSG, a.a.O.).
53b) Gleichwohl verbleibt auch im Kernbereich der Schulbildung ausnahmsweise Raum für Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn nämlich der Besuch einer öffentlichen (und damit für den Sozialhilfeträger kostenfreien) Schule aus objektiven Gründen (z.B. wegen der räumlichen Entfernung vom Wohnort) oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist (so BVerwG, Beschluss vom 02.09.2003 - 5 B 259/02; vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 8 SO 30/10 R unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 13.08.1992 - 5 C 70/88, sowie Beschluss vom 02.09.2003 - 5 B 259/02).
54Der Klägerin war der Besuch einer öffentlichen Schule jedoch aus schwerwiegenden subjektiven Gründen schon seit August 2010 nicht möglich bzw. nicht zumutbar.
55aa) Maßstab hierfür ist vor allem die Aufgabe der Sozialhilfe, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht, und ihn so weit wie möglich zu befähigen, unabhängig von ihr zu leben (vgl. § 1 SGB XII; vgl. insoweit auch BVerwG, Urteil vom 13.08.1992 - 5 C 70/88). Insofern mag vorliegend offen bleiben, ab wann die Grenze der Unzumutbarkeit überschritten sein kann, wenn - wie hier - die Übernahme der Kosten für den Besuch einer nicht vom zuständigen Schulträger bereitgestellten Schule streitbefangen ist. Jedenfalls dann, wenn seitens des zuständigen Schulträgers keine Schule zur Verfügung steht, die den Hilfebedürftigen unter Berücksichtigung seiner Behinderungen im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII angemessen beschulen könnte, liegen schwerwiegende subjektive Gründe vor, welche Eingliederungshilfe durch Übernahme der (gesamten) Beschulungskosten ausnahmsweise zulassen.
56bb) So aber liegt es aber hier. Denn der Besuch der N-Schule - welche vom Beklagten sowie vom Schulamt des Kreises H als allein in Betracht kommende öffentliche Schule benannt wurde, und die mit Blick auf die räumlichen Verhältnisse auch die einzige in Nordrhein-Westfalen in Betracht kommende einschlägige Förderschule ist - ist der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer schwerwiegenden Behinderungen seit Beginn des Schuljahrs 2010/2011 und auch später nicht zumutbar (dazu weiter unten). Vielmehr konnte und kann sie lediglich an der T-Schule angemessen beschult werden. Allein diese Schule ist im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 2 EinglhVO geeignet und - mangels Zumutbarkeit des Besuchs der N-Schule - auch erforderlich, der Klägerin eine im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht üblicherweise erreichbare Bildung zu ermöglichen (dazu im Folgenden).
57(1) Dabei steht - anders als der Beklagte meint - der Geeignetheit der T-Schule nicht etwa der bestandskräftige Bescheid des Schulamtes vom 24.03.2009 entgegen. Dieser benennt zwar die N-Schule (lediglich) als nächstgelegene Förderschule mit dem Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung". Er trifft jedoch - was die Schulbehörde in ihrer späteren Stellungnahme vom 22.02.2011 auch ausdrücklich bestätigt - weder inzident eine den Beklagten bindende Entscheidung über die Eignung der N-Schule, noch weist er der Klägerin die N-Schule im Sinne von § 46 Abs. 6 SchulG NRW als Förderschule konkret zu. Dementsprechend hat das Schulamt auf Anfrage des Senats in dem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes L 20 450/10 B ER mit weiterem Schreiben vom 30.08.2010 ergänzend mitgeteilt, diese "Benennung" orientiere sich lediglich an den Bestimmungen zur Ausführung des § 97 Abs. 4 SchulG NRW bzw. der Schülerfahrkostenverordnung (SchfkVO) und bezeichne damit die örtlich nähere von zwei abstrakt für die Klägerin in Betracht kommenden Schulen im Kreis H. Eine Prüfung der Eignung der Schule unter behinderungsspezifischen Gesichtspunkten war damit jedoch nicht verbunden. Die Schulbehörden entscheiden zwar mit bindender Wirkung gegenüber dem Sozialhilfeträger, in welchem Umfang eine bestimmte Beschulung den geistigen und körperlichen Fähigkeiten eines behinderten Menschen entspricht, hingegen in der Regel nicht darüber, an welcher konkreten Schule die Beschulung zu erfolgen hat (vgl. hierzu den Beschluss des Senats vom 06.09.2010 - 20 SO 450/10 B ER). Aus schulrechtlichem Standpunkt verblieb der Klägerin vielmehr - was das Schulamt in der Stellungnahme vom 22.02.2011 selbst ausgeführt hat - letztlich ein Wahlrecht, welche geeignete Schule sie besuchen will.
58(2) Ebenso wenig steht einer Geeignetheit der T-Schule entgegen, dass die Klägerin durch den Besuch dieser niedersächsischen Tagesbildungsstätte ihrer Schulpflicht nach nordrhein-westfälischem Schulrecht nicht nachkäme.
59(a) Zwar können in Nordrhein-Westfalen Schulpflichtige ihre Schulpflicht grundsätzlich nur an öffentlichen Schulen, Ersatzschulen oder an nach § 118 Abs. 2 SchulG NRW anerkannten Ergänzungsschulen erfüllen (vgl. § 34 Abs. 5 S. 1 SchulG NRW). Insbesondere fehlt im SchulG NRW eine § 162 S. 1 Nieders. SchulG entsprechende Regelung, wonach Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen ihre Schulpflicht auch durch den Besuch einer anerkannten Tagesbildungsstätte erfüllen. Auch hat die zuständige Schulaufsichtsbehörde der Klägerin bislang keine Ausnahmegenehmigung (etwa nach § 34 Abs. 5 S. 3 SchulG NRW) erteilt und auch kein Ruhen der Schulpflicht (§ 40 Abs. 2 SchulG NRW) angeordnet.
60(b) Die nach niedersächsischem Recht erfolgte Erfassung der T-Schule als Tagesbildungsstätte kann indes (jedenfalls im Rahmen der Eingliederungshilfevorschriften) nicht ausschlaggebend sein. Der Senat hält vielmehr für entscheidend, dass der Bildungsauftrag der T-Schule (als Tagesbildungsstätte) inhaltlich mit dem Auftrag der in § 34 Abs. 5 S. 1 SchulG NRW genannten Schulen identisch ist. Vermittelt erstere nach ihrem gesamten Konzept inhaltlich wie die letzteren Wissen und Können an die Schülerinnen und Schüler, so leistet sie in der Sache eine ebenso geeignete Beschulung. Letztlich ist dies zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
61(c) Unabhängig hiervon ist die Erfüllung der Schulpflicht nach nordrhein-westfälischem Schulrecht ohnehin nicht Voraussetzung für Eingliederungshilfe als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Schon § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz SGB XII, wonach die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt bleiben, lässt schulrechtliche Verpflichtungen grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen Pflichten bestehen, ohne dass diese sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R). Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung sind vielmehr lediglich vorrangig an einer Einrichtung zu gewähren, durch deren Besuch der behinderte Mensch der allgemeinen Schulpflicht nach jeweiligem Landesrecht genügt.
62§ 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII lässt sich i.V.m. § 12 Nr. 2 EinglhVO und unter zusätzlicher Berücksichtigung des Nachranggrundsatzes (§ 2 Abs. 1 SGB XII) insofern entnehmen, dass nicht jedwede Hilfeleistung zu einer nach den Vorstellungen des behinderten Menschen bzw. seiner Erziehungsberechtigten bestmöglichen Schulbildung als Eingliederungshilfe verlangt werden kann. Vielmehr ist die schulische Förderung von Kindern nach Art. 7 Abs. 1 GG eine grundsätzlich allein den (öffentlichen) Schulträgern zugewiesene Aufgabe (BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 8 SO 30/10 R). Insbesondere besteht ein Ausschluss für die Übernahme von Schulkosten aufgrund der Gesetze der Länder, (zumindest) soweit die Schulbehörde der ihr möglichen vorrangigen Leistungsverpflichtung auch nachkommt (Voelzke, in Hauck/Noftz, SGB XII, 19. Erg.-Lfg. II/10, § 54 Rn. 44a; BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R). Steht hingegen fest, dass eine im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII angemessene Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht nicht zu erlangen ist, so kann unter dem Gesichtspunkt der Eingliederungshilfe die Übernahme von Kosten für eine anderweitige Beschulung des behinderten Menschen in Betracht kommen (LSG NRW, Urteil vom 15.05.2013 - L 20 SO 67/08; LSG Hessen, Urteil vom 22.11.2010 - L 9 SO 9/07 und zu § 35a SGB VIII; VGH Hessen, Urteil vom 20.08.2009 - 10 A 1799/08).
63Hierfür spricht schon der Wortlaut des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII, der keinen abschließenden Leistungskatalog möglicher Eingliederungshilfen enthält, sondern von Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung (nur) "insbesondere" im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht spricht. Zudem umfassen nach § 12 Nr. 2 EinglhVO Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung auch solche Maßnahmen der Schulbildung, die erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen eine "im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht" (lediglich) "üblicherweise erreichbare" Bildung zu ermöglichen. Insofern bildet die allgemeine Schulpflicht also nur den Vergleichsmaßstab dafür, in welchem Umfang bzw. in welchem Maße Leistungen der Eingliederungshilfe auch außerhalb der allgemeinen Schulpflicht erbracht werden können.
64Diese Lesart wird zudem durch Sinn und Zweck der Eingliederungshilfevorschriften gestützt. Diese sollen nicht vorrangig sicherstellen, dass der nach §§ 53 ff. SGB XII berechtigte Personenkreis seiner Schulpflicht gerecht wird, sondern dem behinderten Menschen nach dem Willen des Gesetzgebers die Integration in die Gesellschaft ermöglichen. § 53 Abs. 3 S. 1 SGB XII bestimmt insoweit als besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört vor allem, ihnen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder (auch nur), sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs. 3 S. 2 SGB XII). Mit Blick auf diese Ziele kann es jedenfalls dann nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, einem behinderten Menschen nach den - im Übrigen bundesrechtlichen - Eingliederungshilfevorschriften der §§ 53 ff. SGB XII eine angemessene Beschulung außerhalb der jeweiligen Landesgrenzen mit der Begründung zu versagen, dass dort die Schulpflicht nach landesrechtlichen Vorschriften nicht erfüllt werde, wenn das landesrechtliche Schul(pflicht-)system selbst eine angemessene Beschulung nicht sicherstellt (vgl. hierzu schon den Beschluss des Senats vom 15.08.2012 - L 20 SO 309/12 ER).
65(d) Auf ein etwaiges schulrechtliches Wahl- und Bestimmungsrecht des behinderten Menschen bzw. seiner Eltern kommt es in diesem Zusammenhang im Übrigen von vornherein nicht an. Ein solches Wahlrecht ist allenfalls dann von Bedeutung, wenn (wie in dem der Entscheidung des BVerwG vom 26.10.2007 - 5 C 35.06 zugrunde liegenden Sachverhalt) der Besuch zweier Schulen im Raume steht, welche beide in das System der allgemeinen Schulpflicht des betroffenen Bundeslandes integriert sind. Im vorliegenden Fall liegt jedoch allein die N-Schule in Nordrhein-Westfalen, während sich die T-Schule in Niedersachen befindet.
66cc) Ausgehend von den dargestellten Kriterien ist mit Blick auf die Formulierungen in § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII (" angemessene Schulbildung ") und § 12 Nr. 2 EinglhVO (" üblicherweise erreichbare Bildung ") in einem ersten Schritt festzustellen, welches konkrete Bildungsziel für den behinderten Menschen in Betracht kommt (so auch Voelzke a.a.O. Rn. 40a; dazu im Folgenden). Daran anschließend ist zu prüfen, ob dieses Ziel mit den Möglichkeiten, welche das öffentliche Schulsystem für den Betroffenen bereithält, in zumutbarer Weise verfolgt werden kann oder nicht (dazu weiter unten). Im Rahmen dieses zweiten Prüfungsschritts sind unter "bereithalten" die Leistungen oder Rahmenbedingungen zu verstehen, die das öffentliche Bildungssystem dem behinderten Menschen tatsächlich zur Verfügung stellt, oder die der Betroffene im Rahmen zumutbarer Bemühungen rechtzeitig realisieren kann (vgl. das Urteil des Senats vom 15.05.2013 - L 20 SO 67/08; Scheider in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2010, § 53 Rn. 71; Voelzke a.a.O. Rn. 44a mit Hinweis m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.06.2000 - 16 A 3108/99 Rn. 17 a.E. und Rn. 22).
67(1) Die für die Klägerin in Betracht kommenden Bildungsziele hat der Senat umfassend ermittelt; diese Bildungsziele werden an der von ihr besuchten T-Schule im Übrigen konsequent in geeigneter Weise verfolgt.
68(a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, namentlich den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M in seinen schriftlichen Äußerungen sowie seinen weiteren Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung, ist der Senat davon überzeugt, dass das für die Klägerin anzustrebende Bildungsziel seit Beginn des streitbefangenen Zeitraums weit unterhalb der Qualifikation eines formalen Bildungsabschlusses (wie etwa eines Hauptschulabschlusses) anzusiedeln ist. Die Klägerin wird aller Voraussicht nach basale Fähigkeiten wie Rechnen, Lesen und Schreiben nicht erlernen. Vielmehr liegen ihre Lernziele - den nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen vor allem in seiner Stellungnahme vom 08.04.2013 sowie seinen mündlichen Erläuterungen folgend - im Wesentlichen darin, kommunikative und interaktive Fähigkeiten zu erlernen bzw. zu verbessern, Alltagsfertigkeiten zu erwerben und auszubauen sowie ihre Selbstbeschäftigung zu fördern. Das betrifft konkret erstens das Erlernen und Anwenden von Symbolen und Symbolhandlungen durch Bilder und Piktogramme für verschiedene Alltagssituationen und Kommunikationsanlässe (= Bereich der Kommunikation und sozialen Interaktion), zweitens die bessere Koordination der Abläufe des Essvorgangs und Erlangung einer größeren Selbständigkeit bei den Mahlzeiten sowie die Verbesserung der Körperhygiene (= Bereich der Alltagsfähigkeiten), und schließlich drittens die Intensivierung der Erkundung der Umgebung sowie das Begreifen und Ausüben einfacher Spiele oder Beschäftigungen (= Bereich der Selbstbeschäftigung).
69(b) Die T-Schule, deren Schulkosten vorliegend im Streit stehen, ist im Sinne des § 12 Nr. 2 EinglhV geeignet, der Klägerin diese Bildungsziele erfolgversprechend zu vermitteln. Das gilt sowohl mit Blick auf die Schülerzahl, die Klassengröße und die sonstigen Rahmenbedingungen (insbesondere die Dauer der Anfahrt zur Schule) als auch auf die von der Schule vorgehaltenen pädagogischen und therapeutischen Angebote sowie das Förderkonzept. Dies steht unter Berücksichtigung der von der Leiterin der T-Schule beschriebenen dortigen Umstände der Beschulung sowie der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M fest und wird auch vom Beklagten nicht bestritten. Der Sachverständige ist insoweit in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08.04.2013 zu der Einschätzung gelangt, dass die T-Schule "in höchstem Maße" geeignet ist, die von ihm beschriebenen Lernziele zu fördern. Zweifel an dieser Beurteilung hat der Senat nicht. Sie erscheint insbesondere vor dem Hintergrund der vom Sachverständigen behinderungsbedingt für notwendig erachteten Rahmenbedingungen für die Beschulung der Klägerin sowie der diesbezüglichen Angaben der Schulleiterin der T-Schule in ihrer Stellungnahme vom 11.11.2013 sowie in der mündlichen Verhandlung schlüssig.
70(aa) Zwar kommt es nach den Feststellungen des Sachverständigen für die Beurteilung der Geeignetheit auf die Größe der T -Schule (nach den Angaben der Schulleiterin im Schuljahr 2013/2014 86 Schüler) und Klassen (5 bis 9 Schüler), die Dauer eines Schultags (von 8:00 Uhr bis 14:15 Uhr) sowie die Dauer der Fahrt zur Schule (ca. 17 Minuten) nicht entscheidend an. Im Hinblick auf den erheblichen Förderbedarf und die schnelle Überforderung der (u.a.) geistig schwerstbehinderten Klägerin bei Unruhe im Umfeld ist ihre adäquate Beschulung jedoch - den nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen folgend - nur dann möglich, wenn sie bei Bedarf kurzfristig aus der Klasse herausgenommen und ihr im Rahmen einer Einzelbetreuung (außerhalb oder innerhalb des Klassenraums) Möglichkeiten zum Stressabbau und Rückzug geboten werden können. Dass die T-Schule diesen Anforderungen gerecht wird, steht unter Zugrundelegung der Angaben der Schulleiterin vom 11.11.2013 fest. Danach wird jede Klasse konstant durch zwei Lehrkräfte sowie im Bedarfsfall durch zusätzliche Hilfskräfte betreut, die eine vorübergehende Einzelbetreuung der Klägerin jederzeit sicherstellen können.
71(bb) Darüber hinaus trägt das Konzept der T-Schule auch den Auswirkungen der bei der Klägerin bestehenden autistischen Störung und den insoweit von dem Sachverständigen nachvollziehbar für notwendig erachteten Beschulungsbedingungen hinreichend Rechnung.
72Der Sachverständige hat insofern (insbesondere in seiner ergänzenden Stellungnahme aus 12.11.2012) deutlich gemacht, dass die Klägerin einer konsequenten autismusspezifischen Förderung im Bereich der Schule bedarf, die nicht auf gelegentlich angebotene Einzelförderung im schulischen Kontext beschränkt sein, sondern sich zudem in der Gesamtkonzeption des Unterrichts und des schulischen Alltags widerspiegeln soll. Dabei sollten sämtliche Lehrer über grundlegende Kenntnisse und lerntheoretische Techniken (Verstärkung, Prompting, Fading), insbesondere der angewandten Verhaltensanalyse, im Umgang mit Kindern verfügen, welche unter einer Störung aus dem Autismusspektrum leiden. Das gilt nach den Ausführungen des Sachverständigen sowohl im Hinblick auf die soziale Interaktion und Kommunikation als auch auf die häufig begrenzten, repetitiven und stereotypen Verhaltensmuster solcher Kinder.
73Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Einschätzung des Sachverständigen. Sie erscheint vor allem mit Blick auf die von ihm in seinem Gutachten vom 24.05.2012 erhobenen Befunde, nach denen die Klägerin bereits im Schuljahr 2010/2011 unter einem frühkindlichen Autismus litt, schlüssig. Bestätigt werden diese Ausführungen im Übrigen durch den Zwischenbericht des EVK C vom 19.04.2010, in welchem Dres. C und Q (offenbar erstmals) eine tiefgreifende Entwicklungsstörung mit autistischen Zügen beschrieben haben. Zudem hat auch der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin bzw. Neuropädiatrie Dr. L1, der die Klägerin während einer stationären neuropädiatrischen Rehabilitation und damit über einen längeren Zeitraum beobachten konnte, in seinem Behandlungsbericht vom 09.07.2010 wesentliche Symptome eines frühkindlichen Autismus (u.a. kaum vorhandene Kontaktaufnahme, kaum Entwicklung von aktiver Sprache, zwanghafte Verhaltensweisen, stereotype Verhaltensmuster, Abhängigkeit von vorgegebenen Mustern und Ritualen sowie Selbststimulation durch Zufügen von Schmerzen) festgestellt.
74(cc) Dass die Klägerin mit Blick auf ihren frühkindlichen Autismus besonderer Förderung bedarf, welche über eine Einzelförderung im Rahmen zeitlich begrenzter Therapieeinheiten hinausgeht und sich in der Gesamtkonzeption des Unterrichts und des schulischen Alltags widerspiegeln soll, hat der Sachverständige nachvollziehbar dargelegt. Danach erfordern die soziale Interaktion und Kommunikation sowie die häufig begrenzten, repetitiven und stereotypen Verhaltensmuster von Kindern, die unter einer autistischen Störung leiden, u.a. besondere lerntheoretische Techniken sowie das Zerlegen komplexer Handlungsfolgen in möglichst kleine Teilschritte, welche jeweils möglichst genau und konsistent sowie operant verstärkt werden müssen. Zudem bedarf es klarer Strukturen und Abläufe sowie der Visualisierung durch vor allem Bilder, Postkarten oder Handzeichen, welche oft erfolgreicher sind als eine komplexe Sprache, subtile Mimik und Gestik.
75Diesen Anforderungen trägt die T-Schule in geeigneter Weise - wenn nicht sogar in besonderem Maße - Rechnung. Nach den Angaben der Schulleiterin in ihrer Stellungnahme vom 11.11.2013 fördert der dortige Fachdienst für Autismus-Spektrum-Störungen die Schüler/innen, welche aufgrund eines frühkindlichen Autismus einen spezifischen Unterstützungsbedarf haben, nicht nur in Form von Einzeltherapien während der Schulzeit. Vielmehr ist der gesamte Schulalltag durch klare Strukturen, individuell angepasste Orientierungshilfen (z.B. sog. TEACCH-Uhren) und unterstützte Kommunikation geprägt. Sämtliche Lehrkräfte, pädagogische Mitarbeiter und Therapeuten, welche an der T-Schule unterrichten bzw. Therapien durchführen, sind zum einen im Hinblick auf die Auswirkungen einer Störung aus dem Autismusspektrum auf die Entwicklung der betroffenen Schüler/innen unter besonderer Berücksichtigung von Interaktion, Kommunikation und Verarbeitung der Wahrnehmung geschult. Zum anderen verfügen sie über Kenntnisse zur unterstützten Kommunikation durch "TEACCH" (= Treatment and Education of Autistic and related Communication handicapped Children, dt.: Behandlung und pädagogische Förderung autistischer und in ähnlicher Weise kommunikationsbehinderter Kinder), autismusspezifischer Verhaltenstherapie und leichter Sprache. Dabei findet neben externen Fortbildungsangeboten eine kontinuierliche Beratung und Supervision der (Lehr-)Kräfte durch den Fachdienst statt, wobei u.a. in Abständen von zwei Monaten für alle Lehrkräfte, deren Klasse von einem Schüler mit einer Störung aus dem Autismusspektrum besucht wird, weitergehende vertiefende Schulungen erfolgen.
76(dd) Die Beurteilung des Sachverständigen, der zufolge die T-Schule nach ihrem Schulkonzept geeignet ist, die Klägerin unter Berücksichtigung ihres frühkindlichen Autismus angemessen zu beschulen, wird zudem bestätigt durch die vorliegenden Befund- bzw. Arztberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte. Diese sind übereinstimmend zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin auch unter Berücksichtigung ihrer autistischen Störung in der T-Schule beschult werden kann.
77(2) Der Besuch der T Schule ist seit Schulbeginn (August 2010) nicht nur geeignet, sondern auch im Sinne des § 12 Nr. 2 EinglhVO erforderlich, um die Klägerin angemessen zu beschulen; denn die vom Sachverständigen Prof. Dr. M beschriebenen Lernziele können seither mit den Möglichkeiten, welche das öffentliche Schulsystem in Nordrhein-Westfalen für die Klägerin bereit hält, nicht in zumutbarer Weise verfolgt werden.
78Zunächst, d.h. zumindest im Schuljahr 2010/2011, war das Förderkonzept der (von der Beklagten einzig als geeignet benannten) N-Schule nicht ausreichend, um den Behinderungen der Klägerin gerecht zu werden (dazu im Folgenden). Anschließend war der Klägerin jedenfalls ein Schulwechsel behinderungsbedingt nicht mehr zumutbar (dazu weiter unten).
79(a) Im Anschluss an die Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass die N-Schule jedenfalls im Schuljahr 2010/2011 zur Erreichung der beschriebenen Förderziele (noch) nicht geeignet war. Zwar mögen unter Zugrundelegung der schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M insbesondere die dortigen Schülerzahlen (nach den Bekundungen des Zeugen L im Verhandlungstermin seit dem Jahr 2010 zwischen ca. 180 und 169), die Klassenstärken (im Eingangsbereich sieben oder acht, später ca. zehn Schüler/innen), die tägliche Schulzeit (montags bis donnerstags 8.30 Uhr bis 15.00 Uhr, freitags bis 12.30 Uhr) und die Dauer des Schulwegs mit dem Schülerspezialtransport (maximal eine Stunde) einer dortigen Beschulung der Klägerin seit Schulbeginn nicht entgegenstehen. Auch bietet die N-Schule aufgrund ihres Betreuungsschlüssels in gleicher Weise wie die T-Schule die Möglichkeit, die Klägerin - wie vom Sachverständigen für notwendig erachtet - bei Bedarf kurzfristig aus der Klasse herauszunehmen und ihr im Rahmen einer Einzelbetreuung (außerhalb oder innerhalb des Klassenraums) Stressabbau und einen vorübergehenden Rückzug zu bieten. Der Senat legt insoweit ebenfalls die Angaben des Zeugen L in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 24.09.2013 sowie bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung zugrunde. Danach erfolgt ca. 85 % des Unterrichts in Anwesenheit von zwei Lehrkräften; zusätzlich werden je nach Bedarf weitere Hilfskräfte (in der Regel mindestens eine) eingesetzt, insbesondere Mitarbeiter/innen im freiwilligen sozialen Jahr und Integrationshelfer/innen, die bei entsprechender Veranlassung jederzeit Schüler/innen auch außerhalb des Klassenraums betreuen können.
80Indes wurde das Förderkonzept der N-Schule zumindest im Schuljahr 2010/2011 der (im Zusammenhang mit den weiteren individuellen Einschränkungen infolge des Pallister-Kilian-Syndroms zu berücksichtigenden) autistischen Störung der Klägerin (noch) nicht gerecht. Das gilt sowohl im Hinblick auf die Unterrichtsgestaltung als auch auf die insofern notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten der Lehrkräfte. Zwar hat der Zeuge L in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 24.09.2013 ausgeführt, dass an der N-Schule nicht nur eine autismusspezifische Einzelförderung (in der Regel zwei Therapiestunden pro Woche) stattfinde, sondern auch eine entsprechende Förderung nach dem TEACCH-Konzept während des Unterrichts und im schulischen Alltag. Bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung hat er jedoch klarstellend bekundet, das TEACCH-Konzept sei an der N-Schule erst im Laufe des Jahres 2011 und im Anschluss an eine (lediglich) eintägige Schulung der Lehrkräfte eingeführt worden; zuvor sei hingegen - wie von ihm in einer E-Mail an den Beklagten vom 02.11.2010 beschrieben - kein einheitliches innerschulisches Konzept für Schüler mit einer Störung aus dem Autismusspektrum angewandt worden. Im Übrigen entzog es sich der Kenntnis des Zeugen, in welchem Umfang die Lehrkräfte das erlernte TEACCH-Konzept (z.B. im Hinblick auf die notwendige Reduzierung verbaler Informationen) selbst gegenwärtig im Unterricht tatsächlich umsetzen. Dies zugrundelegend, fehlte es selbst nach dem Schuljahr 2010/2011 noch an konsequenter Beratung und Supervision der Lehrkräfte.
81(b) Es bedarf keiner abschließenden Klärung, ob die autismusspezifische Förderung jedenfalls in Folgeschuljahren an der N-Schule der spezifischen Behinderung der Klägerin hätte genügen können. Denn im Anschluss an ihre zu Recht an der T-Schule erfolgte Einschulung war ihr jedenfalls ein Wechsel zur N-Schule spätestens nach Absolvierung des ersten Schuljahrs (2010/2011) - wenn nicht schon (was der Senat offen lassen kann) nach Beendigung des Kindergartens B (Mitte des Jahres 2010) - aufgrund der Besonderheiten ihrer Behinderung, insbesondere mit Blick auf ihre autistische Störung, nicht mehr zumutbar.
82(aa) Der Senat legt seiner Beurteilung auch insoweit in erster Linie die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M zugrunde. Bereits in seinem Gutachten vom 24.05.2012 (daneben in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08.04.2013) ist er zu der Einschätzung gelangt ist, ein Schulwechsel würde bei der Klägerin mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer zeitweisen Verlangsamung der angestoßenen Lernprozesse führen; von einem solchen Wechsel hat er daher "klar abgeraten". Ergänzend hat er in seiner Stellungnahme vom 08.04.2013 einen Schulwechsel wegen der massiven Einschränkungen der Klägerin, ihrer autistischen Störung sowie ihrer aktuell sehr positiven Entwicklung aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht für nicht vertretbar gehalten. In der mündlichen Verhandlung hat er schließlich auf ausdrückliches Befragen erklärt, schon zur Zeit der Einschulung (im Jahr 2010) den Besuch der - dem zuvor besuchten Kindergarten B angegliederten - T-Schule für klar empfehlenswert gehalten zu haben (ob bereits allein dies einer Einschulung der Klägerin an der N-Schule entgegengestanden hätte, kann der Senat indes offen lassen).
83Auch diese Beurteilung des Sachverständigen zur Unzumutbarkeit eines Schulwechsels hält der Senat für überzeugend. Zwar konnte der Sachverständige auch in der mündlichen Verhandlung nicht konkreter angeben, mit welchen Rückschritten im Einzelnen ein solcher Wechsel bei der Klägerin verbunden wäre. Gleiches gilt für das zu erwartende Ausmaß der Rückschritte, namentlich die Zeit, welche die Klägerin benötigen würde, um sie wieder aufzufangen. Der Senat hält dies mit Blick darauf, dass das Pallister-Kilian-Syndrom - den Ausführungen des Sachverständigen folgend - eine äußerst seltene Erkrankung ist, die eine derartige Prognose nur schwer zulässt, indes für nachvollziehbar. Dass eine Umschulung bei der Klägerin jedenfalls mit erheblichen Rückschritten verbunden ist, welche - so die Ausführungen im Gutachten vom 24.05.2012 - mit Rücksicht auf die massiven Beeinträchtigungen der Klägerin und die enorme Bedeutung auch kleiner Entwicklungsschritte nicht vertretbar erscheint, hat der Sachverständige jedoch mit "großer Sicherheit" bejaht. Bedenken an der Richtigkeit dieser Einschätzung hat der Senat nicht. Der Sachverständige hat insofern unter Berücksichtigung der aktenkundigen medizinischen und psychologischen Berichte sowie der Schilderungen der Eltern der Klägerin schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass jeder räumliche Wechsel für ein Kind mit dem Beschwerdebild der Klägerin eine große Verunsicherung bedeutet, und dass er mit Eingewöhnungsschwierigkeiten sowie Rückschritten einhergeht, weil zunächst viel Anstrengung auf die Anpassung an die neue Situation verwendet werden muss.
84(bb) Bestätigt wird diese Einschätzung durch die Diplom-Psychologin M und die Erzieherin N (I Klinik I). Diese haben in ihrem neuropsychologischen Abschlussbericht vom 16.07.2010 u.a. wegen der autistischen Störung der Klägerin von einer Änderung des gewohnten Umfelds bzw. von einer Beschulung in der N-Schule dringend abgeraten. Auch der Arzt für Kinder- und Jugendmedizin Dr. X hat in seinem Befundbericht vom 13.09.2011 im Zusammenhang mit einem Wechsel von Schule und Therapeuten auf eine (mögliche) Gefährdung der bisher gemachten Fortschritte hingewiesen.
85(cc) Der Einschätzung des Sachverständigen steht auch nicht entgegen, dass der Schulbericht des Kindergartens B aus Oktober 2008 von einer gelassenen Reaktion der Klägerin auf kurzzeitige Veränderungen spricht. Denn diese temporären Erlebnisse (z.B. durch Besuch des Zoos bzw. Besuche außenstehender Personen in der Gruppe) erfolgten - den glaubhaften Angaben der Schulleiterin T1 in der mündlichen Verhandlung folgend - innerhalb einer damals sehr konstanten personellen Grundsituation der Kindergartengruppe und ihrer Betreuer/innen. Ein Wechsel der Schule wäre für die Klägerin jedoch nicht nur mit kurzzeitigen räumlichen Veränderungen, sondern - neben einem geänderten Schulwegetransport, Tagesablauf und Schulprogramm sowie Verlust der gesamten bisherigen Mitschüler/innen - insbesondere auch mit einem Austausch sämtlicher Lehr- und Betreuungskräfte und damit der maßgebenden Bezugspersonen verbunden, welche die Klägerin während des gesamten Schulalltags begleiten und fördern. Derartig einschneidende und vielschichtige Veränderungen sind im Übrigen - entgegen der Auffassung des Beklagten - von vornherein nicht vergleichbar mit Umständen wie einem stationären Krankenhausaufenthalt oder einem Wechsel bzw. Ausfall einzelner Lehrkräfte oder Betreuungspersonen, die naturgemäß in jedem Schulalltag vorkommen können.
86(c) War - zusammenfassend - der Klägerin aber ein Schulwechsel spätestens nach Absolvierung des ersten Schuljahres (Schuljahr 2010/2011) behinderungsbedingt nicht mehr zumutbar, so war ihr - selbst wenn die N-Schule wegen zwischenzeitlich erweiterter autismusspezifischer Lehrinhalte geeignet gewesen sein sollte, die Klägerin angemessen zu beschulen - ein Wechsel auf diese Schule aus schwerwiegenden subjektiven Gründen (s.o.) unmöglich bzw. unzumutbar. Der (weitere) Besuch der T-Schule war aus diesem Grund auch über das Schuljahr 2010/2011 hinaus erforderlich im Sinne des § 12 Nr. 2 EinglhVO.
87dd) Der Umstand, dass die Klägerin ihre Schulbildung an der T-Schule entgegen der angefochtenen Entscheidung des Beklagten aufgenommen und auf diese Weise vollendete Tatsachen geschaffen hat, steht der Übernahme der Kosten für den Besuch der T-Schule von vornherein nicht entgegen. Das gilt zumindest für das Schuljahr 2010/2011 schon deshalb, weil die N-Schule (deren Besuch der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden für angemessen erachtet hat) seinerzeit keine geeignete, auf die Besonderheiten der zusammenwirkenden Behinderungen der Klägerin abgestellte Förderung zur Verfügung hätte stellen können (s.o.). Für die Folgezeit aber war schon wegen Unzumutbarkeit eines Schulwechsels der weitere Besuch der T-Schule für die weitere Eingliederung der Klägerin unverzichtbar.
88Der Senat weicht insofern nicht von seinem früheren Urteil vom 15.05.2013 - L 20 SO 67/08 ab. Zwar ist dort ausgeführt, dass die dortige Klägerin keine Vorteile daraus ziehen darf, dass sie entgegen der von ihr angefochtenen Entscheidung des Beklagten ihre Schulausbildung zunächst an der T-Schule begonnen hat und nunmehr mangels Anspruchs auf Übernahme der Beschulungskosten auf die N-Schule wechseln muss. In jenem Fall ließ sich jedoch - anders als jetzt - nicht feststellen, dass die (insoweit beweispflichtige) dortige Klägerin an der N-Schule nicht hätte angemessen beschult werden können, und dass deshalb eine Umschulung unzumutbar wäre. Unterscheiden sich jener und der vorliegende Sachverhalt deshalb wesentlich, so kann im jetzigen Fall (bei dem kein Ermittlungsausfall vorliegt) offen bleiben, ob und inwiefern "Verschuldensgesichtspunkte" (die im Recht der Sozialhilfe einen zu deckenden Bedarf ohnehin grundsätzlich nicht entfallen lassen, sondern allenfalls unter engen Voraussetzungen eine Leistungseinschränkung bzw. einen Erstattungsanspruch nach sich ziehen können; vgl. § 26 bzw. § 103 SGB XII) hinsichtlich der getroffenen Schulwahl berücksichtigungsfähig sind.
893. Dem Anspruch der Klägerin auf Übernahme ihrer Beschulungskosten an der T-Schule als Eingliederungshilfe stehen sonstige Hindernisse nicht entgegen. Insbesondere verfügte die Klägerin durchgehend seit Schuljahresbeginn 2010/2011 weder über anzurechnendes Einkommen noch Vermögen (wobei letzteres bei den hier in Rede stehenden Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung ohnehin nicht anspruchsmindernd oder -ausschließend zu berücksichtigen wäre - vgl. § 92 Abs. 2 S. 2 i.V.m. S. 1 Nr. 2 i.V.m. SGB XII - und ersteres auf die Aufbringung der Mittel für die Kosten des Lebensunterhalts beschränkt wäre - vgl. § 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB XII -).
90C. Sonstige Anspruchsgrundlagen für eine Übernahme von Kosten im Zusammenhang mit der Beschulung der Klägerin existieren nicht.
91I. Leistungen der Eingliederungshilfe des Jugendhilfeträgers nach § 35a SGB VIII scheiden aus. Zwar mag der frühkindliche Autismus der Klägerin eine seelische Behinderung im Sinne des § 35a Abs. 1 und 3 SGB VIII sein; eine solche kann grundsätzlich zu einer Leistungszuständigkeit des Jugendhilfeträgers führen. Leidet die Klägerin jedoch zumindest auch unter einer wesentlichen geistigen Behinderung, ist nach der Abgrenzungsregelung des § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII der beklagte Sozialhilfeträger vorrangig zuständig (vgl. zu dieser Abgrenzung ausführlich etwa Urteil des Senats vom 18.01.2013 - L 20 SO 170/11 Rn. 59 ff. m.w.N.). Aus diesem Grund bedurfte es von vornherein keiner Beiladung des Jugendhilfeträgers.
92II. Schließlich wurde in der mündlichen Verhandlung für die Klägerin ausdrücklich klargestellt, dass Leistungen nach dem Dritten bzw. Vierten Kapitel des SGB XII (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 Rn. 18) nicht geltend gemacht werden.
93D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
94E. Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
(1) Zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe ist verpflichtet, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres für sich oder andere durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten die Voraussetzungen für die Leistungen der Sozialhilfe herbeigeführt hat. Zum Kostenersatz ist auch verpflichtet, wer als leistungsberechtigte Person oder als deren Vertreter die Rechtswidrigkeit des der Leistung zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Von der Heranziehung zum Kostenersatz kann abgesehen werden, soweit sie eine Härte bedeuten würde.
(2) Eine nach Absatz 1 eingetretene Verpflichtung zum Ersatz der Kosten geht auf den Erben über. § 102 Abs. 2 Satz 2 findet Anwendung.
(3) Der Anspruch auf Kostenersatz erlischt in drei Jahren vom Ablauf des Jahres an, in dem die Leistung erbracht worden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. Der Erhebung der Klage steht der Erlass eines Leistungsbescheides gleich.
(4) Die §§ 44 bis 50 des Zehnten Buches bleiben unberührt. Zum Kostenersatz nach Absatz 1 und zur Erstattung derselben Kosten nach § 50 des Zehnten Buches Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.
(1) Erhält eine Person, die nicht in einer Wohnung nach § 42a Absatz 2 Satz 2 lebt, Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Fünften, Siebten, Achten oder Neunten Kapitel oder Leistungen für ärztliche oder ärztlich verordnete Maßnahmen, so kann die Aufbringung der Mittel für die Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel von ihr und den übrigen in § 19 Absatz 3 genannten Personen verlangt werden, soweit Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart werden. Für Leistungsberechtigte nach § 27c Absatz 1 und die übrigen in § 19 Absatz 3 genannten Personen sind Leistungen nach § 27c ohne die Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu erbringen; Absatz 2 findet keine Anwendung. Die Aufbringung der Mittel nach Satz 1 ist aus dem Einkommen nicht zumutbar, wenn Personen, bei denen nach § 138 Absatz 1 Nummer 3 und 6 des Neunten Buches ein Beitrag zu Leistungen der Eingliederungshilfe nicht verlangt wird, einer selbständigen und nicht selbständigen Tätigkeit nachgehen und das Einkommen aus dieser Tätigkeit einen Betrag in Höhe des Zweifachen der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 nicht übersteigt; Satz 2 gilt entsprechend.
(2) Darüber hinaus soll in angemessenem Umfang die Aufbringung der Mittel aus dem gemeinsamen Einkommen der leistungsberechtigten Person und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners verlangt werden, wenn die leistungsberechtigte Person auf voraussichtlich längere Zeit Leistungen in einer stationären Einrichtung bedarf. Bei der Prüfung, welcher Umfang angemessen ist, ist auch der bisherigen Lebenssituation des im Haushalt verbliebenen, nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners sowie der im Haushalt lebenden minderjährigen unverheirateten Kinder Rechnung zu tragen.
(3) Hat ein anderer als ein nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtiger nach sonstigen Vorschriften Leistungen für denselben Zweck zu erbringen, wird seine Verpflichtung durch Absatz 2 nicht berührt. Soweit er solche Leistungen erbringt, kann abweichend von Absatz 2 von den in § 19 Absatz 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel verlangt werden.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.
(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.
(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24.10.2012 geändert. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 02.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2010 verpflichtet, die Kosten für die stationäre Unterbringung des Klägers beim Beigeladenen im Monat Januar 2008 in Höhe von 3.600,39 EUR, im Monat Februar 2008 in Höhe von 3.693,46 EUR und im Monat März 2008 in Höhe von 3.941,72 EUR, jeweils unter Anrechnung bereits dafür erbrachter Leistungen, zu tragen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge. Eine Kostenerstattung im Übrigen findet nicht statt. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt die Verpflichtung des beklagten Landkreises zur Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB XII für die Unterbringung in einer stationären Einrichtung der Eingliederungshilfe (nur mehr) für den Zeitraum von Januar bis März 2008.
3Der am 00.00.1928 geborene Kläger leidet unter einem hirnorganischen Psychosyndrom nach langjährigem Alkoholkonsum mit schweren dissozialen und aggressiven Verhaltensauffälligkeiten sowie Verlust wesentlicher Teile der Sprachfähigkeit bei tertiärer Lues (progressive Paralyse). Vom Versorgungsamt wurde ihm ein Grad der Behinderung von 100 einschließlich der Merkzeichen "G", "B", "H" und "RF" zuerkannt. Er steht (auch schon während des streitigen Zeitraums) unter Betreuung (Bereiche: Gesundheits- und Heilmaßnahmen einschließlich stationärer Krankenhausaufenthalte, Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung einschließlich Entscheidungen über die Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen i.S.d. § 1906 Abs. 4 BGB). Willenserklärungen bei Gesundheits- und Heilmaßnahmen sowie der Aufenthaltsbestimmung bedürfen der Einwilligung des Betreuers.
4Im noch streitigen Zeitraum erfüllte der Kläger in der Gesetzlichen Pflegeversicherung die Voraussetzungen der Pflegestufe I. Er verfügte mit Ausnahme einer monatlichen Altersrente von unter 800 EUR (und Pflegegeldleistungen aus der Gesetzlichen Pflegeversicherung) nicht über Einkommen oder Vermögen, welches nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII einzusetzen wäre.
5Seine gesundheitlichen Einschränkungen machten schon in den 1990er Jahren intensive Betreuungsmaßnahmen bis hin zu stationären Krankenhausaufenthalten erforderlich. Bis April 1992 (Vollendung des 64. Lebensjahres am 26.04.1992) war er jedoch nicht stationär in einem Wohnheim untergebracht; auch erhielt er in der Zeit zwischen Vollendung des 64. und des 65. Lebensjahres (26.04.1992 und 26.04.1993) keine Eingliederungshilfe vom (damals noch zuständigen) überörtlichen Träger der Sozialhilfe, dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).
6Vor April 2002 lebte der Kläger längere Zeit allein in seiner eigenen Wohnung in I, wo er Leistungen der ambulanten psychiatrischen Pflege nach dem SGB V vom Träger der Gesetzlichen Krankenversicherung erhielt. Am 19.04.2002 wurde er erstmalig in eine Wohngruppe (ebenfalls) in I aufgenommen, die von der Beigeladenen (seinerzeit noch A e.V.) betrieben wurde. Am 09.11.2005 übersiedelte er in die von der Beigeladenen getragene Wohngruppe E-straße 00 in H, wo er seither lebt.
7Diese Wohngruppe in einem alten Hofgebäude mit Anbau bietet Platz für etwa zwölf überwiegend ältere Menschen mit geistigen Behinderungen und körperlichen Einschränkungen. Die Räumlichkeiten, die von der (Unter-)Wohngruppe bewohnt werden, welcher auch der Kläger angehört, befinden sich im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss des Hauptgebäudes, baulich getrennt von weiteren Räumlichkeiten für Personen, die Leistungen des ambulant betreuten Wohnens erhalten. Der Kläger bewohnt seit November 2005 durchgehend ein Einzelzimmer im Erdgeschoss.
8Unter dem 04.11.2005 schlossen der Kläger (vertreten durch seinen Betreuer) und die Beigeladene mit Wirkung zum Tag der Aufnahme des Klägers in die Wohngruppe einen Heimvertrag. Dessen § 5, überschrieben mit "Leistungsentgelt (Pflegesatz)", enthält zur Vergütung u.a. folgende Bestimmungen: "Der Pflegesatz beträgt zur Zeit täglich ... EUR entsprechend beiliegender Kopie der derzeit gültigen Vergütungsvereinbarung (siehe Anlage 4). Er wird von der für die Festsetzung der Pflegesätze zuständigen Stelle des LWL festgesetzt. [ ...] Ist ein Heimbewohner / eine Heimbewohnerin bis zu drei Tagen abwesend, so wird für diese Zeit der volle Pflegesatz erhoben. Bei einer vorübergehenden Abwesenheit von mehr als drei Tagen kann vom ersten Tag der vollen Abwesenheit an eine Platzgebühr berechnet werden, wenn der Heimplatz in diesem Zeitraum freigehalten wird. Innerhalb eines jeden Kalenderjahres besteht ein Anspruch auf Platzgebühr höchstens für 28 Tage, sofern nicht der Kostenträger auf Antrag im Einzelfall einer anderen Regelung zugestimmt hat. Die Platzgebühr beträgt 75 vom Hundert des Pflegesatzes. [ ...] (Sofern die Pflegesätze für die Heimunterbringung durch die Festsetzung der Pflegesätze zuständigen Stelle geändert werden, werden diese geänderten Pflegesätze in der festgesetzten Höhe von dem Tag ab gefordert, an dem sie, ggf. auch rückwirkend, in Kraft treten.)" Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Blatt 8 bis 15 Bd. II der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
9Zwischen der Beigeladenen und dem LWL bestanden zu dieser Zeit - wie auch im hier streitigen Zeitraum - Vergütungs- bzw. Leistungs- und Prüfungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 S. 1 SGB XII (bzw. § 93 Abs. 2 S. 1 BSHG), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Verträge zwischen Erbringern von Leistungen der stationären Eingliederungshilfe und örtlichen Trägern der Sozialhilfe, insbesondere dem Beklagten, existieren im Bezirk des LWL hingegen nicht.
10Die Kosten für die Unterbringung des Klägers in der Wohngruppe in I trug (im Anschluss an den Verbrauch des Vermögens des Klägers) zunächst der LWL als Eingliederungshilfe. Wegen einer Änderung in den landesrechtlichen Bestimmungen über die sachliche Zuständigkeit nach dem SGB XII (§ 2 Abs. 3 AV-BSHG NRW; heute: § 2 Abs. 1 Nr. 1b AV-SGB XII NRW) zum 01.01.2004 lehnte der LWL die Kostentragung für die Unterbringung des Klägers über den 01.12.2003 hinaus ab.
11Der Kläger beantragte daher durch seinen Betreuer im Januar 2004 beim Beklagten die weitere Kostenübernahme für seine Unterbringung in der Wohngruppe. Mit Bescheid vom 16.02.2006 und Teilabhilfebescheid vom 28.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2008 übernahm der Beklagte die "angemessenen" Kosten für die Versorgung des Klägers durch die Beigeladene in der Zeit vom 01.01.2004 bis zunächst 31.12.2006 als Darlehen, und zwar abzüglich des vom Kläger monatlich einzusetzenden Einkommens (Altersrente und Pflegegeld), vorbehaltlich einer weiteren Kostenbeteiligung aus Vermögen sowie nur für Tage der Anwesenheit in der Wohngruppe (Tagessatz für Anwesenheitstage 111,42 EUR; monatlicher, auch bei Abwesenheitstagen nicht gekürzter Barbetrag einschließlich Zusatzbarbetrag 127,38 EUR; der Tagessatz setzte sich zusammen aus 7,58 EUR Investitionsbetrag, 12,90 EUR Grundpauschale und 90,94 EUR Maßnahmepauschale entsprechend den Leistungstypen [LT] 16 und 23 gemäß Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 des Rahmenvertrages gemäß § 79 Abs. 1 SGB XII). Zur Ermittlung der Höhe der Pauschalen, zum Teil unter Zugrundelegung von Durchschnittswerten, wird auf die Ausführungen des Beklagten auf Blatt 277 bis 281 der Gerichtsakten Bezug genommen.
12In einem anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Detmold S 16 (19) SO 20/08 machte der Kläger geltend, der Beklagte habe für die Leistungsbemessung den zwischen der Beigeladenen und dem LWL vereinbarten Vergütungssatz (seinerzeit 117,74 EUR täglich) zu Grunde legen. Zudem sei es nicht rechtmäßig, bei Abwesenheit des Klägers (z.B. bei Krankenhausaufenthalten) keinerlei Entgelt für den Wohnheimplatz (sog. Platzgebühr) zu berücksichtigen. Das Klageverfahren endete durch Vergleich vom 14.05.2010, in dem sich die Beteiligten für die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2006 auf einen Tagessatzes von 114,68 EUR sowie eine Platzgebühr für Ausfalltage in Höhe der Hälfte dieses Betrages einigten.
13Zwischenzeitlich bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 02.04.2008 dem Kläger für den Folgezeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2009 Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen sowie Eingliederungshilfe für behinderte Menschen als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nunmehr (unter Heranziehung der Renteneinkünfte und des Pflegegeldes) als Zuschuss, und zwar weiterhin in Höhe der bisher (als Darlehen) bewilligten Leistungen (111,42 EUR; Zusammensetzung dieses Betrages wie zuvor). Die Altersrente des Klägers sei in vollem Umfang heranzuziehen. Die sachlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der §§ 53, 54 ff. SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX seien erfüllt. Der Kläger bedürfe einer umfassenden Betreuung und Versorgung. Seine psychischen und geistigen Beeinträchtigungen, die sich in aggressiven Verhaltensauffälligkeiten, schweren psychischen Krisen mit chronischen Verläufen, häufig auftretenden Erregungszuständen und schweren Kommunikations- und Sprachstörungen äußerten, ließen ihn unzweifelhaft zur Gruppe der älteren, pflegebedürftigen und behinderten Menschen zählen, die wegen ihrer geistigen und seelischen Behinderung wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt seien und für die gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer der Hilfe und Unterstützung bedürften. Eine Pauschalvergütung für Ausfallzeiten lehnte der Beklagte wiederum als unangemessen ab, da hierüber keine Vereinbarung bestehe. Die zwischen dem LWL als überörtlichem Träger der Sozialhilfe und der Beigeladenen getroffenen Vereinbarungen seien für andere Träger nicht bindend. Dem Beklagten stehe es frei, ob er sich dieser Vereinbarungen analog bediene oder eigene abschließen wolle. Grundsätzlich sei der Träger der Sozialhilfe zur Übernahme der Vergütung von Leistungserbringern nur verpflichtet, wenn er mit diesen zuvor Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII abgeschlossen habe. Sei dies nicht der Fall, dürfe der Sozialhilfeträger Leistungen durch diese Einrichtungen nur erbringen lassen, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten sei. Der Sozialhilfeträger habe dann im Rahmen seines Ermessens über die notwendigen Betreuungsleistungen und die damit verbundene Kostenübernahme zu entscheiden. Die Maßnahmepauschale ergebe sich im Falle des Klägers aus der Zuordnung des konkreten Behinderungsbildes und des individuellen Hilfebedarfes zu dem entsprechenden LT auf der Grundlage des Rahmenvertrages zu den §§ 75 ff. SGB XII. Aufgrund der im Vordergrund stehenden psychischen Grunderkrankung und der damit einhergehenden sozialen Kompatibilitätsstörung sei der stationäre Bedarf des Klägers den LT 16 und 23 zuzuordnen; allerdings sei die Höhe der jeweiligen Pauschale an einem landesdurchschnittlichen Satz für die Maßnahmepauschale des LT 16 auszurichten.
14Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte nach Beteiligung sozial erfahrener Dritter mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2010 zurück.
15Die Beigeladene stellte dem Kläger die ihm erbrachten Leistungen - auch nach dem 31.12.2006 - auf der Grundlage des Heimvertrages i.V.m. der jeweils geltenden Vergütungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII zwischen ihr und dem LWL in Rechnung. In den Monaten Januar bis März 2008 galt die Vergütungsvereinbarung für Januar 2007 bis Juni 2008. Daraus ergab sich ein Tagessatz i.H.v. 124,13 EUR, der sich aus einer Grundpauschale (11,67 EUR), einer Maßnahmepauschale (105,02 EUR) und einem Investitionsbetrag (7,44 EUR) zusammensetzte. Für Abwesenheitstage enthält diese Vereinbarung keinerlei Regelung. Vom 03. bis 08.01.2008 sowie vom 28.01. bis 01.02.2008 (insgesamt 11 Tage) hielt sich der Kläger nicht in der Wohngruppe, sondern im Krankenhaus auf.
16Dementsprechend berechnete die Beigeladene dem Kläger für Januar 2008 3.600,39 EUR (20 Pflegetage à 124,13 EUR, 11 Platzgebührtage à 93,10 EUR, Barbetrag 93,69 EUR), für Februar 2008 3.693,46 EUR (29 Pflegetage à 124,13 EUR, Barbetrag 93,69 EUR) und für März 2008 3.941,72 EUR (31 Pflegetage à 124,13 EUR, Barbetrag 93,69 EUR). Hinsichtlich der Einzelheiten der Abrechnungen für diese Monate wird auf Blatt 185, 200 und 224 Band IV der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Die Rechnungsbeträge stehen, soweit sie nicht durch die vom Beklagten für diese Monate dem Kläger zuerkannten und gezahlten Leistungen gedeckt wurden, weiterhin zur Zahlung offen.
17Mit Bescheid vom 15.05.2010 und Widerspruchsbescheid vom 08.02.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger auch für den weiteren Folgezeitraum vom 01.01.2010 bis zum 30.06.2011 Leistungen der Eingliederungshilfe unverändert wie zuvor für die Zeit von Januar 2007 bis Dezember 2009.
18Gegen den Bescheid vom 02.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2010 sowie gegen den Bescheid vom 15.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2011 hat der Kläger jeweils (am 16.12.2010 bzw. am 08.03.2011) Klage vor dem Sozialgericht Detmold erhoben. Das Sozialgericht hat die beiden Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Beigeladene zu dem Verfahren hinzugezogen (Beschlüsse vom 27.04.2011).
19Zur Begründung seiner Klagen hat der Kläger ausgeführt, aufgrund des im Verfahren S 16 (19) SO 20/08 geschlossenen Vergleichs sei von der Unangemessenheit des mit den angefochtenen Bescheiden bewilligten Tagessatzes auszugehen.
20Der Kläger hat beantragt,
21den Bescheid vom 02.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2010 sowie den Bescheid vom 15.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für seine stationäre Unterbringung im Zeitraum 01.01.2007 bis 30.06.2011 in vollem Umfang zu übernehmen.
22Der Beklagte hat beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Zur Begründung hat er im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide verwiesen. Der Vergleich vom 14.05.2010 im Verfahren S 16 (19) SO 20/08 entfalte für Folgezeiträume keine Bindungswirkung; eine solche sei seinerzeit zu Protokoll des Sozialgerichts gerade ausdrücklich ausgeschlossen worden.
25Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
26Mit Urteil vom 24.10.2012 (dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 05.11.2012) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger erfülle zwar grundsätzlich die Voraussetzungen für Eingliederungshilfe nach dem SGB XII. Er habe indes keinen weitergehenden Anspruch auf Kostenübernahme für seine stationäre Unterbringung in der Einrichtung der Beigeladenen. Nach § 75 Abs. 3 SGB XII sei der Träger der Sozialhilfe in den Fällen, in denen Leistungen in einer Einrichtung erbracht würden, zur Übernahme der Vergütung für die Leistungen nur verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen bestünden. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Vereinbarungen zwischen Beigeladener und LWL könnten auch nicht entsprechend auf das Verhältnis zwischen der Beigeladenen und dem Beklagten angewandt werden. Gemäß § 77 Abs. 1 S. 2 SGB XII seien zwischen Einrichtungsträgern und dem für den Sitz der Einrichtung zuständigen Träger der Sozialhilfe getroffene Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII zwar für alle übrigen Träger der Sozialhilfe bindend. Der Beklagte sei jedoch kein "übriger Träger" der Sozialhilfe in diesem Sinne; denn er sei als örtlicher Träger der Sozialhilfe ebenfalls für die Einrichtung des Beigeladenen zuständig (§ 2 AV-SGB XII NRW). Dies bedeute, dass die Beigeladene ggf. sowohl mit dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe (also dem LWL) als auch mit dem örtlichen Träger (also dem Beklagten) Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII schließen müsse. Der Kläger könne sich auch nicht auf § 75 Abs. 4 SGB XII berufen. Danach sei neben einem vertragslosen Zustand auch erforderlich, dass die Besonderheiten des Einzelfalls die Leistungserbringung durch einen nicht vereinbarungsgebundenen Leistungserbringer geböten. Ein besonderer Einzelfall liege etwa vor, wenn der Bedarf nicht durch einen vereinbarungsgebundenen Leistungserbringer gedeckt werden könne (sog. objektive Unmöglichkeit), oder wenn die Inanspruchnahme der Leistungen eines vereinbarungsgebundenen Leistungserbringers dem Leistungsberechtigten nicht zumutbar sei (sog. subjektive Unmöglichkeit). Von einer subjektiven Unmöglichkeit könne jedenfalls im Zeitraum von Januar 2007 bis Juni 2011 nicht ausgegangen werden. Der Kläger sei 2005 von der Wohngruppe in I in die Wohngruppe in H umgezogen, so dass nicht ersichtlich sei, warum ihm ein nochmaliger Umzug in eine andere Einrichtung nicht hätte zugemutet werden können. In Anbetracht der zahlreichen Einrichtungen für behinderte Menschen im Kreisgebiet des Beklagten bestünden keine Zweifel, dass der Kläger in einer anderen (vertragsgebundenen) Einrichtung hätte untergebracht werden können.
27Mit seiner am 04.12.2012 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, der Rechtsauffassung des Sozialgerichts wäre nur zu folgen, wenn er vom Beklagten erstmalig Leistungen beanspruchen würde. Dies sei jedoch nicht der Fall, weil der Beklagte seit Jahren Leistungen erbringe und daher offenbar selbst vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 75 Abs. 4 SGB XII ausgehe. Streitig sei allein die Frage, ob die Leistungen in angemessener Höhe erbracht würden. Dabei könne nicht außer Betracht bleiben, dass die Beteiligten im Verfahren S 16 (9) SO 20/08 bereits durch Vergleich höhere Leistungen vereinbart hätten. Ob zwischen der Beigeladenen und dem Beklagten eine Vergütungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII bestehe, sei unerheblich. Die dem Kläger von der Beigeladenen erbrachten Leistungen seien nicht nur ausreichend, sondern auch zweckmäßig und wirtschaftlich im Sinne des § 76 Abs. 1 S. 3 SGB XII; das Maß des Notwendigen werde nicht überschritten. Schließlich könnten die Leistungen durch keinen anderen Leistungserbringer im Zuständigkeitsbereich des Beklagten erbracht werden; die Beigeladene sei der einzige Leistungsanbieter, der den Kläger ausreichend versorgen könne. Soweit der Beklagte auf Einrichtungen außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches verweise, sei dies nicht akzeptabel; der Kläger stamme aus der Nähe seines jetzigen Unterbringungsortes und habe an seinem Heimatort noch immer soziale Kontakte, die er nicht verlieren wolle.
28In der mündlichen Verhandlung vom 08.06.2016 haben die Beteiligten durch Teilunterwerfungsvergleich den streitigen Zeitraum auf den 01.01. bis 31.03.2008 beschränkt. Der Beklagte hat sich mit der abrechnungstechnischen Berücksichtigung von 11 Krankenhaustagen im Januar 2008 anstelle von 10 Krankenhaustagen im Januar und einem Krankenhaustag im Februar 2008 einverstanden erklärt.
29Der Kläger beantragt,
30das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24.10.2012 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 04.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2010 zu verpflichten, die Kosten für seine stationäre Unterbringung beim Beigeladenen in dem Zeitraum vom 01.01. bis 31.03.2008 entsprechend den Abrechnungen des Beigeladenen gegenüber dem Beklagten zu übernehmen.
31Der Beklagte beantragt,
32die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
33Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Der Träger der Sozialhilfe dürfe Vergütungen nur bis zu der Höhe übernehmen, wie sie der Träger der Sozialhilfe am Ort der Unterbringung oder in seiner nächsten Umgebung für vergleichbare Leistungen auf der Grundlage von Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII mit anderen Einrichtungen trage. Die Vergütungssätze der Beigeladenen lägen im Vergleich zu anderen Einrichtungen der Behindertenhilfe im Kreisgebiet des Beklagten im oberen Bereich. Auch die übrigen Einrichtungen im Kreisgebiet, deren Vergütungssätze über dem Durchschnittsbetrag lägen, erhielten von ihm nicht die mit dem LWL vereinbarten Vergütungssätze. Der Einwand des Klägers, bedarfsgerechte Leistungen könne nur die Beigeladene, nicht aber ein anderer Leistungserbringer zur Verfügung stellen, treffe nicht zu. Allein im Kreisgebiet des Beklagten böten acht Einrichtungen der Eingliederungshilfe den für den Kläger maßgeblichen LT 16 an. Der Beklagte sei weiterhin bereit, mit der Beigeladenen eine Leistungs- und Vergütungsvereinbarung abzuschließen; dies habe die Beigeladene allerdings bisher abgelehnt.
34Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Sie pflichtet dem Berufungsbegehren bei. Nach dem angefochtenen Urteil wäre es dem Beklagten eigentlich verwehrt, überhaupt Leistungen für die Unterbringung des Klägers in der Einrichtung der Beigeladenen zu gewähren, da das Sozialgericht die Voraussetzungen von § 75 Abs. 4 SGB XII als nicht erfüllt ansehe. Dem Kläger sei allerdings aufgrund seiner persönlichen und krankheitsbedingten Situation ein Umzug in eine andere Einrichtung nicht zumutbar; jedenfalls hätte das Sozialgericht eine subjektive Unmöglichkeit näher erörtern und ggf. näher aufklären müssen. Hintergrund für den Umzug von I nach H im Jahr 2005 sei gewesen, dass der Kläger einer ständigen Präsenzkraft bedürfe, was allein in der Wohngruppe in H zu gewährleisten sei. Zudem stehe inzwischen sein hohes Alter einem nochmaligen Umzug entgegen. Zur Frage einer objektiven Unmöglichkeit genüge es nicht, wenn der Beklagte pauschal auf andere Einrichtungen verweise; oftmals gebe es in solchen Einrichtungen nicht sofort einen Platz. Der Beklagte hätte dem Kläger spätestens mit dem Übergang der sachlichen Zuständigkeit vom LWL auf ihn eine geeignete Unterbringungsalternative konkret anbieten müssen, deren Kosten in voller Höhe übernommen worden wären (§ 20 SGB X). Die Beweislast treffe den Beklagten. Die übrigen Voraussetzungen des § 75 Abs. 4 SGB XII seien ebenfalls erfüllt. Dem Beklagten seien die Leistungen der Beigeladenen über die örtliche Heimaufsicht nach § 76 SGB XII bekannt. Entsprechend habe auch der LWL mit der Beigeladenen nach den Vorgaben des Landesrahmenvertrages gemäß § 79 Abs. 1 SGB XII eine Leistungsvereinbarung abgeschlossen. Die Bestimmungen des Landesrahmenvertrages sähen insbesondere die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes vor; somit könne auch die Höhe der dem Kläger in Rechnung gestellten Beträge als wirtschaftlich und angemessen im Sinne des SGB XII angesehen werden. Eine Vergleichbarkeit mit den Angeboten anderer Leistungserbringer könne - anders als der Beklagte meine - gerade nicht anhand eines bloßen externen Vergleichs durch Bildung eines Durchschnitts hergestellt werden. Denn aufgrund unterschiedlicher Angebots- und Belegungsstrukturen seien die verschiedenen Einrichtungen nicht miteinander vergleichbar. Auch wenn der Beklagte behaupte, dass andere Einrichtungen dem Grunde nach die gleiche Art der Betreuung leisteten, so ergäben sich doch Unterschiede aus den jeweiligen Konzepten, der geplanten Auslastungsintensität, der Größe und Lage, den Kostenauswirkungen aufgrund historischer Verhältnisse, den jeweiligen Bauanforderungen sowie den gesetzlichen Grundlagen. Unterschiede in der Kostenstruktur könnten sich etwa auch aufgrund der Tarifgebundenheit oder -freiheit der einzelnen Anbieter, der Mitarbeiterstruktur und der unterschiedlichen Pflegesätze ergeben. Statthaft sei somit nur eine Evaluation der Kosten im Rahmen eins sog. internen Vergleichs; der Beklagte ziehe jedoch ausschließlich Durchschnittsvergütungen heran, deren Höhe insbesondere für den streitigen Zeitraum zudem gar nicht dargelegt worden sei. Im Übrigen sei das Einrichtungskonzept der Beigeladenen an die individuellen Bedürfnisse der Bewohner angepasst; auch insoweit sei die Wohngruppe, in der der Kläger lebe, nicht mit anderen Einrichtungen vergleichbar.
35Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Akten (Verwaltungsvorgänge des Beklagten; Prozessakte des Sozialgerichts Detmold - S 16 [19] SO 20/08; Auszüge aus den Akten des Betreuungsverfahrens des Klägers beim Amtsgericht H - 5 X 0/00 D), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
36Entscheidungsgründe:
37I. Die gemäß § 144 Abs. 1 (S. 1 Nr. 1 und S. 2) SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
381. Nachdem die Beteiligten den streitigen Zeitraum einvernehmlich auf die Monate Januar bis März 2008 beschränkt haben, ist Gegenstand des Verfahrens nur mehr der Bescheid vom 02.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2010 (§ 95 SGG), soweit mit ihnen für die genannten Monate die vom Beigeladenen für Eingliederungshilfe in Rechnung gestellten Kosten für die Unterbringung des Klägers in der Wohngruppe E-straße in H nicht übernommen wurden.
39Unter Berücksichtigung des für stationäre Leistungen der Sozialhilfe geltenden sog. "Bruttoprinzips" und des für die Auslegung der angefochtenen Bescheide maßgeblichen Empfängerhorizonts (vgl. zu beiden Gesichtspunkten BSG, Urteil vom 25.09.2014 - B 8 SO 8/13 R Rn. 10, 33, jeweils m.w.N.) enthalten diese mehrere abtrennbare Verfügungen i.S.v. § 31 SGB X, nämlich eine Entscheidung über die Gewährung der Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII, eine Entscheidung über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen einschließlich des Barbetrages (§ 35 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung) sowie eine Entscheidung über die Heranziehung von Einkommen des Klägers zu den Kosten der bewilligten Leistungen insbesondere im Rahmen von § 92a SGB XII (vgl. zu diesen denkbaren Verfügungsbestandteilen auch BSG, Urteil vom 23.08.2013 - B 8 SO 17/12 R Rn. 10 ff.).
40Das Begehren des Klägers richtet sich allein auf die Gewährung höherer Leistungen der Eingliederungshilfe; im Übrigen beanstandet er die Entscheidungen des Beklagten in den angefochtenen Bescheiden nicht. Zu entscheiden war damit nur die Frage, ob dem Kläger gegen den Beklagten für die Monate Januar bis März 2008 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines Tagessatzes i.H.v. mehr als 111,42 EUR pro Anwesenheitstag und für die Zeiten seiner Abwesenheit aus der Wohngemeinschaft eine sog. Platzgebühr (entsprechend der Abrechnung der Beigeladenen i.H.v. 75% eines Tagessatzes) zusteht.
41Dabei ist nach der Systematik des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses das Begehren des Klägers auf "Tragung der vollen Kosten" für den Aufenthalt in der Einrichtung der Beigeladenen nicht nur als solches auf Anfechtung (der Ablehnung weiterer Leistungen durch den Beklagten) und Zahlung an einen Dritten (hier: die Beigeladene) zu verstehen, sondern auch als solches auf Erlass eines Verwaltungsaktes, mit dem der Beklagte der Schuld des Klägers gegenüber der Beigeladenen aus dem Heimvertrag auch im Übrigen beitritt (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 R Rn. 12, 25).
422. Davon ausgehend ist die Klage als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und (unechte) Leistungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4, 56 SGG (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23.08.2013 - B 8 SO 17/12 R Rn. 11 f.) statthaft und auch im Übrigen zulässig.
43Zu Recht hat das Sozialgericht die Beigeladene (auf der Grundlage von § 75 Abs. 1, 2. Var. SGG notwendig) zu dem Verfahren hinzugezogen, weil die dem Kläger für die im streitigen Zeitraum erbrachte Eingliederungshilfe in Rechnung gestellten Beträge immer noch teilweise zur Zahlung offen stehen (vgl. zur notwendigen Beiladung des Leistungserbringers in solchen Fallkonstellationen BSG, Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 R Rn. 13 ff.).
443. Die Klage ist auch begründet.
45Der Bescheid vom 02.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2010 begegnet zwar formell keinen rechtlichen Bedenken - dazu a) -. Er ist jedoch materiell rechtswidrig, weil es der Beklagte zu Unrecht abgelehnt hat, der Schuld des Klägers aus dem Heimvertrag mit der Beigeladenen unter dem Gesichtspunkt der Eingliederungshilfe im Zeitraum von Januar bis März 2008 in vollem Umfang beizutreten - dazu b) -. Der Kläger ist deshalb beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.
46a) Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich aus § 98 Abs. 2 S. 1 (ggf. i.V.m. S. 2) SGB XII. Denn jedenfalls bei der (Unter-)Wohngruppe, in der der Kläger untergebracht war (und ist), handelt es sich um eine stationäre Einrichtung im Sinne von § 13 Abs. 2 SGB XII (vgl. zu diesem Begriff BSG, Urteil vom 13.02.2014 - B 8 SO 11/12 R Rn. 19 m.w.N.). Sowohl den vorliegenden Verlaufsberichten über die Betreuung des Klägers durch Mitarbeiter der Beigeladenen (insbesondere dem Bericht vom 08.01.2010 für Oktober 2007 bis November 2009) als auch dem aktenkundigen Organisationskonzept der Beigeladenen (vom 03.02.2012) lässt sich ohne Weiteres entnehmen, dass in der (Unter-)Wohngruppe personelle und sächliche Mittel für eine gewisse Dauer bezogen auf ein Gebäude und zugeschnitten auf einen wechselnden Personenkreis zusammengefasst waren. Dabei hat die Beigeladene, ihrem Gesamtkonzept entsprechend, (spätestens) mit Beginn der Aufnahme des Klägers in diese Wohngruppe die Verantwortung für dessen tägliche Lebensführung übernommen; dies zeigt sich schon darin, dass allein für ihn eine Präsenzkraft vorgehalten werden musste. Der Kläger war ersichtlich im Rahmen des für ihn behinderungsbedingt notwendigen Betreuungssettings überhaupt nur im Rahmen einer Dauerbetreuung führbar. Der Qualifizierung der (Unter-)Wohngruppe als stationäre Einrichtung steht im Übrigen nicht entgegen, dass im selben Gebäude auch Personen Leistungen des ambulant betreuten Wohnens erhielten; die Unterbringung und Betreuung dieser Personen erfolgte von vornherein baulich und organisatorisch getrennt von der (Unter-)Wohngruppe des Klägers.
47Es liegt nahe, dass die vormalige Wohngruppe in I einem vergleichbaren Betreuungskonzept folgte wie die spätere Wohngruppe in H, und dass sich wegen § 98 Abs. 2 S. 2 SGB XII die örtliche Zuständigkeit des Beklagten somit vom letzten gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I) des Klägers in seiner bis April 2002 bewohnten eigenen Wohnung (in I) ableitet. Sollte jedoch das Wohnheim in I keine stationäre Einrichtung gewesen sein, so hätte der Kläger jedenfalls seinen maßgeblichen letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor Aufnahme in das Wohnheim E-straße in H ebenfalls in I und damit im Kreisgebiet des Beklagten gehabt (§ 98 Abs. 2 S. 1 SGB XII).
48Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten, der gemäß § 1 Abs. 1 AG-SGB XII NRW zum örtlichen Träger der Sozialhilfe bestimmt ist, beruht - für die hier allein in Rede stehenden Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII - auf § 97 Abs. 1 SGB XII. Eine abdrängende Sonderzuweisung an den überörtlichen Träger nach § 97 Abs. 3 SGB XII bzw. § 97 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) oder lit. b) AV-SGB XII NRW besteht nicht. § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AV-SGB XII NRW ist schon deshalb nicht einschlägig, weil der Kläger im streitigen Zeitraum sein 65. Lebensjahr bereits vollendet hatte. Die Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) AV-SGB XII NRW sind nicht erfüllt, weil der Kläger nach dem insoweit plausiblen und zwischen den Beteiligten auch nicht streitigen Ermittlungsergebnis des Beklagten in dem Jahr vor Vollendung seines 65. Lebensjahres (zwischen April 1992 und April 1993) keine Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten hat. Der Beklagte hat seine Aufgaben insoweit auch nicht an die kreisangehörigen Gemeinden delegiert (vgl. § 2 Nr. 4 und Nr. 5 der Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe im Kreis H).
49Die nach § 116 Abs. 2 SGB XII erforderliche beratende Beteiligung sozial erfahrener Dritter hat stattgefunden.
50b) Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten Anspruch auf Übernahme der ihm von der Beigeladenen für den streitigen Zeitraum für Eingliederungshilfe in Rechnung gestellten Kosten in voller Höhe. Anspruchsgrundlage ist § 19 Abs. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 und § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 55 SGB IX sowie § 2 bzw. § 3 EinglhV.
51aa) Nach § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII erhalten Leistungen der Eingliederungshilfe - als gebundene Leistung - solche Personen, die durch eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
52Eine wesentliche Behinderung in diesem Sinne liegt beim Kläger ersichtlich vor. Denn unabhängig davon, ob man seine Lues-Erkrankung (als bakterielle Infektionskrankheit, die im Endstadium das zentrale Nervensystem zerstört) als seelische Behinderung im Sinne von § 3 Nr. 2 EinglhV erfassen kann, verursacht sie jedenfalls eine erhebliche Schwäche seiner geistigen Kräfte; sie führt deshalb beim Kläger jedenfalls zu einer geistigen Behinderung i.S.v. § 2 EinglhV. Diese Annahme einer wesentlichen Behinderung des Klägers (die zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten ist) deckt sich insbesondere mit der aktenkundigen Beurteilung der Beklagten durch die Diplom-Sozialpädagogin Tanski vom 03.03.2008.
53Eine Zugehörigkeit zu dem in § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII genannten Personenkreis scheidet beim Kläger auch nicht etwa deshalb aus, weil angesichts seines Alters und der Schwere seiner Erkrankung die Aufgabe der Eingliederungshilfe - die Ermöglichung von Teilhabe am gesellschaftlichen Leben - von vornherein nicht mehr erfüllt werden könnte und es sich deshalb bei den ihm erbrachten Leistungen nicht (mehr) um Hilfe zur Eingliederung, sondern nur noch um Pflege (nach dem SGB XI bzw. dem Siebten Kapitel des SGB XII) handelte. Denn Leistungen der Eingliederungshilfe müssen nicht notwendig auf eine möglichst vollständige gesellschaftliche Integration gerichtet sein; vielmehr reicht es aus, wenn die Hilfen (in Fällen der vorliegenden Art) auf eine zustandserhaltende Beheimatung des Betroffenen gerichtet sind (vgl. dazu das Senatsurteil vom 07.04.2008 - L 20 SO 53/06).
54bb) Einkommen oder Vermögen des Klägers i.S.v. § 19 Abs. 3 SGB XII i.V.m. den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII stand den Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII im Grundsatz nicht entgegen. Die dem Kläger von der Beigeladenen im streitigen Zeitraum monatlich berechneten Kosten für Eingliederungshilfe beliefen sich stets auf mehr als 3.000 EUR. Kosten in diesem Umfang waren mit den Einkünften des Klägers (Altersrente deutlich unterhalb von 800 EUR sowie Pflegegeld nach der Pflegestufe I) nicht in Gänze zu decken. Auch über einsatzpflichtiges Vermögen verfügte der Kläger nicht mehr.
55cc) Der Leistungspflicht des Beklagten steht ferner nicht entgegen, dass (im sog. sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis) der Träger der Sozialhilfe einer Schuld des Leistungsberechtigten nur in dem Umfang beitreten kann, wie der Leistungsberechtigte (hier: der Kläger) seinerseits gegenüber dem Leistungserbinger (hier: der Beigeladenen) zur Zahlung verpflichtet ist (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 R Rn. 31).
56Der Kläger schuldete der Beigeladenen im streitigen Zeitraum für jeden Tag seiner Anwesenheit in der Wohngruppe einen Betrag i.H.v. 124,13 EUR. Grundlage für diesen Vergütungsanspruch ist § 5 (S. 1 und S. 2) des am 04.11.2005 zwischen dem Kläger und der Beigeladenen geschlossenen Heimvertrages i.V.m. der in dem streitigen Zeitraum geltenden Vergütungsvereinbarung (für Januar 2007 bis Juni 2008) zwischen der Beigeladenen und dem LWL (nach § 75 Abs. 3 SGB XII), auf welche die genannten Regelungen des Heimvertrages Bezug nehmen. Für die Zeiten der Abwesenheit des Klägers aus der Wohngruppe (im streitigen Zeitraum insgesamt 11 Tage) ergibt sich nach § 5 S. 9 bis 11 des Heimvertrages ein Vergütungsanspruch nur i.H.v. 75% des vorgenannten Tagessatzes (gerundet 93,10 EUR).
57Anhaltspunkte dafür, dass der Heimvertrag insgesamt bzw. eine der vorgenannten Regelungen unwirksam sein könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Dies gilt insbesondere für die Regelung über die Platzgebühr. Gemäß § 5 Abs. 8 HeimG (in der bis zum 30.09.2009 geltenden Fassung) war eine Vereinbarung über Abwesenheitszeiten im hier streitigen Zeitraum zwingender Bestandteil eines Heimvertrages. Zur Höhe der von der Beigeladenen berechneten Platzgebühr bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese sich außerhalb des üblichen Rahmens bewegen würde (vgl. z.B. LG Essen, Urteil vom 02.03.2006 - 11 O 469/04).
58Darüber hinaus ist auch weder vorgetragen noch erkennbar, dass es an einem Vergütungsanspruch deshalb fehlen könnte, weil die Beigeladene die in den Abrechnungen aufgeführten Leistungen nicht bzw. nicht in dem geschuldeten Umfang erbracht hätte.
59dd) Hinsichtlich der Höhe der deshalb dem Grunde nach zu erbringenden Leistungen ist der Beklagte an die Vergütungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII gebunden, die zwischen der Beigeladenen und dem LWL für den streitigen Zeitraum bestand.
60Diese Bindungswirkung folgt - entgegen der Ansicht von Beklagtem und Sozialgericht -aus § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII, wonach Vereinbarungen (i.S.d. § 75 Abs. 3 SGB XII), die von dem für den Sitz der fraglichen Einrichtung zuständigen Träger der Sozialhilfe geschlossen wurden, auch für die übrigen Träger der Sozialhilfe gelten.
61(1) Der Beklagte ist "übriger Träger" im Sinne der Vorschrift.
62(a) Zwar ist der Wortlaut des § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII insoweit indifferent. Die Bindungswirkung der Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII für "alle übrigen Träger der Sozialhilfe" ließe einerseits durchaus auch eine Lesart zu, welche allein alle mit Blick auf örtliche oder überörtliche Träger gleichgeordneten übrigen Träger erfasst; hätte also nur ein überörtlicher Träger eine Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII geschlossen, könnte sich bei dieser Lesart die Bindungswirkung nur auf alle übrigen überörtlichen Träger erstrecken. Ebenso ließe es der Wortlaut zu, die Bindungswirkung lediglich auf alle Träger außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Trägers zu beziehen, der eine Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII abgeschlossen hat. Auf der anderen Seite schließt der Wortlaut des § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII jedoch auch eine Lesart nicht aus, welche sämtliche anderen Träger der Sozialhilfe an eine von einem örtlich zuständigen Träger der Sozialhilfe getroffene Vereinbarung bindet, unabhängig davon, ob sie diesem hinsichtlich der örtlichen bzw. überörtlichen Trägerschaft gleichgeordnet sind, oder ob sie im gleichen Bezirk wie der vereinbarende Träger liegen. Zu Letzterem folgt aus dem Wortlaut des § 77 Abs. 1 S. 2 (1. HS) SGB XII ("der für den Sitz der Einrichtung zuständige Träger der Sozialhilfe") nicht etwa anderes; die gesetzliche Verwendung des Singular für den zuständigen Träger der Sozialhilfe zeigt vielmehr, dass der Gesetzgeber allein vom Fall eines einzigen örtlich zuständigen Trägers ausgegangen ist.
63(b) Bestimmt der Gesetzeswortlaut die Anwendungsbreite des § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII mithin nicht eindeutig, so kommt dem Sinn und Zweck des § 77 SGB XII maßgebende Bedeutung zu.
64Mit der gesetzlichen Regelung sollen vertragslose Zustände weitgehend vermieden werden (vgl. dazu z.B. Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 77 Rn. 36). Zwar hatte der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 16/2711 S. 11) offenbar insbesondere Fälle im Blick, in denen Leistungsberechtigte aus einem Bundesland Leistungen einer Einrichtung in einem anderen Bundesland in Anspruch nehmen. Eine solche Vorstellung des Gesetzgebers schließt allerdings nicht aus, auch Sozialhilfeträger einzubeziehen, die im gleichen Bezirk zuständig sind, etwa - wie hier der Beklagte neben dem LWL - als örtlicher Träger neben einem überörtlichen Träger; dies gilt insbesondere deshalb, weil nichts dafür spricht, dass im Gesetzgebungsverfahren das Problem paralleler Zuständigkeiten für örtliche und überörtliche Träger (das im vorliegenden Fall aus der Beschränkung der Zuständigkeit des überörtlichen Trägers bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres des Leistungsempfängers in § 2 Abs. 1 Nr. 1a AV-SGB XII NRW resultiert) überhaupt gesehen worden war.
65(c) Neben dem Interesse an der Vermeidung eines vertragslosen Zustandes sprechen zudem systematische Erwägungen sowie Gründe der Effektivität der Leistungserbringung für die vom Senat gewählte Lesart, dass nach § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII nicht nur bestimmte, sondern jegliche weitere Träger der Sozialhilfe der Bindung an einen bereits bestehenden Vertrag i.S.d. § 75 Abs. 3 SGB XII unterliegen.
66Denn die anderslautende Rechtsauffassung des Sozialgerichts und des Beklagten hätte die Frage zur Folge, welcher Vertrag für die übrigen Träger der Sozialhilfe gelten soll, wenn man für einen (örtlichen) Zuständigkeitsbereich und dieselbe Leistung zwei unterschiedliche Verträge nach § 75 Abs. 3 SGB XII zulassen wollte. Dieses (in der landesrechtlichen Zuständigkeitsverteilung nach § 2 AV-SGB XII NRW angelegte; s.o.) Problem lässt sich nach Ansicht des Senats sachgerecht nur dadurch vermeiden bzw. lösen, dass ein zwischen einem örtlich zuständigen Träger der Sozialhilfe geschlossener Vertrag auch den (hier nach Maßgabe des § 2 AV-SGB XII NRW) für dieselbe Leistung, aber einen anderen Personenkreis ebenfalls - gleichsam überlappend - örtlich zuständigen Träger bindet.
67Das Verhandlungs- und Abschlussrecht für Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII des ebenfalls potenziell zuständigen weiteren Trägers der Sozialhilfe wird dadurch keineswegs geleugnet oder vereitelt. Vielmehr gilt nach Ansicht des Senats insoweit ein Prioritätsprinzip dergestalt, dass der als erstes zur Abschlussreife gebrachte Vertrag nach § 75 Abs. 3 SGB XII für die Dauer seiner Gültigkeit die übrigen Träger bindet, ohne sie daran zu hindern, Folgeverträge zu verhandeln und ggf. ihrerseits als erste zur Abschlussreife zu führen und insoweit einen dann wiederum die übrigen Träger bindenden Vertrag zu schließen. Allein dies vermeidet zum einen die Gefahr verschiedener Verträge der einzelnen Sozialhilfeträger über die gleiche Leistung eines Leistungserbringers, zum anderen einen vertragslosen Zustand, wenn (wie die Beigeladene beim Beklagten) ein Leistungserbringer gegenüber weiteren Trägern nicht von den bereits mit einem ersten Träger ausgehandelten Konditionen abweichen will.
68Berücksichtigt man zudem einerseits, dass auf Seiten der Leistungserbringer regelmäßig dieselben Verbände mit den verschiedenen Sozialhilfeträgern verhandeln dürften, und bleibt das eigene Verhandlungsrecht der verschiedenen Sozialhilfeträger unbenommen, so bietet die vom Senat gewählte Lesart § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII insgesamt eine größtmögliche Gewähr dafür, dass die Interessen der Vertragsparteien, aber auch diejenigen der gesetzlich gebundenen, nicht selbst zum Vertragsabschluss gelangten übrigen Träger der Sozialhilfe in ein austariertes Verhältnis gelangen, und das gleichzeitig vertragslose Zustände vermieden werden. Denn dass verhandelnde Sozialhilfeträger nur zum Zwecke des Erreichens der frühesten Abschlussreife für sie nicht tragfähig erscheinende Konditionen vereinbaren, ist nicht anzunehmen; ohnehin sind die Interessen eines nicht an dem jeweiligen Vertragsabschluss beteiligten weiteren Trägers der Sozialhilfe im Rahmen der von § 86 SGB X geforderten Zusammenarbeit zu berücksichtigen (vgl. hierzu etwa H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 19. Auflage 2015, § 77 Rn. 7. Auf die Vorauflage dieser Kommentierung - 18. Aufl. 2010, kommentiert von W. Schellhorn - stützt das Sozialgericht im Übrigen zu Unrecht seine andere Rechtsauffassung. Denn dort wird nicht auf den - soweit ersichtlich bisher weder in Rechtsprechung noch Literatur behandelten vorliegenden Fall einer überlappenden Zuständigkeit - hier: für Eingliederungshilfe - aufgrund landesrechtlicher Zuständigkeitsverteilung abgestellt, sondern auf ein gefächertes Leistungsangebot von Einrichtungen, wenn diese z.B. parallel Leistungen der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe anbieten. Nur bei solcherart unterschiedlichen Leistungsarten kommen unterschiedliche Verträge nach § 75 Abs. 3 SGB XII für einen örtlichen Zuständigkeitsbereich in Betracht; für ein- und dieselbe Leistungsart hingegen gilt auch nach W. Schellhorn, a.a.O., das Prinzip der einheitlichen Vertragsgeltung für alle Leistungsträger). Ob zu § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII im Einzelfall ausnahmsweise anders zu entscheiden wäre, wenn ein Leistungserbringer und ein Sozialhilfeträger (möglicherweise kollusiv) ersichtlich sachwidrige Konditionen mit nachteiligen, unvertretbaren Auswirkungen für die übrigen Träger der Sozialhilfe vereinbart hätten, kann offen bleiben; hierfür bestehen im vorliegenden Fall von vornherein keine Anhaltspunkte.
69(d) Gilt nach allem ein der gesetzlichen Regelung zu entnehmendes Prinzip eines einheitlich für sämtliche Träger der Sozialhilfe in gleicher Weise geltenden Vertrages, so lässt der Senat offen, ob die von ihm gewählte Lesart des § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII auch durch die konstruktiven Parallelen der Vorschrift zu § 72 Abs. 2 S. 2 SGB XI und § 78e Abs. 1 S. 2 SGB VIII gestützt wird (beide Regelungen sehen ebenfalls eine weitreichende Bindungswirkung der dort behandelten Verträge für andere Leistungsträger vor; vgl. dazu etwa Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 27. EL III/12, K § 77 Rn. 7a; H. Schellhorn, a.a.O.).
70(2) Demgemäß ist der Beklagte entsprechend der Handhabung zwischen Beigeladenem und LWL zur Gewährleistung der für den Kläger notwendigen Eingliederungshilfe verpflichtet, der heimvertraglichen Schuld des Klägers gegenüber der Beigeladenen bis zur Höhe des in der Vergütungsvereinbarung für Januar 2007 bis Juni 2008 festgesetzten Tagessatzes (124,13 EUR) beizutreten.
71Hiervon ist auch die von der Beigeladen in Rechnung gestellte Platzgebühr für Tage des Krankenhausaufenthaltes des Klägers erfasst, die sich nach der Vereinbarung im Heimvertrag auf 75% des Tagessatzes beläuft und somit hinter dem nach der Vergütungsvereinbarung für Januar 2007 bis Juni 2008 abrechenbaren Betrag zurück bleibt. Denn diese Vergütungsvereinbarung sah keinerlei Kürzung des Tagessatzes etwa bei Abwesenheit wegen eine Krankenhausaufenthaltes vor; zugleich kann bei langfristiger einrichtungsmäßiger Unterbringung (zumal mit zustandserhaltender Dauerbeheimatung des behinderten Menschen) nicht etwa gewollt gewesen sein, dass die personelle und sächliche Mittel unter Bindung an ein Gebäude zur Verfügung stellende Einrichtung für Abwesenheitstage keinerlei Vergütung in Anspruch nehmen kann. Eine - dem Heimvertrag (und § 5 Abs. 8 HeimG damaliger Fassung) entsprechende - Regelung über die (geringere) Vergütung von Ausfalltagen findet sich erst in § 6 Abs. 1 der Vergütungsvereinbarungen zwischen dem LWL und der Beigeladenen für die Zeiträume ab dem 01.01.2009. Indes konnte der Sozialhilfeanspruch des Klägers auf einen Schuldbeitritt des Beklagten im Rahmen des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses von vornherein nicht weiter reichen als seine heimvertragliche Schuld gegenüber der Beigeladenen; dementsprechend richtet sich sein Begehren insoweit auch nur auf Leistungen in Höhe der heimvertraglichen Platzgebühr.
72Der Umstand, dass die Beigeladene in ihren Abrechnungen (unrichtigerweise) elf Abwesenheitstage im Januar berücksichtigt hat statt (zutreffend) zehn Tage im Januar und einen Tag im Februar, wirkt sich rechnerisch auf die Höhe der Gesamtansprüche des Klägers für den streitigen Zeitraum Januar bis März 2008 nicht aus. Im Übrigen hat der Beklagte diese vereinfachende Abrechnungsweise ausdrücklich akzeptiert. Der Senat sieht (trotz der monatsweise zu erbringenden und an sich entsprechend abzurechnenden Leistungen des Beigeladenen) keinen Anlass, eine solcherart vereinfachende Handhabung, die über den Verlauf der beiden Monate Januar und Februar zusammengenommen ersichtlich keinen Mehrbedarf an Sozialhilfe hat entstehen lassen, im Rahmen der nachfolgenden gerichtlichen Prüfung mit juristisch-konstruktiven Bedenken zu versehen, welche dem von den Beteiligten vorgebrachten rechtlichen Klärungsbedarf in keiner Weise entgegenkämen.
73Die Beklagte war nach alldem zu verpflichten, dem Kläger als Eingliederungshilfe nach dem SGB XII die von der Beigeladenen für den streitigen Zeitraum Januar bis März 2008 in Rechnung gestellten Beträge (3.600,39 EUR, 3.693,46 EUR bzw. 3.941,72 EUR) abzüglich der bereits erbrachten Leistungen zu zahlen. Dabei stellt sich der (in den vorgenannten Summen jeweils enthaltene) Barbetrag wegen bestandskräftiger Gewährung als reiner Rechenposten dar.
74ee) Steht dem Kläger der geltend gemachte höhere Leistungsanspruch schon nach § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII zu, so kommt es auf § 75 Abs. 4 S. 1 bis 3 SGB XII von vornherein nicht an. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass Vieles dafür spricht, dass sich auch dann ein Anspruch des Klägers ergeben würde.
75Der für die Anwendung des § 75 Abs. 4 S. 1 bis 3 SGB XII erforderliche vertragslose Zustand bestünde gerade dann, wenn man das Vorliegen der Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII (hier also eine Bindung des Beklagten an die Vergütungsvereinbarung zwischen Beigeladener und LWL) verneint. Eine sog. objektive Unmöglichkeit und damit ein besonderer Fall im Sinne von § 75 Abs. 4 S. 1 SGB XII dürfte ebenfalls anzunehmen sein; denn der Beklagte hat selbst eingeräumt, dass keine an ihn vertraglich gebundene Einrichtung existiert, welche die Versorgung des Klägers sicherstellen könnte. Insofern dürfte dem Kläger insbesondere nicht entgegen gehalten werden können, dass es andere (für seine Unterbringung geeignete) Einrichtungen gebe, die (wie die Beigeladene) Verträge nach § 75 Abs. 3 SGB XII (allein) mit dem LWL abgeschlossen haben. Ein den Anforderungen des § 76 SGB XII entsprechendes Angebot (§ 75 Abs. 4 S. 2 SGB XII) dürfte (sofern man es überhaupt für konstitutiv hält; dagegen Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 75 Rn. 139, 147 m.w.N.) in der (auch der Beklagten ersichtlich gewordenen und im Heimvertrag zum Ausdruck gekommenen) Bereitschaft der Beigeladenen liegen, ihre Leistungen gegenüber dem Kläger zu den Bedingungen der mit dem LWL geschlossenen Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII zu erbringen.
76Sähe man deshalb die Voraussetzungen für eine Leistungserbringung im Rahmen von § 75 Abs. 4 S. 1 und S. 2 SGB XII als erfüllt an, wäre der Beklagte grundsätzlich zur Zahlung verpflichtet (vgl. Jaritz/Eicher, a.a.O. Rn. 141 m.w.N.; Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 75 Rn. 47). Für die Höhe dieser Verpflichtung ist von der heimvertraglich mit dem Kläger vereinbarten Vergütung auszugehen. Eine Deckelung unter diese Vergütung käme nur in Betracht, wenn andere Leistungserbringer mit vertraglicher Bindung i.S.v. § 75 Abs. 3 SGB XII an die Beklagte vergleichbare Leistungen erbringen (§ 75 Abs. 4 S. 3 SGB XII); nach seinen eigenen Angaben hat der Beklagte jedoch keine Verträge mit anderen Anbietern geschlossen. Ob darüber hinaus eine Ausnahme möglich wäre, wenn die geforderte Vergütung ersichtlich außer Verhältnis zur erbrachten Leistung stünde, bedarf keiner Klärung; denn die Vergütungsforderung der Beigeladenen orientiert sich an ihren Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII mit dem LWL, was eine hinreichende Gewähr für die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen bietet.
77II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 S. 1 SGG. Die Kosten der Beigeladenen waren nicht zu erstatten, weil sie keinen eigenen Antrag gestellt hat (vgl. dazu Senatsurteil vom 18.04.2011 - L 20 SO 78/10 Rn. 62, ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 193 Rn. 3b).
78III. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.