Landessozialgericht NRW Urteil, 13. Juni 2014 - L 13 SB 371/13


Gericht
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.06.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) der Klägerin.
3Die am 00.00.1974 geborene Klägerin arbeitet in Vollzeit als Softwareentwicklerin. Sie leidet seit 2001 insbesondere unter den körperlichen und psychischen Folgen einer Colitis ulcerosa.
4Am 10.10.2011 stellte sie unter Vorlage ärztlicher Unterlagen einen Erstantrag auf Feststellung ihres GdB. Seit Jahresanfang befinde sie sich in einem Schub. Schübe der Colitis ulcerosa zeichneten sich durch blutige Durchfälle, Unterbauchkrämpfe und vermehrten unkontrollierten sowie nächtlichen Stuhlgang aus. Sie leide unter Angstzuständen und sei in ihrem gesamten Leben eingeschränkt. Sie fahre nur noch mit dem eigenen Auto und meide Großveranstaltungen. Die Beklagte holte Befundberichte der ärztlichen Psychotherapeutin Dr. I, des Allgemeinmediziners und Internisten Dr. T sowie des Internisten Dr. D ein. Dr. I gab an, die Klägerin sei von 2003 bis 2005, sporadisch in 2007 und 2008 und jetzt wieder seit Juli 2010 in psychotherapeutischer Behandlung. Es bestünden anhaltende Stimmungsschwankungen, Grübelneigung, Ängste und Antriebshemmung, die sich in Zeiten beruflicher Belastung verstärkten. Dr. T berichtete zusätzlich von einer Migräne und einem saisonalen Asthma bronchiale. Beigefügt war ein Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad N über einen Aufenthalt vom 31.08. bis zum 12.10.2011. Danach sei anfänglich über Bauchschmerzen und 5-10 durchfällige Stühle täglich, oft mit Schleimabgang geklagt worden. Es liege ein psychosomatisch begründetes Krankheitsmodell vor. Unter der Behandlung sei der akute Schub abgeklungen bei noch 2-5 Stühlen täglich ohne Blutauflagerung und gelegentlichen postprandialen Bauchschmerzen. Die Klägerin sei vollschichtig arbeitsfähig entlassen worden. In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme wurde die Colitis ulcerosa mit einem Einzel-GdB von 30, eine Depression mit einem Einzel-GdB von 20 und der GdB insgesamt mit 40 bewertet. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 08.12.2011 ab dem 10.10.2011 den GdB mit 40 fest. Hiergegen legte die Klägerin am 19.12.2011 Widerspruch ein. Die Colitis ulcerosa sei mit einem GdB von 50-60 zu bewerten. Der Stuhl sei blutig bei bis zu 20 Stühlen täglich. Es bestünden erhebliche soziale Einschränkungen und Sorge um den Arbeitsplatz. Die Bezirksregierung Münster wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2012 zurück.
5Am 20.03.2012 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Sie habe häufig auch nächtliche Stühle, es lägen eine Beeinträchtigung des Kräftezustandes sowie mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten vor, die mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten seien, der GdB insgesamt mindestens mit 60.
6Das Sozialgericht hat von Amts wegen Sachverständigengutachten des Allgemeinmediziners Dr. T1 und der Neurologin, Psychiaterin und Psychotherapeutin C eingeholt. Ausweislich des Gutachtens der Sachverständigen C hat die Klägerin dort angegeben, die Psychotherapie habe ihr geholfen. Nach Trennung von einem langjährigen Partner sei sie seit zwei Jahren wieder liiert. Die Partnerschaft sei gut. Am Wochenende gehe sie mit ihrem Partner und Freunden ihren Hobbies nach. Die Darmproblematik sei aktuell erträglich, sie habe ihren Tagesablauf an die Erkrankung angepasst. Die Sachverständige C hat eine leichte Ängstlichkeit und Fixierung auf die körperlichen Symptome sowie diskrete Rückzugstendenzen festgestellt. Neben einer gemischten Angst und depressiven Erkrankung bestehe der Verdacht auf eine im Zusammenhang mit der Colitis ulcerosa stehende somatoforme autonome Funktionsstörung. Da keine dauerhafte Medikation nötig, die Arbeitsfähigkeit erhalten und und das häusliche und soziale Leben stabil seien, liege keine schwere Krankheit vor. Es bestünden noch insbesondere medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten. Beide psychiatrischen Krankheitsbilder könnten jeweils knapp mit einem GdB von 30 bewertet werden, das Funktionssystem Psyche wegen weitgehender Überschneidungen mit einem Einzel-GdB von 30. Ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen Dr. T1 vom 04.01.2013 hat die Klägerin dort angegeben, sie habe anfänglich viele Schübe gehabt, jetzt seien es weniger geworden. Ein Schub bedeute bis zu 20 blutige Stühle täglich. In der schubfreien Zeit habe sie 5-6 Stühle täglich ohne Blut. Sie habe Bauschmerzen vor allem nach dem Essen und gelegentlich Schwierigkeiten den Stuhl zu halten. Sie habe außerdem in der Allergiezeit und bei Belastung bzw. Panik Asthma im Umfang von einmal pro Woche bis zu viermal bis fünfmal täglich. Seit drei Jahren habe sie Migräne, die nach 30 Minuten ohne Medikamente weggehe, außerdem seit einem Jahr wiederkehrende Blasenentzündungen. Der Sachverständige Dr. T1 hat einen BMI von knapp 35 festgestellt. Die Colitis ulcerosa sei mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten, das Asthma sowie das von der Klägerin als Migräne bezeichnete, aber eher als Kopfschmerzerkrankung anzusehende Leiden mit einem Einzel-GdB von 10, der GdB insgesamt bei negativen Wechselwirkungen von Colitis ulcerosa und psychischem Leiden mit 40.
7Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, die Leiden seien jeweils höher und das Asthma nicht nach Teil B Nr. 8.2, sondern Nr. 8.5 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) zu bewerten. Außerdem lägen mittelgradige Anpassungsschwierigkeiten vor. Der Sachverständige Dr. T1 hat ergänzend ausgeführt, hinsichtlich der Colitis ulcerosa lägen keine schweren Auswirkungen, insbesondere keine Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes vor. Der somatoforme Teil der psychischen Erkrankung überschneide sich mit der Colitis ulcerosa. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, die zur Bewertung der Colitis ulcerosa in Teil B Nr. 10.2.2 VMG genannten Regelbeispiele seien alternativ und nicht kumulativ anzusehen, so dass allein aufgrund der Stuhlfrequenz der GdB mit 50 anzusetzen sei.
8Das Sozialgericht hat die Klage unter Bezugnahme auf die Sachverständigengutachten mit Urteil vom 13.06.2013 abgewiesen. Die Regelbeispiele in Teil B Nr. 10.2.2 VMG seien kumulativ zu verstehen. Wegen der lang anhaltenden Beschwerden könne gleichwohl ein Einzel-GdB von 30 und insgesamt ein GdB von 40 angenommen werden.
9Die Klägerin hat gegen das ihrem Bevollmächtigten am 10.09.2013 zugestellte Urteil am 08.10.2013 Berufung eingelegt.
10Sie trägt vor, nach ihrem Schub im Jahr 2011 sei jetzt wieder im Jahr 2014 ein Schub aufgetreten. Dieser habe im Februar begonnen. Vor dem Schub habe sie vor allem nach dem Essen die Toilette aufsuchen müssen, zum Teil auch nachts. Mit Beginn des Schubs seien Toilettengänge alle drei bis vier Stunden erforderlich geworden. Seit einer Darmspiegelung im April müsse sie - auch nachts - praktisch stündlich zur Toilette.
11Die Klägerin beantragt,
12das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.06.2013 zu ändern und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 08.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 07.03.2012 zu verurteilen, bei ihr ab dem 10.10.2011 einen GdB von mindestens 50 festzustellen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Berufung zurückzuweisen.
15Der Senat hat eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zur Auslegung von Teil B Nr. 10.2.2 VMG eingeholt, wonach die dort genannten Regelbeispiele nicht abschließend seien. Der Senat hat außerdem eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. T1 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, es lägen zwar häufig auftretende Durchfälle vor. Die Anzahl der Schübe sei aber eher gering und der Kräfte- und Ernährungszustand nicht beeinträchtigt. Auch bei einem alternativen Verständnis der Regelbeispiele sei der Einzel-GdB mit 30 anzusetzen. Bei chronischen Darmstörungen sei ein GdB von 40 erst bei erheblicher Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes gegeben. Damit sei die Klägerin nicht vergleichbar. Soweit eine Afterschließmuskelschwäche vorliege, sei diese nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 10 zu bewerten und wirke sich nicht erhöhend aus. Bei der GdB-Bildung sei zu berücksichtigen, dass der Einzel-GdB für das Funktionssystem Psyche laut der Sachverständigen C nur ein "schwacher" sei. Insgesamt seien die Funktionsstörungen der Klägerin nicht vergleichbar mit denen bei Totalentfernung des Magens mit Komplikationen wie einem Dumping-Syndrom, einer chronischen Darmstörung mit erheblicher Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes oder einem künstlichen After mit guter Versorgungsmöglichkeit.
16Die Klägerin trägt hierzu vor, das BMAS bestätige, dass die Regelbeispiele zur Bewertung der Colitis ulcerosa alternativ zu verstehen seien, während der Sachverständige Dr. T1 diese kumulativ verstehe. Ihre funktionellen Beeinträchtigungen seien sehr wohl vergleichbar mit denjenigen bei künstlichem After mit guter Versorgungsmöglichkeit. Die Verneinung einer Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes sei problematisch, da das bestehende Übergewicht auf die Kortisontherapie zurückgehe. Dass sie auch nachts Stühle habe, könne ihr Partner bezeugen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
18Entscheidungsgründe:
19Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthafte Klage zu Recht abgewiesen, da diese zwar zulässig, aber unbegründet ist.
20Richtige Beklagte ist die Stadt X. Mit Auflösung der Landesversorgungsverwaltung wurden die Aufgaben nach den §§ 69, 145 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) durch §§ 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 des als Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2007 erlassenen Gesetzes zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen auf die Kreise und kreisfreien Städte übertragen (vgl. zur Rechtmäßigkeit dieser Aufgabenübertragung grundlegend LSG NRW, Urteil vom 12.02.2008 - L 6 SB 101/06 und Urteil vom 05.03.2008 - L 10 SB 40/06; BSG, Urteil vom 23.04.2009 - B 9 SB 3/08 R, juris Rn 15 ff). Die Stadt X wiederum hat gemäß § 23 Abs. 1, 1. Alternative des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit NRW in Verbindung mit § 1 der Öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen den Städten X, T und S zur Übernahme der Verwaltungsaufgaben auf den Gebieten des Elterngeldes und des Schwerbehindertenrechts durch die Stadt X (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Düsseldorf vom 21.12.2007) mit Wirkung zum 01.01.2008 die der Stadt T obliegenden Aufgaben übernommen.
21Die Zuständigkeit der Bezirksregierung Münster zur Entscheidung über den Widerspruch ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (vgl. hierzu LSG NRW, Beschluss vom 16.01.2012 - L 10 SB 197/11, juris Rn 16).
22Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da diese rechtmäßig sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
23Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft von den für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden festgestellt, § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 SGB IX. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für diese Feststellung die Maßstäbe der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG (seit 01.07.2011 § 30 Abs. 16 BVG) erlassenen Rechtsverordnung (VersMedV vom 10.12.2008) und insbesondere ihrer Anlage 2 (VMG) entsprechend. Die Bemessung des (Gesamt-)GdB ist dabei in drei Schritten vorzunehmen und grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (BSG, Beschluss vom 09.12.2010 - B 9 SB 35/10 B, juris Rn 5 m.w.N.). In einem ersten Schritt sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. In einem zweiten Schritt sind diese den in den VMG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann, in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB, in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der maßgebliche (Gesamt-)GdB zu bilden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 - B 9 SB 4/08 R, juris Rn 18 m.w.N.). Außerdem sind nach Teil A Nr. 3b VMG bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der Tabelle der VMG feste GdB-Werte angegeben sind (BSG, Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 4/10 R, juris Rn 25; vgl. zum Ganzen auch LSG NRW, Urteil vom 29.06.2012 - L 13 SB 127/11, juris Rn 42 ff.).
24Führendes Leiden ist die Colitis ulcerosa, weil diese die psychischen Leiden der Klägerin mitbedingt. Deren Bewertung richtet sich nach Teil B Nr. 10.2.2 VMG. Mittelschwere Auswirkungen (häufig rezidivierende oder länger anhaltende Beschwerden, geringe bis mittelschwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufiger Durchfälle) bedingen einen GdB von 30-40, schwere Auswirkungen (anhaltende oder häufig rezidivierende erhebliche Beschwerden, erhebliche Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufige, tägliche, auch nächtliche Durchfälle) einen GdB von 50-60. Ob die genannten Regelbeispiele alternativ oder kumulativ zu verstehen sind, ist umstritten (ausdrücklich für ein alternatives Verständnis Sächsisches LSG, Urteil vom 25.05.2005 - L 6 SB 55/04, juris Rn 37; für ein kumulatives Verständnis wohl LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.06.2010 - L 7 SB 8/05, juris Rn 63). Die vom Senat eingeholte Stellungnahme des BMAS, in der lediglich davon gesprochen wird, dass die Beispiele nicht abschließend seien, könnte für ein alternatives Verständnis sprechen. Allerdings enthielt die Stellungnahme die Empfehlung zu prüfen, ob trotz häufiger Durchfälle keine Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes vorliegt. Dies zeigt, dass auch insoweit eine Gesamtbetrachtung erforderlich ist, wie sie ohnehin von § 69 SGB IX vorgesehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 17.04.2013 - B 9 SB 3/12 R, juris Rn 40). Es erscheint aber unwahrscheinlich, dass das dauerhaft gehäufte tägliche Auftreten von Durchfällen, wie es für den GdB von 50-60 erforderlich ist, ohne einen sprechenden Einfluss auf den Kräfte- und Ernährungszustand einhergehen können soll.
25Eine solche Beeinträchtigung liegt aber nicht vor. Der Sachverständige Dr. T1 verweist insofern maßgeblich und nachvollziehbar auf die Übergewichtigkeit der Klägerin. Soweit die Klägerin angibt, unter der Woche morgens nur schwer aus dem Bett zu kommen, ist nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um somatische Auswirkungen der Colitis ulcerosa handelt, zumal die Klägerin gegenüber der Sachverständigen C gerade morgens psychische Probleme angegeben hat. Angesichts einer vollschichtigen Arbeit in einem nach den eigenen Angaben der Klägerin sehr anstrengenden Beruf verwundert es auch nicht, dass die Klägerin abends müde ist und sich ihre sozialen Aktivitäten auf das Wochenende konzentrieren. Und am Wochenende finden nach den Angaben gegenüber der Sachverständigen C durchaus soziale Aktivitäten in üblichem Umfang statt. Ob - wie die Klägerin meint - die Beurteilung einer Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes durch die Kortisontherapie erschwert wird, kann dahinstehen, da eine solche Beeinträchtigung jedenfalls nicht positiv festgestellt werden kann. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, warum sich diese Therapie auf den Kräftezustand der Klägerin so auswirken könnte, dass seine Reduzierung nicht mehr feststellbar wäre.
26Ein GdB von 30 ist wegen häufig rezidivierender erheblicher Beschwerden bzw. häufigen Durchfällen gerechtfertigt. Gerade angesichts des sehr wechselhaften Verlaufes der Erkrankung ist gemäß Teil A Nr. 2f Sätze 3 ff. VMG eine Durchschnittsbetrachtung geboten. Ausgehend von den eigenen Angaben der Klägerin gibt es längere Zeiten mit eher gering ausgeprägten Beschwerden (Stühle vor allem nach dem Essen). Nach dem mehrmonatigen Schub im Jahr 2011 kam es zu einem vergleichbaren Schub erst wieder im Februar 2014. Die Stuhlfrequenz in diesen schubfreien Zeiten ohne Blutbeimengungen rechtfertigt für sich genommen keinen GdB von 30 (vgl. hierzu LSG NRW, Urteil vom 28.06.2007 - L 7 SB 152/04, juris Rn 22). Die Phasen stärkerer Beeinträchtigung dauern andererseits jeweils mehrere Monate an und erreichen in den Hochphasen - wie zuletzt nach der Darmspiegelung im April 2014 - ein Ausmaß (stündliche Stühle, auch nachts), das für sich genommen die Annahme der Schwerbehinderteneigenschaft begründen dürfte. Diese maximalen Beschwerden in den Schüben bestehen aber nicht durchgängig und nach dem Stand der Erkenntnisse zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch nicht jeweils für mindestens sechs Monate (vgl. zur Bedeutung dieses Zeitraums § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
27Für den Ansatz eines GdB von 30 statt 40 sprechen in der Gesamtschau die langen schubfreien Phasen und eben die Tatsache, dass auch innerhalb der Schübe ein wechselndes Beschwerdebild vorliegt. So hat die Klägerin im Hinblick auf den aktuellen Schub für die Zeit von Februar bis zur Darmspiegelung Toilettengänge "nur" alle drei bis vier Stunden angegeben. Der Schub im Jahr 2011 zeigte im Verlauf eine abnehmende Tendenz. Bereits im Aufnahmebefund des Berichtes über den Reha-Aufenthalt von August bis Oktober 2011 war von abklingenden Beschwerden in einem Umfang von 5-10 Stühlen pro Tag die Rede, am Ende der Behandlung nur noch von 2-5 Stühlen pro Tag. Auch hat die Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Senat angegeben, dass sie außerhalb der Schubzeiten teilweise keinen nächtlichen Stuhlgang hat. Zu bedenken ist schließlich, dass die VMG bei der Bewertung einer chronischen Darmstörung (zur Vergleichbarkeit LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.08.2010 - L 7 B 26/09, juris Rn 33) für einen GdB von 40 zwingend eine erhebliche Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes fordern.
28Ob tatsächlich eine Schließmuskelschwäche vorliegt, kann dahinstehen. Sie wäre entsprechend dem Sachverständigen Dr. T1 gemäß Teil B Nr. 10.2.4 VMG höchstens mit einem GdB von 10 zu bewerten, da unkontrollierter Stuhlabgang nur sehr selten vorkommt. Eine Erhöhung des GdB für das Funktionssystem Verdauung ergibt sich daraus nicht.
29Die Bewertung des psychischen Leidens richtet sich nach Teil B Nr. 3.7 VMG. Es spricht viel dafür, dass entsprechend der Sachverständigen C neben der gemischten Angst- und depressiven Erkrankung eine somatoforme Störung vorliegt. Auch dann aber kann das psychische Leiden insgesamt nicht mit einem höheren GdB als 30 bewertet werden. Ein GdB von 30 setzt eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit voraus. Diese kann hier insofern angenommen werden, als das tägliche Leben der Klägerin jedenfalls nach ihrem eigenen Vortrag nicht unerheblich durch ihre Ängste geprägt ist. Eine höhere Bewertung kommt aber keinesfalls in Betracht. Denn die Klägerin kann nach den Feststellungen der Sachverständigen C mit ihrer Erkrankung und der Angst umgehen. Sie hat ihren Alltag entsprechend angepasst und gibt selbst an, die Psychotherapie habe gut gewirkt. Sie befindet sich in einer stabilen Partnerschaft, ist vollschichtig arbeitsfähig und hat - angesichts des fordernden Berufes jedenfalls am Wochenende - ein normales Sozialleben. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach den Ausführungen der Sachverständigen C noch nicht alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Eine schwere seelische (etwa Zwangs-)Krankheit, die Voraussetzung eines Einzel-GdB von 50 und mehr ist, ist nicht ersichtlich.
30Dieser Einzel-GdB ist nicht wegen der vermeintlichen Migräne zu erhöhen. Dabei kann dahinstehen, ob es sich nicht vielmehr um eine Kopfschmerzerkrankung handelt, da beide Leiden nach den gleich Maßstäben zu bewerten sind (vgl. Wendler/Schillings, VMG, 6. Aufl. 2013, S. 113). Nach Teil B Nr. 2.3 VMG ist eine leichte Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) mit einem GdB von 10, eine mittelschwere Form (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) mit einem GdB von 20-40 zu bewerten. Da die Klägerin eine Remission ohne Tabletten bereits nach einer halben Stunde angibt, ergibt sich entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen Dr. T1 kein relevanter Wert, der sich im Funktionssystem Gehirn/Psyche erhöhend auswirken könnte.
31Die Erkrankung der Atmungsorgane ist weder nach Teil B Nr. 8.2 noch Nr. 8.5 VMG mit einem GdB von 20 zu bewerten. Im Fall einer Bronchitis wäre eine schwere Form (fast kontinuierlich ausgiebiger Husten und Auswurf, häufige akute Schübe) erforderlich. Ein Bronchialasthma ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion wird bei Hyperreagibilität mit seltenen (saisonalen) und/oder leichten Anfällen mit 0-20 bewertet. Es liegen keine Hinweise auf relevante Auswirkungen bzw. mehr als nur leichte Anfälle vor. Die Klägerin hat selbst von einem vor allem saisonalen Problem gesprochen.
32Auch sonst liegen neben der Colitis ulcerosa und dem psychischen Leiden keine für die GdB-Bildung relevanten weiteren Leiden vor.
33Ausgangspunkt für die Bildung des (Gesamt-)GdB ist die Colitis ulcerosa als schwerstes Leiden. Deren Einzel-GdB ist wegen des psychischen Leidens um 10 auf 40 zu erhöhen. Dabei kann dahinstehen, ob entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen Dr. T1 der Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem Gehirn/Psyche nur ein "schwacher" Wert ist oder ob er voll erreicht wird (vgl. zu dieser Differenzierung LSG Essen, Urteil vom 29.08.2012 - L 10 SB 89/12, juris Rn 34). Denn auch im letztgenannten Fall ist eine weitere Erhöhung des GdB nicht gerechtfertigt. Es spricht schon mehr für eine Überschneidung als für eine Verstärkung dieser beiden Leiden. Die psychischen Probleme dürften ohne die Colitis ulcerosa kaum - jedenfalls in dieser Ausprägung - vorliegen. Zu bedenken ist auch, dass der GdB für die Colitis bereits nach Teil A Nr. 2i VMG die üblichen seelischen Begleiterscheinungen enthält. Jedenfalls fehlt es insgesamt an einer Vergleichbarkeit insbesondere mit einer Colitis ulcerosa mit schweren Auswirkungen oder einer chronischen Darmstörung mit erheblicher Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes, die auch erst bei voller Ausschöpfung des Beurteilungsrahmens einen GdB von 50 vorsieht (vgl. Teil B Nr. 10.2.2 VMG).
34Sieht man mit Dr. T1 den GdB i.H.v. 30 für den Bereich Psyche als nur gerade erreicht an, wird ein Gesamt-GdB von 50 selbst dann nicht erreicht, wenn man den GdB für die Colitis ulcerosa mit 40 ansetzt. Denn angesichts der bereits beschriebenen Überschneidungen wäre ein solch "schwacher" Wert von 30 nicht geeignet, den Gesamt-GdB auf 50 zu heben. Der insoweit bestehende körperliche und psychische Gesundheitszustand der Klägerin ist insoweit nicht einem solchen vergleichbar, wie er nach den VMG für die Colitis ulcerosa oder den Funktionsbereich der Psyche verlangt wird, um einen GdB von 50 zu erreichen. Dies folgt zum einen aus dem Kräfte- und Ernährungszustand der Klägerin einerseits wie aus deren Bewältigung des Lebensalltags andererseits.
35Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
36Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.

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(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.
(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.
(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, - 2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder - 3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.
(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.
(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.
(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.
(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.
(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen
- 1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert, - 2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem
- 1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird, - 2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres, - 3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und - 4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.
(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.
(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.
(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.
(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.
(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:
- a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist, - b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist, - c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte, - d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden, - e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.
(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.
(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.
(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.
(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.