Landessozialgericht NRW Urteil, 17. Dez. 2014 - L 11 KA 89/12
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen Honorarkürzungen infolge Wirtschaftlichkeitsprüfung für die Quartale I/2006 bis IV/2008 in einer Gesamthöhe von 135.489, 97 EUR. Streitbefangen sind im Verfahren L 11 KA 89/12 die Quartale I/2006 bis IV/ 2006, im Verfahren L 11 KA 45/14 die Quartale I/2007 bis IV/2007 und im Verfahren L 11 KA 46/14 die Quartale I/2008 bis IV/2008.
3Der Kläger ist seit dem 02.01.1975 mit Praxissitz in N zu vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.
4Seine Fallzahlen lagen im Zeitraum I/2006 bis IV/2008 um 17 % unter bis 5 % über den maßgeblichen Durchschnittswerten im Bereich der Beigeladenen zu 1). Die Fallkosten überstiegen die Durchschnittswerte um 59 % bis 120 %.
5Der Kläger führte bezogen auf 100 Patienten 4,97 Parodontalbehandlungen (PAR-Behandlungen) durch. Für die Vergleichspraxis beträgt der entsprechende Wert 1,54 PAR-Behandlungen pro 100 Patienten. Wiederum bezogen auf 100 Patienten rechneten der Kläger im streitigen Zeitraum 26 Zahnersatzfälle (ZE-Fälle) und die Vergleichsgruppe 13 ZE-Fälle ab. Die ZE-Fallkosten lagen in der klägerischen Praxis bis zu 40 % unter dem Durchschnitt.
6Am 21.11.2007 leitete die Prüfungsstelle ein Verfahren auf Prüfung der Wirtschaftlichkeit der konservierend/chirurgischen Abrechnung für die Quartale I-IV/2006 gemäß § 11 der Prüfvereinbarung vom 08.07.2006 ein. Für die Quartale I-IV/2007 und I-IV/2008 wurde das Prüfverfahren am 14.07.2008 und am 03.06.2009 auf der Grundlage des § 11 der ab dem 01.01.2008 maßgeblichen Verfahrensordnung eingeleitet. Mit Schreiben vom 04.12.2007, 22.07.2008 und 08.06.2009 informierte die Prüfungsstelle den Kläger über das Prüfverfahren. Trotz Aufforderung gab er keine Stellungnahme zu den Verfahren ab.
7Mit Beschluss vom 15.07.2009 erkannte die Prüfungsstelle ein Honorar je Behandlungsfall in Höhe von 155 % des Durchschnitts an und kürzte das darüber hinaus abgerechnete Honorar. Zur Begründung führte die Prüfungsstelle aus, dass sie sich bezüglich der beanstandeten Abrechnungen für die Prüfmethode des statistischen Fallkostenvergleichs entschieden habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine Unwirtschaftlichkeit dann anzunehmen, wenn der Fallwert des geprüften Arztes/Zahnarztes so erheblich über dem Vergleichsgruppendurchschnitt liege, dass sich die Mehrkosten nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur und den Behandlungsnotwendigkeiten erklären ließen und deshalb zuverlässig auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise als Ursache der erhöhten Aufwendungen geschlossen werden könne. Zur weiteren Beurteilung habe sie die früheren schriftlichen Stellungnahmen zur Kenntnis genommen, in denen insbesondere auf die Leistungsschwerpunkte ZE, PAR und chirurgische Behandlungen hingewiesen worden sei. Darüber hinaus sei auf die Behandlung von Behinderten (etwa 10 %), älteren Patienten, Kinder (ca. 5 % aus Kinderheimen) und Patienten mit hohem Sanierungsbedarf verwiesen worden. Die Prüfungsstelle berücksichtigte den Umfang der ZE- und PAR-Abrechnungen als Besonderheit. Bei den PAR-Behandlungen sah die Prüfungsstelle einen Mehrbedarf von 5.724 Punkten, was 3,5 % der Gesamtabrechnung entspreche. Für die PAR-Fälle seien je Fall 156 Punkte für die erforderlichen Begleitleistungen zu berücksichtigen. Da der Mehraufwand gegenüber dem allgemeinen Durchschnitt 229 PAR-Fälle betrage, ergebe sich ein Mehrbedarf von 35.724 Punkten, das entspreche 3,5 % der Gesamtabrechnung. Für den Bereich der ZE-Behandlungen lasse sich der Mehrbedarf nicht genau ermitteln, da in der Zahl der ausgewiesenen ZE-Fälle auch Reparaturen, Vollprothesen und andere Maßnahmen enthalten seien, die keiner konservierenden Begleitleistung bedürften. Durch den Beschwerdeausschuss sei der Mehrbedarf bei konservierenden Leistungen für die Vorquartale auf 3 % geschätzt worden. Im Bereich der chirurgischen Maßnahmen sei der geltend gemachte Schwerpunkt ebenfalls nachzuvollziehen. Im Schnitt betrage der Anteil der großen Chirurgie an der Gesamtabrechnung über den Prüfungszeitraum 4 %. Das Abrechnungsbild des Klägers stütze seine Behauptung nicht, dass überdurchschnittlich viele Sanierungsfälle behandelt würden. Stark sanierungsbedürftige Patienten bedürften erfahrungsgemäß auch häufiger der Extraktion von stark zerstörten Zähnen. Dieser Bereich sei in der Abrechnung jedoch deutlich unterdurchschnittlich. Gerade bei solchen Patienten müsste bei der Zahnerhaltung überproportional häufige eine CP (Caries profunda)- oder P (Pulpa)-Behandlung durchgeführt werden. Es erschließe sich nicht, inwieweit durch eine überdurchschnittlich hohe Zahl von älteren Patienten ein Mehraufwand bei konservierend/chirurgischen Behandlungen gerechtfertigt sein solle. Gleiches gelte für die Kinderbehandlung. Die Behandlung behinderter Patienten könne zu Mehraufwendungen führen, wenn die Behinderung zur Folge habe, dass ein Patient nicht regelmäßig zahnmedizinisch behandelt werde oder wegen unzureichender Zahnpflege einen überdurchschnittlichen Behandlungsbedarf aufweise. In welchem Umfang diese Patienten in der Praxis aufträten, lasse sich nicht konkret ermitteln. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit werde dies jedoch nicht außer Acht gelassen. Die Prüfungsstelle berücksichtigte die übrigen nicht quantifizierbaren Besonderheiten mit 4,5 % der Gesamtabrechnung. Zusammenfassend stellte sie fest, dass in der Praxis erhebliche statistische Abweichungen der Fallkosten vorlägen, ohne dass diese an einzelnen Leistungspositionen festzumachen seien. Ein den statistischen Überaufwand rechtfertigender Minderaufwand sei nicht zu erkennen. Praxisbesonderheiten könnten nur bedingt anerkannt werden, die jedoch nicht geeignet seien, den gesamten Überaufwand zu erklären. Die hohe statistische Abweichung der Fallkosten sei auf unwirtschaftliche Leistungsansätze zurückzuführen. Unter Berücksichtigung sämtlicher Besonderheiten sei die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei 55 % über dem allgemeinen Durchschnittswert festzusetzen. Die darüber hinausgehende Abrechnung sei unwirtschaftlich. In die Gesamtbeurteilung sei auch eingeflossen, dass sich der Kläger bereits seit seiner Niederlassung im Jahr 1975 fast ununterbrochen in der Wirtschaftlichkeitsprüfung befinde und seither von nicht unerheblichen Honorarkürzungen wegen Unwirtschaftlichkeit betroffen sei. Im Einzelnen stellt sich die Kürzung auf 155 % der Fallkosten wie folgt dar:
8Euro Quartal 3.137 2.771,35 1.2006 4.033 3.571,02 2.2006 11.201 9.936,45 3.2006 11.009 9.725,15 4.2006 14.344 12.718,46 1.2007 2.018 1.785,84 2.2007 14.424 12.741,90 3.2007 19.290 17.138,20 4.2007 9.106 8.072,53 1.2008 23.219 20.512,79 2.2008 28.618 25.377,69 3.2008 12.507 11.138,59 4.2008 152.906 135.489,97 gekürzte Punkte
9Am 03.09.2009 erhob der Kläger Widerspruch. Die Entscheidung der Prüfungsstelle werde den Praxisbesonderheiten nicht gerecht. Hinsichtlich der PAR-Behandlung sei zu berücksichtigen, dass vor der Behandlung auch ein Paradontaler Screening Index - (PSI-) Status erhoben werden müsse. Mithin seien pro PAR-Fall mindestens 166 Punkte als notwendige Begleitleistung abzuziehen. Unberücksichtigt sei ferner geblieben, dass überdurchschnittlich häufig lokale Rezidivbehandlungen notwendig würden, die sodann über Exz1 (Bema 49 - Exzision Mundschleimhaut) und Exz2 (Bema 50 - Exzision einer Schleimhautwucherung) abgerechnet würden. Lokale Parodontitistherapien seien über die Exz 1 und Exz 2 anzusetzen. Auch die ZE-Behandlung sei nicht ausreichend erfasst worden. Da es in seiner Praxis doppelt so viele ZE-Fälle gäbe wie in einer Durchschnittspraxis, sei der Mehraufwand auf ca. 3 % zu niedrig geschätzt. Er habe überdurchschnittlich viele Direktabrechnungsfälle. Wenn die Chirurgie als Praxisbesonderheit anerkannt werde, müsste dies auch für notwendige Begleitleistungen im Rahmen der chirurgischen Behandlung gelten. Zudem behandle er aufgrund seines überregionalen Einzugsgebietes überdurchschnittlich viele besonders schwere Fälle. Er habe überdurchschnittlich viele behinderte und ältere Patienten. Zwar bestünden statistische Auffälligkeiten, diese seien jedoch durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigt. Die PAR- und ZE-Behandlungen müssten mit deutlich höheren Begleitleistungen gewürdigt werden. Die Berechnung des durch die große Chirurgie verursachten Mehrbedarfs sei fehlerhaft.
10Mit Beschluss vom 30.03.2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass in einzelnen Fällen ein umfangreicher Behandlungsbedarf festzustellen sei. Die durch die statistischen Werte vermutete Unwirtschaftlichkeit lasse sich jedoch durch die gesichteten Beispielsfälle nicht entkräften. So würden Wiederholungsfüllungen, gehäuft Mehrfachfüllungen auf einer Fläche und mehrere Aufbaufüllungen an einem Zahn vor Zahnersatz festgestellt. Zudem falle die konservierend/chirurgische Behandlung im Zusammenhang mit Implantatversorgungen auf, bei der es sich um außervertragliche Leistungen handele. Die Prüfungsstelle habe den Mehraufwand für PAR-Behandlungen und chirurgische Leistungen korrekt berechnet. Der PSI-Status müsse nicht berücksichtigt werden, da es sich um eine Screeningleistung handele, die nicht im zwingenden Zusammenhang mit der durchgeführten PAR-Behandlung stehe. Der Zusammenhang zwischen PAR-Behandlung und Exzisionen als Rezidivbehandlung bzw. als lokale Parodontaltherapie sei nicht derart umfangreich, dass er besonders gewürdigt werden müsse. Die Einlassung des Klägers hinsichtlich der konservierenden Behandlungsmaßnahmen bei Zahnersatzbehandlungen sei nicht geeignet, die Schätzung des Mehraufwandes in Frage zu stellen. Die von ihm überreichten Unterlagen erfassten verschiedene Leistungen und Beträge lediglich summarisch und ohne jeden Patientenbezug. Die Angaben seien nicht nachvollziehbar und nicht geeignet, die Notwendigkeit der fraglichen Leistungen zu beweisen. Der Mehraufwand im Bereich der chirurgischen Leistungen sei nicht als Praxisbesonderheit anerkannt worden. Die Begleitleistungen seien unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten besonders auffällig, da sie im Verhältnis zu den chirurgischen Leistungen deutlich gegenüber dem Durchschnitt abwichen. In der Vergleichsgruppe werde bei jeder 1,4ten chirurgischen Behandlung eine Nachbehandlung berechnet. Demgegenüber setzte der Kläger bei jeder 0,8ten Leistung eine Nachbehandlung an. Die im Zusammenhang mit chirurgischen Maßnahmen anfallenden Anästhesien seien nicht zu ermitteln. In der Praxis würden mehrere Leistungen unter einer Anästhesie abgerechnet, so dass der Mehraufwand begrenzt sei und keine zu berücksichtigenden Auswirkungen habe. Bei den zur Dokumentation der sogenannten "schweren Fälle" überreichten Unterlagen handele es sich um nicht nachvollziehbare Umsatzlisten mit ausgewiesenen Punkten und Summen sowie um patientenbezogene Leistungsdarstellungen. Der Hinweis auf hohen Umsatz in einzelnen Fällen enthalte keine konkrete Aussage zur Behandlungsbedürftigkeit der Patienten. Inwieweit behinderte und ältere Patienten sowie Kinder eines Kinderheimes die hohen Fallkosten verursacht haben können, erschließe sich nicht und lasse sich nicht sicher quantifizieren.
11Gegen den ihm am 04.05.2011 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 03.06.2011 Klage erhoben. Zur Begründung hat er sein Vorbringen wiederholt und ergänzend ausgeführt: Einer seiner Leistungsschwerpunkte liege im Bereich der PAR-Behandlung. Dass hierfür lediglich ein Toleranz-Wert von 3,5 % angesetzt worden sei, könne er nicht nachvollziehen. Hinsichtlich des PSI-Status verkenne der Beklagte den Kausalzusammenhang zwischen dessen Erhebung und einer systematischen PAR-Behandlung. Jeder systematischen PAR-Behandlung gehe eine Befunderhebung mittels PSI voraus. Pro PAR-Behandlungsfall seien somit nach BEMA-Nr. 04 jeweils 10 Punkte als notwendige Begleitleistung in Abzug zu bringen. Hinzu kämen noch weitere Begleitleistungen der einzelnen PAR-Behandlungen wie eine Röntgenaufnahme (Orthopantomogramm, OPG), achtfache Infiltrationsanästhesie (I), zweifache intraorale Leitungsanästhesie (L1), zweimal lokale medikamentöse Behandlung der Schleimhaut (Mu) sowie eine Zahnsteinentfernung (ZSt). Pro Behandlungsfall ergebe sich damit einschließlich des Punktwertes für die Erhebung des PSI-Status ein Mehraufwand für Begleitleistungen im Umfang von 166 Punkten. Der Beklagte erkenne zwar ausdrücklich den Leistungszusammenhang zwischen Parodontalbehandlungen und Exzisionen als Rezidivbehandlungen bzw. als lokale Parodontitistherapie an. Dennoch lasse er diesen Zusammenhang mit einem pauschalen Verweis auf einen nicht ausreichenden Umfang unberücksichtigt. Auch der Mehraufwand im Hinblick auf Begleitleistungen im Bereich der ZE-Behandlungen sei nicht ausreichend gewürdigt worden. Trotz der im Vergleich zur Durchschnittspraxis doppelt so hohen ZE-Fallzahl habe der Beklagte lediglich einen Toleranzwert von 3 % zu Grunde gelegt. Dass die im Zusammenhang mit ZE-Behandlungen erbrachten konservierenden Leistungen notwendig gewesen seien, habe er nachgewiesen. Aus der bloßen Feststellung mehrfacher Aufbaufüllungen an einem Zahn vor Durchführung einer Zahnersatzbehandlung lasse sich nicht auf eine Unwirtschaftlichkeit schließen. Die chirurgische Behandlungstätigkeit sei zu Unrecht nicht als Praxisbesonderheit anerkannt worden. Die Prüfungsstelle habe in ihrem Beschluss vom 15.07.2009 bestätigt, dass ein Behandlungsschwerpunkt vorliege.
12Der Kläger hat beantragt,
13den Beschluss des Beklagten vom 30.03.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Beschwerde gegen den Beschluss der Prüfungsstelle vom 15.07.2009 neu zu entscheiden.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er hat vorgetragen: Der Kläger messe den anerkannten Besonderheiten eine unzutreffend hohe Bedeutung zu. Für jeden der abgerechneten PAR-Fälle seien 156 Punkte Mehrbedarf zuerkannt worden. Dabei sei jeweils von einem vollbezahnten Gebiss ausgegangen und die höchstmögliche Anzahl von Anästhesien zugebilligt worden. Es liege jedoch nicht immer ein vollbezahntes, behandlungsbedürftiges Gebiss vor. Außerdem sei nicht für jede der abgerechneten PAR-Behandlungen eine systematische PAR-Behandlung erfolgt. Die gewährten Toleranzen seien für sämtliche Besonderheiten ausreichend bemessen worden.
17Mit Urteil vom 30.07.2012 hat das Sozialgericht (SG) Münster die Klage abgewiesen. Der Beschluss des Beklagten sei rechtmäßig. Er habe die erforderliche Sachverhaltsaufklärung dadurch vorgenommen, dass er die Unterlagen von 26 Behandlungsfällen und die vom Kläger vorgelegten weiteren Unterlagen ausgewertet und in seine Überlegungen einbezogen habe. Zu weiteren Ermittlungen sei der Beklagte nicht verpflichtet gewesen. Da die Abrechnungswerte des Klägers bei den Fallkosten weit im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses lägen, bestehe der Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit. Mit seinen Angaben und den vorgelegten Unterlagen sei es dem Kläger nicht gelungen, diesen Anscheinsbeweis zu entkräften. Mit dem Hinweis auf den hohen Anteil von Patienten über 60 Jahren und von Behinderten mache der Kläger im Ergebnis geltend, dass er im Prüfzeitraum einen hohen Anteil an Patienten mit erhöhtem Sanierungsbedarf gehabt habe. Dieses Vorbringen lasse sich jedoch weder aufgrund der vom Kläger vorgelegten Unterlagen noch aufgrund der statistischen Werte bestätigen. Die vorgelegten Umsatzstatistiken ließen keinen Rückschluss auf den Behandlungsbedarf pro Patient zu. Der Beklagte sei aufgrund der Auswertung der weiteren vorgelegten Unterlagen (Leistungserfassung pro Patient) zu Recht davon ausgegangen, dass Einzelfälle vorhanden seien, die einen umfangreichen Behandlungsaufwand aufwiesen. Bei Auswertung dieser Unterlagen habe der Beklagte jedoch beanstandungsfrei Hinweise auf Unwirtschaftlichkeit und Hinweise auf die Abrechnung im Zusammenhang mit außervertraglichen Leistungen (Implantatversorgung) festgestellt. Auch die statistischen Abrechnungswerte sprächen für diese Annahme. Ein erhöhter Sanierungsbedarf sei im Regelfall bei Patienten anzunehmen, die erstmalig die Zahnarztpraxis aufsuchten. Die statistischen Werte bei der Geb.-Nr. 01 (eingehende Untersuchung zur Feststellung von Zahn, Mund- und Kieferkrankheiten einschließlich Beratung) ließen Rückschlüsse auf den Anteil der Neupatienten einer Praxis zu. Die Abrechnungsfrequenz dieser Gebührennummer sei absolut unauffällig. Sie läge in einzelnen Quartalen sogar unter den Durchschnittswerten. Dies spreche gegen einen hohen Anteil von Neupatienten. Daher sei die Überschreitung bei der Geb-Nr. 23 (Entfernen einer Krone bzw. eines Brückenankers oder eines abgebrochenen Wurzelstifts bzw. das Abtrennen eines Brückengliedes oder -stegs, je Trennstelle) nur so erklärbar, dass der Kläger die entsprechenden Behandlungen an von ihm bereits behandelten Patienten vorgenommen habe. Bei der Einräumung von Toleranzen habe der Beklagte den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Insbesondere erweise sich die Toleranz für die PAR-Behandlungen als ausreichend. Im Prüfzeitraum habe der Kläger insgesamt 1.038.068 Punkte abgerechnet. Aufgrund der Toleranz von 3,5 % ergebe sich eine Punktzahl von 35.724 Punkten für die PAR-Behandlungen. Da der Beklagte inzwischen festgestellt habe, dass der Kläger im Jahre 2008 12 PAR-Behandlungen nicht durchgeführt habe und von den sieben Fällen aus dem Jahre 2006, in denen er Behandlungsunterlagen vorgelegt habe, in fünf Fällen keine systematische PAR-Behandlung durchgeführt worden seien, verbleibe auch bei einer Punktzahl von 166 pro PAR-Behandlungsfall eine ausreichend hohe Toleranz. Dies gelte auch für die ZE-Behandlung. Wegen der unterdurchschnittlichen Fallkosten sei davon auszugehen, dass in den erfassten ZE-Behandlungen auch Reparaturen und andere Maßnahmen enthalten seien, die keine umfangreichen Begleitleistungen im konservierend-chirurgischen Bereich verursachten. Da der Kläger den Umfang der ZE-Behandlungen mit umfangreichen konservierend-chirurgischen Begleitleistungen nicht schlüssig dargelegt habe und diese Umstände sich auch aus den dem Beklagten zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht entnehmen ließen, sei es gerechtfertigt, den durch die ZE-Behandlungen verursachten Mehrbedarf im Wege der Schätzung mit 3 % festzulegen. Die Direktabrechnungsfälle habe der Beklagte nicht berücksichtigen müssen. Der Kläger habe Abweichungen zur Vergleichsgruppe nicht schlüssig dargelegt. Die für den chirurgischen Mehraufwand eingeräumte Toleranz von 4 % sei ausreichend. Wegen des von den Vergleichswerten erheblich abweichenden Verhältnisses der chirurgischen Leistungen zu den Nachbehandlungen habe der Beklagte zu Recht Hinweise auf eine Unwirtschaftlichkeit angenommen und beurteilungsfehlerfrei die Toleranz für den Mehrbedarf aufgrund der chirurgischen Leistungen festgesetzt. Da neben den ausdrücklich festgelegten Toleranzen noch eine weitere Toleranz von 4,5 % für die nicht "quantifizierbaren" Besonderheiten belassen und dadurch dem Kläger für den Prüfzeitraum ein Mehraufwand von 306.869,95 EUR zugebilligt worden sei, habe der Beklagte die Honorarkürzung in rechtmäßiger Weise vorgenommen.
18Gegen das ihm am 07.08.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.09.2012 Berufung eingelegt. Das SG Münster habe seine Ausführungen zum überdurchschnittlichen Umfang der bei ihm anfallenden Erstattungs- bzw. Direktabrechnungsfälle im Bereich der ZE-Behandlung vollständig unberücksichtigt gelassen. In der Anlage kwm4 zur Klagebegründung habe er belegt, dass im Rahmen seiner ZE-Behandlungstätigkeit signifikant mehr Direktabrechnungsfälle anfielen als beim Durchschnitt der Vertragszahnärzte. Ebenfalls sei sein Vortrag zur Korrelation der Begleitleistungen Infiltrations- und Leitungsanästhesie zum erhöhten Aufkommen von ZE- und PAR-Behandlungen sowie zur Korrelation der Begleitleistung zweiflächige Füllung zur erhöhten Zahl von PAR-Behandlung nicht in ausreichendem Maß gewürdigt worden. Hierzu habe er als Anlage kwm3 zur Klagebegründung umfangreiche Unterlagen vorgelegt. Schließlich gehe das SG im Rahmen der Beurteilung seiner besonderen Patientenklientel von der fehlerhaften Annahme aus, dass regelmäßig Voraussetzung eines hohen Sanierungsbedarfs das erstmalige Aufsuchen der Arztpraxis sei und im Umkehrschluss somit die Anzahl der Erstbesuche in der Praxis Rückschlüsse auf die Anzahl von Patienten mit hohem Sanierungsbedarf ermögliche. Diese Grundannahme sei sachlich falsch. Der Umkehrschluss, dass ein erhöhter Sanierungsbedarf nur im Rahmen eines Erstbesuchs in Betracht komme, sei nicht zwingend. Vielmehr hänge der Sanierungsbedarf auch und gerade von der Altersstruktur der Patienten ab, da ältere Personen unabhängig von der Inanspruchnahme regelmäßiger zahnärztlicher Untersuchungstermine bereits im Hinblick auf die altersmäßige Abnutzung des Gebisses per se einen höheren Sanierungsbedarf aufwiesen als jüngere Patienten. Auch sei der Beklagte methodisch falsch vorgegangen. Es sei nach dem Urteil des BSG vom 18.06.1997 - 6 RKA 52/96 - gerade nicht ausreichend, eine pauschale Toleranz in Höhe von 140 % anzunehmen und anerkannten Mehrbedarf sodann durch einige weitere Prozentpunkte zu berücksichtigten. Vielmehr seien zunächst die durch die anerkannten Praxisbesonderheiten entstandenen Mehrkosten zu ermitteln und dann vom Gesamtfallwert abzuziehen. Bereits dieses methodisch falsche Vorgehen belaste ihn, da es zu höheren Überschreitungsprozentsätzen führe. Diese Rechtsprechung sei durch das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 29.01.2014 - L 3 KA 52/11 - bestätigt worden.
19Der Kläger beantragt,
20das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 30.07.2012 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Beschlusses vom 30.03.2011 zu verurteilen, über die Beschwerde gegen den Beschluss der Prüfungsstelle vom 15.07.2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
21Der Beklagte beantragt,
22die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
23Er trägt vor, es sei der Berufungsbegründung nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, welche Rechtsfehler ihm unterlaufen sein sollten. Die Forderung, er hätte die Auswirkungen der Praxisbesonderheiten beurteilen müssen, sei unspezifisch. Die gewährten Toleranzen seien angemessen. Bezüglich der Berücksichtigung von Mehraufwendungen bei PAR- und ZE-Fällen sei einerseits feststellen, dass diese - auch unter Einbeziehung der Erstattungs- bzw. Direktabrechnungsfälle - mit dem Mehraufwand bei den Anästhesien (Geb.-Nrn. 40 und 41a) korrespondieren dürften. Dort liege der Mehraufwand über der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis. Andererseits handele es sich bei den Direktabrechnungsfällen zum großen Teil um eine andersartige Versorgung. Der Patient habe ein Anrecht auf entsprechende Festzuschüsse und bekomme sie von seiner Krankenkasse im Wege der Direktabrechnung. Bei solchen Leistungen seien auch die Begleitleistungen keine Kassenleistungen und dürften folglich nicht in der Abrechnung erscheinen, es sei denn, sie wären bei der Regelversorgung ebenfalls angefallen. Nach dem Urteil des BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - sei es offen, ob Praxisbesonderheiten zwingend in der ersten Prüfungsstufe zu berücksichtigen seien. Dessen ungeachtet habe er das Vorliegen von Praxisbesonderheiten in der ersten Prüfungsstufe, d.h. bei der Festlegung der Grenze des offensichtlichen Missverhältnisses, geprüft. Diese Vorgehensweise beruhe darauf, dass Praxisbesonderheiten ein wesentlicher Gestaltungsfaktor bei der Ermittlung des Umfanges von unwirtschaftlichen Behandlungsweisen seien und zudem in der Regel - wenn auch nichts stets - einen inneren Zusammenhang mit anderen, eine Praxis gestaltenden Umständen hätten. Er habe aber keine konkret ermittelbaren Praxisbesonderheiten feststellen können. Weder die überdurchschnittliche Häufigkeit der Behandlung von behinderten Patienten noch die Patienten über 60 Jahre seien als Praxisbesonderheiten in Betracht gekommen. Der von ihm anerkannte Mehraufwand beruhe nicht auf Praxisbesonderheiten, sondern auf der Berücksichtigung notwendiger Behandlungsfolgen bei genehmigten Leistungen wie PAR- und ZE-Behandlungen. Auch bei den Direktabrechnungsfällen handele es sich nicht um eine Praxisbesonderheit, weil sich der Umstand der Direktabrechnung nicht aus der Morbiditätsstruktur der Klientel ergebe. Um eine Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes bei der intellektuellen Prüfung im Rahmen der Anzahl der ZE-Behandlungen zu ermöglichen, hätte der Kläger spätestens in der mündlichen Verhandlung vor dem Beklagten vortragen müssen, wie groß die Anzahl der Direktabrechnungsfälle und der Anteil der nicht außervertraglichen Leistungen sei. An einem entsprechenden Vortrag habe es gefehlt.
24Die Beigeladenen zu 1) und 2) beantragen,
25die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
26Die Beigeladene zu 2) verweist darauf, dass der Beklagte keine Praxisbesonderheiten festgestellt habe. Deswegen sei es müßig, im Rahmen einer rechtlichen Auseinandersetzung klären zu lassen, wo denn diese vermeintlich nicht existenten Praxisbesonderheiten hätten berücksichtigt werden müssen.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der Gerichtsakten S 2 KA 25/11 ER (SG Münster) und S 2 KA 15/13 (SG Münster) Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
28Entscheidungsgründe:
29Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Beschluss des Beklagten vom 30.03.2011 rechtmäßig ist.
30Rechtsgrundlage für die streitigen Honorarkürzungen ist § 106 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) benennt als Prüfarten die Auffälligkeitsprüfung (Nr. 1) und die Zufälligkeitsprüfung (Nr. 2). Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Prüfverfahren nach Durchschnittswerten zum 01.01.2004 abgeschafft worden ist. Die maßgeblichen Prüfvereinbarungen vom 09.08.2006 und 20.11.2007 regeln jeweils in § 6 die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Durchschnittswerten. Dies steht im Einklang mit § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 SGB V, der die Prüfmethoden auch für die Zeit ab dem 01.01.2004 bei entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen ausdrücklich zulässt.
31Die Prüfung nach Durchschnittswerten beruht auf einer Gegenüberstellung der durchschnittlichen Fallkosten des geprüften Arztes einerseits und der Gruppe der vergleichbaren Ärzte andererseits. Eine Unwirtschaftlichkeit ist dann anzunehmen, wenn der Fallwert des geprüften Arztes so erheblich über dem Vergleichsgruppendurchschnitt liegt, dass sich die Mehrkosten nicht mehr durch die Unterschiede in der Praxisstruktur und den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lassen und deshalb zuverlässig auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise als Ursache der erhöhten Aufwendungen geschlossen werden kann. Wann dieser mit dem Begriff des offensichtlichen Missverhältnisses gekennzeichnete Überschreitungsgrad erreicht ist, hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Prüfungsgegenstands und den Umständen des konkreten Falles ab und entzieht sich einer allgemein verbindlichen Festlegung. Die in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen müssen, damit sie auf ihre sachliche Richtigkeit und auf ihre Plausibilität und Vertretbarkeit hin überprüft werden können, im Bescheid genannt werden oder jedenfalls für die Beteiligten und das Gericht erkennbar sein. Im Hinblick darauf, dass die Festlegung des Grenzwertes für das offensichtliche Missverhältnis von der Beurteilung zahlreicher mehr oder weniger unbestimmter und in ihren wechselseitigen Auswirkungen nicht exakt quantifizierbare Einzelfaktoren abhängt und auch bei Berücksichtigung aller relevanten Umstände letztlich eine wertende Entscheidung erfordert, verbleibt den Prüfgremien insoweit ein Beurteilungsspielraum. Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich hierbei auf die Prüfung, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten hat und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen der Möglichkeit die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 58/94 -). Diese überwiegend für den ärztlichen Bereich entwickelten Grundsätze gelten uneingeschränkt auch für zahnärztliche Leistungen (vgl. § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V; BSG, Urteil vom 14.12.2005 - B 6 KA 4/05 R -).
32Das SG hat zu Recht festgestellt, dass die Entscheidung des Beklagten diesen Vorgaben entspricht. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen Bewertung.
33Hinsichtlich seines Vortrags, er behandele überdurchschnittlich viele Patienten mit einem Alter von über 60 Jahren, ist der Kläger seiner Darlegungspflicht für eine Praxisbesonderheit nicht nachgekommen. Praxisbesonderheiten sind aus der Zusammensetzung der Patienten herrührende Umstände, die sich auf das Behandlungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen sind (u.v.a. BSG, Urteil vom 21.06.1995 - 6 RKa 35/94 -). Die betroffene Praxis muss sich nach der Zusammensetzung der Patienten und hinsichtlich der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen vom typischen Zustand einer Praxis der Vergleichsgruppe unterscheiden (BSG, Urteil vom 06.09.2000 - B 6 KA 24/99 R -). Dabei ist es grundsätzlich Sache des geprüften Arztes, den durch die Feststellung eines offensichtlichen Missverhältnisses erbrachten Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit seines Verhaltens durch die Geltendmachung von Praxisbesonderheiten oder kompensatorischen Minderaufwendungen zu widerlegen. Ihn trifft hinsichtlich dieser Einwendungen die Darlegungslast (BSG, Urteil vom 11.12.2002 - B 6 KA 1/02 R -). Es ist Angelegenheit des Vertragsarztes - und nicht des Beklagten oder des Gerichts - entscheidungserhebliche Umstände vorzutragen, die auf eine Abweichung von der Typik der Praxen der Fachgruppe schließen lassen. Der Vertragsarzt ist nicht nur gemäß § 21 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) allgemein gehalten, bei der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken, insbesondere die ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Im Rahmen der Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen hat er vielmehr eine entsprechende besondere Mitwirkungspflicht aus der Sache selbst, wie sie immer dann besteht, wenn ein Arzt sich auf ihm günstige Tatsachen berufen will und diese Tatsachen allein ihm bekannt oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können (BSG, Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 58/94 - m.w.N.). Dieser Mitwirkungsobliegenheit, der der Vertragsarzt grundsätzlich im Verwaltungsverfahren zu genügen hat, ist der Kläger nicht hinreichend nachgekommen. Der Kläger hätte nämlich konkret darlegen müssen, - bei welchem der von ihm behandelten Patienten, - aufgrund welcher Erkrankung im Einzelnen - welcher Mehraufwand erforderlich war (Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 11/10 - ). Das bedeutet nicht, dass der Arzt alle Einzelfälle - nach Art einer Einzelfallprüfung - anführen und medizinisch erläutern müsste; entscheidend ist vielmehr die strukturelle Darlegung der methodischen Zusammenhänge und der medizinischen Gleichwertigkeit. Gelingt der erforderliche Nachweis nicht, geht dies zu Lasten des Arztes (BSG, Urteil vom 05.11.1997 - 6 Rka 1/97 -).
34Diesen Anforderungen an die Darlegungslast genügt der Vortrag des Klägers im Verfahren vor dem Beklagten ebenso wie sein - im Übrigen rechtlich unbeachtliches - Vorbringen im gerichtlichen Verfahren nicht. Weder hat er dargelegt, wie viele Patienten über 60 Jahre er behandelt, noch wie er diese Patienten behandelt hat. Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass sich das Vorbringen des Klägers aufgrund der von ihm vorgelegten Unterlagen nicht bestätigen lasse. Es ist pauschal und kann zumindest in dieser Form keine Praxisbesonderheiten belegen. Im Zentrum des klägerischen Vorbringens stehen die von ihm durchgeführten Behandlungen und nicht die von ihm dezidiert darzulegende Morbiditätsstruktur seiner Patienten. Der Kläger hätte darlegen müssen, aus welchen patientenbezogenen Gründen im Verhältnis zur Vergleichsgruppe ein Mehraufwand entstanden ist. Das ist nicht geschehen. Auf das Argument des SG, ein hoher Sanierungsbedarf falle regelmäßig nur bei erstmalig die Zahnarztpraxis aufsuchenden Patienten an, komm es nicht an.
35Auch war der Beklagte nicht verpflichtet, die vom Kläger vorgetragenen Erstattungs- und Direktabrechnungsfälle zu berücksichtigen. Hierzu hätte der Kläger bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens seiner Darlegungspflicht durch Vorlage entsprechender Zahlen nachkommen müssen. Zwar hat der Beklagte die im Verwaltungsverfahren überreichten Unterlagen zwischenzeitlich aussortiert. Nach dem Vortrag des Klägers waren diese Zahlen als Anlage kwm4 Teil der Klagebegründung. Es kann zu seinen Gunsten davon ausgegangen werden, dass er diese Unterlagen bereits im Widerspruchsverfahren überreicht hat. Als Anlage kwm4 hat er seiner Klagebegründung den Beschluss der Prüfungsstelle vom 15.07.2009 beigefügt. Das genügt indes nicht den Darlegungsanforderungen. Gleiches gilt hinsichtlich der behaupteten Korrelation der Begleitleistungen Infiltrations- und Leitungsanästhesien zum erhöhten Aufkommen von ZE- und PAR-Behandlungen sowie der Korrelation der Begleitleistungen zweiflächiger Füllung zur erhöhten Anzahl von PAR-Behandlung. Hierzu bezieht sich der Kläger auf die Anlage kwm3. Wie das SG jedoch zutreffend festgestellt hat, lassen die als Anlage kwm3 vorgelegten Umsatzstatistiken keinen Rückschluss auf den Behandlungsbedarf pro Patient zu.
36Der Beschluss ist entgegen der Rechtsauffassung des Klägers auch nicht deswegen rechtswidrig, weil der Beklagte eine methodisch falsche Vorgehensweise gewählt hat. Die Abfolge der Prüfungsschritte in der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten ist nicht zwingend; auf welcher Stufe Abweichungen von der Typik der Vergleichsgruppe berücksichtigt werden, ist nicht strikt vorgegeben; unbedenklich können sie auch erst auf einer nachrangigen Stufe wie z.B. durch Belassung großzügiger Durchschnittsüberschreitungen berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 18/11 R -). Zudem weisen der Beklagte und die Beigeladene zu 2. zutreffend darauf hin, dass der Beklagte keine Praxisbesonderheiten festgestellt habe, so dass sie auch nicht falsch berücksichtigt werden konnten. Auch die chirurgischen Leistungen hat der Beklagte entgegen des Vortrags des Klägers nicht als Praxisbesonderheit anerkannt. Er hat hierzu ausgeführt, dass der Mehraufwand der chirurgischen Leistungen nicht als Praxisbesonderheit anerkannt werden könnten, da ein höherer Behandlungsaufwand nach der Rechtsprechung keine Praxisbesonderheit darstellen könne.
37Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
38Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht NRW Urteil, 17. Dez. 2014 - L 11 KA 89/12
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Urteil einreichenLandessozialgericht NRW Urteil, 17. Dez. 2014 - L 11 KA 89/12 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen Honorarkürzungen infolge Wirtschaftlichkeitsprüfung für die Quartale I/2006 bis IV/2008 in einer Gesamthöhe von 135.489, 97 EUR. Streitbefangen sind im Verfahren L 11 KA 89/12 die Quartale I/2006 bis IV/ 2006, im Verfahren L 11 KA 45/14 die Quartale I/2007 bis IV/2007 und im Verfahren L 11 KA 46/14 die Quartale I/2008 bis IV/2008.
3Der Kläger ist seit dem 02.01.1975 mit Praxissitz in N zu vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.
4Seine Fallzahlen lagen im Zeitraum I/2006 bis IV/2008 um 17 % unter bis 5 % über den maßgeblichen Durchschnittswerten im Bereich der Beigeladenen zu 1). Die Fallkosten überstiegen die Durchschnittswerte um 59 % bis 120 %.
5Der Kläger führte bezogen auf 100 Patienten 4,97 Parodontalbehandlungen (PAR-Behandlungen) durch. Für die Vergleichspraxis beträgt der entsprechende Wert 1,54 PAR-Behandlungen pro 100 Patienten. Wiederum bezogen auf 100 Patienten rechneten der Kläger im streitigen Zeitraum 26 Zahnersatzfälle (ZE-Fälle) und die Vergleichsgruppe 13 ZE-Fälle ab. Die ZE-Fallkosten lagen in der klägerischen Praxis bis zu 40 % unter dem Durchschnitt.
6Am 21.11.2007 leitete die Prüfungsstelle ein Verfahren auf Prüfung der Wirtschaftlichkeit der konservierend/chirurgischen Abrechnung für die Quartale I-IV/2006 gemäß § 11 der Prüfvereinbarung vom 08.07.2006 ein. Für die Quartale I-IV/2007 und I-IV/2008 wurde das Prüfverfahren am 14.07.2008 und am 03.06.2009 auf der Grundlage des § 11 der ab dem 01.01.2008 maßgeblichen Verfahrensordnung eingeleitet. Mit Schreiben vom 04.12.2007, 22.07.2008 und 08.06.2009 informierte die Prüfungsstelle den Kläger über das Prüfverfahren. Trotz Aufforderung gab er keine Stellungnahme zu den Verfahren ab.
7Mit Beschluss vom 15.07.2009 erkannte die Prüfungsstelle ein Honorar je Behandlungsfall in Höhe von 155 % des Durchschnitts an und kürzte das darüber hinaus abgerechnete Honorar. Zur Begründung führte die Prüfungsstelle aus, dass sie sich bezüglich der beanstandeten Abrechnungen für die Prüfmethode des statistischen Fallkostenvergleichs entschieden habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine Unwirtschaftlichkeit dann anzunehmen, wenn der Fallwert des geprüften Arztes/Zahnarztes so erheblich über dem Vergleichsgruppendurchschnitt liege, dass sich die Mehrkosten nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur und den Behandlungsnotwendigkeiten erklären ließen und deshalb zuverlässig auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise als Ursache der erhöhten Aufwendungen geschlossen werden könne. Zur weiteren Beurteilung habe sie die früheren schriftlichen Stellungnahmen zur Kenntnis genommen, in denen insbesondere auf die Leistungsschwerpunkte ZE, PAR und chirurgische Behandlungen hingewiesen worden sei. Darüber hinaus sei auf die Behandlung von Behinderten (etwa 10 %), älteren Patienten, Kinder (ca. 5 % aus Kinderheimen) und Patienten mit hohem Sanierungsbedarf verwiesen worden. Die Prüfungsstelle berücksichtigte den Umfang der ZE- und PAR-Abrechnungen als Besonderheit. Bei den PAR-Behandlungen sah die Prüfungsstelle einen Mehrbedarf von 5.724 Punkten, was 3,5 % der Gesamtabrechnung entspreche. Für die PAR-Fälle seien je Fall 156 Punkte für die erforderlichen Begleitleistungen zu berücksichtigen. Da der Mehraufwand gegenüber dem allgemeinen Durchschnitt 229 PAR-Fälle betrage, ergebe sich ein Mehrbedarf von 35.724 Punkten, das entspreche 3,5 % der Gesamtabrechnung. Für den Bereich der ZE-Behandlungen lasse sich der Mehrbedarf nicht genau ermitteln, da in der Zahl der ausgewiesenen ZE-Fälle auch Reparaturen, Vollprothesen und andere Maßnahmen enthalten seien, die keiner konservierenden Begleitleistung bedürften. Durch den Beschwerdeausschuss sei der Mehrbedarf bei konservierenden Leistungen für die Vorquartale auf 3 % geschätzt worden. Im Bereich der chirurgischen Maßnahmen sei der geltend gemachte Schwerpunkt ebenfalls nachzuvollziehen. Im Schnitt betrage der Anteil der großen Chirurgie an der Gesamtabrechnung über den Prüfungszeitraum 4 %. Das Abrechnungsbild des Klägers stütze seine Behauptung nicht, dass überdurchschnittlich viele Sanierungsfälle behandelt würden. Stark sanierungsbedürftige Patienten bedürften erfahrungsgemäß auch häufiger der Extraktion von stark zerstörten Zähnen. Dieser Bereich sei in der Abrechnung jedoch deutlich unterdurchschnittlich. Gerade bei solchen Patienten müsste bei der Zahnerhaltung überproportional häufige eine CP (Caries profunda)- oder P (Pulpa)-Behandlung durchgeführt werden. Es erschließe sich nicht, inwieweit durch eine überdurchschnittlich hohe Zahl von älteren Patienten ein Mehraufwand bei konservierend/chirurgischen Behandlungen gerechtfertigt sein solle. Gleiches gelte für die Kinderbehandlung. Die Behandlung behinderter Patienten könne zu Mehraufwendungen führen, wenn die Behinderung zur Folge habe, dass ein Patient nicht regelmäßig zahnmedizinisch behandelt werde oder wegen unzureichender Zahnpflege einen überdurchschnittlichen Behandlungsbedarf aufweise. In welchem Umfang diese Patienten in der Praxis aufträten, lasse sich nicht konkret ermitteln. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit werde dies jedoch nicht außer Acht gelassen. Die Prüfungsstelle berücksichtigte die übrigen nicht quantifizierbaren Besonderheiten mit 4,5 % der Gesamtabrechnung. Zusammenfassend stellte sie fest, dass in der Praxis erhebliche statistische Abweichungen der Fallkosten vorlägen, ohne dass diese an einzelnen Leistungspositionen festzumachen seien. Ein den statistischen Überaufwand rechtfertigender Minderaufwand sei nicht zu erkennen. Praxisbesonderheiten könnten nur bedingt anerkannt werden, die jedoch nicht geeignet seien, den gesamten Überaufwand zu erklären. Die hohe statistische Abweichung der Fallkosten sei auf unwirtschaftliche Leistungsansätze zurückzuführen. Unter Berücksichtigung sämtlicher Besonderheiten sei die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei 55 % über dem allgemeinen Durchschnittswert festzusetzen. Die darüber hinausgehende Abrechnung sei unwirtschaftlich. In die Gesamtbeurteilung sei auch eingeflossen, dass sich der Kläger bereits seit seiner Niederlassung im Jahr 1975 fast ununterbrochen in der Wirtschaftlichkeitsprüfung befinde und seither von nicht unerheblichen Honorarkürzungen wegen Unwirtschaftlichkeit betroffen sei. Im Einzelnen stellt sich die Kürzung auf 155 % der Fallkosten wie folgt dar:
8gekürzte Punkte Euro Quartal 3.137 2.771,35 1.2006 4.033 3.571,02 2.2006 11.201 9.936,45 3.2006 11.009 9.725,15 4.2006 14.344 12.718,46 1.2007 2.018 1.785,84 2.2007 14.424 12.741,90 3.2007 19.290 17.138,20 4.2007 9.106 8.072,53 1.2008 23.219 20.512,79 2.2008 28.618 25.377,69 3.2008 12.507 11.138,59 4.2008 152.906 135.489,97
9Am 03.09.2009 erhob der Kläger Widerspruch. Die Entscheidung der Prüfungsstelle werde den Praxisbesonderheiten nicht gerecht. Hinsichtlich der PAR-Behandlung sei zu berücksichtigen, dass vor der Behandlung auch ein Paradontaler Screening Index - (PSI-) Status erhoben werden müsse. Mithin seien pro PAR-Fall mindestens 166 Punkte als notwendige Begleitleistung abzuziehen. Unberücksichtigt sei ferner geblieben, dass überdurchschnittlich häufig lokale Rezidivbehandlungen notwendig würden, die sodann über Exz1 (Bema 49 - Exzision Mundschleimhaut) und Exz2 (Bema 50 - Exzision einer Schleimhautwucherung) abgerechnet würden. Lokale Parodontitistherapien seien über die Exz 1 und Exz 2 anzusetzen. Auch die ZE-Behandlung sei nicht ausreichend erfasst worden. Da es in seiner Praxis doppelt so viele ZE-Fälle gäbe wie in einer Durchschnittspraxis, sei der Mehraufwand auf ca. 3 % zu niedrig geschätzt. Er habe überdurchschnittlich viele Direktabrechnungsfälle. Wenn die Chirurgie als Praxisbesonderheit anerkannt werde, müsste dies auch für notwendige Begleitleistungen im Rahmen der chirurgischen Behandlung gelten. Zudem behandle er aufgrund seines überregionalen Einzugsgebietes überdurchschnittlich viele besonders schwere Fälle. Er habe überdurchschnittlich viele behinderte und ältere Patienten. Zwar bestünden statistische Auffälligkeiten, diese seien jedoch durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigt. Die PAR- und ZE-Behandlungen müssten mit deutlich höheren Begleitleistungen gewürdigt werden. Die Berechnung des durch die große Chirurgie verursachten Mehrbedarfs sei fehlerhaft.
10Mit Beschluss vom 30.03.2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass in einzelnen Fällen ein umfangreicher Behandlungsbedarf festzustellen sei. Die durch die statistischen Werte vermutete Unwirtschaftlichkeit lasse sich jedoch durch die gesichteten Beispielsfälle nicht entkräften. So würden Wiederholungsfüllungen, gehäuft Mehrfachfüllungen auf einer Fläche und mehrere Aufbaufüllungen an einem Zahn vor Zahnersatz festgestellt. Zudem falle die konservierend/chirurgische Behandlung im Zusammenhang mit Implantatversorgungen auf, bei der es sich um außervertragliche Leistungen handele. Die Prüfungsstelle habe den Mehraufwand für PAR-Behandlungen und chirurgische Leistungen korrekt berechnet. Der PSI-Status müsse nicht berücksichtigt werden, da es sich um eine Screeningleistung handele, die nicht im zwingenden Zusammenhang mit der durchgeführten PAR-Behandlung stehe. Der Zusammenhang zwischen PAR-Behandlung und Exzisionen als Rezidivbehandlung bzw. als lokale Parodontaltherapie sei nicht derart umfangreich, dass er besonders gewürdigt werden müsse. Die Einlassung des Klägers hinsichtlich der konservierenden Behandlungsmaßnahmen bei Zahnersatzbehandlungen sei nicht geeignet, die Schätzung des Mehraufwandes in Frage zu stellen. Die von ihm überreichten Unterlagen erfassten verschiedene Leistungen und Beträge lediglich summarisch und ohne jeden Patientenbezug. Die Angaben seien nicht nachvollziehbar und nicht geeignet, die Notwendigkeit der fraglichen Leistungen zu beweisen. Der Mehraufwand im Bereich der chirurgischen Leistungen sei nicht als Praxisbesonderheit anerkannt worden. Die Begleitleistungen seien unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten besonders auffällig, da sie im Verhältnis zu den chirurgischen Leistungen deutlich gegenüber dem Durchschnitt abwichen. In der Vergleichsgruppe werde bei jeder 1,4ten chirurgischen Behandlung eine Nachbehandlung berechnet. Demgegenüber setzte der Kläger bei jeder 0,8ten Leistung eine Nachbehandlung an. Die im Zusammenhang mit chirurgischen Maßnahmen anfallenden Anästhesien seien nicht zu ermitteln. In der Praxis würden mehrere Leistungen unter einer Anästhesie abgerechnet, so dass der Mehraufwand begrenzt sei und keine zu berücksichtigenden Auswirkungen habe. Bei den zur Dokumentation der sogenannten "schweren Fälle" überreichten Unterlagen handele es sich um nicht nachvollziehbare Umsatzlisten mit ausgewiesenen Punkten und Summen sowie um patientenbezogene Leistungsdarstellungen. Der Hinweis auf hohen Umsatz in einzelnen Fällen enthalte keine konkrete Aussage zur Behandlungsbedürftigkeit der Patienten. Inwieweit behinderte und ältere Patienten sowie Kinder eines Kinderheimes die hohen Fallkosten verursacht haben können, erschließe sich nicht und lasse sich nicht sicher quantifizieren.
11Gegen den ihm am 04.05.2011 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 03.06.2011 Klage erhoben. Zur Begründung hat er sein Vorbringen wiederholt und ergänzend ausgeführt: Einer seiner Leistungsschwerpunkte liege im Bereich der PAR-Behandlung. Dass hierfür lediglich ein Toleranz-Wert von 3,5 % angesetzt worden sei, könne er nicht nachvollziehen. Hinsichtlich des PSI-Status verkenne der Beklagte den Kausalzusammenhang zwischen dessen Erhebung und einer systematischen PAR-Behandlung. Jeder systematischen PAR-Behandlung gehe eine Befunderhebung mittels PSI voraus. Pro PAR-Behandlungsfall seien somit nach BEMA-Nr. 04 jeweils 10 Punkte als notwendige Begleitleistung in Abzug zu bringen. Hinzu kämen noch weitere Begleitleistungen der einzelnen PAR-Behandlungen wie eine Röntgenaufnahme (Orthopantomogramm, OPG), achtfache Infiltrationsanästhesie (I), zweifache intraorale Leitungsanästhesie (L1), zweimal lokale medikamentöse Behandlung der Schleimhaut (Mu) sowie eine Zahnsteinentfernung (ZSt). Pro Behandlungsfall ergebe sich damit einschließlich des Punktwertes für die Erhebung des PSI-Status ein Mehraufwand für Begleitleistungen im Umfang von 166 Punkten. Der Beklagte erkenne zwar ausdrücklich den Leistungszusammenhang zwischen Parodontalbehandlungen und Exzisionen als Rezidivbehandlungen bzw. als lokale Parodontitistherapie an. Dennoch lasse er diesen Zusammenhang mit einem pauschalen Verweis auf einen nicht ausreichenden Umfang unberücksichtigt. Auch der Mehraufwand im Hinblick auf Begleitleistungen im Bereich der ZE-Behandlungen sei nicht ausreichend gewürdigt worden. Trotz der im Vergleich zur Durchschnittspraxis doppelt so hohen ZE-Fallzahl habe der Beklagte lediglich einen Toleranzwert von 3 % zu Grunde gelegt. Dass die im Zusammenhang mit ZE-Behandlungen erbrachten konservierenden Leistungen notwendig gewesen seien, habe er nachgewiesen. Aus der bloßen Feststellung mehrfacher Aufbaufüllungen an einem Zahn vor Durchführung einer Zahnersatzbehandlung lasse sich nicht auf eine Unwirtschaftlichkeit schließen. Die chirurgische Behandlungstätigkeit sei zu Unrecht nicht als Praxisbesonderheit anerkannt worden. Die Prüfungsstelle habe in ihrem Beschluss vom 15.07.2009 bestätigt, dass ein Behandlungsschwerpunkt vorliege.
12Der Kläger hat beantragt,
13den Beschluss des Beklagten vom 30.03.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Beschwerde gegen den Beschluss der Prüfungsstelle vom 15.07.2009 neu zu entscheiden.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er hat vorgetragen: Der Kläger messe den anerkannten Besonderheiten eine unzutreffend hohe Bedeutung zu. Für jeden der abgerechneten PAR-Fälle seien 156 Punkte Mehrbedarf zuerkannt worden. Dabei sei jeweils von einem vollbezahnten Gebiss ausgegangen und die höchstmögliche Anzahl von Anästhesien zugebilligt worden. Es liege jedoch nicht immer ein vollbezahntes, behandlungsbedürftiges Gebiss vor. Außerdem sei nicht für jede der abgerechneten PAR-Behandlungen eine systematische PAR-Behandlung erfolgt. Die gewährten Toleranzen seien für sämtliche Besonderheiten ausreichend bemessen worden.
17Mit Urteil vom 30.07.2012 hat das Sozialgericht (SG) Münster die Klage abgewiesen. Der Beschluss des Beklagten sei rechtmäßig. Er habe die erforderliche Sachverhaltsaufklärung dadurch vorgenommen, dass er die Unterlagen von 26 Behandlungsfällen und die vom Kläger vorgelegten weiteren Unterlagen ausgewertet und in seine Überlegungen einbezogen habe. Zu weiteren Ermittlungen sei der Beklagte nicht verpflichtet gewesen. Da die Abrechnungswerte des Klägers bei den Fallkosten weit im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses lägen, bestehe der Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit. Mit seinen Angaben und den vorgelegten Unterlagen sei es dem Kläger nicht gelungen, diesen Anscheinsbeweis zu entkräften. Mit dem Hinweis auf den hohen Anteil von Patienten über 60 Jahren und von Behinderten mache der Kläger im Ergebnis geltend, dass er im Prüfzeitraum einen hohen Anteil an Patienten mit erhöhtem Sanierungsbedarf gehabt habe. Dieses Vorbringen lasse sich jedoch weder aufgrund der vom Kläger vorgelegten Unterlagen noch aufgrund der statistischen Werte bestätigen. Die vorgelegten Umsatzstatistiken ließen keinen Rückschluss auf den Behandlungsbedarf pro Patient zu. Der Beklagte sei aufgrund der Auswertung der weiteren vorgelegten Unterlagen (Leistungserfassung pro Patient) zu Recht davon ausgegangen, dass Einzelfälle vorhanden seien, die einen umfangreichen Behandlungsaufwand aufwiesen. Bei Auswertung dieser Unterlagen habe der Beklagte jedoch beanstandungsfrei Hinweise auf Unwirtschaftlichkeit und Hinweise auf die Abrechnung im Zusammenhang mit außervertraglichen Leistungen (Implantatversorgung) festgestellt. Auch die statistischen Abrechnungswerte sprächen für diese Annahme. Ein erhöhter Sanierungsbedarf sei im Regelfall bei Patienten anzunehmen, die erstmalig die Zahnarztpraxis aufsuchten. Die statistischen Werte bei der Geb.-Nr. 01 (eingehende Untersuchung zur Feststellung von Zahn, Mund- und Kieferkrankheiten einschließlich Beratung) ließen Rückschlüsse auf den Anteil der Neupatienten einer Praxis zu. Die Abrechnungsfrequenz dieser Gebührennummer sei absolut unauffällig. Sie läge in einzelnen Quartalen sogar unter den Durchschnittswerten. Dies spreche gegen einen hohen Anteil von Neupatienten. Daher sei die Überschreitung bei der Geb-Nr. 23 (Entfernen einer Krone bzw. eines Brückenankers oder eines abgebrochenen Wurzelstifts bzw. das Abtrennen eines Brückengliedes oder -stegs, je Trennstelle) nur so erklärbar, dass der Kläger die entsprechenden Behandlungen an von ihm bereits behandelten Patienten vorgenommen habe. Bei der Einräumung von Toleranzen habe der Beklagte den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Insbesondere erweise sich die Toleranz für die PAR-Behandlungen als ausreichend. Im Prüfzeitraum habe der Kläger insgesamt 1.038.068 Punkte abgerechnet. Aufgrund der Toleranz von 3,5 % ergebe sich eine Punktzahl von 35.724 Punkten für die PAR-Behandlungen. Da der Beklagte inzwischen festgestellt habe, dass der Kläger im Jahre 2008 12 PAR-Behandlungen nicht durchgeführt habe und von den sieben Fällen aus dem Jahre 2006, in denen er Behandlungsunterlagen vorgelegt habe, in fünf Fällen keine systematische PAR-Behandlung durchgeführt worden seien, verbleibe auch bei einer Punktzahl von 166 pro PAR-Behandlungsfall eine ausreichend hohe Toleranz. Dies gelte auch für die ZE-Behandlung. Wegen der unterdurchschnittlichen Fallkosten sei davon auszugehen, dass in den erfassten ZE-Behandlungen auch Reparaturen und andere Maßnahmen enthalten seien, die keine umfangreichen Begleitleistungen im konservierend-chirurgischen Bereich verursachten. Da der Kläger den Umfang der ZE-Behandlungen mit umfangreichen konservierend-chirurgischen Begleitleistungen nicht schlüssig dargelegt habe und diese Umstände sich auch aus den dem Beklagten zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht entnehmen ließen, sei es gerechtfertigt, den durch die ZE-Behandlungen verursachten Mehrbedarf im Wege der Schätzung mit 3 % festzulegen. Die Direktabrechnungsfälle habe der Beklagte nicht berücksichtigen müssen. Der Kläger habe Abweichungen zur Vergleichsgruppe nicht schlüssig dargelegt. Die für den chirurgischen Mehraufwand eingeräumte Toleranz von 4 % sei ausreichend. Wegen des von den Vergleichswerten erheblich abweichenden Verhältnisses der chirurgischen Leistungen zu den Nachbehandlungen habe der Beklagte zu Recht Hinweise auf eine Unwirtschaftlichkeit angenommen und beurteilungsfehlerfrei die Toleranz für den Mehrbedarf aufgrund der chirurgischen Leistungen festgesetzt. Da neben den ausdrücklich festgelegten Toleranzen noch eine weitere Toleranz von 4,5 % für die nicht "quantifizierbaren" Besonderheiten belassen worden sei und dadurch dem Kläger für den Prüfzeitraum ein Mehraufwand von 306.869,95 EUR zugebilligt worden sei, habe der Beklagte die Honorarkürzung in rechtmäßiger Weise vorgenommen.
18Gegen das ihm am 07.08.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.09.2012 Berufung eingelegt. Das SG Münster habe seine Ausführungen zum überdurchschnittlichen Umfang der bei ihm anfallenden Erstattungs- bzw. Direktabrechnungsfälle im Bereich der ZE-Behandlung vollständig unberücksichtigt gelassen. In der Anlage kwm4 zur Klagebegründung habe er belegt, dass im Rahmen seiner ZE-Behandlungstätigkeit signifikant mehr Direktabrechnungsfälle anfielen als beim Durchschnitt der Vertragszahnärzte. Ebenfalls sei sein Vortrag zur Korrelation der Begleitleistungen Infiltrations- und Leitungsanästhesie zum erhöhten Aufkommen von ZE- und PAR-Behandlungen sowie zur Korrelation der Begleitleistung zweiflächige Füllung zur erhöhten Zahl von PAR-Behandlung nicht in ausreichendem Maß gewürdigt worden. Hierzu habe er als Anlage kwm3 zur Klagebegründung umfangreiche Unterlagen vorgelegt. Schließlich gehe das SG im Rahmen der Beurteilung seiner besonderen Patientenklientel von der fehlerhaften Annahme aus, dass regelmäßig Voraussetzung eines hohen Sanierungsbedarfs das erstmalige Aufsuchen der Arztpraxis sei und im Umkehrschluss somit die Anzahl der Erstbesuche in der Praxis Rückschlüsse auf die Anzahl von Patienten mit hohem Sanierungsbedarf ermögliche. Diese Grundannahme sei sachlich falsch. Der Umkehrschluss, dass ein erhöhter Sanierungsbedarf nur im Rahmen eines Erstbesuchs in Betracht komme, sei nicht zwingend. Vielmehr hänge der Sanierungsbedarf auch und gerade von der Altersstruktur der Patienten ab, da ältere Personen unabhängig von der Inanspruchnahme regelmäßiger zahnärztlicher Untersuchungstermine bereits im Hinblick auf die altersmäßige Abnutzung des Gebisses per se einen höheren Sanierungsbedarf aufwiesen als jüngere Patienten. Auch sei der Beklagte methodisch falsch vorgegangen. Es sei nach dem Urteil des BSG vom 18.06.1997 - 6 RKA 52/96 - gerade nicht ausreichend, eine pauschale Toleranz in Höhe von 140 % anzunehmen und anerkannten Mehrbedarf sodann durch einige weitere Prozentpunkte zu berücksichtigten. Vielmehr seien zunächst die durch die anerkannten Praxisbesonderheiten entstandenen Mehrkosten zu ermitteln und dann vom Gesamtfallwert abzuziehen. Bereits dieses methodisch falsche Vorgehen belaste ihn, da es zu höheren Überschreitungsprozentsätzen führe. Diese Rechtsprechung sei durch das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 29.01.2014 - L 3 KA 52/11 - bestätigt worden.
19Der Kläger beantragt,
20das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 30.07.2012 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Beschlusses vom 30.03.2011 zu verurteilen, über die Beschwerde gegen den Beschluss der Prüfungsstelle vom 15.07.2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
21Der Beklagte beantragt,
22die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
23Er trägt vor, es sei der Berufungsbegründung nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, welche Rechtsfehler ihm unterlaufen sein sollten. Die Forderung, er hätte die Auswirkungen der Praxisbesonderheiten beurteilen müssen, sei unspezifisch. Die gewährten Toleranzen seien angemessen. Bezüglich der Berücksichtigung von Mehraufwendungen bei PAR- und ZE-Fällen sei einerseits feststellen, dass diese - auch unter Einbeziehung der Erstattungs- bzw. Direktabrechnungsfälle - mit dem Mehraufwand bei den Anästhesien (Geb.-Nrn. 40 und 41a) korrespondieren dürften. Dort liege der Mehraufwand über der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis. Andererseits handele es sich bei den Direktabrechnungsfällen zum großen Teil um eine andersartige Versorgung. Der Patient habe ein Anrecht auf entsprechende Festzuschüsse und bekomme sie von seiner Krankenkasse im Wege der Direktabrechnung. Bei solchen Leistungen seien auch die Begleitleistungen keine Kassenleistungen und dürften folglich nicht in der Abrechnung erscheinen, es sei denn, sie wären bei der Regelversorgung ebenfalls angefallen. Nach dem Urteil des BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - sei es offen, ob Praxisbesonderheiten zwingend in der ersten Prüfungsstufe zu berücksichtigen seien. Dessen ungeachtet habe er das Vorliegen von Praxisbesonderheiten in der ersten Prüfungsstufe, d.h. bei der Festlegung der Grenze des offensichtlichen Missverhältnisses, geprüft. Diese Vorgehensweise beruhe darauf, dass Praxisbesonderheiten ein wesentlicher Gestaltungsfaktor bei der Ermittlung des Umfanges von unwirtschaftlichen Behandlungsweisen seien und zudem in der Regel - wenn auch nichts stets - einen inneren Zusammenhang mit anderen, eine Praxis gestaltenden Umständen hätten. Er habe aber keine konkret ermittelbaren Praxisbesonderheiten feststellen können. Weder die überdurchschnittliche Häufigkeit der Behandlung von behinderten Patienten noch die Patienten über 60 Jahre seien als Praxisbesonderheiten in Betracht gekommen. Der von ihm anerkannte Mehraufwand beruhe nicht auf Praxisbesonderheiten, sondern auf der Berücksichtigung notwendiger Behandlungsfolgen bei genehmigten Leistungen wie PAR- und ZE-Behandlungen. Auch bei den Direktabrechnungsfällen handele es sich nicht um eine Praxisbesonderheit, weil sich der Umstand der Direktabrechnung nicht aus der Morbiditätsstruktur der Klientel ergebe. Um eine Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes bei der intellektuellen Prüfung im Rahmen der Anzahl der ZE-Behandlungen zu ermöglichen, hätte der Kläger spätestens in der mündlichen Verhandlung vor dem Beklagten vortragen müssen, wie groß die Anzahl der Direktabrechnungsfälle und der Anteil der nicht außervertraglichen Leistungen sei. An einem entsprechenden Vortrag habe es gefehlt.
24Die Beigeladenen zu 1) und 2) beantragen,
25die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
26Die Beigeladene zu 2) verweist darauf, dass der Beklagte keine Praxisbesonderheiten festgestellt habe. Deswegen sei es müßig, im Rahmen einer rechtlichen Auseinandersetzung klären zu lassen, wo denn diese vermeintlich nicht existenten Praxisbesonderheiten hätten berücksichtigt werden müssen.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der Gerichtsakten S 2 KA 25/11 ER (SG Münster) und S 2 KA 15/13 (SG Münster) Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
28Entscheidungsgründe:
29Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Beschluss des Beklagten vom 30.03.2011 rechtmäßig ist.
30Rechtsgrundlage für die streitigen Honorarkürzungen ist § 106 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) benennt als Prüfarten die Auffälligkeitsprüfung (Nr. 1) und die Zufälligkeitsprüfung (Nr. 2). Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Prüfverfahren nach Durchschnittswerten zum 01.01.2004 abgeschafft worden ist. Die maßgeblichen Prüfvereinbarungen vom 09.08.2006 und 20.11.2007 regeln jeweils in § 6 die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Durchschnittswerten. Dies steht im Einklang mit § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 SGB V, der die Prüfmethoden auch für die Zeit ab dem 01.01.2004 bei entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen ausdrücklich zulässt.
31Die Prüfung nach Durchschnittswerten beruht auf einer Gegenüberstellung der durchschnittlichen Fallkosten des geprüften Arztes einerseits und der Gruppe der vergleichbaren Ärzte andererseits. Eine Unwirtschaftlichkeit ist dann anzunehmen, wenn der Fallwert des geprüften Arztes so erheblich über dem Vergleichsgruppendurchschnitt liegt, dass sich die Mehrkosten nicht mehr durch die Unterschiede in der Praxisstruktur und den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lassen und deshalb zuverlässig auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise als Ursache der erhöhten Aufwendungen geschlossen werden kann. Wann dieser mit dem Begriff des offensichtlichen Missverhältnisses gekennzeichnete Überschreitungsgrad erreicht ist, hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Prüfungsgegenstands und den Umständen des konkreten Falles ab und entzieht sich einer allgemein verbindlichen Festlegung. Die in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen müssen, damit sie auf ihre sachliche Richtigkeit und auf ihre Plausibilität und Vertretbarkeit hin überprüft werden können, im Bescheid genannt werden oder jedenfalls für die Beteiligten und das Gericht erkennbar sein. Im Hinblick darauf, dass die Festlegung des Grenzwertes für das offensichtliche Missverhältnis von der Beurteilung zahlreicher mehr oder weniger unbestimmter und in ihren wechselseitigen Auswirkungen nicht exakt quantifizierbare Einzelfaktoren abhängt und auch bei Berücksichtigung aller relevanten Umstände letztlich eine wertende Entscheidung erfordert, verbleibt den Prüfgremien insoweit ein Beurteilungsspielraum. Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich hierbei auf die Prüfung, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten hat und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen der Möglichkeit die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 58/94 -). Diese überwiegend für den ärztlichen Bereich entwickelten Grundsätze gelten uneingeschränkt auch für zahnärztliche Leistungen (vgl. § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V; BSG, Urteil vom 14.12.2005 - B 6 KA 4/05 R -).
32Das SG hat zu Recht festgestellt, dass die Entscheidung des Beklagten diesen Vorgaben entspricht. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen Bewertung.
33Hinsichtlich seines Vortrags, er behandele überdurchschnittlich viele Patienten mit einem Alter von über 60 Jahren, ist der Kläger seiner Darlegungspflicht für eine Praxisbesonderheit nicht nachgekommen. Praxisbesonderheiten sind aus der Zusammensetzung der Patienten herrührende Umstände, die sich auf das Behandlungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen sind (u.v.a. BSG, Urteil vom 21.06.1995 - 6 RKa 35/94 -). Die betroffene Praxis muss sich nach der Zusammensetzung der Patienten und hinsichtlich der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen vom typischen Zustand einer Praxis der Vergleichsgruppe unterscheiden (BSG, Urteil vom 06.09.2000 - B 6 KA 24/99 R -). Dabei ist es grundsätzlich Sache des geprüften Arztes, den durch die Feststellung eines offensichtlichen Missverhältnisses erbrachten Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit seines Verhaltens durch die Geltendmachung von Praxisbesonderheiten oder kompensatorischen Minderaufwendungen zu widerlegen. Ihn trifft hinsichtlich dieser Einwendungen die Darlegungslast (BSG, Urteil vom 11.12.2002 - B 6 KA 1/02 R -). Es ist Angelegenheit des Vertragsarztes - und nicht des Beklagten oder des Gerichts - entscheidungserhebliche Umstände vorzutragen, die auf eine Abweichung von der Typik der Praxen der Fachgruppe schließen lassen. Der Vertragsarzt ist nicht nur gemäß § 21 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) allgemein gehalten, bei der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken, insbesondere die ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Im Rahmen der Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen hat er vielmehr eine entsprechende besondere Mitwirkungspflicht aus der Sache selbst, wie sie immer dann besteht, wenn ein Arzt sich auf ihm günstige Tatsachen berufen will und diese Tatsachen allein ihm bekannt oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können (BSG, Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 58/94 - m.w.N.). Dieser Mitwirkungsobliegenheit, der der Vertragsarzt grundsätzlich im Verwaltungsverfahren zu genügen hat, ist der Kläger nicht hinreichend nachgekommen. Der Kläger hätte nämlich konkret darlegen müssen, - bei welchem der von ihm behandelten Patienten, - aufgrund welcher Erkrankung im Einzelnen - welcher Mehraufwand erforderlich war (Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 11/10 - ). Das bedeutet nicht, dass der Arzt alle Einzelfälle - nach Art einer Einzelfallprüfung - anführen und medizinisch erläutern müsste; entscheidend ist vielmehr die strukturelle Darlegung der methodischen Zusammenhänge und der medizinischen Gleichwertigkeit. Gelingt der erforderliche Nachweis nicht, geht dies zu Lasten des Arztes (BSG, Urteil vom 05.11.1997 - 6 Rka 1/97 -).
34Diesen Anforderungen an die Darlegungslast genügt der Vortrag des Klägers im Verfahren vor dem Beklagten ebenso wie sein - im Übrigen rechtlich unbeachtliches - Vorbringen im gerichtlichen Verfahren nicht. Weder hat er dargelegt, wie viele Patienten über 60 Jahre er behandelt, noch wie er diese Patienten behandelt hat. Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass sich das Vorbringen des Klägers aufgrund der von ihm vorgelegten Unterlagen nicht bestätigen lasse. Es ist pauschal und kann zumindest in dieser Form keine Praxisbesonderheiten belegen. Im Zentrum des klägerischen Vorbringens stehen die von ihm durchgeführten Behandlungen und nicht die von ihm dezidiert darzulegende Morbiditätsstruktur seiner Patienten. Der Kläger hätte darlegen müssen, aus welchen patientenbezogenen Gründen im Verhältnis zur Vergleichsgruppe ein Mehraufwand entstanden ist. Das ist nicht geschehen. Auf das Argument des SG, ein hoher Sanierungsbedarf falle regelmäßig nur bei erstmalig die Zahnarztpraxis aufsuchenden Patienten an, komm es nicht an.
35Auch war der Beklagte nicht verpflichtet, die vom Kläger vorgetragenen Erstattungs- und Direktabrechnungsfälle zu berücksichtigen. Hierzu hätte der Kläger bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens seiner Darlegungspflicht durch Vorlage entsprechender Zahlen nachkommen müssen. Zwar hat der Beklagte die im Verwaltungsverfahren überreichten Unterlagen zwischenzeitlich aussortiert. Nach dem Vortrag des Klägers waren diese Zahlen als Anlage kwm4 Teil der Klagebegründung. Es kann zu seinen Gunsten davon ausgegangen werden, dass er diese Unterlagen bereits im Widerspruchsverfahren überreicht hat. Als Anlage kwm4 hat er seiner Klagebegründung den Beschluss der Prüfungsstelle vom 15.07.2009 beigefügt. Das genügt indes nicht den Darlegungsanforderungen. Gleiches gilt hinsichtlich der behaupteten Korrelation der Begleitleistungen Infiltrations- und Leitungsanästhesien zum erhöhten Aufkommen von ZE- und PAR-Behandlungen sowie der Korrelation der Begleitleistungen zweiflächiger Füllung zur erhöhten Anzahl von PAR-Behandlung. Hierzu bezieht sich der Kläger auf die Anlage kwm3. Wie das SG jedoch zutreffend festgestellt hat, lassen die als Anlage kwm3 vorgelegten Umsatzstatistiken keinen Rückschluss auf den Behandlungsbedarf pro Patient zu.
36Der Beschluss ist entgegen der Rechtsauffassung des Klägers auch nicht deswegen rechtswidrig, weil der Beklagte eine methodisch falsche Vorgehensweise gewählt hat. Die Abfolge der Prüfungsschritte in der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten ist nicht zwingend; auf welcher Stufe Abweichungen von der Typik der Vergleichsgruppe berücksichtigt werden, ist nicht strikt vorgegeben; unbedenklich können sie auch erst auf einer nachrangigen Stufe wie z.B. durch Belassung großzügiger Durchschnittsüberschreitungen berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 18/11 R -). Zudem weisen der Beklagte und die Beigeladene zu 2. zutreffend darauf hin, dass der Beklagte keine Praxisbesonderheiten festgestellt habe, so dass sie auch nicht falsch berücksichtigt werden konnten. Auch die chirurgischen Leistungen hat der Beklagte entgegen des Vortrags des Klägers nicht als Praxisbesonderheit anerkannt. Er hat hierzu ausgeführt, dass der Mehraufwand der chirurgischen Leistungen nicht als Praxisbesonderheit anerkannt werden könnten, da ein höherer Behandlungsaufwand nach der Rechtsprechung keine Praxisbesonderheit darstellen könne.
37Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
38Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
(1) Der Anbieter ist verpflichtet, die Rückwirkungsfreiheit der verwendeten Systeme und eingebrachten Komponenten im Hinblick auf die ungestörte Funktion der Systeme des Mauterhebers, des nationalen Betreibers und der von ihm betriebenen Kontrolleinrichtungen sowie des Mauterhebungsdienstes zu jedem Zeitpunkt zu gewährleisten. Er steht für die jederzeitige Rückwirkungsfreiheit gemäß Satz 1 ein.
(2) Ist nach den Feststellungen des Mauterhebers die Rückwirkungsfreiheit gemäß Absatz 1 nicht gewährleistet und droht daraus ein Schaden für die ungestörte Funktion der Systeme des Mauterhebers, des nationalen Betreibers und der von ihm betriebenen Kontrolleinrichtungen sowie des Mauterhebungsdienstes zu entstehen, so ist der Anbieter verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Eintritt solcher Schäden sicher auszuschließen. Der Mauterheber ist berechtigt, das Prüfverfahren so lange auszusetzen bis der Anbieter nachgewiesen hat, dass der Eintritt eines Schadens ausgeschlossen ist.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. März 2010 und des Sozialgerichts Mainz vom 16. April 2008 sowie der Bescheid des Beklagten vom 6. April 2006 aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, über die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 19. August 1999 und 6. Juni 2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Der Beklagte sowie die Beigeladenen zu 1. und 2. tragen die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3. bis 6. je zu einem Drittel.
Tatbestand
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Im Streit steht die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Beigeladenen zu 1. in den Quartalen II/1998 bis III/1999.
- 2
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Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse, die Beigeladene zu 1. eine Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft), in der im streitgegenständlichen Zeitraum zwei Zahnärzte für Oralchirurgie und ein Allgemein-Zahnarzt tätig waren. Auf Antrag der Krankenkassen(-Verbände) prüfte der Prüfungsausschuss die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Beigeladenen zu 1. in den Quartalen II bis IV/1998 sowie in den Quartalen I bis III/1999; mit Bescheiden vom 19.8.1999 (Quartale II bis IV/1998) sowie vom 6.6.2000 (Quartale I bis III/1999) lehnte der Ausschuss die Festsetzung von Honorarkürzungen ab. Gegen den Bescheid vom 19.8.1999 erhoben die Gemeinsame Beratungs- und Prüfstelle der Primärkassen sowie die Ersatzkassenverbände Widersprüche, gegen den Bescheid vom 6.6.2000 die "BKK-IKK-LKK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz" sowie die Ersatzkassenverbände. Der beklagte Beschwerdeausschuss gab den Widersprüchen mit Bescheid vom 29.8.2001 zunächst teilweise statt und setzte - nach Durchführung einer Prüfung nach Durchschnittswerten - wegen Überschreitung bestimmter "Relationen" bei den Gebührennr 37-Nbl2 Einheitlicher Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z) ("Stillung einer übermäßigen Blutung durch Abbinden oder Umstechen eines Gefäßes oder durch Knochenbolzung"), 38-N Bema-Z ("Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff oder Tamponieren oder dergleichen, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich, als selbständige Leistung, je Sitzung") und 47a-Ost1 Bema-Z ("Entfernen eines Zahnes durch Osteotomie einschließlich Wundversorgung") in den Quartalen II/1998 bis III/1999 eine Honorarkürzung in Höhe von 19 470,22 DM (= 9954,97 Euro) fest. Hiergegen erhob die Beigeladene zu 1. Klage. Im Laufe des Klageverfahrens teilte der Beklagte dem SG mit, dass er den angefochtenen Bescheid nicht für "rechtsfähig" halte und diesen "ersetzen" werde. Das SG wertete dies als verfahrensbeendendes Anerkenntnis. Mit erneutem Widerspruchsbescheid vom 6.4.2006 wies der Beklagte sodann die Widersprüche zurück. Zur Begründung führte er aus, ein statistischer Vergleich des (Gesamt-)Fallwerts der Beigeladenen zu 1. mit dem der Gruppe der Oralchirurgen habe in den geprüften Quartalen nach Bereinigung des Gesamtfallwerts um anerkannte Praxisbesonderheiten keine Überschreitung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis, die er mit 40 % angesetzt habe, ergeben. Er habe bei der Ermittlung des aus der Praxisbesonderheit "Fälle mit überdurchschnittlichem Behandlungsbedarf" resultierenden Mehraufwandes überprüft, ob statistisch auffällige Gebührenpositionen wirtschaftlich abgerechnet worden seien. Bei dieser Prüfung habe sich zwar ein unwirtschaftlicher Mehraufwand von 1.015 Punkten bei der Gebührennr 37-Nbl2 Bema-Z, von 11.936 Punkten bei der Nr 38-N Bema-Z und von 7.452 Punkten bei der Nr 47a-Ost1 Bema-Z ergeben, um den der Mehraufwand wegen anerkannter Praxisbesonderheiten bereinigt worden sei; die Notwendigkeit von Honorarkürzungen sei damit aber nicht gegeben.
- 3
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Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 16.4.2008, Urteil des LSG vom 4.3.2010). Das LSG hat ausgeführt, der Beklagte habe im Rahmen seiner Prüfung der gesamten zahnärztlichen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. zu Recht auf den Gesamtfallwert abgestellt. Er sei nicht gehalten gewesen, eine Sparten- oder Einzelleistungsprüfung vorzunehmen. Der angefochtene Bescheid sei auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte den Prozentsatz des offensichtlichen Missverhältnisses zu hoch angesetzt habe. Diese Festlegung unterliege dem Beurteilungsspielraum des Beklagten, den dieser nicht überschritten habe. Wegen der Spannbreite möglicher rechtmäßiger Entscheidungen könne jedenfalls in der Regel ein niedrigerer Grenzwert als 40 % von den beteiligten Krankenkassenverbänden nicht erzwungen werden. Auch stelle das vom Beklagten genannte erhöhte Risiko der Inhomogenität der Vergleichsgruppe einen sachlichen Gesichtspunkt dar, der Beurteilungsfehler nicht erkennen lasse.
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Wenn die Prüfgremien im Rahmen der Prüfung der Praxisbesonderheiten feststellten, dass Leistungen teilweise unwirtschaftlich erbracht worden seien und damit nicht als Praxisbesonderheiten anerkannt werden könnten, dann seien diese Unwirtschaftlichkeiten zu beziffern und ein "Regress" festzusetzen. Es könne nicht richtig sein, dass dem Vertrags(zahn)arzt unwirtschaftlich erbrachte Leistungen sehenden Auges honoriert würden. Im Übrigen widerspreche es der Rechtsprechung des BSG, bei Anerkennung von Praxisbesonderheiten die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei 40 % zu belassen. Würden - wie vorliegend - Praxisbesonderheiten in so erheblichem Umfang anerkannt, sei die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis weit unter 40 % festzulegen, zumal eine Bereinigung der Fachgruppe nicht erfolgt sei.
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 4.3.2010 und des SG Mainz vom 16.4.2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 6.4.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 19.8.1999 und 6.6.2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Der Beklagte, die Beigeladene zu 1. und (schriftsätzlich) die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
- 7
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Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Beklagte und die zu 2. beigeladene Kassenzahnärztliche Vereinigung führen aus, die bei der Bewertung von Praxisbesonderheiten festgestellten Korrekturbeträge hätten nicht zu einem Regress führen können, weil es sich nicht um eine Einzelfallprüfung gehandelt habe. Die vom Beklagten durchgeführten Einzelfall- und Relationsbetrachtungen hätten lediglich der rechnerisch eindeutigen Quantifizierung der Praxisbesonderheiten im Rahmen einer statistischen Vergleichsprüfung gedient. Die Beigeladene zu 1. macht Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage geltend und verweist auf den Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Beklagten, den dieser nicht überschritten habe.
- 8
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Die übrigen Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist zulässig und - im Sinne einer Verpflichtung des Beklagten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts erneut über die gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 19.8.1999 und 6.6.2000 erhobenen Widersprüche zu entscheiden - begründet. Die Vorinstanzen haben zu Unrecht die Entscheidung des Beklagten für rechtmäßig gehalten, von Kürzungsmaßnahmen abzusehen.
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1. Die von der Beigeladenen zu 1. geltend gemachten prozessualen und formellen Bedenken greifen allerdings nicht durch. Insbesondere war die von der Klägerin erhobene Klage zulässig. Im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 SGB V wirkt der von einer Krankenkasse bzw einem Krankenkassenverband erhobene Widerspruch auch zugunsten der übrigen Beteiligten und verhindert den Eintritt der Bestandskraft des Bescheides(zur Einheitlichkeit des Verfahrens der Wirtschaftlichkeitsprüfung siehe schon BSGE 60, 69, 71 f = SozR 2200 § 368n Nr 42 S 139 f; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 18 S 98). Die Krankenkassen und ihre Verbände sind - unabhängig von einer Hinzuziehung nach § 12 Abs 2 SGB X - Beteiligte des Prüfverfahrens(BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, RdNr 20). Die Prüfgremien treffen Entscheidungen, die unmittelbare Auswirkungen auf die vertragsärztliche Versorgung haben und die Verpflichtung der genannten Institutionen berühren können, für eine ordnungsgemäße Versorgung Sorge zu tragen (BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, RdNr 22). Es ist für die Rechtsmittelbefugnis der Institutionen ohne Belang, ob die das Verfahren ggf letztlich allein weiterbetreibende Krankenkasse (bzw der Krankenkassenverband) in den vorangegangenen Verfahrensstufen jeweils selbst Rechtsmittel eingelegt hat. Vielmehr wirken von einzelnen Krankenkassen(-Verbänden) eingelegte Rechtsmittel grundsätzlich auch zugunsten der übrigen beteiligten Institutionen. Ob Abweichendes gilt, wenn ein Kostenregress zu Gunsten einer einzelnen Krankenkasse Streitgegenstand ist, bedarf hier keiner Erörterung. Auch eine Stellung von Prüfanträgen durch gemeinsame Einrichtungen der Krankenkassen begegnet keinen Bedenken.
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2. Der Bescheid des Beklagten vom 6.4.2006, der alleiniger Streitgegenstand des Verfahrens ist (stRspr des BSG, zuletzt Urteil vom 29.6.2011 - B 6 KA 16/10 R - RdNr 10, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), ist rechtswidrig.
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a. Ob die vom Beklagten durchgeführte, auf den Gesamtfallwert bezogene Prüfung nach Durchschnittswerten für sich genommen rechtmäßig ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.
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Zweifel könnten sich insoweit ergeben, als der Beklagte die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei einer Überschreitung des Gesamtfallwertes der Vergleichsgruppe um mehr als 40 % angesetzt hat. Grundsätzlich steht den Prüfgremien allerdings hinsichtlich der Festlegung des für das offensichtliche Missverhältnis maßgeblichen Grenzwerts ein Beurteilungsspielraum zu (vgl ua BSGE 76, 53, 58 = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 149; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 267; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12). Jedoch könnte es in Anbetracht der Vorab-Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten unter Umständen geboten sein, den Grenzwert niedriger anzusetzen. So hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Prüfgremien zumindest berechtigt sind, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis niedriger anzusetzen, seitdem Praxisbesonderheiten bereits auf der ersten Prüfungsstufe zu berücksichtigen sind (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 226; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 43 S 239); wenn die Prüfgremien Besonderheiten der Praxis von vornherein in den Fallwertvergleich einbezogen haben, sind auch 40 % unterschreitende Grenzwerte zulässig (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 17). Zudem bedarf noch der Klärung, wie die nach Herausrechnung der Praxisbesonderheiten verbleibenden Überschreitungen noch gerechtfertigt werden können und ob die Prüfgremien ggf nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sind, niedrigere Grenzwerte anzusetzen.
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Der Beklagte hat seine Entscheidung damit begründet, er habe bei der Grenzziehung das Risiko der Inhomogenität des Abrechnungsverhaltens der Vergleichsgruppe berücksichtigt. Auch wenn sich das Problem der Inhomogenität bei einer genauen Quantifizierung kostenerhöhender Umstände relativiert (s hierzu Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand September 2011, K § 106 RdNr 348),kann nicht außer Betracht bleiben, dass gerade die Gruppe der Oralchirurgen kein einheitliches Leistungsspektrum aufweist (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 21, 22; s auch Engelhard aaO RdNr 331b). Ob dieses Argument für sich genommen tragfähig ist, um den vom Beklagten zugrunde gelegten hohen Grenzwert zu rechtfertigen, kann jedoch dahingestellt bleiben, da die Entscheidung des Beklagten bereits aus anderen Gründen rechtswidrig ist.
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b. Der Beklagte durfte die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der zu 1. beigeladenen Gemeinschaftspraxis nicht mit der Feststellung beenden, dass sich der Gesamtfallwert nicht im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses bewege und daher kein Raum für eine Honorarkürzung sei. Vielmehr wäre er ungeachtet des ihm insoweit zustehenden Beurteilungsspielraums bei Beachtung des Gebots der Effektivität von Wirtschaftlichkeitsprüfungen verpflichtet gewesen, den von ihm erkannten Unwirtschaftlichkeiten unter Anwendung anderer Prüfmethoden - namentlich im Wege einer Einzelleistungsprüfung nach Durchschnittswerten, ggf auch einer Einzelfallprüfung - nachzugehen. Sofern sich der Beklagte an der Anwendung anderer, von der Rechtsprechung generell als geeignet anerkannter, Prüfmethoden gehindert gesehen haben sollte, hätte er in der Begründung seiner Entscheidung darlegen müssen, warum er diese an sich gebotenen Prüfungen unterlassen hat.
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aa. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stehen den Prüfgremien bei der Auswahl der im Einzelfall geeigneten Prüfmethode Entscheidungsspielräume zu (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 13; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 13). Diese sind rechtlich als Beurteilungsspielraum zu qualifizieren (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 31 S 177 mwN; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 267/268; soweit in der jüngeren Rechtsprechung des Senats von einem "Ermessen" der Prüfgremien gesprochen wird, wird hieran nicht festgehalten), weil es sich bei der Auswahl der Prüfmethode um eine Fragestellung handelt, die einer Bewertung unter Heranziehung der besonderen Fachkunde der Mitglieder der Prüfgremien bedarf (BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 106; vgl auch BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36 mwN). Von diesem Beurteilungsspielraum ist grundsätzlich auch die Entscheidung umfasst, ob der Vergleichsprüfung die Gesamtfallwerte oder nur der Aufwand in einzelnen Leistungssparten oder bei bestimmten Einzelleistungen zugrunde gelegt werden (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 300).
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Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich bei der Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen, denen ein Beurteilungsspielraum zugrunde liegt, darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die Grenzen eingehalten hat, die sich bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Wirtschaftlichkeit" ergeben, und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (stRspr des BSG, BSGE 72, 214, 216 = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 7; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 20; vgl zuletzt BSGE 102, 21 = SozR 4-2500 § 101 Nr 3, RdNr 16 - zu Sonderbedarfszulassungen).
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bb. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten ist auch unter Berücksichtigung des begrenzten Umfangs der gerichtlichen Überprüfung rechtswidrig. In Anbetracht der deutlichen Überschreitung der Vergleichswerte der Fachgruppe durch die beigeladene Gemeinschaftspraxis und namentlich der von ihm festgestellten Unwirtschaftlichkeiten bei einzelnen Leistungspositionen hätte sich dem Beklagten die ergänzende Anwendung einer anderen Prüfmethode geradezu aufdrängen müssen. Die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt nicht hinreichend erkennen, warum der Beklagte vorliegend von einer Honorarkürzung bzw von der Anwendung einer anderen Prüfmethode abgesehen hat.
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(1) Zu den erforderlichen Subsumtionserwägungen bei der Auswahl einer Prüfmethode gehören nicht zuletzt Ausführungen, die erkennen lassen, dass sich die Prüfgremien den Grenzen ihres Beurteilungsspielraums bewusst gewesen sind. Zu diesen Grenzen gehört zum einen, dass der Senat die statistische Vergleichsprüfung bzw Prüfung nach Durchschnittswerten auf der Grundlage des bis zum 31.12.2003 geltenden Rechts in ständiger Rechtsprechung als "Regelprüfmethode" bezeichnet hat (vgl BSGE 94, 273 = SozR 4-2500 § 106 Nr 9, RdNr 6; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 13 mwN),von der nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden durfte.
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Zum anderen ergibt sich eine Einschränkung des Entscheidungsspielraums der Prüfgremien bei der Auswahl der Prüfmethode aus dem Gebot, "effektive" Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchzuführen. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung die Verpflichtung der Prüfgremien betont, auf festgestellte bzw vorliegende Unwirtschaftlichkeiten zu reagieren. Diese haben die Frage der Unwirtschaftlichkeit mit allen dazu geeigneten und zulässigen Beweismitteln aufzuklären (BSGE 70, 246, 254 = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 51 f; BSGE 75, 220, 224 = SozR 3-2500 § 106 Nr 24 S 135),ggf sachgerechte Prüfungsarten zu entwickeln und Prüfverfahren stets der gesetzlichen Intention entsprechend auszugestalten und durchzuführen, alle Ärzte einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu unterziehen (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 295 f). Es entspricht der Zielsetzung des Gesetzes, dass das Abrechnungs- und Verordnungsverhalten aller Ärzte zu jeder Zeit einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen muss (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 55 S 309/310 unter Hinweis auf BSGE 84, 85, 87 = SozR 3-2500 § 106 Nr 47 S 250; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 51 S 274; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 295 f; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 32 S 185; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 61; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14). Unter Hinweis auf das Gebot effektiver Wirtschaftlichkeitsprüfungen hat der Senat festgestellt, dass eine andere Prüfmethode gewählt werden "darf bzw muss", soweit eine Prüfung anhand von Durchschnittswerten nicht effektiv ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14), bzw dass die Prüfgremien "berechtigt und verpflichtet" sind, ausnahmsweise auch andere Prüfmethoden anzuwenden bzw neu zu entwickeln, wenn sich im Einzelfall die Prüfung nach Durchschnittswerten "als nicht aussagekräftig oder nicht durchführbar" erweist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 10).
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Als "nicht effektiv" im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Senats anzusehen ist eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht erst dann, wenn die Prüfung in der gewählten Form zu überhaupt keinen Ergebnissen führt - etwa, weil sie mangels ausreichender Datengrundlagen (wie zB bei Richtgrößenprüfungen, vgl hierzu BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11) überhaupt nicht durchgeführt werden kann. Vielmehr ist dies bereits dann der Fall, wenn die Voraussetzungen für die Durchführung einer Prüfung zwar vorliegen, der gewählte Prüfungsansatz aber strukturell den Zugriff auf festgestellte Unwirtschaftlichkeiten verstellt. Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn offensichtliche oder bei Durchführung der Regelprüfmethode festgestellte Unwirtschaftlichkeiten in einzelnen Leistungssparten oder bei bestimmten Leistungspositionen bestehen, der Gesamtfallwert jedoch nicht die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis überschreitet. Denn nach der Rechtsprechung des Senats muss die ärztliche bzw zahnärztliche Behandlung sowohl insgesamt als auch in jedem Teilbereich wirtschaftlich sein, also nicht nur beim Gesamtfallwert, sondern auch in jeder einzelnen Sparte und bei Einzelleistungen sowie in jedem Einzelfall (vgl BSG 3-2500 § 106 Nr 42 S 232 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 15).
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(2) Den schon aus dem Beurteilungsspielraum abzuleitenden und durch das Effektivitätsgebot verstärkten Anforderungen genügen die Ausführungen des Beklagten im angefochtenen Bescheid nicht. Denn angesichts der vom Beklagten im Rahmen der Überprüfung von Praxisbesonderheiten festgestellten Unwirtschaftlichkeiten (nach den in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben der Klägerin überschritt der Gesamtfallwert der beigeladenen Gemeinschaftspraxis vor Bereinigung um Praxisbesonderheiten in den strittigen Quartalen den Fachgruppendurchschnitt in einem Umfang von 60,2 % bis 107,1 %) hätte sich bei Beachtung der sich aus dem Gebot zur Durchführung effektiver Wirtschaftlichkeitsprüfungen ergebenden Anforderungen ein Wechsel der Prüfmethode bzw eine Ergänzung der auf den Gesamtfallwert bezogenen Prüfung nach Durchschnittswerten aufgedrängt.
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(a) In Anbetracht der vom Beklagten festgestellten Unwirtschaftlichkeiten bei einzelnen Leistungspositionen hätte es in erster Linie nahe gelegen, eine auf diese Positionen bezogene Einzelleistungsprüfung nach Durchschnittswerten durchzuführen. Einer entsprechenden Regelung in der Prüfvereinbarung bedurfte es nicht, da die Einzelleistungsprüfung einen Unterfall der - seinerzeit durch § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V in der bis 31.12.1994 geltenden Fassung gesetzlich vorgegebenen und durch die Rechtsprechung des Senats konkretisierten - Auffälligkeitsprüfung darstellt.
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Einem ergänzenden bzw alternativen Einzelleistungsvergleich steht nicht entgegen, dass innerhalb der Prüfung nach Durchschnittswerten kein Vorrang von Sparten- und Einzelleistungsprüfungen gegenüber Gesamtfallwertvergleichen bestand (s hierzu Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand September 2011, K § 106 RdNr 398 mwN). Zwar hat der Senat auf die Gefahren eines Sparten- oder Einzelleistungsvergleichs hingewiesen, da deren Aussagewert tendenziell geringer und die Gefahr einer Fehlinterpretation größer ist als bei einem Gesamtvergleich, weil sich die unterschiedlichen Diagnose- und Behandlungsmethoden hier naturgemäß stärker auswirken (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 11 S 57/58; vgl auch BSGE 69, 138, 144 = SozR 3-2500 § 106 Nr 6 S 27). Diesen Gefahren wird jedoch durch die Anforderungen, die der Senat für die Zulässigkeit speziell des Einzelleistungsvergleichs aufgestellt hat, in ausreichendem Maße begegnet. Danach setzt ein derartiger Vergleich voraus, dass davon Leistungen betroffen sind, die für die gebildete Vergleichsgruppe typisch sind und zumindest von einem größeren Teil der Fachgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht werden (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9 mwN). Eine fachgruppentypische Leistung liegt (insbesondere) dann vor, wenn sie von über 50 % der Mitglieder der Vergleichsgruppe erbracht werden (BSG aaO RdNr 11).
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Auch der Gesichtspunkt der "Gesamtwirtschaftlichkeit" steht einer Verpflichtung der Prüfgremien, die Behandlungsweise der Klägerin bezogen auf einzelne Leistungen zu überprüfen, ebenfalls nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Senats darf zwar die Wirtschaftlichkeit einzelner Leistungen oder Leistungssparten nicht losgelöst von der Gesamttätigkeit und den Gesamtfallkosten des Vertragsarztes beurteilt werden (vgl zB BSGE 71, 194, 199 = SozR 3-2500 § 106 Nr 15 S 91; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9). Jedoch folgt daraus nicht, dass bei einem im Vergleich zur Fachgruppe unauffälligen Gesamtkostendurchschnitt eine unwirtschaftliche Erbringung bestimmter Leistungsarten oder Einzelleistungen ausgeschlossen wäre (in diesem Sinne ua BSGE 71, 194, 199 = SozR 3-2500 § 106 Nr 15 S 91; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9). Im Übrigen liegt der Gesamtfallwert der Beigeladenen zu 1. auch nach Bereinigung um Praxisbesonderheiten weiterhin deutlich über den Vergleichswerten der Fachgruppe - wenn auch nach Einschätzung des Beklagten nicht im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses -, so dass es bereits an einer "Unauffälligkeit" des Gesamtfallwerts fehlt. Weiter steht einer - separat durchgeführten - ergänzenden oder alternativen Einzelleistungsprüfung auch die Aussage des Senats nicht entgegen, dass Prüfmethoden nicht miteinander vermengt werden dürfen, weil jede von ihnen nur dann zu rechtlich tragbaren Ergebnissen führt, wenn die ihr eigenen Gesetzmäßigkeiten beachtet werden (vgl ua BSGE 55, 110, 111 = SozR 2200 § 368n Nr 27 S 82; BSGE 71, 194, 196 = SozR 3-2500 § 106 Nr 15 S 87).
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(b) Sofern die Voraussetzungen für einen Einzelleistungsvergleich nicht erfüllt wären, wäre die Durchführung einer Einzelfallprüfung in Erwägung zu ziehen. Letztlich hat der Beklagte eine derartige Prüfung bereits ansatzweise durchgeführt, denn seine Erkenntnisse, dass die Berechnung bestimmter Leistungen "nicht in jedem Fall" nachvollziehbar sei, geht auf eine zumindest stichprobenartige Prüfung der einzelnen Fälle zurück. Eine derartige Prüfung kommt insbesondere in Form einer eingeschränkten Einzelfallprüfung (s hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14, 16; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 14)in Betracht, ggf in Form einer Einzelfallprüfung mit Hochrechnung (s hierzu BSGE 70, 246, 254 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 52 f). Die Prüfgremien sind an einer Anwendung dieser Prüfmethoden auch dann nicht gehindert, wenn die Prüfvereinbarung sie nicht explizit vorsieht; dies gilt jedenfalls dann, wenn andernfalls die Durchführung einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht möglich wäre.
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Einer Einzelfallprüfung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Prüfung nach Durchschnittswerten die Regelprüfmethode darstellt. Zwar hat das BSG wiederholt die Entscheidung der Prüfgremien für eine Einzelfallprüfung als Überschreitung der Grenzen des Beurteilungsspielraums gewertet (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 10 unter Hinweis auf BSGE 77, 53, 56 = SozR 3-2500 § 106 Nr 33 S 187). Dem lag jedoch eine andere Konstellation zugrunde, da die Prüfgremien ihre Auswahl damit begründet hatten, die Einzelfallprüfung sei gegenüber einer Vergleichsprüfung die genauere und gerechtere Prüfmethode. Demgegenüber hat der Senat - wie bereits oben dargestellt - gerade unter Hinweis auf das Gebot effektiver Wirtschaftlichkeitsprüfungen die Wahl einer anderen Prüfmethode gebilligt, soweit eine Prüfung anhand von Durchschnittswerten nicht effektiv ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14).
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(c) Der Beklagte hat weder ergänzende Prüfmaßnahmen durchgeführt noch dies (offenbar) überhaupt in Erwägung gezogen. Jedenfalls enthält der angefochtene Bescheid keine ausreichende Begründung dafür, warum von einer weitergehenden Prüfung abgesehen wurde. Auf Seite 5 des angefochtenen Bescheides wird lediglich ausgeführt, dass keine Gründe vorgelegen hätten, von der Vergleichsprüfung abzugehen, und dass die Durchführung "einer strengen Einzelfallprüfung" nur unter unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten möglich gewesen wäre. Die Möglichkeit eines statistischen Einzelleistungsvergleichs oder die Durchführung einer eingeschränkten Einzelfallprüfung (s hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14, 16; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 14) -ggf auch einer Einzelfallprüfung mit Hochrechnung (s hierzu BSGE 70, 246, 254 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 52 f) - hat der Ausschuss damit erkennbar nicht in Betracht gezogen.
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3. Der Beklagte wird daher die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Beigeladenen zu 1. erneut unter Beachtung der Ausführungen des Senats zur Aussagekraft der bereinigten Gesamtfallwertüberschreitungen und unter Heranziehung alternativer Prüfmethoden zu überprüfen haben. Sollte er dabei zu dem Ergebnis kommen, dass andere Prüfmethoden aus Rechtsgründen ausgeschlossen sind, wird er dies in der Begründung seines Bescheides so zu verdeutlichen haben, dass erkennbar und überprüfbar wird, dass er alle in Frage kommenden Prüfmethoden berücksichtigt und deren Anwendbarkeit aus durchgreifenden Sachgründen verneint hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben der Beklagte sowie die Beigeladenen zu 1. und 2. die Kosten des Verfahrens zu gleichen Teilen zu tragen, da sie unterlegen sind (§ 154 Abs 1 und 3 iVm § 159 Satz 1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen zu 3. bis 6. ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl dazu BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).
(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.
(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch
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arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a, - 2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.
(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.
(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.
(1) Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, medizinische Versorgungszentren und Krankenkassen wirken zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zusammen. Soweit sich die Vorschriften dieses Kapitels auf Ärzte beziehen, gelten sie entsprechend für Zahnärzte, Psychotherapeuten und medizinische Versorgungszentren, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist.
(2) Die vertragsärztliche Versorgung ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, daß eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden.
(3) Für die knappschaftliche Krankenversicherung gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend, soweit das Verhältnis zu den Ärzten nicht durch die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See nach den örtlichen Verhältnissen geregelt ist.
(4) (weggefallen)
(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere
- 1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen, - 2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen, - 3.
Urkunden und Akten beiziehen, - 4.
den Augenschein einnehmen.
(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.
(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.
(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.
Tenor
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Die Revisionen des Klägers und der Beigeladenen zu 1. gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 31. August 2010 werden zurückgewiesen.
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Der Kläger und die Beigeladene zu 1. tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 6.
Tatbestand
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Umstritten sind Regresse wegen überdurchschnittlicher Kosten durch Verordnungen physikalisch-medizinischer Behandlungen.
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Der Kläger, ein Orthopäde mit den Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Chirotherapie, der seit dem Quartal IV/1997 im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) vertragsärztlich tätig ist und seit dem Quartal IV/1999 eine Einzelpraxis betreibt, überschritt in den Quartalen II/2000 bis IV/2002 mit seinem durch Verordnungen veranlassten Heilmittelaufwand (physikalisch-medizinische Leistungen - seit dem 1.4.2005 als physikalisch-therapeutisch bezeichnet) um Werte zwischen 128 % und 177 % den Durchschnitt der Fachgruppe der Orthopäden. Demgegenüber lagen seine Fallzahlen, seine Gesamthonoraranforderungen, sein Rentneranteil, der Umfang der Überweisungs- und Auftragsleistungen sowie sein Arzneikostenaufwand und auch der Umfang der in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen jeweils unter dem Durchschnitt.
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Der Prüfungsausschuss erließ Regressbescheide mit Belassung von Überschreitungen um 125 % bzw um 100 % über dem durchschnittlichen Heilmittelverordnungsvolumen der Fachgruppe (125 % betr Quartale II/2000 bis IV/2001 und 100 % betr Quartale I/2002 bis IV/2002). Der beklagte Beschwerdeausschuss gab den Widersprüchen des Klägers hinsichtlich der Quartale II/2000 bis IV/2001 teilweise statt, indem er die zu belassenden Überschreitungen von 125 % auf 140 % erhöhte (Bescheid vom 9.7.2004, Regressbetrag 18 932,02 Euro) . Die Widersprüche des Klägers hinsichtlich der Quartale I bis IV/2002 - belassene Überschreitungen 100 % - wies der Beklagte zurück (Bescheid vom 22.7.2005, Regressbetrag 37 879,42 Euro; - somit Gesamtregresssumme 56 811,44 Euro).
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In den Bescheiden des Beklagten, die in ihren Grundzügen übereinstimmen, ist ausgeführt, dass mit der Belassung größerer Überschreitungen in den Quartalen der Jahre 2000 und 2001 zusätzlich berücksichtigt worden sei, dass statistisches Zahlenmaterial im Heilmittelbereich erst seit Ende 1999 verfügbar sei. Praxisbesonderheiten hätten beim Kläger weder aufgrund seiner Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Chirotherapie noch aufgrund seines überdurchschnittlichen Operationsspektrums noch aufgrund des Zuschnitts seiner Patientenschaft mit schwer Erkrankten oder Kindern mit Missbildungen anerkannt werden können. Die Durchsicht der (Behandlungs-)Unterlagen habe nur eine leicht überdurchschnittliche Zahl an Operationsfällen - insbesondere Arthroskopien - und keine signifikante Zahl von Patienten mit schweren Erkrankungen und/oder von Kindern mit Missbildungen ergeben. Nach alledem sei von einer Vergleichbarkeit des Zuschnitts seiner Praxisklientel und der daraus erwachsenden Behandlungserfordernisse mit denen des Durchschnitts der Fachgruppe auszugehen. Da das Diagnose- und Leistungsspektrum nicht signifikant von demjenigen der Vergleichsgruppe abweiche, sei die Bildung einer engeren Vergleichsgruppe nicht notwendig; eine signifikante Abweichung ergebe sich auch nicht aus dem unterdurchschnittlichen Umfang seiner in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen und chirotherapeutischen Leistungen. Die Frage eines Ausgleichs zwischen verschiedenen Behandlungsformen sei vielmehr unter dem Gesichtspunkt kompensierende Einsparungen zu prüfen. Seine Überschreitungen des durchschnittlichen Heilmittelverordnungsvolumens der Fachgruppe um Werte zwischen 128 % und 177 % lägen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses. Während die Fachgruppe durchschnittlich bei etwa jedem vierten Patienten eine Heilmittelverordnung ausstelle, habe der Kläger dies bei etwa jedem zweiten Patienten getan; sein Verordnungsvolumen sei mehr als doppelt so hoch wie das des Durchschnitts der Fachgruppe. Auch falle die deutlich überdurchschnittliche Zahl an Wiederholungsrezepturen und an Kombinationen von Krankengymnastik und Massagen mit Kälteanwendungen oder Wärmetherapie auf. Kompensierende Einsparungen könnten weder wegen unterdurchschnittlicher Krankenhauseinweisungen noch wegen unterdurchschnittlicher Gesamthonoraranforderungen anerkannt werden. Ein kausaler Zusammenhang sei auch nicht zwischen dem Mehraufwand des Klägers bei den verordneten physikalisch-medizinischen Behandlungen und dem unterdurchschnittlichen Umfang seiner Arzneiverordnungen feststellbar; sein Vorbringen, er halte sich bei der Rezeptur von Arzneimitteln bewusst zugunsten von Heilmittelverordnungen zurück, genüge nicht; die Therapieansätze bei Arznei- und bei Heilmittelverordnungen seien unterschiedlich. Ein Kausalzusammenhang sei auch nicht ohne Weiteres zwischen dem Mehraufwand bei den verordneten und dem Minderaufwand bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen erkennbar; hiergegen spreche, dass die in eigener Praxis erbrachten und die von selbstständigen nicht-ärztlichen Leistungserbringern erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen nicht deckungsgleich seien. Zudem sei der Einspareffekt nur sehr klein: Der Minderaufwand betrage je Fall bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen nur einen Bruchteil des Mehraufwands durch verordnete physikalisch-medizinische Behandlungen. Fraglich sei auch ein Kausalzusammenhang zwischen dem Mehraufwand des Klägers bei den Heilmittelverordnungen und seinen Einsparungen bei chirotherapeutischen Leistungen, die er auf seine spezielle Behandlungsart mit "sanfter Technik" zurückführe. Ungeachtet aller Zweifel würden Einsparungen bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen und bei seinen chirotherapeutischen Leistungen aufgrund einer Gesamtschau im Rahmen der Belassung von Überschreitungen berücksichtigt, die auf 140 % (Quartale II/2000 bis IV/2001) bzw 100 % (Quartale I bis IV/2002) bemessen würden.
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Die vom SG verbundenen Klagen und die Berufung des Klägers zum LSG sind erfolglos geblieben (Urteile des SG vom 22.10.2008 und des LSG vom 31.8.2010). Das LSG hat - mit weitgehender Bezugnahme auf das Urteil des SG - ausgeführt: Die Auswahl der Vergleichsgruppe sei nicht zu beanstanden. Die Bildung einer verfeinerten Vergleichsgruppe sei nicht etwa unter dem Gesichtspunkt veranlasst, dass der Kläger keine bzw kaum physikalisch-medizinische Leistungen in eigener Praxis erbringe. Dieser Gesichtspunkt könne allenfalls bei der Prüfung kompensierender Einsparungen von Bedeutung sein. Die Vergleichbarkeit mit der Fachgruppe werde nicht durch die geringere Fallzahl des Klägers in Frage gestellt. Der Beklagte habe beanstandungsfrei Praxisbesonderheiten verneint. Für deren Anerkennung genüge weder der Umfang der operativen Leistungen des Klägers noch der von ihm geltend gemachte Mehrbedarf, den er im Vergleich zur Fachgruppe aufgrund von Skoliosepatienten, multimorbiden Patienten und Kindern mit Fehlbildungen der Gliedmaßen habe. Kompensierende Einsparungen habe der Beklagte in ausreichendem Maße - pauschal - berücksichtigt. Dies betreffe die unterdurchschnittliche Erbringung eigener physikalisch-medizinischer und chirotherapeutischer Leistungen. Die Überschreitungswerte zwischen 128 % und 177 % begründeten ein offensichtliches Missverhältnis. Der Einwand des Klägers, er habe die in den Heilmittel-Richtlinien(-RL) enthaltenen Frequenzvorgaben je Patient eingehalten, schütze ihn nicht vor dem Vorhalt, in der Gesamtsumme aller Patienten zu viele Verordnungen - nämlich bei zu vielen Patienten - getätigt zu haben.
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Sowohl der Kläger als auch die zu 1. beigeladene KÄV haben Revision eingelegt.
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Der Kläger macht geltend, das Verfahren der Prüfgremien sowie Begründung und Inhalt der Bescheide widersprächen rechtsstaatlichen Anforderungen. Der durchgeführten Vergleichsprüfung stehe entgegen, dass seine Fallzahl und sein Honoraraufkommen erheblich unter dem Durchschnitt lägen. Die erst im Quartal IV/1999 eröffnete Einzelpraxis habe sich noch in der Aufbauphase befunden. Durch die Nähe zum dortigen Diakonissenkrankenhaus habe er viele Operationspatienten und viele Patienten mit schweren Erkrankungen sowie - wegen der Nähe zu der Geburtshilfeabteilung des Krankenhauses - viele Kinder mit Missbildungen, die chirurgischer und/oder orthopädischer Behandlung bedürften. Ein Vergleich nur mit solchen Orthopäden, die ebenfalls umfangreich operierten und - wie er - keine physikalische Therapie in eigener Praxis anböten, wäre angemessen. Gegenüber seinem hohen Aufwand bei verordneten physikalisch-medizinischen Leistungen hätte der Beklagte eine Kompensation durch seine unterdurchschnittlichen physikalisch-medizinischen Leistungen in eigener Praxis und sein unterdurchschnittliches Gesamthonorar sowie seine unterdurchschnittlichen Arzneikosten anerkennen müssen. Er hätte zu dem von ihm - dem Kläger - geltend gemachten Anteil an Patienten mit schweren Erkrankungen und dem hohen Anteil an Kindern mit Missbildungen nicht lediglich ausführen dürfen, Besonderheiten hätten sich insoweit nicht bestätigt. Der Beklagte hätte die unterdurchschnittliche Fallzahl zum Anlass nehmen müssen, das statistische Material näher zu überprüfen und dessen Aussagen ggf zu korrigieren. In Verbindung mit dem unterdurchschnittlichen Honoraraufkommen hätte sich dann der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit als nicht tragfähig herausgestellt. Der unterdurchschnittliche Umfang der von ihm in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen hätte schon auf der ersten Stufe einer medizinisch-intellektuellen Prüfung daraufhin unterzogen werden müssen, ob bei ihm und in der Arztgruppe die wesentlichen Leistungsbedingungen überhaupt im Sinne einer übereinstimmenden Leistungserbringungstypik vergleichbar seien. Für diese Überprüfung hätte der Beklagte die Heilmittelstatistiken beschaffen und diese arztindividuell und fachgruppenbezogen auswerten müssen, was zu entsprechender Bereinigung des zum Vergleich herangezogenen Fachgruppendurchschnitts und/oder zur Zubilligung von Mehraufwand bei ihm - dem Kläger - durch Anerkennung kompensierender Einsparungen bzw einer Praxisbesonderheit geführt haben würde. Die zugrunde gelegten Statistiken der Beigeladenen zu 1. könnten für einen fundierten Vergleich der Leistungsbedingungen der Fachgruppe mit denen des Klägers nicht ausreichen. Es spreche viel dafür, dass bei ausreichender Ermittlung schon die Grundvoraussetzung vergleichbare Leistungsbedingungen zwischen der Fachgruppe und ihm zu verneinen wäre bzw jedenfalls kein Mehraufwand im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses angenommen werden könne. Hierzu habe der Beklagte in seinen Bescheiden nichts ausgeführt, sodass den Regressbescheiden insoweit jedenfalls ein Begründungsdefizit anhafte.
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Auch dem LSG seien in verschiedener Hinsicht Ermittlungsmängel anzulasten. Es stütze sich bei der Frage kompensierender Einsparungen ebenfalls nur auf die Heilmittelstatistik der Beigeladenen zu 1., ohne den Diskrepanzen zwischen den unterschiedlichen Statistiken und deren Berechnungen nachzugehen. Aufgrund dieses Defizits fehle es nicht nur an ausreichenden Feststellungen zur Vergleichbarkeit der Leistungsbedingungen, sondern auch an einer ausreichenden Grundlage für eine tragfähige Prüfung von Praxisbesonderheiten.
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Schließlich sei auch unberücksichtigt geblieben, dass er - der Kläger - bei der Verordnung von Hilfsmitteln in jedem Einzelfall die Frequenzvorgaben der Heilmittel-RL eingehalten habe. Der Schutz durch die Frequenzvorgaben, den das BSG im Urteil vom 29.11.2006 herausgestellt habe (B 6 KA 7/06 R - SozR 4-2500 § 125 Nr 3) , müsse auch für die Gesamtheit seiner RL-konformen Verordnungen gelten. Diese RL seien ausgerichtet auf verbindliche äußere Rahmenbedingungen im Interesse der Vertragsärzte und ihrer Patienten. Es handele sich um leges speciales gegenüber den Grundsätzen des § 106 SGB V; sie ließen keinen Raum für ergänzende Prüfungen nach lediglich quantitativen, rein statistischen Durchschnittswerten. Andernfalls ergebe sich auch ein Widerspruch zwischen der Bewertung einer Verordnung als im Einzelfall korrekt und bei Gesamtbetrachtung aller Verordnungen als inkorrekt.
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Die Beigeladene zu 1. macht geltend, die Fallzahlen des Klägers hätten in einigen Quartalen (I/2002 bis IV/2002) um bis zu 37 % unter dem Durchschnitt gelegen. Auch wenn eine solche Unterschreitung nicht der Durchschnittsprüfung die Grundlage entziehe - weil hierfür schon Fallzahlen von nur einem Fünftel des Durchschnitts der Vergleichsgruppe ausreichten -, so seien so große Unterschreitungen aber doch im Rahmen der sog medizinisch-intellektuellen Prüfung auf ihre Ursache hin zu überprüfen. Der Beklagte und das LSG hätten zudem die unterdurchschnittlichen Honorarwerte des Klägers bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen nicht zutreffend gewürdigt. Sie hätten "nur sehr bedingt" einen Zusammenhang mit dem ihm angelasteten Mehraufwand anerkannt, weil - wie das LSG ausgeführt habe - in eigener Praxis vorwiegend Thermo- und Elektrotherapie, bei externer Verordnung hauptsächlich Krankengymnastik, Massagen und Wärmetherapie mittels Packung usw erbracht würden und sich deshalb nur in relativ geringfügigem Ausmaß Überschneidungen ergäben. Sie hätten insoweit im Rahmen kompensierender Einsparungen eine pauschale Berücksichtigung durch den Beklagten ausreichen lassen und die Unzulänglichkeiten des zugrunde liegenden Datenvergleichs nicht gewürdigt (Heilmittelstatistik einerseits und Anzahlstatistiken Praxis und Fachgruppe andererseits; keine angemessene Berücksichtigung des bei einigen Leistungen anzutreffenden Phänomens der sog Nullabrechner; Begrenzung der Zahl der einbezogenen Leistungserbringer, aber keine entsprechende Eingrenzung bei der Errechnung des Fallzahlendurchschnitts; Nichteinbeziehung einiger Leistungen auf Seiten der Fachgruppe; unzulängliche Beachtung dessen, dass der Kläger nur die zwei Leistungspositionen Nr 505 und 524 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen erbracht habe).
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Schließlich hätte das LSG berücksichtigen müssen, dass der Kläger bei der Verordnung von Hilfsmitteln in jedem Einzelfall die Frequenzvorgaben der Heilmittel-RL eingehalten habe. Durch diese erfolge eine qualitätsorientierte Überprüfung unter Zurückdrängung rein quantitativer Betrachtung in einer Durchschnittswertprüfung; dies ergebe sich aus den RL und sei durch die Änderung des § 106 SGB V zum 1.1.2004 mit der Abschaffung der Durchschnittswertprüfung als Regelprüfmethode flankiert und so auch im BSG-Urteil vom 29.11.2006 zugrunde gelegt worden. Folgerichtig dürften Aufwand und Menge von Heilmittelverordnungen ausschließlich Einzelfallprüfungen unterzogen werden.
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Der Kläger und die Beigeladene zu 1. beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 31.8.2010 und des Sozialgerichts Mainz vom 22.10.2008 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 9.7.2004 und vom 22.7.2005 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Widersprüche des Klägers zu entscheiden.
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Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
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Er verteidigt das Urteil des LSG. Dieses und das SG hätten zu Recht die angefochtenen Regressbescheide als rechtmäßig angesehen. Die Fallzahlen des Klägers reichten für die Tragfähigkeit eines Vergleichs der Fallkosten des Arztes mit den durchschnittlichen der Fachgruppe aus. Die Bewertung, dass die in eigener Praxis erbrachten und die verordneten physikalisch-medizinischen Leistungen nicht deckungsgleich seien, sich vielmehr hinsichtlich ihrer Art, Intensität und Kosten unterschieden, und die Schätzung des Kompensationsbetrags einschließlich der Berücksichtigung durch Belassung einer sog Restüberschreitung seien nicht zu beanstanden. Den Bescheiden hafte auch kein Begründungsmangel an. Die Einwendungen der Beigeladenen zu 1. gegen die den Prüfergebnissen zugrunde liegenden Werte seien überraschend, da sie selbst die Statistiken erstellt und vorgelegt habe. Auch das Vorbringen des Klägers, er habe in jedem Einzelfall die Frequenzvorgaben der Heilmittel-RL eingehalten, greife nicht durch. Deren Einhaltung schütze nur vor dem Vorhalt eines Verordnungsübermaßes bezogen auf den einzelnen Patienten, aber nicht vor dem Vorhalt, durch Verordnungen bei zu vielen Patienten unwirtschaftlich gehandelt zu haben.
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Die zu 2. beigeladene AOK verteidigt ebenfalls - ohne einen Antrag zu stellen - das angefochtene Urteil des LSG und die Bescheide des Beklagten. Die Vergleichsprüfung sei nicht zu beanstanden. Die Mindestquote von 20 % der durchschnittlichen Fallzahl der Fachkollegen sei beim Kläger erfüllt. Der Beklagte und das LSG hätten den Ursachen weder bei der unterdurchschnittlichen Fallzahl noch bei dem Verordnungsmehraufwand weiter nachgehen müssen. Den unterdurchschnittlichen Umfang der in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen habe der Beklagte ausreichend berücksichtigt.
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Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.
Entscheidungsgründe
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Die Revisionen des Klägers und der Beigeladenen zu 1. sind zulässig (zur Rechtsmittelbefugnis und Aktivlegitimation der KÄVen in Angelegenheiten der Wirtschaftlichkeitsprüfung vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 12 mwN; dem vergleichbar in Zulassungsangelegenheiten: BSG vom 19.10.2011, SozR 4-2500 § 103 Nr 8 RdNr 13, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen) . Die Revisionen sind aber unbegründet. Das LSG hat die angefochtenen Regressbescheide zu Recht nicht beanstandet. Diese Bescheide, die alleiniger Gegenstand des Verfahrens sind (vgl hierzu stRspr des BSG, zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 15 mwN; Nr 29 RdNr 14; zuletzt BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 11 mwN), sind rechtmäßig.
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1. Rechtsgrundlage der Verordnungsregresse ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, mit weiteren - aber für den vorliegenden Rechtsstreit nicht relevanten - Änderungen, für das Jahr 2002 zuletzt noch Änderung vom 19.12.2001, BGBl I 3773). Danach wurde die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder am Maßstab von Richtgrößenvolumina (§ 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V) und/oder anhand von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2), geprüft. Nach dieser Gesetzeslage war davon auszugehen, dass die Prüfung nach Durchschnittswerten wegen ihres hohen Erkenntniswerts bei verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand die Regelprüfmethode darstellte (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 13; ebenso BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13; vgl zuletzt BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 19, 27). Bei dieser Prüfmethode wird der Aufwand des geprüften Arztes je Fall mit dem durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe - im Regelfall der Arztgruppe, der der Arzt angehört - verglichen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Vergleichsgruppe im Durchschnitt insgesamt wirtschaftlich handelt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 303; Nr 55 S 307 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 14, 15; Nr 3 RdNr 14; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13). Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungs- oder Verordnungsaufwand des geprüften Arztes - beim Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten - in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, diesen nämlich in einem Ausmaß überschreitet, das sich nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur wie Praxisbesonderheiten und/oder sog kompensierende Einsparungen erklären lässt, so ist die Folgerung der Unwirtschaftlichkeit gerechtfertigt (stRspr, s dazu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 319; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13 ). Dabei obliegt die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen dem Arzt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 298 f mwN; Nr 57 S 325; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13; Nr 29 RdNr 30 mwN). Die Prüfgremien sind allerdings zu Ermittlungen von Amts wegen hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet, die typischerweise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher augenfällig sind (vgl hierzu - betr in eigener Praxis oder verordneter physikalisch-medizinischer Leistungen - BSG vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - Juris RdNr 21 = USK 85190 S 1014 f; vgl zB auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 51 S 277; Nr 53 S 295 oben). Bei den erforderlichen Bewertungen haben die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum, sodass deren Einschätzungen von den Gerichten nur in begrenztem Umfang überprüft und ggf beanstandet werden können (zu Entscheidungsspielräumen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung s BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36 mwN; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 20; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 22; BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 16, 17, 19) .
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Bei Zugrundelegung dieser rechtlichen Maßstäbe und der gerichtlich nur begrenzt zulässigen Überprüfung sind die angefochtenen Regressbescheide nicht zu beanstanden.
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2. Die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungen des Klägers durfte im Wege des Vergleichs mit den Durchschnittswerten der Fachgruppe der Orthopäden erfolgen.
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a) Die Fallzahl des Klägers reichte als Grundlage für eine Vergleichsprüfung anhand von Durchschnittswerten der Fachgruppe aus. Die Eignung für einen solchen Vergleich ist erst dann zu verneinen, wenn die Fallzahlen des geprüften Arztes so weit unterhalb der Durchschnittswerte der Fachgruppe liegen, dass ein Vergleich nicht mehr aussagekräftig ist. Für einen aussagekräftigen Vergleich hat der Senat auf eine Fallzahl des geprüften Arztes von mindestens 20 % der Vergleichsgruppe und dabei mindestens 100 Behandlungsfälle abgestellt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 45 S 244 ff; vgl auch zB BSG SozR 2200 § 368n Nr 44 S 149 f und Nr 50 S 171). Dieses Mindestmaß hat der Kläger nicht unterschritten. Seine Fallzahlen lagen in den kritischsten der hier streitgegenständlichen Quartale um maximal 40 % unter der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe, dh sie beliefen sich stets auf mehr als 60 % der Vergleichsgruppe.
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Sein Einwand, das LSG habe das Ausmaß der Durchschnittsüberschreitung nicht richtig erfasst, kann seiner Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Dieser betrifft nicht die Bescheide des Beklagten, die Gegenstand der Überprüfung sind, sondern - lediglich - das Urteil des LSG. In diesem heißt es, dass "die Unterschreitung der Fallzahl, die deutlich weniger als 20 % beträgt, nicht die … Vergleichbarkeit" beeinträchtigt (LSG-Urteil S 16) . Demgegenüber ist der Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die "Gesamtfallzahlen … mit bis zu -37 % deutlich unter dem Durchschnitt der Fachgruppe" liegen (Bescheidbegründung vom 22.7.2005 S 2). Dies allein ist maßgeblich, denn entscheidend ist die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Regressbescheide. Eine inhaltliche Fehlbeurteilung des LSG allein kann nicht einen Erfolg der Revision begründen, es sei denn, insoweit läge zugleich ein Mangel des verfahrensmäßigen Vorgehens des LSG vor und dies würde vom Kläger entsprechend den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG gerügt. Im Übrigen spricht nichts dafür, dass das Urteil des LSG auf der Annahme einer Durchschnittsunterschreitung von weniger als 20 % "beruhen" könnte (sog tragende Gründe, vgl zB BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 1 RdNr 4 mwN). Diese Formulierung bezieht die Angabe zum Gesamthonorar im Regressbescheid betr die Quartale II/2000 bis IV/2001 (Bescheid vom 9.7.2004, Begründung S 2 unten) versehentlich auf die Fallzahlen und insoweit auf alle Quartale. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Irrtum das Urteilsergebnis beeinflusst haben könnte, sind nicht ersichtlich; Unterschreitungen um 20 % können ebenso wie solche um bis zu 37 % gleichermaßen die Eignung einer Vergleichsprüfung anhand von Durchschnittswerten der Fachgruppe nicht in Frage stellen, weil Fallzahlen ab 20 % der Vergleichsgruppe - wie ausgeführt - für die Vergleichbarkeit ausreichen.
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b) Die Prüfgremien sind nicht verpflichtet, den Gründen für unterdurchschnittliche Fallzahlen einer Praxis nachzugehen, soweit der Grenzwert von 20 % erreicht oder überschritten ist. Dies ist nicht Gegenstand der sog intellektuellen Betrachtung, die medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte mitberücksichtigt (zur medizinisch-intellektuellen Prüfung vgl zB BSGE 74, 70, 72 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 125; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 13; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19). Eine geringe Fallzahl kann vielfältige Ursachen haben; sie kann zB auf einer Minderung der Leistungsfähigkeit des Arztes beruhen oder Folge einer für die Patienten geringeren Attraktivität bzw Überzeugungskraft des Arztes und/oder seiner Praxis sein. Eine geringe Fallzahl kann dazu führen, dass der Arzt, der dadurch evtl viel Zeit für seine wenigen Patienten hat, geneigt ist, für diese besonders viele Leistungen zu erbringen, womit er uU zugleich trotz seiner geringen Patientenzahl ein auskömmliches Einkommen anstrebt (zu diesen Zusammenhängen vgl Clemens in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 64; zur allgemeinen Problematik anbieterinduzierter Nachfrage gerade bei Praxen mit geringer Patientenzahl siehe zB BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 17 am Ende mit weiteren BSG-Angaben). Die Vielfalt möglicher Ursachen für eine geringe Fallzahl - für die auch nicht-medizinische Ursachen in Betracht kommen können, die keinen Bezug zum eigentlichen Aufgabenbereich der Prüfgremien haben - spricht gegen die Annahme einer Verpflichtung der Prüfgremien, nach deren Ursache im Rahmen der ihnen obliegenden medizinisch-intellektuellen Prüfung zu forschen. Auch erfordert die Praktikabilität - im Sinne des Gebots, effektive Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchzuführen (vgl hierzu BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 20 mwN) -, dass die Prüfgremien bei Fallzahlen von wenigstens 20 % des Fachgruppendurchschnitts im Regelfall die Vergleichbarkeit als gegeben annehmen dürfen.
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c) Ebenso wenig sind die Prüfgremien verpflichtet, bereits im Rahmen der medizinisch-intellektuellen Prüfung - also bei der Ermittlung der richtigen Vergleichsbasis - den unterdurchschnittlichen Umfang der vom Arzt in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen zu berücksichtigen. Auf der ersten Stufe der Prüfung der Grundlagen der Vergleichbarkeit - noch vor dem Einstieg in die weiteren Prüfungsschritte wie Praxisbesonderheiten, kompensierende Einsparungen, offensichtliches Missverhältnis, unwirtschaftlicher Mehraufwand (zu den Prüfungsschritten vgl zB Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand März 2012, § 106 RdNr 290-387, und - zusammengefasst - Clemens in Laufs/Kern aaO, § 36 RdNr 44-82) - mögen atypische Praxisprägungen in die Betrachtung einzubeziehen sein; diese können sich uU aus Praxisbesonderheiten ergeben. Kompensierende Einsparungen hingegen begründen im Regelfall keine abweichende Praxisprägung: Ihr Wesen besteht darin - das ist die Voraussetzung für die Anerkennung einer "Kompensation" -, dass der vom geprüften Arzt verursachte Mehraufwand und der bei ihm gegebene Minderaufwand medizinisch gleichwertig sind; dies zugrunde gelegt, wird durch kompensierende Einsparungen - jedenfalls im Regelfall - nur die individuelle Art der Leistungserbringung und das Spektrum der erbrachten Leistungen, nicht aber die Praxisprägung berührt. Dementsprechend erörtert der Senat den unterdurchschnittlichen Umfang der in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen erst unter dem Gesichtspunkt kompensierender Einsparungen (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 325; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 29 f; ebenso BSG vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - Juris RdNr 21 iVm 25 = USK 85190 S 1014 f iVm 1016 mit erst nachrangiger Berücksichtigung; ebenso BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 43 S 238/239).
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d) Die im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung gebotene ergänzende intellektuelle Prüfung unter medizinisch-ärztlichen Gesichtspunkten wird im Bescheid vom 9.7.2004 (S 7) ausdrücklich erwähnt. Im Übrigen muss diese Prüfung auch nicht explizit erfolgen; vielmehr reicht es aus, dass sich eine hinreichende Berücksichtigung der relevanten Gesichtspunkte aus dem Gesamtzuschnitt der Bescheide ergibt, wie das hier der Fall ist (sinngemäß ebenso zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 266; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 323 unten).
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3. Der Beklagte durfte das Verordnungsvolumen des Klägers mit demjenigen der Orthopäden im selben KÄV-Bezirk vergleichen. Die Bildung einer engeren - verfeinerten - Vergleichsgruppe war nicht geboten.
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Deren Bildung bedarf es nur bzw allenfalls dann, wenn die Struktur der Praxis des geprüften Arztes sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung des Patientenklientels als auch hinsichtlich des ärztlichen Diagnose- und Behandlungsangebots von der Typik beim Durchschnitt der Fachgruppe signifikant abweicht (vgl dazu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 264; Nr 57 S 319 ff, 322 ff; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 11; Nr 12 RdNr 16-23) . Dies kann der Fall sein, wenn ein Arzt eine Zusatz- bzw Schwerpunktbezeichnung führt, sofern diese Niederschlag im Leistungsspektrum oder in der Ausrichtung der Praxis findet (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 319-322; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 17 ff; ebenso BSG vom 21.3.2012 - B 6 KA 55/11 B - RdNr 8) . Die Prüfgremien dürfen solche Abweichungen von der Durchschnittspraxis aber auch - statt durch Bildung einer engeren Vergleichsgruppe - im Rahmen eines späteren Prüfungsschritts als Praxisbesonderheit oder durch Belassung einer größeren Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts berücksichtigen (BSGE 50, 84, 87 = SozR 2200 § 368e Nr 4 S 9 f; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 36 S 202 f; BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 21/02 B - Juris RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30).
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Nach diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass die Prüfgremien sich weder durch die vom Kläger geführten Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Chirotherapie noch durch den unterdurchschnittlichen Umfang der in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen veranlasst gesehen haben, eine engere Vergleichsgruppe zu bilden. Der Beklagte musste erst recht nicht in Betracht ziehen, eine noch engere Vergleichsgruppe aus solchen Orthopäden zu bilden, die sowohl in vergleichbarem Ausmaß wie der Kläger operieren als auch keine physikalische Therapie in ihrer eigenen Praxis anbieten (zur Frage von Praxisbesonderheiten vgl noch RdNr 39 f).
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4. Die angefochtenen Bescheide lassen auch im Übrigen Fehler nicht erkennen.
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a) Eine Unwirtschaftlichkeit kann auch dann gegeben sein, wenn ein Arzt - wie der Kläger geltend macht - bei jeder einzelnen Verordnung die Frequenzzahlen der Heilmittel-RL beachtet. Zu unterscheiden ist nämlich zwischen einerseits Einzelfallprüfungen, auf die die Heilmittel-RL ausgerichtet sind und vor denen diese den Arzt in gewissem Umfang schützen können, und andererseits Durchschnitts- und Richtgrößen-Prüfungen.
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aa) In den Heilmittel-RL kann der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), wie der Senat in seinem Urteil vom 29.11.2006 ausgeführt hat, nähere Vorgaben zum Vorgehen des Therapeuten formulieren (BSG SozR 4-2500 § 125 Nr 3 RdNr 18 ff). Er kann die Frequenz vorgeben, mit der die einzelnen Heilmittel bei den in Betracht kommenden Indikationen angewendet werden sollen, indem er die Verordnungsmenge für den Regelfall festlegt (BSG aaO RdNr 18-20). Dies gehört zum Kernbereich von Regelungen zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen Versorgung bei Heilmittelanwendungen (BSG aaO RdNr 20). Gerade bei Heilmittelverordnungen kann die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht ohne klare untergesetzliche Maßgaben allein über die auf den einzelnen Arzt ausgerichtete Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V realisiert werden; Vergleichsprüfungen sind hier vielfach nur schwer durchführbar. Umso wichtiger sind eindeutige Vorgaben für die im Regelfall als wirtschaftlich angesehenen Verordnungsmengen sowohl bei Erst- als auch bei Wiederholungsverordnungen (BSG aaO RdNr 22).
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bb) Mit diesen Ausführungen hat der Senat den hohen Stellenwert von Frequenzvorgaben für die Verordnung von Heilmitteln im Einzelfall hervorgehoben, ohne aber Vergleichsprüfungen anhand von Durchschnittswerten der Fachgruppe auszuschließen. Zu den Vergleichsprüfungen hat der Senat ausgeführt, dass sie im Heilmittelbereich "vielfach nur schwer durchführbar" sind und - so der vorangehende Satz - dass "die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht ohne klare untergesetzliche Maßgaben allein über die auf den einzelnen Arzt ausgerichtete Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V realisiert werden" kann(BSG aaO RdNr 22). Aus diesen Formulierungen wird deutlich, dass Durchschnittsprüfungen nicht ausgeschlossen sind, sondern die untergesetzlichen Vorgaben (vgl heute § 7 Abs 10 iVm §§ 17 ff der Heilmittel-RL vom 20.1./19.5.2011 zur physikalischen Therapie, BAnz Nr 96 S 2247 vom 30.6.2011 = DÄ 2011, A 1500 mit Verweisung auf Internetseite) und die Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V nebeneinander stehen: Für die vom Arzt im Einzelfall verordnete Leistungsmenge sind die untergesetzlichen Frequenzvorgaben maßgebend; beachtet der Arzt diese Vorgaben, kann ihm in der Regel nicht vorgehalten werden, er hätte in einem einzelnen Behandlungsfall Heilmittel nur mit geringerer Frequenz verordnen dürfen. Vergleichsprüfungen anhand von Durchschnittswerten der Fachgruppe bleiben aber möglich, soweit sie klären sollen, ob der Arzt in der Gesamtzahl seiner Patienten in zu vielen Fällen Anlass zur Verordnung der Heilmittel sah. So stellt der Beklagte beim Kläger nicht in Frage, dass er in allen einzelnen Behandlungsfällen jeweils die Frequenzvorgaben der Heilmittel-RL einhielt; die von ihm durchgeführte Prüfung hat er vielmehr darauf gegründet, dass die Anzahl der Behandlungsfälle, in denen der Kläger physikalisch-medizinische Leistungen verordnete, weit über dem Durchschnitt der Fachgruppe lag - in jedem zweiten Behandlungsfall, daher ungefähr doppelt so häufig wie die Fachgruppe - und dass dafür keine Rechtfertigung aufgrund besonderen Praxiszuschnitts erkennbar sei.
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cc) Mit einer solchen Vergleichsprüfung wird - entgegen der Ansicht des Klägers und der Beigeladenen zu 1. - nicht die Schutzwirkung der Heilmittel-RL unterlaufen, wie auch der Senat sie im Urteil vom 29.11.2006 anerkannt hat (BSG SozR 4-2500 § 125 Nr 3 RdNr 18 ff, 22; vgl auch BSG vom 13.9.2011 - B 1 KR 23/10 R - BSGE 109, 116 = SozR 4-2500 § 125 Nr 7, RdNr 11 und 13). Die Frequenzvorgaben der Heilmittel-RL (zur physikalischen Therapie vgl die Heilmittel-RL aaO mit § 7 Abs 10: "maximale Verordnungsmenge … bis zum Erreichen der
Gesamtverordnungsmenge jedes Regelfalls in der Physikalischen Therapie bis zu sechs Einheiten") sind darauf zugeschnitten, wie viele Einheiten physikalischer Therapie im einzelnen Behandlungsfall als im Regelfall sachgerecht anzusehen sind. Dabei wird vorausgesetzt, dass es sich um einen Behandlungsfall handelt, in dem überhaupt Anlass zur Verordnung physikalisch-medizinischer Leistungen besteht. Zur Frage, in welcher Art von Behandlungsfällen ein solcher Anlass überhaupt als gegeben angesehen werden kann, sagt die Heilmittel-RL nichts aus; medizinische Beurteilungskriterien hierfür sind darin nicht zu finden (vgl dazu BT-Drucks 14/6309 S 10: "mit der Umsetzung der Heilmittel-Richtlinien alleindie Wirtschaftlichkeit … nicht sichergestellt werden") . Deshalb kann gegründet auf den Vorhalt, physikalisch-medizinische Leistungen in einer nicht mehr vertretbaren, zu großen Anzahl von Behandlungsfällen - ohne dass sich dies durch seinen Praxiszuschnitt rechtfertigen lasse - verordnet zu haben, das Verordnungsvolumen eines Arztes sowohl im Wege des Vergleichs mit den Durchschnittswerten der Fachgruppe als auch anhand von Richtgrößen überprüft werden (zu letzterem vgl § 84 Abs 8 iVm § 106 Abs 5a ff SGB V).
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Die Anwendbarkeit der Durchschnitts- und Richtgrößen-Prüfungen entspricht im Übrigen auch dem umfassenden Geltungsanspruch des Wirtschaftlichkeitsgebots, wonach der Arzt nicht nur im konkreten Einzelfall, sondern unter jedem Aspekt - und deshalb auch bezogen auf die Anzahl seiner Behandlungsfälle mit Heilmittelverordnungen - wirtschaftlich handeln muss (vgl hierzu zuletzt BSG vom 19.10.2011, SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 21 mwN).
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b) Ohne Rechtsverstoß hat sich der Beklagte auch mit dem Umfang der in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen auseinandergesetzt. Zumindest missverständlich ist allerdings die Formulierung des LSG, die beim Kläger unterdurchschnittliche Zahl der in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen könne "allenfalls" bei der Prüfung kompensierender Einsparungen von Bedeutung sein (LSG-Urteil S 16). Dies trifft so nicht zu: Die Abfolge der Prüfungsschritte in der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten ist nicht zwingend; auf welcher Stufe Abweichungen von der Typik der Vergleichsgruppe berücksichtigt werden, ist nicht strikt vorgegeben; unbedenklich können sie auch erst auf einer nachrangigen Stufe wie zB durch Belassung großzügiger Durchschnittsüberschreitungen berücksichtigt werden, wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat (betr Bildung einer engeren Vergleichsgruppe vgl zB BSGE 50, 84, 87 = SozR 2200 § 368e Nr 4 S 9 f; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 36 S 202 f; BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 21/02 B - Juris RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30; betr kompensierende Einsparungen und Praxisbesonderheiten vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 43 S 238 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 29 f). Ob das LSG davon hat abweichen oder nur darlegen wollen, wo typischerweise bei einem Verordnungsregress die unterdurchschnittliche Höhe des Honorars für in eigener Praxis erbrachte physikalisch-medizinische Leistungen geprüft wird, kann offenbleiben. Für die abschließende inhaltliche Bewertung kommt es nur darauf an, ob die zugrunde liegenden Bescheide des Beklagten rechtmäßig sind: Diese enthalten ausreichende Ausführungen dazu, wie der gegenüber dem Fachgruppendurchschnitt mindere Aufwand des Klägers bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen zu bewerten ist (hierzu s nachfolgend c).
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c) Entgegen der Ansicht der Revisionsführer hat der Beklagte inhaltlich in genügender Weise den Minderaufwand des Klägers bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen berücksichtigt.
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Der Beklagte hat erwogen, ob insoweit sog kompensierende Einsparungen anzuerkennen seien, dies allerdings nicht abschließend entschieden: Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Mehraufwand bei den verordneten und dem Minderaufwand bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen erscheine zweifelhaft, weil die in eigener Praxis erbrachten und die von selbstständigen nicht-ärztlichen Leistungserbringern erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen nicht deckungsgleich seien. Zudem sei der Ersparniswert gering; der Minderaufwand des Klägers bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen betrage je Fall nur einen Bruchteil des Mehraufwands durch verordnete physikalisch-medizinische Leistungen (insoweit werden Beträge einerseits bis 7 Euro und andererseits ab 20 Euro genannt). Ungeachtet solcher Zweifel am Kausalzusammenhang und an bedeutsamer Ersparnis würden Einsparungen bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen berücksichtigt: Sie seien mitbestimmend für die Belassung von Überschreitungen über das durchschnittliche Heilmittelverordnungsvolumen der Fachgruppe hinaus im Umfang von 140 % (Quartale II/2000 bis IV/2001) bzw 100 % (Quartale I/2002 bis IV/2002).
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Diese Ausführungen des Beklagten genügen den rechtlichen Anforderungen. Wie ausgeführt, müssen die Prüfgremien Umstände, die von ihrer Struktur her an sich der Kategorie kompensierende Einsparungen zuzuordnen sind (so bei unterdurchschnittlichem Umfang der in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen: s die BSG-Angaben oben RdNr 24 am Ende), nicht notwendigerweise im Rahmen dieses Prüfungsschritts berücksichtigen. Es reicht vielmehr aus, sie in die Berechnung oder Schätzung der zu belassenden Durchschnittsüberschreitungen einzubeziehen (vgl oben RdNr 27 und RdNr 35, jeweils mit Rspr-Angaben). Bei der Quantifizierung dürfen sie sich mit pauschalierenden Schätzungen begnügen (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 30 iVm 33 mwN); dies gilt zumal dann, wenn schon dem Grunde nach - das durften die Prüfgremien offenlassen - nicht ohne Weiteres von einem Kausalzusammenhang zwischen Mehr- und Minderaufwand und zudem nur von einer relativ geringen kostenmäßigen Kompensation ausgegangen werden kann. Das Ausmaß der Berücksichtigung ist hier - auch bei Einberechnung eines weiteren Anteils für unterdurchschnittlichen Aufwand bei chirotherapeutischen Leistungen - angesichts der Belassung hoher Überschreitungen über das durchschnittliche Heilmittelverordnungsvolumen der Fachgruppe hinaus - im Umfang von 140 % (Quartale II/2000 bis IV/2001) bzw 100 % (Quartale I/2002 bis IV/2002) - jedenfalls ausreichend.
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d) Schließlich sind die Regressbescheide auch weder hinsichtlich ihrer Ausführungen zum offensichtlichen Missverhältnis noch hinsichtlich der Verneinung von Praxisbesonderheiten zu beanstanden.
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Der Beklagte hat ohne Rechtsverstoß die Anerkennung von Praxisbesonderheiten beim Kläger abgelehnt. Er hat ausgeführt, Praxisbesonderheiten hätten weder aufgrund der Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Chirotherapie noch aufgrund eines überdurchschnittlichen Operationsspektrums noch aufgrund des Zuschnitts der Patientenschaft mit schwer Erkrankten oder Kindern mit Missbildungen anerkannt werden können: Die Durchsicht der (Behandlungs-)Unterlagen habe nur eine leicht überdurchschnittliche Zahl an Operationsfällen - insbesondere Arthroskopien - und keine signifikante Zahl von Patienten mit schweren Erkrankungen und/oder von Kindern mit Missbildungen ergeben. Mit diesen Ausführungen hat der Beklagte die Anerkennung von Praxisbesonderheiten ohne Überschreitung des ihm insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraums - und mit ausreichender Begründung in den Bescheiden - versagt (zu den Entscheidungsspielräumen vgl oben RdNr 18 am Ende mit BSG-Angaben). Das LSG hat sich unter Bezugnahme auf die Ausführungen des SG die Feststellung zu eigen gemacht, dass weder der Umfang der operativen Leistungen des Klägers noch der von ihm geltend gemachte Mehrbedarf im Vergleich zur Fachgruppe bei Skoliose- und multimorbiden Patienten noch bei Kindern mit Fehlbildungen der Gliedmaßen dem Umfang nach deutlich von der Typik der Fachgruppe abweicht. An diese Feststellungen ist das Revisionsgericht gebunden; keiner der Revisionsführer hat dagegen eine Verfahrensrüge entsprechend den dafür bestehenden Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG erhoben(vgl § 163 Halbsatz 2 SGG). Soweit die Revisionsführer die Berechnungen als fehlerhaft gerügt haben, handelt es sich nicht um Verfahrens-, sondern um inhaltliche Rügen; diese können ebenso wenig wie das sonstige Vorbringen, mit dem sie Feststellungen des LSG als unzutreffend beanstanden, die gemäß § 163 SGG bestehende Bindung des Revisionsgerichts aufheben.
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Auch bei der Festlegung des offensichtlichen Missverhältnisses haben die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum (BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 13 mwN); die Festlegungen können je nach der Art der Vergleichsprüfung und dem Maß der Homogenität auf Überschreitungen ab 30 % bis 60 % erfolgen (vgl zB BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 13 mwN und BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 50 mwN) . Liegt im konkreten Fall der nicht durch Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen erklärbare Mehraufwand in jedem Fall deutlich erkennbar im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses, so dürfen die Prüfgremien auf eine ausdrückliche Festlegung verzichten (vgl BSG aaO RdNr 50). Dies war hier im Hinblick auf die Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts um ca 130 % bis 180 % der Fall, sodass die Regressbescheide auch insoweit nicht zu beanstanden sind.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Der Kläger und die Beigeladene zu 1. tragen, da sie mit ihren Rechtsmitteln erfolglos geblieben sind, die Kosten des Revisionsverfahrens zu gleichen Teilen (§ 154 Abs 2 iVm § 159 Satz 1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 6. ist nicht veranlasst; sie haben keine Anträge gestellt (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl dazu BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.